523. Kabinettssitzung am 24. 9. 1957 in Düsseldorf, Haus des

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523. Kabinettssitzung am 24. 9. 1957 in Düsseldorf, Haus des
523. Kabinettssitzung am 24. 9. 1957 in Düsseldorf, Haus des Ministerpräsidenten
Beginn: 15.00 Uhr, Schluß: 19.30 Uhr
Anwesend: Steinho, Biernat, Weyer, Dr. Kohlhase, Dr. Eertz, Hemsath, Dr. Kaßmann, Prof. Dr.
Luchtenberg, Dr. Amelunxen, Bleibtreu, Nemitz; Protokoll: Dr. Hein.
1. Territoriale Verwaltungsreform; hier: Beratung dieser Frage im
Landtagsausschuss für Verwaltungsreform – vgl. hierzu auch Ziff. 2 –
Die Landesregierung nimmt einen Bericht des Innenministers hierüber entgegen.1 Der Innenminister wird
beauragt, die organisatorischen Bemühungen zur Vereinfachung der Verwaltung fortzusetzen und der
Landesregierung in Kürze durch eine neue Kabinettsvorlage Vorschläge dafür zu unterbreiten, wie der
Landtagsausschuß für die Verwaltungsreform über die einschlägigen Fragen einschließlich des Problems
der territorialen Neugliederung der Regierungsbezirke informiert werden kann.
2. Schulverwaltungsgesetz; hier: Auflösung oder Beibehaltung der Schulkollegien
Die Landesregierung nimmt einen Bericht des Kultusministers entgegen.2 Sie ist der Ansicht, daß die
infolge des Wegfalls der früheren preußischen Oberpräsidenten in organisatorischer Hinsicht isolierte
Stellung der Schulkollegien nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die Frage, in welcher Weise im einzelnen die
Schulkollegien in die staatliche Behördenorganisation einzubauen sind, bleibt weiterer Prüfung und der
Entscheidung in einer späteren Kabinettssitzung vorbehalten.
3. Schulverwaltungsgesetz; hier: Verpflichtung bzw. Berechtigung des Landes,
Schulen zu errichten
Die Landesregierung beschließt:
a) Die Vertreter der Landesregierung werden vor dem Landtag und seinen Ausschüssen dafür eintreten,
daß § 10 Abs. 6 des Entwurfs für ein Schulverwaltungsgesetz (früher § 12 Abs. 10 der Regierungsvorlage)
folgende Fassung erhält: „Das Land ist berechtigt, höhere Schulen, Fachschulen und Sonderschulen zu
errichten und fortzuführen.“
b) Der Antrag des Abg. Holtho3, das Land subsidiär zur Errichtung oder Übernahme weiterführender
Schulen zu verpichten, falls andere öentliche Schulträger einem festgestellten Schulbedürfnis nicht zu
entsprechen vermögen, wird von der Landesregierung nicht unterstützt. Ein solches Verfahren ist nach
Ansicht der Landesregierung rechtlich nicht geboten, praktisch entbehrlich und nanziell unübersehbar.
c) Der Kultusminister wird im Einvernehmen mit dem Finanzminister, dem Innenminister und der
Staatskanzlei eine Stellungnahme für den Kulturausschuß ausarbeiten, in den die Beschlüsse unter a) und
b) mitgeteilt und näher begründet werden.
4. Nikolaus-Cusanus-Gymnasium II in Bad Godesberg
1
Dok. 317.
Dok. 318.
3
Fritz Holtho, geb. am 5. 1. 1915, Städtischer Oberschulrat, Abgeordneter des Landtags NRW seit 5. 7.
1950 (SPD).
2
Die Landesregierung beschließt: Von dem Bau einer zweiten staatlichen höheren Schule in Bad Godesberg
(Nikolaus-Cusanus-Gymnasium II) wird abgesehen. Um jedoch den dringenden Schulraumbedarf im
Raum Bonn – Bad Godesberg soweit wie möglich zu beheben, soll unverzüglich das bestehende NikolausCusanus-Gymnasium in Bad Godesberg erweitert werden. Der Finanzminister und der Kultusminister
werden die erforderlichen Maßnahmen einleiten; gleichzeitig wird der Finanzminister geeignete Schritte
unternehmen, um eine nanzielle Beteiligung des Bundes an dem Bauvorhaben zu erreichen.
5. Arbeitszeitverkürzung im öffentlichen Dienst des Landes Nordrhein-Westfalen
Die Landesregierung beschließt gegen die Stimme des Innenministers: Die Beratung der
Kabinettsvorlagen des Innenministers vom 28. 8. und 21. 9. 1957 wird mit Rücksicht auf die neuen
Vorschläge, die der Innenminister hinsichtlich der Prüfung der Vorschrien in der Kabinettssitzung
vorgelegt hat, bis zum 1. 10. 1957 zurückgestellt. Zwischenzeitlich sollen in einer interministeriellen
Referentenbesprechung die neuen Vorschläge des Innenministers rechtlich überprü werden.
6. Entwurf einer Verordnung über die örtliche Zuständigkeit in Strafsachen wegen
Steuer- und Monopolvergehen
Die Landesregierung beschließt: Dem Verordnungsentwurf über die örtliche Zuständigkeit der
Amtsgerichte in Strafsachen wegen Steuer- und Monopolvergehen (vgl. Kabinettsvorlage des
Justizministers vom 10. 9. 57) [nicht ediert] wird zugestimmt.
7. Entwurf einer Verordnung über die Bestimmung der Erlaubnisbehörden nach der
Fahrlehrerverordnung
Die Beratung der Kabinettsvorlage des Ministers für Wirtscha und Verkehr wird bis zum 1. 10. 1957
zurückgestellt. Der vom Minister für Wirtscha und Verkehr vorgelegte Verordnungsentwurf soll in einer
interministeriellen Referentenbesprechung rechtlich geprü werden.
8. Verfassungsrechtliche Prüfung des § 27 des Einkommensteuergesetzes auf Vorlage
des Amtsgerichts Opladen – 1 BvL 19/57 –
Die Landesregierung beschließt: In dem Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
wegen der Vereinbarkeit des § 27 EStG mit dem Grundgesetz wird seitens der Landesregierung eine
Stellungnahme nicht abgegeben.
9. Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf Antrag
der Hessischen Landesregierung wegen verfassungsrechtlicher Prüfung von
Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftssteuergesetzes,
in denen finanzielle Zuwendungen an politische Parteien für abzugsfähig erklärt
werden – 2 BvF 1/57 –
Die Landesregierung beschließt: In dem Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
wegen der Vereinbarkeit der §§ 10b EStG 1955, 11 Zi. 5 KStG 1955, 49 Zi. 1 und 2 EStDV, 26 Zi. 1 und
2 KStDV sowie der Zweiten Verordnung über den Abzug von Spenden zur Förderung staatspolitischer
Zwecke vom 23. 10.1956 mit dem Grundgesetz wird seitens der Landesregierung eine Stellungnahme nicht
abgegeben.
10. Stellungnahme zu Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht; hier:
Verfassungsbeschwerde A. u.a. gegen das Zustandekommen der Landesregierung sowie
gegen die Art. 12 Abs. 1, 2, 80 LV und gegen die §§ 17, 18 und 23 des Ersten Gesetzes zur
Ordnung des Schulwesens im Lande Nordrhein-Westfalen vom 8. 4. 1952 (GV. NW. S. 61) in
einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht
Die Landesregierung beschließt: Von einer erneuten Stellungnahme der Landesregierung zu der
Verfassungsbeschwerdesache A. u.a. wird abgesehen.
11. Sanierung des Bankhauses Lunk & Co. in Hagen
Die Landesregierung beschließt: Die Beratung der Kabinettsvorlage des Ministers für Wiederauau vom
4. 9. 1957 wird bis auf weiteres vertagt. Der Minister für Wirtscha und Verkehr wird beauragt, die
Angelegenheit seinerseits zwischenzeitlich weiter zu klären.4
12. Benennung von Mitgliedern des Wissenschaftsrates gemäss Artikel 4 Abs.
2 und 3 des Abkommens zwischen Bund und Ländern über die Errichtung eines
Wissenschaftsrates
Die Entscheidung der Landesregierung wird bis zum 1. 10. 1957 zurückgestellt.
13-14. sowie
1-17. [Personalia]
Außerhalb der Tagesordnung:
1. Ausfertigung und Verkündung des Gesetzes zur Änderung der Gemeindegrenze
zwischen der Stadt Meschede und der Gemeinde Meschede-Land, Landkreis Meschede
Die Landesregierung beschließt: Die Landesregierung erhebt gegen das am 23. September 1957 vom
Landtag in 3. Lesung verabschiedete Gesetz zur Änderung der Gemeindegrenze zwischen der Stadt
4
Im Jahre 1955 hatte die Bank für Gemeinwirtscha Düsseldorf (BfG) das Bankhaus Lunk & Co. in Hagen
übernommen. Dabei wurde die Kreditbank Hagen GmbH gegründet, deren Geschäskapital in Höhe
von 1 Mio. DM im Eigentum der BfG stand. Das Land NRW und die Stadt Hagen/Westf. hatten eine
90%ige Ausfallbürgscha für eine Schuld des Bankhauses Lunk & Co. übernommen. Dabei ging man
davon aus, daß die Passiven des Bankhauses Lunk & Co. durch die Aktiven gedeckt seien, daß aber zur
Sicherheit für eine etwaige Unterdeckung eine entsprechende Ausfallbürgscha gegeben werden solle. Das
Bankhaus Lunk & Co. war jedoch „erheblich überschuldet“, wie der Minister für Wiederauau in seiner
Kabinettsvorlage vom 4. 9. 1957 schrieb. Seit dem Jahre 1956 hatten Verhandlungen zwischen der BfG
einerseits und dem Ministerium für Wirtscha und Verkehr und dem Finanzministerium andererseits
darüber stattgefunden, in welcher Form sich NRW über die Ausfallbürgscha hinaus an dem Verlust des
Bankhauses Lunk & Co. beteiligen könne. Der Minister schlug vor, der BfG aus seinen Haushaltsmitteln
ein Darlehen in Höhe von 20 Mio. DM zu einem ermäßigten Zinssatz zu gewähren.
Meschede und der Gemeinde Meschede-Land, Landkreis Meschede, keine Bedenken. Das Gesetz
wird hiermit ausgefertigt und ist zu verkünden. Es wird vom Ministerpräsidenten und Innenminister
unterzeichnet.
2. [2. Personalia]
3. Flüchtlingssituation im Lande Nordrhein-Westfalen
Aufgrund eines Berichtes des Arbeits- und Sozialministers über die zunehmenden Schwierigkeiten der
Unterbringung der Flüchtlinge und Vertriebenen beschließt die Landesregierung: Der Ministerpräsident
wird den Bundesminister für Vertriebene, Prof. Dr. Oberländer, zur Teilnahme an der Kabinettssitzung
am 8. 10. 1957 einladen, um mit ihm die dringenden Fragen der Flüchtlingsunterbringung im Lande
Nordrhein-Westfalen zu erörtern.
4. Beerdigung von Frau Bertha Krupp von Bohlen und Halbach5
An der Trauerfeier wird als Vertreter der Landesregierung der Kultusminister teilnehmen.
5. Kabinettssitzung ausserhalb von Düsseldorf
Die Kabinettssitzung vom 15. 10. 1957 soll in Bielefeld stattnden. Der Chef der Staatskanzlei wird
beauragt, im Benehmen mit dem Regierungspräsidenten in Detmold die Vorbereitungen für die
Kabinettssitzung zu treen.
5
Bertha Krupp von Bohlen und Halbach (29. 3. 1886-21. 9. 1957), älteste Tochter von
Friedrich Alfred Krupp, heiratete 1906 Gustav von Bohlen und Halbach.