ungeheuer - Krautgarten

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ungeheuer - Krautgarten
UNGEHEUER
Killer-Tiere. Den Anfang machte Bruno, der „Killer-Bär“,
der zwar keinem Menschen etwas zuleide tat, aber immerhin das Meerschweinchen „Trixi“ und den Hasen
„Hoppel“ verspeist hatte. Dann erfuhr die bayerische Öffentlichkeit, dass zeitgleich mit dem Bären ein potentieller Killer-Wolf sein Unwesen getrieben hatte, doch dankenswerterweise von einem heldenhaften Autofahrer
überfahren wurde, bevor er Schaden anrichten konnte. Der
Druck aufs Gaspedal bei Ansicht eines Wolfes erklärt sich
so: „Laut Diplom-Psychologe Matthias Spörle liegt der Grund
in unseren Genen, aus Zeiten, als Wolf und Mensch noch um
Nahrung konkurrierten.“1
Mehr noch als Wölfe fürchtet die CSU-Staatsregierung
die öffentliche Meinung. Sie getraute sich zunächst nicht,
die Liquidierung des potentiellen Killer-Wolfs der um Bär
Bruno rührend besorgten Bevölkerung mitzuteilen. Erst
ein halbes Jahr später waren die Emotionen soweit abgekühlt, dass der Wolf außer den üblichen NaturschutzQuerulanten keinen mehr interessierte.
Anlass zur Besorgnis gibt in letzter Zeit das Verhalten der
Wildschweine. In Veitshöchheim stürmten Wildsäue, statt
sich ihrer Natur gemäß jagen zu lassen, die Ortschaft; es
gab zwei Verletzte und zwei demolierte Autos. „Eine Sau
… drang in eine Modeboutique ein. 800 bis 1.000 Euro betrug
der Schaden, als das wildgewordene Schwein den Laden wieder verlassen hatte.“2 Solche Nachrichten hätten allenfalls
den verstorbenen Freisinger Dichter Karl Schläger erfreut,
der seinerzeit „emanzipierte Frau“ auf „Sau“ reimte.3
Ein Glück für das Vaterland der Biergärten, dass Elche in
unseren Gefilden nicht heimisch sind (und die wenigen in
Bayern auftauchenden Exemplare sofort von heldenhaften
Autofahrern überfahren werden).4 Denn Elche sind einem guten Schluck nicht abgeneigt, wie aus Schweden vermeldet wird: „Betrunkener Elch bedroht Schüler“. DPA berichtet weiter: „Das Waldtier hatte Gefallen an Fallobst vom
Apfelbaum auf dem Schulhof gefunden, dessen stark gegorene
Früchte ihm einen Rausch bescherten. Der Elch ließ sich …
vor dem Baum nieder, um seinen Rausch auszuschlafen und
gleichzeitig etwaige andere Interessenten vom Alkoholgenuss
abzuhalten. Konkurrenz sah er in den Schulkindern…“5 Man
stelle sich vor, das Oktoberfest würde nicht nur von Japanern und Amerikanern, sondern auch von Elchen besucht und imaginiere eine Bierzelt-Schlägerei zwischen einem menschlichen Suffkopf und einem geweihbewehrten
Elch.
Dass auch Fanatiker der Marke „Beckstein“ Bayern nicht
vor illegaler Einwanderung schützen können, zeigt das
Beispiel eines Nandus, der plötzlich auf einem Rapsfeld in
Neufahrn bei Freising hauste. Wer nun glaubt, ein pflanzenfressender südamerikanischer Laufvogel sei harmlos,
wird von der BILD-Zeitung Fürchten gelehrt, denn nicht
nur „attackieren die Vögel manchmal arglose Spaziergänger.
Außerdem sind Nandus auf nächtlichen Strassen ein echtes
Problem: Sie wiegen bis zu 40 Kilo und haben ihren Schwerpunkt in Höhe der Windschutzscheibe. Bei Kollisionen droht
den Insassen Lebensgefahr.“6 Wer stimmt ob solcher Bosheit
ausländischer Vögel nicht mit ein in den Ruf: „Deutsche
Autofahrer wehrt euch - Freie Fahrt für freie Bürger!“
Widerstand ist auch angesagt gegen eine andere Invasion,
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deren Folgen noch unbekannt sind: „Asiatischer Marienkäfer erobert Berlin“. Die Invasoren stammen aus China,
sind rot und tragen eine „schwarze Zeichnung auf dem
Halsschild, die einem „M“ ähnelt.“7 Ein „M“ wie „Mao“,
dürfte wohl klar sein. Und ungenießbar sind asiatische
Marienkäfer, wie alle Maoisten.
Ein Glück für unser Vaterland, dass die Roten aus China
in Deutschland keine Verbündeten mehr antreffen, von
dem halbdutzend Sekten zu je 3 bis 5 Mann mal abgesehen, die den Anspruch erheben, die wahre KPD/ML zu
sein. Joscha Schmierer zum Beispiel, der seinerzeit an der
Spitze des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands
die BRD mit rotchinesischer Hilfe revolutionieren wollte
und die Methoden Pol Pots würdigte, gehört heute im Planungsstab des deutschen Außenministers zu denen, die
deutsches Kapitalinteresse nunmehr am Hindukusch „verteidigen“.
Doch genug von den Ungeheuern.
Tiere werden übrigens, so der Katechismus der katholischen Kirche, nicht zur Verantwortung vor das Jüngste Gericht zitiert, da „nicht erlösungsfähig und nicht erlösungsbedürftig“. Immerhin sind sie „Mitgeschöpfe“ des
Menschen, weshalb wir uns nun auf die Suche nach menschenfreundlichen Tieren begeben und auch fündig werden: Beim Deutschen Schäferhund. Brief eines Hundezüchters an einen deutschen Staatsmann: „Wie ich
seinerzeit mit tiefem Mitgefühl die Nachricht vernahm, dass
Ihre treue Schäferhündin ruchloser Verbrecherhand zum Opfer fiel, da bebte mein zwölfjähriges Züchterherz…Der
Wunsch wurde in mir immer reger, Ihnen, hochverehrter Herr
Führer Ihren Verlust aus meinem Schäferhunde-Zwinger
durch „Midgard“ ersetzen zu dürfen … Nun, da ich „Midgard“ glücklich in Deutschlands besten Händen weiss, verabschiede ich mich nebst meiner Frau von unserer „Midgard“ mit dem innigen Wunsche, es möge ihr mit Gottes Hilfe
vergönnt sein, Deutschlands grossem Führer mit jener Treue
zu dienen, wie es dem alten Blute ihres Stammbaumes würdig ist. Möge „Midgard´s“ treues Auge die kleinste Gefahr gegen ihren grossen Herrn wahrnehmen und möge sie für Euere
Exzellenz kämpfen bis zum letzten Atemzuge. Wir haben Ihnen, dem Führer des deutschen Volkes, … „Midgard“ entsendet, als symbolische Trägerin des Braunhemdes auf Lebensdauer…“8
Tierfreund Adolf Hitler: Belege für sein tierschützerisches
Engagement gibt es viele. Wir verweisen exemplarisch
auf die Rettung der Fledermaus vor Umbenennung durch
übereifrige Zoologen. Im März 1942 hatte die „Deutsche
Gesellschaft für Säugetierkunde“ beschlossen, die Bezeichnung „Fledermaus“ als zoologisch irreführend durch
„Fleder“ zu ersetzen. Daraufhin wies der Führer den Chef
der Reichskanzlei an, „den Verantwortlichen mit wünschenswerter Deutlichkeit mitzuteilen, die Umbenennungen
seien umgehend rückgängig zu machen. Wenn die Mitglieder
der Gesellschaft für Säugetierkunde nichts Kriegswichtigeres
und Klügeres zu tun hätten, dann könne man sie vielleicht einmal längere Zeit in Baubataillonen an der russischen Front
verwenden.“9
Nach Meinung eines österreichischen Katholiken droht auch
heute, wo ja kein tierfreundlicher Hitler mehr rettend ein-
greifen kann, die Gefahr der Umbenennung, diesmal von
schurkischen Feministinnen, die mit dem „großen I“ der geschlechtsneutralen Benennung drohen: „Vergessen wir …
nicht die nichtemanzipierten Tiere, und kommen wir zu Hilfe
den vielen RäbInnen, PirollInnen, SperlingInnen, FlöhInnen,
FröschInnen, IgelInnen, FischInnen…! Aber oh weh, auch die
männlichen Tiere gehören emanzipiert! Da braucht es rasch
neue Wortschöpfungen: Amslerich, Spinner, Schnecker, Flieger,
Biener, Hummler, Schlanger, Ameiser, Lauser…!“10
In den Höhlen Sloweniens lebt ein kleines, braunes Tierchen, das vom Aussterben bedroht ist: Der Hitler-Käfer,
Anophtalmus Hitleri. Die drohende Ausrottung verdankt
er seinem Namen, denn wer in der Naziszene was auf sich
hält, sucht einen Hitler-Käfer zu erwerben. Auf Auktionen
werden 1.000 € für ein Exemplar gezahlt und wer das
Geld nicht hat, geht eben ins Museum, z.B. in die Zoologische Staatssammlung, wo bereits „fast alle Exemplare
geklaut worden“ sind.11
Es tut sich ein Dilemma für antifaschistische Tierschützer
auf: Als Antifaschist würde man wohl den Untergang des
sechsbeinigen kleinen Hitlers wünschen, aber als Tierschützer steht man in der Pflicht, das Tier vor dem Aussterben zu retten.
Wir fragen nicht, warum mehr als 60 Jahre nach der Niederlage des deutschen Faschismus niemand auf den Gedanken kommt, den nach dem größten Massenmörder aller Zeiten benannten Käfer einfach umzubenennen. Denn
wir wissen doch: Die deutsche Vergangenheit ist bereits
restlos bewältigt.
Sigismund Cultor
1. Münchner Merkur, 24.11.06 – 2. Münchner Merkur, 24.11.06 – 3. Karl
Schläger, „Emanzipation“: „Oh Herr und Gott, ich danke dir, dass ich ein
Mensch bin und kein Tier. Bin kein Pferd und keine Sau Und keine emanzipierte Frau“ Eigenverlag, Freising, o. J. (ca. 1987). – 4. Münchner Merkur, 06.02.07 – 5. Landshuter Zeitung, 13.11.06 – 6. BILD, 18.12.06 –
7. Münchner Merkur, 16.08.06 – 8. Hundezüchter Alois Fröhlich (Salzburg) an Adolf Hitler, 12.11.1933, zitiert nach Beatrice und Helmut
Heiber (Hrsg.): Die Rückseite des Hakenkreuzes – Absonderliches aus
den Akten des Dritten Reiches, DTV, München, 21994, S. 136, Orthographie und Interpunktion nach dem Original. – 9. Martin Bormann an
Heinz-Heinrich Lammers (Chef der Reichskanzlei), 04.03.1942, zitiert
nach Heiber, a.a.O., S. 240 – 10. Leserbrief Gerhard Myrbach, Der 13.,
13.11.06 – 11. Münchner Merkur, 18.08.06
LYRIK VON STEPHAN KAUT
Der in Ostbelgien (Bracht/Burg-Reuland) aufgewachsene
Dichter Stephan Kaut (Jahrgang 1961) hat ein neues Lyrikheft veröffentlicht. Darin beschäftigt der Autor sich auf
nachdenkliche und teils bildhafte, teils heiter-satirische
Weise mit Themen wie Naturerleben, Erziehung, Älterwerden, Zeitgeist und Hausbesitz. Der in Luxemburg und
Trier lebende Autor hat in der Vergangenheit bereits mehrfach Lyrik veröffentlicht. Über das nun vorliegende neue
Heft schreibt Bruno Kartheuser: „In seinen zeitlosen,
meist knappen Sätzen demonstriert Stephan Kaut behutsame und kritische Annäherung an Dinge und Menschen,
die ihn umgeben. Er sondiert, wägt ab, beobachtet und
lässt den Widerhall, den die gewöhnliche Welt in seiner
Lebenserfahrung findet, Wort werden. Er setzt seine Gedichtworte in einer handwerklich anmutenden Art, jenseits aller Überredung und Belehrung. Diese Gedichte
wecken und schaffen Zutrauen.“ Das neue Heft enthält
sechs Gedichte und ist mit farbigen Photos illustriert. Das
anregende und ansprechend aufgemachte Miniaturwerk
ist beim Autor erhältlich.(dR)
Tel. 0049-1741021597
„Im KRAUTGARTEN wächst auch, zum Glück, Unkraut, jene kleine Pflanze der stets wachsamen Widerborstigkeit, die dem vorbeigehenden
Gast zuflüstert: Glaube nicht, sondern denke, bediene dich zu jeder Gelegenheit der Vernunft.“ Georges-Arthur Goldschmidt, Paris
RESTAURANT
Du Barrage
Rue du Barrage, 46
4950 ROBERTVILLE
(080) 44 62 61
Vue sur le Lac de Robertville
à proximité de Château de Reinhardstein
à 500 m du Barrage de Robertville.
Klaus Wiegerling (Hg.)
Völkerfrei
Ein Lesebuch
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Mit Texten von 115 Autoren.
2007, 456 S., 24 3.
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