Diese Flitzer klingen nach lahmem Polo
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Diese Flitzer klingen nach lahmem Polo
REPORT vw scirocco i Wolfsburgs heißer Wustenwind Ford Capri, Opel Manta? Schön, aber das wahre Coupé der 70er-Jahre baute Karmann in Osnabrück. 504 153 VW Scirocco I liefen von 1974 bis 81 vom Band. Hier erzählen fünf Autofans von der Liebe ihres Lebens Gregor liebt die lahmen Sportcoupés Seite 42 Peter und die Liebe fürs Leben Seite 44 Fritzi fährt einen, den illinge: ide sehen aus, d seine blauen Zw un t rd ha on Le d haben 50 PS. Be or un Greg 76 19 n vo d Beide Scirocco sin rage gestanden n immer in der Ga als hätten sie scho Ach herrje! War das schön! Deutschland 1974. WIR sind Fußball-Weltmeister, WIR tanzen zum ABBA-Hit „Waterloo“, WIR flirten vor unserem ersten Farbfernseher mit Ilja Richter („Licht aus, Spot an!“). Den heißesten Hit der Zeit lieferte aber nicht die ZDF-„Disco“, sondern Autobauer Karmann in Osnabrück. Hier lief im Februar 1974 der erste Scirocco vom Band. Ach herrje! War der schön! Scirocco. Welch ein Name! Plötzlich wehte ein heißer Wüs- tenwind durch die niedersächsische VW-Provinz. Einer mit Motor vorn statt hinten, mit Wasser- statt Luftkühlung, mit Frontstatt Heckantrieb. Der Neue war rein technisch ein Golf, kam aber drei Monate früher auf den Markt. VW wollte testen, wie sich diverse Bauteile in Großserie schlagen, um mit dem Golf ja keine Bruchlandung zu oOrdnung: Scirocc ner-)Welt noch in e Koteletten! di f au Da war die (Män e re. Man acht ah -J er 70 r de ng Werbu erleiden. Einer der Scirocco-Väter war Giorgio Giugiaro, dessen Firma Ital Design 1971 den StylingAuftrag für Wolfsburgs heißen Wüs tenwind erhielt. Und so rollte der allererste Scirocco mit der internen Bezeichnung Typ 53 im April 1974 zu den Händlern: drei Motoren (50, 70 und 85 PS), drei Ausstattungsvarianten und zehn Außenfarben. Nach den Sommerferien 1977 gab’s das große Facelift: Kunststoff- statt Chromstoßstangen, Blinker, die in den Kotflügel reichen. Sportliche Fahrer hatten sich da längst in den 110-PS-GTI verliebt, den VW 1976 für 16 125 Mark offerierte. Im Februar 1981 war Schluss mit dem Scirocco I, es folgte Typ 53B. Aber das ist eine andere Geschichte. es nicht geben darf Seite 46 Matthias und die Jugendliebe Seite 48 Andreas und die geklaute Liebe Seite 49 Gregor Leonhardt (40) genügen 50 PS Diese Flitzer klingen nach lahmem Polo Ein Sportcoupé mit dem Herz eines Kleinwagens? Ja, das hat VW wirklich mal verkauft. Dieser Schlossermeister aus Frankfurt braucht nicht mehr, um glücklich zu sein fotos: t. ruddies, hersteller ‡ Also nee! So was hätte sich Gregor Leonhardt nie denken können. Nee, nicht so was. Da sitzt er zwischen zwei Scirocco, beide mit mickrigen 50 PS unter der Haube, und der Schlossermeister aus Frankfurt/Main platzt vor Stolz: „Meine, die verkaufe ich nie.“ Scirocco L, Polo-Motor, dünnes Plastik-Lenkrädchen und eckige Lampen. Leute, ehrlich: Damit konnte man in den 80ern keine Braut abschleppen! Sah Gregor genauso. 1991 hatte er ein 50-PS-Modell, aber bei den Ausfahrten seines Scirocco-Klubs war er immer Letzter. Also sattelte er um, kaufte einen weißen Scirocco GTI mit 180 000 km, bei dem ihm schon während der Probefahrt das Leerlaufventil um die Ohren flog. Egal, er musste die Karre für 4800 Mark unbedingt haben, das Scirocco-Virus hatte ihn erwischt. Aber ständig war was, ständig musste er den GTI reparieren. Da erinnerte er sich an den 50-PSScirocco: nicht so verbastelt, nicht so runtergeritten. 1993 stieß er in Wuppertal auf einen blauen Scirocco L aus einer Sammlungsauflösung: 24 000 km, zweite Hand, scheckheftgepflegt, 7500 Mark. Gekauft! Sieben Jahre später, das Internet lieferte die ersten Angebote, entdeckte der . 42 www.autobild-klassik.de | Nr. 4 ∧ 20. November 2009 Alles original: Gregor Leonhardts Scirocco L wurde im Mai 1976 mit genau diesen Stahlrädern ausgeliefert Stiller Genießer: Gregor in seinem 50-PS-Scirocco. Das große Lenkrad sieht gar nicht nach Coupé aus 20. November 2009 ∧ Nr. 4 | www.autobild-klassik.de 43 REPORT vw scirocco i 40-Jährige das Zwillingsmodell: gleiches Baujahr, gleiche Farbe, gleiche Ausstattung. Und so kaufte er den zweiten Polo im Scirocco-Kostüm: 19 000 km, aus erster Oma-Hand, 6500 Mark. Der Wagen stand in Österreich, die Heimreise auf eigener Achse war kein Pro blem, sondern Genuss: „Du fährst wie in einem Panzer“, sagt Gregor und strahlt, „alles ist so vertraut, du fühlst dich zurückversetzt in deine Jugendzeit.“ Und was wurde aus dem weißen GTI? Das, was in den 90ern aus vielen anderen wurde. Motor von 1,6 auf 1,9 Liter aufgebohrt, schwarze BMW-Rückleuchten, Breitreifen, härter, tiefer. Eben der ganz normale Tuning-Wahn dieser Zeit, als PS-Verrückte noch süchtig waren nach D&W-Hochglanzkatalogen. „Der röhrt wie ein Turbo“, sagt Gregor, „und wenn du um die Kurve fährst, fühlst du dich wie im Kart.“ Aber Hand aufs Herz, warum ausgerechnet Scirocco? Gregor muss nicht lange überlegen: „Die Keilform ist einfach der Hit.“ Er ist sogar so vernarrt, dass er die Internetseite „sciroccokartei.de“ ins Leben gerufen hat, auf der schon 900 Typ-53-Modelle verzeichnet sind. Auch die blauen Zwillinge, die klingen wie lahme Polo. Man achte auf die Feinheiten: Türgriffe vom Audi 80, riesiger Rieger-GTO-Heckflügel und schwarze Rückleuchten vom BMW 3er (E30). Damit war Gregor Leonhardt in den 90ern bei den Scirocco-Treffen im osthessischen Hohenroda ganz weit vorn ... Sammelbesteller im Tuning-Katalog: 32er-Momo-Lenkräder und eine Pedalerie aus gelochtem Alu brauch te man in den 90er-Jahren, um in Scirocco-Kreisen Anerkennung zu erfahren. Bei diesem Modell fehlt die Mittelkonsole. Der Schaltknauf war mal eine Billlardkugel hat er zum inen 1979er GTI Se rt e: nd sü nd ge Ju hlergrill verbreite Gregors umgebaut, den Kü l el od tm lif ce Fa Vor- Peter Stammerjohann (60) ist Erstbesitzer Der Grüne ist (s)ein treuer Begleiter Mit 28 Jahren zahlte der Wolfsburger 15 681 Mark für seinen nagelneuen Scirocco GT. Seitdem sind 32 Jahre und 197 000 Kilometer vergangen. Für ihn ist klar: „Wir werden gemeinsam alt“ ‡ Da sitzt er im Esszimmer und hält die Akte seiner einzigen großen Autoliebe in den Händen. Alle Rechnungen der vergangenen 32 Jahre hat Peter Stammerjohann aus Wolfsburg fein säuberlich abgeheftet. „15 681 Mark habe ich für den Scirocco bezahlt. Die gleiche Summe noch mal für Wartung und Reparatur reingesteckt. Aber in Euro“, erklärt er und lächelt. Der 8. September 1977 war ein verregneter Donnerstag. Der 60-Jährige weiß es noch genau. Es ist der Tag, an dem er seinen Scirocco GT in Empfang nimmt. Viperngrün-Metallic, 1,5 Liter, 70 PS. Statt Rabatt gibt’s einen leeren Tank. Zumindest das Kassettenradio (Blaupunkt Essen) und die Kugel-Lautsprecher bauen die VW-Leute von Auto Damke in Braunschweig kostenlos ein. Ja, so ist das zu dieser Zeit. Peter Stammerjohann ist gerade junger Verwaltungsleiter bei Karstadt in Dortmund und hat genau nachgerechnet. BMW 1502, Porsche 924 oder VW Scirocco? „Ich bin nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten vorgegangen und habe die Folgekosten verglichen“, erklärt er. Der Scirocco hat gewonnen. Ein Glück. Denn Peter Stammerjohann ist ein penibler, gewissenhafter Mensch, einer, dem man ruhigen Gewissens sein Sparbuch und seine Münzensammlung anvertrauen kann. All die ganzen Jahre hegt und pflegt er den Scirocco. Er zieht mit ihm um von Braunschweig nach Dortmund, Hannover, Kamen, Wolfsburg. Er bringt ihn regelmäßig zum Service, lässt ihn 2004 sogar von der VW-Werkstatt komplett entrosten und neu lackieren. Das gesamte Scheckheft ist voller Stempel von VW-Ver- ele zusammen als vi nn. nem Auto länger ter Stammerjoha Pe gt r Frau“, sa k Männer mit ihre ar M cco GT für 15 681 ufte er den Sciro Vor 32 Jahren ka „Ich bin mit mei tragshändlern. So viel Treue wird belohnt. Als die VWLeute einen Ur-Scirocco für die Vorstellung der dritten Generation suchen, finden sie den viperngrünen von Peter Stammerjohann. In Lissabon muss der Scirocco als Fotowagen herhalten, einmal räkelt sich sogar ein Model auf der Motorhaube und zerkratzt mit seinen spitzen Pumps den Lack. Der 60-Jährige lächelt: „VW hat alles wieder picobello in Ordnung gebracht.“ Vor fünf Jahren, als der Scirocco wieder wie neu war, kaufte sich Peter Stammerjohann einen Skoda, fährt seinen grünen Freund nur noch bei gutem Wetter. Denn er hat beschlossen: „Der Wagen und ich, wir werden gemeinsam alt.“ Bis dahin genießt er jede Fahrt. Und muss noch mal lächeln, als er sagt: „Wenn ich nicht gerade in den Rückspiegel schaue, fühle ich mich hinterm Lenkrad wie mit 30.“ fotos: t. ruddies Seht her, mein Serviceheft: Seit Kauf am 8. 9. 1977 hat Peter Stammerjohann alle Wartungen bei VW machen lassen Spucknapf-Lenkrad, Drehzahlmesser, Voltmeter in der Mittelkonsole: So bestückte VW den Scirocco GT 1977. Er schnurrt noch immer wie ein Kätzchen 44 www.autobild-klassik.de | Nr. 4 ∧ 20. November 2009 Um die Schottenkarositze zu schonen, hat sich Stammerjohann Bezüge anfertigen lassen. Der Motorraum mit dem 1,5-Liter-Vierzylinder ist wie geleckt 20. November 2009 ∧ Nr. 4 | www.autobild-klassik.de 45 REPORT vw scirocco i Scirocco-Kauf Jörg Fritz (44) besitzt ein Einzelstück Fritz und sein in (11) fährt er eht ihm gut: Jörg mit Tochter Krist am ns ei m Ge o. cc ich 1979er Sciro s), sehr erfolgre man sieht (recht ie W . es ly al -R er Oldtim Der kleine Rote st Das müssen Sie wissen Das Auto, das es nie geben durfte fotos: t. ruddies Der VW-Werker aus Gifhorn fährt ein Auto, das eigentlich längst verschrottet sein sollte. Aber irgendwie schaffte es der Scirocco Turbo nach draußen – leider ohne Turbo Der Motor sieht aus wie ein stinknormaler 1.6er mit 85 PS. Das war aber nicht immer so. Früher war hier mal ein Turbolader eingebaut, das Hitzeschild (siehe Markierung) beweist es. Damit leistete der Scirocco etwa 145 PS 46 www.autobild-klassik.de | Nr. 4 ∧ 20. November 2009 „Scirocco Fuelinjection“ – allein das Schild vom US-Export wurde bei Ebay schon für 250 Euro gehandelt. Mann, was würde da erst das Cockpit bringen? Es ist im Holzdesign gehalten, die Amis standen drauf, wirklich wahr. Mit den drei Hebeln unterm Original-Radio lässt sich die Klimaanlage (!) bedienen ‡ Pssst. Streng geheim. Im März 1980 will VW einen Scirocco Turbo in den USA verkaufen. 2000 Exemplare sollen mit einem 130 PS starken Motor ausgestattet werden. Dazu Sportsitze, Lederlenkrad, Frontspoiler, rot abgesetzte Zierteile, 185er-Breitreifen, blaugrüner Metalliclack. Testversuche laufen seit Ende der 70er. Aber es läuft nicht gut. Man sagt, dass von 26 Testwagen 17 Feuer fingen, weil es Probleme mit der Dichtheit des Vergasers gab. Irgendwann wird es VW zu heiß. Versuch gestoppt, alle Autos vernichtet. Alle? Nee, einer lebt... ...und der hat es richtig gut, steht bei Jörg Fritz in Gifhorn in der Garage, schön weich auf Teppich. Dass die beiden zusammenkamen – reiner Zufall. 1993 gibt der 44-Jährige („Nenn mich einfach Fritzi“) eine Kleinanzeige im „Heißen Draht“ auf: „Suche Innenausstattung für Scirocco I“. Ein Anrufer sagt, er habe da was, einen kompletten Wagen, zwar arg vergammelt, aber mit ordentlichen Sitzen, noch dazu mit Klimaanlage. Fritzi zahlt 200 Mark, nimmt ihn mit: Er ist mausgrau und löchrig wie ein Schweizer Käse. Wenig später steht er ohne Sitze, Ablagen und Teppiche in der Scheune. Und steht. Und steht. Bis Fritzis Vater droht: „Jetzt mache ich ihn klein.“ Da sieht der Junge noch mal genau hin, erspäht einen Aufkleber an der Unterseite der Motorhaube. Es geht um die Einstellung des Turboladers. Turbo? Scirocco? Fritzi forscht nacht. Findet ein Wärmeschutzblech an der Spritz- wand im Motorraum. Hier war er, der Turbolader. Aber wo ist er? Fritzi beschließt: Den macht keiner klein, den baue ich auf. 500 Stunden Arbeit steckt der VW-Werker in den Youngtimer, 1995 lackiert er ihn, aber nicht in der Originalfarbe: „Alle meine acht Sciroccos zuvor waren rot, also musste auch dieser rot werden.“ Die Geburt des roten Scirocco. Und die Vorgeschichte? Irgendwann lernt Fritzi Horst Rosenblatt kennen, zeigt ihm ein Foto des mausgrauen Scirocco. Rosenblatt erinnert sich: Das war mein Dienstwagen! Im Oktober 1979 (damals war er Ingenieur in der Motorenentwicklung) übernahm der heute 69-Jährige den Scirocco. Er sagt: „Er war einer von zwei Prototypen, die überlebt haben. Er hatte etwa 145 PS.“ Und: „Er lief 210 km/h!“ Einmal fuhr Rosenblatt mit dem Turbo von Wolfsburg nach Kiel. Im Kofferraum standen vier 20-Liter-Kanister mit bleifreiem Benzin, denn: „Damals gab es ja nur verbleites, und der Wagen hatte einen Katalysator.“ Ende 1980 findet das Nullserienfahrzeug irgendwie den Weg aus dem Werk, leider ohne Turbo, und – mysteriös: Laut Brief ist Fritzi Zweitbesitzer, vom VW-Werk steht da nichts. Vielleicht kommen die Geheimnisträger von einst ja mal auf eine Tasse Kaffee vorbei. Denn einmal im Jahr veranstaltet der Mann, der auch nach Feierabend mit VW verheiratet ist, sein „Kaffee schlabbern bei Fritzi“ nur für Scirocco-Fahrer. Und das ist alles andere als streng geheim. ‡ Die Wahrscheinlichkeit, günstig an einen guten Scirocco I zu kommen, ist so hoch wie die Deutsche Meisterschaft für Arminia Bielefeld. Unverbastelte GTI gibt es gar nicht mehr, für 2500 bis 3000 Euro ist höchstens ein GT mit 70 PS drin. Wer so was kauft, sollte aber schweißen können. Denn der Rost ist das Hauptproblem des Einsers. Stehbleche für Kotflügel, Windfang vor der Frontscheibe, Schweller, Radläufe, Endspitzen, Radkästen – es gammelt einfach alles. Die Ersatzteilversorgung ist ebenso erschütternd: VW-Classic-Parts hat für das Facelift-Modell nur noch die rechte Tür (583,10 Euro), nicht aber die linke. Karosserie- und Zierteile sind rar, viele Stoffbezüge gibt es schon gar nicht mehr. Zumindest bei Motor- und Fahrwerkteilen sieht es gut aus: Golf-I-Technik. Stehbleche der Kotflügel rosten, oft wurde hier schon geschweißt ¤ www.sciroccokartei.de Verzeich¤ ¤ ¤ ¤ nis für Roccos. Bitte registrieren! www.roterscirocco.de.tl Alles über Fritzis roten Renner. Kultig! www.typ53.com Tipps und Kniffe der Scirocco Original-IG. Klasse! www.roccofan.de Private Seite mit Link zum Forum. Informativ! www.vw-classic.net Teile für wassergekühlte VW-Oldies. Pflicht! CODE*: 9RCQ * Schicken Sie den Artikel-Code per SMS an die Nummer 5 35 35. Ihr persönliches AUTO BILD KLASSIKArchiv finden Sie auf www.xnip.com. SMS zum Nor maltarif. Eine ausführliche Erklärung finden Sie unter autobild.de/go/xnip 20. November 2009 ∧ Nr. 4 | www.autobild-klassik.de 47 REPORT vw scirocco i AUTO BILD-Redakteur Andreas May (38) So klauten sie meinen Scirocco ≤2 Drei Jahre schraubte er an seinem GTI. Dann, im Sommer 1993, verschwand der VW. Die traurige Geschichte einer Autoliebe Matthias Schwalm (41) bastelt immer noch Diese (Jugend-)Liebe hält ewig 1988 kauft der Mechaniker seinen GTI, holt 150 PS aus dem Motor. Als Sohn Kevin kommt, stellt er den Scirocco weg – 17 lange Jahre ‡ Das Ding hüpft wie ein Bock, geht ab wie die Sau und röhrt wie ein Hirsch. Bis 1992, dann ist Schluss damit. Als Matthias Schwalm (41) seine schwangere Frau ins Krankenhaus fährt, zwängt sie sich zum letzten Mal in den engen Schalensitz. Dann rebelliert sie, mit Erfolg. Nach der Geburt holt er sie und Kevin im Audi 80 ab. Und die blaue Knallkiste? Die stellt Matthias weg. Vier Jahre zuvor kauft er den GTI im hessischen Schwalmstadt. Der VW ist in erbärmlichem Zustand. Gerade mal neun Jahre alt und total mürbe. Wie gut, dass Matthias Kfz-Mechaniker ist, in einer VW-Werkstatt gelernt hat. Er baut die Kamei-Verbreiterung ab, schweißt kiloweise Bleche ein, lackiert seinen Traumwagen in Effektrot- Metallic. 1990 glitzert er wie ein Autoscooter und ist der Star vor der elterlichen Gastwirtschaft. Dabei ist er nicht allein. Matthias muss schmunzeln: „Plötzlich standen da vier Scirocco, meine drei Brüder hatten nämlich auch einen.“ Aber nicht so einen. Die 110 PS waren ihm nicht schnell genug. Er bohrte den 1.6er-Block auf 1,9 Liter auf, investierte in geschmiedete Kolben und größere Ventile, eine scharfe Nockenwelle und einen 45erVergaser. Ergebnis: 150 eingetragene PS und Zoff zu Hause: „Für den Motor ging ein Bausparvertrag drauf. Mein Vater hat einen Monat nicht mit mir geredet.“ Matthias ist das schnuppe. Er gründet 1990 mit 14 Kumpeln den „Scirocco Club Schwalmstadt“, bastelt munter wei- ter. SupersprintAuspuff, Fichtel-&Sachs-Fahrwerk, neuer Lack in AudiRS-4-Blau. Aber dann kommt Kevin. Und der Scirocco steht. Bis 2009. Nach 17 Jahren holt der 41-Jährige seine Jugendliebe aus der Scheune, gibt wieder Gas, so wie früher. Bis gar nichts mehr geht. Landstraße, leichte Steigung, zweiter Gang. Plötzlich macht es Peng, eine weiße Wolke – Motorschaden! Den Mechaniker erschüttert das nicht. Jetzt will er seinen Scirocco zum 180-PSBoliden umbauen, neu lackieren, komplett überarbeiten. Alte (Jugend-)Liebe rostet eben nicht wirklich. Dickes Lenkrad, Extra-Rundinstrumente, Schalensitze, Hosenträgergurte: Der Scirocco von Matthias Schwalm versprüht den Tuning-Charme der 90er. Der Kaufvertrag sieht aus wie eine Einladung zum Kindergeburtstag 48 www.autobild-klassik.de | Nr. 4 ∧ 20. November 2009 wollt ihr, dass mein Freund wieder in den Knast geht?“ Ihr Freund heißt Ataman E., er droht uns in gebrochenem Deutsch. Michael und mir schlottern die Knie, als wir später bei der Kripo Anzeige erstatten. Der nächste Schock fährt mir in die Glieder, als ich einige Wochen später mit meinem Vater beim Anwalt bin und meine Mutter anruft: „Kommt schnell nach Hause, der Typ steht vor der Tür.“ Juni 1994. Ein Jahr ist vergangen. Ataman E. muss wegen der Bedrohung 800 Mark zahlen. Den Diebstahl kann man ihm nicht nachweisen („Teile hat mir Bekannter ge geben“), Motor, Räder, Auspuff, Rückleuchten muss er rausrücken. Von der Versicherung bekomme ich 6055 Mark und 50 Pfennig. Einige Wochen später ruft die Polizei noch mal an: „Gehört Ihnen das Fahrzeug mit dem Kennzeichen HR-ZK 77?“ – „Das war der Scirocco meines Sohnes“, sagt mein Vater. Der Polizist: „Holen Sie die Karosserieteile ab, sie liegen im Wald bei Alsfeld.“ Die Diebe haben meinen Scirocco in neun Teile zersägt. Mit Tränen in den Augen lese ich sie ein letztes Mal zusammen, bringe sie zum Schrotthändler. Und zahle 100 Mark für die Beerdigung meines Jugendtraums. 1≥ ≤3 als 20) dreas May (dam olz wie Bolle: An st , 92 19 irocco GTI er m m So (1) vor seinem Sc a en -L na An te posiert mit Nich 1 2 3 Sommer 1994, der Scirocco ist zersägt. Diebe haben den VW gestohlen, Motor ausgebaut, Räder abgeschraubt, das Interieur samt Schalensitzen und Hosenträgergurten völlig zerfleddert – und den Rest mit der Flex in neun Stücke geteilt, im Wald bei Alsfeld (Hessen) abgelegt. Andreas May ist heute 38 und AUTO BILD-Redakteur, Anna-Lena ist 18, macht Abitur – und fährt mittlerweile selbst Auto: einen VW Lupo 20. November 2009 ∧ Nr. 4 | www.autobild-klassik.de 49 fotos: t. ruddies, r. timm, privat ias Schwalm in kt ber König: Matth wartet nach Defe kstatt. Der Motor er W ybb Ho er in se en Jahr 180 PS leist ng, soll nächstes auf Überarbeitu au Hier ist der Schr ‡ Das Pils perlt. Noch eins und noch eins und... Nach dem vierten beschließe ich, mein Auto stehen zu lassen. Das war am 25. Juni 1993. Der Tag, an dem sie meinen Scirocco klauten. Baujahr 1980. Ein GTI. Als ich ihn kaufte, war ich 18. Das ganze Geld, das ich als Reporter der „Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen“ in Schwalmstadt (Hessen) verdiente, steckte ich in den VW. Kaufte Aluräder und Breitreifen, versuchte mich mit Flex und Ratsche. Ergebnis: hart wie ein Brett dank Bilstein-Fahrwerks, kerniger Klang dank Gillet-Auspuffs, rote Rückleuchten dank Fenstermalfarbe. Mein Scirocco, ein Traum in Dark-Violett-Perleffekt. Als ich ihn am 26. Juni 1993 abholen will, ist er weg. Geklaut. Ein Drama beginnt. Anzeige, Fassungslosigkeit, Bangen. Würde ich ihn jemals wiedersehen? Drei Wochen später: Am Bahnhof steht ein runtergerockter Scirocco. Mausgrau, ein Kotflügel rot, einer silbern. Die Alus, der ovale Endtopf, die roten Rückleuchten lassen mich stutzen. Und der Typ neben dem Wagen: braun gebrannt, lange dunkle Locken, das Hemd bis zum Bauchnabel aufgeknöpft, Goldkettchen. Ich spreche ihn an. „Geile Rücklichter. Wo hast du die her?“ – „Hat Kumpel besorgt“, stammelt er. Dann startet er den Motor, und ich weiß: Das ist meiner. Notiere das Kennzeichen, gehe zur Polizei. Der Beamte brummelt lustlos: „Jetzt ist Wochenende.“ Da rastet mein Lehrmeister aus. Manni Schaake, „HNA“-Chef in Schwalmstadt, faltet die Wache zusammen wie ein Akkordeon. Vier Tage später meldet sich ein Polizist: „Wir haben den Wagen, kommen Sie morgen um 13 Uhr zur Esso-Tankstelle in Stadtallendorf.“ Ich: „Aber nur, wenn dieser Typ nicht da ist.“ Er: „Keine Sorge!“ 13 Uhr, Esso-Tankstelle. Gemeinsam mit Schrauber-Kumpel Michael identifiziere ich die Teile: Den 1.8er-Motor mit 112 PS, Auspuff, Räder – alles meins. Plötzlich kommt er – lange dunkle Locken –, Hand in Hand mit seiner blonden Freundin. Als die Beamten weg sind, reden beide auf uns ein. Sie: „Nehmt die Anzeige zurück, oder