mit piet oudolf in seinem garten
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mit piet oudolf in seinem garten
I N T E R V IE W Er ist einer der berühmtesten Gartengestalter der Welt und denkt mit 70 Jahren noch lange nicht ans Aufhören. Ein Besuch bei Piet Oudolf in Hummelo, Holland. MIT PIET OUDOLF IN SEINEM GARTEN Von Sarah Fas oli n Zwischen Äckern, Wäldern und Bauern höfen tauchen auf einmal Wolken auf. Grüne Wolken aus Hecken, aus Weiss dorn und Hainbuchen. Sanfte, drei bis vier Meter hohe Riesen, die die dahinter liegenden Gärten schützend umschlies sen. Es sind die privaten Gärten von Piet Oudolf, einem der bedeutendsten zeit genössischen Gartengestalter. Einer, der eigentlich die Öffentlichkeit scheut und selten Interviews gibt. «Es dauert eine ganze Weile, bis man richtig warm mit ihm wird», schreibt sein Co-Autor Noël Kingsbury in der Einführung des neuesten gemeinsamen Werkes. Später aber erweise sich Oudolf als humorvol ler, gastfreundlicher Mensch. Ein kleiner Hund schiesst wild bel lend um die Ecke, verstummt aber, als ihn der Meister zur Ruhe mahnt. Oudolf steht auf dem Vorplatz, Jeans, KaroHemd, Reissverschluss-Pulli. Ein gross gewachsener 70-Jähriger mit unver kennbarem Charakterkopf, die langen weissen Stirnfransen zur Seite geschei telt, sein persönlicher Stil genauso eigenständig wie die Pflanzungen, die ihn berühmt gemacht haben. Durch eine als Tunnel geschnittene He cke gelangt man in das Herzstück seines 36 BIOTERRA 7 / 2014 Gartens: den grossen Staudengarten, ein Gemälde aus Gräsern und Stauden. Die Höhen der einzelnen Pflanzen, die Formen ihrer Blüten und Blätter sind sorgfältig komponiert. Oudolf legt bei seinem Design viel Wert auf die Struk tur, den Rhythmus. Ein Garten müsse auch auf einer Schwarzweiss-Foto inte ressant wirken, schreibt er in einem seiner Bücher. Erst dann komme die Farbe als weitere Dimension dazu, die aber mit Bedacht ausgewählt sein müsse. Die unterschiedlichen Farbtöne mischt er harmonisch aufeinander ab. Das Bild soll nicht nur zu einem be stimmten Höhepunkt in sich stimmig sein, sondern die ganze Saison über. Deshalb interessiert sich Oudolf nicht nur für die Blüte und die Blätter, son dern auch für den Fruchtstand. Im Herbst räumt er die Staudenflächen nicht einfach ab, sondern lässt die Pflanzen auch als abgestorbene Schön heiten in den Winter gehen. Herr Oudolf, weshalb sind Staudenpflanzungen wie diese je länger, je beliebter? Piet Oudolf: Ich glaube, wir fühlen uns der Natur gegenüber schuldig, deshalb wollen wir mehr Pflanzen um uns her um. Viele Leute spüren, dass etwas falsch läuft in unserer Beziehung zur Natur. Sie möchten etwas tun. Und trotzdem wagen sich Privatgärtnerinnen und -gärtner nur zögerlich an grosse Staudenflächen oder sind enttäuscht, wenn es nicht funktioniert. Weshalb? Weil solche Pflanzungen sehr komplex sind und deshalb sehr anspruchsvoll. Woran liegt es genau? Man muss die Pflanzen lieben, richtig lieben. Man muss sich gern mit ihnen beschäftigen. Für viele Gärtner ist es bloss eine Arbeit, die sie erledigen müs sen. Das ist auch in Ordnung. Aber wenn man sich mit komplexen Pflanzenbil dern auseinandersetzen möchte, muss man sich für die einzelnen Pflanzen interessieren, sich zu ihnen hingezogen fühlen. Der Wind lässt Schafgarben schau keln und Gräser biegen. Und wenn ab und zu die Sonne zwischen den Wolken am Himmel durchdringt, streifen die Strahlen für einen Moment durch Mä desüss und Lanzen-Eisenkraut. Ein Bild in Bewegung, ein Bild mit Lichtspiele «Ich glaube, wir fühlen uns der Natur gegenüber schuldig, deshalb wollen wir mehr Pflanzen um uns herum.» FOTOS: ADAM WOODRUFF BIOTERRA 7 / 2014 37 I N T E R V IE W reien – nichts ist dem Zufall überlassen, auch wenn es so wirkt. Etwas anders sieht es hinter Oudolfs Haus aus, doch dazu später. die Gärtnerei schliesslich 2009 aufgab. Die leeren Treibhäuser stehen noch ne ben seinem Haus, beherbergen heute aber Autos und Maschinen. Piet Oudolf war 25 Jahre alt, als er sich in die Pflanzen verliebte. Er hatte als Kellner und Barkeeper im Restau rant seiner Eltern in Haarlem gearbei tet, als Stahlarbeiter und Fischhändler gejobbt, bis bei einer Stelle in einer Gärtnerei sein Interesse für Pflanzen geweckt wurde. Er entschied sich für eine Ausbildung zum Landschaftsgärt ner und machte sich schon kurz darauf selbstständig mit einem eigenen klei nen Planungsbüro. Doch das gängige Sortiment der Gärtnereien war ihm zu künstlich, die Pflanzen wirkten ihm zu wenig natürlich. Also entschied er sich zusammen mit seiner Frau Anja, selber die entsprechenden Pflanzen zu züch ten. Sie reisten um die ganze Welt auf der Suche nach Gräsern und Stauden, die ihnen gefielen. 1982 eröffneten sie auf einem alten Hofgut in Hummelo bei Arnheim eine Gärtnerei, fingen an, Pflanzen zu züchten und sich ein Sorti ment für ihre Gestaltungen aufzubauen. Mit dem Drömparken in Enköping in Schweden gelang Oudolf 1996 der Durchbruch. 2000 gewann er an der Chelsea Flower Show in England zusam men mit dem Landschaftsarchitekten Arne Maynard eine Goldmedaille und den Titel «Best in Show». Oudolf war nun so gefragt, dass er sich ganz auf die Planung von Gärten konzentrierte und Sie sind in einer von Gräsern und Stauden dominierten Landschaft aufgewachsen – hat dies Ihren Stil geprägt? Vielleicht schon, aber es gibt auch an dere, die sich mit ähnlichen Fragen aus einandersetzen. Cassian Schmidt vom Hermannshof in Deutschland zum Bei spiel. Rick Darke in den USA, der sich mit der Gestaltung von Industrieflächen beschäftigt. Ich stehe im Austausch mit vielen anderen Gestaltern, diskutiere Pflanzengemeinschaften mit ihnen oder über die Ausbreitung einzelner Arten. Das ist wichtig für mich, um mei ne eigene Arbeit besser zu verstehen und im Lernprozess weiterzukommen. Der Lernprozess geht weiter? Natürlich, der hört nie auf. Das Ganze ist hochkomplex. Es geht nicht nur da rum, einzelne Pflanzen zu kennen und zu arrangieren, es spielen noch viel mehr Komponenten mit hinein: Der zeit liche Ablauf, die Sukzession, all diese Prozesse. Ich lerne noch immer viel. Im Moment lerne ich, mehr Kontrolle ab zugeben. Was ist darunter zu verstehen? Gärtnern bedeutet eigentlich, die hun dertprozentige Kontrolle zu haben. Ich stelle mir immer mehr die Frage: Wo kann ich es sich selber entwickeln las sen und wo nicht? Um dies herauszufinden, hat Oudolf vor drei Jahren einen Gartenbereich hin ter dem Haus neu gestaltet. Die Fläche wirkt zwar ebenfalls wohlkomponiert, aber viel wilder als der grosse Garten gegen die Strasse hin. Es ist eine Mi schung aus 40 standorttreuen Stauden sorten und sich selber versamenden Wildpflanzen: Zum Beispiel das Echte Labkraut, die Wiesen-Margerite, der Gewöhnliche Baldrian. In diesem neuen Garten möchte Oudolf herausfinden, wie der Pflegeaufwand im Vergleich zu anderen Staudenpflanzungen ist. Gibt es mehr oder weniger zu tun? Eine Frage, die für seine Projekte im öffentlichen Grün nicht unbedeutend ist. Ist diese neue Pflanzung einem bestimmten Lebensraum nachempfunden? Es ist eine Gemeinschaft von Pflanzen, die die gleichen Lebensraumbedingun gen brauchen, die aber nicht aus der gleichen Region stammen. Es geht also nicht darum, ein möglichst der Natur nachempfundenes Bild zu schaffen, sondern um ein eigenes Design. Im Vor dergrund steht das Zusammenpassen der einzelnen Pflanzen, damit keine die anderen verdrängt. Da viele von ihnen einen einjährigen oder zweijährigen Lebenszyklus haben und ihre Samen mal da und dort keimen, ist die Pflan zung sehr dynamisch. Die grosse Her «Die Gartenbilder sollen auch im Herbst und Winter mit Samenständen interessant und stimmig sein.» 38 BIOTERRA 7 / 2014 PHOTOS: ADAM WOODRUFF INTERVI E W «Es geht nicht darum, ein der Natur nachempfundenes Bild zu schaffen, sondern um ein eigenes Design.» ausforderung ist, sie im Gleichgewicht zu halten. Und wenn es irgendwo einzugreifen gilt – haben Sie Zeit, selber Hand anzulegen? Manchmal. Zwischendurch einen hal ben Tag etwa. Wir machen nicht mehr ganz grosse, komplette Änderungen hier im Garten, sondern bloss noch Anpassungen. Obwohl zurückhaltend und gern allein, macht Oudolf, was nur wenige Berufskollegen in diesem Ausmass tun: Er öffnet seinen privaten Garten im Juni sowie von August bis Mitte Oktober für die Öffentlichkeit. Von überall her kom men Interessierte nach Hummelo, um Oudolfs Garten zu bestaunen, sogar aus Japan, wie die Angestellten im DorfRestaurant bewundernd erzählen. Ou dolf selber ist dann entweder irgendwo auf der Welt mit einem seiner Projekte beschäftigt oder er beugt sich in seinem Büro über Bepflanzungspläne. Stil. Damit sie es auch ausprobieren können, teile ich die Ideen. In meinen Büchern, die ich zusammen mit Noël Kingsbury herausgegeben habe, geben wir auch Anleitungen, wie man vorge hen muss. Im Internet kann man eben falls einige meiner Skizzen herunter laden. Ich habe keine Geheimnisse. Einige meiner Pflanzenzüchtungen sind patentiert, aber alles, was ich im Bereich Gartengestaltung tue, mache ich zugänglich, sodass jede und jeder es selber ausprobieren kann. Geht man genau nach Anleitung vor, erreicht man dann Gartenbilder wie auf den Fotos? Es heisst nicht, dass es immer funktio niert. Denn es spielen verschiedene Faktoren mit hinein und man muss be reit sein, sich auf einen Lernprozess einzulassen. Mit einer Anleitung hat man aber das Werkzeug, um es zu pro bieren. Und man kann einige Phasen im Lernprozess überspringen. Sie machen zeitweise sogar Ihren privaten Garten öffentlich. Das ist für einen renommierten Designer eher unüblich. Ich mag es, wenn sich Leute an meiner Arbeit erfreuen. Es funktioniert, ich weiss, dass ich mehr zurückbekomme, als ich erwarte. Sie sind dieses Jahr 70 Jahre alt geworden und wären doch eigentlich pensioniert. Denken Sie nicht ans Aufhören? Ich kenne keinen Künstler, der im Pen sionsalter aufhört. Meine Arbeit hat so viel mit mir selbst zu tun, es ist eine Art, mich auszudrücken. Das lässt sich nicht einfach stoppen. Ist es ein Teil Ihres Erfolges, dass Sie Ihre Arbeit zugänglich machen? Ich denke, in erster Linie fühlen sich Gartenbegeisterte angesprochen von dem, was ich mache, und mögen den Die Wolken sind dunkler geworden, es beginnt leicht zu nieseln. Auf einer überdachten Sitzbank kann man sich hinsetzen und die Gartenbilder wirken lassen, auch bei nun trübem Licht. Oudolf verabschiedet sich, geht zurück ins Haus. Er sitzt dort gerade an einer Arbeit und dass heute ein Samstag ist, an dem andere das Wochenende genies sen, scheint ihn nicht zu kümmern. Weitere Infos unter: www.oudolf.com Einige öffentliche Anlagen mit Gestaltungen von Piet Oudolf Deutschland: Bernepark, Bottrop-Ebel, Gräflicher Park, Bad Driburg England: Trentham Gardens, Stoke-on-Trent, Hauser & Wirth, Somerset USA: Lurie Garden, Chicago, «The High Line», New York BUCHTIPP: Im Sachbuch «Design trifft Natur» zeigt Piet Oudolf in Zusammenarbeit mit Noël Kingsbury unterschiedlichste Kompositionen von Staudenpflanzungen. Sämtliche von Oudolf bevorzugten Pflanzen sind in einer ausführlichen Tabelle beschrieben. Piet Oudolf, Noël Kingsbury, Design trifft Natur, Ulmer-Verlag, 2013, Fr. 72.90. Bestelltalon Seite 51 BIOTERRA 7 / 2014 39