Handbuch für Einsteigerinnen und Einsteiger in den - Segel

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Handbuch für Einsteigerinnen und Einsteiger in den - Segel
Handbuch für Einsteigerinnen und Einsteiger - Handbuch14.doc
Handbuch für Einsteigerinnen und Einsteiger in den Segelsport.
Unter „Segeln“ wird in diesem Handbuch das Segeln auf dem Meer in warmen Urlaubsrevieren mit
Fahrtenyachten verstanden. Beim Jollensegeln auf Binnenrevieren gibt es viele der geschilderten
Probleme nicht, dafür genug andere.
Dieses Handbuch ist in erster Linie für all jene, die erstmals bei einem Segeltörn mitmachen
und sich schon im Trockenen auf Manöver und Bordleben vorbereiten wollen. Wer schon
mitgesegelt ist, dem wird vieles bekannt vorkommen. Wer nur neugierig ist und sich informieren
möchte, nur zu!
Kontakt :
0664 53 00 118
[email protected]
http://www.segel-edel.at/
Flaggensignal „C“ (sprich „Charlie“) bedeutet „JA“.
In diesem Skriptum sind Merksätze mit dieser Flagge gekennzeichnet.
Flaggensignal „Z“ (sprich „Zulu“) bedeutet „ich benötige Schlepphilfe“.
In diesem Skriptum sind Zitate aus anderer Literatur mit dieser Flagge gekennzeichnet.
6. erweiterte und überarbeitete Ausgabe, Juli 2007, Revision und Ergänzungen 2010, 2014.
Gewidmet der Segelgruppe Edelweiß
Die Skipper: Bettina und Georg.
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Inhaltsverzeichnis
1
Gefahren .................................................................................................................................... 4
1.1
1.2
1.3
1.4
1.5
1.6
Gefahren für Personen .................................................................................................................................... 4
Gefahren für das Schiff ................................................................................................................................... 7
Rettungsmittel.................................................................................................................................................. 9
Eigenverantwortung und Versicherungen .................................................................................................... 9
Verhalten bei Starkwind, Sturm, Dunkelheit und Sichtbehinderung. ....................................................... 10
Nicht erfüllte Erwartungen ............................................................................................................................ 10
2
Signale ..................................................................................................................................... 11
3
Manöver ................................................................................................................................... 13
3.1 Allgemeines.................................................................................................................................................... 13
3.1.1
Mann über Bord ............................................................................................................................ 13
3.1.2
Bedienung von Winschen ............................................................................................................. 14
3.1.3
Das Kommando für fast alles: „ … klar … „................................................................................... 15
3.2 Hafenmanöver ................................................................................................................................................ 16
3.2.1
Manövereinweisung ...................................................................................................................... 16
3.2.2
Grund ............................................................................................................................................ 16
3.2.3
Mole .............................................................................................................................................. 17
3.2.4
Fender, die „Stoßstangen“ unseres Bootes .................................................................................. 17
3.2.5
Prellfender oder mobiler Fender ................................................................................................... 18
3.2.6
Leinenbedienung .......................................................................................................................... 20
3.2.7
Muring ........................................................................................................................................... 22
3.2.8
Hilfe von Land ............................................................................................................................... 23
3.2.9
Anker ............................................................................................................................................. 24
3.2.10
Zaungäste ..................................................................................................................................... 25
3.2.11
Kritische Punkte ............................................................................................................................ 26
3.2.12
Kommandosprache ....................................................................................................................... 26
3.2.13
Halbe Arbeit – ganzer Unfug ......................................................................................................... 26
4
Bordleben ................................................................................................................................ 27
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
4.6
4.7
4.8
4.9
4.10
Crewaufgaben ................................................................................................................................................ 27
Das Bord-WC.................................................................................................................................................. 27
Das Bordbadezimmer .................................................................................................................................... 28
Kochstelle und Gas ....................................................................................................................................... 29
Elektrischer Strom ......................................................................................................................................... 29
Tanken 31
Sauberkeit und Ordnung............................................................................................................................... 32
Das Boot 34
Platz, das Mißverhältnis von Angebot und Nachfrage ............................................................................... 36
Wasser im Schiff ............................................................................................................................................ 39
4.10.1
Nasse Füße................................................................................................................................... 39
4.10.2
Nutzwasser und Trinkwasser ........................................................................................................ 40
4.11 Essen und Trinken......................................................................................................................................... 41
4.12 Die Bordkassa ................................................................................................................................................ 43
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4.13 Yachtgebräuche ............................................................................................................................................. 43
4.14 Seemannschaft .............................................................................................................................................. 44
4.14.1
Knoten ........................................................................................................................................... 44
4.14.1.1 Achterknoten ........................................................................................................................... 44
4.14.1.2 Palstek .................................................................................................................................... 45
4.14.1.3 Klampenschlag ....................................................................................................................... 45
4.14.1.4 Rundtörns mit halben Schlägen .............................................................................................. 46
4.14.1.5 Kreuzknoten ............................................................................................................................ 46
4.14.1.6 Schotstek ................................................................................................................................ 47
4.14.1.7 Stopperstek ............................................................................................................................. 47
4.14.1.8 Webeleinstek .......................................................................................................................... 47
4.14.1.9 Spierenstich oder Fischerknoten ............................................................................................ 48
4.14.2
Spleißen und Takeln ..................................................................................................................... 48
4.15 Übernehmen verantwortlicher Positionen .................................................................................................. 49
5
Persönliche Törnvorbereitung ............................................................................................... 50
5.1 Kleidung für das Bordleben.......................................................................................................................... 51
5.2 Kleidung für Landgänge ............................................................................................................................... 52
6
Fachchinesisch ....................................................................................................................... 53
7
Anhang Navigation.................................................................................................................. 55
7.1 Allgemeines zur Navigation .......................................................................................................................... 55
7.2 Die Seemeile oder Nautische Meile.............................................................................................................. 56
7.3 Positionsbestimmungen ............................................................................................................................... 57
7.3.1
Lotung ........................................................................................................................................... 57
7.3.2
Querabpeilung .............................................................................................................................. 57
7.3.3
Deckspeilung................................................................................................................................. 58
7.3.4
Magnetpeilung .............................................................................................................................. 59
7.3.4.1 Seitenpeilung mit der Peilscheibe ........................................................................................... 60
7.3.4.2 Seitenpeilung mittels RADAR ................................................................................................. 61
7.3.4.3 Peilung mit dem Handpeilkompaß .......................................................................................... 61
7.3.5
Seitenwinkel .................................................................................................................................. 61
7.3.5.1 Winkel zwischen 2 Seitenpeilungen........................................................................................ 62
7.3.5.2 2 Winkel zwischen 3 Seitenpeilungen..................................................................................... 62
7.3.5.3 Winkelverdoppelungen ........................................................................................................... 63
7.3.6
Höhenwinkel.................................................................................................................................. 63
7.3.6.1 Fußpunkt sichtbar ................................................................................................................... 63
7.3.6.2 Fußpunkt hinter der Kimm ...................................................................................................... 64
7.3.6.3 Feuer in der Kimm .................................................................................................................. 64
7.3.7
Versegelungen .............................................................................................................................. 64
7.3.8
Funknavigation .............................................................................................................................. 65
7.3.9
Astronomische Navigation ............................................................................................................ 65
7.3.10
Koppeln ......................................................................................................................................... 66
7.4 Kompaß 66
7.4.1
Ablenkung (Deviation) ................................................................................................................... 66
7.4.2
Mißweisung (Variation) ................................................................................................................. 67
7.4.3
Kursberechnung ............................................................................................................................ 68
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1
Gefahren
Segeln gehört zu den Risikosportarten, das ist sicher. Wie bei jedem Risikosport reduzieren
Gefahrenbewußtsein und entsprechende Vorsorge die Risken ganz erheblich. Ein gewisses
Restrisiko kann nicht ausgeschlossen werden.
Ein Segelboot liegt am sichersten im geschützten Hafen. Jedoch ist es nicht dafür gemacht!
(Paulo Coelho)
1.1
Gefahren für Personen
Die häufigsten Unfälle im Rahmen von Segelurlauben passieren im Zuge der Hin- oder Heimfahrt mit
dem Auto. Mit ein Grund, weshalb der Autor gerne Ausgangshäfen wählt, die per Flugzeug oder Bahn
zu erreichen sind. Die Mehrkosten für die Anreise werden durch „Mehrwert“ des Segelurlaubes mehr
als ausgeglichen. (Beim Segeln sollte es eigentlich „Meerwert“ heißen.)
Abbildung 1: Für einen sicheren Landgang
geschlossene leichte Schuhe aus schnell trocknendem Material.
Im Zuge des Segelurlaubes selbst wiederum passieren die meisten Unfälle an Land oder beim
Besteigen und Verlassen des Landes. Was ist damit gemeint: Wir kommen vom Abendessen
zurück, sind lustig, ein oder zwei Gläschen Retsina – gut war er. Der Wirt ließ sich nicht lumpen und
servierte uns noch Feigenschnaps zum Abschied. Wo ist unser Boot – da ist es ja. Draußen fuhr eine
Fähre vorbei, Schwell steht in den Hafen und läßt unser Boot gemächlich an der Ankerkette
stampfen, die vom Spritzwasser nasse Pasarella (Holzbrett zwischen Boot und Steg) schwankt
(Abbildung 4 und Abbildung 24). In südlichen Revieren ist das Beiboot für den Landgang die
Alternative zum Schwimmen (Abbildung 2). Die Schuhe (schlimmstenfalls sogar Schlapfen) rutschen.
Oft sind entlang des Kais Steinschüttungen, dessen Überkletterung notwendig und durchaus mit dem
Schwierigkeitsgrat 1 (UIAA) zu bewerten sind (Abbildung 17). Wer von uns ginge beispielsweise
ins Gesäuse mit Badeschlapfen wandern? Das Gelände von Mittelmeerinseln ist nicht weniger
anspruchsvoll als alpine Wanderwege! Wer knapp unter der Wasseroberfläche barfuß guten Halt
findet, steht wahrscheinlich auf einer scharfkantigen Muschel oder einem Seeigel!
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Abbildung 2: Mit Badeschlapfen und barfuß im Beiboot.
Und wie soll es über die scharfkantigen Steine weitergehen?
Wir konzentrieren uns beim Verlassen und Besteigen des Bootes oder des Beibootes stets
darauf, wo wir hinsteigen und wir tragen Schuhe beim Landgang.
Abbildung 3: Gute Bordschuhe (Docksiders), bequem und rutschfest,
nicht nur elegant, sondern auch ein guter Schutz vor Fußverletzungen.
Verletzungen an Bord sind schon seltener. Meist sind es Zehenverletzungen von Barfußgehern oder
Schlapfenträgern. Die wichtigste Sicherheitsausrüstung sind daher gute Schuhe (Abbildung 3, siehe
auch Kapitel 5). Gar nicht selten sind auch angeschlagene Köpfe. Großbaum und Schiebeluke sind
als Beulenspender sehr beliebt. Dickköpfe treffen einander vor dem Kühlschrank um eine ungeöffnete
kalte Mineralwasserflasche gegen die Stelle zu pressen, die härter sein wollte als Aluminium oder
Kunststoff.
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Wir tragen Schuhe (Bordschuhe) beim Segeln. Kopf und Baum sind möglichst nie in gleicher
Höhe. Wir bewegen uns nie hastig. Schlapfen sind weder zum Segeln noch für Landausflüge
geeignet.
Abbildung 4: Über die schwankende Pasarella geht es an Bord. Das achterliche Ende des Baumes ist
hier durch seitliches schwenken und hoch dirken aus der Kopfhöhe gebracht.
Gar nicht so selten sind Verbrennungen. Tee oder Kaffee kochen bei Seegang und Lage, eine echt
heiße Sache. Bei längeren Etappen, Starkwind- oder Nachtfahrten bereiten wir Tee oder Kaffee
besser in Thermosflaschen vor. Wenn bei Fahrt und Seegang schon gekocht werden muß, dann ist
die Ölzeughose samt Gummistiefel ein guter Schutz vor dem Schlimmsten. Bei Manövern (Wenden)
nehmen wir, nach Möglichkeit, auf die Küche Rücksicht.
Abbildung 5: Die Bordküche mit dem Gasherd, ein nicht zu unterschätzender Gefahrenherd.
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Wer regelmäßig Medikamente braucht, beispielsweise Diabetiker, informiert den Skipper darüber.
Ebenso, wo diese Medikamente eventuell zu finden sind. Persönliche Informationen werden prinzipiell
vertraulich behandelt.
Unterschätzt wird auch gerne die Kraft der Sonne, vor allem bei kühlenden Winden. Die Folge sind
oftmals schlimme Sonnenbrände. Guter Sonnenschutz, bestehend aus Sonnencreme (kein Öl) mit
hohem Lichtschutzfaktor, Sonnenkappe und dünnem Gewand, ist unumgänglich.
Natürlich ist „Mann über Bord“ auch eine Gefahr. Im höchsten Maße medienwirksam, doch zum Glück
sehr selten. Mehr dazu weiter unten (3.1.1). Eine alte Seefahrerweisheit ist unter diesem Absatz als
Merksatz eingefügt. Die heißt im Klartext, an Deck halten wir uns stets fest (Abbildung 6)! Daraus
resultiert, daß vieles mit einer Hand bewerkstelligt werden muß. Benötigen wir beide Hände zum
Arbeiten, verwenden wir Sicherheitsleinen.
Abbildung 6: Vorbildliches Festhalten am Achterstag zeigt uns der Herr im grünen Leibchen.
Eine Hand für das Boot und eine Hand für mich!
1.2
Gefahren für das Schiff
Schiffsunfälle der Freizeitschiffahrt wurden die letzten Jahre in Kroatien statistisch ausgewertet und
auf Ursachen untersucht. An erster Stelle stehen Kollisionen mit in der Seekarte eingezeichneten
Hindernissen, ausgelöst durch unkritische Verwendung von Selbststeueranlagen (vulgo Autopiloten)
und GPS. Dahinter kommen Kollisionen mit „unsichtbaren“ Gegenständen (beispielsweise mit knapp
unter der Wasseroberfläche treibenden Containern) und mit Großschiffen. Erst dahinter reihen sich
die wetterbedingten Unfälle ein. Die gefährlichste Wettererscheinung für Boote ist Nebel, zum Glück
recht selten in sommerlichen Urlaubsrevieren.
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Abbildung 7: Mit Seekarte und Besteck, moderne Elektronik (GPS) zur Kontrolle.
Wir navigieren klassisch, mit Seekarte, Magnetkompaß und Besteck. Die Mittel der modernen
Technik werden zur Kontrolle und Bestätigung herangezogen.
Abbildung 8: Seekarte, hier die Admiralty Chart 206, „Nisos Kerkira and Approaches“
GPS-Geräte mit "eingebauter" Seekarte sind eine herrliche Spielerei. Mehr nicht!
(Bobby Schenk, Weltumsegler und Autor zahlreicher Bücher rund ums Segeln)
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1.3
Rettungsmittel
Jedes Boot ist mit der nötigen Anzahl an Rettungswesten und Lifebelts (Sicherheitsleinen),
gegebenenfalls auch mit einer Rettungsinsel ausgestattet. Bei der Bootsübernahme werden diese
auch kontrolliert. Gehen wir anschließend mit unserem Gepäck an Bord, sind die Rettungsmittel meist
beim Stauen im Weg. Die Frage im Zuge der Sicherheitseinweisung – ob jeder weiß, wo sich die
Rettungswesten befinden – ruft meist nur „no-na-Gesichter“ hervor, da zu diesem Zeitpunkt die
Rettungswesten und Lifebelts schon mehrfach umgeschlichtet wurden. Trotzdem: Jeder soll sich
vor dem ersten Ablegen fragen, ob er weiß, wo die Sicherheitsausrüstung ist.
Abbildung 9: Klarieren von Rettungswesten im Zuge der Bootsübernahme.
Jeder weiß, wo sich folgende Gegenstände befinden: Rettungswesten, Sicherheitsleinen,
Feuerlöscher, Pütz.
Viele rüsten sich selbst mit Rettungsweste, Sicherheitsleine (Lifebelt) und Suchlicht (Searchlight) aus,
frei nach dem Motto: „Da weiß ich, was ich hab“. Ist sehr gut, aber nicht notwendig. Rettungsweste
und Sicherheitsleine sind im Gepäck gar nicht so klein, die Druckpatronen von Automatikwesten
machen beim Einchecken in den Flieger Probleme. Der Autor hat schon eine Druckpatrone dem
Flughafen Wien-Schwechat gespendet. Klein und problemlos im Gepäck sind Searchlights, die nach
dem Einschalten etwa im Sekundenabstand blitzen. Diese Blitzlichter erleichtern das Finden von
unfreiwilligen Schwimmern bei Dunkelheit ganz erheblich. So ein Searchlight (angebändselt oder
schwimmfähig) in der Jackentasche ist bei Nachtfahrten sehr sinnvoll.
1.4
Eigenverantwortung und Versicherungen
Eigenverantwortung geht in unserer Gesellschaft immer mehr verloren. Risikosportarten vertragen
sich nicht mit der „Vollkasko-Mentalität“ einer „Event-Gesellschaft“. Da der Eigner und Vercharterer
sein Boot wieder haben will, versichert er dieses. Da der Törn auch für den Skipper Urlaub sein soll,
ist dieser haftpflichtversichert. Ausgeschlossen sind Ansprüche an Crewmitglieder (sowohl von
anderen Crewmitgliedern als auch von dritten), soferne es sich nicht um vorsätzlich herbeigeführte
Schäden handelt. Nicht versichert ist persönliches Eigentum! Wem Handy oder Videokamera ins
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Wasser fallen, oder wem die Kreditkarte gestohlen wird, ist selbst schuld. Sollte jemand auf See
überraschend ärztliche Hilfe benötigen, kümmert sich der Skipper um das rasche Anlaufen des
nächsten geeigneten Hafens, gegebenenfalls auch um das Herbeiholen notwendiger Hilfe. Der
Skipper kümmert sich aber nicht mehr um Belange der Sozialversicherung, also um die Bezahlung
notwendiger Behandlungen. Eine Freizeitunfall- oder Rückholversicherung (wie beispielsweise
durch die Mitgliedschaft beim Alpenverein oder ÖAMTC gegeben) liegt in der Eigenverantwortung
jedes einzelnen.
1.5
Verhalten bei Starkwind, Sturm, Dunkelheit und
Sichtbehinderung.
Starkwind ist für jeden an gerefften Segeln erkennbar. In einen Sturm sollten wir nicht geraten, da
wir täglich Wetterprognosen einholen. Bei Dunkelheit und Sichtbehinderung sind die
Navigationslichter eingeschaltet, ist also auch für jeden erkennbar. Generell gilt in diesen
Situationen: Niemand verläßt das Cockpit, außer durch den Niedergang. Bei Starkwind oder
Dunkelheit ist das Anlegen von Rettungswesten und Sicherheitsleinen für alle Personen an Deck
empfohlen. Bei Starkwind und Dunkelheit ist das Tragen von Rettungswesten und der
Gebrauch von Sicherheitsleinen an Deck Pflicht!
Abbildung 10: Rauhe See und steifer Wind, nicht nur im Ölzeug,
auch mit Rettungsweste und Sicherheitsleine an Deck.
Spätestens auf Anweisung des Skippers sind Rettungswesten und Sicherheitsleinen
anzulegen.
Selbstständiges
Anlegen
von
Rettungswesten
ist,
wie
die
Nutzung
von
Sicherheitsleinen, selbstverständlich erlaubt und zeugt von verantwortungsvollem Mitdenken.
1.6
Nicht erfüllte Erwartungen
Gar nicht so selten gibt es Differenzen zwischen Erwartung und Erfüllung: Jeder Törn- und Tagesplan
hat prinzipiell nur Vorschlagscharakter. Wetterprognosen, die tatsächlich vorherrschende
Witterung, ja selbst eine aus einem entfernten Wettergeschehen anlaufende Dünung, können die
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Planung zum „frommen Wunsch“ verkommen lassen. Tage, an denen nicht ausgelaufen wird,
sogenannte Hafentage, können durchaus notwendig werden. Das zu erwartende Klima der bereisten
Länder, zumindest in und um Europa, sollte nicht all zu große Überraschungen bieten.
Es ist viel besser an Land zu sein und sich zu wünschen, man wäre auf dem Meer, als auf
dem Meer zu sein und sich zu wünschen, man wäre auf dem Land.
2
Signale
Umhergebrüll und wildes Gefuchtel ist nicht nur unhöflich, sondern auch im höchsten Maße
unseemännisch und mißverständlich. Wenn Brigitte den Willi suchen geht, ist in Kürze Willi da und
Brigitte wird vermißt. Daher sollte zumindest ein Signal jedes Crewmitglied kennen:
. Bedeutet
P (sprich „Papa“), als Schallsignal (Morsezeichen)    oder als Flaggensignal:
„Crew an Bord, da Boot auslaufen will“. Wann würde dieses Signal gegeben werden? Beispiel: Wir
liegen in einem netten Hafen, einige sind baden, duschen oder ins Kaffeehaus gegangen, der
verbleibenden Crew erklärt ein Fischer, daß in 30 Minuten die Fähre kommt und wir bis dahin weg
sein müssen.
Ein gelegentlicher Blick zum Boot, auch bei Land- oder Schwimmausflügen, ist durchaus
sinnvoll.
Was aber, wenn jemand zum Boot kommt und – nanu, ist ohne mich weggefahren? Keine Sorge!
Entweder es besteht noch Blick und Rufkontakt, dann kann etwas vereinbart werden (Abholung mit
dem Dingi oder Aufnehmen an einer anderen Mole), ansonsten am letzten Liegeplatz warten, wir
kommen zurück, sobald die Fähre den Molenplatz wieder frei gemacht hat.
Ein weiteres Signal, das aber nicht ganz so wichtig ist, ist K (sprich „Kilo“), als Schallzeichen
. Bedeutet „Ich möchte mit Ihnen in Verbindung
(Morsezeichen)    oder als Flaggensignal:
treten“ oder einfacher „kommen“. Wann könnte dieses Signal sinnvoll sein? Beispiel: Einige gehen
schwimmen, der Skipper kocht Kaffee oder richtet eine Jause. Ist alles fertig gerichtet, kann das den
Schwimmern mit diesem Signal mitgeteilt werden.
Ansonsten weht, während der gesamten Törns, die der Autor skippert, unter der Backbordsaling
(Signalsaling) die Flagge des Österreichischen Segelverbandes (Abbildung 11), am Heck, auf alle
Fälle tagsüber, die Nationale des Bootes (Abbildung 10, die griechische Nationalflagge am
Flaggstock am Heck).
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Abbildung 11: Unter der Backbordsaling (Signalsaling), die Flagge des Österreichischen
Segelverbandes.
Zu besonderen Anlässen, wie beispielsweise einer Törnabschlußfeier, gibt es eventuell eine
Flaggengala, zumindest setzen wir die Flaggen „S“ und „E“, für „Segelgruppe Edelweiß“ (Abbildung
12).
Abbildung 12: Zur Törnabschlußfeier, unterhalb der Flagge des Österreichischen Segelverbandes,
die Flaggen "S" und "E" für "Segelgruppe Edelweiss".
Wir verwenden Signale (Flaggen, Lichter und Schallzeichen) richtig, oder gar nicht.
Scherzflaggen sind nicht lustig, sondern bestenfalls dumm, im schlechtesten Fall sogar
gefährlich.
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3
Manöver
3.1
Allgemeines
Wir machen Urlaub auf dem Segelboot und sind zum Vergnügen an Bord. Das heißt, jeder darf sich
an der Schiffsführung beteiligen, niemand muß (siehe auch 4.15). Einige wenige Minuten im Tag
sollten aber alle zusammenarbeiten, nämlich bei den Manövern, bei denen viele Hände
gebraucht werden. Da Segeln ein Denksport ist, können mit einiger Überlegung und bei guten
Verhältnissen auch Einhandsegler alle Manöver fahren. Es ist jedoch schlechte Seemannschaft
(4.14), auf die Mithilfe einer vorhandenen Crew zu verzichten.
Das Geheimnis gelungener Manöver liegt in deren gründlichen Vorbereitung, die meist
deutlich länger dauert, als das Manöver selber! Wer sich nicht sicher ist, fragt den Skipper vor (!)
Beginn des Manövers!
3.1.1
Mann über Bord
Eine nur bei Übungen entspannte Manöversituation und die heißt „Boje über Bord“. Der Ruf „Mann
über Bord“ ist ausschließlich dem Ernstfall vorbehalten und geschlechtsneutral zu sehen. Es nützt
zwar in der (hoffentlich nie eintretenden) Situation nichts, doch ist „Mann über Bord“ das Ergebnis der
Mißachtung des Merksatzes: Eine Hand für das Boot und eine Hand für mich (Abbildung 6). Wer
beide Hände zum Arbeiten braucht, ist selbstverständlich angeleint! Eric Tabarly, französischer
Marineoffizier und Seglerlegende meinte sinngemäß, wer Rettungsweste und Sicherheitsleine
braucht, hat an Bord eines Segelbootes nichts verloren. Eric Tabarly konnte im Sommer 1998,
nachdem ihn die Genuaschot seines Bootes über Bord geschleudert hatte, erst nach Tagen tot
aufgefunden werden …
Abbildung 13: Welch Glück nötig ist eine schwimmende Person zu finden, kann an Hand dieses Bildes
erahnt werden: Vom Nachbarboot ist hinter Wellenbergen bloß die Mastspitze sichtbar!
Eine über Bord gegangene Person ist prinzipiell in Lebensgefahr, von besonders vorteilhaften
Umständen wie Windstille, Wassertemperatur 22°C und 100m vor einem Sandstrand einmal
abgesehen. „Mann über Bord“ ist eine der wenigen Situationen, in denen rasch zu handeln ist: Wer
immer jemanden über Bord gehen sieht oder hört, ruft sofort laut und deutlich „Mann über Bord“, wirft
ohne zu zögern Rettungskragen und Suchlicht (Abbildung 4) hinterher (wenn festgebändselt, sofort
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zum Messer greifen und losschneiden) und beobachtet die Person weiter. Das Suchlicht schaltet sich
automatisch ein, hat daher keinen außenliegenden Schalter. Situationsabhängig ist am
Rettungskragen auch ein wasserdichtes Handfunkgerät (Kanal 16) befestigt. Wer die über Bord
gegangene Person sieht, streckt einen Arm in deren Richtung aus. (Der andere Arm, wie immer,
„für mich“, heißt sich festhalten!) Wer immer den Ruf „Mann über Bord“ hört, begibt sich an
Deck und wartet auf Anweisungen des Rudergängers, Wachführers oder Skippers. Keinesfalls
darf nachgesprungen werden! Gibt es einen MOB-Gast, dann drückt dieser sofort (!) mehrere
Sekunden lang die MOB-Taste am GPS-Empfänger und kommt dann an Deck. Gibt es einen
Funker, schaltet dieser sofort (!) das Funkgerät auf Empfang und hörbare Übertragung von
Kanal 16 ein und kommt dann an Deck.
Knackpunkt ist das Sehen einer über Bord gegangenen Person! Wer nicht mit anderem
beschäftigt ist, beobachtet daher die über Bord gegangene Person oder hält nach dieser
Ausschau.
Abbildung 14: Die MOB ist die Zweitfunktion der NAV-Taste (links oben) und wird durch anhaltendes
drücken dieser Taste aufgerufen (länger als eine Sekunde). Genaueres dazu an Bord.
... die Wasserwogen im Meer sind groß und brausen mächtig ... (aus Psalm 93)
3.1.2
Bedienung von Winschen
Wird eine Leine über eine Winsch gezogen, verbraucht diese Winsch Kraft. Dies ist dann sinnvoll,
wenn wir mit plötzlichen Kräften an der gezogenen Leine rechnen, beispielsweise beim Holen einer
Schot. Wird eine Leine mit einer Winsch gezogen, bringt diese Winsch Kraft. Dies ist beim
durchsetzen einer Leine sinnvoll, beispielsweise beim Dichtholen eines Falls oder der Genuaschot.
Generell gilt: Leine über eine Winsch gezogen, einmal herum. Leine mit einer Winsch gezogen
dreimal herum. Herum heißt bis auf Ausnahmen rechts herum, also im Uhrzeigersinn. Sollte
irgend etwas nicht so funktionieren wie wir es erwarten, ist die Ursache dafür meist falsche
Bedienung. Der Skipper hat für diese Fälle einige Tips auf Lager.
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Handbuch für Einsteigerinnen und Einsteiger - Handbuch14.doc
Abbildung 15: Selbstholende Winsch mit angesteckter Winschkurbel.
Die Genuaschot ist zum Dichtholen dreimal rechtsherum um die Winsch gelegt.
Fehlfunktion ist meist eine Folge von Fehlbedienung.
Auch können Winschen ganz schön bissig sein. Werden Finger oder gar Hände eingeklemmt, kommt
es zu Quetschungen. Im ungünstigsten Fall zu Amputationsverletzungen! Auf ausreichenden
Sicherheitsabstand zwischen Fingern und Winschen (mindestens 2 Handbreit) ist stets zu
achten.
3.1.3
Das Kommando für fast alles: „ … klar … „
Ist an Bord regelmäßig zu hören: „Klar zum Auslaufen“, „klar bei Heckleine“, „klar bei Muringleine“
„klar bei Anker“, „klar zur Wende“, „klar zum Segel setzen“ …. Dieses „klar“ hat nichts mit dem
alltäglich genützten „alles klar“ zu tun, das synonym zu „verstanden“ oder „begriffen“ Verwendung
findet. „Klar“ im seemännischen Sinn heißt vielmehr „unmittelbare Bereitschaft“ für etwas und
„Fokussierung der Konzentration“. Gleichwertiges fand der Autor bisher lediglich im „Zanshin“
fernöstlicher Meditations- und Kampfkünste. „Zanshin“ heißt aus dem Japanischen übersetzt etwa
„der Geist, der beharrt und immer umsichtig bleibt“, oder etwas freier: „Geistesgegenwart und
Aufmerksamkeit“.
Die Rückmeldung „ist klar“ hat meist Zeit und darf erst erfolgen, wenn alle Vorbereitungsarbeiten
abgeschlossen sind. Wirklich alle! Die Rückmeldung „ist klar“ gibt die unmittelbare Bereitschaft zur
erwarteten Tätigkeit zum Ausdruck. Siehe dazu auch 3.2.13.
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Abbildung 16: "Klar bei Steuerbord Heckleine."
Heißt unmittelbare Bereitschaft zum Loswerfen oder Fieren der klarierten Heckleine.
Deshalb frage ich vorher: "Seid ihr klar?" Und "klar sein" heißt für mich nicht "klar zum Leinen
entwirren", sondern "klar zum Loswerfen". (Silke Eggert, Profiskipperin, Journalistin, Besitzerin
einer Charterfirma)
3.2
Hafenmanöver
3.2.1
Manövereinweisung
Zu Törnbeginn gibt es nicht nur eine Sicherheitseinweisung (1.3), sondern auch eine
Manövereinweisung, vor allem in Hafenmanöver. Dabei geht es stets um zwei Dinge:
Was ist zu tun? Was darf keinesfalls getan werden!
3.2.2
Grund
Unter allen Umständen ist Grundberührung mit jedem Segelboot zu vermeiden. Ausnahme: Speziell
für Tidengewässer ausgestattete Boote, die trockenfallen können. Solche Boote finden wir im
Mittelmeer sicher nicht. Grundberührungen im Schlick, Seegras oder Sand, mit Kiel oder Bug bei sehr
langsamer Fahrt, können noch harmlos sein. Keinesfalls harmlos ist der Kontakt mit Steinen oder
Felsen. Besonders empfindlich ist das Ruderblatt. Viele Hafenbereiche sind für Motorboote gedacht,
die kaum einen halben Meter Tiefgang haben. Der Schluß – dort liegen Boote, dort können wir auch
hin - ist daher leider nicht immer richtig.
Grundsicht oder unter der Wasseroberfläche erkennbare Hindernisse sofort dem Skipper oder
Rudergänger mitteilen. Vier (sechs, acht, ...) Augen sehen mehr als zwei.
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3.2.3
Mole
Die Mole ist beim Anlegen zwar unser Ziel, ist aber trotzdem zunächst wie ein Fels im Wasser zu
betrachten (Abbildung 17). Viele Molen sind auf oder neben Steinschüttungen gebaut, so daß
Anlegen durchaus gefährlich werden kann: Bei Achterausfahrt ist das Ruderblatt gefährdet, bei
starkem Seitenwind das ganze Boot!
Abbildung 17: Mole und Steinschüttung in enger Nachbarschaft.
Häufig hängt auch einiges an Leinen umher. Eine Leine in der Schiffsschraube oder eine verklemmte
Ruderachse machen das Boot auf der Stelle manövrierunfähig!
Wer hinderliche oder treibende Leinen sieht, sofort dem Skipper oder Rudergänger mitteilen.
3.2.4
Fender, die „Stoßstangen“ unseres Bootes
Ausreichend Fender lassen jedes Hafenmanöver gelingen. Leider haben wir meist nur sechs Stück
mit. Wohin die Fender gehängt werden, sagt der Skipper vor dem Manöver. Wichtig ist, daß die
Fender in der richtigen Höhe und mit einem Webeleinstek auf Slip angeschlagen werden (Abbildung
18, 4.14.1.8). Die richtige Höhe ist einleuchtend. Aber wieso genau dieser Knoten? Um die Fender
auch rasch lösen zu können, wenn unvorhergesehen ein Prellfender gebraucht wird. Nur wenn damit
zu rechnen ist, daß Fender längere Zeit fix bleiben (mehrere Tage) oder besonders belastet werden
(ein anderes Boot liegt längseits), können diese auch mit Rundtörns und halben Schlägen befestigt
werden (4.14.1.4).
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Abbildung 18: Fender an der Seereling, in richtiger Höhe (für benachbarte Boote) und auch mit dem
richtigen Knoten.
3.2.5
Prellfender oder mobiler Fender
Nichts darf zwischen Boot und Steg beziehungsweise zwischen Boot und ein anderes Boot, außer
Wasser, Luft und Fender! Keinesfalls Füße, Beine, Hände oder Arme, schwere Verletzungen sind die
Folge! Was tun, wenn das Boot gegen etwas treibt und einige Fender justament an der falschen
Stelle hängen? Rasch einen Fender dort lösen, wo momentan kein Bedarf für diesen ist und zwischen
Boot und Steg oder Nachbarboot halten (Abbildung 21). Das ist natürlich auch sinnvoll, wenn ein
anderes Boot gegen unseres treibt. Das rasche Lösen des Fenders setzt allerdings den richtigen
Knoten (Webeleinstek auf Slip, Abbildung 18) voraus. Bei vielen Hafenmanövern läßt sich der Bedarf
eines Prellfenders schon im voraus erkennen, dann sagt es der Skipper auch und teilt einen
Fendergast ein.
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Abbildung 19: Noch so schöne Bordschuhe sind kein guter Ersatz für Fender!
Im Zuge von Hafenmanövern saugefährlich!
Abbildung 20: Vorbildliche Abfenderung des Hecks zur Mole.
Auch der Knoten auf Slip ist deutlich zu erkennen, wenn auch kein Webeleinstek.
Treibt das Boot gegen etwas oder treibt etwas gegen das Boot, nach Möglichkeit rasch Fender
dazwischen halten.
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Abbildung 21: Prellfender oder mobiler Fender, wird an die Seite gehalten,
wo wenige Sekunden später das nächste Boot anlegen wird.
Aufmerksamkeit lohnt sich auch bei Manövern von Nachbarbooten! Wie einfach ist es, einem
neben uns anlegenden Boot vorübergehend einige zusätzliche Fender entgegen zu halten. Nach
wenigen Minuten haben wir neue Nachbarn, geplagt haben sich bloß die zwischen den Booten
gedrückten Fender. Wie mühsam hingegen ist die Verklarung einer abgeknickten Relingstütze.
3.2.6
Leinenbedienung
Leinenübergabe ist eine der wenigen Sachen, die rasch und sicher erfolgen soll! Leinen zum
Festmachen des Bootes werden nach Möglichkeit stets von Bord aus bedient. Wer eine Leine an
Land übernimmt, führt diese um einen Poller oder durch einen Ring und gibt, soferne lang genug, das
freie Ende dem Boot zurück (Abbildung 24). Eine mißlungene Leinenübergabe gefährdet das
Manöver und damit auch das Boot. Geheimnis einer erfolgreichen Leinenübergabe ist deren
Vorbereitung: Leine richtiger Länge verwenden (maximal 10 Meter), sorgfältig anschlagen und
einscheren, Leine zur Übergabe klarieren (die Hälfte aufschießen) und nicht mehr weglegen
(Abbildung 22). Nicht mehr als maximal 5 Meter Leine werfen! Wem das Werfen von Leinen
schwer fällt, kann sich vom Skipper Tips holen. Je nach Situation, Bauart des Bootes und
vorhandenem Platz (Schwell, Achterstagen, Bimini, Badeplattform, Molenhöhe) müssen die
Wurftechniken angepaßt werden. Übung macht den Meister. Zum Üben der Leinenübergabe ist vor
dem ersten Ablegen ausreichend Zeit. Ist keine Hilfe von Land zu erwarten, kann es erforderlich
sein, daß der Leinengast mit seiner Leine übersteigt, Näheres dazu in der Praxis.
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Abbildung 22: Ein Leinenende angeschlagen, durch die Klüse nach außen geführt und zur Hälfte
sorgfältig neu aufgeschossen.
Abbildung 23: Die Leine wird von der „Hilfe an Land“ um einen Poller geführt, anschließend das freie
Ende wieder zurück gegeben.
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Abbildung 24: Deutlich ist der achtere steuerbordseitige Festmacher, der nur an Bord belegt ist, zu
sehen. Ebenso die Pasarella, im nassen Zustand mitunter recht rutschig.
Nur klarierte und in richtiger Länge frisch aufgeschossene Leinen werfen. Ein vorgefundener
Bunsch wird mit großer Wahrscheinlichkeit zur Wuhling.
3.2.7
Muring
Muringleinen sind im Hafenbecken und am Steg befestigte Leinen und sollen das stegabgewandte
Ende des Bootes (das ist meist der Bug) halten. Muringleinen müssen im Zuge des Anlegemanövers
aufgefischt und zur vorgesehenen Belegeklampe geführt werden. Fischen und verholen der
Muringleine ist nach Möglichkeit von 2 Personen zu machen und ist eine der wenigen Sachen, die
zügig erfolgen müssen. Der Muringfischer fischt mit dem Bootshaken die Muringleine (oder die
Holeschnur) und hält diese hoch, damit der Muringgast diese greifen kann. Eine häufige Schlamperei:
Nachdem der Muringgast die Muringleine gefaßt hat (natürlich mit handschuhgeschützten Händen),
läßt der Muringfischer die Holeschnur wieder fallen. Bitte nicht, und zwar aus 2 Gründen: Erstens
könnte diese in die Schiffsschraube geraten, zweitens ist er das „Backupsystem“, wenn der
Muringgast die Muring wieder verlieren sollte (was hoffentlich nie vorkommt.) Eine verlorene
Muringleine gefährdet ebenfalls Manöver und Boot.
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Abbildung 25: An der Steuerbordklampe eine Muringleine, durch die Bugklüse geführt, fertig belegt.
Am rechten Bildrand sind die zwei Muringleinen des Nachbarbootes zu sehen.
Stehen ausreichend Muringleinen zur Verfügung (mindestens zwei), kann und soll das Fischen und
Belegen von Muringleinen ebenfalls vor dem ersten Auslaufen geübt werden.
3.2.8
Hilfe von Land
Fein ist es, wenn die Holeschnur der Muringleine von einer Person an der Anlegestelle leicht
gespannt und hochgehalten wird, wenn möglich noch an der sinnvolleren Seite, das ist in Luv
(windzugekehrte Seite) des Liegeplatzes. Die Muringleine in Luv deswegen, weil das im Wind später
seitlich treibende Boot besser von der Muringleine wegtreibt als über diese, und zwar, weil die
Schiffschraube des Bootes zu den Erzfeinden der Muringleine gehört! Meistens macht das ein Helfer
der Marina, der später auch die Schiffspapiere kassiert (Abbildung 26). Was tun, wenn kein Helfer zur
Stelle ist? Bei besonders günstigen Umständen kann mit dem Boot so manövriert werden, daß auch
eine von der Kaimauer herabhängende Holeschnur gefaßt werden kann. Wenn jemand mit einer
Leine übersteigt, kann von diesem auch die Holeschnur der Muring gereicht werden. Meist ist es
jedoch besser, an einer gut erreichbaren Stelle (beispielsweise am Molenkopf) eine Person
aussteigen zu lassen. Diese Person überzeugt sich am in Frage kommenden Anlegeplatz vom
Vorhandensein einer Muringleine, indem einmal kräftig an der Holeschnur gezogen wird. Es soll
schon vorgekommen sein, daß Schnüre nur aus Gewohnheit von Kaimauern ins Wasser hingen,
ohne daß daran Muringleinen waren. Ist alles soweit OK, dann die Holeschnur leicht gespannt
hochhalten und auf das Boot warten. Ist das Anlegemanöver, aus welchen Gründen immer, doch
nicht möglich, wieder ins Boot einsteigen. Am sinnvollsten wahrscheinlich dort, wo man zuvor
ausgestiegen ist, beispielsweise am Molenkopf.
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Abbildung 26: Hilfe von Land und reichen der Muringleine von den Herren in den orangen Hemden.
Muringbedienung ist ein essentieller Bestandteil eines Anlegemanövers, vor allem bei
Seitenwind, hat daher rasch und sicher zu erfolgen.
Abbildung 27: An der Backbordseite deutlich zu erkennen: Ein Muringfischer, der die Muringleine
soeben mit dem Bootshaken faßt und der Muringgast, der Sekunden später die Muringleine
übernehmen wird. Die Dame in der kurzen Hose ist offensichtlich klar zum Übersteigen. Der Herr im
grünen Leibchen hat die Steuerbord Heckleine klar zum Werfen in Händen.
3.2.9
Anker
Ankern im freien Wasser (in einer Badebucht oder einige Kabellängen neben der Hafeneinfahrt) ist
vom Zeitablauf her unkritisch. Vor Bug- oder Heckanker in einem Hafen ist viel sauberer, sicherer und
seemännischer als die Verwendung von Murings. Leider haben wir meist nicht die Wahl. Sind
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Murings vorhanden, müssen diese auch verwendet werden. Kräftige Personen können Anker von
Sportbooten durchaus mit Armkraft bedienen. Den Anker einmal zu spüren ist eine Erfahrung, die ich
jedem ans Herz lege. Mit Hilfe einer elektrischen Ankerwinde kommt auch eine Dame aus der 40kgKlasse mit dem Anker zurecht. Das Problem des Ankerns ist meist ein akustisches: Die Ankerwinde
surrt, die Kette rasselt, der Motor schnurrt und der Rudergänger brüllt zum dritten Male ungehört
„Kette stopp“. Mit dem, was wir aus der Kindheit als „stille Post“ kennen, kann auch dieses Problem
umgangen werden. Dazu genügt einer, der in der Nähe des Ankergastes steht und Augen und Ohren
zum Rudergänger richtet und ankommende Anweisungen für den Ankergast verständlich wiederholt.
Abbildung 28: Wenn gewußt wie, sauber und sicher, vor Anker.
Ankern spitzt sich meist auf ein Kommunikationsproblem zwischen Rudergänger und
Ankergast zu. „Stille Post“ schafft Abhilfe.
Im Bezug auf Finger und Hände gilt für die Ankerwinde gleiches wie für Winschen (3.1.2): Vorsicht
bissig, Finger weg von arbeitenden Ankerwinden! Daher darf auch nur eine Person an der
Ankerwinde arbeiten, Mißverständnisse zwischen „Schalter“ und „Kette“ sind dadurch
ausgeschlossen.
3.2.10
Zaungäste
Kommentare und Anweisungen von Personen auf Nachbarschiffen, Molen oder Stegen sind von
Crewmitgliedern prinzipiell nicht zu befolgen! Auch dann nicht, wenn diese Anweisungen vom
Hafenpersonal (vulgo „Marinero“) oder Hafenkapitän kommen. Das können durchaus sinnvolle und
befolgenswerte Ratschläge sein, doch liegt die Entscheidung, ob und wie diese Ratschläge befolgt
werden, ausschließlich beim Skipper. Auf vermutlich gut gemeinte Ratschläge (z. B. Winkzeichen des
Hafenpersonals) kann der Skipper aufmerksam gemacht werden (jeder kann was übersehen), sonst
nichts.
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3.2.11
Kritische Punkte
Vor jedem Manöver sollten die kritischen Punkte bekannt sein, beispielsweise soll eine gefaßte
Muringleine keinesfalls wieder verloren werden. Passiert doch etwas, dann dem Rudergänger
oder Skipper sofort melden! Meist kann korrigiert, oder die Leine nochmals gefischt oder übergeben
werden. Mitunter kann es auch besser sein, das Manöver abzubrechen und nochmals von vorne zu
beginnen. In jedem Fall ist die Kommunikation entscheidend.
Die Geheimnisse guter Manöver sind Konzentration und Kommunikation.
3.2.12
Kommandosprache
Wir sind nicht bei der Marine, Gebrüll ist auch dort unhöflich und wider gute Seemannschaft (4.14).
Klare Anweisungen sind jedoch bei heiklen Manövern meist unumgänglich. Viele Unklarheiten
können durch die Manövervorbesprechung zu Törnbeginn schon vorweggenommen werden. Wenn
es einmal lauter und direkter werden sollte, dann liegt das meist an den zu übertönenden
Nebengeräuschen (Wind, Motor).
Dann stießen sie ab; Tom führte das Kommando, Huck saß am hinteren Ruder und Joe am
vorderen. Tom stand mit finsterer Miene und untergeschlagenen Armen mittschiffs und gab in
leisem, strengem Flüstern seine Befehle:
„Luven, bringt sie an den Wind!“
“Luven, Kapitän!“
“Steht jetzt, Ste-e-eht.“
“Steht Kapitän.“
“Jetzt einen Strich abfallen lassen vom Kurs!“
„Kapitän, einen Strich abfallen.“
Da die Jungen das Floß mit ruhigen, gleichmäßigen Schlägen der Mitte des Stromes zutrieben,
verstand es sich allerdings von selbst, daß diese Befehle nur des guten Klangs halber gegeben
wurden und nichts besonderes zu bedeuten hatten.
(aus „Tom Sawyers Abenteuer“ von Mark Twain)
3.2.13
Halbe Arbeit – ganzer Unfug
Vielfältig sind die Eindrücke und Ablenkungen in neuen Umgebungen. Häufig entstehen Fehler bei
diversen Manövern durch mangelnde Konzentration. Beim streßfreien Üben im Ausgangshafen
ging alles so gut, doch nun will die Leine mitsamt dem Knoten einfach nicht in die gewünschte Form.
Außerdem ruft Willi von der anderen Bootsseite um Hilfe und vom Nachbarboot werden schon
Getränke herübergereicht und dort drüben ist so ein nettes Dorf ... . Siehe dazu auch 3.1.3.
Wir konzentrieren uns auf unsere Tätigkeit für die Dauer des Manövers, sind ja nur
wenige Minuten. Jeder verläßt seine Manöverstation erst, wenn die Arbeit dort und das ganze
Manöver fertig ist.
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Entspannen, wenn Entspannen angesagt ist; auf den Punkt da sein und hellwach, wenn die
Situation es erfordert und beides wohl voneinander unterscheiden. (Ronald Höfer zum Thema:
Freizeit und Professionalität)
Unheil entsteht durch Unaufmerksamkeit. (Gichin Funakoshi)
4
Bordleben
4.1
Crewaufgaben
Bei jedem Törn gibt es einen Co-Skipper. In manchen Ländern muß dieser sogar den Behörden
bekannt sein (z. B. in Griechenland), also auf der abgestempelten Crewliste vermerkt sein! Weitere
Crewaufgaben werden nach Bedarf vereinbart. Ein Schatzmeister, der die Bordkasse hält, ist üblich
(4.12). Sinnvoll ist auch ein Seeventilgast. Dieser assistiert bei der Bootsübernahme, überprüft und
merkt sich alle Seeventile, aber auch, wo sich Loggegeber und Gashaupthahn befinden. (Freiwillige
vor.) Beruhigend ist weiters ein MOB-Gast. MOB steht für „man over board“. Sollte dieser Fall
eintreten (siehe dazu auch 3.1.1), drückt der MOB-Gast so rasch wie möglich mehrere Sekunden
lang die MOB-Taste am GPS-Empfänger. Auch Wettergast und Bordfunker sind interessante
Tätigkeiten. Für das Senden mit dem Funkgerät ist, außer im Notfall, ein Funkzeugnis erforderlich.
Was es an Bord eines Sportbootes nicht gibt sind Passagiere. Insofern wichtig, da Passagierschiffe
gänzlich anderen Bestimmungen unterliegen.
4.2
Das Bord-WC
Funktioniert bei manchen Skippern nie und bei manchen Skippern immer, sogar auf dem selben Boot.
Woran das wohl liegt? Prinzipiell: Sind wir in einem Hafen, kann durch „taktische Kaffeehausbesuche“
oder „Duschraumbesuche“ das Bord-WC entlastet werden, ist in manchen Häfen sogar verpflichtend!
Ansonsten verkraftet das Bord-WC alles, was gegessen oder getrunken wurde, außerdem (nicht all
zu festes) WC-Papier – und sonst nichts! Hygieneartikel, Papiertaschentücher, Papierhandtücher
Feuchtreinigungstücher und Papier von Küchenrollen verstopfen das Bord-WC. Geheimnis
eines störungsfrei funktionierenden Bord-WC’s ist zügiges, nicht allzu hektisches Pumpen! Beim
Pumpen wird der Inhalt des WC’s nach Außenbords gepumpt. Bei entsprechender Stellung des
kleinen Hebels an der Pumpe wird gleichzeitig Seewasser in das WC gepumpt und dieses damit
gespült. Nicht nur aus dem WC, sondern aus dem Boot soll gepumpt werden! Sind wir „fertig“
mit dem Abpumpen, dann nochmals mindestens 20 Pumphübe in Spülstellung des kleinen
Hebels dazu, damit alle Schläuche bis zur Außenhaut des Schiffes voll des guten Seewassers
sind! Zuletzt noch Hebel umlegen und leerpumpen, Hebel in dieser Stellung belassen. Nicht nur aus
Gründen der Sauberkeit, auch aus Sicherheitsgründen erledigen alle (Damen und Herren) WCBesuche im Sitzen.
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Abbildung 29: Das Bord-WC, zwar ein wenig unbequemer als an Land, doch meist sauberer als in
Hafenkneipen.
4.3
Das Bordbadezimmer
Je nach Bootsgröße gibt es ein oder mehrere Waschbecken. Meist gibt es auch eine Dusche
(Abbildung 30). Aus den Wasserhähnen und der Dusche fließt das gebunkerte Süßwasser. Das
Abwasser der Dusche muß mit einer Lenzpumpe nach außen gepumpt werden. Der begrenzte
Wasservorrat drängt zur sparsamen Verwendung des gebunkerten Wassers.
Abbildung 30: Das Bordbadezimmer.
Eine Decksdusche ist auf neueren Booten ebenso Standard. Auch diese zehrt an unserem
Süßwasservorrat. (Abbildung 31).
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Abbildung 31: Die Decksdusche ist sparsam zu verwenden.
In vielen Marinas stehen uns, nebst Landstrom und WC-Anlagen, auch Duschen zur Verfügung. Die
Dichte entsprechend ausgestatteter Marinas ist von Revier zu Revier recht unterschiedlich. In
Kroatien kann nahezu täglich eine entsprechend ausgerüstete Marina angelaufen werden. In
Griechenland ergibt es sich mitunter bloß zu Törnbeginn und Törnende. Haben wir keine
Duschmöglichkeit an Land, ist es durchaus sinnvoll, sich im Meer zu waschen. Ein Badestopp in einer
netten Bucht und ab ins Meer. Waschen mit Seife funktioniert mit Salzwasser bestens, bloß
schäumt die Seife nicht. Im kräftigen Abreiben des Salzwassers hinterher mit einem extra
Badetuch liegt das Geheimnis von Aphrodites Schönheit. Das ist weitaus angenehmer und
gesünder für die Haut als das gebunkerte Süßwasser, das aus der Decksdusche kommt.
4.4
Kochstelle und Gas
Die Kochstelle wird mit Gas betrieben. Unklaren Gasgeruch im Schiff sofort allen melden (laut und
deutlich, damit ja niemand mehr zündelt), den Haupthahn an der Flasche (meist vom Cockpit aus
erreichbar) sofort abdrehen und das Boot gut lüften! Haben wir Gas in der Nase, kann schon eine
Menge davon in der Bilge sein und ein Funken genügt, um nachhause schwimmen zu dürfen!
(Abbildung 5)
4.5
Elektrischer Strom
Das Stromnetz an Bord wird mit einer Spannung von 12V betrieben. Läuft der Motor nicht, dann steht
nur der Strom eines Akkumulators (etwa eine große Autobatterie) zur Verfügung und dieser ist
Navigationszwecken (Navigationslichter, sparsame Innenbeleuchtung, Elektronik) vorbehalten. Läuft
der Motor, steht etwas mehr Strom zur Verfügung, sodaß in dieser Zeit auch der Kühlschrank wieder
in Betrieb gehen kann. Nur wenn wir mit einem Kabel am Landstrom (230V) hängen, dies ist nur in
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einer Marina möglich, steht Strom in „unbegrenzter“ Menge zur Verfügung. Ausschließlich dann
können Ladegeräte für Handys oder Digitalkameras angesteckt werden.
Abbildung 32: Strom- und Wasseranschlüsse auf dem Steg zur Versorgung der Boote.
Hängen wir am Landstrom, besteht im Bereich Kabeltrommel und deren Steckdosen die
Gefahr des Elektrisierens!
Rauch im Inneren des Bootes kann auf einen Kabelbrand hindeuten. Rauch unter Deck ist prinzipiell
sofort dem Skipper zu melden! Große rote Drehschalter, meist in der Kabine des Skippers im
Fußbereich, trennen die Akkumulatoren vom Bordnetz und sind bei unklarer Rauchentwicklung sofort
und ohne zu zögern zu betätigen.
Abbildung 33: Kabeltrommel mit Landstrom (schwarzes Kabel), daran angesteckt (mit dem weißen
Kabel) das Stromnetz des Bootes.
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4.6
Tanken
Jedes Boot hat zumindest zwei große Tanks. Einen für Dieseltreibstoff und einen für Wasser. Die
Tankvolumina bewegen sich je nach Bootsgröße zwischen 50 und 500 Liter. Der Dieseltreibstoff
reicht meist für mehrere Tage Motorfahrt, der Wasservorrat reicht für etwa eine Woche. Leider
kommt es immer wieder vor, daß Dieseltreibstoff irrtümlich in Wassertanks gefüllt wird oder
das Wasser irrtümlich in den Dieseltank gefüllt wird. Die Folgen sind fatal und teuer! Leider sehen
auf manchen Booten die Tankverschlüsse einander sehr ähnlich (Abbildung 34, Abbildung 35), dazu
kommt, daß manche Boote an mehreren Stellen Tankverschlüsse für den Diesel- als auch für den
Wassertank haben. Daher: Kein selbständiges betanken, weder mit Treibstoff noch mit Wasser,
ohne ausdrücklichen Auftrag des Skippers! Beim Tanken kontrollieren wir den Skipper, vier (sechs,
acht, ...) Augen sehen mehr als zwei!
Abbildung 34: Einfüllöffnung eines Dieseltanks, zum Verwechseln ähnlich der Einfüllöffnung eines
Wassertanks.
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Abbildung 35: Einfüllöffnung eines Wassertanks, zum Verwechseln ähnlich der Einfüllöffnung eines
Dieseltanks.
Für die Schraubverschlüsse der Einfüllöffnungen gibt es ein eigenes Werkzeug, meist paßt auch eine
Winschkurbel. Nach Möglichkeit sollen Winschkurbeln nicht zum Öffnen der Tankverschlüsse
verwendet werden! Dies beschädigt nicht nur die Tankverschlüsse, sondern auch die Winschkurbel!
Treibstoff oder Wasser wird getankt im Beisein oder im Auftrag des Skippers und in den
richtigen Tank! Möglichst keine Winschkurbeln an den Tankverschlüssen!
4.7
Sauberkeit und Ordnung
Eigene Bordschuhe (mit heller Sohle) und eigene Landschuhe sind selbstverständlich. Nasse
Handtücher oder feuchtes Gewand, zum Trocknen an der Seereling oder im Rigg, sind im Hafen, vor
Anker oder bei kleinen Schlägen unter Motor von Bucht zu Bucht (bei Flaute) zwar keine Zierde, noch
nicht störend. Kommt Wind auf und wir wollen Segel setzen, dann zuvor „klarschiff“, also alles, was
nicht zum Segeln gehört, kommt unter Deck. Dies gilt im besonderen auch für im Cockpit
abgelegte Schuhe, Dosen, Flaschen, Bücher, Keksschachteln, … !
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Abbildung 36: Absolut entbehrlich: Im Cockpit deponierte Flaschen, Badetücher, Schuhe, ... .
Ebenso "umherirrende" Leinen.
Aber auch unter Deck ist Ordnung von großer Wichtigkeit. Ordnung im seemannschaftlichen Sinn
und nicht als Ordnungsfimmel. Dazu gehört, daß nichts unnötig auf dem Boden liegt, worüber
gestolpert werden kann. Dazu gehört, daß jeder sein Ölzeug, seine Taschenlampe, seine
Sicherheitsausrüstung, … mit wenigen Handgriffen findet. Dazu gehört auch, daß keine Gläser oder
Flaschen Gefahr laufen, bei plötzlicher Lage zu Bruch zu gehen. Und ganz wichtig, daß
gemeinschaftlich benutzte Geräte (Fernglas, Peilscheibe, Peilkompaß, Winschkurbel, Steuergerät der
Ankerwinde, Pütz, …) immer auf „ihren“ Platz aufgeräumt werden.
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Abbildung 37: Ordnung an Bord, hier in den Leinen.
Bringt Sicherheit und ist ein Indikator für gute Semanschaft.
4.8
Das Boot
Prinzipiell ist es unbequem, mit einem Segelboot zu reisen. Je seetüchtiger ein Boot ist, um so
unbequemer ist es. Yachten für Sport- und Freizeitzwecke sind meist ein mehr oder weniger
gelungener Kompromiß zwischen Bequemlichkeit und Seetüchtigkeit. Der Yachtbau der letzten
Jahre berücksichtigt die Bequemlichkeit leider zu Lasten der Seetüchtigkeit immer mehr. Bei der
Entscheidung für ein bestimmtes Boot hat Seetüchtigkeit für uns Vorrang. Ein englisches Sprichwort
sagt: „A good ship for the skipper is a horror for the crew.” Bei Starkwind oder Schlechtwetter sind die
Vorteile guter Seetüchtigkeit jedoch eklatant! Daß ein unbequemes Boot auch sehr gemütlich sein
kann, ist den folgenden Bildern zu entnehmen.
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Abbildung 38: Klassisches Lattengroßsegel mit Bindereff. Angeblich nicht so bequem wie ein Rollgroß,
doch gewinnt man deutlich an Seetüchtigkeit.
Unbequem heißt nicht ungemütlich!
Abbildung 39: An Deck, unbequeme Holzbänke und Kunststofftisch, trotzdem gemütlich.
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Abbildung 40: Jause unter Deck, beengte Verhältnisse, aber sicher nicht ungemütlich.
Abbildung 41: Beschränkte Platzverhältnisse an Deck, Kopf auf einer Holzleiste und eine kantige
Metallschiene im Kreuz. Unbequemer geht es schon fast nicht mehr.
4.9
Platz, das Mißverhältnis von Angebot und
Nachfrage
Naturgemäß ist auf einem Sportboot nicht all zu viel Platz. Dazu kommt, daß der zur Verfügung
stehende Platz nicht immer leicht zugänglich ist und der Form des Bootes angepaßt ist. Einiges des
spärlichen Platzes ist durch Rettungswesten, Werkzeug, Ersatzteile, Geschirr, nautische Literatur, …
schon belegt. Als Faustregel gilt: Nicht all zu viel mitnehmen. Bei Urlauben auf dem Meer wird meist
weniger Gewand benötigt als angenommen. Wer mit mehr als einer großen Reisetasche (oder
einem Seesack) und ein extra Handgepäck anreist, hat mit Sicherheit zu viel mit.
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Abbildung 42: Riß einer GibSea 402.
Obige Skizze ist der Riß einer GibSea 402:
blau:
Liegeflächen in drei Kabinen für sechs Personen
orange hell:
Bodenbretter, Teppich
orange dunkel: Stauraum, Niedergang, Tische
weiß:
Naßzellen, Pantry, Backskiste, Ankerkasten
gelb:
Sitzbänke, Liegefläche
Abbildung 43: Eine Achterkabine, bequemer Liegeplatz für 2 Personen, für das Gepäck ist der Platz
hingegen bescheiden.
Je sorgfältiger das Boot nach Übernahme eingeräumt wird, desto feiner lebt es sich darauf!
Einfach die Reisetasche wohin stellen und daraus das täglich Benötigte herausholen, geht zwar
rasch, erscheint aber nur in den ersten Momenten praktisch. Einige Stunden in das sinnvolle
Verstauen der persönlichen Ausrüstung und auch des Proviants zu investieren, im Zuge des ersten
Nachmittages und Abends ist dafür Zeit genug, hebt spürbar die Qualität der an Bord verbrachten
Zeit.
Das sehr beschränkte Platzangebot kann durch Ordnung ausgeglichen werden.
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Abbildung 44: Die obige Kabine bezogen und mit 2 Personen (Schlafsäcken) belegt. Beim rechten
Schlafsack sind auf diesem und hinter dessen Fußende einige zusammengelegte Kleidungsstücke
erkennbar.
Abbildung 45: Kleine Kästchen und Ablagefächer werden liebevoll als "Schwalbennester" bezeichnet.
Zu eng für die „große Garderobe“.
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Abbildung 46: Ein beliebter „Lümmelplatz“ ist der Niedergang. Diesen Platz länger zu benutzen ist
ausschließlich dem Navigator vorbehalten.
4.10
Wasser im Schiff
4.10.1
Nasse Füße
Wasser bei den Bodenbrettern kann harmlos sein (ein ausgelaufener Trinkwassertank), kann aber
auch gefährlich sein (Seewassereintritt). Daher nasse Teppiche sofort dem Skipper melden.
Eingedrungenes Seewasser ist meist auf nicht oder schlampig geschlossene Luken (Bullaugen)
zurückzuführen.
Abbildung 47: Offene Luken, hier im Hafen bei Schönwetter, ist OK.
Drückt eine Bö unser Boot kurz bis zur Reling ins Wasser (nicht so selten), ist das harmlos, wenn
eventuell vorhandene Luken unterhalb der Reling (Außenluken, Rumpfluken) geschlossen sind. Ist
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bei einem solchen Ereignis eine Außenluke offen, sind binnen Sekunden einige Hundert Liter Wasser
im Schiff. Abgesehen von einer mit Salzwasser eingeweichten Koje und salzwassernassem
Reservegewand, nebst kaputtem Handy und kaputtem Fotoapparat, zunächst noch nicht bedrohlich
für unser Boot. Wird anhaltend bei starker Lage mit offenen Außenluken gefahren, kommt
ausreichend Wasser in unser Boot, um dieses zu versenken!
Abbildung 48: Blick in die Bilge. Hier sammelt sich das ins Boot eingedrungene Wasser, es sollte bei
wenigen Litern täglich bleiben.
Luken unterhalb der Reling (Rumpfluken) sind bei Fahrt immer zu schließen. Alle Luken, auch
die an Deck, sind beim Segeln zu schließen.
4.10.2
Nutzwasser und Trinkwasser
Einige hundert Liter Wasser befinden sich, zumindest nach dem Auffüllen, in den Wassertanks.
Dieses Wasser kann problemlos für alle Waschzwecke verwendet werden (Geschirr, Hände, Brillen,
...), auch zum Zähneputzen. Für Kochzwecke (Tee, Kaffee, Suppe, ...) verwenden wir besser
Trinkwasser aus Kanistern oder Flaschen. Wer kalt trinken will, greift zur Mineralwasser- oder
Fruchtsaftflasche. Eine ausreichende Menge (mehrere Liter pro Person und Tag) wird an Bord sein.
Wer den Verdacht hat, daß sich Engpässe abzeichnen, meldet dies sofort dem Skipper, oder
geht bei nächster Gelegenheit einkaufen.
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Abbildung 49: Trinkwasser in faltbaren Kanistern, die bei jedem Landgang aufgefüllt werden.
Nur mit Nutzwasser, und nur wenn die Tanks nicht regelmäßig gefüllt werden können, ist
sparsam umzugehen! Beim Trinken (Mineralwasser wie Fruchtsäfte) darf niemand sparen!
4.11
Essen und Trinken
Auf alle Fälle haben wir ausreichend Proviant für ein einfaches Abendessen und ein Frühstück für
jedes Crewmitglied an Bord (Abbildung 50). Bei Überfahrten die doppelte Menge. Auch hier gilt: Wer
den Verdacht hat, daß sich Engpässe abzeichnen, meldet dies, oder geht bei nächster Gelegenheit
einkaufen (Abbildung 51). Wer unbedingt will, darf auch kochen. Besser (meistens) und gemütlicher
(wir sind ja auf Urlaub) ein nettes Fischrestaurant (Abbildung 52) oder eine Taverne.
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Abbildung 50: Gemeinsames Essen an Bord, diverse Aufschnitte, Käse, Obst und Gemüse.
In warmen Jahreszeiten völlig ausreichend.
Abbildung 51: Einkauf, jeder nimmt, was er gerne ißt oder trinkt. Wichtig: Täglich auch frisches Obst!
Das Einhalten der in unseren Ländern üblichen Tischkultur ist mitentscheidend für die
wohnliche Atmosphäre auf einem Segelboot.
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Abbildung 52: Fangfrisch im Restaurant, des Fischers Stolz.
4.12
Die Bordkassa
Bei jedem Törn gibt es auch eine Bordkassa.
Was aus der Bordkassa bezahlt wird: Gemeinsames Essen und Trinken in Kaffeehäusern oder
Restaurants, Einkäufe für gemeinsame Essen an Bord, alle Getränke an Bord, gemeinsame
Taxifahrten, Liege- und Reinigungsgebühren, Treibstoff, Bagatellschäden (sind mit maximal 180 Euro
begrenzt), gegebenenfalls Schlepplohn sollten wir einmal Schlepphilfe benötigen.
Wofür die Bordkassa nicht aufkommt: Persönliche Souvenirs oder persönliche Ergänzungen von
Ausrüstungen, gegebenenfalls grobe Schäden (dafür wurden Versicherungen abgeschlossen),
Rauchwaren und andere Suchtmittel.
Vor Törnbeginn wird ein Bordkassier ernannt (Freiwillige vor). Dieser erhält die Lizenz zum
Kassieren (samt einer noch leeren Geldbörse) und genießt das Vertrauen der Crew, das er durch
Kassieren von etwa 100 Euro (oder einen entsprechenden Wert in der jeweiligen Landeswährung)
von jedem Crewmitglied gleich testet. Der Bordkassier zahlt solange alle gemeinsamen Ausgaben,
bis sich der Inhalt der Bordkassa mit Niederwasser vergleichen läßt und fordert wieder Geld von allen
Crewmitgliedern nach. Etwa 140 bis 180 Euro pro Woche pro Crewmitglied lassen die Bordkassa
erfahrungsgemäß nicht trockenfallen. Verbleibende Reste werden nach Törnende aufgeteilt.
4.13
Yachtgebräuche
Hier richten wir uns nach den Gepflogenheiten des bereisten Landes. In Mittelmeerländern sind
Flaggenparaden unüblich, hingegen gilt nackter Oberkörper in der Öffentlichkeit (für Herren und
Damen) als unhöflich (Abbildung 53). Mit nacktem Oberkörper zu segeln ist nicht bloß in
Mittelmeerländern verpönt. Daher: Hafenmanöver, Spaziergänge im Hafen, Kaffeehausbesuche und
unter Segel, zumindest in Badehose und Leibchen beziehungsweise im Badeanzug. Siehe auch 5.2.
Was wir bei einem Badestop oder in einer einsamen Bucht machen, ist unser Kaffee. Das heißt im
Klartext, FKK-Fans und Anhänger nahtloser Bräune kommen auch nicht zu kurz.
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Abbildung 53: Klarer Fall - das sind keine Segler. Nackter Oberkörper, Bikini und barfuß.
Im Hafen und beim Segeln unpassend, unhöflich und respektlos.
4.14
Seemannschaft
Gute Seemannschaft, darunter verstehen sich alle Tätigkeiten und Gepflogenheiten im Rahmen der
Seefahrt, ist immer noch die beste Visitenkarte. In reinen Urlauberrevieren wie beispielsweise in
Kroatien ist gute Seemannschaft oft schon zur Rarität geworden. Entsprechend widerwillig das
Entgegenkommen der einheimischen Seefahrer, Hafenkapitäne, Fischer und Behörden.
Entsprechend schlecht meist die Qualität der dort angebotenen Charterboote (Ausnahmen kennt der
Autor). Nützen wir die Vorteile guter Seemannschaft! Das bringt nicht nur Sicherheit auf See, sondern
wird auch von anderen wahrgenommen. Echo guter Seemannschaft kann ein freundlicher Hinweis
eines einheimischen Fischers zur Wetterprognose sein, und der ist mindestens so viel wert wie die
tollste Wetteranalyse des Seewetterdienstes. Was ist nun gute Seemannschaft konkret? Nun, einiges
steht schon in diesem Skriptum, mehr davon an Bord!
4.14.1
Knoten
Mit Knoten kann zweierlei gemeint sein: Einerseits das nautische Maß für die Geschwindigkeit des
Bootes, andererseits ein mehr oder weniger sinnvolles Gebilde aus Tauwerk. Hier geht es um diese
Gebilde aus Tauwerk. Das Schlagen von Knoten ist eine der ursprünglichsten Tätigkeiten im Rahmen
der Seefahrt und finden wir schon in den Aufzeichnungen des Altertums. Im „Ashley-Buch der
Knoten“, dem Standardwerk der Knotenlehre, werden 3800 verschiedene Knoten beschrieben.
Letztlich kommen auch fast alle Knoten, die in den Bergsport Einzug gehalten haben, in ihrer
ursprünglichen Form aus der Seefahrt. Zu den wichtigsten gehören:
4.14.1.1
Achterknoten
Dieser Knoten dient hauptsächlich als Abschluß von Leinen, damit deren Ende nicht ausrauschen
kann. Vom Bergsteigen kennen wir den gesteckten Achterknoten, der sich als Anseilknoten
durchgesetzt hat.
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Abbildung 54: Der Achterknoten, vorzugsweise als Abschluß von Leinen.
4.14.1.2
Palstek
Der Palstek wird von Ashley liebevoll als „king of knots“ bezeichnet. Gerüchten zufolge mußte dieser
Knoten in der englischen Marine mit verbundenen Augen und einhändig geknüpft werden können,
eine gar nicht schlechte Übung. Der Palstek bildet ein festes Auge in einer Leine, beispielsweise um
einen Festmacher zu belegen. Bergsteiger kennen den Palstek unter der Bezeichnung „Bulinknoten“.
Abbildung 55: Der Palstek, zur Bildung eines festen Auges.
Unten (rotes Ende) die englische Form, oben (grünes Ende) die deutsche Form.
4.14.1.3
Klampenschlag
Der Klampenschlag ist genau genommen kein Knoten, doch wird er immer im Zusammenhang mit
Knoten gelehrt. Viele Leinen, meist Fallen, müssen unter starkem Zug belegt und gelöst werden, dies
erlaubt der Klampenschlag. Die häufigsten Fehler sind das Vergessen des ersten Rundtörns, der
nicht über die Klampe führen soll sondern um diese herum (im Bild nicht sichtbar) und die
übermäßige Anhäufung von Schlägen bis die Klampe darunter untergeht. Zwei Schläge, wie
abgebildet, reichen völlig für sicheren Halt.
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Abbildung 56: Der Klampenschlag, zum Belegen einer Leine unter Zug.
4.14.1.4
Rundtörns mit halben Schlägen
Dieser Knoten (eigentlich eine Kombination aus Törns und Schlägen) sieht weit komplizierter aus, als
er ist. Dient zum längerfristigen Belegen einer Leine an einer Spiere, beispielsweise zur Sicherung
eines Paddels am Beiboot.
Abbildung 57: Rundtörns mit halben Schlägen.
4.14.1.5
Kreuzknoten
Der Kreuzknoten, häufig auch als Reffknoten bezeichnet, findet bei Reffbändsel klassischer
Bindereffs Anwendung. Prinzipiell können mit diesem Knoten Leinen ähnlichen Durchmessers
verbunden werden. Bergsteiger kennen den Kreuzknoten unter der Bezeichnung „Weberknoten“.
Abbildung 58: Der Kreuzknoten.
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4.14.1.6
Schotstek
Dient zum Verbinden zweier Leinen, die auch unterschiedliche Durchmesser haben können. Läßt sich
auch nach hohen Belastungen wieder leicht lösen. Berichten zu Folge nutzen Pannenfahrer diesen
Knoten um Abschleppseile zu verlängern.
Abbildung 59: Der Schotstek, zum Verbinden zweier Leinen.
4.14.1.7
Stopperstek
Ähnliches kennen die Bergsteiger als Prusikknoten. Im Gegensatz zu diesem hält der Stopperstek nur
in eine Richtung, was an Bord eines Bootes auch ausreicht.
Abbildung 60: Der Stopperstek, die weiße Leine zieht an der roten.
4.14.1.8
Webeleinstek
Dieser Knoten, allerdings auf Slip, ist uns weiter oben schon untergekommen (Abbildung 18),
Bergsteiger kennen ihn unter der Bezeichnung „Mastwurf“.
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Abbildung 61: Der Webeleinstek.
4.14.1.9
Spierenstich oder Fischerknoten
Ein in der nautischen Literatur meist vernachlässigter Knoten, zu Unrecht nach Meinung des Autors.
Dieser Knoten ist ganz hervorragend um zwei Leinen langfristig und zuverlässig zu verbinden. Ist in
älterer Alpinliteratur als Spierenstich zu finden. Im nautischen Bereich, wenn überhaupt, als
Fischerknoten bekannt.
Abbildung 62: Der Spierenstich oder Fischerknoten.
4.14.2
Spleißen und Takeln
Spleißen und Takeln sind typische Beschäftigungen für Schlechtwettertage, sei es an Bord oder auch
zuhause. Unter Spleißen verstehen wir das Verbinden von Tauwerk ohne Knoten (Abbildung 63),
unter Takeln verstehen wir das Versorgen von Tampen (siehe obenstehende Abbildungen). Beides ist
ohne Werkzeug nicht möglich und braucht auch etwas Zeit.
Abbildung 63: Zwei Augspleiße, dazwischen ein Langspleiß.
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4.15
Übernehmen verantwortlicher Positionen
Wer „irgendwann einmal“ selber Skippern möchte und einen „B-Schein“ anstrebt, braucht einen, Zitat:
„NACHWEIS DER SEEMÄNNISCHEN PRAXIS UND SEEFAHRTERFAHRUNG“, vulgo
„Seemeilennachweis“. Bitte dies dem Skipper vor Törnbeginn mitteilen, damit die entsprechenden
Tätigkeiten nicht nur zugeteilt, sondern auch im Logbuch vermerkt werden. Natürlich können
verantwortliche Positionen auch aus purem Interesse übernommen werden. Auf Wunsch gibt es nach
Törnabschluß einen vom Österreichischen Segelverband anerkannten Seemeilennachweis.
Nur aus einem guten Segler wird ein guter Skipper.
Für Interessierte, hier der Weg zum „B-Schein“, wie er vom Autor empfohlen wird:








A-Schein (Theorie und Praxis zu trennen hat Vorteile.)
Segeln üben (viel Jollensegeln, Abbildung 64).
Erfahrung sammeln auf seegehenden Yachten (Praxistörns für den Seemeilennachweis).
Notwendige Zusatzqualifikationen erwerben: Seefunkzeugnis, Radar Seminar,
großer Erste Hilfe Kurs und Erste Hilfe auf See.
„B“-Theoriekurs und Prüfung (Abbildung 65).
„B“-Ausbildungs- oder „B“-Trainingstörn.
„B“-Prüfungstörn.
Skippertraining mit Schwerpunkt Hafenmanöver auf einem möglichst großen Boot.
Kleine Boote sind die besten Lehrmeister für Segelmanöver und Trimm, Manöver unter Motor
lernt man hingegen auf möglichst großen Booten.
Abbildung 64: Auf einer Gleitjolle Wind und Welle spüren.
Hier das österreichische Damenteam Sylvia Vogl und Caroline Flatscher,
Europameisterinnen 2008 und regelmäßig internationale Spitzenplätze.
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Abbildung 65: Im Lehrsaal, "B"-Theorie.
"Der Weg zum Erfolg hat keine Abkürzung", (Tanaka Masahiko)
5
Persönliche Törnvorbereitung
Zu jedem geplanten Törn gibt es Informationsblätter, Vorbesprechungen, Ausrüstungslisten und
laufende Informationen über den aktuellen Stand der Vorbereitungen. Wer erstmals einen Segeltörn
mitmacht, packt am besten nach der Ausrüstungsliste (ist bei den Törnunterlagen) und kauft
gegebenenfalls nur das Notwendigste. Wer sich für weitere Segeltörns ausrüsten möchte, den
schützen die Erfahrungen der ersten Segeltörns vor all zu teuren Fehlkäufen. Beispielsweise ist es
nicht nötig, sich für sommerliche Urlaubstörns im Mittelmeer ein Ölzeug um über 900 Euro zu kaufen,
welches eher für winterliche Hebridentörns gedacht ist. Wer sich doch etwas kaufen muß oder will,
den beraten wir gerne. Generell kann gesagt werden: Für Mittelmeertörns in warmen Jahreszeiten
reicht ein leichtes Ölzeug um unter 200 Euro. Soll es auch wasserdampfdurchlässig sein, fälschlich
meist als atmungsaktiv bezeichnet, reichen sicher 400 Euro. Auch bei Bordschuhen (das sind
Schuhe, die nur an Bord und nicht an Land getragen werden) gibt es gewaltige Unterschiede.
Verkäufer diverser Fachgeschäfte verkaufen gerne regattaoptimierte „Spezialschuhe“. Für
Segelurlauber ist außer der Rutschfestigkeit eher entscheidend, daß die Segelschuhe bequem sind
und ohne lange Manipulation hinein und heraus geschlüpft werden kann (Abbildung 3) und daß man
in diesen auch nach stundenlangem Tragen bei subtropischer Hitze nicht unnötig schwitzt. Leider
sind gute Segelschuhe um unter 100 Euro selten zu bekommen. Einsteiger sind mit billigen
Turnschuhen mit heller Sohle, schon gesehen um unter 10 Euro, bestens beschuht (Abbildung 67).
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Abbildung 66: Ölzeuge um etwa 200 Euro.
Für Mittelmeertörns in warmen Jahreszeiten mehr als ausreichend.
5.1
Kleidung für das Bordleben
Unter normalen Umständen reicht uns legere Freizeitkleidung. Rasch trocknende Trainingsanzüge
aus Mikrofaser sind ganz ideal, ebenso Sporthosen, kurze Hosen, T-Shirts und Leibchen. Für die
kältere Jahreszeit (Frühjahr oder Herbst) und für Nachtfahrten, zusätzlich Gewand aus Faserpelz und
lange Funktionsunterwäsche (Skiunterwäsche), beides sehr rasch trocknend. Weniger geeignet ist
Kleidung aus Baumwolle oder Schafwolle, da diese Materialien, wenn einmal naß geworden, recht
langsam trocknen. Ungeeignet sind Jeans mit Nieten und Gürtel mit großen Metallschnallen. Diese
zerkratzen das Boot und dessen Einrichtung. Wer die Wahl hat, greift zu den klassischen maritimen
Farben blau und weiß. Siehe auch 4.13. Knappe Badegewänder (Badehose für Herren oder Bikini für
Damen) oder nackter Oberkörper (bei Herren und Damen) gelten beim Segeln als unpassend und
kennzeichnen „Badegäste“ (siehe dazu auch 4.13 und Abbildung 53).
Abbildung 67: Bequeme Freizeitkleidung und Sportschuhe mit heller Sohle, an Bord ganz ideal.
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5.2
Kleidung für Landgänge
Da die Arbeit an Bord mitunter zu salzverkrusteter und zerknitterter Kleidung führt, ist es vorteilhaft,
für Landgänge ein extra Gewand (Landschuhe sowieso) zu haben. Wer den Kasten voll hat und nicht
weiß, was er nehmen soll, die Farben blau und weiß schauen einfach „schiffig“ aus.
Abbildung 68: Bequeme Kleidung für den Landgang.
Nochmals sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß Badeschlapfen keine Landschuhe sind! Für
Landgänge ist gutes Schuhwerk notwendig (Abbildung 1)! Siehe dazu auch Kapitel 1.1. Sinnvoll sind
Turnschuhe, Leinenschuhe oder nicht mehr als Bordschuhe verwendete Segelschuhe.
Abbildung 69: Im Zuge des Landganges führen manche Wege buchstäblich über Ruinen und durch
Gestrüpp. Gutes Schuhwerk ist obligat.
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6
Fachchinesisch
Wie hab ich mich bemüht mir alles zu merken: Steuerbord ist Luv und Abfallen heißt das Rad nach
links drehen. Kaum eine Stunde später ist wieder alles anders. Woran das wohl liegt? Bitte sich
deshalb keine grauen Haare wachsen lassen. Details dazu bei Interesse an Bord. Einige der
häufigsten „Vokabel“ hier aufgelistet:
Bug: vorderes Schiffsende
Heck: achteres (hinteres) Schiffsende
Verklicker: „Windfähnchen“ im Masttop.
Fender: Längliche „Gummibälle“, die als „Stoßstangen“ für das Boot bei Hafenmanövern dienen.
Achtern: Hinten, bezogen auf das Boot.
Steuerbord: Rechte Schiffsseite, bei Blickrichtung vom Heck zum Bug.
Backbord: Linke Schiffsseite, bei Blickrichtung vom Heck zum Bug.
Leinen: Das, was Landratten als Seile bezeichnen.
Schoten: Leinen, mit denen die Stellung der Segel verändert wird.
Großschot: Leine, mit der die Stellung des Großsegels verändert wird.
Fockschot: Leine, mit der die Stellung der Fock verändert wird.
Fallen: Leinen, die etwas oben halten; wenn gelöst, fällt etwas herunter.
Großfall: Leine, die das Großsegel oben hält.
Anholen: ziehen, anziehen
Dichtholen: so weit wie möglich anholen
Fieren: lösen, loslassen
recht so: Bezeichnet einen Zustand der beibehalten werden soll.
Luv: windzugekehrte Seite (des Bootes, der Insel, …)
Lee: windabgekehrte Seite (des Bootes, der Insel, …)
Ruderlegen: Was Landratten als Steuern oder Lenken bezeichnen.
Anluven: Boot mit dem Bug gegen den Wind drehen.
Abfallen: Boot mit dem Bug vom Wind wegdrehen.
Aufschießen: Boot mit dem Bug in den Wind stellen (maximales Anluven).
Wende: Manöver zur Richtungsänderung mit dem Bug durch den Wind. In untenstehender Skizze
von einem Kurs A auf kürzestem Wege zum anderen Kurs A.
Halse: Manöver zur Richtungsänderung mit dem Heck durch den Wind. In untenstehender Skizze
von einem Kurs R auf kürzestem Wege zum anderen Kurs R.
Ree: Ausführungskommando einer Wende, Abkürzung für „Ruder nach Lee“, kommt aus der Zeit, als
Pinnensteuerungen üblich waren.
Rundachtern: Ausführungskommando einer Halse.
Seeventil: Ein „Loch“ im Schiffsrumpf mit einem „Wasserhahn“ an der Innenseite.
Mooringleine: Leine, ein Ende am Steg angeschlagen, das andere Ende im Hafenbecken fixiert.
Badegast: Bezeichnung für „Nichtsegler“ oder ungeschickten Mitsegler.
Flagge: Das, was Landratten als Fahne bezeichnen.
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Abbildung 70: Wind- und Kursskizze.
In obiger Skizze symbolisiert der rote Sektor den Bereich, den ein Segelboot nicht direkt erreichen
kann. Gegen den Wind segelt es sich bekanntlich schwer. Ziele in diesem Sektor werden durch
Aufkreuzen erreicht.
Kurse:
A: Am Wind. Boot fährt „Höhe“. Bei auffrischendem Wind meist ein sicherer Kurs. Schoten sind dicht.
H: Halbwind. Ein schneller und meist angenehm zu fahrender Kurs.
R: Raumschot. Mit Vorsicht zu fahren, da Starkwind leicht übersehen wird.
V: Vor dem Wind. Ein meist unangenehm zu steuernder Kurs, Schoten sind gefiert. Gefahr der
„Patenthalse“, Köpfe sind und bleiben unterhalb der Baumhöhe.
"...Aus dem Meer tauchten, als hätte Homer es persönlich für mich angeordnet, in dem
schwindenden Licht die Inseln auf, einsam, verlassen, geheimnisvoll.
Mehr konnte ich nicht verlangen, und mehr wünschte ich mir nicht. Ich hatte alles, was ein
Mensch ersehnen kann, und ich wußte es...."
(H. Miller, Der Koloss von Maroussi)
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Abbildung 71: Sonnenaufgang vor der Mündung des Acheron, Ionisches Meer, September 2004.
Der Wind bläst, wo er will, und du hörst sein Sausen wohl; aber du weißt nicht, woher er
kommt und wohin er fährt. (Joh.59,8)
7
Anhang Navigation
Dieser Anhang ist für Mitseglerinnen und Mitsegler gedacht, die navigieren wollen und Seemeilen in
verantwortlicher Position sammeln, geht also weit über Einsteigerinformationen hinaus. Ein Lehrbuch
kann mit diesem Anhang auch nicht ersetzt werden. Vielmehr geht es hier darum, eine gemeinsame
Sprache zu finden. Siehe auch:
DIN 13312, März 1994, Navigation, Begriffe, Abkürzungen, Formelzeichen, graphische Symbole
7.1
Allgemeines zur Navigation
Die Navigation an Bord beantwortet drei Fragen:
 Wo sich unser Boot befindet.
 Wohin unser Boot fährt, wenn wir nichts an dessen Bewegung ändern.
 Was wir tun müssen um ein gewünschtes Ziel sicher zu erreichen.
Als Bezugspunkte dienen uns stets und immer Punkte auf der Erdoberfläche, deren Position bekannt
ist (ausgenommen funknavigatorische Verfahren via Satelliten). Dies ist bei einer einfachen
Querabpeilung nicht anders als bei der Astronomischen Navigation. (Bei der Astronomischen
Navigation ist es der Bildpunkt eines Himmelskörpers zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der
Erdoberfläche). Auch wenn wir auf den Kompaß blicken, beziehen wir uns auf einen Punkt auf der
Erdoberfläche, nämlich dem magnetischen Pol. Ein einzelner Bezugspunkt liefert uns meist eine
Standlinie. Kreuzen mehrere zur gleichen Zeit ermittelte (oder in die gleiche Zeit versegelte)
Standlinien einander, erhalten wir einen Standort. Zur Unterscheidung von anders gewonnenen
Standorten nennen wir diesen Standort auch „wahren Ort“, abgekürzt „Ow“. Als Ausrüstung
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benötigen wir geeignete (aktuelle) Seekarten und ein Navigationsbesteck. Was sonst noch nötig
ist, wird bei den einzelnen Methoden angeführt.
Abbildung 72: Der Autor bei der Arbeit am Navigationstisch.
7.2
Die Seemeile oder Nautische Meile
Die Bezeichnung „Meile“ kommt aus dem lateinischen Wort „mille“ für Tausend und hat ihren
Ursprung in der Landvermessung des Römischen Reiches. „Mille passus“ = 1000 Schritte (im
heutigen Sinn Doppelschritte). Im Laufe der Geschichte gab und gibt es über 50 verschiedene Meilen!
Um Verwechslungen zu vermeiden, sprechen wir stets von Seemeilen oder Nautischen Meilen.
Das Geniale an der Seemeile ist, daß diese einem Winkelmaß entspringt und die Vermessung der
Welt ebenfalls mit Winkeln erfolgt. Da in der Nautik die Erde als Kugel angenommen wird und die
wahre Form der Erde von der Kugelgestalt abweicht, ist die Frage, wie viele Meter eine Seemeile hat,
genau genommen nicht exakt zu beantworten. Meistens liest man als Antwort 1852, gelegentlich
auch 1853 Meter. Eine Kabellänge ist das Zehntel einer Seemeile.
Eine Seemeile ist die Länge einer Bogenminute auf einem Großkreis der Erdoberfläche.
Als Großkreis genügt uns an dieser Stelle der Äquator. Ein Meridian ist exakt die Hälfte eines
Großkreises. 360 Grad hat der gesamte Erdumfang, jeder Grad hat 60 Bogenminuten, daher sind es
exakt 360 mal 60, also 21600 Bogenminuten (= Seemeilen) um die Erde. Oder: 90 Grad sind es vom
Äquator zum Nordpol, daher sind es exakt 90 mal 60, also 5400 Bogenminuten (= Seemeilen) vom
Äquator zum Pol.
Wir sehen hier schon einen der vielen Vorteile der nautischen Maßeinheiten, nämlich ganzzahlige
Werte (keine Kommastellen) und leicht im Kopf zu rechnen.
Grad und Minuten werden meist mit Bindestrich getrennt geschrieben. Die Marina Gouvia (Korfu) hat
die Geographische Breite von 39-39N (sprich: 39 Grad 39 Minuten Nord). Die Marina Gouvia befindet
sich daher exakt 39 * 60 + 39, also 2379 Seemeilen nördlich vom Äquator.
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Beispiel:
Unser Ausgangshafen liegt auf 37-54 nördlicher Breite (Athen, Alimos / Kalamaki). Der südlichste
Punkt unseres Törnplanes liegt auf 35-36 nördlicher Breite (Kreta, Hania).
Frage: Wie viele Seemeilen sind nach Süden zu segeln?
37-54
35-36 –
02-18
138
(37 Grad und 54 Minuten)
(35 Grad und 36 Minuten werden abgezogen)
sind 2 Grad + 18 Minuten, also 2 x 60 Minuten + 18 Minuten
entspricht 138 Minuten (Bogenminuten), sind 138 Seemeilen
Antwort: Es sind mindestens 138 Seemeilen nach Süden zu segeln. (Da wir nicht exakten Südkurs
segeln können, werden es wohl etwas mehr.)
Da Breitenkreise zum Pol hin immer kleiner werden, sind in Seekarten die Entfernungen stets von
Meridianen abzunehmen. Das heißt für die Praxis, wir messen Seemeilen mit Hilfe der Grad- und
Minutenskalierung des rechten oder linken Kartenrandes! Grad und Minuten am oberen und unteren
Kartenrand dienen ausschließlich zu Positionsbestimmungen.
7.3
Positionsbestimmungen
7.3.1
Lotung
Die Bestimmung der Wassertiefe unter dem Boot ist ein schon im Altertum benutztes Verfahren zur
Navigation. Handlote, im wesentlichen ein Gewicht an einer Schnur mit Längenmarkierungen,
befanden sich schon auf den Schiffen der Wikinger. Praktisch auf jedem modernen Boot finden wir
ein Echolot. Die vom Echolot angezeigte Wassertiefe kann mit der in der Seekarte verzeichneten
Wassertiefe verglichen werden. Zeigt das Echolot 10 Meter, dann ist der Schiffsort auf der 10 Meter
Tiefenlinie in der Seekarte zu finden. Die Justierung des Echolotes muß jedoch bekannt sein! Wird
die wahre Tiefe angezeigt oder die Wassertiefe unter dem Kiel? Eine Kalibrierung im Auslaufhafen
durch Vergleich mit einem Handlot bringt Klarheit.
7.3.2
Querabpeilung
Die einfachste und sicherste Positionsbestimmung, genau genommen eine Sonderform der
Seitenwinkelmessung (7.3.5). Ein identifizierter und auf der Seekarte eingezeichneter Punkt befindet
sich querab von unserem Boot. Dabei gilt, je näher wir uns diesem befinden, desto besser,
idealerweise im Abstand weniger Kabellängen und mit Bedacht eventueller Untiefen. Der
Logbucheintrag: Leuchtfeuer xyz 0,5sm Bb querab, natürlich noch Zeit und Loggestand dazu,
beschreibt den Standort (und nicht bloß eine Standlinie) unseres Bootes eindeutig. Selbst wenn die
halbe Seemeile nur geschätzt und um 2 Kabellängen falsch sein sollte, befinden wir uns in einem
Bereich, dessen Genauigkeit im hindernisfreien Wasser völlig ausreicht. Der Eintrag in die Seekarte
ist „freihändig“ möglich. In inselreichen Revieren mit vielen markanten Punkten kann so wochenlang
auf aufwendigere Positionsbestimmungen verzichtet werden. Als zusätzliche Ausrüstung ist ein
Leuchtfeuerverzeichnis fein, um die Identifikation des Leuchtfeuers durch sein Aussehen bei Tag zu
überprüfen.
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Abbildung 73: Leuchtfeuer Rt.Vnetak 0,3sm Stb querab.
Die vor allem bei Tag interessanten Informationen aus dem Leuchtfeuerverzeichnis zu oben
abgebildetem Leuchtfeuer (Abbildung 73):
2752 Rt. Vnetak / Unije weißer runder Turm und Wärterhaus (13m) 44-37,2N 014-14,4E
Wenn wir Landmarken knapp passieren, eventuell vorgelagerte Untiefen und Hindernisse
besonders beachten! Die (aktuelle) Seekarte gibt Auskunft!
7.3.3
Deckspeilung
Ebenfalls ohne Hilfsmittel möglich, gute Beobachtungsgabe vorausgesetzt: Mehrere (zumindest 2)
identifizierte und auf der Seekarte eingezeichnete Punkte befinden sich aus unserer Sicht exakt
hintereinander, also „in Deckung“ (Abbildung 74). Wir erhalten auf diese Weise eine sehr genaue
gerade Standlinie, deren Eintrag einfach durch Verbinden der in Deckung gesehenen Punkte (mit
Kursdreieck und Bleistift) erfolgt. Zusätzlich kann aus der Seekarte die rechtweisende Peilung direkt
abgelesen und mit dem Ergebnis anderer Peileinrichtungen (Peilscheibe, Handpeilkompaß)
verglichen werden. Da Deckspeilungen die „Wahrheit“ liefern, sind diese auch zur
Deviationskontrolle (Ablenkungskontrolle des Magnetkompasses) geeignet. Aufmerksame
Navigatoren kommen so in wenigen Tagen, ohne zusätzlichen Zeitaufwand, zu einer brauchbaren
Steuertafel.
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Abbildung 74: In wenigen Augenblicken kommen die Steilküsten der Inseln in Deckung. Exakt auf dieser
Linie befindet sich dann unser Boot.
7.3.4
Magnetpeilung
Mit einem Kompaß nutzen wir das Magnetfeld der Erde. Je größer der Permanentmagnet unseres
Kompasses ist (also je größer der Kompaß ist), desto genauer ist dieser. Daraus folgt, daß der
genaueste Kompaß an Bord praktisch immer der Steuerkompaß (Abbildung 75, 7.4) ist. Peilungen
mit einem Handpeilkompaß sind zwar bequemer, auch sind die Meßergebnisse (in Grad) fein
abzulesen, doch täuscht diese Bequemlichkeit über die restlichen Unzulänglichkeiten hinweg. Das
gradgenaue Ablesen durch Zielen über den Steuerkompaß ist meist nicht möglich. Diverse Hilfsmittel
wie Diopteraufsatz, Peilscheibe, auch RADAR, erleichtern das Peilen mit dem Steuerkompaß.
Diopteraufsatz und Peilscheibe sind auf Grund hoher Herstellungspreise (Uhrmacherarbeit) aus der
Sportschiffahrt nahezu verschwunden. Sich eine Peilscheibe selbst zu basteln, die für unsere Zwecke
ausreicht, ist jedoch nicht schwer (Abbildung 76, Abbildung 77). Magnetpeilungen liefern stets gerade
Standlinien.
Abbildung 75: Der Steuerkompaß, der genaueste Kompaß an Bord.
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7.3.4.1 Seitenpeilung mit der Peilscheibe
Der Steuerkompaß liefert uns, soferne der Rudergänger den Kurs halten kann, den Magnetkurs.
Daraus errechnen wir die Richtung unserer Kiellinie, den rechtweisenden Kurs. Dies muß sowieso
geschehen (und sollte schon im Logbuch stehen), stellt daher keine zusätzliche Arbeit dar. Bevor wir
zur Peilscheibe greifen, sollte der rechtweisende Kurs bekannt sein. Nun die Peilscheibe positionieren
(recht voraus = 000°), die Seitenpeilung auf unser gewünschtes Peilobjekt ermitteln und dem
rechtweisenden Kurs hinzuzählen. Erhalten wir einen Wert von über 360° dann 360 abziehen, fertig.
Beispiel:
RwK
Sp
PwP
RwP
310
075 +
385
360 025
(= Kiellinie)
(Korrektur, da über 360)
Abbildung 76: Einfache selbst gebastelte Peilscheibe, leichter als eine Tafel Schokolade und kaum
größer als das Seefahrtsbuch, ermöglicht Seitenpeilungen auf etwa 2° genau.
Abbildung 77: Professionelle selbst gebaute Peilscheibe erlaubt gradgenaue Peilungen.
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Ausgehend vom Rechtweisenden Kurs ist keine Berichtigung (Ablenkung, Mißweisung)
mehr notwendig!
7.3.4.2 Seitenpeilung mittels RADAR
Zusätzlich zu Seitenpeilungen liefert uns das RADAR (Radio Detecting And Ranging) auch
Entfernungen zu Objekten. Ist ein Radarkontakt eindeutig identifiziert, beispielsweise eine
Radarantwortbake eines Leuchtfeuers, erhalten wir einen exakten Standort. Unschätzbarer Vorteil
von RADAR ist die Möglichkeit bei Dunkelheit und Sichtbehinderung zu „sehen“.
Abbildung 78: Navigationstisch mit Nachtbeleuchtung und Radarbildschirm.
7.3.4.3 Peilung mit dem Handpeilkompaß
Um die Ablenkung durch das Magnetfeld des Schiffes möglichst gering zu halten, sollte beim Arbeiten
mit dem Handpeilkompaß ein möglichst hoher Standort und möglichst weit weg von Eisenteilen
(Motor, Kiel, Ankerwinde und Anker) gewählt werden. Stehend auf dem Kajütendach drängt sich auf,
ist jedoch aus Sicherheitsgründen häufig tabu. Was uns bleibt, ist einen brauchbaren Kompromiß zu
finden und die Ablenkung als gegebenen Unsicherheitsfaktor hinzunehmen. Nun auf das gewünschte
Peilobjekt zielen und die Magnetpeilung ablesen. Die Mißweisung allerdings ist, um zur
rechtweisenden Peilung zu kommen, jetzt sehr wohl noch zu berücksichtigen (7.4.2).
Beispiel:
7.3.5
MgP
Mw
RwP
217
003 +
220
(Ablesung vom Handpeilkompaß)
(heißt 3° Ost, ist beispielsweise der aktuelle Wert in der Ägäis)
Seitenwinkel
Wie schon weiter oben erwähnt (7.3.4), sind Seitenwinkelmessungen in Ermangelung brauchbarer
Peilscheiben in der Sportschiffahrt etwas aus der Mode gekommen. Selbst gebastelte Peilscheiben
(Abbildung 76) genügen uns und sind letztlich genauer und wesentlich störungsfreier (!) als
Magnetmessungen. Zwar ein wenig mehr Zeichenaufwand, dafür keine Einflüsse von außen, keine
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Ablenkung (7.4.1), keine Mißweisung (7.4.2). Ja nicht einmal meinen Kurs muß ich kennen, selbst der
Steuerkompaß darf defekt sein. Lediglich für die Dauer der Seitenwinkelmessungen muß der
Rudergänger Kurs halten. Hätten wir statt der Peilscheibe einen Sextanten zur Verfügung, müßte
nicht einmal das Kurshalten gegeben sein (Abbildung 79). Leider sind Sextanten auf Sportbooten
ebenfalls schon sehr selten geworden. Navigatoren, die nicht auf eine beschränkte Auswahl an
Methoden angewiesen sein wollen, kommen um die Anschaffung eines Sextanten nicht herum.
Abbildung 79: Seitenwinkelmessung mit dem Sextanten.
7.3.5.1 Winkel zwischen 2 Seitenpeilungen
Wir messen über die Peilscheibe 2 Seitenpeilungen, eine 290°, eine weitere 005°. Der Seitenwinkel
ist die Differenz aus den beiden Seitenpeilungen.
Beispiel:
005
360 +
365
290 075 (= Seitenwinkel)
Vom Sextanten hätten wir den Seitenwinkel von 075° direkt ablesen können.
Wer erinnert sich noch an die Schulzeit? An den Satz des Thales von Milet? Konstruktionen dieser
Art liefern uns kreisbogenförmige Standlinien. Ein Zirkel wie wir ihn aus dem Mathematikunterricht
kennen, also mit Mine, erleichtert das Zeichnen der Standlinie. Wie ging das damals? Schon
vergessen? Kein Problem, genaueres dazu an Bord.
7.3.5.2 2 Winkel zwischen 3 Seitenpeilungen
Wir messen über die Peilscheibe 3 Seitenpeilungen, eine 290°, eine 005° und eine weitere 055°. Die
Seitenwinkel sind die Differenzen aus den benachbarten Seitenpeilungen.
Beispiel:
005
055
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360 +
365
290 075 (= 1. Seitenwinkel)
005 050 (= 2. Seitenwinkel)
Auch hier hätten wir vom Sextanten die Seitenwinkel direkt ablesen können. Diese Methode ist
übrigens die genaueste Methode der terrestrischen Navigation! Lohn für die Konstruktion aus
wenigen Strichen ist eine von sämtlichen Störungen unbeeinflußte Standortbestimmung (also nicht
bloß eine Standlinie)! Genaueres dazu auf Wunsch an Bord.
7.3.5.3 Winkelverdoppelungen
Verdoppelungspeilungen können auch als Versegelungspeilungen betrachtet werden (7.3.7).
Grundlage dieses Verfahrens ist die Erkenntnis, daß in einem gleichseitigen Dreieck die beiden
Seiten gleich lang sind (no na). Voraussetzung ist, wie bei Versegelungen, ein bekannter und
konstanter Kurs und eine bekannte Geschwindigkeit. Wir ermitteln die zurückgelegte Strecke
zwischen den Seitenpeilungen eines Objektes von 45 und 90 Grad (beziehungsweise von 315 und
270 Grad), was einer Verdoppelung des Seitenwinkels entspricht. Zum Zeitpunkt der zweiten
Seitenpeilung ist der Abstand zum Peilobjekt gleich der zwischen den Peilungen
zurückgelegten Strecke. Nun können Kurs und Seitenpeilung so in die Seekarte eingezeichnet
werden, daß deren Schnittpunkt den Standort angibt. Die Seitenpeilungen können einfach durch
Visieren über die Nebensteuerstriche des Steuerkompasses durchgeführt werden. Bekannt ist dieses
Verfahren auch als „Vierstrichpeilung“, da 45 Grad der Kompaßrose 4 Strich entsprechen. (1 Strich
= 11 ¼ Grad). Nachteil dieser Methode: Bei vorgelagerten Hindernissen könnte das Boot bei einer
Querabpeilung
schon
Grundberührung
haben!
Dieses
Problem
könnte
mit
einer
Verdoppelungspeilung von 30 auf 60 Grad umgangen werden, die allerdings zwingend eine
Peilscheibe erfordert. Ich würde aber niemandem raten, auf diese Weise um Untiefen zu navigieren,
da die Entscheidung einer Kursänderung nach der zweiten Seitenpeilung unter Zeitdruck getroffen
werden müßte.
7.3.6
Höhenwinkel
Zur genauen Höhenwinkelmessung ist ein Sextant unumgänglich. Bei sehr nahen oder sehr hohen
Objekten mag eine Gradskala in einem Fernglas auch noch reichen. Höhenwinkelmessungen
liefern kreisbogenförmige Standlinien.
7.3.6.1 Fußpunkt sichtbar
Der Fußpunkt ist an einem weißen Gischtstreifen (der Strandkimm) durch brechende Wellen
erkennbar.
Formel 1: d [sm] = 13 / 7 * H [m] / n'
Formel 2: d [m] = H [m] / tan([°])
Beispiel 1:
Höhenwinkelmessung mit dem Sextanten: 1°35’, Höhe des Objekts: 51m.
Entfernung [sm] = 13 / 7 * 51 / 95 = 0,997, praktisch 1sm.
Beispiel 2:
Höhenwinkelmessung mit einer Fernglasskala: 6°, Höhe des Objekts: 51m.
Entfernung [sm] = 13 / 7 * 51 / 360 = 0,263, praktisch zwischen 2 und 3 Kabellängen.
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Beispiel 3:
Höhenwinkelmessung mit einer Fernglasskala: 6°, Höhe des Objekts: 51m (wie oben).
Einfacher und fehlerfreier (da weniger Tasten zu drücken sind) mit der 2. Formel mit einem
Taschenrechner, der Winkelfunktionen rechnen kann. Die Winkelfunktion, die wir hier brauchen, ist
der Tangens, Taste TAN.
Entfernung [m] = 51 / tan(6) = 485.
Nicht verwechseln: In Formel 1 setzen wir Meter und Gradminuten ein und erhalten die
Entfernung in Seemeilen. In Formel 2 setzen wir Meter und Grad ein und erhalten die Entfernung in
Meter!
7.3.6.2 Fußpunkt hinter der Kimm
Eine solche Höhenwinkelmessung setzt auf alle Fälle einen guten Sextanten und zumindest einen
programmierten Taschenrechner voraus. Für die, die es genau wissen wollen, hier die Formel:
d [sm] = WURZEL(3,71*(Oh-Ah)+(n'-1,76*WURZEL(Ah))^2)-(n'-1,76*WURZEL(Ah))
Oh ist die Objekthöhe [m], Ah die Augeshöhe [m]
7.3.6.3 Feuer in der Kimm
Ein Sonderfall der Höhenwinkelmessung ist das erste Erkennen der Lichterscheinung eines
Leuchtfeuers in der Kimm, klarerweise nur bei Dunkelheit und ausreichend guter Sicht. Nur zwei
Höhenangaben brauchen wir, nämlich die Feuerhöhe und unsere Augenhöhe.
d [sm] = 2,075 * (WURZEL(Ah) + WURZEL(Fh))
Ah ist die Augenhöhe [m], Fh ist die Feuerhöhe [m]
Beispiel:
Wir nähern uns der Küste und sehen die Kennung eines Leuchtfeuers soeben in der Kimm. Die
Feuerhöhe von 13m verrät uns die Seekarte beziehungsweise das Leuchtfeuerverzeichnis.
Die Augenhöhe kann, im Cockpit einer Segelyacht stehend, mit 2 m angenommen werden.
Die Wurzel aus 2 ist 1,4, Wurzel aus 13 ist 3,6, macht zusammen 5, mal 2,1 ergibt 10,5 (alle Werte
gerundet). Unser Boot befindet sich 10 ½ Seemeilen vor dem Leuchtfeuer.
7.3.7
Versegelungen
Sind Kurs und Geschwindigkeit (über Grund) bekannt und konstant, kann eine gewonnene
Standlinie „versegelt“ werden. Darunter verstehen wir das parallele Verschieben der Standlinie in
der Seekarte in Richtung unseres Kurses um den Betrag der zurückgelegten Strecke. Durch
das Schneiden mit einer später gewonnenen weiteren Standlinie erhalten wir unseren genauen
Standort. Mit „Versegelungspeilungen“ können wir unseren Standort mit einem einzigen Peilobjekt
feststellen, beispielsweise mit einem markanten und identifizierten Punkt in einer ansonsten
homogenen Küstenlinie.
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7.3.8
Funknavigation
Aus einer Reihe diverser Funknavigationsverfahren (LORAN, OMEGA, Decca, GNSS, NAVSAT,
TRANSIT, NAVSTAR-GPS, …) sind für uns nur mehr satellitengestützte Verfahren von Bedeutung.
Derzeit steht das vom amerikanischen Militär betriebene NAVSTAR-GPS (Navigation Satellite Timing
and Ranging - Global Positioning System), meist nur GPS genannt, zur Verfügung. Das europäische
Parallelsystem namens Galileo soll nach 2010 in Betrieb gehen, das russische System Glonass
schlummert unvollendet im Dornröschenschlaf. Um unter 300 Euro sind brauchbare GPS-Empfänger
erhältlich, die alles navigatorisch Notwendige können (Abbildung 7). Doch Vorsicht! Unkritische
Verwendung von GPS ist eine häufige Unfallursache! Ob der GPS-Empfänger die Position auf etwa
20m genau oder bloß Hausnummern liefert, liegt meist am Benutzer, seltener an
Signalverfälschungen (selective availability) durch das amerikanische Militär. Ob der vom GPSEmpfänger vorgeschlagene Kurs über Land führt, ist bei Dunkelheit oder Sichtbehinderung nur der
Seekarte zu entnehmen. Für Interessierte gibt es eine Einführung in die Funknavigation mittels GPS
an Bord.
7.3.9
Astronomische Navigation
Im Prinzip nichts anderes als das Navigationsverfahren mit Höhenwinkeln (7.3.6). Als „Leuchtturm“
dient uns ein Gestirn. Wie das Höhenwinkelverfahren liefert uns die Messung eines Gestirns daher
nie eine Position, sondern stets und immer eine Standlinie! Zur astronomischen Positionsbestimmung
bedarf es daher zumindest zwei astronomischer Standlinien. Da wir im Gegensatz zum Leuchtturm
das Gestirn nicht in der Seekarte finden, brauchen wir noch die Richtung auf dessen Bildpunkt auf der
Erdoberfläche (= Azimut). Die nötigen Informationen entnehmen wir dem Astronomischen
Jahrbuch beziehungsweise diverser Rechentafeln (meist H.O.249 oder PUB.NO.249). Statt der
Rechentafeln kann uns auch ein Taschenrechner (oder Computer) zur Lösung untenstehender
Formeln (nach dem Semiversusverfahren) helfen. Ein Sextant und eine sekundengenaue Uhr sind
unentbehrlich! Für Interessierte gibt es eine Einführung in die Astronomische Navigation an Bord.
Höhenwinkel =
arcsin(sin(Dec)*sin(Rechenbreite)+cos(Dec)*cos(Rechenbreite)*cos(Ortsstundenwinkel))
Z=
arccos(sin(Dec)-sin(Rechenbreite)*sin(Höhenwinkel))/(cos(Rechenbreite)*cos(Höhenwinkel))
Azimut = Z beziehungsweise 360-Z
Einfach kann Rudergehen nach Sternen bei Dunkelheit sein: Statt daß wir, wie tagsüber, uns an
einer Landmarke vor den Wanten oder über einer Relingsstütze orientieren, brauchen wir lediglich
darauf zu achten, daß wir den Nordstern stets über der gleichen Stelle unseres Bootes sehen. Im
Prinzip funktioniert das mit jedem anderen Stern auch, wenn wir dessen relative Bewegung
berücksichtigen. Voraussetzung ist lediglich eine sternklare Nacht. Dem Autor hat diese Methode
nach Ausfall der Beleuchtung des Steuerkompasses schon sehr geholfen.
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Abbildung 80: Den Nordstern finden wir am Deichselende des kleinen Wagens im Sternbild Kleiner Bär.
Kannst du die Bande des Siebengestirns zusammenbinden oder den Gürtel des Orion
auflösen? Kannst du die Sterne des Tierkreises aufgehen lassen zur rechten Zeit oder die Bärin samt
ihren Jungen heraufführen? Weißt du des Himmels Ordnungen, oder bestimmst du seine Herrschaft
über die Erde? (Buch Hiob, aus dem Kapitel 38)
7.3.10
Koppeln
Koppeln ist genau genommen ein Zeichenverfahren. Koppelnavigation ist anhaltendes Versegeln
(7.3.7) eines bekannten Standortes und mitzeichnen in der Seekarte. Zum Ausgangsstandort muß
auch der Kurs bekannt sein. Der kann aus dem rechtweisenden Kurs und der Berücksichtigung
diverser Beschickungen (Beschickung durch Wind und Strom) ermittelt werden. Weiters muß die
Geschwindigkeit des Bootes bekannt sein. Die Logge sollte unsere Geschwindigkeit durchs Wasser
angeben. Ob sie das tut, kann leicht mit einer Stoppuhr und etwas biologischem Abfall, mittels der
sogenannten Relingslogge, überprüft werden (mehr dazu an Bord). Koppeln ist die einzige
Möglichkeit des Navigators den Standort des Schiffes bei Sichtbehinderung und unzuverlässigen
funknavigatorischen Verfahren (Ausfall des GPS). anzugeben. Gar nicht so unwahrscheinlich,
beispielsweise in einem Gewitterregen.
7.4
Kompaß
Dem wohl zweitwichtigsten Instrument (nach dem Verklicker, Abbildung 82) an Bord einer Yacht, sei
hier ein eigenes Kapitel gewidmet, genauer gesagt, den häufigsten Fehlerquellen der
Kompaßanzeige und deren Berücksichtigung.
7.4.1
Ablenkung (Deviation)
Daß Eisen eine Kompaßnadel ablenkt, dürfte bekannt sein. Bei Booten aus Eisen (Stahlboote) ist das
ein durchaus ernstes Problem. Meist werden wir jedoch auf Booten mit GFK-Rumpf sein
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(Glasfaserverstärkter Kunststoff). Auf solchen Booten, auch auf Holzbooten, ist die Ablenkung
durch das Magnetfeld des Bootes meist sehr gering. Bloß vernachlässigen dürfen wir die
Ablenkung nicht, und wir müssen uns von deren Größe überzeugen. Ein paar hundert Kilogramm
Eisen führen wir auch auf Kunststoffbooten mit, den Motor, mehrere Anker samt Kette und eine
Ankerwinde, … . Beliebt ist auch die Unart von Lautsprecherboxen im Cockpit, vor allem auf
Charterbooten. Die starken Permanentmagnete dieser Lautsprecher beeinflussen ebenfalls den
Kompaß. Der Autor konnte schon über 10 Grad Ablenkung auf kleinen GFK-Booten feststellen!
Unangenehm ist auch der Umstand, daß auf verschiedenen Kursen die Ablenkung des Kompasses
unterschiedlich stark ist und auch in unterschiedlicher Richtung (Ost oder West) sein kann. Weiters
unangenehm auch, daß sich die Ablenkung mit der Magnetisierung des Schiffes ändert und die
ändert sich über die Saison oder über die Zeit des Winterlagers! Daher: Kontrolle der Ablenkung,
zumindest stichprobenartig, am Anfang des Törns, auf alle Fälle jedoch vor Etappen ohne
Landsicht! Kontrollieren oder feststellen läßt sich die Ablenkung einfach durch Vergleiche mit
rechtweisenden Peilungen, beispielsweise Deckspeilungen (7.3.3) und mit Hilfe einer Peilscheibe
(7.3.4.1). Auch die exakte Richtung zur Sonne durch den Vergleich der Richtung eines Schattens auf
einer Peilscheibe mit dem Azimut (7.3.9) ermöglichen elegante Ablenkungskontrollen. Zur
astronomischen Kompaßkontrolle eignet sich gut die Sonne. Zum Zeitpunkt des „wahren“ Aufoder Unterganges wirft sie lange Schatten und ist leicht zu peilen. Der Azimut (genauer:
Azimutwinkel) zum Sonnenaufgang beziehungsweise Sonnenuntergang kann wie folgt errechnet
werden.
Sonnenaufgang:
Azimut = arccos(sin(Dec)/cos(Koppelbreite))
Sonnenuntergang: Azimut = 360-(arccos(sin(Dec)/cos(Koppelbreite)))
Ohne rechnen und zu beliebiger Zeit, vorzugsweise in den Vormittags- und Nachmittagsstunden,
geht es mit Hilfe des Astronomischen Jahrbuches und der Rechentafeln (PUB.NO.249). Mehr dazu in
der Praxis an Bord.
7.4.2
Mißweisung (Variation)
Die Nordrichtung des Magnetfeldes stimmt nur in bestimmten Gebieten mit der geographischen
Nordrichtung überein. Dies liegt einerseits daran, daß der magnetische Nordpol nicht mit dem
geographischen übereinstimmt, andererseits daran, daß Landmassen und deren Eisengehalt das
Magnetfeld der Erde verzerren. Zu allem Überfluß wandert der magnetische Nordpol, sodaß sich die
Mißweisung in einem Segelrevier alle paar Jahre um ein Grad erhöht oder verringert. In der Adria
beträgt die Mißweisung derzeit etwa 2° Ost, wird auf den kurzen Strecken zwischen den Inseln häufig
ungestraft vernachlässigt. Im Ägäischen Meer sind es derzeit 3° Ost, auf den dort üblichen längeren
Strecken schon deutlich zu merken: Vergessen wir derzeit im Ägäischen Meer die Mißweisung, liegen
wir pro zurückgelegter Seemeile bereits 97m neben der Kurslinie! In anderen Seegebieten,
beispielsweise im Atlantik, kann die Mißweisung durchaus 10° bis 20° betragen (bei den Azoren sind
es derzeit 14° West)! Segeln wir Etappen ohne Landsicht, läßt uns die Vernachlässigung einer
solchen Mißweisung am angesteuerten Ziel vorbeisegeln! Wie groß kann die Mißweisung maximal
werden? 180°! Wo hat die Mißweisung diesen maximalen Wert? Zwischen magnetischem Nordpol
und geographischem Nordpol, etwa im Norden von Kanada. Dort kommen auch noch
Deklinationsprobleme durch den Vertikalwinkel der Magnetlinien hinzu. Dies ist zum Glück ein von
uns selten besuchtes Revier. Woher erhalten wir Informationen über die aktuelle Mißweisung? Aus
der Seekarte.
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Abbildung 81: Isogonen verbinden Punkte gleicher Mißweisung. Isogonenkarte, Quelle: Internet.
7.4.3
Kursberechnung
Ein Beispiel:
Magnetkurs
Ablenkung
mißweisender Kurs
Mißweisung
Rechtweisender Kurs
Beschickung durch Wind
Kurs durch’s Wasser
Beschickung durch Strom
Kurs über Grund
120
4+
124
3+
127
5+
132
6+
138
was der Steuerkompaß zeigt
ermittelt durch Ablenkungskontrolle, kursabhängig
aus der Seekarte
Kielrichtung
Abdrift durch Wind, geschätzt
Abdrift durch Strom, aus Stromdreieck, häufig geschätzt
in der Seekarte eingezeichneter Kurs
In diesem durchaus realistischen Beispiel fahren wir einen um 18° anderen Kurs, als der
Rudergänger steuert! Mehr zu diesem Thema bei Interesse und auf Wunsch an Bord.
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Abbildung 82: Verklicker im Masttop, das wichtigste Hilfsmittel für den Rudergänger.
“Navigare necesse est, vivere non est necesse!” (Pompeius, 106-48 v.Ch.). “Seefahrt ist
notwendig, leben ist nicht notwendig!”
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