Pumpen für extreme Anforderungen

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Pumpen für extreme Anforderungen
Extreme
Pumpen für extreme
Anforderungen
Heutige Abwässer stellen aufgrund
ihres hohen Feststoffgehalts eine
Herausforderung für Pumpen dar. Um
deren Verstopfen zu verhindern, müssen Pumpen speziell konzipiert sein.
Fortschritte in der Laufradtechnologie
haben die Entwicklung von Abwasserpumpen mit einer hohen Verstopfungsresistenz auch bei faserigem Feststoffgehalt ermöglicht. Mit der neuen
XFP-Reihe bietet Sulzer eine vollständige Produktlinie zum zuverlässigen Pumpen von Abwasser an.
Die Beseitigung und Reinigung von Abwasser in modernen urbanen Infrastrukturen stellt eine immer grössere Herausforderung dar. Der Grossteil des kommunalen Abwassers muss mithilfe von Pumpen transportiert werden, wozu meist elektromotorgetriebe
Tauchpumpen eingesetzt werden.
Die aktuellen Entwicklungen und Regelungen zur Wassereinsparung reduzieren den Pro-Kopf-Wasserverbrauch in den meisten EU-Ländern, was einen erhöhten Anteil von mitgeführten Feststoffen zur Folge
hat. Damit wird der Gehalt an Fest- und Faserstoffen
im Abwasser zunehmend zum Problem. Die Instandhaltungskosten von Abwassersystemen steigen, und
verstopfte Rohre führen zu Unzufriedenheit und sogar
rechtlichen Forderungen seitens der Kunden. So verklagten Einwohner des New Yorker Stadtteils Brooklyn
einen bekannten Hersteller von Hygieneprodukten
wegen ihrer verstopften Leitungen und Siebe vor
Kurzem auf USD 5 Millionen Schadenersatz.
Die Ingenieure für Abwasserlösungen versuchen stets,
diesen Trends einen Schritt voraus zu sein, und
arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung des hydraulischen Designs ihrer Pumpen. Grundlage hierfür ist
ein solides Wissens über das Pumpen von
Abwässern.
Entwicklung einer neuen Laufradtechnologie
Die Grundlagen dieser Entwicklungen reichen zurück
bis in die 1960er Jahre, als Pumpenkonstrukteure bei
Sulzer/ABS den Vorteil des Einkanal-Laufrads zum
Pumpen von Wasser mit Faserstoffen nutzten. Es
folgte die Einführung mehrerer patentierter Neuerungen. Die bedeutendste war das ContrablockTM-System
mit einer verstellbaren Spiralbodenplatte und einem
offenen Einkanal-Laufrad (siehe Infobox). Der entscheidende Vorteil des Systems bestand darin, dass es die
Ansammlung von Fest- oder Faserstoffen im hinteren
Drosselspalt verhinderte, was die Verstopfungsgefahr
erheblich reduzierte.
Seit fünf Jahrzehnten ist diese Technologie einer der
Eckpfeiler des Erfolgs von Sulzer/ABS auf dem kommunalen Abwassermarkt. In diesem Zeitraum hat sich
das Einkanal-Laufrad hinsichtlich Leistungsfähigkeit,
Zuverlässigkeit, Herstellbarkeit und Einsatzbereich
weiterentwickelt.
Die Sulzer-Abwasserpumpe vom Typ ABS XFP war die erste Pumpe mit
einem Tauchmotor, der die Norm Premium-Efficiency IE3 erfüllte.
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Extreme
Frühe Designs basierten auf einfachen Geometrien, die
in 2-D gezeichnet und von Modellschreinern nachgebaut wurden, um die Herstellung von Gussstücken mit
wiederholbarer Qualität zu ermöglichen. Obwohl diese
frühen Versionen zuverlässig und robust waren, boten
sie im Vergleich zu Mehrkanal-Laufrädern nur einen
geringen hydraulischen Wirkungsgrad. Die typischen
maximalen hydraulischen Wirkungsgrade, die erreicht
wurden, lagen bei 50 bis 55%.
In den 1970er und 1980er Jahren, nach der ersten
weltweiten Energiekrise, beschloss man, das Design
des Einkanal-Laufrads zu überarbeiten, um den hydraulischen Wirkungsgrad zu verbessern. Gleichzeitig
sollte der bereits etablierte Ruf einer hohen Zuverlässigkeit bei der Handhabung von Feststoffen erhalten
bleiben. Hierzu wurden umfangreiche Versuche mit
handgefertigten Prototypen durchgeführt. Dank der
kombinierten Fähigkeiten von Hydraulik-Spezialisten
und Modellschreinern wurde eine Serie von verbesserten Laufrädern für den Leistungsbereich von 1,5 kW
bis 7 kW entwickelt. Trotz der guten Ergebnisse mit hydraulischen Wirkungsgraden von 60 bis 70% war die
Optimierung aufgrund der aufwändigen Prototyperstellung begrenzt. Ausserdem stellten die komplexen dreidimensionalen Formen eine grosse Herausforderung
beim Giessen und Einspannen der Laufräder zur Weiterbearbeitung dar. Besonders schwierig war es, ein
annehmbares Mass an Unwucht im asymmetrischen
Gussteil zu erreichen, um ein dynamisches Auswuchten des endbearbeiteten Laufrads zu ermöglichen.
Doch alle diese Herausforderungen wurden bewältigt.
Die Serienfertigung in grossen Stückzahlen lief bis zum
Jahr 2010, als die aktuelle XFP-Reihe die alte AFPReihe ersetzte.
Fortschritte bei den Konstruktionsverfahren
Mit der Einführung und Verbreitung der 3-D-Modellierung Ende der 1990er Jahre konnte der Leistungsbereich des Contrablock-Einkanal-Designs auf 22 kW in
einer DN200-Pumpe erweitert werden. Es wurden
neue Verfahren zur dynamischen Auswuchtung mithilfe des CAD-Modells entwickelt, wobei sich der Zeitbedarf für neue Designs bis zur Produktionsfreigabe
drastisch verkürzte.
In den nächsten zehn Jahren (1998–2008) folgte eine
intensive Zusammenarbeit mit Hochschulen, mit dem
Ziel, das Verhalten von Einkanal-Laufrädern hinsichtlich
ihres Wirkungsgrads und der Verstopfungsresistenz
noch besser zu verstehen. Dabei wurden mehrere
PhD-Forschungsprojekte zur Erfassung, Kodifizierung
und Verbesserung von Konstruktionsverfahren
durchgeführt. Erstmalig wurden CFD-Simulationen
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ContrablockTM-Laufradsystem
Einkanal-Laufräder haben nur einen grossen
Durchgang für die gepumpte Flüssigkeit. Beim
Sulzer-Contrablock-System können Objekte
mit einer Grösse von mindestens 75 mm das
Laufrad frei passieren.
Doch nicht nur die Grösse der Feststoffe muss
berücksichtigt werden. Auch ihre Form und
das Material sind für das Design der Pumpe
von Bedeutung. Heutige Abwässer enthalten
zunehmend lange Faserstoffe wie synthetische
Gewebe von Taschen-, Wisch- und Geschirrtüchern, wie sie im Haushalt verwendet
werden. Solches Material verfängt sich leicht
und sammelt sich an der Laufradvorderkante
an. Darum entwickelte Sulzer ein Laufrad mit
einer speziell profilierten Kante, deren Dicke
über die Länge zunimmt. Dies lässt Faserstoffe
an der Kante entlang nach unten wandern, so
dass sie von der Flüssigkeit wieder mitgerissen
werden und das Laufrad verlassen, ohne es zu
verstopfen.
Die Contrablock-Plus-Reihe umfasst heute
Ein- und Mehrkanal-Modelle. Damit steht ihre
einzigartige Verstopfungsresistenz nun für
Pumpen von 1,3 kW (1,8 PS)/DN80 (3”) bis
400 kW (536 HP)/DN400 (16”) zur Verfügung.
Extreme
eingesetzt, um das Strömungsverhalten in EinkanalLaufrädern zu analysieren. Dies führte zu bedeutenden
Fortschritten im Verständnis von Pulsations-, Geschwindigkeits- und Druckverteilungen.
Auch Verfahren zur Messung und zum Vergleich der
Verstopfungsresistenz von Abwasserpumpen wurden
in dieser Zeit entwickelt. Bisherige Prüfmethoden, die
zu Marketing- und Kundendemonstrationszwecken
eingesetzt wurden, waren für die Verbesserung des
Designs nur wenig nützlich. Mittlerweile können alle
Arten von Abwasserpumpen nach einem «Verstopfungsindex» beurteilt werden. Dieser Index basiert auf
einer statistischen Analyse der Ergebnisse einer wiederholten Prüfung (bestanden/nicht bestanden), die
auf einem speziellen Prüfstand durchgeführt wird.
Neue Methoden zur Beobachtung und Analyse der
«Die neue Kantengeometrie unseres Laufrades
ist eine wesentliche
Verbesserung.»
Ben Breen, Pumps Equipment
Die Abwassertauchpumpe XFP hat ein verstopfungsresistentes Laufrad und bietet eine der höchsten
hydraulischen Wirkungsgrade auf dem Markt.
www.sulzer.com/XFP-pump
Verstopfungsvorgänge im Inneren der Pumpe wurden
mithilfe digitaler Hochgeschwindigkeits-Videoaufnahmen entwickelt. Dank dieser Verfahren gelang es den
Ingenieuren von Sulzer, die Geometrien von Laufrad
und Bodenplatte zu optimieren. Um eine kontinuierliche Fortsetzung der Aktivitäten zu gewährleisten, war
eine schnelle Prototypentwicklung für Laufräder und
hydraulische Komponenten unverzichtbar. Mithilfe spezieller fünfachsiger CNC-Hochgeschwindigkeits-Fräsmaschinen können nun binnen 24 Stunden funktionsfähige Laufrad-Prototypen von 3-D-CAD-Modellen
gefertigt werden.
Verbesserung des hydraulischen Wirkungsgrads
Das Wissen und die Werkzeuge, die in dieser Zeit der
Forschung entwickelt wurden, ermöglichten eine entscheidende Weiterentwicklung der Hydraulik der AFPAbwasserpumpe. Gleichzeitig veranlassten neue Effizienzvorschriften die Elektromotorindustrie dazu, die
Wirkungsgrade ihrer Motoren zu verbessern, und
schon bald standen wirtschaftliche Motoren der Premium-Klasse (IE3) zur Verfügung. Die Kombination dieser
beiden Schlüsseltechnologien hat zu einer vollständigen Neukonstruktion der AFP-Abwasserpumpen geführt. Mit dem Ziel, über alle Pumpengrössen hinweg
einen besseren Wirkungsgrad und eine bessere Verstopfungsresistenz zu bieten als der Marktführer, wurde die neue XFP-Serie im Jahr 2009 eingeführt. Im Jahr
2011 wurde die Palette von PE1 bis PE6 (1,5 – 350 kW)
komplettiert.
Auch nach den bedeutenden Verbesserungen hinsichtlich des hydraulischen Wirkungsgrads und der Verstopfungsresistenz, die dank neuer Konstruktionswerkzeuge und -verfahren erzielt wurden, bleiben noch
Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Schwerpunkt in
den kommenden zehn Jahren wird die Maximierung
des hydraulischen Wirkungsgrads des Einkanal-Laufrads mithilfe fortschrittlicher Optimierungswerkzeuge
wie modeFRONTIER® sein. Dabei werden auch innovative CFD-Werkzeuge zur Simulation des Verhaltens
von Flüssigkeiten mit Feststoff- oder Faserstoffgehalt
eine wichtige Rolle spielen. Die Notwendigkeit für den
Bau von Prototypen wird deutlich reduziert, wobei aber
sämtliche Designs durch Laborversuche und Praxistests zu verifizieren sind. Das Ziel sind optimale Laufradmerkmale, die die Ansammlung von Faserstoffen
und ein Verstopfen der Pumpen verhindern. Erste bedeutende Upgrades der XFP-Abwasserpumpen sind
bis Anfang 2020 zu erwarten.
Kontakt: Ben Breen
[email protected]
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