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29.08.2012
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WirtschaftsWoche.de
Aktienhandel
Wie Privatanleger ausgetrickst werden
von Annina Reimann
Nicht der smarteste Investor, sondern die schnellste Maschine gewinnt: Wie Hochleistungsrechner gegeneinander
kämpfen und Privatanleger austricksen.
Welteroberer. Da-Vinci-Chef Klein (rechts) und sein Partner Kaiblinger verdienen
Geld in Millisekunden
In zwölf Sekunden kommen die neuen Arbeitsmarktdaten. Hendrik Klein legt seine Hand auf die Computermaus. „Mach
schnell!“, ruft sein österreichischer Partner, der hinter Kleins Stuhl herumzappelt. Mit einem Klick schaltet Klein die Leitung des
Handelsprogramms für maschinenlesbare Nachrichten frei. Um 14.30 Uhr, keine Millisekunde später, veröffentlichen die USA
die Zahl der neu geschaffenen Jobs: 163.000 sind es, 53.000 mehr als von Volkswirten erwartet.
Aus dem Lautsprecher des Rechners tönt Applaus, wie immer, wenn Kleins computergesteuertes Programm selbstständig an
der Börse handelt. Und bei der Nachricht legt die Maschine richtig los. Sie wettet blitzschnell auf einen steigenden Deutschen
Aktienindex (Dax): Wenn mehr Amerikaner einen Job haben, läuft die US-Wirtschaft besser als erwartet, davon dürfte
Deutschland profitieren.
25 Euro pro Punkt
Die Rechnung geht auf: In der ersten Sekunde schießt der Kurs des Dax-Futures
an der Terminbörse Eurex um über 20 Punkte nach oben (Chart rechts). Jeder
Punkt ist 25 Euro wert. Wer in einer Sekunde 20 Punkte mitnehmen kann, macht
pro Future 500 Euro Gewinn. Mit 100 Kontrakten vervielfacht sich das Plus auf
50.000 Euro.
Jede Millisekunde zählt. Die Reaktion des DaxFutures auf die amerikanischen
Arbietsmarktzahlen. Zum Vergrößern auf das
Bild klicken
Nach wenigen Sekunden ist erneut Beifall zu hören. Der Börsentrend dreht, der
Computer nimmt Gewinne mit. Zwei Minuten später läuft die Nachricht über den
TV-Schirm im Büro des Investmenthauses Da Vinci im schweizerischen Dietikon.
Klein und Partner Goran Kaiblinger haben da längst wieder Bares auf dem Konto.
Der ehemalige Bankhändler Klein und der promovierte Physiker Kaiblinger gehören
zur Generation der ausgebufften Hochfrequenzhändler. Automatisch feuern ihre
Computer dank programmierter Handlungsanweisungen (Algorithmen) in
Bruchteilen von Sekunden Kauf- und Verkaufsaufträge an die Börsen. Leute wie sie haben den Börsenhandel revolutioniert:
Heute sei „die Länge der Kabelverbindung zum Börsenserver für den Erfolg eines Investors oft entscheidender als seine
Fähigkeit in der Unternehmensbewertung“, sagt Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel, der die Ressorts
Informationstechnologie und Märkte verantwortet.
Früher kaufen als alle anderen
Die Da-Vinci-Händler handeln auf Nachrichten: Vor Veröffentlichung wichtiger volkswirtschaftlicher Daten legen sie fest, wie ihr
System reagieren soll, wenn die Daten besser oder schlechter als zuvor von Volkswirten und Börsianern erwartet ausfallen. Je
größer die Überraschung, desto mehr Gewinn ist drin. Entscheidend ist, die Reaktion des Marktes richtig vorwegzunehmen –
und früher zu kaufen als andere.
Die Chancen, dass der Deutsche Klein das schafft, stehen gut: Da Vinci haben ihren Computer im Frankfurter Rechenzentrum
des Anbieters Equinix eingemietet, ganz nah an den Hauptrechnern der Deutschen Börse und ihrer Tochter Eurex. Kommt eine
Nachricht an, braucht der Da-Vinci-Code nur 1,5 Millisekunden, um eine Order zu generieren, sie an die Börse zu schicken und
von dort das Okay zu empfangen.
Eine Millisekunde, das ist eine Tausendstel Sekunde.
Nicht jede Spielart ist legal
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Diese Aktien haben die Superinvestoren im Depot
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Warren Buffett, Chef v on Berkshire Hathaway , Orakel v on Omaha, Inv estmentguru Nummer
1
Warren Buf f ett ist der drittreichste Mann der Welt. Sein Vermögen wird auf rund 50 Milliarden
Dollar geschätzt. Das Erf olgsrezept des US-Inv estors: Buf f ett inv estiert in Unternehmen, die
er f ür unterbewertet hält. Und er kauf t nur, was er auch v ersteht. Selbstbewusstsein, Talent
und Gespür kommen hinzu. Zuletzt hat er seinen Anteil an IBM und Wells Fargo auf gestockt.
Top-Aktien im Portfolio von Warren Buffett
1. Coca-Cola: Buf f et hält rund 200 Millionen Aktien, was einem Anteil v on 21,2 Prozent in
seinem Portf olio entspricht.
2. IBM
Anzahl der Aktien: 63,9 Millionen
Anteil im Portf olio: 17,8 Prozent
3. Wells Fargo & Co
Anzahl der Aktien: 383 Millionen
Anteil im Portf olio: 16 Prozent
4. American Express
Anzahl der Aktien: 151 Millionen
Anteil im Portf olio: 10,8 Prozent
5. Procter & Gamble
Anzahl der Aktien: 77 Millionen
Anteil im Portf olio: 7,7 Prozent
Quelle: SEC, stockpickr.com; Stand: 14.02.2012
Der Handel in Reaktion auf Nachrichten ist eine neue Spielart des Hochfrequenzhandels, bei dem in zunehmendem Ausmaß
hochgezüchtete Computer nach festen Algorithmen gegeneinander handeln. Rund 40 Prozent des Handelsumsatzes der
Deutschen Börse hängen Schätzungen zufolge von algorithmischen Strategien ab. Längst nicht jede Spielart ist dabei legal
(siehe Kasten untern). Anleger werden zunehmend von intelligenten Algorithmen ausgebootet. Viele Hochfrequenzhändler etwa
stellen ihre Computer nicht deshalb so nah an den Hauptrechner der Börse, um schneller handeln, sondern um Aufträge
blitzschnell stornieren zu können.
Die Nähe zum Börsenrechner zählt
In den USA etwa schoss nach Informationen der Aufsicht kürzlich binnen Sekunden ein Hochgeschwindigkeitshändler mehr als
47 000 Kaufaufträge für die US-Aktie PSS World Medical in die Börsensysteme. Ein Rekord. Ziel des Traders könnte
Folgendes gewesen sein: Da sich Kurse nach Angebot und Nachfrage richten, könnte der Preis der Aktie steigen. Und zwar
dann, wenn andere Hochleistungsrechner, deren Algorithmen darauf programmiert sind, hohe Nachfrage zu identifizieren,
tatsächlich kaufen. Der Algo-Trader aber, der den ersten Massenauftrag ins System geschossen hat, storniert dann seinen
Spam-Auftrag blitzschnell wieder, nachdem er den Kurs in die gewünschte Richtung getrieben hat. Weil seine Computer nah
genug am Börsenrechner stehen, bekommt er das hin – und kann eigene Aktien zu höheren Kursen verkaufen.
Die Strategien der Blitz-Trader
Alles anzeigen
News-Reader
Arbitrage (Kursunterschiede nutzen)
Pinging (Anklopfen)
Sniping (Aus dem Hinterhalt schießen)
Scalping (Abschneiden)
Quote Stuffing (Leitungen verstopfen)
Spoofing bzw. Layering (Täuschen)
Wash Trades (Mit sich selber handeln)
Frontrunning (Vordrängeln)
Das Platzieren von Handelscomputern in Börsen-Rechenzentren, im Fachjargon Co-Location genannt, hebelt das Prinzip
Börse, das auf Gleichberechtigung der Handelsteilnehmer zielt, aus. „Wenn sich Käufer und Verkäufer auf einen Preis und eine
Stückzahl einigen und die Hände zum Abschluss ausstrecken, hat dann oft nur einer der beiden die Möglichkeit, die Hand noch
zurückzuziehen“, sagt der ehemalige Börsenvorstand und Ex-Eurex-Chef Rudolf Ferscha und fordert, Börsenregeln zu
verschärfen. Und auch für Bundesbanker Nagel stellt sich die Frage, ob „das technologische Wettrüsten am Kapitalmarkt
gesamtwirtschaftlich wirklich sinnvoll ist“.
Besonders spannend wird es immer, wenn Algorithmen gegeneinander antreten. Viele Händler schicken ihre Maschinen
permanent auf die Suche nach großen Börsen-Orders anderer Trader, zum Beispiel jene von Pensionskassen. Sie nennen das
Orderbuch-Scalping oder, wie es einer übersetzt: „Kopfhaut abschnibbeln“.
Trefferquote von 67 Prozent
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Es sei der Versuch, sich von einer großen Order ein kleines Stückchen abzuschneiden. Seine Algorithmen finden 30 bis 50
Mal am Tag einen Großauftrag und versuchen, anderen Börsianern blitzschnell Papiere vor der Nase wegzuschnappen. Steigt
der Kurs dank der hohen Nachfrage, werden die Papiere im Schnitt zehn Sekunden später einen Tick teurer wieder verkauft.
„Die Trefferquote liegt bei über 67 Prozent“, schwärmt der Händler. Pro Trade setzt er mit der Strategie 100 Millionen Euro an
der Börse um – macht im Monat schnell 60 Milliarden.
Schnelligkeit der Rechner ist deshalb so wichtig, weil Börsensysteme hauptsächlich nach der Preis-Zeit-Priorität funktionieren:
Das Deutsche-Börse-Handelssystem Xetra überprüft als Erstes die Preislimits der Orders. Vorrang haben solche mit besseren
Preisen. Kommen zwei Orders mit dem gleichen Preis kurz nacheinander rein, wird die erste zuerst ausgeführt.
Privatanleger haben das Nachsehen
Die größten Börsengänge weltweit
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Die Rettung der Fluggesellschaf t Japan Airlines (JAL) dürf te sich f ür die japanische Regierung
auszahlen. Beim Comeback an der Börse will JAL sieben Milliarden Euro einsammeln. Es wäre
der weltweit zweitgrößte IPO in diesem Jahr nach Facebook. Die Auf sicht gab grünes Licht f ür
eine Wiederauf nahme der Fluglinie an der Tokioter Börse am 19. September. Ein japanischer
Staatsf onds hatte dem Unternehmen nach der Insolv enz 2010 mit rund 3,5 Milliarden Euro
unter die Arme gegrif f en und im Gegenzug Anteile übernommen. Diese wären bei dem v on JAL
nun v eranschlagten Preis je Aktie v on 3790 Y en rund sieben Milliarden Euro und damit doppelt
so v iel wert. Der Fonds hat bereits angekündigt, die gesamte Beteiligung bei dem Börsengang
v erkauf en zu wollen.
Von den Top Ten der größten IPOs aller Zeiten ist der Konzern damit allerdings noch weit
entf ernt, wie die f olgenden Bilder zeigen:
Bild: REUTERS
Hochfrequenz-Algorithmen kennen die Regeln und können sich durch blitzschnelles Aktualisieren der eigenen Preise ständig in
der Börsen-Schlange vordrängen. Die Orders der Privatanleger rutschen nach hinten, sie müssen teurer kaufen und billiger
verkaufen. „Für Hochfrequenzhändler sind die Orders von Privatanlegern besonders interessant, denn diese Anleger sind
entweder nicht so gut informiert, oder es ist ihnen gleichgültig, wenn ein paar Cent verloren gehen“, sagt Christopher Boschan,
Geschäftsführer der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse in Stuttgart.
Besonders benachteiligt sieht Bundesbanker Nagel Anteilseigner von Aktienfonds. Anleger könnten „finanzielle Einbußen
erleiden“, weil Fonds durch Hochfrequenzhändler Nachteile hätten – etwa dann, wenn diese teurer kaufen, weil Algorithmen ihre
Orders entdeckt und vor ihnen gekauft haben.
Wertverluste ohne Grund
Auch Privatanleger, die Aktien mit automatischen Stop-Loss-Marken absichern, bei deren Durchbrechen die Bank automatisch
verkauft, leben zunehmend gefährlicher. Das Risiko nimmt zu, dass ein Anleger bei einem kurzen, heftigen Einbruch zu billig
verkauft und bei der folgenden Kurserholung nicht mehr investiert ist.
So berichtete Bundesbanker Nagel kürzlich vom Phänomen der „Mini-Flash-Crashes“. Einzelne Papiere würden dabei „ohne
fundamentale Begründung innerhalb von Sekunden 20, 40 oder gar mehr als 50 Prozent ihres Wertes verlieren, nur um sich
kurze Zeit später wieder zu erholen“. Laut US-Aufsicht SEC sei es in den USA seit Mitte 2010 zu mehr als 100 unerklärlichen
Abstürzen gekommen. Als Ursache stünden Hochfrequenz-Algorithmen unter Verdacht. „Aber auch in Deutschland gibt es
Fälle von plötzlichen heftigen Kursschwankungen, die ohne offensichtliche fundamentale Gründe erfolgen“, sagt Nagel.
In der Schweiz applaudiert das automatisierte Handelssystem jetzt ausnahmsweise mal nicht – dafür läutet eine Alarmsirene
am Computer, dessen acht Bildschirme einer von Da Vincis Mitarbeitern überwacht. Hobby-Leichtathlet Klein schiebt seine
Kaffeetasse mit der Deutschland-Flagge zur Seite und sprintet aus dem Nebenraum los. Nicht immer läuft bei frisch
programmierten Algorithmen alles rund, ab und an muss Klein persönlich eingreifen und den „Stop-Button“ drücken. So kann er
mit einem Klick alle Papiere auf einmal verkaufen und in unklaren Börsenlagen Risiko reduzieren. „Trading ohne Verluste gibt
es nicht, manchmal verdrückt sich zum Beispiel jemand anders und dann schießen die Kurse plötzlich in eine unerwartete
Richtung“, sagt Klein.
Geschwindigkeit ist nicht immer besser
In den USA löste Anfang August ein fehlerhaft programmierter Rechner ein Chaos an der Börse aus. Maschinen des US-Aktienund Hochfrequenzhändlers Knight Capital machten sich selbstständig, eine neue Handelssoftware überflutete die New Yorker
Börse mit Kaufaufträgen. Betroffen waren Aktien von über 100 Unternehmen, manche Kurse verdoppelten sich. Erst nach 45
Minuten wurde die Ursache entdeckt, sodass Mitarbeiter die Maschinen stoppen konnten. Knight musste die Aktien mit Verlust
losschlagen – vor Steuern 440 Millionen Dollar – und konnte nur dank einer 400-Millionen-Kapitalspritze einer Investorengruppe
am Leben gehalten werden. Nyse-Euronext-Chef Duncan Niederauer sah die Fast-Pleite als Aufruf zum Handeln: „Jetzt
verstehen wir, dass Geschwindigkeit nicht immer besser ist.“
Algorithmus sollte IPO stören
Kuriose Börsenpannen
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Vertippt und verkauft
100 Millionen für Verdreher
Milliarden statt Millionen
Hochfrequenzhandel als Fallbeil der Börse
Fünf-Minuten-Chaos bei der Citigroup
Börsenplattform BATS plattgemacht
Das Facebook-Desaster
Kaum mehr Glück als Knight hatte die US-Handelsplattform Bats Ende März. Ihr Börsengang (IPO) auf dem eigenen System
ging als kürzester IPO in die Geschichte ein, nachdem der Aktienkurs binnen 900 Millisekunden von gut 15 Dollar auf unter 30
Cent gefallen war. Die Plattform musste den Börsengang rückgängig machen.
Seitdem machen Gerüchte die Runde, dass es sich bei der Panne nicht bloß um einen Programmierfehler handelte, wie Bats
sagt. Eine genaue Betrachtung der Handelsdaten zeige einen anderen Sachverhalt, sagte Bundesbanker Nagel Anfang Juli in
einer Rede. Bei Bats liege „der Schluss nahe, dass es ein speziell zum Zwecke der IPO-Störung eingesetzter Algorithmus
gewesen sein könnte, der den Börsengang“ kollabieren ließ. Bats bestreitet dies, Beweise haben die Aufsichtsbehörden nicht.
Große Datenmengen verhindern Überwachung
Während die Händler weiter aufrüsten, kommen die Aufseher kaum hinterher. Allein über die Eurex etwa generieren Trader pro
Minute bis zu 300 000 Datensätze. Will die Aufsicht Missstände nachverfolgen, kann sie sich gleich einen Tieflader mit
Ausdrucken von Handelsdaten kommen lassen. So sieht die Finanzaufsicht BaFin vor allem „große Datenmengen“ als „eine der
aktuellen Herausforderungen bei der Überwachung von Marktmanipulation“.
Was Bikinis, Röcke und Krawatten über die Börse
verraten
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Das Cov er f ür 2012 des Sports Illustrated Swimsuit-Magazins ziert die reizende Amerikanerin
Kate Upton.
Bild: dapd
Bundesbanker Nagel gibt zu, dass es Regulierer „lange Zeit versäumt“ hätten, sich mit den Fortschritten der Branche zu
befassen: „Während Hochfrequenzhändler bereits die Schwelle vom Millisekunden- zum Mikrosekundenbereich unterschritten,
diskutierten Behörden und Kommissionen noch um eine juristische Definition.“ Im Prinzip galt der Flash Crash – der blitzartige
Absturz – in den USA im Mai 2010 als Startschuss für die Aufseher der Welt. Damals verlor der Leitindex Dow Jones binnen
Minuten fast 1000 Punkte. Ein Fonds warf binnen 20 Minuten Terminkontrakte im Wert von gigantischen 4,1 Milliarden Dollar
auf den Markt. Die Maschinen der Blitz-Trader entdeckten den großen Auftrag und dealten mit. Die SEC brauchte anschließend
Monate, um wenige Minuten Handelsdaten auszuwerten.
Börsen im extremen Fall stoppen
Viele Kurse, nichts dahinter. Die Kursanfragen
und w as tatsächlich gehandelt w ird. Zum
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Heute gelten Hochfrequenzhändler zwar nicht immer als Verursacher, zumindest
aber als Verstärker heftiger Schwankungen. So gibt es zum Beispiel Algorithmen,
die gezielt nach Papieren suchen, die stärker als normal steigen. Sie springen auf
den Trend auf, kaufen ebenfalls und bleiben so lange im Markt, bis der Kurs in die
andere Richtung dreht. In extremen Fällen stoppen die Börsen den Handel, um
menschlichen Börsianern ein paar Minuten Zeit zu geben, außer Rand und Band
gelaufene Maschinen zu zähmen. So hielt die Deutsche Börse am 3. August
insgesamt 313 Mal ihre Maschinen an, weil der Dax an einem Tag fast 260 Punkte
zulegte.
Die Bundesregierung stufte blitzschnelle Computer-Trader jetzt erstmals öffentlich
als Bedrohung ein, die es zu regulieren gilt. Sie hat einen Gesetzentwurf „zur
Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel“ veröffentlicht,
der am Mittwoch dieser Woche durchs Bundeskabinett soll.
Einige Praktiken sollen danach künftig als Marktmanipulation gelten. Bestraft werden sollen alle, die nicht die Absicht haben,
tatsächlich zu handeln, sondern ihre Aufträge nur einstellen, um Börsensysteme zu stören, zu verzögern oder andere Börsianer
zu täuschen.
BaFin will Offenlegung der Algorithmen
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Fünf für die Ewigkeit
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BASF
ISIN: DE000BASF111
Kurs: 56,15 Euro
Börsenwert: 52 Milliarden Euro
Bester Dax-Konzern, div idendenstark, solide gef ührt
Bild: dpa
Blitz-Händler sollen künftig von der BaFin kontrolliert werden. Geplant ist, dass die Trader auf ihre Anfrage Algorithmen
offenlegen müssen. Für Profis ist das in etwa so, als wenn man Coca-Cola zwingen wollte, die geheime Rezeptur der Brause
zu verraten. Da-Vinci-Chef Klein, der von der Schweizer Aufsicht Finma reguliert wird, offenbart nicht mal seinem Partner alles.
„Mein Bruder und ich sind die Einzigen, die alle Strategien kennen und wissen, wie die Maschinen programmiert sind“, sagt er.
2008 war Klein persönlich ins mit der Börse vernetzte Rechencenter gestapft – mit Mütze und Handschuhen, denn weil
Rechner heiß laufen, werden die Räume tiefgekühlt. „Ich wollte wissen, wie es funktioniert, und alles selber installieren“, sagt
Klein.
Dass die Behörde, selbst wenn sie sie bekommt, etwas mit den Algorithmen
anfangen kann, ist schwer vorstellbar. Ein Aufseher malte sich bereits aus, wie er
vor Hunderten Seiten voller komplizierter Formeln sitzt. „Die Hochfrequenzler holen
die klügsten Mathematiker und Physiker direkt von der Universität, was haben wir
denen schon entgegenzusetzen?“, fragt er.
Schnelles Geld. Die monatliche Rendite des
automatisch auf Nachrichten handelnden
Hedgefonds Da Vinci K² Tachyon Fund. Zum
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Die meisten Turbo-Händler, die in Frankfurt handeln, sitzen im Ausland – vor allem
in London und in der Schweiz. Da Vinci zum Beispiel handelt aus der Schweiz über
einen Broker in London an der Börse in Frankfurt. Eigentlich gilt in
Regulierungsfragen das Heimatlandprinzip: Die BaFin beaufsichtigt Trader aus
Deutschland, die Finma jene in der Schweiz, und die FSA ist für solche in London
zuständig.
Die Hüst kann nicht eingreifen
Der in Deutschland zugelassene Handelsteilnehmer ist der Londoner Broker, nicht die Schweizer Trader. Bei den Briten sieht
die Handelsüberwachungsstelle (Hüst) der Frankfurter Wertpapierbörse und der Eurex ins Handelsbuch. Dass ein Schweizer
Fonds dahintersteht, weiß sie nicht. Spielt ein Algorithmus verrückt, kann die Hüst ihn nicht einzeln stoppen. „Wir würden
daher gerne den Endkunden und jeden Algorithmus nummerieren, sodass wir fehlerhafte Algorithmen schnell abschalten
können“, sagt Michael Zollweg, Leiter der Hüst im Eschborner Hauptquartier der Deutschen Börse.
Damit die BaFin künftig Zugriff auf ausländische Trader hat, müssten diese nach der bisherigen Gesetzesplanung künftig eine
Zweigstelle in Deutschland eröffnen. Das aber dürften die wenigsten tun. „Bevor das Gesetz verabschiedet wird, wäre wohl noch
mal zu prüfen, ob der Ausschluss von Hochfrequenzhändlern, die nur vom Ausland operieren, beabsichtigt ist. Für Europa wäre
das sehr ungewöhnlich, denn man darf eigentlich Dienstleistungen in der Union überall gleichberechtigt erbringen“, sagt
Boschan von der Stuttgarter Börse.
Die Mitarbeiter der Hüst suchen längst nach von der Börse verbotenen Handelsstrategien – auch ohne neues Gesetz. Der
Handel auf Nachrichten gehört nicht dazu. Die Börse bietet Da Vinci über „AlphaFlash“ selber die Nachrichtendienste an.
Gegen Computer helfen nur Computer
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Wo das Geld jetzt sicher ist
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Bargeld
In Krisenzeiten ist es sinnv oll, das Portemonnaie v oll zu haben. Möglicherweise werden ecKarten zur Bezahlung nicht akzeptiert, und Geldautomaten spucken kein Geld mehr aus. Sehr
Vorsichtige horten das f ür v ier Wochen nötige Bargeld im heimischen Saf e. Nach einer
Bankpleite müssen die EU-weit v orgeschriebenen gesetzlichen Einlagensicherungstöpf e
einspringen. Sie sollen Guthaben v on Girokonten, Tagesgeldern und Sparbüchern bis zur Höhe
v on 100.000 Euro nach maximal 20 Arbeitstagen wieder bereitstellen. Diese Zeit ist zu
überbrücken.
Graue Flamme = Sicher bei Bankpleite, f ünf rote Flammen = hohes Risiko
Bild: Sebastian_Wolf
Von der Börse verboten wurden Techniken, bei denen ein Algorithmus Aufträge in das Handelssystem einstellt, die gar nicht
ausgeführt werden sollen. Beispiel: Bei einer Phantom-Order versucht ein Algorithmus, einen anderen zum Kaufen zu bewegen.
„Er hat analysiert, dass der immer loslegt, wenn etwa zwei Mal hintereinander eine Order über 1500 Aktien ins System gestellt
wird, um dem Markt vorzutäuschen, dass große Order vorliegen. Die großen Aufträge zieht er dann blitzschnell zurück, wenn er
seine auf der anderen Seite des Orderbuches eingestellte Order im Markt ausgeführt bekommen hat“, sagt Zollweg.
Seine Rechner surren leise, auf den Bildschirmen sind Zahlenkolonnen zu sehen. Davor sitzen in der Hüst IT-Spezialisten,
ehemalige Händler und Physiker. Sie sind die Börsenpolizei. Was Zollwegs Truppe treibt, ist mindestens so geheim wie die
Algorithmen der Trader. An der Pforte zur Hüst funktioniert nicht mal die Zugangskarte von Börsenchef Reto Francioni.
Faire Regeln nur über die Börse
Nur so viel verrät Zollweg: Gegen die Datenflut von Algorithmen helfen nur Computer. Mit 80 Warnprogrammen, die auf
bestimmte Handelsmuster anspringen, kämpfen die Mitarbeiter der Überwachung gegen unlautere Strategien.
Wenn sie fündig werden, gibt die Hüst Daten auch an die BaFin weiter. Die darf
heute schon bei Händlern Auskünfte einholen. Allein: Selbst wenn ein Aufseher
nach einiger Zeit die Adresse vom Händler in die Finger kriegt – Trader aus dem
Ausland antworten selten. Das dürfte sich mit dem geplanten Gesetz kaum ändern.
Rasantes Wachstum. Marktanteil des
Hochfrequenzhandels und die Zahl der
Händler im Zusammenhang. Zum Vergrößern
bitte klicken
Kein Wunder also, dass ein Insider aus Kreisen der Aufsicht hinter vorgehaltener
Hand lästert: „Das Gesetz ist kein Riesenschlag, denn es geht weder strukturell
gegen Hochfrequenzhändler vor, noch greift es die Grundstrukturen dieses Marktes
an.“
Und auch die Jungs von Da Vinci können nur schmunzeln: „Wir haben keine
Berührungsängste. Aber faire Regeln für alle kann man in Deutschland nur über die
Börsen schaffen“, sagen sie.
Turbo-Händler nicht vergraulen
Es ist jedoch schwer vorstellbar, dass sich die Deutsche Börse freiwillig Regeln in ihre Satzung packt, die Turbo-Händler
vergraulen. Ihre zehn größten Kunden generieren die Hälfte vom Umsatz und sorgen bei vielen Papieren für zusätzliche
Liquidität.
Im März führte die Börse zwar eine Strafgebühr für Trader ein, die viele Aufträge in die Börsen-Systeme schießen, aber letztlich
kaum handeln (Excessive Usage Fee). Diese Stornogebühr wird bei Dax-Werten aber erst fällig, wenn auch nach 2500
Aufträgen nicht einmal gehandelt wurde. Wer häufiger storniert, zahlt bis zu drei Cent pro Order, maximal 20 000 Euro. BlitzTrader, die an Cent-Beträgen verdienen, passten ihre Algorithmen sofort an. Die Börse hat ausgerechnet, dass sie vorher
hundertmal mehr mit der Gebühr eingenommen hätte, als sie jetzt tatsächlich bekommt.
Neue Gesetze zum Marktmissbrauch
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Die meistgehandelten Aktien Deutschlands
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Platz 10: Lufthansa
Nach einem leichten Kurs-Hoch v on elf Euro im Februar, sackte die Luf thansa Aktie im Juni
auf den seit 2009 nicht mehr erreichten Tief stand v on acht Euro ab. Derzeit ist der Luf thansaKurs ist im leichten Auf wärtstrend und pendelt sich auf einem Wert v on 9,60 Euro pro Stück
ein.
ISIN: DE0008232125
Gehandelte Stücke im ersten Halbjahr 2012: 614 Millionen
Gehandeltes Volumen: 20 Milliarden Euro
Bild: dapd
Stornogebühren kommen der Börse zupass, denn an stornierten Aufträgen verdient sie sonst nichts. Die Kosten für den
Ausbau der Börsensysteme aber treiben die Stornierer in die Höhe. Davon abgesehen aber dürfte die Börse alle fördern, die ihr
Umsatz bringen. „Wenn die Regelwerke der Börse nicht fein justiert sind, besteht die Gefahr, dass Handelsteilnehmer zu
anderen Handelsplätzen abwandern“, sagt Rainer Riess, Geschäftsführer der Frankfurter Wertpapierbörse.
Das deutsche Gesetz wurde im Vorfeld einer neuen EU-Verordnung zum Marktmissbrauch entworfen. Auch die europäische
Finanzmarktrichtlinie Mifid, die Mitte 2014 erwartet wird, wird eine Regulierung des Hochfrequenzhandels enthalten. Aber egal,
was die Europäische Union (EU) beschließt: Die Schweiz dürfte Schlupfloch bleiben, denn sie gehört nicht zur EU – und auch
London, dessen City von den Händlern lebt, dürfte weiter kräftig mauern.
Jede Millisekunde bringt mehrere Millionen Dollar
Die Branche rüstet derweil weiter auf. Der Kabelverleger Hibernia Atlantic bereitet gerade zwei Schiffe auf eine Atlantikfahrt vor.
An Bord sollen sie wertvolle Fracht tragen: gigantische Glasfaserkabel. Drei Monate soll es dauern, bis 4500 Kilometer neue
Leitungen im Meer versenkt sind. Das Kabel soll Brean im britischen Somerset mit Halifax in Kanada verbinden.
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Regulierung an den Börsen „Wir
haben uns längst Regeln gegeben“
Markus Söder „Der Langsamste darf
nicht das Tempo bestimmen“
Von dort laufen Kabel weiter bis an die Wall Street in New York. Superschnell
sollen Finanzdaten ab September 2013 durch die neue Leitung schießen. Die
Verbindung spart zwischen London und New York rund fünf Millisekunden. Wohl
nirgendwo sonst auf der Welt bedeutet so wenig Zeit so viel Geld. Jede
Millisekunde weniger kann einem Hochfrequenzhändler mehrere Millionen Dollar
Zusatzgewinn bringen.
Die 300 Millionen Dollar Kosten des neuen Projekts will Hibernia Atlantic schnell
wieder hereinholen, über bis zu 50 Mal höhere Gebühren. Zahlen sollen diese vor
allem Investmentbanken und Hochfrequenzhändler. Die werden sich das locker
leisten können.
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