Der Buddha lächelt als Computergraphik

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Der Buddha lächelt als Computergraphik
06. Mai 2005
Der Buddha lächelt als Computergraphik
Heidelberger Studenten digitalisieren das Weltkulturerbe von Angkor Wat
Der Buddha lächelt. Er hält die Augen geschlossen, während ein Halogenstrahler sein Gesicht
hell erleuchtet. Das gleißende Licht braucht Philipp Struck für gute Fotos: Der Heidelberger
Physikstudent lichtet den Kopf, die Kopie eines Buddhakopfes vom berühmten BayonTempel in Angkor aus dem 12. bis 13. Jahrhundert, von 15 Seiten ab. Der Computer bastelt
hinterher ein dreidimensionales Modell daraus.
Gemeinsam wollen sie die Tempelanlage in Angkor rekonstruieren: Holger Rapp, Jens Schöbel und
Dr. Stefan Körkel (v.r.) vom IWR der Universität Heidelberg und ihre Kollegen vom World Monuments
Fund.
Foto: Dombrowski
Währenddessen ist Lun Rayi, der in Phnom Penh Architektur studiert, damit beschäftigt,
Baupläne der Tempelanlage von Angkor Wat einzuscannen. Seine Kommilitonen bilden eine
Traube um Jens Schöbel, der an dem langen Tisch in der Bibliothek seinen Laptop aufgeklappt hat und das Programm erklärt, mit dem die Scans bearbeitet werden. Der Heidelberger
Mathematikstudent arbeitet an der Visualisierung des Angkor-Geländes in Echtzeit. "Die Optimierung von 3D-Computergrafik ist mein Spezialgebiet", erklärt der 27-Jährige.
Im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt arbeiten Studenten vom Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) der Ruprecht-Karls-Universität in
Heidelberg, an das verschiedene Fakultäten angekoppelt sind, und Architekturstudenten der
Königlichen Universität der Schönen Künste in Phnom Penh gemeinsam daran, das Weltkulturerbe Angkor zu digitalisieren (die RNZ berichtete). Unter surrenden Ventilatoren scannen
sie Baupläne, die die französischen Kolonialherren in den 60er und 70er Jahren des vorigen
Jahrhunderts von dieser größten Tempelanlage der Welt erstellt haben. Später werden sie am
Computer zusammengesetzt.
Von allen Bauplänen, die die Studenten aufgrund ihrer Größe stückweise scannen, macht
Pheakdey Nguonphan zusätzlich Fotos. Die Fotos dienten dann als Vorlage, um aus den einzelnen Puzzleteilen das Original zu rekonstruieren. Der Kambodschaner hatte schon vor einiger Zeit Kopien der Pläne von Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht. Das war ein Anstoß für das Projekt, das Prof. Hans Georg Bock, Leiter des IWR, mit Gründung der Projektgruppe "Angkor Wat" Anfang des Jahres in Heidelberg und bei einem kurzen Besuch Ende
Februar in Kambodscha endgültig ins Rollen brachte. Einige Tage später in Angkor sehen die
Heidelberger "ihre" Tempel zum ersten Mal in Wirklichkeit. Während Philipp Struck vor allem Oberflächen der Tempel, einzelner Reliefs und Statuen für die 3-D-Modelle fotografiert,
sammeln die anderen Studenten, was sie an Plänen und Informationen bekommen können.
Viele Ansätze für mögliche Projekte sind vor Ort entstanden. "Wir haben Ideen entwickelt,
wie man virtuell ausprobieren kann, welche Köpfe zu welchen Statuen gehören", nennt der
Physikstudent ein Beispiel. "Real ist das nicht möglich, weil die Köpfe zu schwer sind." Nun
geht es vor allem darum, weitere interessierte Studenten und Sponsoren zu finden.
Wann sich die nächste Gruppe auf den Weg macht, sei noch nicht geplant. Bis dahin hoffen
die Heidelberger auf Zuarbeit der kambodschanischen Architekturstudenten. Wenn es gelingt,
alle Daten zusammenzubekommen, um Angkor virtuell darzustellen, wären die Studenten
gerne im nächsten Jahr auf der Bundesausstellung über die Khmer-Kultur in Bonn dabei.
Von Katja Dombrowski
03/2005 – Juli-September 2005
Ortstermin Kambodscha, Angkor Wat
„Daten, Daten, Daten“: Eine Arbeitsgruppe am IWR will die größte
Tempelanlage der Welt virtuell entstehen lassen
Forschung kann ganz schön Schweiß treibend sein – vor allem in den Tropen und unter freiem Himmel. Das erfuhr die Projektgruppe „Angkor“ der Ruprecht-Karls-Universität am eigenen Leib, als sie ihr Forschungsobjekt im fernen Kambodscha unter die Lupe und vor die Linse nahm.
Das ehrgeizige Ziel der Arbeitsgruppe um Professor Hans Georg Bock, Leiter des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen (IWR): die größte Tempelanlage der
Welt virtuell entstehen zu lassen. Dafür scannen die Studenten in Kambodscha alle Baupläne,
die sie auftreiben können: teils im Nationalmuseum in der kambodschanischen Hauptstadt,
wo die Heidelberger mit Architekturstudenten der Königlichen Universität der Schönen Künste Phnom Penh zusammenarbeiten, teils bei der École Française d’Extrême-Orient in Siem
Reap nahe Angkor. Später werden die Pläne am Computer zusammengesetzt. „Unser Traum
ist es, alle im gleichen Format zur Verfügung zu stellen“, sagt der Physikstudent Holger
Rapp.
Der zweite Teil der Exkursion führt in die Tempel selbst, Zeugen einer untergegangenen
Hochkultur aus der Zeit vom 9. bis 14. Jahrhundert und Nationalstolz der Khmer. Dort fotografieren die Studenten Details (zum Beispiel Statuen) und Oberflächen für die Texturen der
Computergrafiken. Dass eine Teilnahme an der Projektgruppe „Angkor“ mit einschließt, bei
35 Grad im Schatten auf alten Steinen herumzukraxeln, war für die Studenten allerdings nicht
der Grund, sich ihr anzuschließen. „Ich habe mitgemacht, weil mich Visualisierung interessiert“, sagt Jens Schöbel. Der Mathematikstudent will in Kürze seine Diplomarbeit im Bereich
Optimierung von 3D-Computergrafik schreiben. Jetzt arbeitet er an der EchtzeitVisualisierung des Weltkulturerbes Angkor. Holger Rapp erklärt die Motivation für seine
Teilnahme so: „Ich interessiere mich seit langem für die physikalisch korrekte Visualisierung
von Lichtmodellen.“ Und das Spezialgebiet seines Kommilitonen Philipp Struck ist die Fotogrammetrie, ein Verfahren, mit dem aus Fotos dreidimensionale Darstellungen erstellt wer-
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den können. Doch vor dem Programmieren und Visualisieren heißt es zunächst, Rohmaterial
zu beschaffen. „Wir brauchen Daten, Daten, Daten“, beschreibt Dr. Stefan Körkel, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IWR und Leiter der Kambodscha-Exkursion, das Hauptziel der
Fernreise. Weitere Ziele sind, Ideen zu sammeln und Kontakte zu knüpfen, zum Beispiel mit
den Studenten vom German Apsara Conservation Project der Fachhochschule Köln, die den
Heidelbergern zeigen, wie sie die Reliefs am Angkor-Wat-Tempel konservieren.
Wenn Wissenschaftler Hand anlegen: Vor dem Programmieren muss man sich ums Rohmaterial kümmern.
Foto: Hollmann
Auf dem Phnom Bakheng, dem ältesten Tempel in dem 232 Quadratkilometer großen Gebiet
von Angkor, treffen die Besucher aus Deutschland lediglich einige Arbeiter, die ein Gerüst
aus Bambus aufbauen. Touristen kommen fast nur zum Sonnenuntergang – dann aber in
Scharen. Denn von hier aus („Phnom“ ist das kambodschanische Wort für „Berg“) hat man
eine herrliche Sicht über den Urwald und auf viele andere Tempel. Durch den täglichen Ansturm sieht der World Monument Fund, eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation,
die in Angkor in der Erhaltung der historischen Kunst und Architektur aktiv ist, Berg und
Tempel in Gefahr. Eine Restaurierung ist geplant, dafür müssen jedoch große Teile abgesperrt
werden. Als kleine Entschädigung will die Organisation für die Touristen ein ComputerTerminal einrichten. Und hier soll die Heidelberger Projektgruppe ins Spiel kommen: „Der
World Monument Fund will unsere grafischen Rekonstruktionen für seine Arbeit benutzen“,
erzählt Dr. Stefan Körkel. „Am Computer könnten die verschiedenen Stadien des Tempelbaus
und der Restaurierung anhand unserer Programme dargestellt werden.“
Ein Mitglied der Projektgruppe, Pheakdey Nguonphan, hat eine derartige virtuelle Darstellung
bereits erstellt: Die berühmte Bibliothek von Angkor Wat kann dank seiner Programmierung
virtuell durchschritten werden. Der Kambodschaner verbrachte einen Teil seiner Jugend in
Deutschland, studierte in Phnom Penh Architektur und promoviert zurzeit in Heidelberg.
Thema ist der Einsatz mathematischer Methoden der Bildverarbeitung bei der Modellierung
der Angkor-Tempel. Pheakdey Nguonphan hatte schon vor einiger Zeit Kopien der Pläne von
Angkor Wat mit nach Deutschland gebracht – und damit einen Anstoß für das Projekt von
Professor Bock gegeben.
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Vermutlich wird er nicht der letzte Kambodschaner an der Ruperto Carola sein. Denn während die Heidelberger Studenten jetzt daran arbeiten, die Tempel, Pläne und Fragmente am
Computer zu modellieren, bereitet Hans Georg Bock einen Besuch in umgekehrter Richtung
vor: In einem zwei- bis dreimonatigen Kursprogramm sollen Studenten aus Phnom Penh moderne Computermethoden, Computergrafik und Datenbanksysteme lernen. Und das soll nur
einer der nächsten Schritte der Kooperation „Angkor“ sein: „Es gibt viele Ansätze für anspruchsvolle Projekte, für die die vielen Daten, die wir mitgebracht haben, genutzt werden
können“, sagt Stefan Körkel mit Blick auf die Zukunft.
25.09.2005
Jahrhunderte alter Schatz der Wildnis
Die Tempel von Angkor Wat in Kambodscha
Unzählige Türme recken sich in den Himmel und prunkvolle Schmuckstücke
zieren Ecken und Wände. Terrassen und Pfade bilden ein verschlungenes, kaum
in seiner Gänze zu erschließendes System. Das ist Angkor Wat, Kambodscha,
das größte sakrale Bauwerk der Welt.
König Suryavarman II. erbaute dieses architektonische Meisterwerk in der ersten Hälfte des
12. Jahrhunderts und widmete es dem hinduistischen Gott Vishnu.
Tempelanlagen dieser Zeit waren nicht ausschließlich Kultstätten für Gläubige: Sie verdeutlichten die indische Vorstellung der Welt. Nur hohe Priester und Könige hatten Zutritt zu den
heiligen Stätten. Nach dem Tod des Königs, der einen Tempel erbaut hatte, bekam das Bauwerk die Funktion eines Mausoleums.
Lange Zeit vergessen: Die Tempelanlage Angkor Wat – Bildquelle ZDF
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Von unvorstellbarem Ausmaß
Erst 1860 entdeckte der französische Forscher Henri Mouhot die Mauern und Türme der
Tempel wieder. Lange Zeit von der Natur in Besitz genommen, bedrohten überdimensionale
Baumwurzeln die beeindruckenden Bauten. Er beschrieb die 200 Quadratkilometer große Anlage monumentaler als alles, was er an antiken Stätten Griechenlands und Roms gesehen hatte.
Unzählige Türme, Galerien, Zimmer, Portale und Höfe sind in Angkor Wat auf mehreren Ebenen durch Treppen miteinander verbunden. Die verschiedenen Tageszeiten lassen die geometrisch angeordneten Bauwerke in unterschiedlichster Färbung und Ausstrahlung erscheinen.
Ungezähmte Natur und faszinierende Bauten
Der Kosmos als Bauwerk
Angkor Wat ist die exakte Nachbildung des Universums, wie es in der hinduistischen Mythologie beschrieben wird. Umgeben ist die Tempelanlage von Wassergräben, die das Urmeer
symbolisieren. Gräben und Galerien stehen für die Gebirgsketten und die Türme für den Sitz
der Götter.
Bedingt durch die politische Lage in Kambodscha, war es, auch in der zweiten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, kaum möglich Restaurationsarbeiten vorzunehmen. Heute sind unterschiedliche
Organisationen mit der Erhaltung von Angkor Wat beschäftigt.
Florina Starzacher
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/28/0,1872,2346524,00.html
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09/2005
Datenjäger im Dschungeltempel
Eine Chance für Angkor Wat
Allen Klischees zum Trotz greifen Heidelberger Wissenschaftler nicht zur Machete, sondern zur Digitalkamera, wenn sie sich zu den Tempeln der alten Stadt
Angkor im kambodschanischen Urwald aufmachen. Die Informatiker vom
Interdisziplinären Zentrum für Wissenschaftliches Rechnen (IWR) sind auch
nicht in archäologischer Mission unterwegs: Sie wollen vielmehr die größte
Tempelanlage der Welt virtuell erstehen lassen.
Modell der Anlage von Angkor Wat
Hinter dem Projekt steht eine neue Kooperation mit der Royal University in Phnom Penh, in
deren Rahmen Hans Georg Bock, Direktor des IWR, ein Netzwerk „Wissenschaftliches
Rechnen“ in Südostasien mit aufbaut. Das auf den ersten Blick verwunderliche Zusammenspiel von Architektur und Computersimulation soll einen wichtigen Beitrag liefern, die vom
Verfall bedrohten Tempel zu schützen und teilweise auch zu restaurieren.
Für die kambodschanischen Partner bedeutet die Zusammenarbeit nicht nur den Austausch
von Know-How, wissenschaftliche Simulationsmethoden auf der einen Seite sowie architektonische und kulturelle Expertise auf der anderen. Studenten aus dem fernen Land können über Kursprogramme die Universität Heidelberg besuchen und für ihre Universität in Phnom
Penh erschließt sich eine Reihe von Themen, die dort in Doktorarbeiten der Informatik in Angriff genommen werden können.
Die Bemühungen der Angkor Projektgruppe verlangen von den Beteiligten nicht nur viel Zeit
an Heidelberger Computern ab, die für das Verarbeiten der gesammelten Daten nötig ist. Vor
Ort müssen die Informationen für die Computersimulationen akribisch zusammengetragen
werden und die Digitalkamera leistet dabei wichtige Dienste.
Ein erstes Ergebnis gibt es schon zu sehen: Als „Bibliothek“ ist der Tempel bekannt, den das
Heidelberger Team virtuell neu hat erstehen lassen. Der Rundflug am PC-Bildschirm um und
durch das Gebäude gibt nicht nur Touristen einen Eindruck der spektakulären Architektur des
alten Kulturvolks der Khmer.
16.12.2006
„Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“
Lächelnde Buddhas aus dem Dschungel
Rund 140 Steinplastiken, Bronzefiguren, Holzskulpturen, Silberarbeiten und Malereien aus dem
Khmer-Reich sind bei der Kambodscha-Ausstellung zu sehen
© J. Gollings
Angkor-Wat ist eine gewaltige Tempelwelt im Dschungel Kambodschas. In einer faszinierenden Ausstellung erweckt die Bonner Bundeskunsthalle ein altes
Reich von Göttern und fremden Königen sowie die Pracht einer einzigartigen
Kultur zum Leben.
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In sich ruhende, lächelnde Buddha-Figuren oder elegante Göttinnen, die Büffeldämonen besiegen, symbolisieren eine mythische Religion und Geschichte, die noch immer nicht ganz erschlossen ist. Die Ausstellung, die von Bundespräsidenten Horst Köhler und dem kambodschanischen König Norodom Sihamoni eröffnet wurde, gibt erstmals in Deutschland einen
umfassenden Einblick in die glanzvolle Epoche des Khmer-Reiches und das Weltkulturerbe
Angkor-Wat. Die weitläufige Anlage gilt als größter Tempelbau und größtes religiöses Bauwerk der Erde.
Insgesamt fast 150 Exponate, die zumeist aus dem kambodschanischen Nationalmuseum in
Phnom Penh stammen, zeugen von einer tiefen Symbiose von Architektur und Religion und
einer sakralen Götterwelt, die stark von Indien beeinflusst wurde. In Steinstatuen, überlebensgroßen Kultskulpturen und Bronzefiguren wird die Verehrung von Gottheiten deutlich. Reliefierte Türstürze mit figürlichen Darstellungen zeigen, wie kunstfertig die Khmer im Detail arbeiteten. In originalgroßen Fotofriesen und Gipsabgüssen sind typische Flachreliefs mit der
Darstellung epischer Legenden zu bewundern, mit denen die umlaufenden Galerien des Angkor-Wat geschmückt wurden.
Das Khmer-Reich erlebte seinen Höhepunkt zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert. In dieser
Epoche wurden zumeist auch die Tempelanlagen errichtet. Angkor war das magisch-religiöse
Zentrum eines mächtigen Reiches, das sich weit ins heutige Thailand, Vietnam und Laos erstreckte und in Südostasien dominierte.
Die frühesten überlieferten Werke der Khmer stammen aus dem 6. und 7. Jahrhundert nach
Christus. Der indische Einfluss mit Buddhismus und Brahmanismus (Hinduismus) hatte sich
in der gesamten Region ausgebreitet. Die Skulpturen der Götter stehen in der Tradition indischer Mythologie, haben aber einen unverwechselbaren eigenen Stil. Details wie Frisuren,
Schmuck oder Gegenstände kennzeichnen ihre Wesen. Je mehr Köpfe und Arme die Götter
haben, desto besser vermögen sie Aufgaben zu erledigen.
Der Besucher wird in die Schau geführt mit den Schöpfungsmythen. Die Götter Brahma,
Vishnu und Shiva stehen für die drei kosmischen Fähigkeiten: Erschaffung, Beschützen und
das Zerstören der Welt. Das so genannte Linga steht in seiner abstrakten Phallus-Form für die
Schöpferkraft. Von Vishnu ist ein gewaltiges Bronzebildnis mit feinen Gesichtszügen zu bestaunen – es gilt als eine der größten Schätze der Khmer-Kunst.
„Gesichtertürme“ mit dem berühmten Lächeln Angkors
Angor-Wat, von dem ein großes Holzmodell aufgebaut ist, wurde im 12. Jahrhundert aus
Sandsteinen errichtet. Die Bauten sind buddhistischen Idealen wie Mitgefühl und Weisheit
verpflichtet, was besonders in den typischen „Gesichtertürmen“ sichtbar wird. Das berühmte
Lächeln Angkors ist auf zahlreichen Figuren von Buddhas und Erleuchteten zu sehen.
Die Herrscher ließen die Tempel nicht nur als Ausdruck ihrer Macht bauen, sie wollten auch
ihre eigene Vergöttlichung nach ihrem Tod sichern. Unter dem buddhistischen König Jayavarman VII. (1181-1220) erlebte Angkor eine letzte große Blütezeit. Von ihm ist ein Porträtkopf aus poliertem Sandstein zu sehen. Im 15. Jahrhundert wurde Angkor dann von den
Khmer-Königen verlassen, die wieder in den östlichen Landesteil zurückkehrten.
Tausende Besucher ziehen durch das frühere Sperrgebiet
Lange Zeit blieben das Land und die Tempelanlagen – sie sind heute das Wahrzeichen Kambodschas und schmücken auch die Landesflagge – wegen der inneren politischen Wirren für
Besucher aus dem Ausland verschlossen. Nach der Schreckensherrschaft der Roten Khmer ist
seit den neunziger Jahren das Land auch für Touristen wieder zugänglich. Inzwischen ziehen
jeden Tag Tausende Besucher durch die verwitterten Tempelbauten. Sie sind weiter von Verfall bedroht – auch durch den noch ungeregelten Besucherstrom. Kunstraub gilt inzwischen
als gestoppt.
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„Wir wissen noch nicht alles über das Khmer-Reich“, sagte Kuratorin Wibke Lobo. „Fast alle
Informationen kommen von Inschriften.“ Die Ausstellung wolle auch deutlich machen, wie
das Erbe nachwirke. „Durch die Jahrhunderte steht Angkor bis heute auch für die nationale
Identität und das Selbstverständnis der Khmer.“
Die Schau „Angkor – Göttliches Erbe Kambodschas“ in der Bundeskunsthalle in Bonn ist bis
zum 9. April 2007 zu sehen.
Edgar Bauer/dpa
29.12.2005
Angkor Wat/Kambodscha
Achtung, Tempelkoller inklusive
Kambodscha? Klingt das, als sei es weit weg? Ist es aber nicht. Wer nach Thailand zum Sonnen fliegt, der schafft es auch ganz leicht, schnell mal in Kambodscha vorbeizuschauen. Wir warnen nur vor dem Tempelkoller.
Von FOCUS-Online-Redakteurin Tinga Horny
Der Abstecher von Bangkok nach Siem Reap lohnt sich. Angkor Wat, Angkor Thom und all
die anderen Tempelanlagen warten hier, und sie können süchtig machen. Das gilt nicht nur für
ambitionierte Bildungsbürger, die am liebsten jeden Tempelstein persönlich kennen lernen
würden.
Nein, die Tempelruinen von Angkor faszinieren auch jene, die gewöhnlich um Museen und
Relikte der Kunst einen großen Bogen machen. Denn Angkor Wat und seine benachbarten
Anlagen bieten das, was man ganz selten findet und vor allem spürt: den Zauber der Vergänglichkeit.
Angkor Wat: Wahrzeichen von Kambodscha
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Von Größenwahn und Naturgewalt
Man stelle sich vor: Mitten im Urwald zwischen dem Phnom-Kulen-Gebirge und dem TonleSap-See ließen sich rund zwei Dutzend Khmer-Gott-Könige Tempel und Städte errichten. Das
geschah zwischen dem 9. bis 13. Jahrhundert aus einer Mischung von Größenwahn und Eitelkeit, wie man das auch aus anderen Kulturen und Religionen so kennt. Das Faszinierende aber
ist, dass diese Tempelanlagen jahrhundertelang in Vergessenheit gerieten.Nach dem Untergang der Khmer im 15. Jahrhundert griff die Natur nach den verlassenen Bauwerken. Die
Wurzeln der Kapok-Bäume krochen durch die Ritzen der Mauern, wurden größer und sprengten sie. Das Wurzelwerk der Würgefeigen umschlang die haushoch übereinander geschichteten Steinquader mit riesigen Krakenarmen und ließ über sie seine meterdicken- und hohen
Baumstämme wachsen. Unerbitterlich überwucherte der Dschungel alles, was ihm keinen
Widerstand bot.
Erst im 19. Jahrhundert wurden die Ruinen aus ihrem Dornröschenschlaf gerissen. Der Naturwissenschaftler Henri Mouhot stieß 1860 auf die im Urwald versunkenen Ruinen. Seitdem
zählt Angkor Wat zu den Wundern dieser Welt.
20. Februar 2007
Tempel und ihre Besucher
Wissenschaftler des Interdisziplinären Zentrums für Wissenschaftliches Rechnen der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg rekonstruieren schwer beschädigte Tempel im kambodschanischen Angkor – Simulation von Besucherströmen, um die Tempel bestmöglich zugängig zu machen.
Mit der Rekonstruktion alter, verfallener Tempel ist die Arbeit oftmals nicht getan, schließlich
sollen die kulturellen Schätze in geeigneter Weise auch der Öffentlichkeit zugängig gemacht
werden. So wie in den kambodschanischen Tempelanlagen von Angkor, die seit mehreren
Jahrzehnten von verschiedensten Arbeitsgruppen restauriert werden. Eine Gruppe von Studenten des Interdisziplinären Zentrums für wissenschaftliches Rechnen (IWR) der RuprechtKarls-Universität Heidelberg um Professor Hans Georg Bock beschäftigt sich dabei mit der
Rekonstruktion der teilweise schwer beschädigten Tempel. Hierbei arbeiten sie mit Architekturstudenten der Royal University of Fine Arts and Architecture (RUFA) in Phnom Penh zusammen, um einzelne Tempel nicht nur am Computer neu erstehen zu lassen.
„Woran sind die Besucher von Angkor interessiert?“, fragt sich Dr. Michael Winckler, der es
sich zur Aufgabe gemacht hat, einen Teil von Angkor, nämlich die Tempelanlage Preah
Khan, in deren zu erneuerndem Besucherzentrum den Touristen näher zu bringen. Dafür ist es
sicherlich notwendig einen Überblick über den gesamten Tempel, dessen Name so viel bedeutet wie Großes Schwert, zu geben. Gleichzeitig möchten die Besucher vielleicht einzelne Details wie etwa die zahlreichen Verzierungen an den Mauern kennen lernen und schließlich soll
alles so eindrucksvoll präsentiert werden, dass man zu Hause etwas zu erzählen hat. Keine
leichte Aufgabe und deshalb arbeiten die Heidelberger Wissenschaftler bei diesem Projekt mit
dem World Monument Fund zusammen, der vor allem für die Finanzierung des Projektes
sorgt.
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Angkor Wat ist der größte und bekannteste Tempel Kambodschas und für Touristen und Einheimische
gleichermaßen Anziehungspunkt.
Bild: Philipp Struck
Eine Aufgabe der Heidelberger Wissenschaftler wird es sein, ein Modell von Preah Khan zu
erstellen und zwar ein Gipsmodell, das den heutigen Zustand der noch erhaltenen Tempel
wiedergibt. Das Gipsmodell wird aber keineswegs mit der Hand angefertigt, sondern maschinell und hierzu werden die Daten aus dem Rechner benötigt. Die Maschine trägt dann Schicht
für Schicht Gips auf und erreicht dabei eine Genauigkeit von einem Zehntel Millimeter, so
dass selbst feinere Strukturen in dem Modell im Maßstab 1 zu 120 sichtbar werden. Wichtig
ist dieses Modell, da nur Teile des Tempels überhaupt begehbar sind und der Besucher zwischen den aufragenden Tempelruinen keinen Gesamteindruck des Bauwerks bekommen kann.
Das Erstellen eines Gipsmodells ist natürlich keineswegs eine Aufgabe, wofür die Wissenschaftler des IWR notwendig wären. Doch die Problematik liegt hier im wahrsten Sinne im
Detail. Die Gebäude des Preah Khan sind nämlich derart komplex aufgebaut, beispielsweise
mit feinsten Verzierungen an den Wänden, dass dieser Detailreichtum die Rechenleistung eines Computers schnell übersteigen würde. Folglich wäre das Betrachten einer 3dimensionalen Darstellung der Tempelanlage am Bildschirm in Echtzeit nicht möglich, sondern es würde wohl einige Minuten benötigen, wollte man sich den Tempel aus einer neuen
Blickrichtung am Computer anschauen.
„Deshalb arbeiten wir an einem Programm, das je nach gewähltem Maßstab eine feinere oder
gröbere Auflösung wählt“, erläutert Michael Winckler. So ist es bei einer Übersichtsdarstellung natürlich nicht notwendig auch das kleinste Detail zu berücksichtigen, denn das erscheint
möglicherweise gar nicht auf dem Bildschirm, wird aber vom Computer mit berechnet. Als
Entscheidungskriterium, ob eine Verzierung an einer Säule weggelassen werden kann, dient
dabei, wie viele Pixel sich verändern, wenn das Detail nicht mehr berücksichtigt wird. Verändern sich nur wenige Pixel, so kann das Detail entfernt werden. Wird das Bild dagegen vergrößert, so müssen die Details gegebenenfalls wieder erscheinen. Auch für das Gipsmodell ist
diese Arbeit sehr wichtig, denn bei der sehr feinen Auflösung von einem Zehntel Millimeter,
lässt sich zwar noch sehr vieles detailgenau darstellen, doch für den Betrachter mag dies eher
verwirrend sein.
Eine weitere Aufgabe der Wissenschaftler am IWR wird das Lenken von Besucherströmen
sein. So sitzt beispielsweise der Tempel Phnom Bakheng auf einem Hügel, von dem aus ein
herrlicher Sonnenuntergang zu beobachten ist. Daher drängeln sich in den Abendstunden
mehrere tausend Touristen auf den zwei schmalen Zugangswegen, mit den entsprechenden
Problemen bei gleichzeitigem Hin- und Rückweg. Lässt sich das Besucherverhalten beispielsweise durch das Errichten eines Informationszentrums so lenken, dass einer der beiden
Wege vorwiegend als Hin-, der andere dagegen als Rückweg benutzt wird? Hierzu erstellen
die kambodschanischen Studenten die Geländemodelle, die Simulation wird dann in Heidelberg gemacht.
Diese Art der Arbeitsteilung beruht vor allem auf der bisher sehr ungenügenden technischen
Ausstattung der kambodschanischen Universitäten. So wäre ohne die Unterstützung durch die
Gottlieb-Daimler- und Carl-Benz-Stiftung in Ladenburg selbst die Internetanbindung der
RUFA nicht möglich gewesen, was für die gemeinsamen Projekte jedoch unentbehrlich ist.
Die Aktivitäten des IWR in Südostasien sind aber sehr vielfältig und so ist allmählich ein
Netzwerk mit Universitäten aus Vietnam, Laos, Myanmar und Kambodscha entstanden, wodurch die kambodschanischen Studenten wohl in Zukunft beispielsweise die Computer an der
Universität von Hanoi mitbenutzen können.
Stefan Zeeh
03.05.2007
STUDIOZEIT • AUS KULTUR- UND SOZIALWISSENSCHAFTEN
Tempel der Könige und Götter
Deutsche Wissenschaftler restaurieren die antike Hauptstadt der Khmer
Von Barbara Weber
Sie gehören zum herausragenden Kulturerbe der Menschheit: Kambodschas
Tempelanlagen zeugen mit ihrer Größe und Kunstfertigkeit von Macht und
Glanz des Königreiches der Khmer, das seine Blüte zwischen dem 9. bis 13.
Jahrhundert erlebte. Auch deutsche Wissenschaftler widmen sich der Dokumentation und Restauration von Reliefs und Steinskulpturen.
Wenn man zum ersten Mal davor steht ... – Überwältigend. – Diese Dimensionen wirklich direkt zu erfassen, dadurch zu gehen, diese Ausgestaltung zu sehen, das ist absolut großartig. –
Angkor selber ... hat über 400 Quadratkilometer mit über hundert einzelnen Tempeln. – Selbst
als Kambodschaner kann man das gar nicht vorstellen, wenn man das sieht. – Es ist einfach
beeindruckend. Vor allem, wenn man Satellitenaufnahmen sieht, und diese schiere Dimension
überhaupt mal überblickt. – Das ist einfach gigantisch.
„Für jemanden, der es nicht mit eigenen Augen gesehen hat, ist es schwierig, sich ein so wildes und baufälliges Durcheinander von Leben und Verwesung, von zügellosem Grün, im
Krieg mit einem unbeweglichen grauen Tod vorzustellen. Trotzdem erlangt der Stein durch
diesen Kampf eine Art Leben, da er zwischen zwei Feuern gefangen ist. Zweige bäumen sich
auf- und abwärts, um die Ruinen zu zerstören, wodurch die Architektur, genötigt an dieser
Schlacht teilzunehmen, eine unvergleichliche Dynamik, im Gegensatz zu ihrer statischen
Aufgabe, annimmt.“ (Sir Osbert Sitwell, Schriftsteller, 1939)
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„Es ist nicht notwendig, Kleidung zu tragen. Da Reis leicht zu haben, Frauen leicht zu überreden, Häuser leicht zu bauen, Möbel leicht zu machen und Handel leicht zu treiben ist, gibt es
viele Seefahrer, die sich hier niedergelassen haben.“ (Chou-Takuan, chinesischer Diplomat,
13. Jahrhundert)
Als das Reich der alten Khmer auf seinem Zenit stand, blühte der Handel. Handwerk und
Kunst befruchteten sich und entfalteten eine schöpferische Pracht.
Fast 500 Jahre herrschten Gottkönige auf dem Thron der Khmer, führten blutige Schlachten
und regierten ein Reich, das in seiner Hochzeit große Teile des heutigen Laos im Norden, Regionen Thailands im Westen, die Küste von Südvietnam und ein paar kleine Handelsstaaten
an der malaysischen Halbinsel umfasste.
Nur durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, das drei Reisernten im Jahr erbrachte,
konnten diese Menschenmassen ernährt werden. Es gab eine Armee, eine Provinzverwaltung
und einen Gerichtshof. Es bildete sich eine Hochzivilisation, wie sie zu dieser Zeit nirgendwo
sonst auf der Welt existierte.
Die Klosteranlage Angkor Wat in Kambodscha (Bild: AP Archiv)
Alles, was von dieser Hochkultur überliefert ist, sind steinerne Zeugnisse ihrer Tempel, weder
Wohnhäuser, noch Paläste, weder Markthallen noch andere öffentliche Gebäude. Auf über
400 Quadratkilometern finden sich in Angkor Tempel und heilige Gemäuer. Der größte, Angkor Wat, hat in etwa das Volumen der Cheops Pyramide. Er ist völlig freigelegt und von einem künstlichen See umgeben.
Andere Tempel wie der Ta Phrom, vermitteln heute noch den Anblick, der sich dem französischen Abenteurer Mohout bot, als er Mitte des 18. Jahrhunderts Angkor entdeckte: ein Gewirr
aus Dschungel und Stein.
Es gibt kaum schriftliche Quellen, die nähere Auskunft über das religiöse und das profane
Leben der alten Khmer geben. Bei den Inschriften an den Tempelwänden handelt es sich letztendlich um Widmungen oder einfache Erklärungen der Grundfunktion der Tempel. Auf den
Reliefs geben sie Hinweise über die gezeigten Personen.
Das Alltagsleben erschließt sich zum Teil aus den Reliefs am Bayon Tempel. Die haben Prof.
Hans Leisen von der Fachhochschule Köln und seine Frau Dr. Esther von Plehwe-Leisen genau studiert:
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„Da wird alles mögliche dargestellt: Geburt, Hahnenkämpfe, was auch heutzutage ein sehr beliebter Volkssport ist. Es wird die Fischerei dargestellt; es wird das Kochen dargestellt oder
die Begleitung von Kriegszügen, also die Marketenderinnen usw. usw.“
Das monumentale Rundrelief, an den Außenmauern angebracht, umschließt einen Tempel
imponierenden Ausmaßes: verschachtelte Galerien, filigrane Flachreliefs und ein Chaos an
verwinkelten, dunklen Räumen wechseln einander ab. Am beeindruckendsten sind wohl die
etwa 200 gewaltigen Gesichter mit ihrem zu Stein erstarrten Lächeln, die von 54 Türmen in je
eine von vier Himmelsrichtungen blicken.
Der Bayon-Tempel stammt aus dem 12.Jahrhundert. Sein Erbauer weihte ihn zunächst dem
Buddhismus. Die hinduistischen Symbole der Vorgänger negierte der König keinesfalls sondern integrierte sie in das Baukonzept.
Als rein hinduistischer Tempel wurde Angkor Wat rund 50 Jahre vorher errichtet. Die ungeheure Größe und durchdachte Geometrie der Architektur sowie die fein gestalteten Details des
größten sakralen Bauwerks auf der Erde lassen auf einen mächtigen Herrscher schließen.
Hans Leisen:
„Es ist primär zunächst mal der Staatstempel. Es ist einfach auch der Punkt, wo der Gottkönig, es ist ja ein Gottkönigtum, der Gottkönig residiert sozusagen bzw. zum Beten hingeht,
der Tempel, der der Gottheit Vishnu geweiht war, wo er dann auch beerdigt wird und so in
Einheit mit der Gottheit lebt.“
Dargestellt wird das hinduistische Universum ...
„ ... mit ganz oben dem zentralen Heiligtum, dem heiligen Berg Meru, ... dieses Heiligtum ist
eben von fünf weiteren Türmen umgeben und Galeriebauten in verschiedensten Ebenen nach
unten, in Angkor Wat sind es insgesamt vier Ebenen, die nun die Bergketten um ... den Berg
Meru symbolisieren und das Ganze dann noch umgeben in Angkor Wat durch einen 190 m
breiten Wassergraben, das Urmeer. Es ist im Prinzip aufgebaut wie ein Mandala und stellt
letztendlich das hinduistische Universum dar.“
Suryavarman II. erbaute das Monument zu Beginn des 12. Jahrhunderts und bestimmte es zu
seinem Grabmal. Als Stadt in einer Stadt bot Angkor Wat 20.000 Menschen Raum. Das Universum wurde so nachgestellt, wie es in der hinduistischen Mythologie beschrieben ist.
Von außen betrachtet erscheint die Anlage wie eine undefinierbare Steinmasse; genauere Beobachter erkennen die durchdachte Architektur, bestehend aus Gängen, Zimmern, Innenhöfen
und Türmen. Die 800 Meter langen Flachreliefs, die das Innengebäude umlaufen, zählen zu
den längsten der Welt. Dargestellt werden die großen hinduistischen Mythen, zum Beispiel
der hinduistische Olymp mit all seinen Göttern.
Neben diesem phantastischen Bildprogramm an der Außenwand des Tempels gibt es Darstellungen weiblicher Gottheiten, die so genannten Apsaras. Bei seinem ersten Besuch vor zwölf
Jahren erschienen Hans Leisen die Außenreliefs verglichen mit den Apsaras in noch so gutem
Zustand, dass er zunächst beschloss, die zahlreichen figürlichen Darstellungen zu restaurieren.
Die waren nämlich über die Jahrhunderte zum Teil unwiederbringlich zerstört. Allein in Angkor Wat gibt es 1.850 Apsaras.
„Wir versuchen die Gesteinsoberfläche dort, wo sie bildhaft bearbeitet ist, zu konservieren,
das heißt den Status quo, so wie er sich jetzt darstellt, einfach zu stabilisieren und zu erhalten,
die Verwitterung hinauszuzögern. Das ist eine Sysiphusarbeit, das ist ein Kampf gegen die
Mächte, die wir nicht beeinflussen können. Die Verwitterung dort ist hauptsächlich natürlich
bedingt: es ist das Wetter, das Wasser, der Regen, es ist die Temperatur natürlich, und das in
Kombination mit dem Steinmaterial, das dort verwendet worden ist.“
Unter Leitung von Prof. Hans Leisen versucht das Team des German Apsara Conservation
Projects, diesen Zerfall aufzuhalten. Das Ausmaß der Schäden lässt sich bei oberflächlicher
Betrachtung kaum feststellen. Deshalb müssen diverse Tests durchgeführt werden. Site Ma-
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nager vor Ort ist Long Nary, der als Restaurator die Arbeiten an dem Projekt in Angkor Wat
beaufsichtigt.
„Jetzt sind wir auf dem Dach von Angkor Wat III auf einem Gerüst, 10 Meter über dem Dach.
Ich möchte noch einmal demonstrieren, was wir hier machen, anhand einer Karte, die die Ergebnisse unserer Arbeit zeigt.“
Die Karte, die Long Nary entfaltet, zeigt Ultraschallaufnahmen von der gegenüberliegenden
Wand. Sie analysiert den Grad der Zerstörung der Figuren. Ein weiterer Test kann das demonstrieren:
„Der Stein klingt an der Stufe nicht besonders gut. Oberflächlich betrachtet sieht der Zustand
des Steins gut aus, aber wenn Sie klopfen, hören Sie den Hohlraum. So müssen wir etwas tun,
damit die Stufe nicht herunterfällt und die Behandlung beginnen.“
Die Restauratoren fürchten die so genannte Schalenbildung. Nach außen strahlt die Tänzerin
noch ihr anmutiges Lächeln, innerlich schon losgelöst vom Untergrund. Es ist eine Frage der
Zeit, bis sie fällt und nackten Stein zurücklässt.
„In der Spritze ist siliziumhaltiger Konservierungsstoff. Wir nutzen das Material, um den
schwachen Stein zu festigen. Wir benutzen eine Spritze mit Skala, um genau zu sehen, wie
viel Milliliter an Material wir unterspritzen müssen, so können wir genau feststellen, wie viel
Konservierungsstoff wir brauchen, um den Stein zu festigen.“
Inzwischen ist das kambodschanische Team auf über 20 Fachleute vor Ort angewachsen. Neben den fast abgeschlossenen Arbeiten an den Apsaras warten weitere Aufgaben auf die Restauratoren:
Im Moment ist sicher einer der Schwerpunkte diese großen Reliefs an den Giebeln. Der Status
Quo ist so, dass wir mittlerweile ein sehr gutes und ausgereiftes Konservierungskonzept haben, was auch umgesetzt wird und auch umgesetzt wird von einem ausgesprochen gut ausgebildeten und sehr talentierten kambodschanischen Team ... weil man jetzt über die große Erfahrung von zehn Jahren verfügt.
Prof. Leisen verfolgt das Ziel, das Projekt soweit zu emanzipieren, dass es ohne finanzielle
Unterstützung des Auswärtigen Amtes bestehen kann. Die Chancen sind gut. Die kambodschanische Denkmalbehörde hat jetzt die ersten jungen Restauratoren eingestellt, die in Angkor Wat mit deutscher Unterstützung ihr Metier gelernt haben.
Eine Aufgabe der kambodschanischen Denkmalbehörde ist neben der Restauration der historischen Stätten die Organisation der Touristen, denn Angkor entwickelt sich immer mehr zum
Publikumsmagneten.
Hilfe bekommt sie dabei von der Universität Heidelberg. Das Interdisziplinäre Zentrum für
wissenschaftliches Rechnen entwickelt Modelle, wie Besucherströme möglichst ohne Schaden anzurichten, durch die Denkmäler geleitet werden könnten.
Doch die Erfassung von Touristenströmen ist nur ein Teilbereich des Projektes – meint Dr.
Michael Winkler, Leiter der Angkor-Projektgruppe – und erklärt, wie die Wissenschaftler das
machen. Zunächst gilt es nämlich, die Tempel geometrisch zu erfassen.
„Wir versuchen also, möglichst exakte Modelle dieser Tempel herzustellen im Computer, und
auf Basis dieser Geometrie-Modelle dann weitere Modellierungen dann hinzuzufügen, die aus
dem wissenschaftlichen Rechnen stammen.“
Dabei ist die Größe der Tempel ein Problem...
„ ... denn die Größe bedeutet gleichzeitig, dass es sehr viel Arbeit ist und Aufwand, einen
Tempel komplett zu erfassen. Die Arbeiten, die Pheakdey zum Beispiel macht, versucht das
zu reduzieren und uns die Möglichkeit zu geben, selbst große Tempel in erträglicher Zeit zu
rekonstruieren. Danach ist es meine Aufgabe, Projekte auszuwählen, die man auf Basis dieser
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geometrischen Modelle betreiben kann, also zum Beispiel kann man von einem Tempel, den
wir haben, den wir ja schon rekonstruiert haben, den Phom Bakheng, an diesem Tempel versuchen wir, Touristensimulationen zu machen. Das heißt, wir haben die Geometrie des Tempels, und jetzt wollen wir wissen, wie bewegen sich Touristen innerhalb dieses Tempelkomplexes, und wie kann man das Zusammenspiel von Touristen, die dort etwas sehen wollen von
Rekonstruktionsarbeiten, die geschützt werden müssen, ... wie kann man das alles zusammenbringen und vielleicht schützenswerte Teile des Tempels so abgrenzen, dass die länger erhalten bleiben.“
Michael Winkler arbeitet im Team von Prof. Hans-Georg Bock. Der Wissenschaftler ist Direktor des Interdisziplinären Zentrums an der Universität Heidelberg. Die Idee zu dem Angkor-Projekt basiert auf zwei Wurzeln, meint der Wissenschaftler. Die eine war natürlich die
Faszination und der Blick des Mathematikers dafür, woran es fehlt bei den Restaurationsarbeiten:
„Die andere Ebene war, zusammen zu arbeiten mit den Kollegen an der Royal University of
Fine Arts, denn Kambodscha ist ein Land, in dem sich die Universitäten sehr schwer tun, auch
von ihren Standards her, auch von ihren Beziehungen her, Beziehungen in die allgemeine
wissenschaftliche Gemeinschaft zu knüpfen. Deswegen war das zweite Anliegen, ein Projekt
auf den Weg zu bringen, was den Studenten und auch den Dozenten der Royal University of
Fine Arts helfen würde, mit uns zu kooperieren hier in Heidelberg. Und das ist eine der faszinierendsten Aspekte an unserer Kooperation, dass da Studenten aus Heidelberg und Studenten
aus Kambodscha, aus Phnom Penh miteinander kooperieren.“
Unterstützt durch die UNESCO, den Deutschen Akademischen Austauschdienst und weitere
Drittmittel, können junge Wissenschaftler an der Universität Heidelberg zum Beispiel ihre
Promotion beenden, so wie der eben schon erwähnte Diplom-Architekt Pheakdey Nguonphan:
„(Bei) meine(r) Forschung handelt es sich um einen bestimmten Tempeltyp, und zwar Angkor
Wat Stil Tempel. Diese Tempel haben einen bestimmten architektonischen Aufbau, der im
Bereich Computerrekonstruktion sehr schwierig ist. Und ich beschäftige mich genau an den
Elementen, die solche Schwierigkeiten haben, um mit mathematischen Modellen und der Erfahrung als kambodschanischer Architekt, Khmer-Kunst hinzuzufügen und das zu rekonstruieren.“
Auf dem Gelände von Angkor zeugen die unterschiedlichen Tempelanlagen von den verschiedenen Epochen, in denen sie gebaut wurden. Doch alle Tempel einer Epoche weisen
immer wieder kehrende Elemente auf. Kennen die Wissenschaftler diese stilistischen Elemente, können sie fehlende Elemente an einem anderen Tempel rekonstruieren. Bei Hunderten
von Tempeln in Kambodscha ist es unmöglich, dies mit Hilfe von Zeichnungen zu bewerkstelligen.
Dr. Susanne Krömker, Leiterin der Computergrafik am Interdisziplinären Zentrum für wissenschaftliches Rechnen, zeigt ein weiteres Beispiel:
„Das ist ein Prototyp für ein virtuelles Museum. Man kann also tatsächlich hier einen Raum
betreten, wo verschiedene Objekte ausgestellt sind und durch einen einfachen Doppelklick
bekomme ich dieses eine Objekt tatsächlich jetzt dreidimensional präsentiert, kann also da
hinan zoomen und mir Details anschauen, bekomme Informationen zusätzlich eingeblendet
...“
... wie bei der Skulptur eines Elefantengottes aus dem Nationalmuseum Kambodscha in
Phnom Penh, der in der Angkor-Ausstellung in Berlin zu sehen ist. Mit einigen Doppelklicks
hat Susanne Krömker die Figur auf den Bildschirm gebracht:
„Beispielsweise den Ganésa hier, das ist der elefantenrüsselige Gott, der auch für das Beginnen von Projekten auch für die Wissenschaft schlechthin steht, der ist also auch als Skulptur
vor der Royal University of Fine Arts aufgestellt und insofern haben wir den natürlich auch in
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unser virtuelles Museum integriert, um hier deutlich zu machen, das ist ein neues Experimentierfeld, das wir angegangen sind. ...“
Mit Hilfe der Maustaste dreht die Wissenschaftlerin das Objekt, so dass alle Seiten begutachtet werden können:
„ ... und man kann ihn wirklich auch mal von unterwärts sehen, was sie in einem Museum
niemals machen könnten. Die Skulptur also so zu drehen und in die Hand zu nehmen wie es
eine Vitrine nie zulassen würde.“
... und Prof. Bock ergänzt:
„Wir haben ja diese Datenbank- und Archivsystem für das Nationalmuseum entwickelt, und
sie können jetzt diese Skulptur mit den kompletten Daten, die im elektronischen Archiv vorhanden sind, verknüpfen. Das Ganze bezieht sich natürlich nicht nur auf Touristen oder Interessierte an der Kunst und Kultur der Kambodschaner sondern es ist auch hilfreich, um überhaupt den Museumskollegen vor Ort zu helfen. Wenn sie nur an das Conservoirtoire d'Angkor
denken, in dem Tausende von Skulpturen auch für die Profis kaum zugänglich aufgehoben
sind, sie können all das natürlich virtuell ohne Probleme begehen, und zwar an jedem Standort der Welt.“
So können die Wissenschaftler virtuell entstehen lassen, was vor fast 600 Jahren zerstört wurde:
„Den Untergang des alten Khmer-Reiches besiegeln die Thai 1430 durch den Vormarsch ihrer
Truppen. Sie nehmen Angkor ein und plündern es. Der Sohn des siegreichen Thai-Herrschers
bemächtigt sich des Throns.“
Doch dem äußeren Untergang war ein innerer vorausgegangen. Das lässt sich an der nachlassenden Baukunst nachvollziehen. Die gewaltige Anzahl gleichzeitiger Bauprojekte erforderte
immer mehr Steinmaterial. Steinbrucharbeiter und Transporteure konnten den Anforderungen
vermutlich kaum noch Schritt halten. Ältere Tempel mussten jetzt als Steinbrüche herhalten.
Die Steinmetzarbeiten wurden nicht mehr so sorgfältig wie in früheren Zeiten ausgeführt.
Die vordringenden Thai entreißen den Khmer Stück für Stück ihr Land. Das komplexe System der Wasserverteilung mit den vielen Schleusen und Kanälen verfällt. Als 1431 die Hauptstadt Angkor Thom aufgegeben wird, ist die Stadt fast zugepflastert mit Tempeln. Von nun an
ergreift der Dschungel Besitz von dem Ort. Was von ihm übrig bleibt, beschreibt Mitte des
16. Jahrhunderts Joao dos Santos:
Und in dieser ganzen riesigen Stadt gab es weder Menschen noch Tiere, noch irgendwelche
Lebewesen außer solchen, wie sie die Natur in den Spalten der Ruinen hervorbringt.
Hinweis: Die Arbeit der deutschen Wissenschaftler vor Ort in Kambodscha wird ab Samstag,
den 5. Mai, im Martin Gropius Bau in Berlin im Rahmen einer großen Angkor-Ausstellung
dokumentiert.
© 2007 Deutschlandradio
13.08.2007
ANGKOR
Forscher entdecken Ruinen riesiger Dschungel-Metropole
Von Markus Becker
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Die Siedlung um die berühmte Tempelanlage Angkor Wat war offenbar viel
größer als bisher bekannt. Forscher haben die Region in Kambodscha zu Fuß,
per Flugzeug und Satellit erfasst – und eine versunkene Anlage von den Ausmaßen New Yorks entdeckt: die wohl größte vorindustrielle Stadt der Welt.
Wer Angkor sagt und nicht zufällig Archäologe ist, meint in der Regel Angkor Wat – jene berühmte Tempelanlage, welche die Khmer vermutlich vor knapp 900 Jahren in den Dschungel
Kambodschas gebaut haben. Doch in der Region Angkor gibt es mehr. Viel mehr, als selbst
Experten bisher vermutet haben.
„Seit mehr als 100 Jahren hat sich die Wissenschaft auf die gewaltigen Sandstein-Tempelanlagen und ihre Inschriften konzentriert“, sagt Damian Evans von der University of Sydney in
Australien. „Wo und wie die Menschen dort gelebt haben, wollte niemand herausfinden –
oder konnte es nicht wegen der vielen Jahre der Gewalt.“
Angkor heute: Forscher vermuten, dass der exzessive Reisanbau der Grund für den Untergang der
mittelalterlichen Metropole war
Google Earth / TerraMetrics / DigitalGlobe
Riesenstadt des Reisüberflusses
Erst seit dem Ende des Schreckensregimes der Roten Khmer in den neunziger Jahren ist die
systematische Erforschung von Angkor halbwegs sicher, und Evans hat die Zeit gemeinsam
mit seinem Team genutzt. Denn was die Forscher jetzt im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlichen, ist ein atemberaubendes Zeugnis einer längst vergangenen Zeit. Ihrer neuen Karte zufolge haben sich in der Gegend von Angkor Wat keineswegs nur verstreute Tempel befunden – sondern eine gewaltige hydraulische Stadt mit einer
Fläche von mehr als 1.000 Quadratkilometern. Zum Vergleich: New York City ist rund 1.200,
ohne seine Wasserflächen weniger als 800 Quadratkilometer groß. Berlin hat eine Fläche von
knapp 900 Quadratkilometern.
Damit ist „Groß-Angkor“ die mit Abstand gewaltigste vorindustrielle Siedlung der Welt,
schreiben Evans und seine Kollegen. Selbst die riesigen Städte der Maya nehmen sich dage-
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gen winzig aus: Tikal, die größte bisher genau vermessene unter ihnen, bringt es auf höchstens 150 Quadratkilometer.
Das „Greater Angkor Project“ (GAP) mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich hat laut Evans nun auch die alte Annahme bestätigt, dass Angkor zwischen dem 9. und
16. Jahrhundert eine hydraulische Stadt war. Der französische Forscher Bernard-Philippe
Groslier hat Angkor seit den fünfziger Jahren erforscht und die Theorie eines riesigen Siedlungskomplexes aufgestellt, der dank eines komplizierten Bewässerungssystems mehr als eine
Million Menschen beherbergt habe. Dieses System habe die Riesenstadt, die sich auf mehrere
Zentren verteilte, ernährt, definiert – und schließlich auch untergehen lassen.
Das ausgedehnte Bewässerungsnetz aus Flüssen, Kanälen und Stauseen hat die mittelalterlichen Khmer der neuen Studie zufolge in die Lage versetzt, mehrmals im Jahr Reis zu ernten.
Das verschaffte den Bewohnern Angkors nicht nur volle Teller, sondern auch komfortable
Überschüsse, die zu einem enormen Reichtum führten. Das Khmer-Reich konnte seine Macht
ausweiten, insbesondere während der Regierungszeit Königs Suryavarman II., dem auch der
Bau der Tempelanlage Angkor Wat zugeschrieben wird.
Die GAP-Forscher haben nun anhand von Bodenvermessungen, mit Hilfe von Ultraleichtflugzeugen und Radarsatelliten der US-Raumfahrtbehörde Nasa mehr als 1.000 künstlich angelegte Seen und mindestens 74 bisher unbekannte Tempel entdeckt. „Unsere neue Karte
zeigt erstmals, dass Angkor keine Ansammlung verstreuter Tempel war“, erklärt Evans gegenüber SPIEGEL ONLINE. „Es war ein durchgehendes, verflochtenes städtisches Netzwerk,
das etwa zehnmal so groß ist wie alles, was bisher aus der antiken Welt gefunden wurde.“
Die Karte zeige auch, dass die Größe vormoderner Siedlungen nicht wie allgemein angenommen einfach anhand ihrer Stadtmauern definiert werden könne. Angkor Wat und die angrenzende ummauerte Stadt Angkor Thom seien zwar besonders dicht besiedelt gewesen.
„Aber wir sehen auch, dass Angkor nicht an den Stadtmauern endete, sondern ein riesiges Geflecht aus landwirtschaftlichen und besiedelten Flächen war und sich praktisch ohne Unterbrechung über mindestens 1.000 Quadratkilometer erstreckte“, sagt Evans. Auf dieser Fläche
gebe es kaum einen Quadratkilometer, der nicht verändert und genutzt worden sei.
Die neuen Daten widerlegen laut Evans auch die Annahme, dass das Bewässerungsnetz nicht
dazu geeignet war, den Reisanbau zu intensivieren. „Alle großen Stauseen haben Zu- und Abflüsse, es gibt Verteilerkanäle, und jede einzelne Wasserquelle der Region wurde intensiv und
rücksichtslos ausgebeutet.“
„Immer komplexer und unkontrollierbarer“
Das habe vermutlich auch zum Untergang Angkors geführt. "Die Reiswirtschaft in Angkor
hatte einen extremen Wasserbedarf", sagt Evans. Große Waldflächen seien gerodet worden,
um die bewässerten Felder anzulegen. Das System habe derartige Ausmaße besessen, dass es
mit der Zeit wahrscheinlich zu massiven Problemen führte – wie etwa zum Auslaugen des
Oberbodens, zu Erosion und Überbevölkerung. Das empfindliche und komplexe System dürfte außerdem äußerst empfindlich auf Naturkatastrophen und Kriege reagiert haben.
Insbesondere im neu erfassten Norden Angkors habe man Spuren von hektischen Anpassungsmaßnahmen, Deichbrüchen und einem Versagen des Systems gefunden, schreiben die
Wissenschaftler in ihrem Fachartikel. „Das legt nahe, dass das System über eine Zeit von
mehreren Jahrhunderten immer komplexer und unkontrollierbarer wurde.“
Genaueres wisse man aber nicht. Evans kündigt an: „Wir werden Ausgrabungen und PollenAnalysen durchführen.“ Jetzt, da man die Siedlungsfläche beziffern könne, seien bald auch
bessere Annahmen über die Bevölkerungszahl im mittelalterlichen Angkor möglich – „anstatt
wilder Vermutungen über eine Million Menschen“. Die neue Karte verrate „zumindest, wo
wir nach Antworten suchen sollten“.
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14.08.2007
Archäologie
Angkor Wat war einst städtisch besiedelt
Um die Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha herum hat ein internationales Forscherteam die größte vorindustrielle Siedlung der Welt entdeckt. Radarmessungen der Nasa zeigten: Die Besiedlung um Angkor Wat erstreckte sich
über gut 3.000 Quadratkilometer.
Die Ruinen aus der Zeit vom 9. bis 16. Jahrhundert waren über ein komplexes Bewässerungssystem miteinander verbunden. Dies berichtet das Archäologenteam um Damian Evans von
der Universität Sydney in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS). Mithilfe von Radarmessungen der amerikanischen Weltraumbehörde NASA gelang es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen zu erstellen.
Kambodschas Tempel Angkor Wat einst Zentrum städtischer Besiedlung - und größer als gedacht
Foto: dpa
Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des
Monsuns und seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, führten
die Forscher weiter aus. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen
Spuren von mehr als tausend künstlich angelegten kleinen Seen und wenigstens 74 zuvor übersehene Tempel.
Die Anlagen von Angkor Wat, die im 12. Jahrhundert vermutlich unter der Herrschaft von
König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk der Erde und als
einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die UNESCO hat die Ruinen 1992 zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegen 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Phnom Penh.Das Team
mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich trug für das Projekt jahrelang Da-
ten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen und Radarmessungen mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde NASA und des Jet Propulsion
Laboratory in Pasadena (Kalifornien) zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte von
der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ rund um den Tempel Angkor
Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten
vorerst nicht zu.
dpa/hem
14.08.2007
Archäologie
Ruinen rings um Angkor Wat
Um den berühmten kambodschanischen Tempel Angkor Wat herum haben Forscher eine riesige Siedlung mit einer Fläche von über 1.000 Quadratkilometern
entdeckt.
Wissenschaftler haben rings um die Tempelanlage Angkor Wat ein riesiges Areal mit Ruinen gefunden
Das Archäologenteam um Damian Evans von der Universität Sydney veröffentlichte ihre
Entdeckung in der aktuellen Ausgabe der US-amerikanischen Zeitschrift „Proceedings of the
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National Academy of Sciences“ (PNAS). Ein komplexes Bewässerungssystem habe die Ruinen aus der Zeit vom neunten bis 16. Jahrhundert verbunden. Mithilfe von Radarmessungen
der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa gelang es den Forschern, eine Karte dieser Siedlungen zu erstellen.
74 übersehene Tempel und über tausend Seen
Das System der Wasserversorgung habe den Bewohnern von Angkor Wat auch in Zeiten des
Monsuns und seiner häufigen Überschwemmungen sauberes Trinkwasser zugeführt, so die
Forscher. Außer dem Netz von Wasserleitungen entdeckten die Archäologen Spuren von
mehr als tausend künstlich angelegten kleinen Seen und wenigstens 74 zuvor übersehene
Tempel. Die Anlagen von Angkor Wat, die im zwölften Jahrhundert vermutlich unter der
Herrschaft von König Suryavarman II. erbaut wurden, gelten als größtes religiöses Bauwerk
der Erde und als einzigartiges Zeugnis der Khmer-Kultur. Die Unesco hat die Ruinen 1992
zum Weltkulturerbe erklärt. Sie liegen rund 240 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt
Phnom Penh.
Größte vorindustrielle Siedlung der Welt
Das Team mit Experten aus Australien, Kambodscha und Frankreich trug für das Projekt jahrelang Daten aus alten, handgemalten Karten, Bodenvermessungen, Luftaufnahmen und Radarmessungen mit Instrumenten der amerikanischen Weltraumbehörde Nasa und des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena/Kalifornien zusammen. Aus ihnen erstellte es die erste Karte
der „größten Siedlung der Welt aus der vorindustriellen Zeit“ rund um den Tempel Angkor
Wat. Schlüsse über den Fall des mittelalterlichen Imperiums in Südostasien ließen die Daten
vorerst nicht zu.
14.08.2007
Größte vorindustrielle Siedlung der Welt
Angkor hatte die Fläche von Berlin
Die berühmte Tempelanlage von Angkor Wat in Kambodscha war einst von einer deutlich größeren Stadt umgeben als bisher angenommen. Die Siedlung habe
sich über mehr als 1.000 Quadratkilometer erstreckt, berichteten australische
Forscher. Die Erkenntnisse verdanken sie Radaraufnahmen aus dem All.
Von Bernd Musch-Borowska, ARD-Hörfunkstudio Singapur
Die Tempelanlagen von Angkor Wat im Norden Kambodschas gehörten offenbar einst zu einer riesigen Stadt, einer der größten Siedlungen des 13., 14. und 15. Jahrhunderts. Australische Forscher haben mit Weltraum-Radargeräten eine weitgehend genaue Karte von Angkor
Wat angefertigt und ihre Ergebnisse jetzt in der Fachzeitschrift „American Journal of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht. In mehr als 15-jähriger Arbeit haben die Archäologen herausgefunden, dass die auf einer Fläche von mehr als 1.000 Quadratkilometern verstreuten Tempel einst ein geschlossenes Siedlungsgebiet bildeten.
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„Angkor war ein geschlossenes Siedlungsgebiet“
Zwischen den vielen Tempeln hätten sich einst Siedlungen befunden, sagte Damian Evans,
der stellvertretende Leiter des Angkor-Forschungsprojekts: „Angkor war weniger eine Ansammlung verstreuter Tempelanlagen sondern vielmehr ein geschlossenes Siedlungsgebiet.
Außerhalb der Tempel konnten wir Wohngebiete nachweisen, Gruppen von Häusern. In diesen Siedlungen gab es auch kleine so genannte Dorf-Tempel. Außerdem fanden wir alte
Brunnen und Wasserauffangbecken, mit denen Regenwasser aufgefangen wurde oder Flüsse
und Bäche aus den Bergen abgeleitet wurden.“
Die berühmten Tempelanlagen von Angkor Wat in Kambodscha
Foto: dpa
Genaue Karte aus dem Weltraum
Mit Hochauflösungs-Kameras der Nasa und mit Spezial-Radargeräten haben die Wissenschaftler aus Sydney gemeinsam mit kambodschanischen und französischen Kollegen eine
genaue Karte der damaligen Stadt Angkor erstellt. Ihre Ausdehnung war danach vergleichbar
der Fläche Berlins. Sie sei nur nicht so dicht besiedelt gewesen: „Im Wesentlichen haben wir
über die großen Sandstein-Tempel hinaus geblickt, um uns ein umfangreicheres Bild von dem
zu machen, was man heute als Angkor Wat kennt. Uns hat interessiert, wie die Menschen dort
gelebt haben, wovon sie gelebt haben und wie ihr tägliches Leben ausgesehen haben mag“,
berichtet Evans.
Bei ihren Arbeiten im Norden Kambodschas haben die Archäologen 74 weitere Tempel in der
Region entdeckt. Es seien aber wahrscheinlich noch viel mehr im Dschungel versteckt. „Das
waren nur die, die wir sofort als Tempel erkennen konnten“, so Evans. „Es gibt dort wahrscheinlich noch mehr als 100 weitere, aber das müssen wir noch einmal genau überprüfen.“
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Die Anlagen von Angkor Wat – eine Aufnahme der Nasa
Foto: AFP
Ruinen erst Mitte des 19. Jahrhunderts entdeckt
Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die Ruinen der tief im Dschungel liegenden Tempel
von Angkor entdeckt, als der französische Naturforscher und Zeichner Henri Mahout die heutigen Länder Kambodscha, Thailand und Laos erkundete. 1863 wurden in der französischen
Zeitschrift „Le Tour du Monde“ erstmals Bilder von dem Atlantis im Dschungel veröffentlicht.
Bis heute sind ganze Tempel, wie zum Beispiel Angkor Thom von riesigen Bäumen überwuchert und ein großer Teil der Kunstschätze, Skulpturen und Reliefs sind seit der Entdeckung
von Angkor Wat verloren gegangen, vor allem durch Kunsträuber, die die Kulturgüter außer
Landes schafften und an Sammler in aller Welt verkauften. 1992 wurde Angkor Wat in die
Unesco-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.
B. Musch-Borowska, ARD Singapur
24.12.2007
Die neuen Gesichter der alten Götter
Auf Stippvisite beim Langzeitprojekt GACP in Angkor Wat
Einheimische nennen ihn bewundernd den »Chef von Angkor Wat«: Dr. Hans
Leisen, Professor am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissen-
schaften der Fachhochschule Köln. Vor zehn Jahren hat Hans Leisen das German Apsara Conservation Project (GACP) initiiert. Die Kanzlerin der FH, Dr.
Gisela Nagel, zieht nach ihrem Besuch in Kambodscha Bilanz
Sendungen im Fernsehen, eine Ausstellung in Bonn und im Martin-Gropiusbau in Berlin,
zahlreiche Zeitungsartikel und Interviews: das German Apsara Conservation Project genießt
seit seiner Gründung vor zehn Jahren viel Aufmerksamkeit. Höchste Zeit also, nach Kambodscha zu fliegen und sich die weltberühmte Tempelanlage Angkor Wat (1113 – 1150) und die
Projektarbeiten vor Ort persönlich anzusehen.
Verfallene Tempel im Urwald, Götterstatuen und riesige Würgefeigen – das waren die Bilder,
die ich zu Beginn meiner Reise im Kopf hatte. Die Geschichte und Kultur des Khmer-Volkes
wurde mir dann aber erst über die fachkundigen Führungen vor Ort und die Kontakte mit der
einheimischen Bevölkerung nähergebracht. Auch die unterschiedlichen Facetten des Projekts
und die Schwierigkeiten bei der Projektarbeit hätte ich so nie am »grünen Tisch« kennen lernen können.
Prof. Hans Leisen (rechts) erklärt Kanzlerin Dr. Gisela Nagel die vielen Facetten des seit zehn Jahre
laufenden Projekts
Der größte Teil der finanziellen Förderung erfolgt durch das Auswärtige Amt unter dem Gesichtspunkt »Kulturerhalt«. GACP beinhaltet aber noch wesentlich mehr Aspekte. Da wäre
natürlich an erster Stelle die internationale Forschung zu nennen. Wissenschaftliche Untersuchungen führten und führen zu Erkenntnissen über die Bausteineigenschaften, die Klimabedingungen am Tempel, die schädigenden Einflüsse sowie das Schadensausmaß und ermöglichten es, besondere Konservierungsmaterialien für den Tempel und seine Gesteine zu entwickeln. Konservierung und Pflege erfolgen seitdem auf der Grundlage dieser Forschungsergebnisse. Alles wird sorgfältig dokumentiert und in Datenbanken gespeichert.
Aber auch Ausbildung und Lehre haben einen hohen Stellenwert. Vor Ort sind Theorie und
Praxis ideal verknüpft. Ausgebildet werden sowohl kambodschanische Restauratoren (inzwischen 23) für die Konservierungsarbeiten als auch Studierende für die Planung; hinzu kommen Computerspezialisten für die Dokumentationen. Bereits über 70 Studierende konnten im
Rahmen von Praxissemestern und Diplomarbeiten von der Projektarbeit profitieren. Zwei
Studentinnen unserer Hochschule, die seit sechs Monaten in Kambodscha sind, habe ich persönlich kennengelernt. Mit großer Energie und Freude arbeiten sie zusammen mit dem
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Khmer-Team auf den Gerüsten am Tempel – bei großer Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit sicher keine einfache Arbeit. Schwindelfrei sollte man auch noch sein.
Leidiges Thema Finanzierung
Die Arbeiten an den Reliefs und Steinfiguren müssen zurzeit in einer gewissen Höhe enden.
Um auch oberhalb davon arbeiten zu können, werden spezielle Gerüste benötigt, für deren
Anschaffung (Kosten ca. 150.000 € ) leider das Geld fehlt. Das ist umso bedauerlicher, wenn
man sieht, mit welchen High-Tech-Gerüsten beispielsweise das japanische Team am Nachbartempel ausgestattet ist. Vielleicht lässt sich doch noch ein Sponsor finden.
Geldsorgen binden sehr viel Energie. Starke Nerven, Humor und Einfallsreichtum sind unumgänglich, wenn ein Projekt über so viele Jahre hinweg stabil gehalten werden soll. Um die
Unterkunftskosten gerade auch für die Studenten möglichst niedrig zu halten, wurde ein kleines Haus mitten in Siem Reap angemietet. Das Logo der Fachhochschule ist gut sichtbar auf
einer Tafel vor dem Eingang angebracht.
Fast 30 Arbeitsplätze für Einheimische hat Hans Leisen geschaffen, obwohl das Jährlichkeitsprinzip der finanziellen Förderung durch das Auswärtige Amt die Planung der laufenden Gehälter nicht einfach macht. Es wäre wirklich wünschenswert, wenn dieses gut ausgebildete
Restauratorenteam vor Auslaufen der Projektförderung in die kambodschanische Behörde integriert würde.
Die in Stand gesetzten Statuen in den Tempeln werden von den Khmer wieder genutzt
Mit der Koordination der Arbeiten auf der größten Restaurierungsbaustelle der Welt hat die
kambodschanische Regierung jedoch Mühe. Mehr als 100 größere Tempel verteilen sich über
eine Fläche von rund 400 Quadratkilometern. Viele nationale und internationale Arbeitsgruppen arbeiten gemeinsam mit der UNESCO und der Apsara-Behörde am Erhalt dieser 1992
zum Weltkulturerbe erklärten Denkmäler. Nur durch diese Arbeiten konnte sich der Tourismus im Land entwickeln und die Wirtschaft in Schwung kommen.
Gefördert wird auch das Image der Fachhochschule Köln. Das lässt sich allein an der Zahl der
Gäste im GACP-Haus und der Besucher im neuen Info-Center am Tempel ablesen. Noch keine Woche im Amt kündigte sich bereits der neue deutsche Botschafter für einen Besuch bei
Hans Leisen an. Abgeordnete aus Berlin, der Direktor des Victoria & Albert-Museums London, Kollegen anderer Unis und demnächst auch die Frau des Bundespräsidenten: sie alle interessieren sich für die Restaurierungsarbeiten in Angkor.
Mit den restaurierten Gottheiten und Statuen kam auch die Khmer-Bevölkerung in die Tempelanlagen zurück. Zahlreiche Statuen sind geschmückt, kleine Opfergaben werden dargebracht, Räucherstäbchen angezündet. Ich bin richtig stolz auf den Beitrag unserer Hochschule
zur Kulturförderung. So etwas gelingt aber auch nur, wenn man mit der nötigen Sensibilität,
Respekt und einer großen Begeisterung für das Land, die Menschen und deren Kultur vor-
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geht. Der Chef von Angkor Wat besitzt all diese Eigenschaften. Es ist zu wünschen, dass seine Energie der Hochschule noch lange erhalten bleibt.
Dr. Gisela Nagel
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