Harder, Jacob

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Harder, Jacob
Aufbau und Arbeitsweise des Instituts für
Lehrerbildung in Filadelfia, Paraguay
Jacob Harder
Unser Auftrag
Nach einer Darstellung der Anfänge, der geschichtlichen Entwicklung und der Bedeutung des Instituts für Lehrerbildung (IfL) ist es wichtig, den Aufbau und die Arbeitsweise des Instituts in der heutigen Form zu beschreiben. Ich verzichte dabei
auf Vollständigkeit und werde lediglich anhand von Kurzinformationen, Übersichten
und Statistiken seine Funktions- und Wirkungsweise veranschaulichen.
Unser Auftrag ist die Aus- und Fortbildung von Deutschlehrern für deutschsprachige Siedlerschulen in Paraguay und andere Schulen mit Deutsch als Fremdsprache.
Kurzinformationen
Das Institut für Lehrerbildung der Mennoniten in Paraguay ist eine private, jedoch
staatlich anerkannte bilinguale Bildungsinstitution, in der Studentinnen und Studenten mit guten Deutsch- und Spanischkenntnissen zu Primarschullehrerinnen
und -lehrern ausgebildet werden. Die Absolventen erhalten die Berechtigung, sowohl in deutsch- als auch in spanischsprachigen Schulen zu unterrichten. Das Institut vertritt eine christliche Wertorientierung:
-
Studienrichtung: Primarschullehrer/in
-
Ausbildungsdauer: 3 Jahre
-
Unterrichtssprachen: Deutsch und Spanisch
-
Unterrichtsfächer: Pädagogik, Didaktik, Psychologie, Philosophie, Soziologie
-
Folgende Fächer werden als Fachdidaktik unterrichtet: Deutsch, Spanisch, Guaraní,
Mathematik, Religion, Erdkunde, Geschichte, Sozialkunde, Naturwissenschaft, Gesundheitslehre, Musik, Kunst, Sport
-
Unterrichtspraktika erfolgen im Wochenblock. Arbeitsgemeinschaften, Projekte, Studienreisen und ein Deutschlandpraktikum gehören zur Ausbildung
-
Aufnahmebedingungen: Gute Deutsch- und Spanischkenntnisse
-
Abschlusszeugnis der Sekundarschule, Eintrittsexamen
-
Ausstattung: Bibliotheksbestand mit 14.000 Büchern, Audiovisuelle Medien und Computerraum, Labor
-
Junglehrerseminar: Zweijährige theoretisch-praktische Ausbildung für Berufsanfänger
-
Lehrerfortbildung: Bildungsangebote für Lehrer im Dienst.
Lehrerausbildung in Paraguay und am Institut für Lehrerbildung
Wie fügt sich das Institut mit seiner besonderen Form der Lehrerausbildung ein in das
staatliche Lehrerbildungssystem? Folgende Übersicht soll das zeigen (vgl. Abb. 1):
Modalidad/Ausbildungsart
1. Instituto de Formación Docente / Institut
für Lehrerausbildung
Profesor de Educación Inicial Vorschulerziehung
a) Profesor de Educación Escolar Básica
Lehrer der Primarschule
b) Profesor de Educación Escolar Básica
con Especialización
Años/Jahre
3
Habilitación/Berechtigung
Educación Preescolar
Vorschule, Kindergarten
3
3+1
EEB 1º y 2º Ciclo
Primaria 1.-6. Schuljahr
EEB 3º Ciclo
Sekundaria 7.-9. Schuljahr
Fachlehrer für die Sekundarstufe I
c) Profesor de Educación Media
3
Fachlehrer für die Sekundarstufe II
2. Instituto Superior de Educación
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Licenciatura en Ciencias de la Educación
Studienabschluss in
Erziehungswissenschaften
3. Curso de Habilitación Pedagógica para
Egresados Universitarios
Nivel Medio
Sekundaria 10.-12. Schuljahr
Especializaciones: Evaluación,
Orientación, Gestión, Didáctica,
etc.
Tätigkeit in Spezialbereichen
von Schule und Bildung
1–2
EEB 3º Ciclo y Nivel Medio
Sekundaria 7.-12. Schuljahr
Pädagogisches Zusatzstudium für Absolventen der Universität
Abbildung 1: Lehrerausbildung in Paraguay
Das IfL gehört im staatlichen System zu der in Punkt 1b aufgeführten dreijährigen
Ausbildung der Institutos de Formación Docente. Das Besondere daran ist die bilinguale Ausbildung, bei der Deutsch eher als Muttersprache angesehen wird.
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Eine Trägerschaft – drei Herren
Das Institut für Lehrerbildung kann man mit einem Haus auf drei Säulen vergleichen.
Jede Säule vertritt ein spezielles Interesse und liefert die Bausteine dafür. Das gemeinsame Interesse ist die Lehrerbildung. Die drei Säulen mit ihrer jeweils prägenden
Kraft sind die Mennonitenkolonien als Trägerschaft, die Zentralstelle für Auslandschulwesen und das paraguayische Ministerio de Educación y Cultura (vgl. Abb.2).
Alle haben ein gemeinsames Ziel, wollen aber im Institut auch ihre besonderen
Ziele verwirklicht sehen. Die Trägerschaft möchte einen mennonitischen Lehrer, die
Zentralstelle einen Deutschlehrer und das Ministerium einen in Paraguay integrierten
Lehrer. Diese Interessen konkurrieren auch gelegentlich miteinander, und eine Zusammenarbeit der drei kann man als positive Leistung werten.
InsInstituto
tituto
de Fde
ormación
Docente
Formación Docente
Colonias
Mennonita
deaslas
Colonias Mennonitas del Paraguay s del
Paraguay
Institut
Lehrerbildung
Institut fürfür
Lehrerbildung
Alemania / Deutschland
Colonias Menonitas
Paraguay - MEC
Mennonitenkolonien
Departamento de
Embajada / Botschaft
Fernheim, Friesland
Formación Docente
Idioma y Cultura Alemanas
Menno, Neuland
Volendam
Deutsche Sprache und
Kultur
Religión y Cultura Menonita
Idioma Español y
Cultura Paraguaya
Ayuda Financiera
Glaube und Kultur
der Mennoniten
Docentes
Bauten und Einrichtungen
Legaler Rahmen
Medios Financieros
Curriculum / Programas
Administración
Capacitaciones
Finanzielle Förderung
Infraestructura
Auslandsdienstlehrkräfte
Material Didáctico
Lehrmittel
Tecnología Didáctica
y Pedagógica
Aktuelle Pädagogik
und Didaktik
Finanzierung
Verwaltung
Personal / Docentes
Personal / Lehrkräfte
Sprache und Kultur
Paraguays
Garantía Legal
Lehrprogramm
Fortbildungen
Supervisión
Staatliche Überwachung
Abbildung 2: Trägerschaft des Instituts für Lehrerbildung
3
Stellenwert der deutschen Sprache am IfL
Die deutschstämmigen Siedler der Trägerschaftskolonien sprechen hauptsächlich Deutsch. In Schule und Kirche spricht man grundsätzlich Hochdeutsch, in
der Familie und auf der Straße überwiegend Plattdeutsch. Deshalb erhält die
deutsche Sprache auch im Institut einen sehr hohen Stellenwert. Welche Rolle
sie in der Ausbildung spielt, sehen wir in folgender Übersicht:
a) Deutsch als Unterrichtsfach (Deutsch als Muttersprache): 4 Wochenstunden 1. bis 3.
Ausbildungsjahr
b) Förderunterricht Deutsch:2 Wochenstunden 1. bis 3. Ausbildungsjahr
c) Zur Verbesserung der sprachlichen Leistung:
-
Deutschsprachiger Fachunterricht
-
Unterrichtspraktika in deutschsprachigen Schulen
-
Deutschlandpraktikum
-
Deutschsprachige Bücher und Zeitschriften
-
Deutsch und Plattdeutsch als Umgangssprache
-
Deutschsprachige Veranstaltungen
-
Singspiel, z.B. „Der Rattenfänger von Hameln“
-
Institutsgottesdienst
-
tägliche Morgenandacht von 8:30 bis 8:45 Uhr
-
außerordentliche Veranstaltungen am IfL (Seminartreff, Aufnahme der „Neuen“,
Projektpräsentationen, Tag des Lehrers, Studienfahrten etc.)
Die unterrichtspraktische Ausbildung
Unterrichtshospitationen und Praktika für die Studenten des IfL finden im Wochenblock statt. Im ersten Kurs wird für eine enge Verbindung zwischen Pädagogik, Didaktik und Hospitationspraktikum gesorgt. Schulerkundungs- und Hospitationsberichte im ersten Halbjahr sowie erste Unterrichtsversuche im zweiten
Halbjahr ermöglichen eine Transferleistung zwischen Theorie und Praxis. Im
zweiten Jahr beginnen dann die eigentlichen Praktika. Der Student bereitet
nach einem vorgeschriebenen Planungsentwurf (Thema, Sachanalyse, didaktische Analyse, Unterrichtsziele, Verlaufsplan etc.) seine Stunden vor und hält
diese. Mentoren der Praktikumsschule begleiten, beraten und evaluieren die
Unterrichtsstunden. Etwa 10-12 Stunden pro Student werden im Laufe des gesamten Studiums von Fachdozenten des Instituts besucht und benotet.
4
Sem
1
1. Kurs
2. Kurs
3. Kurs
Schulerkundung in der Heimatschule:
3 Tage
Unterrichtspraktikum
spanischsprachig:
2 Wochen;
täglich 2 Stunden
planen und halten
Hospitationspraktikum
deutschsprachig:
1 Woche
Hospitationsberichte
Unterrichtspraktikum
deutschsprachig
1 Woche;
täglich 1-2 Stunden
planen und halten
2
Total
Hospitationspraktikum
deutschsprachig:
1 Woche;
Unterrichtsstunden in Gruppen planen und halten:
1 Stunde pro Tag; Hospitationsberichte
Unterrichtspraktikum
deutschsprachig:
2 Wochen;
täglich 2 Stunden planen und halten
2 ½ Wochen
3 Wochen
Unterrichtspraktikum
deutschsprachig
2 Wochen;
Doppelklassen
täglich 2 Stunden
planen und halten
4 Wochen
Abbildung 3: Unterrichtspraktika – Übersicht
Das berufsbegleitende Studienseminar
Nach der dreijährigen Berufsausbildung erhalten die Absolventen ihr Lehrerdiplom und finden in der Regel eine Anstellung an einer deutschsprachigen Schule. Am Institut ist für diese Junglehrer ein berufsbegleitendes Studienseminar,
auch ’Junglehrerseminar’ genannt, eingerichtet worden. Daran nehmen alle
Junglehrer der Mennonitenschulen teil. Inhaltlich orientiert sich das Junglehrerseminar eher an den Bedürfnissen der Absolventen des IfL, aber auch Abgänger aus anderen Instituten und auch Sekundarlehrer, die von der Universität in
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Asunción kommen, werden angehalten, das Studienseminar zu besuchen. Das
Junglehrerseminar teilt sich in drei Regionalseminare, davon wird eines in Filadelfia, eines in Loma Plata und eines in Asunción geführt.
Das Studienseminar am IfL ist in Paraguay etwas Besonderes und Einmaliges. Zwar war das so genannte Programa de Seguimiento schon bei der Reform der Lehrerausbildung 1974 vorgesehen, wurde aber nie praktisch umgesetzt. Seit 1990 und nicht zuletzt als eine Innovation von Seiten deutscher Auslandsdienstlehrkräfte wurde es für die Junglehrer der Mennonitenschulen eingeführt.
Das Junglehrerseminar:
Organisation und Leitung:
-
Regionalseminar Menno
-
Regionalseminar Fernheim – Neuland – ASCIM
-
Regionalseminar Concordia – Friesland
-
Regionalseminarleiter ist in der Regel ein Dozent des IfL
-
Studienseminarleiter ist der Institutsleiter
Inhaltlicher Ablauf:
1. Jahr
-
3 benotete Unterrichtsbesuche durch Regionalleiter
-
7 Halbtagsseminare der Regionalseminare
-
1 zentrales Seminar (ganztägig)
-
Beratungsgespräche mit Junglehrern und Mentoren
2. Jahr
-
3 benotete Unterrichtsbesuche durch Regionalleiter
-
7 Halbtagsseminare der Regionalseminare
-
1 zentrales Seminar (ganztägig)
-
Beratungsgespräche mit Junglehrern und Mentoren
-
Zulassungsarbeit: Schriftliche Darlegung einer Unterrichtseinheit
-
Mündliche Abschlussprüfung in 2 Unterrichtsfächern
-
Abschlusszeugnis / Zertifikat
Erfolg der Deutschlehrerausbildung – Daten und Fakten
Als die Mennoniten im Jahre 1940 die Lehrerausbildung mit dem „Pädagogischen Kursus“ begannen, ging es um ’eigene Lehrer’ für die ’eigenen Schulen’
Das taten sie nach einem Modell, das sie aus ihren Siedlungen in Südrussland
kannten. Sicher hat sich im Laufe der Jahre, im Zuge der Integrationsbestrebungen und durch die Zusammenarbeit mit Deutschland vieles am Konzept
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verändert. Man hat sich darauf eingestellt, paraguayische Studienpläne und
aktuelle deutsche Pädagogik im Lehrprogramm ernst zu nehmen und sich für
den Deutschlehrernachwuchs in ganz Paraguay einzusetzen. Allerdings gibt es
nach wie vor einen starken Hang zur kulturellen Eigenständigkeit und den
Wunsch zur Erhaltung religiöser Werte. Eine gute Lehrerausbildung und eigene
Privatschulen garantieren weitgehend diesen besonderen way of life der Mennoniten. Mit welchem Erfolg diese Ziele durch die Jahre verfolgt wurden, lässt
sich in den folgenden Schaubildern ablesen (Abb. 4-7).
Instituto de Formación Docente
de las Colonias M ennonitas del Paraguay
Anm eldungen 1974 - 2005
60
50
Frauen
M änner
40
Anzahl
36
33
43
26
30
27
20
22
30
15
25
23
26
27
26
30
31
15
18
20
22
15
12
4
16
22
23
16
14
8
27
14
13
10
17
3
5
12
11
11
11
12
10
9
9
11
8
5
19
16
16
15
17
16
12
11
7
9
13
18
19
18
16
12
9
8
5
0
St udiendauer: 2 Jahre
Jahr
St udiendauer 3 Jahre
Abbildung 4: Anmeldungen 1974 – 2005
7
35
30
Frauen
25
Männer
20
Anzahl
20
15
10
7
15
9
10
11
10
17
8
13
9
8
8
3
4
9
0
5
4
7
6
4
3
11
10
8
7
5
6
10
8
5
6
3
4
4
1984
1985
6
14
6
4
2
7
10
7
5
11
8
8
13
7
5
4
2
6
6
7
5
4
2
0
0
1
0
1975
1976
1977
1978
1979
1980
1981
1982
1983
1986
1987
1988
1989
1990
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001 2002
2003
2004
Jahr
Abbildung 5: Absolventen 1974 – 2005
Herkunft
119
12
164
39
19
0
Ort
Trägergemeinschaften
Fernheim
Friesland
Menno
Neuland
Volendam
Yalve Sanga
Einsätze
99
13
184
35
13
23
(Indianersiedlung)
8
Asunción
50
42
Ostparaguay (ohne Asunción,
Friesland und Volendam)
37
12
Ausland
16
Abbildung 6: Herkunft und Einsatzort 1974-2004
8
2005
Abbildung 7: Tätigkeit aller Absolventen im Jahre 1999
(nach 25 Jahren der Lehrerbildung auf Institutsniveau)
Sekundarlehrer
7%
Soziale Dienste und
Verwaltung
Keine Daten
9%
1%
Hochschulstudium
7%
Primarlehrer
47%
Kirchliche Dienste
3%
Hausfrau
26%
Abbildung 7: Tätigkeit aller Absolventen im Jahre 1999
Das Finanzierungssystem des Instituts
Das Institut für Lehrerbildung gehört zu den teuersten Bildungsinstitutionen in Paraguay. Der Anspruch an die Infrastruktur ist relativ hoch, die Dozenten werden gut
bezahlt und die Studentenzahl ist relativ klein. Die Kosten des Instituts nur über Studiengebühren zu finanzieren, wäre unmöglich. Im Laufe der Jahre ist ein System zur
Deckung von Betriebs- und Investitionskosten vereinbart worden, bei dem die Zentralstelle für das Auslandschulwesen in Köln 50 Prozent der Kosten deckt, die anderen 50 Prozent gehen zu Lasten der Studenten und der Trägerschaft.
Absolventen damals und heute
Vom ersten ’Pädagogischen Kursus’ über das ’Lehrerseminar’ der sechziger
Jahre bis zum heutigen Institut für Lehrerbildung sind 65 Jahre vergangen. In
den ersten 15 Jahren gab es einige Unterbrechungen wegen nationalsozialisti9
schen Auseinandersetzungen und dann wegen Lehrermangel. Seit 1955 aber
werden am Institut ununterbrochen und gemäß unserem Auftrag Deutschlehrer
für Paraguay ausgebildet. Diese Aufgabe ist und bleibt eine wichtige Herausforderung des paraguayischen Ministerio de Educación y Cultura, der mennonitischen Trägerschaft und der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen.
Literatur
WARKENTIN, Jakob. Die deutschsprachigen Siedlerschulen in Paraguay im
Spannungsfeld staatlicher Kultur- und Entwicklungspolitik. Münster / New York /
Berlin, Waxmann 1998.
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