Persönliche PDF-Datei für Harbeck N., Marschner N

Transcrição

Persönliche PDF-Datei für Harbeck N., Marschner N
Persönliche PDF-Datei für
Harbeck N., Marschner N., Untch M., Decker T., HegewischBecker S., Jackisch C., Huober J., Lück H. J., von
Minckwitz G., Scharl A., et al.
Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag
www.thieme.de
2. Internationale Konsensuskonferenz zum fortgeschrittenen
Mammakarzinom (ABC2), Lissabon, 09.11.2013 – ABC2-Konsensus: Bewertung durch eine
deutsche Expertengruppe
Senologie 2014; 11: 30–36
Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt.
Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung
in Repositorien.
Verlag und Copyright:
© 2014 by
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14
70469 Stuttgart
ISSN 1611-6453
Nachdruck nur
mit Genehmigung
des Verlags
30
Wissenschaftliche Arbeit
2. Internationale Konsensuskonferenz zum fortgeschrittenen
Mammakarzinom (ABC2), Lissabon, 09.11.2013 – ABC2-Konsensus:
Bewertung durch eine deutsche Expertengruppe
Second International Consensus Conference on Advanced Breast Cancer (ABC2),
Lisbon, November 9, 2013 – ABC2-Consensus: Evaluation by a
German Group of Experts
Autoren
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Institute
b
N. Harbeck1, N. Marschner2, M. Untch3, T. Decker4, S. Hegewisch-Becker5, C. Jackisch6, J. Huober7, H. J. Lück8,
G. von Minckwitz9, A. Scharl10, A. Schneeweiss11, H. Tesch12, A. Welt13, R. Würstlein14, C. Thomssen15
Die Institutsangaben sind am Ende des Beitrags gelistet.
Schlüsselwörter
Zusammenfassung
Abstract
"
!
!
Vom 7. bis 9. November 2013 fand in Lissabon die
zweite internationale Konsensuskonferenz ABC2
(Advanced Breast Cancer Second Consensus) zu Diagnostik und Behandlung des fortgeschrittenen
Mammakarzinoms statt. Der inhaltliche Schwerpunkt lag auf dem inoperablen lokal fortgeschrittenen Mammakarzinom. Diagnostik und Therapie
des metastasierten Mammakarzinoms waren bereits vor zwei Jahren anlässlich des ABC1-Konsensus diskutiert worden und wurden im Rahmen des
diesjährigen ABC2-Konsensus nur in einzelnen
Fragestellungen aktualisiert. Wie schon vor zwei
Jahren hat eine Arbeitsgruppe deutscher Brustkrebsexperten die Abstimmungsergebnisse der
ABC-Panelisten unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Leitlinien zu Diagnostik und
Therapie des Mammakarzinoms (AGO-Empfehlungen, S3-Leitlinie) [1, 2] mit Blick auf den Therapiealltag in Deutschland kommentiert. Ziel sowohl
des ABC-Konsensus als auch der deutschen Kommentierung ist es, eine evidenzbasierte Grundlage
für die Therapieentscheidung zu schaffen.
The Advanced Breast Cancer Second International
Consensus Conference (ABC2) on diagnosis and
treatment of advanced breast cancer took place in
Lisbon, Portugal, from November 7th to 9th, 2013.
The focus of the Conference was inoperable, locally
advanced breast cancer. Diagnosis and treatment
of metastatic breast cancer had already been discussed two years ago at the ABC1 Consensus and
were updated only regarding special issues as part
of this year’s ABC2 Consensus. Like two years ago, a
working group of German breast cancer experts
commented on the voting results of the ABC panelists, with special consideration of the German
guidelines for diagnosis and treatment of breast
cancer (AGO [German Gynecological Oncology
Working Group] recommendations, S3 Guideline)
[1, 2] in order to adapt them for daily clinical practice in Germany. The goal of both the ABC Consensus and the German comments is to facilitate evidence-based therapy decisions.
Einleitung
Ziel des ABC-Konsensus ist es, die Versorgungssituation der Patientinnen mit lokal fortgeschrittenem bzw. metastasiertem Mammakarzinom
international zu vereinheitlichen und zu standardisieren. Inhaltlich stand beim diesjährigen
ABC2-Konsensus das inoperable lokal fortgeschrittene nicht-fernmetastasierte Mammakarzinom (Stadium IIIB/C) im Fokus. Empfehlungen
zu Diagnostik und Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms (Stadium IV) waren bereits im Rahmen der ersten ABC1-Konensuskonferenz im November 2011 in Lissabon erarbeitet
worden [3]. Einzelne Fragestellungen zur metastasierten Situation wurden aktualisiert.
Das ABC2-Panel bestand aus 41 Experten aus 20
" Abb. 1), darunter zwei Vertreter aus
Ländern (●
● lokal fortgeschrittenes
●
●
"
"
Mammakarzinom
LABC
metastasiertes
Mammakarzinom
Key words
● locally advanced
"
breast cancer
● LABC
● metastatic breast cancer
"
"
Erstpublikation in englischer
Sprache
Breast Care 2014; 9: 52–59
Anmerkung
Das Treffen der deutschen
Experten in Lissabon wurde
von der Firma Celgene GmbH
unterstützt. Für die redaktionelle
Begleitung der Manuskripterstellung danken wir BirgitKristin Pohlmann, Nordkirchen.
Die finale Freigabe der Inhalte
des Manuskriptes lag in alleiniger
Verantwortung der Autoren.
Bibliografie
DOI http://dx.doi.org/
10.1055/s-0034-1366100
Senologie 2014; 11: 30–36
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York ·
ISSN 1611-6453
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. med. Nadia Harbeck
Brustzentrum der Universität
München (Standorte:
Großhadern und Maistrasse)
Marchionini Str. 15
81377 München
!
Veranstalter der Konsensuskonferenzen zum fortgeschrittenen und metastasierten Mammakarzinom ABC (= Advanced Breast Cancer Second Consensus) ist die „European School of Oncology“
(ESO). Die Empfehlungen des diesjährigen zweiten ABC-Konsensus mit Fokus auf dem lokal fortgeschrittenen Mammkarzinom werden in Abstimmung mit verschiedenen internationalen
Fachgesellschaften, der ESMO (European Society
of Medical Oncology), der EUSOMA (European
Society of Mastology), der FLAM (Federacion Latino-americana de Mastologia) und der SIS (Senologic International Society) Anfang 2014 in dem
Fachjournal „The Breast“ publiziert.
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Wissenschaftliche Arbeit
b
ABC2-Konsensus-Panelisten in Lissabon.
Deutschland (Nadia Harbeck, Christoph Thomssen). Da bei jeder
Therapieentscheidung neben der evidenzbasierten Datenlage
auch individuelle Kriterien (z. B. Präferenz der Patientin, Komorbiditäten, Vorbehandlung, Tumorbiologie, Krankheitslast)
berücksichtigt werden müssen, stimmen die ABC-Panelisten
bewusst nicht über einzelne Substanzen oder Therapiesequenzen ab. Ziel ist es vielmehr, eine Grundlage für eine individuelle,
evidenzbasierte Therapieentscheidung zu schaffen. Die zur Abstimmung gestellten Statements wurden von den Panelisten
mit „ja“ (Zustimmung), „nein“ (Ablehnung) oder „Enthaltung“
bewertet. Da das Abstimmungsergebnis auf der Meinung von
Experten unterschiedlicher Fachbereiche basiert, die aus Ländern mit unterschiedlichen Gesundheitssystemen und Ressourcen kommen, erscheint es sinnvoll, die Abstimmungsergebnisse
aus deutscher Sicht zu kommentieren und für den klinischen
Alltag in Deutschland zu konkretisieren.
Inoperables, lokal fortgeschrittenes Mammakarzinom
(LABC)
Der erste Teils des ABC2-Meetings fokussierte auf Diagnostik und
Behandlung des inoperablen, lokal fortgeschrittenen Mammakarzinoms (LABC). Die deutschen Experten weisen darauf hin, dass
Patientinnen mit inoperablem, lokal fortgeschrittenem Mammakarzinom (keine Fernmetastasen) eine potentielle Heilungschance
haben, weshalb in dieser Situation die Standardtherapien für die
Behandlung des primär operablen Mammakarzinoms zu berücksichtigen sind. Jede Patientin sollte prätherapeutisch in einem
multidisziplinären Tumorboard besprochen werden.
Allgemeine Aspekte zur Diagnostik
Eine hohe Übereinstimmung der ABC2-Panelisten zeigte sich bei
den allgemein gehaltenen Statements zur Diagnostik des inoperablen LABC: Als Basis für eine adäquate Therapieentscheidung
empfehlen die ABC2-Panelisten in Übereinstimmung mit den
deutschen Experten, vor Therapiebeginn eine Core- bzw. Stanzbiopsie durchzuführen, um Histologie und Biomarkerexpression
des Mammakarzinoms zu bestimmen (LoE: IB).
Patientinnen mit LABC haben ein erhöhtes Fernmetastasierungsrisiko. Vor Beginn der systemischen Behandlung empfehlen die
ABC2-Panelisten daher, zusätzlich zu Anamnese, körperlicher
Untersuchung und der Bestimmung von Laborwerten ein komplettes bildgebendes Staging inkl. Thorax, Abdomen und Knochen (LoE: IB) zu veranlassen. Stehen ein CT und/oder PET-CT
zur Verfügung, können diese, so das ABC2-Votum, im Rahmen
des Stagings eingesetzt werden (LoE: IIB).
Die deutschen Experten stimmen grundsätzlich zu, betonen aber
dass Anamnese und körperliche bzw. Laboruntersuchungen der
Bildgebung vorgeschaltet sind und dass im Rahmen der Bildgebung die traditionellen Verfahren – Röntgenthorax, Oberbauchsonografie (OBS), Skelettszintigrafie – Vorrang haben. Eine Computertomografie (CT) des Thorax und des Abdomens empfehlen
die deutschen Experten primär zur genaueren Beurteilung der
lokoregionären Tumorausbreitung. Hingewiesen wurde auch auf
die höhere Sensitivität der CT-Untersuchung bei diesen Hochrisiko-Patientinnen. Diskutiert wurde der Einsatz der neueren bildgebenden Verfahren. Die deutschen Experten einigten sich darauf, dass die neueren bildgebenden Verfahren, wie zum Beispiel
PET-CT oder Ganzkörper-MRT (WB-MRI) im Einzelfall sensitiver
sein mögen, es aber derzeit keine Evidenz gibt, dass sich durch
ihren routinemäßigen Einsatz die Prognose der Patientinnen verbessern lässt.
Allgemeine Aspekte zur Therapie
Einig waren sich die ABC2-Panelisten und die deutschen Experten, dass Patientinnen mit primär inoperablem LABC initial eine
systemische Behandlung benötigen, die der lokoregionalen Bestrahlung bzw. einem operativen Eingriff vorgeschaltet ist. Einigkeit bestand auch, dass die überwiegende Mehrheit der Patientinnen eine multimodale Behandlung benötigt, die sich aus
systemischer Therapie, Operation und lokoregionaler Bestrahlung zusammensetzt (LoE: IA). Auf eine palliative Mastektomie
sollte jedoch verzichtet werden, wenn der Tumor nach systemischer Behandlung plus Bestrahlung nach wie vor inoperabel ist.
Das gilt nicht, wenn davon auszugehen ist, dass sich durch den
operativen Eingriff die Lebensqualität der Patientin verbessern
lässt. Dabei sollte auch der Einsatz autologer Gewebelappen zur
Deckung resektionsbedingter Gewebedefekte als Option berücksichtigt werden
Alle ABC2-Panelisten stimmten überein, dass es bei vielen Patientinnen, die auf eine neoadjuvante systemische Behandlung
ohne oder mit präoperativer Bestrahlung gut angesprochen haben, möglich und sinnvoll ist, diese nachfolgend zu operieren. In
der Regel erhalten diese Patientinnen eine Mastektomie plus
Axilladissektion. Eine brusterhaltende Operation ist eine Option
für den Einzelfall. Die deutschen Experten stimmen dem zu.
Inflammatorisches LABC
Für das inflammatorische LABC gelten die gleichen Behandlungsgrundsätze wie für das nicht-inflammatorische LABC (LoE: IB).
Die deutschen Experten gehen über dieses Statement der ABC2Panelisten insoweit hinaus, als sie darauf hinweisen, dass beim
inflammatorischen Mammakarzinom die neoadjuvante (primäre) Chemotherapie Standard ist.
Laut ABC2-Votum müssen Patientinnen mit inflammatorischem
LABC in der Regel einer modifiziert radikalen Mastektomie zugeführt werden. Das gilt auch bei gutem Ansprechen auf die vorangegangene neoadjuvante Chemotherapie (LoE: IB). Die deutschen
Experten verweisen darauf, dass gemäß den AGO-Empfehlungen
[2] eine brusterhaltende Operation bei ausgewählten Patientinnen möglich sein kann. Das sind jene Patientinnen, die mit einer
pCR auf die neoadjuvante Chemotherapie angesprochen haben
und die bei Erstvorstellung nur eine geringe Hautbeteiligung aufweisen. Die deutschen Experten stimmen der ABC2-Empfehlung
für Patientinnen mit klinisch nachweisbarem Lymphknotenbefall
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Abb. 1
31
32
Wissenschaftliche Arbeit
b
zu und weisen darauf hin, dass sich die axilläre Behandlung dieser Patientinnen nach den Standards der neoadjuvanten Chemotherapie richten muss.
Einigkeit besteht unter den ABC2-Panelisten und mit den deutschen Experten, dass Patientinnen mit inflammatorischem LABC
nach Mastektomie eine lokoregionale Bestrahlung benötigen
(LoE: IB). Die sofortige Rekonstruktion der Brust nach Mastektomie wird daher von den ABC2-Panelisten nicht empfohlen (LoE:
Expertenmeinung). Davon auszunehmen ist aus deutscher Sicht
die plastische Deckung ausgedehnter Gewebedefekte, die durch
eine R0-Resektion entstehen können.
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Therapieentscheidung in Abhängigkeit von der Tumorbiologie des LABCs
Das tripel-negative LABC
Mit deutlicher Mehrheit empfehlen die ABC2-Panelisten bei
Patientinnen mit tripel-negativem inoperablem LABC (ER-, PR-,
HER2-) Anthrazyklin- und Taxan-basierte Chemotherapien als
initiale Behandlung (LoE: IA). Die deutschen Experten stimmen
zu. Bei nachgewiesener BRCA-Mutation kann auch der zusätzliche Einsatz eines Platin-haltigen Regimes erwogen werden.
schlossen werden. Aufgrund des Fehlens einer höheren pCRRate ist daher aus deutscher Sicht die simultane Gabe von Trastuzumab plus Anthrazyklin nicht gerechtfertigt [4]. Die deutschen
Experten weisen darauf hin, dass sich eine substanzielle Erhöhung der pCR-Rate durch die duale HER2-Blockade mit Trastuzumab/Pertuzumab oder Trastuzumab/Lapatinib erreichen lässt.
Östrogenrezeptor(ER)-positives LABC
Für Patientinnen mit hormonsensiblem (ER-positivem) LABC stehen grundsätzlich sowohl die Anthrazyklin-/Taxan-basierte Chemotherapie als auch eine rein endokrine Behandlung als Therapieoption zur Verfügung (LoE: IA). Die Entscheidung muss in
Abhängigkeit von der individuellen Situation der Patientin (Allgemeinzustand, Komorbiditäten, Präferenz) und den Tumorcharakteristika (Grading, Biomarkerexpression) getroffen werden.
Die deutschen Experten ergänzen, dass auch der Menopausenstatus der Patientin bei der Therapieentscheidung zu berücksichtigen ist, und weisen darauf hin, dass die alleinige endokrine Behandlung Einzelfallsituationen vorbehalten ist, z. B. bei klinisch
relevanter Komorbidität. Um die Chance auf eine potentielle Kuration zu wahren, ist der Einsatz einer Chemotherapie meist unerlässlich, betonen die deutschen Experten.
BRCA-mutiertes metastasiertes Mammakarzinom
In einer separaten Abstimmung zum BRCA-mutierten metastasierten Mammakarzinom befürworteten die ABC2-Panelisten
den Einsatz einer Platin-haltigen Therapie außerhalb klinischer
Studien bei Patientinnen mit entweder endokrin-resistentem
oder tripel-negativem Karzinom, sofern diese bereits mit Anthrazyklinen und Taxanen vorbehandelt sind (adjuvant oder metastasiert) (LoE: IC). Die ABC2-Panelisten weisen darauf hin, dass
PARP-Inhibitoren in klinischen Studien eine gute Wirksamkeit
bei BRCA-mutierten Mammakarzinomen gezeigt haben. Unabhängig davon, so die ABC2-Panelisten, gelten jedoch derzeit für
das BRCA-mutierte metastasierte Mammakarzinom die Therapieempfehlungen zum sporadisch metastasierten Mammakarzinom. Die deutschen Experten stimmen dem zu, empfehlen aber
für besagte Patientinnen die Teilnahme an klinischen Studien,
sobald PARP-Inhibitoren zur Verfügung stehen.
HER2-positives LABC
Zur Behandlung von Patientinnen mit HER2-positivem inoperablem LABC empfehlen die ABC2-Panelisten mehrheitlich die simultane Behandlung mit Taxanen und einer anti-HER2-gerichteten Substanz, da die simultane Gabe mit einer höheren Rate
pathologisch bestätigter Komplettremissionen (pCR) einhergeht
(LoE: IA). Die deutschen Experten stimmen mit dem Hinweis zu,
dass dies den deutschen Empfehlungen entspricht [1, 2].
Erhält die Patientin zusätzlich ein Anthrazyklin, sollte dies sequentiell in das Regime integriert werden (LoE: IA). Bei simultaner Gabe von HER2-gerichteter Medikation und Anthrazyklinen
wird die pCR-Rate nicht erhöht, das Risiko für kardiale Nebenwirkungen nimmt dagegen zu [LoE: IB).
Auch die deutschen Experten empfehlen, Anthrazykline (in der
Regel in Kombination mit Cyclophosphamid) grundsätzlich sequenziell zur Taxan/Trastuzumab-haltigen Therapie einzusetzen.
Die deutschen Experten begründen dies mit dem erhöhten Risiko
für kardiale Toxizitäten unter gleichzeitiger Gabe des Anthrazyklins mit Trastuzumab. Auch wenn in den neoadjuvanten klinischen Studien die simultane Gabe von Trastuzumab plus Anthrazyklin (z. B. ACOSOG Z1041, GeparQuattro, NOAH) bislang keine
klinisch relevant erhöhte Kardiotoxizität induzierte, kann dies
beim routinemäßigen Einsatz im klinischen Alltag nicht ausge-
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Spezielle Situationen beim metastasierten
Mammakarzinom
Lebermetastasen im Fokus
Die Frage, ob und wann Patientinnen mit Lebermetastasen von
lokalen Therapiemaßnahmen profitieren, lässt sich nicht generell
beantworten. Die ABC2-Panelisten stimmten mehrheitlich darin
überein, dass dringend prospektive klinische Studien notwendig
sind, da bislang nur für einzelne selektierte Patientengruppen
evidenzbasierte Daten vorliegen. Grundlage der Therapieentscheidung muss daher, so das übereinstimmende Votum der
ABC2-Panelisten, das in einem interdisziplinär zusammengesetzten Team (Tumorboard) besprochene Vorgehen sein. Besteht die
Möglichkeit einer Studienteilnahme, ist diese zu präferieren.
Vor diesem Hintergrund sind lokale Maßnahmen derzeit nur Optionen für den Einzelfall. Voraussetzungen sind ein guter Allgemeinzustand der Patientin, eine begrenzte Metastasierung in
der Leber sowie keine bzw. gut kontrollierbare extra-hepatische
Läsionen. Unklar ist derzeit in Ermangelung entsprechender Daten, welche lokale Maßnahme ggfs. jeweils am besten geeignet
ist (LoE: Expertenmeinung). Die deutschen Experten stimmen
dem ABC2-Statement zu. Im Einzelfall können auch nicht-chirurgische, lokal ablative Verfahren in Frage kommen, wie zum Beispiel die Laser-induzierte Thermotherapie (LITT), die Selektive
Interne Radiotherapie (SIRT), die Transarterielle perkutane Chemo-Embolisation (TACE) oder die Radiofrequenz-Ablation (RFA).
Maligner Pleuraerguss im Fokus
Die ABC2-Panelisten votierten mehrheitlich dafür, dass Patientinnen mit malignem Pleuraerguss systemisch und lokal behandelt werden müssen. Trotz einer relativ hohen Rate falsch negativer Ergebnisse befürworten sie für diagnostische Zwecke die
Pleurapunktion (Thorakozentese). Eine Drainage empfehlen sie
bei symptomatischen Patientinnen mit klinisch relevantem (moderatem bis massivem) Pleuraerguss. Darüber hinaus können
Talcum oder zytostatische Substanzen wie z. B. Bleomycin möglicherweise hilfreich für die Pleurodese sein (LoE: 2B).
Die deutschen Experten befürworten eine palliative Pleurapunktion nur bei symptomatischen Patientinnen. Solange die Patientinnen krankheitsstabil sind, kann zunächst die alleinige lokale
Wissenschaftliche Arbeit
b
Brustwand- und lokoregionäres Rezidiv
Patientinnen mit einem Brustwand- bzw. lokoregionärem Rezidiv (mit Lymphknotenbefall) haben ein erhöhtes Risiko für eine
Fernmetastasierung. Die ABC2-Panelisten empfehlen daher ein
komplettes Re-Staging mit Abklärung von Thorax, Abdomen und
Knochen (LoE: Expertenmeinung). Die deutschen Experten stimmen dem zu, ergänzen aber in Analogie zur Situation bei Erstdiagnose, dass dem (Re-)Staging die Anamnese plus klinische Untersuchung vorausgehen muss und dass die traditionelle
Bildgebung (Röntgenthorax, Oberbauchsonografie bzw. CT sowie
Skelettszintigrafie) zunächst im Vordergrund steht (siehe oben).
Einigkeit bestand, dass Patientinnen mit Brustwand- bzw. lokoregionärem Rezidiv operiert werden sollten. Zusätzlich benötigen die Patientinnen eine lokoregionäre Bestrahlung, so sie nicht
schon vorbestrahlt sind (LoE: IB). Im Einzelfall kann jedoch auch
eine erneute Bestrahlung der Brustwand oder bestimmter Bereiche in Erwägung gezogen werden (Expertenmeinung).
Die deutschen Experten weisen darauf hin, dass im Rahmen des
operativen Eingriffs eine R0-Resektion anzustreben ist. Um dieses Ziel zu erreichen, sollte ggfs. auch eine ausgedehnte Resektion mit nachfolgender plastischer Deckung mit autologem Gewebe erwogen werden. Die deutschen Experten weisen in
diesem Zusammenhang darauf hin, dass das Tumorvolumen
auch durch den Einsatz einer präoperativen primär systemischen
Therapie verkleinert werden kann. Bei einer Re-Bestrahlung
kann eine gleichzeitige lokale Hyperthermie zu einer verbesserten lokalen Kontrolle führen. Zentren, die dieses Verfahren anbieten, stehen auf der Homepage der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG).
Die überwiegende Mehrheit der ABC2-Panelisten empfiehlt, dass
Patientinnen mit Brustwand- bzw. lokoregionärem Rezidiv im
Anschluss an eine radikale Operation und/oder Bestrahlung auch
in der Rezidivsituation eine nachfolgende systemische Behandlung erhalten sollten, um die Langzeitprognose der Patientinnen
zu verbessern (LoE: IB). Die systemische Behandlung kann aus
Chemotherapie, endokriner Behandlung und/oder anti-HER2-gerichteter Therapie bestehen. Die Wahl der systemischen Behandlung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Rezeptorstaus, der Vorbehandlung und der Dauer des krankheitsfreien
Intervalls. Die besten Ergebnisse erzielt die „sekundäre adjuvante“
Chemotherapie bei Patientinnen mit Östrogenrezeptor-negativem Mammakarzinom. Die deutschen Experten weisen darauf
hin, dass der Begriff „pseudo-adjuvant“ in Deutschland nicht routinemäßig verwendet wird, und bevorzugen den Begriff der „sekundären adjuvanten“ Systemtherapie. Sie weisen außerdem darauf hin, dass die Chemotherapie auch präoperativ eingesetzt
werden kann.
Einigkeit besteht zwischen den ABC2-Panelisten und den deutschen Experten, dass sich die palliative systemische Therapie bei
Patientinnen, für die eine radikale lokale Therapie nicht infrage
kommt oder abgelehnt wird, an den Therapieprinzipien für die
metastasierte Situation orientiert.
Update: Aktualisierungen zum metastasierten
Mammakarzinom
Patientin im Fokus
Unstrittig ist, dass alle Patientinnen mit fortgeschrittenem Mammakarzinom umfassend über ihre Erkrankung sowie die Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt werden müssen. Dies muss nicht
nur in einer verständlichen Art und Weise geschehen und den
aktuellen Wissensstand widergeben, sondern sollte auch möglichst einfühlsam und unter Berücksichtigung des kulturellen
Hintergrunds geschehen. Die deutschen Experten ergänzen,
dass die Therapieentscheidung gemeinsam mit der aufgeklärten
Patientin getroffen wird („shared-decision-making“).
Die ABC2-Panelisten votierten mehrheitlich dafür, die Patientinnen routinemäßig mit validierten Fragebögen zu tumorbedingten Beschwerden und therapiebedingten Nebenwirkungen zu
befragen. Dies sollte regelmäßiger Bestandteil der klinischen Versorgung sein. Die ABC2-Panelisten sehen in einem solchen systematischen Monitoring die Grundlage dafür,
▶ die Kommunikation zwischen Patientin und Behandlungsteam zu erleichtern,
▶ der Patientin eine möglichst optimale Lebensqualität zu gewährleisten,
▶ die Toxizitäten der Behandlung besser zu erkennen und zu
charakterisieren.
Letzteres ist besonders wichtig bei neu zugelassenen Substanzen/Therapien und hier speziell jenen, deren Zulassung nur auf
einem Vorteil beim progressionsfreien Überleben oder auf einem
moderaten Überlebensvorteil basiert (LoE: IC).
Die deutschen Experten weisen darauf hin, dass die regelmäßige
Erfassung von Nebenwirkungen in Deutschland zum Standard der
onkologischen Versorgung gehört und auftretende Nebenwirkungen in der Krankenakte dokumentiert werden. Die Erfassung mittels validierter Fragebögen mit nachfolgender Auswertung ist im
klinischen Alltag grundsätzlich wünschenswert, aber nicht routinemäßig umsetzbar. Die Vorgabe, im klinischen Alltag routinemäßig mit validierten Fragebögen zu arbeiten, ist daher unrealistisch
und bleibt primär Studienpatientinnen vorbehalten.
Zustimmung bzw. Übereinstimmung besteht zwischen den
ABC2-Panelisten und den deutschen Experten, dass das Alter
der Patientin per se kein therapieentscheidender Faktor ist. Das
gilt sowohl für ältere Patientinnen, denen nur aufgrund des Alters eine effektive Standardtherapie nicht vorenthalten werden
darf, als auch für junge Patientinnen, denen nicht von vornherein
– nur aufgrund des jungen Alters – eine intensivierte Behandlung
(Gefahr der Übertherapie) angeboten werden darf (LoE: IB).
Integration des Pflegepersonals
Die deutschen Experten stimmen dem Votum der ABC2-Panelisten zu, dass spezialisierte onkologische Schwestern, wenn möglich spezialisierte Brustschwestern, Teil des interdisziplinären
Behandlungsteams sein sollten (LoE: Expertenmeinung). In
Deutschland sind spezialisierte Brustschwestern in allen zertifizierten Brustzentren Teil des interdisziplinären Teams.
ER+/HER2-negatives metastasiertes Mammakarzinom
Die ABC2-Panelisten stimmten mit deutlicher Mehrheit dafür, dass
die Kombination Everolimus plus Aromatasehemmer für Patientinnen mit Hormonrezeptor-positivem metastasiertem Mamma-
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
Behandlung des malignen Pleuraergusses unter palliativen Gesichtspunkten ausreichend sein, ohne dass eine Änderung der
systemischen Therapie erforderlich ist. Die deutschen Experten
sehen in der Talcum-Instillation (mit Videoassistierter Thorakoskopie [VATS]) für die Pleurodese die derzeit wirksamste palliative Behandlungsoption für Patientinnen mit Pleuraerguss und
empfehlen darüber hinaus, eine zytologische Sicherung, falls
möglich mit Biomarker-Bestimmung (ER, PR, HER2), anzustreben. Aus der aktuellen Literatur wird über positive Erfahrungen
mit Dauerdrainagen im ambulanten Setting berichtet.
33
34
Wissenschaftliche Arbeit
b
karzinom und endokriner Resistenz eine valide Therapieoption
sein kann. Die Hinzunahme von Everolimus zu Exemestan erreichte in der Zulassungsstudie Bolero-2 [5] eine klinisch relevante Verlängerung der progressionsfreien Zeit von im Median etwa fünf
Monaten. Abschließend validierte Überlebensdaten liegen noch
nicht vor, weshalb die Therapieentscheidung auch unter Berücksichtigung der durch Everolimus induzierten erhöhten Toxizität
getroffen werden sollte (LoE: IB). Zusätzlich ist zu beachten, dass
es noch keine prädiktiven Biomarker gibt, um jene Patientinnen
zu identifizieren, die tatsächlich von diesem Ansatz profitieren.
Die deutschen Experten stimmen dem grundsätzlich zu. Ergänzend weisen sie darauf hin, dass sich die Indikation für die Hinzunahme von Everolimus zum Aromatasehemmer an den Einschlusskriterien der Bolero-2-Studie orientieren sollte [5]. Die deutschen
Experten betonen, dass die potentiellen Wirksamkeitsvorteile mit
der möglichen Toxizität im Einzelfall abgewogen werden müssen.
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
HER2-Blockade beim HER2-positiven metastasierten
Mammakarzinom
Für Patientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom ist die Kombination aus Chemotherapie plus Trastuzumab der Kombination Chemotherapie plus Lapatinib hinsichtlich
der progressionsfreien und Gesamtüberlebenszeit überlegen.
Dies gilt unabhängig davon, ob die Patientinnen bereits mit Trastuzumab vorbehandelt sind oder nicht (LoE: IA). Die Mehrzahl
der ABC2-Panelisten stimmt damit überein. Die deutschen Experten bestätigen, dass dieses Statement der aktuellen Datenlage
entspricht. Seit dem ABC1-Konsensus wurden hier aber durch
die Ergebnisse der MA.31-Studie [6] und der CEREBEL-Studie [7]
neue Evidenzen geschaffen.
Die duale HER2-Blockade mit Pertuzumab/Trastuzumab bewerten
die ABC2-Panelisten mehrheitlich als präferierte Therapieoption
für die First-line-Behandlung (LoE: IA), speziell für nicht antiHER2-vorbehandelte Patientinnen. Die Daten der CLEOPATRAStudie [8, 9] zeigen, dass die duale HER2-Blockade mit Pertuzumab/Trastuzumab plus Docetaxel der Kombination Trastuzumab
plus Docetaxel überlegen ist hinsichtlich progressionsfreiem und
Gesamtüberleben. Die deutschen Experten stimmen dem u. a. mit
Verweis auf die aktualisierte AGO-Empfehlung [2] zu. Die duale
HER2-Blockade mit Pertuzumab/Trastuzumab plus Docetaxel ist
aus deutscher Sicht neuer Standard für die First-line-Therapie des
HER2-positiven metastasierten Mammakarzinoms.
Einig sind sich die ABC2-Panelisten und die deutschen Experten
auch in folgenden Punkten: Derzeit ist noch unklar, wie die neue
duale HER2-Blockade im Vergleich zu anderen anti-HER2-gerichteten Therapieoptionen abschneidet, zum Beispiel im Vergleich
mit dem Antikörper-Wirkstoff-Konjugat T-DM1. Ebenfalls keine
Daten gibt es bislang zum Einsatz der dualen HER2-Blockade mit
Pertuzumab/Trastuzumab in den späteren Therapielinien jenseits der First-line-Behandlung. Die deutschen Experten ergänzen, dass es auch zum erneuten Einsatz der dualen HER2-Blockade (TbP: treatment beyond progression) keine Daten gibt.
Die ABC2-Panelisten bewerteten das Antikörper-Wirkstoffkonjugat T-DM1 (Trastuzumab Emtansin) nach Versagen der Trastuzumab-haltigen First-line-Therapie als wirksamste Option für die
nachfolgenden Therapielinien (LoE: IA) [10, 11]. Die deutschen
Experten stimmen dieser Empfehlung zu.
Grundsätzlich, so die ABC2-Panelisten, ist derzeit für metastasierte Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom und
Rezidiv nach adjuvanter anti-HER2-haltiger Behandlung unklar,
welche Therapieoption die beste ist. Unstrittig ist jedoch, dass
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
die Patientinnen eine weitere anti-HER2-gerichtete Behandlung
benötigen (LoE: IB). Letztlich, so die ABC2-Panelisten, wird die
Wahl des anti-HER2-gerichteten Regimes von den länderspezifischen Gegebenheiten und den verfügbaren Substanzen sowie
von der anti-HER2-gerichteten Vortherapie und der Länge des
rezidivfreien Intervalls abhängen. Ebenfalls unklar ist derzeit
noch, wie die optimale Sequenz der verfügbaren anti-HER2-gerichteten Therapien aussieht [12].
Die deutschen Experten empfehlen, Patientinnen, die nach Abschluss der adjuvanten Trastuzumab-Gabe länger als ein Jahr
ohne Rezidiv bzw. Metastasierung bleiben, entsprechend der
CLEOPATRA-Studie [8, 9] first-line mit Pertuzumab/Trastuzumab
plus Docetaxel zu behandeln. Die optimale Weiterbehandlung
von Patientinnen mit früher Metastasierung bzw. nur kurzer rezidivfreier Zeit (< 1Jahr nach Abschluss der adjuvanten Trastuzumab-Gabe) ist unklar. Folgende Optionen kommen aus deutscher
Sicht infrage: T-DM1, Capecitabin/Lapatinib, Taxan/Trastuzumab/Pertuzumab und Trastuzumab/Lapatinib. Bezüglich der Reihenfolge verweisen die deutschen Experten auf den jeweiligen
Zulassungsstatus.
Die deutschen Experten verweisen außerdem auf die Empfehlung
des ABC1-Konsensus im November 2011 [3]: Wird bei Patientinnen mit Hormonrezeptor(HR)- und HER2-positivem metastasiertem Mammakarzinom eine endokrine Therapie der Chemotherapie vorgezogen, sollten diese Patientinnen von Anfang an
zusätzlich zur endokrinen Behandlung eine anti-HER2-gerichtete
Substanz erhalten. Die Kombination aus endokriner Therapie und
enti-HER2-gerichteter Substanz (Trastuzumab oder Lapatinib) hat
zwar die Gesamtüberlebenszeit nicht verlängert, erreichte aber
eine substantielle Verlängerung der progressionsfreie Zeit (z. B.
chemotherapiefreie Zeit) (LoE: 1A). Dieser Ansatz könnte eine Option für Patientinnen mit Oligometastasierung oder klinisch relevanten Komorbiditäten sein.
Hirnmetastasen bei Patientinnen mit HER2-positivem
Mammakarzinom
Die Überlebenszeit von Patientinnen mit HER2-positivem Mammakarzinom und Hirnmetastasen hat sich in den letzten Jahren
verlängert. Vor diesem Hintergrund empfehlen die ABC2-Panelisten mit deutlicher Mehrheit, ein besonderes Augenmerk auf
die Toxizität der Behandlung zu richten und (wenn möglich) weniger toxische lokale Maßnahmen zu präferieren, wie z. B. eine
stereotaktische Bestrahlung.
Die deutschen Experten weisen darauf hin, dass die Therapiestandards für die Behandlung von Hirnmetastasen unabhängig
vom HER2-Status des Tumors gelten und zu beachten sind. Neben
neurochirurgischen Maßnahmen und der Ganzhirnbestrahlung
kann auch die stereotaktische Bestrahlung eine Option sein.
Grundsätzlich empfehlen die deutschen Experten eine Ganzhirnbestrahlung.
HER2-negatives metastasiertes Mammakarzinom
Die ABC2-Panelisten votierten mehrheitlich dafür, dass die bevorzugte endokrine First-line-Behandlung für postmenopausale Patientinnen mit HER2-negativem und Östrogenrezeptor-positivem
metastasiertem Mammakarzinom entweder ein Aromatasehemmer oder Tamoxifen ist. Die Therapieentscheidung hängt von der
Art und der Dauer der adjuvanten endokrinen Vorbehandlung ab
(LoE: IA). Hochdosiertes Fulvestrant ist eine Alternative (LoE: IB).
Die deutschen Experten verweisen für die Therapieentscheidung
auf die aktuellen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft gynäkologi-
Wissenschaftliche Arbeit
b
Tab. 1 Endokrine Therapie des postmenopausalen HR-positiven, HER2-negativen metastasierten Mammakarzinoms nach adjuvanter Tamoxifen-Therapie oder ohne adjuvante endokrine Therapie [mod. nach: 2]. – Dia 350
Behandlungssequenz
Second-line
– Aromatasehemmer
(3. Generation) 1
1a
A
++
+/–
1b
B
– Fulvestrant
2B
B
– Fulvestrant 500 mg
2b
B
– Fulvestrant 250 mg
1b
B
+
– Exemestan + Everolimus
1b
B
++
– Tamoxifen
3b
C
+
– Aromatasehemmer 2
2b
B
+
– Tamoxifen + Everolimus
2b
B
+
4
D
+
– Re-Induktion vorheriger
Therapien
++
3b
C
+
5
D
+
Es gibt keine Hinweise für die Überlegenheit eines einzelnen Aromatasehemmers
(AH).
2
Steroidale oder nicht-steroidale AH in Abhängigkeit vom bisherigen AH.
Tab. 2 Endokrine Therapie des postmenopausalen HR-positiven, HER2-negativen metastasierten Mammakarzinoms nach adjuvanter Therapie mit
einem Aromatasehemmer [mod. nach: 2]. – Dia 352
Behandlungssequenz
Oxford/AGO
LoE/GR
First-line
Second-line
weitere Therapielinien
1
Mammakarzinome beim Mann sind in der Regel hormonsensibel
(positiver HR-Status), weshalb endokrine Therapiemaßnahmen,
vorzugsweise mit Tamoxifen, Therapie der Wahl sind. Wird ein
Aromatasehemmer eingesetzt, sollte er zusammen mit einem
LHRH-Agonisten gegeben werden; eine Alternative zum LHRHAgonisten ist die Orchiektomie. Die alleinige Aromatasehemmer-Therapie ist eine Option, wenn das Therapieansprechen der
Patienten engmaschig kontrolliert wird. Die ABC2-Panelisten
und die deutschen Experten sind sich in diesen Punkten einig
und weisen auf die dringende Notwendigkeit kontrollierter klinischer Studien für Männer mit Mammakarzinom hin, um diese
noch offenen Fragen zu beantworten. Weitere Informationen zu
derzeit in Deutschland laufenden Studien bei Männern mit
Mammakarzinom unter www.germanbreastgroup.de.
Endokrine Resistenz im Fokus
– Fulvestrant 250 mg + Anastrozol
weitere Therapieli- – MPA/MA
nien
– Estradiol 6 mg täglich
1
Mammakarzinom beim Mann
Oxford/AGO
LoE/GR
First-line
klins, z. B. (peg)liposomales Doxorubicin, ebenfalls valide Optionen für eine zytostatische Monotherapie sind. Das gilt jedoch in
Ermangelung ausreichend validierter Daten beim metastasierten
Mammakarzinom nicht für die Monotherapie mit Gemcitabin.
– Tamoxifen
2b
B
++
– Fulvestrant 500 mg
1b
B
++
– Exemestan + Everolimus 1 (Rezidiv 1b
< 1 Jahr)
B
++
– steroidaler nach nicht-steroidalem AH
nicht-steroidaler nach steroidalem AH
2b
B
+
– Tamoxifen + Everolimus
2b
B
+
– Fulvestrant 500 mg
1b
B
++
– Exemestan + Everolimus 1
1b
B
++
– Tamoxifen (falls Tamoxifen-naiv)
5
D
+
– Tamoxifen + Everolimus
2b
B
+
– MPA/MA
4
C
+
– Re-Induktion einer Vortherapien
5
D
+/–
Nach Vortherapie mit zumindest einem nicht-steroidalen Aromatasehemmer
(metastasiert und/oder adjuvant).
Intensiver diskutiert wurde in Lissabon, wann eine primäre bzw.
sekundäre endokrine Resistenz des Tumors vorliegt bzw. wie diese
definiert sind. Die deutschen Experten stimmen den Definitionen
des ABC2-Konsensus nicht zu, wonach sich eine primäre endokrine Resistenz für das frühe Mammakarzinom definiert als Rezidiv
innerhalb der ersten zwei Jahre unter adjuvanter endokriner
Therapie und für das metastasierte Mammakarzinom als Progress
innerhalb von sechs Monaten nach Beginn der noch laufenden
endokrinen First-line-Behandlung. Eine erworbene (sekundäre)
endokrine Resistenz definiert die Mehrzahl der AC2-Panelisten
für das frühe Mammakarzinom als Rezidiv unter adjuvanter endokriner Therapie nach über zwei Jahren bzw. innerhalb eines Jahres
nach Abschluss der adjuvanten endokrinen Behandlung. Eine sekundäre endokrine Resistenz beim metastasierten Mammakarzinom liegt nach Ansicht der ABC2-Panelisten vor, wenn es erst
nach mehr als sechs Monaten nach Beginn der noch laufenden endokrinen Behandlung zum erneuten Progress kommt.
Die deutschen Experten weisen darauf hin, dass sich eine endokrine Resistenz kontinuierlich entwickelt, weshalb eine arbiträre
Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer Resistenz
ohne klinische Relevanz ist. Die deutschen Experten betonen,
dass im klinischen Alltag unabhängig vom Zeitpunkt des erneuten Progresses bzw. dem Nachweis der Metastasierung bei positivem Hormonrezeptor-Status eine erneute endokrine Therapie
in der Regel sinnvoll ist. Lediglich bei rasch progredienter Symptomatik ist primär eine Chemotherapie indiziert.
ABC – auch ein Forum für Selbsthilfegruppen
Während der diesjährigen ABC2-Konferenz tagten parallel die
Patientenvertreter internationaler Selbsthilfegruppen (n = 49). Sie
präsentierten ihre Ergebnisse im Rahmen der Plenarsitzung der
ABC2-Konsensustagung am Samstag. Die Selbsthilfegruppen
weisen in ihrem Statement auf die Notwendigkeit und Bedeutung des Austausches und der Diskussion im und mit dem multidisziplinären Team (MDT = multidisciplinary team) hin. Dies sollte unter Berücksichtigung der ABC-spezifischen Empfehlungen
geschehen. Wichtig ist den Selbsthilfegruppen eine kontinuierliche onkologische Betreuung der Patientinnen – idealerweise
durch denselben Arzt bzw. dasselbe Ärzte- und Pflegeteam. Dies
verbessere die Kommunikation zwischen MDT und Patientinnen
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
sche Onkologie (AGO) [2] und bestätigen, dass sich die individuell
optimale endokrine First-line-Therapie nach Dauer und Art der
" Tab. 1, 2).
Vortherapie richtet (●
Für Patientinnen mit HER2-negativem metastasiertem Mammakarzinom, die mit Anthrazyklinen und Taxanen vorbehandelt
sind und keine Kombinations-Chemotherapie benötigen, sehen
die ABC2-Panelisten in der zytostatischen Monotherapie mit Capecitabin, Vinorelbin, Carboplatin oder Eribulin eine bevorzugte
Therapieoption. Bei der Therapiewahl sollte das jeweils unterschiedliche Nebenwirkungsspektrum der Substanzen berücksichtigt werden (LoE: IB). Die deutschen Experten stimmen zu
und ergänzen, dass die erneute Gabe eines Taxans (Taxan-Rechallenge, z. B. Docetaxel, Nab-Paclitaxel, Paclitaxel – je nach
(neo)adjuvanter Taxan-Vorbehandlung) oder eines Anthrazy-
35
36
Wissenschaftliche Arbeit
b
Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung
und biete die Gewähr, dass Wünsche und Präferenzen der Patientinnen berücksichtigt werden.
Weitere Herausforderungen im Umgang mit den Patientinnen sehen die Selbsthilfegruppen im Bereich der supportiven Betreuung
der Patientinnen selbst und ihrer Angehörigen. Sie wünschen sich
Empfehlungen zur Ernährung, dem Umgang mit möglichen sexuellen Problemen, die Auseinandersetzung mit komplementär medizinischen Maßnahmen sowie Unterstützung und Begleitung bei
der Nachsorge. Des Weiteren fordern die Selbsthilfegruppen u. a.
einen unkomplizierten Zugang zur Teilnahme an klinischen Studien, zu standardisierten Therapien und sie unterstützen die Einführung von Krebs- und Patientenregistern. Darüber hinaus wünschen sich die Patientinnen mehr Unterstützung in ökonomischen
und sozialen Belangen, wie beispielsweise dem Erhalt des Arbeitsplatzes oder einem behindertengerechten Leben. Da Vertreterinnen von Selbsthilfegruppen auch Mitglied des ABC-Konsensus-Panels sind, werden die formulierten Wünsche, Anregungen und
Forderungen im Panel diskutiert und im publizierten Manuskript
des ABC2-Konsensus berücksichtigt werden.
Fazit und Ausblick
Insgesamt bot der ABC2-Konsensus eine informative Diskussion
zu den neuesten Entwicklungen beim Mammakarzinom. Der
ABC-Kongress ist eine gute Ergänzung zu der St. Gallen Konsensus Konferenz zum frühen Mammakarzinom. Die nächste ABC3Konsensuskonferenz wird vom 5. bis 7. November 2015 stattfinden. In Deutschland werden die aktualisierten AGO-Empfehlungen am 1. März 2014 in Frankfurt/Main vorgestellt.
Martine J. Piccart, BE
Hope S. Rugo, US
Elzbieta Senkus-Konefka, PL
George W. Sledge, US
Christoph Thomssen, DE
Laura van’t Veer, US
Conny Vrieling, CH
Nicola West, UK
Eric P. Winer, US
Binghe Xu, CN
Institute
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Brustzentrum, Frauenklinik der Universität München; Writing Committee,
ABC Panel Member
Gemeinschaftspraxis für interdisziplinäre Onkologie und Hämatologie,
Freiburg Writing Committee
Klinik für Gynäkologie, HELIOS Klinikum Berlin Buch; Writing Committee
Gemeinschaftspraxis Onkologie Ravensburg
Onkologische Schwerpunktpraxis Eppendorf, Hamburg
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Sana Klinikum Offenbach
Universitätsfrauenklinik Ulm
Gynäkologisch-Onkologische Praxis Hannover
GBG Forschungs GmbH Neu-Isenburg, Universitäts-Frauenklinik Frankfurt
Frauenklinikum des Klinikums St. Marien, Amberg
Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen, Sektion Gynäkologische
Onkologie, Heidelberg
Onkologische Gemeinschaftspraxis Frankfurt
Innere Klinik (Tumorforschung), Westdeutsches Tumorzentrum, Universitätsklinikum Essen
Brustzentrum, Klinikum der Universität München, Frauenklinik, Standort
Innenstadt/Maistraße
Universitätsklinik und Poliklinik für Gynäkologie, Martin-Luther-Universität,
Halle an der Saale Writing Committee; ABC Panel Member
ABC2-Konsensuspanelisten
!
Matti S. Aapro, CH
Fabrice André, FR
Carlos H. Barrios, BR
Jonas Bergh, SE
Elizabeth Bergsten Nordström, IT
Laura Biganzoli, IT
Kimberley L. Blackwell, US
Fatima Cardoso, PT
Maria João Cardoso, PT
Alberto Costa, CH/IT
Tanja Cufer, SL
Nagi S. El Saghir, LB
Lesley Fallowfield, UK
Doris Fenech, MT
Prudence A. Francis, AU
Karen Gelmon, CA
Sharon H. Giordano, US
Joseph Gligorov, FR
Nadia Harbeck, DE
Nehmat Houssami, AU
Clifford A. Hudis, US
Bella Kaufman, IL
Ian E. Krop, US
Nancy U. Lin, US
Musa Mayer, US
Sofia D. Merjaver, US
Larry Norton, US
Olivia Pagani, CH
Ann H. Partridge, US
Frédérique Penault-Llorca, FR
Harbeck N et al. 2. Internationale Konsensuskonferenz … Senologie 2014; 11: 30–36
Literatur
01 www.awmf.org
02 www.ago-online.de
03 Cardoso F et al. 1st International consensus guidelines for advanced
breast cancer (ABC1). The Breast 2012; 21 (3): 242 – 252
04 Buzdar A et al. ACOSOG Z1041 (Alliance): Definitive analysis of randomized neoadjuvant trial comparing FEC followed by paclitaxel plus
trastuzumab (FEC → P+T) with paclitaxel plus trastuzumab followed by
FEC plus trastuzumab (P+T → FEC+T) in HER2+ operable breast cancer.
Proc ASCO JCO 2013; 502
05 Baselga J et al. Everolimus in Postmenopausal Hormone-Receptor-Positive Advanced Breast Cancer. NEJM 2012; 366: 520 – 529
06 Gelmon KA et al. An open-label, randomized, phase III trial comparing
taxane-based chemotherapy with Lapatinib or Trastuzumab as firstline therapy for women with HER2-positive metastatic breast cancer.
Proc ASCO 2012, JCO 2012, 30 (suppl): LBA671.
07 Pivot X et al. CEREBEL (EGF 111438): An open randomized phase III
study comparing the incidence of CNS metastases in patients with
HER2+ MBC treated with lapatinib plus capecitabine versus trastuzumab plus capecitabine. Ann Oncol 2012; 23 (Suppl 9): . DOI: 10.1093/
annonc/mds499
08 Baselga J et al. Pertuzumab plus Trastuzumab plus Docetaxel for Metastatic Breast Cancer. NEJM 2012; 366: 109 – 119
09 Swain S et al. Confirmatory Overall Survival Analysis of CLEOPATRA: A
Randomized Double-Blind Placebo-Controlled Phase III Study with
Pertuzumab, Trastuzumab and Docetaxel in Patients with HER2-Positive First-Line MBC. Proc SABCS 2012, P5-18-26
10 Verma S et al. Trastuzumab Emtansine for HER2-Positive Advanced
Breast Cancer. NEJM 2012; 367 (19): 1783 – 1791
11 Wildiers H et al. T-DM1 for HER2-positive MBC: Primary Results From
TH3RESA, a Phase 3 Study of T-DM1 vs. Treatment of Physician’s Choice. Proc ECC 2013, LBA 15.
12 Harbeck N, Wuerstlein R. Optimal sequencing of anti-HER2 therapy
throughout the continuum of HER2-positive breast cancer. Evidence
and clinical considerations. Drugs 2013; 73: 1665 – 1680