Kiezspaziergang Charlottenburg
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Kiezspaziergang Charlottenburg
B E R L I N E R A N S I C H T E N : WINTERLICH m vo rk Pa Der Schloss Charlottenburg lädt d zum Joggen un n ei n el m m Bu TREFFPUNKT: Das Café Aedes West am Savignyplatz, ein Magnet für Touristen und Einheimische in Charlottenburg D er Himmel strahlt, die Sonne lacht, und das bei eisigsten Temperaturen: Der Winter hat die Stadt fest im Griff. Doch das scheint Kjetil Øvrelid Strand nicht zu stören. Mit weit geöffnetem Anorak, ohne Schal und Handschuhe läuft er über den Savignyplatz und betritt das Café Aedes West in den S-Bahn-Bögen. Als er sitzt, wirkt der kleine Bistrotisch neben ihm, dem großen breitschultrigen Profisportler, noch filigraner. Mit seinen hellen blauen Augen und den dunkelblonden Haaren sieht man dem Handballspieler die skandinavische Herkunft sofort an. Er sieht gut aus, er lacht viel, manchmal aus Verlegenheit, wenn zum Beispiel ein paar Gäste zur Seite rücken müssen, damit seine langen Beine Platz zwischen den eng stehenden Tischen finden. Französische Chansons im Hintergrund, Spiegel an den Wänden, ich verstehe, warum Strand gern ins Café Aedes West kommt. Auch wenn ihn hier niemand erkennt. Oder gerade deswegen ... Ist es für einen Sportler angenehm, im Mittelpunkt zu stehen? Strand winkt bescheiden ab: „Ich bin ein Teamspieler und immer nur so gut wie die ganze Mannschaft“, sagt er und relativiert zugleich sein außerordentliches Talent: „Eine Weile konnte ich mich nicht zwischen Handball und Football entscheiden. Aber die norwegischen Winter sind sehr kalt, und Handball kann man einfach besser in der Halle spielen.“ »Es ist schade, dass man hier in Charlottenburg so selten jemanden durch Zufall wiedertrifft!« DAS DELPHI: Filme in Originalversion und Spi elstätte für die Berlinale Charlottenburg befristet QUIRLIGER SAVIGNYPLATZ: Der norwegische Profi-Handballer Kjetil Øvrelid Strand ist vor wenigen Monaten nach Berlin-Charlottenburg gezogen. Mit uns lässt er sich rund um den Savignyplatz treiben. [FOTO] MAURICE WEISS, OSTKREUZ TRENDSTADT Berlin: In den Passagen und Bögen der S-Bahn-Trasse am Savignyplatz haben sich junge Designer niedergelassen Foto: Imago [ TEXT ] CHRISTIANE LANG Dabei ist mit Strand einer der besten europäischen Handballspieler zu den Berliner Füchsen gekommen. Seit Juli 2007 ist er Spielmacher bei der Mannschaft, die von der DEGEWO-Gruppe gesponsert wird. Erst im Sommer hatten die Füchse den Aufstieg in die Bundesliga geschafft. Da ist der Erfolgsdruck groß, viel Zeit bleibt nicht für das Privatleben. Denn die Tage eines Profisportlers sind streng durchorganisiert. Unter der Woche wird trainiert, am Wochenende gespielt. Seine rare Freizeit will der 28-Jährige daher nicht verplanen, sondern lässt sich an den wenigen freien Nachmittagen einfach treiben: „Ohne Plan und Ziel macht man die besten Entdeckungen.“ So wie dieses Café, in dem wir sitzen. Im Nebenraum befindet sich eine Galerie, die einen der wichtigsten chinesischen Künstler der Gegenwart präsentiert: 1 /2008 stadtleben 25 B E R L I N E R A N S I C H T E N 27 FLANIEREN UND EINKAUFEN CHARLOTTENBURG Ausgedehnte Parks, großbürgerliche Wohnviertel, belebte Einkaufspassagen und natürlich der Kurfürstendamm prägen die Gegend um den Savignyplatz. WER IM HERZEN Charlottenburgs wohnen will, der ist im „Harzer Viertel“ zuhause. Dieses Wohnviertel liegt im ältesten Teil des Bezirks. Hier hat die DEGEWO ihre Wohnungen in den vergangenen drei Jahren aufwendig saniert. So wurden unter anderem Fassaden erneuert, Zentralheizungen sowie neue Bäder und Küchen eingebaut und Grundrisse verändert. Aus 1- und 2-Zimmer-Wohnungen sind moderne 2- und 3-Zimmer-Wohnungen entstanden. So sind die 326 komplett erneuerten Wohnungen nicht nur für Paare und Singles, sondern dank ihrer zentralen Lage auch für Studenten interessant. Weitere Informationen über das Harzer Viertel im Internet unter www. degewo.de oder im Kundenzentrum City, Potsdamer Straße 60, Telefon (030) 26 485 440. stadtleben 1 /2008 Wir lassen uns treiben, die Knesebeckstraße hinauf, dann Berlins wohl berühmteste Straße, den Kurfürstendamm, wieder hinunter. An der Ecke Uhlandstraße bleibt Strand an einem kleinen Lampengeschäft stehen. Ist es das Licht, das ihn magisch anzieht? Die Glocke schellt blechern, als er die Tür öffnet, vorsichtshalber zieht der fast Zwei-Meter-Mann den Kopf ein und tritt über die Schwelle: Unzählige Lampen baumeln an der Decke, aus Messing oder Glas, aufwendig verziert oder schlicht, ein Sammelsurium aus verschiedenen Epochen erleuchtet den Raum. Seit 1975 bieten Lothar und Marianne Lee originale und nachgebaute Lampen und Leuchtmittel an: Was einst in herrschaftlichen Wohnungen Licht spendete, verleiht heute Filmkulissen, Restaurants oder Privatwohnungen den Charme von 1900. Draußen dämmert es. Charlottenburg begründete in den zwanziger Jahren den Ruf Berlins als Weltstadt Grafik: KircherBurkhardt Infografik WOHNEN IN CHARLOTTENBURG Ai Weiweis Installation aus zwei Dutzend Koffertrolleys zum Thema Mobilität, Umzug. Ist es da ein Zufall, dass Weltenbummler Strand so gerne ins Aedes West geht? Berlin ist für den Norweger eine wirkliche Grenzerfahrung. Bevor er in die deutsche Hauptstadt kam, lebte er im dänischen Aalborg, kaum größer als seine Heimatstadt Stavanger, die mit rund 120.000 Einwohnern immerhin Norwegens viertgrößte Stadt ist. Berlin dagegen eine Weltmetropole: Allein der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf zählt fast dreimal so viele Einwohner wie Stavanger. Das hat natürlich auch Nachteile: „Es ist schade, dass man hier in Berlin nie jemanden durch Zufall trifft“, sagt Strand. „Man muss sich immer verabreden. In meiner Heimatstadt kann ich einfach in ein Café gehen, und ich weiß, dass ich dort immer jemanden treffe, den ich kenne.“ Und es ist ein Leben auf Widerruf. Strand und seine Teamkollegen bleiben oft unter sich. Die meisten sind neu in der Stadt und kommen aus Österreich, Polen oder Ägypten. Strand aber zumindest hat großes Glück. Seine Freundin Lene ist mit ihm nach Berlin gekommen und hat dafür ihren Job als Lehrerin aufgegeben. Szenenwechsel. Kantstraße 12a, 10623 Berlin, Tel. (030) 31 21 026, www.delphi-filmpalast.de Fasanenstraße 5 Uhlandstraße Ca rm ers tra ß e Ha rde Zoologischer Garten erg str aß e nb 2 Kantstraße Savignyplatz 4 mm nda Uhlandstraße te fürs Kur 1 C. ADOLPH EISENWAREN Hinter tausend Türen und in Schubladen und Schiebefächern lagern die wunderlichsten Eisenwaren. Die Angestellten beraten gern bei kleinen und großen Handwerksproblemen. Savignyplatz 3, 10623 Berlin, Tel. (030) 31 38 044, Mo–Fr 9–19 Uhr, Sa 9–14 Uhr CAFÉ AEDES WEST Das gemütliche Café liegt direkt in den S-Bahn-Bögen am Savignyplatz und teilt sich die Räumlichkeiten mit einer renommierten Galerie, die wechselnd deutsche und internationale Künstler präsentiert. Else-Ury-Bogen 600-601, 10623 Berlin, Tel. (030) 28 27 015, Mo–So 10–20 Uhr, www.aedes-galerie.de Wir schlendern die Kantstraße entlang, passieren die Paris Bar. Die großen Fenster zur Straße laden Neugierige dazu ein, einen Blick auf die Gäste zu werfen. Regisseur Wim Wenders und Künstler Martin Kippenberg gehören genauso zu den Gästen wie Madonna und Robert de Niro. Doch die Promischau scheint den Profisportler nicht wirklich zu interessieren. Hat ein Handballer zumindest Groupies, die vor der Haustür auf ihn warten? „Nicht wirklich“, lacht Strand. Und offen bleibt, ob er das bedauert. Was vermisst Kjetil Strand in Berlin? „Meine Familie und natürlich meine Freunde. Aber was mir am meisten fehlt, ist die Natur. Ich vermisse, einfach mal für ein paar Stunden am See zu sitzen und darauf zu warten, dass ein Fisch anbeißt.“ Das allerdings sucht man in Charlottenburg tatsächlich vergebens. Zumindest die Gegend um den Savignyplatz war schon immer eine der quirligsten in Berlin. Wo in den zwanziger Jahren Schauspieler, Schriftsteller und Maler den Ruf Berlins als Weltstadt begründeten, reihen sich heute Geschäfte aneinander mit einer unglaublichen Fülle von Waren und Gütern aus aller Herren Länder. Doch auch traditio- OSKA Feine Materialen, gute Schnitte und dezente Farben zeichnen das Design von Oska aus. Der Laden beherbergt zeitlose Mode für Männer. Die Geschäftsführerin Claudia Müller zählt auch viele Skandinavier zu ihren Kunden. Bleibtreustr. 42, 10623 Berlin, Tel. (030) 88 677 700, www.oskahome.de, Mo–Sa 12–19 Uhr nelle Berliner Geschäfte finden hier noch ihre Kundschaft. Strand bleibt vor Eisenwaren C. Adolph am Savignyplatz stehen: Mehr als einhundert Jahre steht das Geschäft schon und sieht aus, als hätte es sich in den letzten Jahrzehnten überhaupt nicht verändert. Wir treten ein. Im Herzen des bis zur Decke mit Kabeln, Besen und Eimern gefüllten Ladens steht ein riesiger, grün bezogener Wandschrank, hinter dessen Türchen und Schubladen Schrauben, Nägel und Winkel in den unglaublichsten Variationen lagern. „Ich möchte meinen Haustürschlüssel nachmachen lassen“, bittet Strand den Verkäufer radebrechend mit großen Gesten. Und ist verwundert, als dieser ihm in fließendem Englisch antwortet. Erst draußen auf der Straße folgt Strands schönstes Kompliment an die Stadt, die für einige Zeit seine Heimat sein wird: „Die Berliner sind so freundlich und hilfsbereit.“ ■ 1 /2008 stadtleben Joachimstaler Str. Bleibtreustraße Knesebeckstraße Kurfürstendamm Savignyplatz 100m Kurfürstendamm 32, 10719 Berlin, Tel. (030) 88 17 333, www.lampen-lee-berlin.de DELPHI Dieses wunderschöne Kino hat eine illustre Vergangenheit: In den dreißiger und vierziger Jahren des 20. Jahrhunderts war es ein beliebtes Tanzlokal. Nach dem Krieg wurde es zum Kino umgebaut, das nicht nur zur Berlinale mit besonderen Filmen unterhält. Im Keller befindet sich der berühmte Jazzklub Quasimodo. 3 6 L&M LEE LAMPEN Lampen, so weit das Auge reicht: Designklassiker gehören genauso zum Sortiment wie Repliken. Kein Wunder, dass hier auch Filmausstatter und Innenarchitekten ihre Beleuchtung bestellen. TRADITION: Strand im Herzen der mehr als hundert Jahre alten Eisenwarenhandlung C. Adolph KULTURSTADT: Das Oska (oben) bietet gute Männermode, die Galerie Aedes zeitgenössische Kunst e Kantstraße 143, 10623 Berlin, Tel. (030) 54 710 733, Mo–Sa 10–20 Uhr raß ns t lma Gro DA ASIENHANDEL Kleine, große, dicke und dünne Buddhafigürchen, wohin man auch schaut. Daneben stehen bunte Lampen und filigrane Lackmöbel: Der Chinese Jianfei Da hat sich auf Traditionelles aus seiner Heimat spezialisiert. Die Kantstraße ist ein Mekka für Asienfans. Das gilt mit den vielen Restaurants und Suppenküchen auch kulinarisch.