Marktforschung - Compendio Bildungsmedien

Transcrição

Marktforschung - Compendio Bildungsmedien
compendio
Bildungsmedien
Marktforschung
Grundlagen mit zahlreichen Beispielen, Repetitionsfragen
mit Antworten und Glossar
Kathrin ter Hofte-Fankhauser und Hans F. Wälty
5., überarbeitete Auflage 2013
1.2.2
Neue Trends in der Marktforschungsbranche
Im Rahmen der Überarbeitung dieses Lehrbuchs für die 5. Auflage führten die Autoren Sondierungsgespräche mit Geschäftsleitern von sechs bedeutenden Schweizer Marktforschungsinstituten durch, um die wichtigsten Probleme und Veränderungen dieser Branche zu
eruieren, die nachstehend zusammengefasst sind.[1]
A] Haltung der Auftraggeber: «More for less»
Die Experten sind sich darin einig, dass die Auftraggeber ihre Budgets für Marktforschung
z. T. massiv gekürzt haben und entsprechend preisbewusster als früher geworden sind.
Grosse Firmen haben zudem ihre internen Marktforschungsabteilungen z. T. drastisch
redimensioniert. Gleichzeitig haben die Auftraggeber höhere Anforderungen und Erwartungen. Früher wurde eine Studie oft aus einem diffusen Interesse heraus oder zur Absicherung erteilt. Heute wird dagegen Marktforschung ganz klar als Investition betrachtet,
die sich auszahlen muss. Der Auftraggeber ist generell zahlengetriebener als früher, er will
Daten und Fakten, mit denen er Rechenschaft über sein Tun ablegen kann. Die Marktforschungsergebnisse werden auch zunehmend hinterfragt, weil sich die Auftraggeber
der Probleme der Branche bewusster sind. Allem voran ist in diesem Zusammenhang der
Umstand zu nennen, dass repräsentative[!] Studien heute immer schwieriger zu realisieren sind (Einzelheiten s. Punkt B).
[1]
[!L
2
Mit bestem Dank für die Inputs zu Kap. 1.2.2, S. 15 an die Herren Roland Huber (DemoSCOPE), Matthias Kappeler (ISOPUBLIC), Alain Messerli (HTP), Stefan Oglesby (LINK Institut), Fredy Risi (amPuls) und Roland Rosset (Präsident vsms).
Von einer Stichprobe wird i. d. R. erwartet, dass sie repräsentativ für eine bestimmte Grundgesamtheit (z. B. die Bevölkerung) ist, d. h., ein
verkleinertes Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Das ist dann der Fall, wenn ihre Struktur bezüglich relevanter Merkmale (z. B. Anteile je
Altersgruppe) mit derjenigen der Grundgesamtheit übereinstimmt. Verweigern z. B. in einer Befragung der Schweizer Bevölkerung v. a.
junge Männer die Teilnahme, so können die Ergebnisse nicht auf die Gesamtschweiz übertragen werden.
B] Befragungstechnische Knacknüsse: Erreichbarkeit und Teilnahmebereitschaft
Rückläufige Erreichbarkeit der Zielpersonen
Im Jahr 1998 wurde die Eintragungspflicht für Festnetztelefone aufgehoben. In der Folge
liessen immer weniger Haushalte ihre Telefonnummer registrieren. Erschwerend ist
zudem für die Marktforschungsinstitute, dass diese keinen Zugang mehr zu einem vollständigen und aktuellen Nummernverzeichnis aller Telefon-Provider haben. Die nicht eingetragenen Nummern können zwar mit einem Zufallsverfahren generiert werden (Random Digit Dialing). Das ist aber mit erheblichen Zusatzkosten verbunden. Weitere Einzelheiten dazu s. Kap. 5.2.2, S. 69.
Allgemein sinkende Teilnahmebereitschaft
In der Bevölkerung hat die Sensibilität bezüglich Schutz der Persönlichkeit und Privatsphäre zugenommen, was sich wohl noch weiter verschärfen wird. Man kann Umfragen im
Prinzip nur noch mit Personen realisieren, zu denen man Zugriff hat und die sich auch befragen lassen. Die Bereitschaft zur Teilnahme an Umfragen hängt heute sehr stark davon ab, wer
in welchem Auftrag zu welchem Thema eine Erhebung durchführt.
Bis zu einem gewissen Grad sind korrigierende Eingriffe möglich. So können bei Telefonumfragen die ausgewählten Personen vorgängig angeschrieben oder viele Kontaktversuche realisiert werden. In jüngerer Zeit wird den Zielpersonen zudem alternativ angeboten, an der
Befragung online teilzunehmen (Mixed-Mode-Ansatz). Aber derartige Massnahmen sind
immer auch mit beträchtlichen Zusatzkosten verbunden. Weitere Aspekte zu dieser Thematik
finden Sie im Kapitel 5.2.2, S. 69.
Die Entwicklung wird möglicherweise – auch weil die Auflagen bzgl. Datenschutz wohl noch
strenger werden – in Richtung Permission Market Research mit Entschädigung der Befragten
gehen. Das heisst, man wird künftig nur noch Personen befragen (dürfen), die vorgängig ihre
Einwilligung gegeben haben. Panels, d. h. Adressverzeichnisse befragungswilliger Personen,
die man bei Bedarf für eine Erhebung kontaktiert, werden in der Umfrageforschung in Zukunft
stark an Bedeutung gewinnen. Denn ein derartiges «Panel für alles» würde zahlreiche der aufgeführten Probleme lösen – vorausgesetzt, dass es nicht übernutzt und entsprechend gepflegt
würde.
3
C] Methodischer Paradigmenwechsel: Beobachtung statt Befragung
Heute ist das Marketing oft mit einer riesigen Flut von marketingrelevanten Daten konfrontiert, z. B. im Internet oder in Kundendatenbanken. In Anbetracht der erörterten, vielfältigen
Befragungsprobleme erstaunt es nicht, dass eine Neigung besteht, künftig dieser Methode
auszuweichen bzw. sie wo immer möglich durch Beobachtungen bzw. Messungen zu ersetzen (Stichworte: Data Mining, Scanning, Bloganalysen, Soziale Netzwerkanalysen etc.). Die
Marktforschung wird dadurch zunehmend zu einer IT-Aufgabe.
Beobachtungen bzw. Messungen werden aufgrund ihres dominant beschreibenden Charakters
nie ein vollwertiger Ersatz für Befragungen sein. Mit grosser Wahrscheinlichkeit werden aber
die Telefonumfragen aufgrund der oben erwähnten Probleme weiter an Bedeutung verlieren.
Die Online-Befragungen haben ihren Höhepunkt möglicherweise auch überschritten. Smartphones eröffnen hier neue Möglichkeiten.
Gegebenenfalls wird die persönliche Befragung wieder an Bedeutung gewinnen. Die qualitative Marktforschung wird wichtiger werden, da ihre Erkenntnisse sehr differenziert und
ergiebig sind. Voraussetzung ist dabei, dass die Auftraggeber bereit sind, auf harte Zahlen zu
verzichten, und sie mit dem hypothetischen Charakter der Befunde leben können.
Eine weitere Perspektive könnte man als integrierte Marktforschung bezeichnen. Damit ist
eine Kombination verschiedener Erhebungsmethoden innerhalb derselben Studie mit dem
Ziel einer Gesamtanalyse gemeint. Die Datenanalyse wird – unabhängig von der jeweiligen
Erhebungsmethode – an Bedeutung gewinnen und mehr in die Tiefe gehen. Also weniger rein
beschreibende, dafür mehr explorative, d. h. erklärende Betrachtung. Und last, but not least:
Die Fragebogen müssen einfacher, kürzer und für die Befragten spannender werden.
D] Neue Wettbewerber
In den vergangenen Jahren drangen zunehmend mehr ausländische Institute (z. B. aus dem
süddeutschen Raum) auf den Schweizer Markt, die aufgrund ihrer Kostenstrukturen günstiger
offerieren können. Das betrifft v. a. Online- und Telefonbefragungen, aber auch Mystery
Research (d. h. der Einsatz von Testkunden).
Ausserdem treten neue Anbieter wie Google Services, Facebook, Verlage oder auch Beratungsfirmen als Konkurrenten[1] auf, indem sie ihren Kunden im Sinn einer umfassenden
Betreuung auch die Erhebung bzw. Analyse von Daten anbieten. Dazu kommt, dass sich Universitäten und Fachhochschulen zur Realisation von Studien bei der Wirtschaft anbieten und
so auch als Mitbewerber auftreten. Schliesslich werden immer mehr Befragungen – v. a.
Online-Erhebungen – von den Firmen in Eigenregie realisiert.
Diese Entwicklungen könnten ggf. zu einer Konsolidierung der Schweizer Marktforschungsbranche führen. Immer weniger Institute werden es sich z. B. leisten können, ein eigenes Telefonlabor inkl. aufwendiger IT-Organisation zu betreiben oder ein grosses Panel für alle Befragungsarten aufzubauen und zu pflegen. Diese Dienstleistungen werden sie wohl in Zukunft
bei grossen Instituten einkaufen müssen. Kleininstitute mit Nischenspezialisierung werden
dagegen möglicherweise an Bedeutung gewinnen.
[1]
4
Eine studentische Semesterarbeit der HWZ (Hochschule für Wirtschaft Zürich) hat den Schweizer Marktforschungsmarkt genauer untersucht (vgl. Artho, H.; Himmler, CH.; Huber L.; Zekkry, N.: Wer bietet welche Methoden in der Marktforschung im Markt Schweiz an?, Zürich
2010). Dabei wurden mittels einer Webanalyse im Markt Schweiz 121 Firmen identifiziert, die Marktforschung explizit als Kerndienstleistung
offerieren. Die untersuchten Firmen bieten Markt- oder Sozialforschung meist in Kombination mit weiteren Dienstleistungen an und nutzen
sie dann oft als Grundlage für weiterführende Wertschöpfung wie z. B. Beratung.
2.2.2
Kundenzufriedenheits-Forschung
Kundenzufriedenheit ist seit Mitte der 1990er-Jahre ein Schlüsselthema des Marketings. In
dieser Zeit verfestigte sich die Überzeugung, dass die Zufriedenheit des Kunden von entscheidender Bedeutung für die Kundenbindung[3] und damit für den Erfolg eines Produkts oder
einer Dienstleistung ist. Aufgrund verschiedener Studien wird vermutet, dass es für einen
Anbieter wesentlich wirtschaftlicher ist, im bestehenden Kundenstamm den Umsatz zu steigern als Neukunden zu akquirieren.
Letztendlich zielt die Kundenzufriedenheits-Forschung also darauf ab, den Unternehmenserfolg zu steigern, indem sie Ansatzpunkte zur Erhöhung der Kundenloyalität eruiert. Sie liefert
damit die Grundlage zur langfristigen Verbesserung des Customer-Relationship-Management-Prozesses (CRM)[4]. Wiederholte Erhebungen (Stichwort Tracking) der Kundenzufriedenheit lassen auch Rückschlüsse über den Erfolg bzw. die Effizienz von Massnahmen zu.
Definition
Kundenzufriedenheit
Ausmass der Übereinstimmung zwischen
•
•
der vom Kunden erwarteten und
der von ihm wahrgenommenen
Produkt- bzw. Dienstleistungsqualität.
Eine besondere Schwierigkeit und Herausforderung bei der Kundenzufriedenheitsforschung
ist, dass sie nicht nur von der wahrgenommenen Qualität des Produkts / der Dienstleistung
abhängt, sondern auch von der diesbezüglichen Erwartung des Kunden. Da sich Erwartungen
je nach Kunde unterscheiden und sich auch im Zeitablauf verändern können, kann die Zufriedenheit auch bei objektiv gleichbleibender Qualität unterschiedlich ausfallen. Konkret: Je
höher die Erwartung, desto geringer ist – bei objektiv konstanter Qualität! – die Zufriedenheit
(und umgekehrt). Siehe dazu Beispiel 1, S. 27.
Darüber hinaus wird die Zufriedenheit der Kunden nicht alleine durch die Funktionalität bzw.
den Grundnutzen eines Produkts oder einer Dienstleistung bestimmt. Grundsätzlich wirken
sich alle Service-, Neben- und Zusatzleistungen (z. B. Beratung im Geschäft, Finanzierungsangebote, Liefer-/Versandbedingungen, Kundendienst) auf die Erwartung und Qualitäts-Wahrnehmung der Kunden aus.
[3]
[4]
Unter Kundenbindung versteht man die Erhaltung von insbesondere Stammkunden.
Oberbegriff für das Gestalten von Kundenbeziehungen mit dem Ziel, v. a. den profitablen Kunden langfristig zu binden. CRM-Systeme dokumentieren und analysieren Informationen von z. B. Callcentern oder schriftlichen Kundenreaktionen. CRM zielt letztlich darauf ab, den langfristigen («lebenslänglich») generierbaren Kundenertrag zu maximieren.
5
Beispiel
Nr. 1: Warum sind die Fahrgäste nun unzufriedener? Wegen der gestiegenen Erwartung!
Ein Verkehrsunternehmen erhebt regelmässig die Zufriedenheit seiner Fahrgäste. Untersucht wird
dabei neben der Pünktlichkeit, der Freundlichkeit des Fahrpersonals oder der Sicherheit auch die
Zufriedenheit mit dem Fahrkomfort (Beispiele von Indikatoren für den Fahrkomfort: Verfügbarkeit
freier Sitzplätze, Beinfreiheit, Temperatur, Sitzkomfort etc.).
Nachdem das Verkehrsunternehmen innerhalb eines Jahrs einen Drittel der Busflotte durch neue,
grössere und modern ausgestattete Busse ersetzt hatte, erwartete die Geschäftsleitung, dass der bisher eher mittelmässig bewertete Fahrkomfort deutlich bessere Noten erhalten würde. Es trat aber
gerade das Gegenteil ein: Der Fahrkomfort wurde von den Fahrgästen wesentlich weniger gut bewertet als vor der Flotten-Erneuerung. Wie kann dies erklärt werden?
Die neuen Busse wurden auf ausgewählten Hauptlinien eingesetzt. Wer einmal mit einem neuen Bus
unterwegs war, erlebte, wie angenehm eine Busfahrt sein kann, wenn der Komfort «stimmt». Die
Erwartung stieg. Fuhr der gleiche Fahrgast nun wieder mit einem alten Bus, verglich er dessen Komfort mit dem der neuen Busse. Obwohl die alten Busse objektiv gesehen immer noch den gleichen
Komfort boten wie bis anhin, waren die Fahrgäste nun weniger zufrieden, weil ihre Ansprüche gestiegen waren.
Eine Erhöhung der Kundenzufriedenheit wirkt sich oft auch positiv auf die Kundenbindung
(Loyalität) aus. Doch Vorsicht: Auch zufriedene Kunden können den Anbieter wechseln, denn
die Loyalität hängt nicht nur von der Zufriedenheit ab. Es ist unerlässlich zu wissen, welche
Qualitätsmerkmale für die Kundenbindung besonders wichtig sind. Bei Kundenzufriedenheits-Untersuchungen wird deshalb auch das Ausmass der Kundenbindung erfasst. Zu diesem Zweck werden Indikatoren wie z. B. Wiederkaufbereitschaft, Empfehlungsbereitschaft[1]
oder Kauffrequenz untersucht.
Zur Erhebung der Kundenzufriedenheit gibt es verschiedene Methoden und Ansätze.
Anhand einer Auswertung von objektiv erfassbaren Daten, wie Anzahl Reklamationen, Neukundengewinn oder Kundenverluste, können gewisse Rückschlüsse auf die Zufriedenheit der
Kunden gezogen werden. Über die Ursachen dieser Symptome kann man aber oft nur spekulieren. Eine genauere Abklärung der Kausalzusammenhänge macht eine Kundenbefragung
unabdingbar.
Zur Erfassung der Kundenzufriedenheit gibt es grundsätzlich folgende zwei Verfahren:
•
•
[1]
6
Ereignisorientierte Verfahren: Dieser Ansatz geht von der Hypothese aus, dass der
Kunde bestimmte Ereignisse und Erlebnisse im Dienstleistungsprozess als hochgradig
entscheidend für die Zufriedenheitsbeurteilung (im positiven oder negativen Sinn) wahrnimmt. Beispiel im negativen Sinn: Ein Kunde zieht allein deshalb bereits einen Wechsel
zur Konkurrenz in Erwägung, weil er beim Versuch, die Hotline anzurufen, zu lange in der
Warteschlaufe warten musste. Das Ziel der ereignisorientierten KundenzufriedenheitsAnalyse ist, derartige kritische Schlüsselereignisse zu identifizieren.
Merkmalsorientierte Verfahren: Hier wird die Zufriedenheit gegenüber zahlreichen Leistungsmerkmalen abgefragt. Diese Verfahren basieren auf der Annahme, dass Kundenzufriedenheit aus einem breiten Spektrum von Qualitätsmerkmalen generiert wird und die
Gesamtzufriedenheit gewissermassen die Summe aller einzelnen Zufriedenheitswerte ist.
Im Zusammenhang mit der Empfehlungsbereitschaft wird oft vom Net Promoter Score (NPS) gesprochen, der angeblich hoch mit dem
Unternehmenserfolg korrelieren soll. Basis für die Berechnung des NPS ist eine Befragung von Kunden, in der folgende Frage gestellt wird:
«Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie das Unternehmen / die Marke X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?» Gemessen
werden die Antworten auf einer Skala von 0 (unwahrscheinlich) bis 10 (äusserst wahrscheinlich). Kunden, die mit 9 oder 10 antworten, werden als Promotoren (d. h. Förderer) bezeichnet. Als Detraktoren (d. h. Kritiker) gelten hingegen diejenigen, die mit 0 bis 6 antworten. Kunden,
die mit 7 oder 8 antworten, werden als Indifferente bezeichnet und bei der Berechnung des NPS nicht berücksichtigt. Der NPS ist die Differenz zwischen dem Prozentanteil Promotoren und dem Prozentanteil Detraktoren. Der Vorteil des NPS liegt in seiner Einfachheit. Es ist allerdings kritisch anzumerken, dass der postulierte Zusammenhang von NPS und Unternehmenserfolg nur teilweise nachgewiesen werden
konnte.
Nicht immer verfügt ein Unternehmen über eine Kundendatenbank oder auch nur über ein
aktuelles und vollständiges Verzeichnis seiner Kunden. In diesen Fällen bietet es sich an, Kunden für eine Zufriedenheits-Erhebung an «Touchpoints» zu rekrutieren, d. h. dort, wo sie in
Kontakt mit dem Unternehmen treten (z. B. anlässlich eines Anrufs beim Kundendienst oder
am Verkaufspunkt).
Weitergehende Informationen zur Erhebung der Kundenzufriedenheit finden sich im Anhang
9 auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM.
2.2.4
Mediaforschung
Bei der Mediaforschung stehen neben der Nutzerstruktur das Nutzungsverhalten (z. B. präferierte Medien und Themen, Nutzungshäufigkeit etc.) sowie verschiedene Leistungsindikatoren wie z. B. Reichweite bei Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften, Special Interest u. a.) oder
Einschaltquoten bei elektronischen Medien (TV, Radio, Internet u. a.) im Vordergrund.
Die Mediaforschung ist einer der am weitesten entwickelten Bereiche der Marktforschung.
Vor allem bei elektronischen Medien werden innovative Beobachtungsverfahren eingesetzt
(s. Kap. 6, S. 87). Hier in aller Kürze die für die Schweiz wichtigsten Standardangebote im
Bereich Mediaforschung (s. auch die Übersicht im Anhang 10 auf der dem Buch beiliegenden
CD-ROM).
7
A] MACH Basic
Die bedeutendste Studie zur Nutzung von Zeitungen, Zeitschriften sowie Kinos ist «MACH
Basic». Sie weist für ca. 400 Titel und Kombinationen die Reichweiten, Nutzerstrukturen und
Affinitätswerte[1] aus. Herausgeber ist die AG für Werbemittelforschung (WEMF), Zürich.
MACH Basic beruht auf einer permanenten Mixed-Mode-Befragung (telefonisch und online
kombiniert; s. Kap. 5.2.4, S. 75) von jährlich rund 19 000 Personen. Die Auswertung kann mit
der PKS-Studie (s. Anhang 7 auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM) kombiniert werden.
B] MACH Consumer
MACH Basic wird ergänzt durch «MACH Consumer». Dabei handelt es sich um eine zusätzliche Erhebung der zuvor bereits befragten MACH-Basic-Teilnehmer (Single Source
Methode). Sie ist eine schriftliche Befragung, aus der rund 9 000 auswertbare Interviews
resultieren, und wird jedes zweite Jahr durchgeführt. MACH Consumer ergänzt MACH Basic
mit Konsumdaten. Aus der Kombination beider Datenquellen lassen sich wertvolle Informationen für die Mediaplanung zur Bewerbung von Konsum- oder Gebrauchsgütern generieren.
Zu MACH Basic und MACH Consumer s. auch Anhang 10 auf der dem Buch beiliegenden
CD-ROM.
C] Fernsehforschung Schweiz
Die elektronische «Fernsehforschung Schweiz» wird seit 1985 im Rahmen eines Panels
betrieben.[2] Bis 2012 erfolgte die Erhebung der Einschaltquoten mithilfe des Messsystems
«TELECONTROL». Aufgrund der technologischen Entwicklungen gelangte dieses Messgerät
jedoch zusehends an seine Grenzen. Im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung entschied
die für die Schweizer Fernseh- und Radioforschung verantwortliche Mediapulse AG, die bisherige Technologie der elektronischen Fernsehforschung inkl. Systempartner zu wechseln.
Seit dem 1. Januar 2013 ist der beauftragte Zulieferer für die TV-Datenerhebung der englische
Marktforschungskonzern Kantar Media[3], der weltweit in über 40 Ländern die Fernseheinschaltquoten misst.
Die Auftraggeberin Mediapulse bewirtschaftet zu diesem Zweck ein Panel von rund 2 000
Haushalten, das repräsentativ für die ständige Wohnbevölkerung der Schweiz ab 3 Jahren
ist. Erhoben wird somit der TV-Konsum von insgesamt rund 4 200 Personen. In den PanelHaushalten ist jeder TV-Apparat mit einem Messgerät ausgestattet, dem 5000 Series PeopleMeter. Jeder dieser Apparate ist – wie früher bei TELECONTROL – mit einer Fernbedienung versehen, auf der die Haushaltsmitglieder oder Gäste sich an- und abmelden müssen.
Mithilfe eines Bonussystems und anderer Massnahmen werden die Panel-Teilnehmer zu
einem disziplinierten Verhalten (z. B. konsequentes An- und Abmelden mit der Fernbedienung) motiviert. Auf diese Weise wird die individuelle Nutzung jedes Zuschauers des Haushalts registriert.
Die Messung des Web-TV-Konsums der Panel-Haushalte, also der TV-Nutzung an Computern
und Laptops, erfolgt mittels des VirtualMeters. Es handelt sich dabei um eine reine Software,
die auf allen Rechnern im Haushalt installiert ist. Auf den Bildschirmen dieser Geräte erscheint
eine Fernbedienung, sobald die Software erkennt, dass ferngesehen wird. Anmeldung und
[1]
[2]
[3]
8
Affinität: Fachausdruck der Mediaforschung. Bezeichnet die Zielgruppennähe eines Mediums, s. Glossar.
Das Radio- und Fernsehgesetz (RTVG) verlangt, dass die Nutzungsforschung für TV und Radio durch eine unabhängige nationale Stiftung
erfolgt. Im April 2007 wurde zu diesem Zweck die Mediapulse Stiftung für Medienforschung gegründet, deren Tochter Mediapulse AG verantwortlich für die Organisation der Erhebungen der Schweizer Fernseh- und Radioforschung ist. Der Stiftungsrat wird vom eidgenössischen
Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) gewählt. Er setzt sich aus Vertretern der öffentlich-rechtlichen und
privaten TV- und Radioveranstaltern sowie der Werbewirtschaft zusammen. Die eigentliche Erhebung der Radio- und TV-Nutzungsdaten
delegierte Mediapulse AG an die Zulieferfirmen GfK Switzerland (für Radio) und Kantar Group (für TV). Die Aufbereitung und Vermarktung
der Daten erfolgt durch die zweite Tochter von Mediapulse Stiftung für Medienforschung, Publica Data AG.
Die Kantar Group gehört zur WPP Group (ein britisches Konglomerat von Werbedienstleistern und Medienunternehmen) und besteht aus
einem Netzwerk von Tochtergesellschaften, die zusammen das zweitgrösste Marktforschungsunternehmen der Welt bilden.
Messung erfolgen auf die gleiche Art wie beim PeopleMeter. Damit kann auch hier die Nutzung einer (oder mehreren) konkreten Person(en) zugeordnet werden.
Die Identifikation der eingestellten Kanäle / Sendungen erfolgt durch «Audiomatching»
(s. Abb. 2 - 5, S. 30). Dabei handelt es sich um einen elektronischen Abgleich zwischen den
von den TV-Sendern ausgestrahlten und den im Haushalt genutzten Tonspuren. Erstere werden in der Fernsehforschungs-Zentrale aufgezeichnet, letztere von den PeopleMetern oder
der Software der Haushalte, die die Daten an die Zentrale überspielen. Dadurch können die
eingestellten Sender bzw. Sendungen mit entsprechender Sehdauer identifiziert werden.
Damit ein Sender korrekt erkannt werden kann, muss die Nutzungssequenz allerdings mindestens 15 Sekunden betragen.
Abb. [2 - 5]
Das Prinzip des Audiomatching: Die Tonspur aus dem Panel-Haushalt wird mit den Tonspuren aller referenzierten Sender abgeglichen und zugeordnet.
Mit freundlicher Genehmigung der Mediapulse AG, Bern
Im Unterschied zur früheren Technologie, bei der die Echtzeitnutzung herkömmlicher TVGeräte im Vordergrund stand, erfasst der 5000 Series PeopleMeter ein wesentlich breiteres
Nutzungsspektrum, nämlich zusätzlich
•
•
den zeitversetzten TV-Konsum bis zu sieben Tagen nach der Ausstrahlung (z. B. eigene
Aufzeichnungen, Video-on-Demand, Replay-TV-Dienste, Podcasts, Live-Pausenfunktion
u. a.) sowie
den TV-Konsum mittels Computern und Laptops (Erfassung der TV-Nutzung durch Tablets, Smartphones oder Handys zur Zeit noch nicht feldtauglich).
Die in den Haushalten gespeicherten Nutzungsdaten werden von der Zentrale vollautomatisch abgerufen. Ein Zentralcomputer wertet schlussendlich sämtliche erhobenen Informationen aus und erstellt Statistiken zur Weiterverarbeitung. Im Zentrum stehen dabei die Reichweiten und Marktanteile («Einschaltquoten») der einzelnen Kanäle bzw. Fernsehprogramme
(Sendungen, Werbeblöcke, On-Air-Promotion etc.). Diese Daten sind am Folgetag der Ausstrahlung verfügbar.
9
D] Radioforschung Schweiz
Die «Radioforschung Schweiz» erfolgt seit 2001 ebenfalls im Rahmen eines Panels. Kernstück dieses Systems ist eine schweizerische Hightech-Uhr, die Mediawatch. Diese Armbanduhr – versehen mit einem eingebauten Mikrofon – registriert elektronisch den Radiokonsum des Trägers. Dreimal pro Minute werden während 4 Sekunden Töne elektronisch aufgezeichnet, kodifiziert und gespeichert. Jede Woche erhalten 1 012 Personen diese Uhr mit der
Aufforderung zugestellt, sie permanent auf sich zu tragen. Nach 7 Tagen schicken die PanelTeilnehmer diese wieder zurück und die Daten werden ausgelesen und weiterverarbeitet.
An verschiedenen Standorten in der Schweiz stehen Aufnahmestationen (SSU), die mit dem
gleichen Verfahren wie die Uhr alle relevanten Radioprogramme aufnehmen. Mittels Audiomatching (s. Abb. 2 - 5, S. 30) der Daten aus der Uhr und der SSUs wird festgestellt, welche
Radioprogramme wann von wem gehört wurden. Stimmen die Uhrendaten mit jenen eines
Senders zeitgleich überein, zeigt das, dass der Sender gehört wurde. Gestützt auf diese Daten
können pro Kanal die Marktanteile und Reichweiten ausgewiesen werden.
E] Net-Metrix-Basis
Die Studie «NET-Metrix-Base» liefert zweimal jährlich allgemeine Basisinformationen über die
Internetnutzer in der Schweiz und in Liechtenstein. Die Studie untersucht die Internet-Reichweite und die Nutzerstruktur (Soziodemografie, Nutzungsgewohnheiten usw.). Die Datenermittlung erfolgt anhand von jährlich über 23 000 Telefoninterviews.
«NET-Metrix-Base» erhebt allerdings lediglich die Internetnutzung über den PC zu Hause oder
am Arbeitsplatz, nicht aber die Internetnutzung unterwegs über Smartphones oder Tablets.
Diese Informationen liefert die Studie «NET-Metrix-Mobile-Report», die ebenfalls zweimal
jährlich erscheint. Die Daten zur mobilen Internetnutzung und zur Nutzerstruktur werden mittels einer Online-Befragung von jährlich 6 000 Schweizer und Lichtensteiner Usern erhoben.
F] SPR+ Strassenstudie und SPR+ Bahnhofstudie
Swiss Poster Research Plus AG (SPR+), eine neutrale Forschungsgesellschaft für die Schweizer Aussenwerbung, untersuchte die Medialeistung von Plakataushängen (SPR+ Strassenstudie). Dazu wurden die zurückgelegten Wegstrecken von rund 10 000 Testpersonen in
12 Agglomerationen mit einem speziell für diesen Zweck entwickelten, hochempfindlichen
GPS-Empfänger, dem Mobilitymeter, präzise aufgezeichnet. Jede Testperson trug den Mobilitymeter während einer Woche. In diesem Zeitraum wurde der jeweilige Standort der Testperson im Sekundenrhythmus erfasst. Anhand eines Abgleichs dieser Daten mit den Standorten der Plakatstellen konnten alle Kontakt-Wahrscheinlichkeiten pro Person und pro Plakatfläche kalkuliert und auf die untersuchten Gebiete hochgerechnet werden. Die Werte für die
nicht untersuchten Gebiete wurden im Rahmen eines separaten Modells ermittelt. Ergebnis:
Jeder Standort der relevanten Plakatformate (F12 / F200 / F24) aller 55 untersuchten Agglomerationen der Schweiz konnte einer Kontaktkategorie zugeordnet werden. Damit können
u. a. Reichweiten und Kontaktchancen (OTS) für beliebige Aussenwerbungskampagnen mit
obigen Formaten berechnet werden.
Neben der Strassenstudie misst und bewertet SPR+ auch die Kontakte aller rund 6 000 Plakatflächen in 400 Bahnhöfen (SPR+ Bahnhofstudie). Die Datenerfassung erfolgt durch Beobachter, die die Passantenströme anhand eines Plans (festgelegt werden Standort, Wochentag
und Tageszeit) richtungsgetrennt zählen. Die Resultate der beiden Studien sind vergleichbar
und es können kombinierte Auswertungen vorgenommen werden.
10
5.2.2
Fokus
Telefonische Befragung
Nr. 4: Warum werde ich von einem Marktforschungsinstitut angerufen, obwohl ich einen Sterneintrag im Telefonbuch habe? Die rechtlichen Grundlagen der Marktforschung[1]
Seit 1. April 2012 gilt das revidierte Bundesgesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG). Gemäss
neuem Gesetz macht sich strafbar, wer den Sterneintrag im Telefonbuch nicht beachtet. Mit dieser
Gesetzesverschärfung wollte der Bundesrat bewirken, dass Konsumenten und Konsumentinnen von
lästigen Werbeanrufen verschont werden. Dass hier Handlungsbedarf besteht, bestätigt nicht zuletzt
die Lauterkeitskommission, die in ihrer jährlich publizierten Statistik eine massive Zunahme der
Beschwerden wegen belästigenden Telefonanrufen vermerkt. Die Markt- und Meinungsforschung ist
allerdings keine Form der kommerziellen Kommunikation (Werbung) und verfolgt keine Verkaufsabsichten. Folglich ist sie nicht verpflichtet, den Sterneintrag im Telefonbuch zu berücksichtigen.
Würden Markt- und Sozialforschungsinstitute Personen mit Sterneintrag aus ihren Umfragen ausschliessen, wären die Ergebnisse dieser Umfragen nicht mehr repräsentativ für die Bevölkerung. I.d.R.
berücksichtigen sie deshalb bei bevölkerungsrepräsentativen Studien weder die Sterneinträge noch
die Robinson-Liste des Schweizer Direktmarketing Verbands. Meistens arbeiten Marktforschungsinstitute im Auftrag von Firmen, die z. B. die Zufriedenheit ihrer Kunden mit ihren Dienstleistungen erheben möchten. In diesem Fall spricht sich das Institut mit der Auftraggeberfirma ab, ob Personen, die
einen Sterneintrag im Telefonbuch haben, befragt werden sollen.
Für Befragungen auf Handynummern gibt es in der Schweiz keine speziellen gesetzlichen Grundlagen. Es gelten die für die Marktforschung allgemein üblichen Auflagen. Der Europäische Verband der
Sozial- und Marktforscher ESOMAR hat im Oktober 2012 eine Richtlinie für Mobile-Befragungen
herausgegeben[2], die auch für alle dem vsms angeschlossenen Institute verbindlich ist.
Aufgrund des Bundesgesetzes über den Datenschutz (DSG) ist die Teilnahme an Umfragen seriöser Markt- und Meinungsforschung immer freiwillig und anonym. vsms-Mitgliedsinstitute garantieren
den vollumfänglichen Schutz der personenbezogenen Informationen der Befragten (Personendaten
gemäss Art. 3 lit. a DSG). Insbesondere verpflichten sie sich, Personendaten ausschliesslich zum
Zweck der Markt- und Sozialforschung zu verwenden und nur mit ausdrücklicher, freiwilliger Einwilligung der Befragten an Auftraggeber bzw. an Dritte weiterzugeben. Der Einwilligung muss eine angemessene Information (namentlich über den Zweck der Weitergabe und den Kreis der Datenempfänger) vorausgehen.
Ohne eine entsprechende Einwilligung müssen Mitgliedsinstitute die Ergebnisse (resp. die darin enthaltenen Personendaten) einer Markt- bzw. Sozialforschung zudem spätestens dann anonymisieren,
wenn sie an den Auftraggeber oder an Dritte weitergegeben werden. Daten gelten als «anonymisiert»,
wenn die Identifikation bzw. Reidentifikation der betroffenen Person über ihre Antworten nicht oder
nur noch mit einem unverhältnismässigen Aufwand möglich ist. Die Institute müssen die erhobenen
Daten zur Person durch angemessene technische und organisatorische Massnahmen auch gegen
unbefugtes Einsehen und Bearbeiten schützen.
[1]
[2]
Quelle: www.vsms-asms.ch. Der Verband Schweizer Markt- und Sozialforschung vsms hat die wichtigsten Grundlagen des Datenschutzgesetzes für die Markt-, Sozial- und Meinungsforschung in einem Merkblatt zusammengetragen. Die Einhaltung des Datenschutzes ist oberstes Gebot für die Markt-, Sozial- und Meinungsforschung. Der vsms hat für seine Mitglieder Richtlinien erlassen, die über die gesetzlichen
Anforderungen hinausgehen. Das betrifft insbesondere die Informationspflicht gegenüber Mitarbeitenden bei der Durchführung von Mystery-Shopping-Studien, Auflagen beim Mithören und Beobachten von Befragungen und Gruppendiskussionen und bei der Herausgabe von
Bild- und Tonmaterial aus Studien. Das Merkblatt und diese Richtlinien sind auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM zu finden.
www.esomar.org. Die Richtlinie ist auch auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM zu finden.
11
5.2.4
Online-Befragung
B] Repräsentativität
Bei Online-Befragungen ist die Repräsentativität ein Problem. Nach wie vor ist sie für die
Gesamtbevölkerung nicht gegeben. Wichtiger Grund: Bei älteren Zielgruppen ist die
Durchdringung noch ungenügend (s. Abb. 5 - 5, S. 76). Im Jahr 2012 verfügte gemäss einer
Telefonbefragung mit 92% die grosse Mehrheit der 15- bis 74-jährigen Einwohner über einen
privaten Internetzugang. Dieser Anteil liegt in bestimmten Bevölkerungssegmenten wie
Erwerbstätigen, Personen unter 50 Jahren und Personen mit hohem Bildungsgrad noch
höher.
Abb. [5 - 5]
Internet-Penetration 2012 bei 15- bis 74-jährigen Personen in der Deutsch- und Westschweiz[1]
Total
Haben privaten
Internet-Zugang
Nutzen Internet privat
mind. 1x pro Woche
92%
87%
Alter
• 15–29 Jahre
• 30–49 Jahre
• 50–74 Jahre
99%
97%
81%
97%
93%
75%
Geschlecht
• Frauen
• Männer
89%
94%
84%
91%
Schulbildung
• Höhere Schule
• Berufsschule
• Grundschule
97%
91%
82%
95%
85%
76%
Erwerbstätigkeit
• Voll / teilweise
erwerbstätig
• Nicht erwerbstätig
96%
92%
82%
77%
Obwohl der Telefon-Durchdringungsgrad der Schweizer Bevölkerung mit 98% höher ist als
beim Online-Kanal, haben Telefonumfragen ein ähnliches Problem wie dieser, nur in entgegengesetzter Richtung. Mit Telefonbefragungen können jüngere Zielgruppen kaum mehr
erreicht werden, da diese entweder ihren Festnetzanschluss nicht mehr eintragen lassen oder
nur noch über ein (meist auch nicht registriertes) Handy verfügen. Diesem Dilemma versucht
man mittels «Mixed-Mode-Befragungen» beizukommen, die in derselben Umfrage mehrere
Befragungsarten einsetzen. In der Praxis am häufigsten kombiniert werden Online- mit Telefon-Befragungen. Mit diesem Vorgehen kann die Ausschöpfung substanziell erhöht und die
Repräsentativität verbessert werden.
[1]
12
CATI-Umfrage des LINK Instituts im 2. Halbjahr 2012, ntotal = 26 000.
Man kann bei Mixed-Mode-Befragungen sogar in ein und demselben Interview von der
telefonischen Befragung auf eine CAWI-Befragung wechseln. Der Interviewer wird dem
Befragten in diesem Fall während des CATI-Interviews einen Link zum Online-Fragebogen
senden. Der Befragte geht danach das Online-Interview entweder zusammen mit dem Befrager am Telefon durch oder füllt dieses später alleine aus. Dieses Vorgehen bietet sich in folgenden Situationen an:
•
•
Wenn spezielle Zielgruppen (z. B. Kunden mit bestimmten Markenpräferenzen oder Konsummerkmalen) rekrutiert werden sollen. Dabei erfolgt mittels Telefon-Screening
zunächst die Vorabklärung. Das Hauptinterview wird anschliessend online durchgeführt.
Wenn die Vorteile beider Methoden kombiniert werden sollen resp. müssen. Beispielsweise ist CATI besser geeignet für Spontan-Antworten, während CAWI den Vorteil hat,
dass Bild- oder Videomaterial eingesetzt werden kann.
Bei der Analyse von Mixed-Mode-Befragungen ist zu beachten, dass die Ergebnisse einer
CATI- und CAWI-Teilstichprobe voneinander abweichen können (sog. «Methodeneffekt») und
zwar v. a. aus folgenden beiden Gründen[1]:
•
•
Beispiel
Zum einen infolge struktureller Unterschiede der Teilstichproben (bei Telefonumfragen
sind oft Frauen und ältere Personen übervertreten, bei Online-Befragungen dagegen Männer und jüngere Personen).
Zum anderen aufgrund der unterschiedlichen Einflüsse der Befragungsmedien und Kommunikationssituationen.
Nr. 11: Die unterschiedlichen Einflüsse der Befragungsmedien und Kommunikationssituationen
•
•
•
•
Die soziale Erwünschtheit («Wünschbarkeitseffekt») spielt beim CATI-Interview eine wesentlich
grössere Rolle als bei einem selbstausgefüllten CAWI-Fragebogen.
Bei Online-Befragungen (wie übrigens auch bei schriftlichen Umfragen) werden die Skalen oft
besser ausgenutzt (also auch sehr tiefe oder hohe Werte vergeben), sodass die Streuung der Antworten grösser ist als bei Telefonbefragungen.
Eine weitere methodische Konsequenz ist der Zustimmungseffekt: Befragte stimmen bei dialogorientierten Verfahren (telefonische und persönliche Befragung) häufiger zu als bei schriftlichen
und Online-Befragungen (sie antworten also z. B. bei Ja / Nein-Fragen häufiger mit «Ja»).
Bei offen gestellten Fragen haken die Befrager bei Telefoninterviews nach und evozieren so u. U.
mehr und detailliertere Antworten als bei einem selbstausgefüllten Online-Fragebogen, wo ggf.
kein oder wenig Kommentar abgegeben oder «weiss nicht» angekreuzt wird.
Damit Online-Umfragen repräsentativ sind, muss die Stichprobenziehung den Anforderungen
einer Random- oder Quota-Auswahl genügen. Das heisst, die Teilnehmer müssen
•
•
[1]
entweder «offline» (mittels telefonischer oder persönlicher Screening-Befragungen) oder
«online» aktiv (d. h. mittels eines Zufallsverfahrens auf der Basis eines vollständigen
Adressverzeichnisses oder einer zufälligen Auswahl der Nutzer einer bestimmten Internetseite, z. B. jeder 100. Besucher) rekrutiert werden.
Ulrich, Georges-Simon; Aellig, Urs: Mixed-Mode-Ansatz, 2011.
13
7.2.4
Mobile-Panels
Einige Marktforschungsinstitute bieten neu auch Mobile-Panels an. Diese bestehen aus aktiv
– vom Institut meist telefonisch – rekrutierten Personen, die sich anlässlich der Sondierung
bereit erklärt haben, wiederholt an Handy-Befragungen teilzunehmen. Im Rahmen von Telefonbefragungen können so neben Interviews auf das Festnetz auch «Mobile Onlys», d. h. Personen, die nur noch über Mobiltelefonie erreichbar sind, befragt werden (s. Kap. 5.2.2, S. 69).
Falls die Panel-Teilnehmer ein Smartphone besitzen, können sie auch mittels einer PushNachricht oder eines E-Mails zu einer Online-Befragung eingeladen werden. Die Fragen können von den Zielpersonen somit unterwegs resp. vor Ort (z. B. in einem Geschäft oder in
einem öffentlichen Verkehrsmittel) und damit ortsunabhängig beantwortet werden. Erfolgt
die Befragung über eine App, kann der Fragebogen sogar ohne Internetverbindung ausgefüllt
werden (eine Verbindung wird lediglich für das Herunterladen des Fragebogens und die Übermittlung der Antworten benötigt).
[1]
14
Von den Online-Panels zu unterscheiden sind die Online-Pools. Hier handelt es sich um passiv rekrutierte Internetnutzer, die sich aus eigener Initiative auf einer bestimmten Internetsite bereit erklärt haben, an Befragungen teilzunehmen und ihre E-Mail-Adresse hinterliessen. Im
Gegensatz zu den Online-Panels stellen die Online-Pools keine repräsentative Auswahl von Internetnutzern dar. Vgl. Leopold, Helmut: Die
richtige Feldzeit bei Online-Befragungen, Frankfurt am Main 2005.
7.3.2
Storetest
Als Storetest bezeichnet man den probeweisen Verkauf von (meist modifizierten oder neuen)
Produkten in einem oder mehreren Detailhandelsgeschäften. Gemessen werden i. d. R. lediglich
die Verkäufe des Testprodukts. Ziel ist die Abschätzung der Nachfrage vor der definitiven Markteinführung unter (annähernd) realen, kontrollierten Bedingungen. Bei bereits eingeführten Produkten dient der Storetest meist der Prognose des Erfolgs bestimmter Marketing-Massnahmen,
wie z. B. Preisaktionen, Degustationen, Sonderplatzierungen, Packungs-Neugestaltung etc. Die
Dauer eines Storetests ist relativ kurz (oft im Bereich von einem Monat).
Der Storetest liefert für die Absatzprognose sicher zuverlässigere Daten als die klassischen
Produkttests unter Laborbedingungen. Es liegen auch rasch und relativ kostengünstig erste
Ergebnisse vor. Trotzdem ist die Aussagekraft der ermittelten Nachfrage wegen der geringen
Zahl der einbezogenen Verkaufsstellen und der meist relativ kurzen Testdauer begrenzt. Bei
dieser Untersuchungsart ist auch nicht erkennbar, wer die Käufer sind und in welcher Frequenz sowie Menge sie das Produkt kaufen. Aus diesem Grund bieten einzelne Institute
neben den Verkaufszahlen ergänzende Dienstleistungen an, wie z. B. Beobachtungen oder
Befragungen am Verkaufspunkt. In Deutschland werden darüber hinaus in einigen Städten
Storetest-Panels unterhalten, deren Teilnehmer mit einer Chipkarte zur Registrierung der Einkäufe ausgerüstet sind. Derartige «Minimarkttests» unterscheiden sich nur noch graduell vom
Testmarkt.
Fokus
Nr. 6: Prognosen
Die in Kap. 7.3, S. 98 aufgeführten Pretests sind ein sehr pragmatischer Ansatz von Prognoseverfahren im Marketing. Egal, ob Produkt- oder Werbe-Pretest, Storetest oder Testmarkt – alle haben u. a.
die Aufgabe, die Marktakzeptanz bzw. den Erfolg / Misserfolg vor der effektiven Markteinführung zu
prognostizieren.
Prognosen sind wissenschaftlich fundierte Aussagen über die Zukunft. Sie stützen sich oft auf
empirische Messungen bzw. auf Messreihen (z. B. Marktvolumen-Entwicklung), die dann unter
Anwendung bestimmter Verfahren oder Simulationen über die Gegenwart hinaus fortgeschrieben
werden. Auf dieser Grundlage können dann – evtl. mit bestimmten Wahrscheinlichkeiten oder innerhalb einer bestimmten Bandbreite – Voraussagen gemacht werden.
Im Bereich der sozialwissenschaftlichen Prognosen – und dazu zählen auch die Prognosen im Marketing – ist von spezieller Bedeutung, dass veröffentlichte Voraussagen das Verhalten der «Prognoseobjekte» (z. B. das Verhalten der Konsumenten) beeinflussen können. So ist in diesem Zusammenhang
das Phänomen der Selffulfilling Prophecy bekannt. Wenn z. B. ein glaubwürdiger Experte in den
Medien kommuniziert, dass demnächst das Benzin knapp wird, dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem Versorgungsengpass kommen, da viele Konsumenten einen Vorrat anlegen werden.
Grundsätzlich kann zwischen quantitativen und qualitativen Prognosen unterschieden werden. Der
«Output» quantitativer Prognosen sind naturgemäss Zahlen. Die Statistik stellt dazu verschiedene Verfahren zur Verfügung. Für praktische Marketing-Zwecke von Bedeutung sind beispielsweise die lineare Regression (berechnet mit der Methode der kleinsten Quadrate oder grafisch umgesetzt mittels
«Freihandmethode»), die Methode der gleitenden Durchschnitte sowie die exponentielle Glättung[1].
Ein anspruchsvolleres quantitatives Prognoseverfahren ist die multiple Regressionsanalyse (s. Glossar). Mit ihr wird versucht, zunächst ein komplexes Gesamtmodell, bestehend aus einer Vielzahl von
Variablen, zu entwickeln. Danach werden die Ursache-Wirkungs-Verkettungen anhand quantifizierter
Einflüsse («Treiber-Stärken») berechnet. Darauf gestützt können schliesslich Prognosen in Abhängigkeit einer Vielzahl von Input-Grössen berechnet werden. Eine Anwendung der Regressionsanalyse finden wir im Marketing z. B. bei der Kundenzufriedenheits-Forschung[2].
Der «Output» qualitativer Prognosen ist primär verbaler Natur. Sie stützen sich i. d. R. auf subjektive
Einschätzungen von Experten. Eine elaborierte Methode dieser Art ist die Delphi-Befragung[3].
[1]
[2]
[3]
Exponentielle Glättung: Verfahren zur Berechnung kurzfristiger quantitativer Prognosen auf der Basis von Vergangenheitsdaten. Dabei werden die aktuellen Werte stärker gewichtet. Wird v. a. eingesetzt, wenn in den Vergangenheitsdaten keine regelmässigen Muster erkennbar
sind.
Siehe dazu Kap. 2.2.2, S. 26 und Anhang 9 auf der dem Buch beiliegenden CD-ROM.
Siehe dazu Kap. 7.6, S. 110.
15
7.4
Conjoint-Analyse
Bei vielen Kaufentscheiden versucht der Käufer den materiellen und immateriellen Nutzen
des Kaufobjekts mit dem Preis in Beziehung zu setzen. Dies wird zumindest in allen HighInterest-Kaufsituationen der Fall sein, beispielsweise bei einem Autokauf. Der Kaufinteressent
stellt hier bei den grundsätzlich infrage kommenden Automodellen dem Preis verschiedene
Merkmale, wie z. B. Markenimage, Anzahl Türen, Motorenstärke, Benzinverbrauch etc.,
gegenüber. Oder der Abwägungsprozess beim Entscheid für einen Städteflug erfolgt beispielsweise auf der Basis folgender Kriterien: Distanz der Flughäfen vom Wohn- bzw. Zielort,
Startzeitpunkt der Flüge, Flexibilität (Anzahl Flüge/Tag), Image der Fluggesellschaft, Preis.
Jedes dieser Leistungsmerkmale hat für einen bestimmten Kunden einen spezifischen Teilnutzen (d. h. Anteil am Gesamtnutzen). Dieser Teilnutzen präsentiert sich bei einem anderen
Kaufinteressenten u. U. völlig anders. Ein Käufer wird sich schlussendlich für das Automodell
bzw. die Fluggesellschaft entscheiden, das oder die für ihn insgesamt den grössten Gesamtnutzen (Summe der Teilnutzen) aufweist. Die Conjoint-Analyse versucht, dieser komplexen
Situation Rechnung zu tragen.
«Conjoint» ist eine Wortbildung, die aus «consider jointly» (sinngemäss: «Gesamtschau») entstanden ist. Die Conjoint-Analyse ist heute das in der Marktforschung am häufigsten eingesetzte Verfahren zur Erhebung von Präferenzen (Präferenzforschung). Zu diesem Zweck
wird ermittelt, wie wichtig verschiedene Eigenschaften einer Marktleistung für die Kunden
sind (Teilnutzen) und wie hoch die Zahlungsbereitschaft für diese ist. Diese Methode zielt darauf ab, einzelne Teilnutzen von relevanten, vorgegebenen Leistungsmerkmalen bzw. -merkmalsausprägungen zu quantifizieren. Gestützt darauf kann die optimale Preis-Leistungs-Kombination – ggf. differenziert nach einzelnen Zielgruppen – abgeleitet werden.
16
Entscheidend ist, dass die Teilnutzen nicht auf der Ebene isolierter Einzelmerkmale erhoben
werden. Vielmehr werden in der Befragung sinnvolle Kombinationen von Leistungsmerkmalen – in obigem Beispiel im Prinzip fiktive alternative Automodelle – vorgelegt, die der Befragte
in eine Präferenz-Rangfolge bringen oder anhand einer Skala beurteilen muss. Auf diese
Weise wird eine relativ realitätsnahe Kaufentscheidungs-Situation hergestellt. Die Teilnutzen
(z. B. der Motorenstärke) werden dann mit einer komplexen statistischen Analyse (Regressionsanalyse) rechnerisch bestimmt. Dieses Vorgehen hat folgende Gründe: Fragt man
Kunden direkt, welchen Teilnutzen verschiedene Leistungsmerkmale haben, sind sie oft nicht
in der Lage, eine differenzierte Beurteilung abzugeben. Sie bewerten in diesem Dilemma alle
Merkmale als ähnlich wichtig. In der Tat laufen reale Kaufentscheid-Prozesse weniger analytisch, sondern vielmehr ganzheitlich und zu einem grossen Teil intuitiv oder völlig unbewusst
ab.
Conjoint-Analysen werden primär zur Abklärung folgender Zielsetzungen eingesetzt:
•
•
•
Zur Optimierung bestehender oder Evaluation neuer Marktleistungen. Exemplarische
Fragestellungen in diesem Sinn sind:
– Wie gross ist der Gesamt-Kundennutzen eines Produkts im Vergleich zu Konkurrenzprodukten?
– Welcher Präferenzzuwachs in Prozenten entsteht, wenn ein Produkt / eine Dienstleistung mit einem Zusatznutzen (z. B. Gratis-Fotokurs beim Kauf einer Digitalkamera) ausgestattet wird?
– Welche Leistungsmerkmale haben welches Gewicht beim Kaufentscheid?
– Wie gross ist die Preiselastizität und welches ist der ertragsoptimale Preis?
Zur Erstellung von Prognosen und Simulationen. Exemplarische Fragestellungen:
– Wie werden sich bestimmte Veränderungen der Leistungsmerkmale auf den Absatz
resp. auf die Marktanteile auswirken? Beispiel: Mit welchen – von verschiedenen in
Betracht gezogenen – Zusatzleistungen lässt sich in einem Hotel eine 15%ige Preiserhöhung am besten realisieren?
– Wie werden sich bestimmte Massnahmen der Konkurrenz auf die Umsätze und Marktanteile auswirken?
Zur nutzenorientierten Marktsegmentierung
Die Conjoint-Erhebung wurde in der Anfangsphase vorwiegend als persönliche Befragung
mit Kärtchen, auf denen vollständige Produktvarianten beschrieben waren, durchgeführt. Der
Nachteil dieser Technik liegt darin, dass man i. d. R. nicht mehr als 2–3 Merkmale mit jeweils
2–3 Ausprägungen pro Merkmal einbeziehen konnte, denn der Befragte musste alle möglichen Kombinationen der Merkmalsausprägungen bewerten.
Heute werden Conjoint-Analysen mehrheitlich mittels computergestützter Befragungen
(CAPI oder CAWI) durchgeführt. Die zwei bekanntesten Conjoint-Verfahren sind: Adaptive
Conjoint-Analyse (ACA) und Choice-Based Conjoint-Analyse (CBC). Im Gegensatz zur ACA
setzt die CBC nicht zwingend eine computergestützte Befragung voraus.
Bei der Adaptiven Conjoint-Analyse muss der Befragte zuerst die einzelnen Produktmerkmale und -ausprägungen bewerten. Aufgrund der gegebenen Antworten werden dann computergestützt die individuellen Produkte zusammengestellt, zwischen denen sich der Befragte
entscheiden muss. Dieses zweistufige Vorgehen hat den Vorteil, dass man wesentlich mehr
Merkmale und Merkmalsausprägungen in die Untersuchung miteinbeziehen kann, ohne die
Befragung zur verlängern.
17
Bei der Choice-Based Conjoint-Analyse muss der Befragte weder Präferenzen, Produktmerkmale noch Kaufwahrscheinlichkeiten bewerten. Er muss nur wiederholt zwischen wenigen – i. d. R. zwei bis vier – ausformulierten Produktalternativen wählen (wobei er auch die
Option «keines der Angebote» wählen kann). Dadurch wird die reale Kaufsituation wesentlich
besser simuliert.
Die Stichprobengrösse einer Conjoint-Befragung hängt massgeblich vom Untersuchungsgegenstand und der Anzahl der Marktsegemente bzw. Subgruppen ab, über die man Aussagen machen möchte. Als Faustregel gilt, dass keine der Subgruppen weniger als 50 Befragte
umfassen sollte. Will man z. B. drei Segmente (wie etwa Jugendliche, Erwachsene und Senioren), differenziert nach Geschlecht (männlich, weiblich) sowie nach Wohnregion (Stadt,
Agglomeration, Land), ausweisen, resultieren hier 3 · 2 · 3, d. h. 18 Kombinationen. Würden
für jede Kombination 50 Personen befragt werden, ergäbe sich eine Gesamtstichprobe von
total 900 Befragten.
In Abb. 7 - 7, S. 107 sind die Vor- und Nachteile der Conjoint-Analyse zusammengefasst.
Abb. [7 - 7]
Vor- und Nachteile der Conjoint-Analyse
Vorteile
Nachteile
• Ein Produkt / eine Dienstleistung wird relativ
ganzheitlich bewertet, was der realen Entscheidungssituation sehr nahe kommt.
• Nutzen, d. h. «Wichtigkeit» der einzelnen
Produktmerkmale werden indirekt (durch
Berechnungen) ermittelt und nicht direkt
abgefragt. Dies steigert die Gültigkeit (Validität) des Resultats.
• Computergestützte Befragungen erlauben
aufgrund individuell angepasster Interviews
den Einbezug von deutlich mehr Merkmalen, als dies mit den bisherigen persönlichen
Befragungen der Fall war.
• Die Vorauswahl der zu untersuchenden
Merkmale muss gut überlegt sein. Unter
Umständen ist eine entsprechende Vorstudie (z. B. mittels Focus Groups) erforderlich.
Dies verteuert die Untersuchung.
• Um Überforderungen der Befragten vorzubeugen, müssen die zu untersuchenden
Merkmale begrenzt werden (optimal sind 3–
6 Merkmale).
• Liefert wenig brauchbare Resultate, falls ein
einziges Leistungsmerkmal für die Kaufentscheidung extrem relevant ist.
Weitere Einzelheiten und ein Beispiel zur Conjoint-Analyse finden sich im Anhang 5, S. 157.
18
7.9
Netzwerkanalysen[1]
Die klassische Umfrageforschung versucht das Kaufverhalten primär anhand individueller
Dispositionen (Interessen, Bedürfnisse, Neigungen, Beweggründe etc.) zu erklären oder vorauszusagen. Das gelingt nicht immer. Denn unter Umständen kann das individuelle Verhalten
nur dann plausibel erklärt werden, wenn die soziale Bezugsgruppe und / oder die spezifische
soziale Situation der Person als Bestimmungsgrösse einbezogen wird.
Der soziale Kontext bzw. das Beziehungsnetz («im Ausgang trinken alle meine Freunde Red
Bull») kann in Entscheidungssituationen mitunter die persönlichen Präferenzen beeinflussen
(«also trinke auch ich Red Bull, obwohl ich den Geschmack eigentlich nicht mag»).
Eine Methode zur Gewinnung systematischer Einblicke in Beziehungsnetzwerke ist die Analyse sozialer Netzwerke (Social Network Analysis oder abgekürzt SNA). Soziale Netzwerke sind relativ stabile Beziehungen zwischen Individuen; anhand dieser Netzwerke können Verhaltensweisen interpretiert werden.
Die SNA ist keine Datenerhebungsform, sondern im Prinzip bloss ein Statistik-Programm zur
Datenanalyse. Die zu analysierenden Informationen werden meist durch Beobachtungen
(Telefonanrufe, Freundschaftsbeziehungen auf Facebook, Blogs, Konsumentenforen etc.)
oder Umfragen erhoben. Im Fokus der Analyse steht dabei nicht das einzelne Individuum,
sondern die Beziehungen zwischen den «Akteuren» bzw. das Beziehungsnetz.
Für die Analyse sozialer Netzwerke gibt es zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze: die
Analyse von Gesamtnetzwerken und die Analyse von individuellen, sogenannten Ego-Netzwerken.
Ein Gesamtnetzwerk zu untersuchen macht Sinn, wenn ein Kollektiv (z. B. eine Schulklasse,
eine Community oder die Facebook-Gemeinde) im Fokus steht. Eine Gesamtnetzwerkanalyse zielt darauf ab, Struktureigenschaften und den Informationsfluss zwischen den Akteuren
sichtbar zu machen. Da die Datengewinnung meist im Rahmen einer Vollerhebung erfolgt,
wird eine Analyse grosser Netzwerke sehr schnell sehr aufwendig. Sind die Akteure nicht in
einer Adressliste oder Datenbank erfasst, müssen sie eruiert werden (z. B. mittels des Schneeball-Verfahrens[2]).
In der Marktforschung werden Ego-Netzwerke untersucht, wenn beispielsweise das Konsumentenverhalten erklärt werden soll. Hier werden die persönlichen Netzwerke anhand einer
Stichprobe ausgewählter Akteure analysiert. Mit einem vergleichsweise geringen Erhebungsaufwand können damit auch Aussagen über grosse Populationen (z. B. alle Personen, die in
den letzten 12 Monaten ein Auto gekauft haben) gemacht werden.
Die Erhebung eines Ego-Netzwerks erfolgt in zwei Schritten. In einem ersten Schritt werden
die befragten Akteure gebeten, Drittpersonen zu nennen, zu denen sie in Bezug auf die interessierende Fragestellung Beziehungen pflegen. Wenn z. B. untersucht werden soll, wie und
wann sich ein Autokäufer für eine bestimmte Marke entscheidet, wird eine Stichprobe aus
Personen rekrutiert, die kürzlich einen Autokauf getätigt haben. Diese werden dann gefragt,
mit wem sie sich in den letzten sechs Monaten über Autos bzw. Automarken unterhalten
haben.
[1]
[2]
Vgl. zu diesem Kapitel Heidler, Richard: Erhebung, Visualisierung und mathematische Analyse sozialer Netzwerke, Speyer 2009. Zum Thema
allgemein Stegbauer, Christian; Häussling, Roger: Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2011.
Methode zur Bildung einer Stichprobe nach dem Modell des «Kettenbriefs». Dabei lässt sich der Befrager am Ende eines Interviews weitere
potenzielle Auskunftspersonen nennen, die die für die Untersuchung relevanten Merkmale aufweisen (s. auch Glossar).
19
In einem zweiten Schritt müssen die befragten Autokäufer nicht nur die persönlichen
Beziehungen beschreiben, die sie mit den von ihnen genannten Drittpersonen unterhalten,
sondern auch die Beziehungen, die diese Drittpersonen untereinander pflegen. Ziel der Analysen von Ego-Netzwerken ist die Identifikation von konsistenten Beziehungsmustern und
-strukturen, die helfen, den Kaufentscheid zu erklären oder zumindest plausibel zu machen.
Mögliche Einsatzgebiete von Netzwerkanalysen:
•
•
20
Im Marketing z. B. zur Untersuchung der Produkt-/Markenwahrnehmung als Input für die
Markenpositionierung oder zur Erklärung des Kauf- bzw. Konsumverhaltens.
In der Politikwissenschaft z. B. zur Analyse von Wahlen / Abstimmungen und der politischen Meinungsbildung (z. B. Identifikation von Schlüsselpersonen).
8.2
Eingliederung der Marktforschung im Unternehmen
Kleinunternehmen und Firmen mit unregelmässigem, eher geringem Marketing-Informationsbedarf betreiben i. d. R. keine eigene Marktforschung. Mittelgrosse Unternehmen verfügen möglicherweise über einen «Parttime»-Marktforscher, der zusätzlich noch andere Funktionen wahrnimmt. Andererseits gibt es Firmen, die über einen Fulltime-Betriebsmarktforscher oder sogar über eine ganze Marktforschungsabteilung verfügen. Aber gerade
diese werden sehr oft auf die Dienste eines externen Marktforschungsinstituts zurückgreifen
müssen (z. B. für CATI-Interviews, qualitative Studien, wenn der Einsatz von speziellen Apparaturen nötig ist, für anspruchsvolle statistische Auswertungen etc.). Hier werden meist nur
das Konzept, evtl. der Fragebogen und die Auswertung inhouse realisiert.
Es gibt folgende Möglichkeiten zur Eingliederung des Betriebsmarktforschers bzw. der
Marktforschungsabteilung in die Aufbauorganisation:
•
•
•
Abb. [8 - 3]
Stabsstelle der Marketing-Abteilung oder Geschäftsleitung: In diesem Fall ist die
Marktforschung eine «Servicestelle», die über keine Weisungsbefugnisse verfügt.
Linienstelle in der Marketing-Abteilung: Hier wird die Marktforschung gegenüber der
Stabsstelle aufgewertet, da sie gleiche Befugnisse hat wie die anderen Funktionen.
Stelle innerhalb einer Matrixorganisation des Marketings: Bei dieser Form steht meistens das Credo des integrierten Marketings im Vordergrund. Eine effiziente Umsetzung
wird mit der Funktion des Produktmanagers vollzogen. Da er gegenüber den anderen Marketing-Stellen keine Weisungsbefugnisse hat, ist diese Form (wie übrigens jede Matrixorganisation) relativ konfliktanfällig.
Eingliederung der Betriebsmarktforschung in die Aufbauorganisation
Geschäftsleitung
Geschäftsleitung
Abteilung
x
Marktforschung
Marketing
Verkauf
Abteilung
x
Marktforschung
Werbung
Stabsstelle
Marketing
Verkauf
Werbung
Linienstelle
Marketing
Marktforschung
Verkauf
Werbung
Produktgruppe A
Produktgruppe B
Matrixorganisation
21
Anhang 6: Evaluation von Gestaltungsmassnahmen
am Bahnhof Basel SBB mittels Eye Tracking
Beispiel
Nr. 28: Evaluation von Gestaltungsmassnahmen am Bahnhof Basel SBB
Fragestellung: Welche Massnahmen zur Wegweisung und Kundenführung an Bahnhöfen wirken sich positiv auf das Orientierungsverhalten und das Nutzungserlebnis insgesamt aus?
Die Bahnhöfe in der Schweiz stehen bei der Bewältigung der Personenströme vor grossen Herausforderungen: Die Zahl der Bahnhofsnutzer nimmt stetig zu, ihre Ansprüche steigen, während die Platzverhältnisse gleich bleiben. Die hohe Komplexität der grossen Bahnhöfe macht es fast unmöglich, vorauszusagen, ob eine bestimmte Massnahme zur Kundenorientierung bzw. -führung zielführend ist.
Aufgabenstellung: Evaluation der geplanten Gestaltungsmassnahmen im Bahnhof Basel SBB in
einem Vorher-Nachher-Vergleich anhand eines Tests mit Nutzern
Um auch in Zukunft einen effizienten Betrieb und somit eine hohe Kundenzufriedenheit gewährleisten
zu können, hat die SBB im Bahnhof Basel verschiedene Massnahmen im Bereich Kundenorientierung
und -führung getestet. Auch wenn diese von Experten konzipiert wurden, so entscheidet über deren
Erfolg oder Misserfolg letztendlich der Bahnhofnutzer.
Lösung: User-Experience-Test im Bahnhof mit Blickregistrierung (Eye Tracking)
Um das individuelle Orientierungsverhalten im Bahnhof abzubilden, wurde die Methode des Eye Tracking, die Messung der Augenbewegungen bzw. des Blickverlaufs, gewählt. Im Rahmen einer Feldstudie lösten ortsunkundige Personen auf dem Bahnhof unterschiedliche fahrgasttypische Aufgaben
(z. B. Umsteigen oder den Treffpunkt finden). Dabei zeichnete eine Spezialbrille (Eyetracker) per Video
den Raum im Blickfeld der Testperson sowie die mit den Augen fixierten Orte auf.
Dieses Blickvideo diente als Grundlage für ein persönliches Interview mit den Teilnehmern. Neben der
Beschreibung der Lösungs(um)wege bei der Suche visueller Informationen und Orientierungshilfen
gaben die Testpersonen auch zu Protokoll, wie sie sich unterwegs an den verschiedenen Wegpunkten
gefühlt haben. Die Darstellung der örtlich unterschiedlichen Befindlichkeiten in Form von «Emotionskurven» veranschaulichte die Stärken und Schwächen der Wegweisung (z. B. in der Beschilderung
und Wegführung).
Mit diesem Vorgehen konnten nachhaltige und wirkungsvolle Optimierungsmassnahmen identifiziert
und gleichzeitig die Akzeptanz bei den Betroffenen sichergestellt werden. Die Ergebnisse des VorherNachher-Vergleichs an tatsächlich umgesetzten Massnahmen vor Ort erlaubt einen bestmöglichen
Transfer der Befunde auf andere Bahnhöfe.
Testperson (links) während einer Aufgabe im Bahnhof. Im Rucksack befindet sich der Laptop, der die
Blickregistrierung auf der Festplatte aufzeichnet. Der Testleiter (rechts) begleitet die Testperson ohne
mit ihr zu kommunizieren.
22
Bild links (Brille von aussen): Im Brillenrahmen ist über dem Nasenstück die Szenen-Kamera eingesetzt. Diese filmt das Gesichtsfeld der Testperson und leitet diese Informationen zur Weiterverarbeitung an ein Notebook weiter, das die Testperson in einem kleinen Rucksack mitträgt.
Bild rechts (Brille von innen): Im unteren Teil des Brillenrahmens befinden sich zwei Augen-Kameras,
die laufend die Position beider Augen registrieren. Auch diese Daten werden laufend auf das Notebook überspielt, um daraus die Blickposition auf dem Szenen-Video zu berechnen. Das resultierende
Blickvideo kann dann in einem späteren Schritt inhaltlich ausgewertet werden.
Alle Bilder mit freundlicher Genehmigung von Pascal Wurtz, GfK – SirValUse, Biel.
Vorteile des Eye Tracking:
•
•
•
•
•
Lückenlose Dokumentation des (Blick-)Verhaltens von Bahnhofsnutzern
Die Ich-Perspektive des Nutzers wird für Aussenstehende erlebbar.
Objektivität (keine Testleiter-Effekte) während der Testdurchführung vor Ort
Gut mit anderen Methoden kombinierbar (Beobachtung, Interviews, andere psychophysiologische Messungen)
Vielfältige Auswertungs- und Visualisierungsmöglichkeiten, sowohl qualitativ wie quantitativ
Nachteile des Eye Tracking:
•
•
•
•
Hoher technischer Aufwand
Realisierbare Stichprobengrösse begrenzt (da Einzelmessungen und Auswertung mit relativ
hohem zeitlichem Aufwand verbunden)
Auch wenn auf den ersten Blick die Validität offensichtlich gegeben scheint, besteht die Gefahr
der Fehl- oder Überinterpretation (für eine seriöse Messung und Auswertung ist Expertenwissen
erforderlich).
Gewisse Einschränkungen bei der Rekrutierung der Testpersonen (Eye Tracking ist bei Personen
mit Brillen oder harten Kontaktlinsen teilweise erschwert)
Mit bestem Dank für das Beispiel 28 an die Schweizerischen Bundesbahnen SBB und GfK
Switzerland – SirValUse (www.gfk.ch, www.sirvaluse.com).
23