amnesty international Vereinigte Arabische Emirate (VAE)
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amnesty international Vereinigte Arabische Emirate (VAE)
amnesty international Länderkurzbericht Koordinationsgruppe Saudi Arabien und Golfstaaten /rj Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V. Postfach 58 01 62 10411 Berlin Hausanschrift: Greifswalderstr. 4 10405 Berlin Telefon: 030–42 02 48-0 Fax: 030-42 02 48-444 [email protected] www.amnesty.de November 2006 Vereinigte Arabische Emirate (VAE) Hintergrund Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sind eine Föderation von sieben Emiraten - Abu Dhabi, Umm al-Quwain, Fudjaira, Ras al-Khaima, Scharjah, Dubai und Adjman -, die 1971 gegründet wurde. Kein Emirat hat politische Parteien oder gewählte Volksvertretungen. Jedes Emirat hat die Kontrolle über seine Öl- und Mineralvorkommen und einige Aspekte der Verteidigung und der staatlichen Sicherheit, sowie eine eigene Polizeibehörde. Die Emirate werden immer noch patriarchalisch regiert, wobei die Stammesangehörigen ihren Führern Loyalität versprechen. 1971 trat die Verfassung des Landes in Kraft. Dieser entsprechend formen die sieben Führer der Emirate den höchsten Bundesrat (Federal Supreme Council), die höchste gesetzgebende und ausführende Instanz. Die Bundesregierung entscheidet über Gesetze und Regierungsgeschäfte. Der Rat wählt aus seinen Reihen einen Präsidenten und einen Vize-Präsidenten. Der Präsident ernennt den Premierminister und das Kabinett. Der Präsident der VAE ist Sheikh Khalifa bin Zayed Al Nahyan, der Premierminister Sheikh Mohammed bin Rashid al-Maktoum. Die VAE haben das Statut des Internationalen Gerichtshofes unterzeichnet und haben 2004 die UNFrauenrechtskonvention (Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination against Women – CEDAW) ratifiziert. Positive Entwicklungen Im Juli 2005 wurde durch die Verabschiedung eines föderalen Gesetzes der Einsatz von Jugendlichen unter 18 Jahren als Jockeys in Kamelrennen verboten. Bereits im Mai 2005 hatte sich die Regierung mit dem Kinderhilfswerk UNICEF über ein gemeinsames Programm zur Rückführung von Kindern in ihre Heimatländer verständigt, die zur Ausbeutung als Kameljockeys in die Emirate gebracht worden waren. Spendenkonto: Kto.-Nr. 80 90 100 Bank für Sozialwirtschaft Köln (BLZ 370 205 00) -2- Zur Lage der Menschenrechte in den VAE Haft ohne Kontakt zur Außenwelt Berichten zufolge werden aus politischen Gründen festgenommene Personen oft ohne Anklageerhebung mehrere Monate lang in „incomunicado-Haft“ in Gewahrsam gehalten. Politische Gefangene wurden 2005 meist vom Staatssicherheitsdienst (Amn al-Dawla) ohne Angabe von Gründen inhaftiert, weil sie im Verdacht standen, islamistische Ansichten zu vertreten oder politische Reformen zu befürworten. Diese Gefangenen befanden sich in Einzelhaft und durften keine Besuche empfangen. Lediglich einmal im Monat war es ihnen erlaubt, kurze Telefonate mit ihren Familien zu führen. Menschenrechtsorganisationen und das Recht auf freie Meinungsäußerung Noch immer gibt es keine regierungsunabhängigen Menschenrechtsorganisationen in den VAE. Das Ministerium für Arbeit und Soziales hat zu einem bereits im Juli 2004 gestellten Antrag auf offizielle Zulassung der „Vereinigung für Menschenrechte“ noch keine Stellung bezogen. Eine für den 21. September 2005 geplante Konferenz über Bürgerrechte, Frauenrechte und Demokratie wurde von den Behörden des Emirats Fujairah ohne Angabe von Gründen in letzter Minute verboten. Zu der Konferenz hatten sich örtliche Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle und Mitglieder der Juristenvereinigung des Landes angemeldet. Gegen den Rechtsanwalt Mohamed al-Mansoori wurde am 17. Juni 2006 ein Haftbefehl ausgestellt. Ihm wird vorgeworfen, den Staatsanwalt beleidigt zu haben. amnesty geht allerdings davon aus, dass der Haftbefehl ausgestellt wurde, um ihn davon abzuhalten, sich weiterhin öffentlich über die Menschenrechtslage in den VAE zu äußern. Er hatte zuvor mehreren arabischen TV-Sendern Interviews gegeben, in denen er Kritik an der Situation der Menschenrechte in seinem Land übte. Mohamed al-Mansoori ist Vorsitzender der Juristenvereinigung der VAE, einem unabhängigen Verband von Richtern und Rechtsanwälten, die Seminare über verschiedene Menschenrechtsthemen organisieren. Al- Mansoori befindet sich zur Zeit außerhalb des Landes, es wird befürchtet, dass er bei Rückkehr festgenommen wird. Im Juli 2006 wurde Mohamed ’Abdulla al-Roken, der ehemalige Vorsitzende der Juristenvereinigung, festgenommen, nachdem er einem arabischen Sender ein Interview über den Libanon-Konflikt gegeben hatte. Er wurde ohne Anklageerhebung wieder freigelassen, aber im August 2006 erneut festgenommen und zwei Tage später wieder auf freien Fuß gesetzt. Sowohl Mohamed al-Mansoori als auch Mohamed ’Abdulla al-Roken war es jahrelang untersagt worden, Artikel für die örtlichen Medien zu verfassen oder Interviews zu geben. Rechte von Arbeitsmigranten In den VAE arbeiten etwa eine halbe Million Arbeiter, die meist aus südostasiatischen Ländern wie Indien, Pakistan und Bangladesh stammen. Viele dieser Arbeiter sind in der boomenden Bauindustrie tätig. Diese Arbeitskräfte kommen über Agenturen ins Land, die ihnen die Reise in die VAE, das Visum und die Vermittlungsgebühren zu hohen Zinssätzen vorauszahlen. Die Arbeiter müssen somit zunächst eine enorme Schuldenlast abarbeiten und ihr ohnehin schon geringes Gehalt in den ersten ein bis zwei Jahren dafür verwenden. Ihre Pässe werden von ihren Arbeitgebern einbehalten. Die Arbeitsbedingungen sind sehr hart, Sicherheitsstandards werden in der Regel nicht eingehalten. Berichten zufolge kommt eine große Zahl von Arbeitern jährlich bei der Arbeit ums Leben. -3Im September 2005 demonstrierten im Emirat Dubai Hunderte asiatischer Arbeitsmigranten vor dem Ministerium für Arbeit und Soziales gegen ihre Arbeitsbedingungen und die Nichtauszahlung ihrer Löhne. Vertreter des Ministeriums sollen sich daraufhin in Gesprächen mit den Arbeitgebern der Migranten ihrer Anliegen angenommen haben. Gewerkschaften bleiben weiterhin verboten. Während die Regierung der VAE im letzten Jahr zunächst angekündigt hatte, Gewerkschaften zu legalisieren, wurde im September 2005 ein Gesetz erlassen, das Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen verbietet. Den Teilnehmern solcher Aktionen droht die Ausweisung. Als Reaktion auf einen Bericht von Human Rights Watch zur Lage der Arbeitsmigranten in den VAE kündigte die Regierung neue Maßnahmen zur Verbesserung an. Ein Arbeitsgericht soll geschaffen werden, das sicher stellt, dass arbeitsrechtliche Konflikte geregelt werden können. Die Zahl der Regierungsinspektoren soll erhöht werden, eine Krankenversicherung für ungelernte Arbeitskräfte soll eingerichtet und den Arbeitern soll geholfen werden, nicht ausgezahlte Gehälter bei ihren Arbeitgebern einzufordern. Es bleibt abzuwarten, ob diese angekündigten Maßnahmen in der Praxis umgesetzt werden. Diskriminierung von Frauen Nach wie vor sind in den VAE Gesetze in Kraft, die Frauen diskriminieren. Dazu zählt das Staatsbürgerschaftsgesetz: Frauen – anders als Männer -, die mit einem Ausländer verheiratet sind, können ihre Staatbürgerschaft nicht auf ihre Kinder übertragen. Für die betroffenen Kinder hat diese Vorschrift zur Folge, dass sie in ihrem Aufenthaltsrecht und im Arbeitsleben sowie beim Zugang zu den Bildungseinrichtungen mit erheblichen Nachteilen konfrontiert werden. Sie gelten auf dem Arbeitsmarkt als Arbeitsmigranten und müssen für den Besuch weiterführender Schulen höhere Gebühren bezahlen als Kinder, die Staatsbürger der VAE sind. Todesstrafe und andere grausame Strafen amnesty international ist besorgt darüber, dass in den VAE immer noch die Todesstrafe verhängt sowie grausame und erniedrigende Körperstrafen wie Auspeitschungen zur Anwendung kommen. Seit 1995 können auch Drogendelikte mit dem Tode bestraft werden. Gemäß einem Bundesgesetz kann das illegale Entsorgen von radioaktivem Abfall mit dem Tode, mit einer lebenslangen Haftstrafe oder einer hohen Geldstrafe geahndet werden. Häufig werden besonders grausame Todesurteile verhängt: Tod durch Enthauptung mit anschließender Kreuzigung oder Tod durch Steinigen. Im Regelfall werden solche Urteile jedoch nicht vollstreckt und die Angeklagten zu lebenslanger Haft begnadigt. In einigen Emiraten wird immer noch für eine Vielzahl von Delikten die Prügelstrafe verhängt und auch vollstreckt. Im Oktober 2005 verurteilte ein Schari´a-Gericht im Emirat Ras al-Khaimah eine ausländische Hausangestellte zu 150 Peitschenhieben, weil sie – obwohl unverheiratet – schwanger geworden war. Ob die Strafe vollstreckt worden ist, entzieht sich der Kenntnis von amnesty international. amnesty international wendet sich in allen Fällen gegen die Verhängung der Todesstrafe, weil sie eine Verletzung des Rechts auf Leben und des Rechts, keiner grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden, darstellt. Diese Rechte sind u.a. in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert. -4- Folter und Misshandlung in Haft amnesty international erhält immer wieder Berichte über Folter und Misshandlungen von Inhaftierten in den VAE. Es handelt sich dabei meist um Arbeitsmigranten aus den südostasiatischen Ländern. Folter und Misshandlungen finden meist in der ersten Zeit der Inhaftierung statt. Im Mai 2005 wurde Berichten zufolge ´Abdul Hameed Abu Fayad, ein irischer Staatsbürger libyscher Herkunft, von der Polizei in Sharjah gefoltert, um ihn zu zwingen, ein Geständnis abzulegen. Ihm war vorgeworfen worden, Gelder unterschlagen zu haben. amnesty internationals Anliegen für die Vereinigten Arabischen Emirate amnesty international fordert die Regierung der VAE auf, • alle Vorwürfe von Folter und Misshandlung in Haft umgehend, vollständig und unabhängig zu untersuchen, die Untersuchungsergebnisse zu veröffentlichen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen; • alle bereits verhängten Todesurteile in Haftstrafen umzuwandeln und die Todesstrafe ganz abzuschaffen; • grausame und erniedrigende Strafen wie die Prügelstrafe abzuschaffen; • das Recht auf freie Meinungsäußerung zu garantieren; • die Rechte der Arbeitsmigranten zu sichern; • gleiche Rechte für Männer und Frauen gemäß den Bestimmungen der UN-Frauenkonvention (CEDAW) zu garantieren.