Kennen wir uns nicht? - Die Produkte der Süddeutschen Zeitung

Transcrição

Kennen wir uns nicht? - Die Produkte der Süddeutschen Zeitung
Nummer 18 | 3. Mai 2013
Kennen
wir uns
nicht?
Das 3500 Jahre alte
Supermodel: Wir haben
Nofretete von Profis
schminken lassen
C HIC ON THE BRIDGE - PARIS
E r h ä l t l i c h a u s s c h l i e s s l i c h i n L o u i s V u i t t o n G e s c h ä f t e n u n d u n t e r l o u i s v u i t t o n . c o m . T e l . ( 0 211 ) 8 6 4 7 0 0
cartier.de – 089 55984-221
INHALT
3. Mai 2013
10
»Ich wollte ein Männerleben in
einem Frauenkörper – und Männer
jagen nun mal« Ein Gespräch
mit der Modeschöpferin Diane
von Fürstenberg über ihr
Jetset-Leben.
32
50 Shades of Grey Niemand
18
Schönes Geschichte Zu hübsch,
um sie zu trinken: wie man aus
Spirituosen und Likören farbenprächtige Cocktails macht.
weiß besser als die Engländer, wie
man den kurzen Sommer genießt:
eine Reise von der Blumenschau
bis zum Oldtimer-Treffen.
40
22
Total verbohrt Komisches Hobby:
Zum Verdrücktwerden Wann
verschwindet endlich die Feststelltaste von der Computertastatur?
Warum gräbt ein Österreicher
seit 50 Jahren einen Stollen in
einen Berg?
24
44
Zurück zu Dir Die Geschichte
Stil leben Nofretete gilt als
zweier Schwestern, die mehr als
50 Jahre gebraucht haben,
um sich zu finden.
schönste Frau der Antike – vier
Top-Visagisten haben ihr für uns
ein modernes Make-up verpasst.
Titelfoto: Peter Langer; Loni Baur für Armin Morbach; Fotos Inhalt: Arnhel De Serra, Getty
Neue Kollektion tank angl aise
28
52
Glückwunsch, altes Haus!
»Als wäre es das letzte Geheimnis
zwischen den Menschen«
Das BMW-Hochhaus in München
wird 40 – und setzt noch
immer Maßstäbe, was die Architektur angeht.
Der Philosoph Alexandre Lacroix
hat unser Verlangen zu küssen
erforscht.
6 Sagen Sie jetzt nichts 8 Gewissensfrage, Gefühlte Wahrheit,
Gemischtes Doppel, Die drei großen Lügen 50 Kosmos 51 Hotel Europa
58 Das Kochquartett 60 Das Kreuz mit den Worten 61 Gewinnen,
Impressum 62 Das Beste aus aller Welt
D i e s e W o c h e in u n s e r e r A p p
Für diese Ausgabe durften wir das berühmteste Model der
Welt schminken: die ägyptische Pharaonengattin Nofretete
(ab Seite 44). Die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu
Berlin hat uns vier Büsten zur Verfügung gestellt. In einem
Video zeigt Visagist Alex Rothe, wie er Nofretete den Look
von Amy Winehouse verpasste.
Fürchtest du, dass dir alles aus dem
Gleichgewicht gerät? Scheint die
Work-Life-Balance gerade zu kippen?
Das kriegst du wieder in den Griff:
Mit Melisse behältst du deine
gute Laune. Brennnessel und
grüner Hafer sorgen zusammen
mit stärkendem Rosmarin für ein
gutes Säure-Basen-Gleichgewicht.
Mit einem Hausfreund kommst du
wieder ins Lot. Solange ruh dich ein
bisschen aus, denn die Tibeter sagen:
„Ein ruhend
des Geewässeer
wird wiedeer klar.““
Dein Kräutertee.
Balance
www.herbaria.de
Erhältlich im Bio- und Feinkosthandel,
oder online z.B. bei www.auwaldbio.de
sagen sie jetzt nichts
eva padberg
Claudia Schiffer steht für Eleganz, Heidi Klum für ProSieben und
Eva Padberg? Hmmm. Irgendwie für Berlin. Oder Normalität. Vor
ein paar Jahren hat sie ihren ersten und einzigen Freund geheiratet,
die beiden kennen sich aus der Schule. Heute kann man sich das Paar
gut in einer schicken Altbauwohnung vorstellen, sie in seinen Boxer­
shorts, es läuft der Tatort oder verträumte Elektro-Musik. Ganz nor­
mal eben (für Berliner Verhältnisse). Fragt man sie, wie sie sich selbst
beschreiben würde, sagt sie: »Chamäleon und Chef de Cuisine.« Ehr­
lich gesagt, große Koch­orgien nimmt man ihr nicht ab, Padberg ist
Was an Ihnen ist definitiv
nicht perfekt für ein Model?
Sonntagslektüre: eher Vogue
oder Krieg und Frieden?
Welche Charaktereigenschaft braucht
eine attraktive Frau unbedingt?
Ist Heidi Klum ein Vorbild für Sie?
Wie viele Männer muss man geküsst
haben, um es richtig gut zu können?
Wie sehen Sie aus, wenn Sie nicht
fotografiert oder gefilmt werden?
Fotos: Frank Bauer; Outfit: Ingolstadt Village / Wertheim Village
Geboren: 27. Januar 1980 in Bad Frankenhausen
Beruf: Model, Musikerin, Schauspielerin Ausbildung: Abitur
Status: Total normal
1,79 Meter groß und wiegt 53 Kilo, aber Chamäleon passt, wenn man
sich die Vielzahl ihrer Jobs ansieht. Eva Padberg modelt, macht
Musik, moderiert, ist – natürlich – Unicef-Botschafterin, immer öfter
sieht man sie auch im Fernsehen oder im Kino. In Wickie auf großer
Fahrt zum Beispiel spielte sie ausgerechnet eine Walküren-Anführe­
rin. Die Fotoaufnahmen mit ihr waren sehr lustig; eine Kamera, die
klick macht, damit kennt sie sich aus, das bringt sie in Hochform.
Trotzdem hat sie mal über sich selbst geschrieben: »Ich finde mich
gar nicht so aufregend.«
Doppelkinn anessen, Fettgürtel überziehen – wie weit würden Sie für eine Rolle gehen?
6 Süddeutsche Zeitung Magazin
Weitere Fragen und Bilder finden Sie auf www.sz-magazin.de und in unseren Tablet-Ausgaben.
Gefühlte Wahrheit
D r . D r . R a i n e r E r l i n g e r
Nr. 52
Gewissensfrage
»Neulich wartete ich an der Supermarktkasse in einer langen
Schlange. An der Nebenkasse stand bereits ein Schild: ›Bitte nicht
mehr anstellen‹. Dennoch tröpfelten dort weitere Kunden ein und
wurden vom Kassierer auch noch bedient – was mich sehr ärgerte.
Hätte ich dieses Spiel laut kritisieren sollen?« H a n n a L . , b i n g e n
Brutaler Zusammenstoß
mit einem Lastwagen
Bremse versagt
beim Bergabfahren
Vorderrad verfängt sich
in Straßenbahnschiene
Fahrradhelm könnte
die Frisur ruinieren
g e m i s c h t e s D o p p e l
Günter Vikari
Radlwunde
Das Interessante an Ihrer Frage ist, dass Sie
mit Ihrem Ärger durchaus recht haben. Sie
waren die Dumme, weil Sie sich an die Vor­
gaben gehalten und sich dort, wo man gebe­
ten wurde, sich nicht mehr anzustellen, nicht
mehr angestellt haben. Ich vertrete ja auch
den Grundsatz, dass das Leben mit weniger
Reibung und damit einfacher abläuft, wenn
man sich an soziale Regeln hält und nicht
jeder auf Biegen und Brechen versucht, für
sich das Meiste herauszuholen. Schließlich
hat man Besseres zu tun im Leben, als sich
auch noch beim Anstehen im Supermarkt
Gedanken über Effizienz zu machen.
Dennoch bin ich nicht der Meinung, dass Sie
das Geschehen laut kritisieren sollten. Aus
drei Gründen: Erstens ist es für Ihr seelisches
Wohlbefinden und Ihren Blutdruck das Bes­
te, sich über die kurze Zeit, die Sie warten
müssen, gar keinen Kopf zu machen. Zwei­
tens ist es ein Unding, wenn ein Supermarkt,
solange an einer Kasse eine lange Schlange
ansteht, eine andere Kasse schließt. Diese
kundenverachtende Entscheidung schlicht
zu negieren halte ich für durchaus nachvoll­
ziehbar, wenn nicht sogar begrüßenswert.
Ohne dazu aufrufen zu wollen: Es wundert
mich immer wieder, dass nicht viel mehr
Kunden in solchen Fällen einfach gehen und
ihre vollen Einkaufswagen in der Schlange
stehen lassen. Auch Supermarktbetreiber
sollten lernfähig sein, und sei es dank der­
artiger faktischer Unmutsäußerungen.
Deshalb komme ich zum dritten Grund: Ich
finde es zwar richtig, sich an Regeln zu hal­
ten, das muss aber nicht sklavisch geschehen,
und ein Supermarktschild ist kein Katego­
rischer Imperativ. Sie werden von der Aktion
auch nicht direkt benachteiligt, weil sich die
frechen Kunden nicht in Ihrer Schlange an
Ihnen vorbei nach vorne gedrängt haben.
Deshalb gilt hier ganz ausnahmsweise – so­
sehr ich zögere, das in einer Moralkolumne
zu schreiben: Frechheit siegt.
Haben Sie auch eine Gewissensfrage?
Dann schreiben Sie an
Dr. Dr. Rainer Erlinger
[email protected]
Wadlrunde
Weitere Gemischte Doppel finden Sie
auf www.sz-magazin.de; dort können
Sie auch selbst Vorschläge einreichen
oder bewerten.
8 Süddeutsche Zeitung Magazin
D i e d r e i g r o S S e n L ü g e n
im Restaurant
1) Der Kollege kommt gleich. 2) Sicher sind die Muscheln frisch. 3) Getrennt zahlen? Gerne.
Fotos: bab.ch, dpa; lllustration: Serge Bloch; alle Autoren-Illustrationen: Grafilu
Wovor Radfahrer Angst haben:
Big Bang Jeans.
Chronograph aus Edelstahl mit
114 Diamanten von insgesamt 1,22 Karat.
Zifferblatt aus echtem Jeansstoff
besetzt mit 8 Diamanten. Armband aus
Jeansstoff und Kautschuk.
Auf 250 Exemplare limitierte Serie.
BOUTIQUE
BERLIN
Kurfürstendamm 56
twitter.com/hublot •
facebook.com/hublot
Intervie w: Sven M ichaelsen
|
foto: martin schoeller
»Ich wollte ein
Männerleben in einem
Frauenkörper – und
Männer jagen nun mal«
Wickelkleider für die Ewigkeit, Spitzname »The Huntress«, Richard Gere,
legendäre Disco-Nächte, Michelle Obama und lauter echte Falten:
ein Gespräch mit der großen Modeschöpferin Diane von Fürstenberg
»Diane, die Jägerin«: Ihr Spitzname stammt aus ihren wilden Jahren im New Yorker
»Studio 54« – der passende Blick ist ihr bis heute geblieben.
SZ-Magazin: Frau von Fürstenberg, was auch immer Journalisten Sie fragen, in Ihren Antworten taucht meist Ihre Mutter
auf. Warum?
Diane von Fürstenberg: Meine
Lily weiß nicht, wohin man sie
bringt, aber sie geht mit einem
Lächeln.« Das erklärt, wer ich bin:
Nicht die Tochter eines NaziOpfers, sondern einer Frau, die
mit einem Lächeln ins KZ ging.
»Gott hat mein Leben verschont,
damit ich Dir Deines schenke.
Du trägst die Fahne der Freiheit.«
Mutter war Jüdin und lebte in
Brüssel. Mit 20 Jahren wurde sie
mitten in der Nacht aus ihrem
Versteck geholt und in einem
Viehwaggon nach Polen gebracht. Als sie vor 13 Jahren
starb, fand ich in ihrem Nachlass
ein Kuvert mit der Aufschrift
»Lily 1944«. Es enthielt ein Stück
Pappe, auf das sie Anfang 1944
mit abgebrannten Streichhölzern eine Botschaft an ihre Eltern geschrieben hatte: »Liebe
Mami, lieber Papi, eure kleine
Was wurde aus Ihrer Mutter?
Sie wollte keine Schwere in mein
Leben bringen, deshalb hat sie
geschwiegen. Wenn sie doch einmal von den Lagern erzählte,
sprach sie von der Kameradschaft unter den Häftlingen und
ihrem dauernden Heißhunger
auf Spaghetti. Die eintätowierten
Häftlingsnummern auf ihrem
Arm ließ sie entfernen, und von
dem Wiedergutmachungs-Scheck,
den sie vom deutschen Staat bekam, kaufte sie sich einen Pelzmantel.
Sie war 14 Monate lang Zwangsarbeiterin in verschiedenen KZs,
darunter Auschwitz-Birkenau.
Als sie mit 21 Jahren von russischen Soldaten aus dem KZ
Neustadt-Glewe befreit wurde,
wog sie nur noch 49 Pfund. Obwohl die Ärzte ihr sagten, eine
Schwangerschaft bedeute ihren
Tod, brachte sie mich am 31. Dezember 1946 zur Welt. Wenn ich
Geburtstag hatte, schickte sie mir
jedes Mal die gleiche Karte:
Hat Ihre Mutter über ihr Leben im
KZ gesprochen?
Welche Ihrer Eigenschaften führen Sie auf Ihre Mutter zurück?
Mein schlechtes Gedächtnis für
Schmerz und Leid. Meine Mutter
war ein durch und durch positiver
Mensch und hatte keinerlei Verständnis für Jammerei. Ihre Lebensphilosophie war, dass man
Katastrophen in etwas Positives
verwandeln kann – eine Tür
schließt sich, eine andere geht auf.
Furcht, sagte sie mir immer, ist keine Option. Als ich Angst im Dunklen hatte, sperrte sie mich in einen Kleiderschrank. Nach ein paar
Minuten holte sie mich raus und
sagte: »So, jetzt weißt du, dass in
der Dunkelheit keine Monster lauern.« Das war schwarze Pädagogik,
aber es hat funktioniert.
>>
Süddeutsche Zeitung Magazin 11
Die Fotos, die man von Ihnen
kennt, zeigen Sie als exotische
Schönheit mit rabenschwarzem
Haar, Kleopatra-Augen, hohen
Wangen und beneidenswerten
Beinen. Waren Sie ein hübsches
Kind?
Als ich eines Tages die Rechnungen nicht bezahlen konnte,
habe ich den Diamantring versetzt, den Egon mir zur Geburt
unserer Tochter geschenkt hatte.
Man kann mit einem Mann nur
glücklich sein, wenn man ihn
verlassen und für sich selbst sorgen kann.
Nein. Vielleicht sollte ich sagen:
Gott sei Dank nein. In meiner
Schule in Brüssel hatten alle
blaue Augen und glattes, blondes
Haar. Nur mir standen schwarze
krisselige Locken vom Kopf ab.
Deshalb fühlte ich mich hässlich
und unsicher. Heute weiß ich,
dass es ein Vorteil ist, wenn sich
ein junges Mädchen nicht auf
seiner Schönheit ausruhen kann.
Ich war streng mit mir und habe mir viel abverlangt. Während
sich meine Freundinnen in Bewunderung sonnten, las ich Bücher, um wenigstens ein interessanter Gesprächspartner zu sein.
Ich konnte es kaum erwarten,
endlich zu den Erwachsenen zu
gehören, denn wenn man klein
ist, entscheiden immer andere
für einen. Meine Lebensziele hießen Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.
Wir wurden uns in einem Nachtclub vorgestellt. Ich fand ihn ein
wenig kindisch, aber seine Unbeholfenheit rührte mich. Liebe
wurde es erst drei Jahre später, als
wir beide in New York lebten.
Sein Tempo nahm einem den
Atem. An einem durchschnittlichen Abend besuchte er drei
Cocktailpartys, ein Dinner, zwei
Bälle und eine Schwulenbar.
Mit 21 waren Sie schwanger.
Egon war in Hongkong, als ich
das Testergebnis bekam. In einem Telegramm fragte ich ihn,
ob ich abtreiben sollte. Seine
Antwort war: »Nein. Organisiere
die Hochzeit so schnell wie möglich. Liebe und Küsse.«
Sie entstammen einer gut situierten Mittelschichtsfamilie mit
griechisch-russischen Wurzeln.
Fand der Fürstenberg-Clan, dass
Egon unter Stand heiratete?
12 Süddeutsche Zeitung Magazin
Mode für elitäre Frauen gab es
bereits genug. Ich entwarf praktische, preiswerte Jerseykleider
für jeden Tag, waschbar und bügelfrei, aber trotzdem feminin
und sexy.
Der amerikanische Modedesigner Halston sagte einmal über
Sie: »Sie hätte ihren Weg auch
dann gemacht, wenn ihr Name
Diane Schmaltz gewesen wäre.«
Teilen Sie diese Einschätzung?
In bester Gesellschaft 1971 mit der legendären
Vogue-Chefredakteurin Diana Vreeland (Mitte).
Deren Empfehlungsschreiben öffnete der
unbekannten Jungdesignerin alle New Yorker Türen.
Man war nicht glücklich, dass
nach 900 Jahren erstmals jüdisches Blut in den Stammbaum
kam. Egons Mutter, Clara
Agnelli, gehörte zur Eigentümerfamilie von Fiat. Deshalb wurde
hinter vorgehaltener Hand gezischelt, ich sei auf ein großes Vermögen und einen Adelstitel aus.
Egons Vater, Prinz Tassilo, kam
zwar zur Hochzeitszeremonie,
dem anschließenden Empfang
aber blieb er demonstrativ fern.
Stimmt es, dass Egon seinem Vater als Stimmungsaufheller eine
Prostituierte aufs Hotelzimmer
schickte?
Ja. Anders wäre er gar nicht erst
angereist.
Binnen 13 Monaten brachten Sie
zwei Kinder zur Welt und gründeten ohne Vorkenntnisse ein Modelabel, das auf Anhieb Erfolg hatte.
Eine Woche nach den Entbindungen habe ich schon wieder
gearbeitet. Mit 24 Mutter von
zwei Kindern zu sein war mir
nicht genug. In mir brannte ein
Feuer. Ich wollte Egons Familie
beweisen, dass ich keine Schmarotzerin bin. In den ersten Monaten war ich meine einzige Angestellte, die Kleider lagerten im
Esszimmer unseres Apartments.
Hat Ihr Prinz-Gemahl Ihre Firmengründung finanziert?
Nein. Ich hasse nichts mehr, als
einen Mann um Geld zu bitten.
Egon gab mir den Titel, eine Million Kontakte und stellte mich
der Vogue-Chefredakteurin Diana Vreeland vor. Ich sehe aber
keinen Grund, ihn dafür verantwortlich zu machen, dass ich mit
28 Jahren 60 Millionen Dollar
Umsatz machte.
1976 waren Sie auf dem Cover
von Newsweek. Auf dem Foto
trugen Sie Ihre bis heute berühmteste Kreation: ein Wickelkleid für 75 Dollar, das heute in
jedem Modemuseum hängt. Wie
entstand Ihr Einfall?
Beim Fernsehen. Als ich sah, dass
Richard Nixons Tochter Julie
eine Wickelbluse und einen
Rock von mir trug, dachte ich:
Warum machst du aus zwei Teilen nicht eines? Die Umsätze gingen durch die Decke. Ich verkaufte bis zu 25 000 Wickelkleider pro Woche und hatte auf
einmal hundert Mitarbeiter.
Hausfrauen in den Vorstädten
trugen mein Kleid ebenso selbstverständlich wie die Schauspieletin Candice Bergen oder die Bürgerrechtlerin Angela Davis.
Sie führten ein Jetset-Leben
zwischen Cortina d’Ampezzo,
der Costa Smeralda, Fire Island
und Ihrem Apartment in der New
Yorker Park Avenue. Zu Ihren
Foto: DVF
Mit 18 lernten Sie Ihren späteren
Mann Egon Prinz zu Fürstenberg
kennen. Wo sind Sie auf den damals noch ein wenig babygesichtigen Adelsspross gestoßen?
Sie trugen damals meist Hotpants und High Heels. Die Mode,
die Sie verkauften, war konservativer.
Abendgesellschaften erschienen
Jack Nicholson, Dino De Laurentiis, Paloma Picasso, Andy Warhol, Loulou de la Falaise und Marisa Berenson.
Der Glitzerglanz eines Adelstitels reizte die Fantasie der New
Yorker Gesellschaft. Ich war ein
bestauntes Unikat, denn eine
Jetset-Prinzessin, die jeden Morgen zur Arbeit geht und ihr eigenes Geld verdient, das gab es bis
dahin nicht.
Warum scheiterte Ihre Ehe nach
dreieinhalb Jahren?
Der Auslöser war eine Titelgeschichte im Magazin New York.
Auf dem Cover hieß es: »Das Paar,
das alles hat. Ist alles genug?« Der
Ton der Geschichte war unnötig
gehässig, aber der Inhalt stimmte.
Erstmals sah ich meine Ehe mit
fremden Augen, und der Anblick
schockierte mich.
Sie sagten dem Reporter: »Leidenschaft in einer Ehe verpufft
nach einer Weile. Finden Sie es
aufregend, wenn Ihre linke Hand
Ihre rechte Hand berührt?«
Egon gab öffentlich zu, Affären
zu haben, und ich war nicht
besser. Plötzlich kam mir unsere Ehe oberflächlich und abge-
schmackt vor. Als Egon überlegte
auszuziehen, bestärkte ich ihn.
Mit 26 stand ich plötzlich als alleinerziehende, berufstätige Mutter da, aber endlich war ich die
unabhängige Frau, die ich seit
meinen Kindertagen sein wollte.
16-Zimmer-Apartment mit Blick
auf den Central Park.
Was kostete Egon die Scheidung?
Eine Woche nach Eröffnung bat
Halston, den Club ausnahmsweise an einem Montagabend zu
öffnen, um Bianca Jagger an ihrem 27. Geburtstag mit einer Party zu überraschen. Als Bianca vor
den Augen von Truman Capote,
Liza Minelli und Andy Warhol
in ihrem Abendkleid ein weißes
Pferd bestieg, war mir klar, der
Laden wird berühmt. Dass er
Nicht einen Dollar. Ich verachte
Frauen, die Alimente kassieren,
obwohl sie sie nicht brauchen.
Als Zeichen meiner Unabhängigkeit schenkte ich mir zum
Geburtstag eine 200 Jahre alte
Farm mit 23 Hektar Land in
Connecticut. Zu meinem 30. Geburtstag schenkte ich mir ein
Als Steve Rubell und Ian Schrager 1977 das »Studio 54« eröffneten, zählten Sie zu den ersten
Gästen. Wie wirkte der Club auf
Sie?
»Zu beichten
hätte ich höchstens,
dass ich öfter mal
stoned mit dem Auto
vom Club nach Hause
gefahren bin«
nach ein paar Wochen zum besten Aufrissort der Welt wurde,
lag vor allem an der Einlasspolitik. Am Eingang mit einem
50-Dollar-Schein zu wedeln war
zwecklos. Die Türsteher ließen
nur Prominente und glamouröse
Nobodys rein.
Sie wurden dort Dauergast. Wie
vertrug sich das mit Ihren Verpflichtungen als Mutter und Firmenchefin?
Nach dem Abendessen mit meinen Kindern telefonierte ich bis
Mitternacht mit Geschäftspartnern in Kalifornien und Asien.
Dann zog ich mir Cowboystiefel
an, fuhr mit meinem Mercedes
in eine Parkgarage in Midtown
und betrat den Club wie ein
Cowboy einen Saloon. Ich holte
mir ein Bier und zog meine Runden. Zwei Stunden später fuhr
ich zu meinen Kindern zurück.
Die Tanzfläche des Clubs war mit
einem Kokainlöffel dekoriert. Waren Sie Kokserin?
Nein. Ich habe viele Jahre Marihuana geraucht, aber im Vergleich
zu meinen Freunden war mein
Konsum moderat. Zu beichten
hätte ich höchstens, dass ich öfter
mal stoned mit dem Auto vom
Club nach Hause gefahren bin.
Im New Yorker Nachtleben hatten Sie den Beinamen »Diane the
Huntress«.
Ende der Siebziger waren Sie mit
dem Schauspieler Richard Gere
liiert. 1980 schrieben Sie bei
einem Strandspaziergang auf Bali
um fünf Uhr morgens mit großen
Buchstaben »Vergiss Richard« in
den Sand. Warum?
Ihr eigenes bestes Model Fürstenberg in einem ihrer typischen Tupfenmuster,
1976 in ihrem Showroom an der New Yorker Seventh Avenue.
14 Süddeutsche Zeitung Magazin
Richard war eine Obsession für
mich geworden. Ich fühlte mich
abhängig von ihm, und da ich es
hasse, die Kontrolle zu verlieren,
habe ich ihn aus meinem Leben
exorziert. >>
Foto: Burt Glinn / Magnum Photos / Agentur Focus
Meinen Beinamen hatte ich mir
verdient. Ich wollte ein Männerleben in einem Frauenkörper –
und Männer jagen nun mal. Es
kickte mich, die traditionellen
Geschlechterrollen auf den Kopf
zu stellen. Sie als Mann wissen
doch, dass zwei Stunden ausreichen, um sich in einem Club jemanden fürs Bett auszusuchen.
Ich habe gelitten, mich abgewiesen und mies behandelt gefühlt.
Ich habe es aber nie zugelassen,
dass ein Mann mein Herz bricht.
1977 stand Ihre Firma plötzlich vor dem Bankrott. Was war
schiefgelaufen?
Galionsfigur der tragbaren
Mode: 1976 zeigte das
Magazin Newsweek Diane
von Fürstenberg auf dem
Titelbild und nannte sie die
»markttauglichste Designerin
seit Coco Chanel«.
Von Ende der Siebziger bis Ende
der Achtziger war ich eine miserable Geschäftsfrau. Ich vergab
wahllos Lizenzen für alles Mögliche, ob Koffer, Schuhe, Modeschmuck oder Bettwäsche. Die
Qualität und der Look der Produkte waren oft minderwertig.
Mein Parfüm »Tatiana« zum Beispiel hatte eine Farbe wie Nagellackentferner. Das Image meines
Namens wurde trashy, und das
ist in der Mode die Todsünde
Nummer eins. Ein Modedesigner verkauft Selbstbewusstsein. Das funktioniert aber nicht,
wenn die Käufer auf Sie herabblicken.
Zum Niedergang Ihrer Geschäfte
kam eine private Kehrtwende. Sie
wurden die Muse eines brasilianischen Barfußkünstlers, dann
zogen Sie mit dem italienischen
Schriftsteller Alain Elkann für fünf
Jahre nach Paris.
Die einstige Partyqueen gibt
inzwischen selbst die
bes­ten Empfänge: mit der
TV-Moderatorin Oprah
Winfrey bei den DVF Awards,
mit denen jedes Jahr sozial
engagierte Frauen
ausgezeichnet werden.
16 Süddeutsche Zeitung Magazin
Die erste Zeit mit Alain habe ich
sehr genossen. Ich gründete einen
Verlag und einen literarischen
Salon, in dem Köpfe wie Alberto
Moravia und Bret Easton Ellis verkehrten. Das Problem war, dass
Alain es peinlich war, wie ich
mich kleidete. Zu grell, zu aufgedonnert, sagte er. Ihm zuliebe begann ich Tweedröcke und flache
Schuhe zu tragen und bald sah
ich aus wie eine Lehrerin.
Ihr Freund – er war mit Gianni
Agnellis Tochter verheiratet und
ist Vater der Fiat-Erben Lapo und
John Elkann – betrog Sie.
Ich hatte diese Quittung verdient. Ich erlebte, was alle Frauen
erleben, die ihre Persönlichkeit
zugunsten eines Mannes aufgeben: Sie werden als unsexy beiseite geschoben. Als ich endlich
so war, wie Alain mich haben
wollte, fand er mich nicht mehr
begehrenswert und begann eine
Affäre mit einer meiner Freundinnen. Als mir 1989 ein Zahn
gezogen werden musste, sagte
ich mir: Mit diesem Zahn entfernst du auch Alain. Bei meiner
Rückkehr nach New York habe
ich die Stadt kaum wiedererkannt. Ivana Trump war die
Frau der Stunde, Gier war eine
Tugend geworden, und Donna
Karan hatte meinen Platz eingenommen. Ich musste mir einge-
Dass eine Ehe nicht meinem Wesenskern entspricht, mag daran
liegen, dass sich meine Eltern getrennt haben, als ich 13 war. Ich
ging auf Internate in England und
der Schweiz und war auf mich allein gestellt. Mit dieser Prägung
hält man es gut allein aus. Barry
hat sein Leben, ich meines. Ich
kenne drei Voraussetzungen für
funktionierende Beziehungen:
Man muss den Respekt für einander wahren, sich Raum geben und
alles sein lassen, was einen für
Dritte erpressbar macht. Ich habe
Barry nie einen Mann verschwiegen, mit dem ich etwas hatte.
kleider zahlten, gründete ich
meine Firma 1997 neu. Ich war
die Frau, die fallengelassen wurde, um dann von den Töchtern
ihrer ersten Kundinnen wiederentdeckt zu werden.
Die große Konstante Ihres Lebens ist der milliardenschwere
Medientycoon Barry Diller, früher
Boss von Fox und Besitzer einer
hundert Millionen Dollar teuren
Segelyacht.
»Schönheits-OP? Ich
sähe nur wie eine 66-Jährige
aus, die auf 55 macht«
stehen, ein irrelevante Figur von
gestern zu sein. Für einen kompetitiven Menschen wie mich
war das äußerst schmerzhaft.
Ihr Wiederaufstieg verdankt sich
einer schönen Pointe: Sie, die
divenhafte Jetset-Prinzessin mit
französischem Akzent, wurden
Pionierin im Teleshopping.
Als ich in die Studios des Senders
QVC kam, um mir ein Bild von
diesem Business zu machen, verkaufte eine Soap-Darstellerin vor
den Kameras gerade Haarpflegeprodukte. In weniger als 60 Minuten machte sie 600 000 Dollar
Umsatz. Das war ein schlagendes
Argument, es selber zu probieren. Bei meinem Debüt im November 1992 war meine Kollektion sofort ausverkauft. In zwei
Stunden hatte ich 1,3 Millionen
Dollar umgesetzt. Bei einer Folgesendung verkaufte ich 2000
Seidenhosen in weniger als zwei
Minuten. Dieser Thrill gab mir
mein Selbstvertrauen zurück.
Ende der Neunziger verkauften
Sie wieder Luxusmode.
Als ich merkte, dass junge, moderne Frauen wie Gwyneth
Paltrow und Uma Thurman in
Vintage-Läden horrende Summen für meine alten Wickel-
Sie führen seit Ihrer Jugend Tagebuch. Werden Sie die Aufzeichnungen über Ihre Jahre als »Diane
the Huntress« veröffentlichen?
Mein Agent Andrew Wylie drängt
mich dazu, aber ich werde die Entscheidung meinen Kindern überlassen. Mein Eindruck ist, dass
nur meine frühen Eintragungen
lesenswert sind. Man lernt, dass
Schmerz und Frustration Treib-
Als wir uns 1975 ineinander verliebten, war Barry gerade mit
33 Jahren Boss des Filmstudios
Paramount geworden. Er chauffierte mich mit seinem gelben
Jaguar E vom Flughafen zu seiner Villa in Beverly Hills. Hinter
uns fuhr eine Limousine mit
meinem Gepäck. An meinem
29. Geburtstag übereichte er mir
eine Heftpflasterschachtel. Als
ich sie öffnete, funkelten mir 29
lose Diamanten entgegen. Später
gab es andere Männer in meinem
Leben, aber das hat Barrys Liebe
nicht kleiner gemacht. Auch als
wir schon 20 Jahre kein Paar
mehr waren, haben wir immer
noch fünf bis sechs Mal am Tag
telefoniert und sind zusammen
verreist. Es gab bis heute keine
Sekunde, in der er nicht für mich
da war.
Sie sagen, Sie seien nicht für
eine Ehe gemacht. Warum haben
Sie Diller 2001 geheiratet?
Weil er 26 Jahre lang auf mich
gewartet hat. Als ich meiner
Mutter erzählte, dass ich Barry
heiraten will, sagte sie: »Er verdient es.« Und das tat er wirklich.
Dennoch dauerte es ein Jahr, bis
Ihnen die Formulierung »mein
Mann« über die Lippen kam.
stoff einer Karriere sein können.
Ohne frühes Leid geht Ihnen irgendwann der Sprit aus. Die Notizen aus den letzten 20 Jahren sind
wohl nur für mich von Belang. Je
ausgesöhnter der Geisteszustand,
desto langweiliger die Tagebücher.
Sie sind 66 Jahre alt. Wie denken
Sie über plastische Chirurgie?
Schauen Sie sich die tiefen Falten
in meinem Gesicht an. Ich sehe vielleicht noch nicht aus wie Louise
Bourgeois, aber ich kann nicht vortäuschen, auch nur eine halbe Stunde jünger zu sein, als ich bin. Vor
einiger Zeit habe ich mir beim Skifahren das Gesicht verletzt. Meine
Freundinnen sagten: »Diane, dies
ist der ideale Moment, dein Gesicht
glätten zu lassen. So hätte dein Unfall wenigstens etwas Gutes.« Hätte
ich den Rat befolgt, würde ich jetzt
wie eine 66-Jährige aussehen, die
auf 55 macht. Würde Sie das antörnen? Falten sind Souvenirs, der Beweis, dass man überlebt hat. Deshalb sollte man jede einzelne willkommen heißen. Natürlich hat das
Alter seine bösen Momente, wenn
man sich eingestehen muss, dass
Gedächtnis und Sehkraft nachlassen und die Knie schrumpelig werden. Aber die Alternative wäre, tot
zu sein. 1994 bekam ich Zungenkrebs und musste acht Wochen
lang bestrahlt werden. Wenn man
mit 47 Jahren plötzlich in Todesgefahr ist, ändert sich die Perspektive
aufs Leben. Aus »Mein Gott, du bist
schon 47!« wird »Mein Gott, du bist
erst 47!« Heute sage ich mir, ich bin
im Frühherbst meines Lebens.
Ihre Person ist der Kern Ihres Markenimages. Was wird passieren …
… wenn ich am Ende dieses Gesprächs tot vom Stuhl kippe, meinen Sie? Ich bin dabei, meine Firma für diesen Fall vorzubereiten.
Die Marke Diane von Fürstenberg
soll nicht länger von mir handeln, sondern von den Werten, die
ich repräsentiere. Und die lauten
in einem Satz zusammengefasst:
Eine Frau kann ein Männerleben
führen und dabei eine Frau bleiben – feiert diese Freiheit!
Wenn Sie auf Ihr Leben zurückschauen, was war Ihr größter Triumph?
Etwas, was Sie vielleicht wenig
beeindrucken wird. Als Barack
Obama Präsident wurde, verschickte seine Frau zu Weihnachten eine offizielle Grußkarte. Auf
dem Foto trug sie das erste Kleid,
das ich in meinem Leben entworfen habe. Mit 22 hatte ich es selber getragen, mit 62 habe ich es
neu aufgelegt. Ich sagte mir: Erst
warst du eine Jetset-Prinzessin,
die Aufstieg und Fall ihres Modelabels verantwortet hat, dann ein
Comeback-Kid, und jetzt trägt die
First Lady dein erstes Kleid. Deine Mutter wäre in diesem Augenblick sehr, sehr stolz auf dich.
Als Diane von Fürstenberg
bemerkte, wie S VEN
M I CHAEL S EN ihre
ebenso zahlreichen wie
auffällig großen Ringe musterte,
sagte sie: »Ich liebe Schmuck, der
wie eine Waffe wirkt. Wenn ich
mich von einem Mann trenne, kaufe
ich mir jedes Mal einen Ring.«
Feiern Sie 40 Jahre TOGO mit unserer Jubiläumsaktion.
Vom 02.04. – 29.06.2013. www.ligne-roset.de
Fotos: BFA (1)
Haben Sie je Liebesschmerz
empfunden, von dem Sie dachten, er bringt Sie um?
ligne roset
Im Palais am Lenbachplatz 4
80333 München
Tel. 089 55 02 80 82
schönes geSchichte
Kein Mixen, kein Schütteln, kein Rühren: Für diese Drinks reicht eine
ruhige Hand – und die Kenntnis des spezifischen Gewichts von Spirituosen
Va n G o gh
S avoy
Grenadine-Sirup
Crème de Menthe grün
Kümmel
Cognac
Crème de Cacao
Bénédictine
Cognac
Von Stefan Gabányi
|
F o t o s : Q i u Ya n g
Die Bastler unter den Mixologen amüsieren sich derzeit mit der Wiederbelebung der Pousse-cafés, auch Layers oder Schichtcocktails genannt. Diese Parade-Digestifs der Nierentisch-Ära erfordern einiges
an Geschicklichkeit, vor allem aber das Wissen um die spezifischen
Gewichte diverser Spirituosen, Sirups und Liköre, die vorsichtig über
einen Löffelrücken ins Glas gegossen werden. Geduldige Tüftler schaffen sechs, sieben Schichten und versenken sogar noch ein Eigelb im
Glas. Beim »Knickebein« etwa, dem wohl ältesten Rezept dieser Gattung, das sich im 19. Jahrhundert in Jenaer Studentenkreisen großen
Zuspruchs erfreute, wird das Eigelb auf einer Schicht Kirschlikör platziert, gefolgt von Vanillelikör und Cognac – ein dekonstruierter Eier-
|
S TY L IN G : AN D R E W NI C H O L L S
likör quasi, aromatisch durchaus stimmig, ganz im Gegensatz zu jenen
Pousse-cafés, die in den USA der Prä-Prohibitionszeit und dann wieder im Nachkriegsdeutschland Furore machten. Doch auch bei der
neuen Generation geht es weniger um Geschmackserlebnisse als um
den optischen Reiz – oder glaubt jemand, dass ein »Baseball« aus Himbeergeist, Crème de Cassis, rotem Curaçao, gelbem und grünem Chartreuse, Veilchenlikör, Kümmel und Cognac etwas anderes verspricht
als Kopfschmerzen? Wer zu viel davon erwischt, gönnt sich einen
»Thunderbolt«, der alles enthält, was gegen Kater helfen soll: grüne
Crème de Menthe, Eigelb, Cayennepfeffer, Cognac und Worchestershiresauce – ex und hopp.
Süddeutsche Zeitung Magazin 19
R a i n b ow
Himbeersirup
Crème de Menthe grün
Orange Curaçao
Kümmel
Cognac
S ta rs & S t r i p e s
Crème de Cassis
Maraschino
Chartreuse verte
ABC
Amaretto
Baileys
Cointreau
20 Süddeutsche Zeitung Magazin
Fast niemand braucht die Feststelltaste
auf der Tastatur. Aber ständig bleiben
wir aus VersehEN DRAN HÄNGen.
Warum schafft niemand das Ding ab?
22 Süddeutsche Zeitung Magazin
vor Jahren ein Blog namens »Capsoff« gestartet, in dem er die Hersteller von Tastaturen dazu auffordert,
die Taste endlich zu entfernen oder
umzuwidmen. Die Feststelltaste sei
wie ein Kieselstein im Schuh: Man
könne schon irgendwie damit leben,
aber unterschwellig nerve sie ständig, und das seit Jahrzehnten. Tausende begeisterte Mails überschütteten Hintjens, die Website quoll
über mit Vorschlägen, wie man die
hoffentlich bald frei werdende Taste
künftig nutzen könnte: als größere
und besser erreichbare »Strg«-Taste.
Als zweite »Enter«-Taste. Als »Backspace« auf der linken Seite.
Passiert ist daraufhin von Seiten
der Hersteller: nichts. Was hindert
sie, das Ding endlich zu entfernen
oder wenigstens seine Funktion zu
ändern? Der verantwortliche Produktmanager des deutschen Tastaturherstellers Cherry erklärt es mit der
Macht der Gewohnheit: Die kleinste
Änderung am Aussehen der Tastatur
würde mehr Kunden abschrecken als
neue anziehen. Er selbst habe die
Taste einfach abgeschaltet. Christian
Sandmeier, der zuständige Produktmanager bei Fujitsu, gibt zu, den
Sinn der Taste auch nicht ganz zu
begreifen – aber eine Abweichung
käme einer Revolution gleich. Auch
bei Microsoft heißt es: »Das Standard-Layout hat sich bewährt, es gibt
keine Pläne, davon abzuweichen.«
Die Wissenschaft kennt dieses
Phänomen unter dem Begriff der
Pfadabhängigkeit. Entscheidet man
sich für eine von mehreren möglichen Alternativen, entwickelt diese
Entscheidung einen eigenen Selbsterhaltungstrieb. Tatsächlich gilt die
ganze Idee der QWERTY-Tastatur als
Paradebeispiel dieser Theorie: In den
Schubladen der Forschung liegen
längst alternative Entwürfe für Tastaturen, die bequemer zu bedienen
wären, auf einigen könnte man sogar
mit fünf Fingern tippen, doch kein
Hersteller will seinen Kunden die
Umgewöhnung zumuten.
Bleibt also nur, die nervige Taste
selbst umzuprogrammieren. Oder
man macht es wie die Kollegen von
Christian Sandmeier bei Fujitsu: Viele
von denen, sagt er, hebelten die Feststelltaste einfach mit einem Lineal aus
der Tastatur. Jan Stremmel
Illustration: Tim Lahan
zum
Verdrücktwerden
Als Christopher Sholes im Jahr 1890
starb, hinterließ er der Welt eines der
nervigsten kleinen Ärgernisse des
Alltags. Dieses Ärgernis liegt auf einer Computertastatur links neben
dem »A«: die Feststelltaste. Einmal
kurz gedrückt, und die Tastatur
spuckt nur Großbuchstaben aus. Das
passiert aber fast nie absichtlich, sondern nur deshalb, weil man das »A«
versehentlich zu weit links erwischt
hat. E-Mails beginnt man mit »Sehr
geehrte HAUSVERW…«, statt einer Telefonnummer notiert man
=()«!(§)%«! – wenn man nicht schon
beim Hochfahren des Computers an
der Passwort-Eingabe gescheitert ist.
Dabei meinte der Erfinder es nur
gut mit der Welt. Sholes entwickelte
die bis heute übliche QWERTY-Tastatur, die den Sinn hatte, häufig aufei­
nanderfolgende Buchstaben wie im
Englischen das »t«, »h« und »e« auseinanderzulegen, damit sich die Typenhebel der mechanischen Schreibmaschine nicht verhaken. Absolut
praktisch, keine Frage, und auch die
Feststelltaste hatte damals einen
noblen Zweck: Wollte man »DRINGEND« statt »dringend« tippen,
sorgte die Taste dafür, dass man nicht
quälende acht Anschläge lang die
schwergängige Umschalttaste pressen musste. Die kleinen Finger
ganzer Generationen von Schreibmaschinen-Nutzern konnten Sholes
dankbar sein.
Doch warum liegt die Taste heute,
mehr als dreißig Jahre nach Erfindung des PCs, noch immer so prominent auf jeder Tastatur? Ihren ursprünglichen Zweck der Muskelschonung hat sie ja verloren. Ausgerechnet
in einer hyperschnellen Branche wie
der IT, die sich Jahr für Jahr exponentiell weiterentwickelt und optimiert,
hat sich mit der Feststelltaste ein Anachronismus erhalten, der seine einzige Berechtigung in der Technik des
vorvergangenen Jahrhunderts hat.
Natürlich gibt es drängendere
Probleme. Doch dass viele Menschen
von der Taste genervt sind, zeigt die
Tatsache, dass es im Netz Dutzende
kleiner Programme gibt, die allein
dazu geschrieben wurden, die sogenannte »Caps Lock«-Taste zu deaktivieren. Das erklärt auch den Erfolg
der Website von Pieter Hintjens. Der
belgische Software-Entwickler hat
DEUTSCHLAND: AGENTEN
PLZ 0/1/2/3/4/5 HANDELSAGENTUR STOLLENWERK
TEL. 0221 - 2828259 FAX 0221 - 2826711
PLZ 6/7/8/9 HANDELSAGENTUR RIEXINGER
TEL. 07121 - 325953 FAX 07121 - 3259545
SITZSYSTEM POWELL
DESIGN RODOLFO DORDONI
www.minotti.com
zurück
zu dir
Die eine wächst mit liebevollen Eltern auf
und wird Golfprofi. Die andere leidet fast ihr ganzes
Leben unter einem gewalttätigen Vater und einer
selbstsüchtigen Mutter. Dann, mit Ende 50, finden
sie heraus, dass sie Schwestern sind, Zwillingsschwestern.
Die Geschichte einer langen Suche
Von christoph Cadenbach
|
F oto s: k at e p e t e r s
A
Als sie sich nach 59 Jahren schließlich gegenüberstehen, in der Lobby des »Holiday
Inn« in Newcastle, müssen sie nicht mehr
reden. Sie erkennen sich ohne ein Wort
und schließen sich in die Arme. Es fühlt
sich an wie die angenehme innere Leere
nach einem Marathonlauf: keine Aufgabe
mehr, kein Ziel. Bloß Genugtuung, für
kurze Zeit zumindest. Wenn Jenny Lee
Smith und Helen Edwards von diesem
Moment erzählen, schauen sie sich noch
heute, fünf Jahre später, ziemlich glücksbeduselt an.
Ihre Geschichte klingt wie ein Rosamunde-Pilcher-Roman: zwei Mädchen, die
in den Fünfzigerjahren im rauen Norden
Englands aufwachsen, die eine bei liebevollen Eltern, die andere bei einer selbstsüchtigen Mutter und einem Vater, der
sie schlägt. Ihre Leben könnten kaum unterschiedlicher verlaufen – bis sie nach
mehr als fünfzig Jahren plötzlich herausfinden, dass sie Schwestern sind, Zwillings24 Süddeutsche Zeitung Magazin
schwestern sogar, da sind sich Jenny und
Helen sicher.
An einem Samstag Mitte April sitzen die
beiden in Jennys Esszimmer: zwei Frauen
Anfang sechzig, schlank und fit und gut
gelaunt wie Silver Ager aus der Werbung.
Helen ist übers Wochenende mit ihrem
Mann zu Besuch. Im Fernsehen läuft Pferderennen, durch das Fenster scheinen die ers­
ten warmen Sonnenstrahlen dieses Frühlings und erhellen zusätzlich die Stimmung
im Raum. Es war nicht ganz leicht, Jennys
Haus zu finden, weil es versteckt hinter
mauerhohen Rhododendronbüschen liegt,
am Rand einer kleinen Stadt in der sehr
grünen, sehr idyllischen Grafschaft Kent
südlich von London. Es ist ein großzügiges
Anwesen mit klassischer dunkler Klinkerfassade. Jenny hat Karriere als Golfprofi
gemacht. Sie war 1976 die erste Gewinnerin
der British Open im Frauengolf und ist danach durch die USA getourt; noch so ein
Detail wie aus einem kitschigen Roman. >>
Die Schwestern Jenny
(links) und Helen mussten
Detek­tivarbeit leisten,
um ihre gemein­­samen
Wurzeln zu entdecken.
Heute treffen sie sich oft –
zum Beispiel in Jennys
herrschaftlichem Garten.
Süddeutsche Zeitung Magazin 25
26 Süddeutsche Zeitung Magazin
Jenny (links) hat Karriere als
Golfprofi gemacht,
Helen arbeitet heute als
Psychotherapeutin.
Jenny mit 6. An den
Wochenenden durfte sie
reiten und Golf spielen.
Helen mit 6. Ihren Eltern
ist sie damals lieber
aus dem Weg gegangen.
Fotos: Kate Peters / Institute; alte Fotos S. 26/27: privat
»Als Dreijährige«, erzählt sie, »bin ich zum
ersten Mal auf einem Golfplatz gestanden. Mein
Vater hat mir damals einen Holzschläger zurechtgesägt, damit ich den Ball überhaupt treffen konnte.«
Jenny ist als Einzelkind aufgewachsen. Ihr
Vater arbeitete als Geschäftsmann, ihre Mutter
war Friseurin. Die Familie hatte ein Haus in
Newcastle und eine Ferienhütte am Strand,
gleich daneben lag ein Golfplatz, so ist sie zu
dem Sport gekommen. »Wir waren nicht reich«,
sagt sie, »aber meine Eltern haben mich geliebt
und mir vieles ermöglicht.« Mit 14 hat sie dann
erfahren, dass sie adoptiert wurde.
»Es war purer Zufall«, sagt sie. »Ich habe mit
einer Cousine gestritten, als die plötzlich meinte:
›Was willst du eigentlich? Du gehörst gar nicht
zur Familie! Deine Mama ist nicht deine echte
Mama!‹ Ich war natürlich total geschockt und
habe meine Mutter auf dem Heimweg darauf
angesprochen. Sie sagte, dass es stimme, wollte
mir aber nichts von meinen leiblichen Eltern
erzählen. ›Wir sind deine Eltern, wir lieben dich‹,
meinte sie nur.« Damit begann für Jenny die
komplizierte Suche nach ihren Wurzeln, bei der
sie vorgehen musste wie ein Detektiv.
Helen dagegen ist in schwierigeren Verhältnissen groß geworden. In den Geschichten aus
ihrer Kindheit riecht es nach Kohlenstaub. Auch
ihre Eltern haben in Newcastle gelebt, in einer
Siedlung für Minenarbeiter. Ihr Vater Tommy
hatte ein unbeherrschtes Temperament. »In
einem Moment ist er mit meiner Mutter durch
die Wohnung getanzt, im nächsten haben sie sich
angeschrien, dann hat er sie geschlagen – und
wenn ich im Weg stand, hat er auch mir eine
geknallt und mir dann noch die Schuld gegeben:
›Was stehst du hier auch so dumm rum!‹ Das war
das Schlimmste daran«, sagt Helen.
Von ihrer Mutter Mercia konnte sie keine Hilfe erwarten. »Die war genauso schlimm«, sagt sie.
»Als ich fünf war, habe ich mir auf dem Pausenhof den Knöchel gebrochen, und meine Mutter
musste mich ins Krankenhaus bringen. Sie hat
mich getragen, weil ich nicht auftreten konnte
– und sich den ganzen Weg nur beschwert, wie
anstrengend das sei und dass ich ihr jetzt den Tag
versaut hätte.«
Helen kann viele solche Episoden erzählen:
wie ihre Eltern mit ihr nach Südafrika ausgewandert sind, wo ihr Vater Tommy mit einem Strick
um den Hals einmal so getan hat, als hätte er sich
erhängt. Als er sieht, wie Helen erschrickt, lacht
er sie nur aus. Ein paar Jahre später, 1971, stirbt
er dann tatsächlich an einem Herzinfarkt. Helen,
inzwischen 21 Jahre alt, verheiratet und Mutter,
geht zurück nach England, weil sie nicht will,
dass ihr Kind in dem rassistischen ApartheidRegime aufwächst. Ihre Mutter Mercia folgt ihr
und zieht bei ihr ein.
Es dauert bis 1981, bis Jenny herausfindet, dass
diese Mercia auch ihre leibliche Mutter ist. Kurz
zuvor hatte die britische Regierung ein Gesetz
geändert, das es adoptierten Kindern nun erlaubt, ihre Geburtsurkunde einzusehen. Unter
dem Punkt »Mutter« steht darin der Name
»Mercia Dick«, ein Vater ist nicht verzeichnet,
aber eine Adresse, zu der Jenny fährt.
Doch Mercia ist weggezogen, Jenny trifft nur
eine Schwester von ihr – ihre Tante also. »Und als
ich ihr erzählt habe, wer ich bin, hat sie mich
plötzlich umarmt und geküsst und vor Freude
geweint: ›Wir wussten immer, dass du irgendwann zurückkommst!‹, hat sie gesagt und dann
Mercia angerufen, um auch ihr die Neuigkeiten
zu erzählen, aber die hat nur entgegnet: Das habe
doch alles keinen Sinn, ich solle besser verschwinden.« Jenny, das Adoptivkind, wird ein
zweites Mal von ihrer leiblichen Mutter zurückgewiesen. Doch sie gibt nicht auf.
In Telefonbüchern und Adresslisten sucht sie
nach dem Namen ihrer Mutter. Ohne Erfolg.
Dann geht die Golfsaison wieder los, Jenny tourt
durch Europa, sie ist eine der erfolgreichsten
Spielerinnen dieser Zeit und wird von der Queen
in den Buckingham Palace eingeladen. Sie heiratet, bekommt Kinder, die Jahre vergehen. Ende
der Neunziger zieht sie mit ihrer Familie nach
Florida in die USA. »Ich dachte, ich würde Mercia ohnehin nie finden«, sagt sie. Doch ihre Cousine Wendy, die ihr bei der Suche hilft, will nicht
aufgeben und hat schließlich eine Idee, die die
Wende bringt: Im Verwaltungszentrum von Newcastle sucht sie nach alten Heiratsurkunden –
und entdeckt ein Dokument, auf dem verzeich-
net ist, dass eine Mercia Dick 1951
einen gewissen Tommy Lumsden geheiratet hat. Der Name von Jennys
Mutter lautet mittlerweile also Mercia
Lumsden. Über das Wahlregister findet
Jenny die Adresse heraus und schreibt
ihr einen Brief.
Auf den ersten bekommt sie keine
Antwort, auf den zweiten nur eine kurze Nachricht: »Hör auf, eine alte, kranke
Frau zu belästigen. Leb einfach dein Leben.« 2003 fährt Jenny trotzdem zu der
Adresse und klingelt an Mercias Tür.
»Als sie meinen Namen hörte, fing
sie an zu weinen«, erzählt Jenny. »Es tue
ihr so leid, hat sie gesagt: ›Ich hatte kein
Geld damals, es war kurz nach dem
Krieg, bitte vergib mir!‹ Aber ich wollte
gar keine Entschuldigung von ihr. Ich
wollte sie nur kennenlernen.« Die beiden reden ein paar Stunden, dann bittet
Mercia Jenny zu gehen. »Meine Tochter
Helen kommt jeden Moment nach
Hause«, sagt Mercia. »Die darf dich
nicht sehen, sie weiß nichts von dir.«
Es dauert ein wenig, bis Jenny begreift, was das
bedeutet: dass sie eine Schwester hat, eine Halbschwester zumindest. »Leider wollte mir meine
Mutter aber nichts von Helen verraten«, sagt
Jenny. 2004 stirbt Mercia und nimmt das Ge­
heimnis mit ins Grab.
Jenny, die 2005 mit ihrer Familie zurück nach
England zieht, bekommt aber doch noch heraus,
wer diese Helen ist, über ein Online-Netzwerk,
mit dem man Angehörige finden kann. Sie
schreibt Helen eine E-Mail – und 2007 fallen sie
sich schließlich in der Lobby des »Holiday Inn«
in Newcastle in die Arme.
Im Esszimmer in Jennys Haus in Kent wird es
für einen Moment still. Die beiden Schwestern
haben ihre Geschichte schon öfter erzählt; sie
haben sogar ein Buch darüber geschrieben (My
Secret Sister, Pan Macmillan), das in England zurzeit auf den Bestsellerlisten steht; sie wissen,
wann man eine atmosphärische Pause setzen
muss, um die Spannung noch einmal anzuschieben. »Aber von Anfang an hatten Jenny und ich
das Gefühl, dass wir vielleicht mehr sind als nur
Halbschwestern«, sagt Helen dann. »Es gab so
viele Gemeinsamkeiten: Wir haben den gleichen
Geschmack, die gleichen Allergien, die gleichen
Krankheiten gehabt.« Wie zum Beweis halten sie
ihre Zeigefinger vor, die ähnlich krumm sind.
Ein paar Monate nach ihrem ersten Treffen
entschließen sie sich, einen DNA-Test zu machen.
Helen hat mittlerweile herausgefunden, dass ein
gewisser Wilfred Harrison Jennys leiblicher Vater
ist. Der Name stand in der Scheidungsurkunde
von Mercia. Dieser Wilfred war wohl der Grund
dafür, dass sie sich von ihrem ersten Mann
Helen (vorne l.) wurde noch
als Zweijährige in
Babykleidung gesteckt,
damit niemand bemerkt, dass
sie schon älter ist.
Mercia mit 21. Jenny und
Helen vermuten, dass
sie depressiv war, weil sie drei
Kinder weggegeben hatte.
George Dick getrennt hat. Die letzte
noch lebende Verwandte aus dieser
Zeit bestätigt Helens Theorie: Wilfred
ist Jennys Vater, Mercia hatte eine Affäre mit ihm.
Das Ergebnis des DNA-Tests erschüttert Helen dann: Denn es besagt, dass
sie mit einer Sicherheit von 99,97 Prozent Jennys Schwester ist, das heißt, die
beiden haben nicht nur die gleiche
Mutter, sondern auch den gleichen Vater. »Plötzlich war mir klar, warum
Tommy mich all die Jahre so mies behandeln konnte«, sagt Helen: »Er war
gar nicht mein richtiger Vater.«
Nach weiteren Recherchen im Krankenhaus von Newcastle, wo sie die medizinischen Unterlagen von Mercia ausfindig machen konnten, sind sich Helen
und Jenny heute sicher, dass es sich damals folgendermaßen abgespielt hat:
Mercia ist 1948 nach einer Affäre mit
Wilfred Harrison schwanger geworden.
Sie hatte schon zuvor drei Kinder von
zwei verschiedenen Männern bekommen und zwei davon zur Adoption freigegeben. Ein
Sohn – Helens großer Bruder George – lebte bei ihr
und ihrem damaligen Freund Tommy Lumsden.
Für die Geburt ist Mercia dann in ein Heim
für unverheiratete Frauen gegangen. Dort hat sie
im Dezember 1948 Zwillinge bekommen, die sie
sechs Wochen lang gestillt hat. Ein Kind, Jenny,
hat sie danach weggegeben, das andere, Helen,
mit zu Tommy genommen.
Hundertprozentig beweisen lässt sich diese
Theorie nicht. Aber es gebe viele Indizien, sagt
Helen: In Mercias medizinischen Unterlagen ist
nach 1948 keine weitere Geburt vermerkt, dabei
soll Helen eigentlich erst 1950 zur Welt gekommen sein. Es gibt auch kein Foto, das Helen als
Baby zeigt. Und der Arzt, der 1948 dabei war, hat
die Geburt in den Dokumenten als »kompliziert«
beschrieben. »Unsere Mutter hat drei Kinder weggegeben«, sagt Helen. »Sie war deswegen vermutlich ihr ganzes Leben lang depressiv und hat uns
angelogen. Warum nicht auch in diesem Punkt?«
Die Frage am Ende ist: Macht es überhaupt
einen Unterschied, ob sie nun Zwillinge oder
nur Schwestern sind?
»Nein«, sagt Jenny.
»Ja«, sagt Helen. »Ich wäre dann zwei Jahre
älter.«
Die Geschichte von Jenny und Helen hat
C h r i s t o p h C a d e n b a c h an die
berühmten Zwillinge Jim Lewis und Jim
Springer erinnert, die auch kurz nach der
Geburt getrennt wurden und sich erst 39 Jahre
später zum ersten Mal begegneten. Als sie sich trafen, wogen beide 82 Kilo, fuhren das gleiche Auto,
rauchten die gleichen Zigaretten, und hatten eine
Frau namens Betty.
Süddeutsche Zeitung Magazin 27
glückwunsch,
altes haus!
Der Münchner BMW-Vierzylinder wird
vierzig und lässt mit seinem Retro-Look heute
noch manche Neubauten alt aussehen
E
Vo n g e r h a r d m at z i g
Draußen reifenrunde
Gehwegplatten, drinnen
organisch geschwungene
Treppengeländer – selbst
die Sitzgruppe im Foyer
(links) und der Speiseraum
des Vorstandes (rechts)
folgen konsequent der
Diktatur des Kreises.
Lediglich das Großraumbüro
gibt sich etwas kantiger.
Es gibt Internetforen, in denen darüber
nachgedacht wird, was BMW außer
­Bayerische Motoren Werke sonst noch
heißen könnte. Einer meint, die drei
Buchstaben stünden für »Bring mich
Werkstatt«. Ein anderer erwidert, nö,
das heiße »Bei Mercedes weggeworfen«.
Zum Glück ist das Unsinn. Wer schon
mal in München vor dem markanten
Hochhaus stand, das am 18. Mai 1973
eröffnet wurde, weiß es: BMW = Baut
mehr Wunder!
Das ist die Botschaft dieses Gebäudes,
das auch selbst ein Wunder ist. Nicht nur
eines der Konstruktion – wobei wir die
genialische Hängebauweise hier nur an­
satzweise rühmen können: Alle 22 Ge­
schosse hängen an einem gewaltigen
Betonschaft, sie wurden am Boden vor­
Süddeutsche Zeitung Magazin 29
30 Süddeutsche Zeitung Magazin
Fotos: BMW Group Archiv
So schnell kann’s gehen: Bereits vier
Monate nach Baubeginn war der Gebäudekern auf seine volle Höhe von
100 Metern hochgezogen. Die oberen
Stockwerke – am Boden vormontiert
und hydraulisch in den Himmel gestemmt – waren ein Jahr später fertig:
ein Wunder der Ingenieurskunst
und bis heute auch im Inneren (rechts:
Mu­seum, oben: Warteraum für Vorstandsgäste) ungeschlagen modern.
montiert und dann hydraulisch in die Höhe
gestemmt. Das Verfahren erwies sich als kos­
tengünstig, schnell und stellt insofern eine
extreme Abart des heutigen Bauens dar. Siehe
Elbphilharmonie, Berlin-Flughafen oder Stuttgart 21. Doch abseits der Ingenieursbegeiste­
rung: Der Bau ist auch ein Ästhetik-Wunder,
dank einer Fassadensprache, die man immer
noch nicht satthat. Was ein großer ­Unterschied
ist zu so manchem einst modischen, mittlerweile ermüdenden »Signature Building«
zwischen Bollingstedt und Böblingen. Am
schönsten aber an diesem Bau, den der Wiener
Architekt Karl Schwanzer er­sonnen und mit
Hilfe des schalenartigen BMW-Museums da­
neben zu einem geradezu Brasília-haften En­
semble arrangiert hat, ist, dass er von einer
Zeit kündet, die noch an Wunder glauben
mochte. Der aus vier zy­lindrischen Körpern
geformte Turm ist gebauter Utopismus. Ein­
hundert Höhenmeter Zukunftslust.
Man muss kein rasender Mobilist sein, um
diese einzigartige Immobilie zu lieben, die zu
den wenigen Baudenkmalen der Münchner
Nachkriegsmoderne zählt. Doch sollte man
auch die etwas poetisierende PR-Mitteilung
kennen, die am 25. Mai 1973, also eine Woche
nach der Eröffnung, in aller Bierruhe von
BMW verschickt wurde. Darin heißt es: Der
Turm »signalisiert technischen Fortschritt und
zeugt von der Aufgeschlossenheit der Erbauer
unserer Zeit und ihrer unbegrenzten Möglich­
keiten«. Unbegrenzte Möglichkeiten: Ach ja,
das ist ein Märchen aus jener Zeit, da auch die
Ressourcen noch nicht so begrenzt schienen
wie heute. Liebe, tüchtige BMWler: Baut mehr
Öko-Wunder. Gern auch auf vier Rädern, okay?
Nebenan übrigens, wo Wolf D. Prix von
Coop Himmelb(l)au als Schüler von Karl
Schwanzer die BMW-Welt vor einigen Jahren
als Mischung aus Barock-’n’-Roll-Hall-of-Fame
und Autoabhol-Zentrum errichtet hat, musste
eine Rampe extra »entschleunigt« werden. Auf
dieser Rampe werden die zuvor ausgehän­
digten neuen BMWs von stolzen Besitzern ins
Leben chauffiert. Man hatte Angst, dass in
emotional überreizter Stimmung die eine
oder andere Kurve nicht mehr zu schaffen sei.
Aber selbst wenn das nun gelingt: Draußen
stehen sie dann oft vor dem Vierzylinder. Und
staunen. Und stehen. Jemanden im Geschwin­
digkeitsrausch zum Stillstand zu bewegen: Ein
größeres Kompliment kann einem immobilen
Vierzylinder nicht gemacht werden. Danke,
altes Haus, du bist die Zukunft.
g e r h a r d m a t z i g , Baujahr 1963,
liebt den BMW-Turm schon deshalb,
weil dessen Design im Gegensatz zur
Ästhetik der BMW-Flotte nicht alle fünf
Jahre neu erfunden wird.
Küssen
kann man nicht
alleine.
http://www.friendscout24.de
Deutschlands Partnerportal Nr. 1
• Finde Lebenspartner,
Flirts und Abenteuer
• Mehr als 1 Million
aktiv Partnersuchende
im Monat
• Mehr Sicherheit durch
geprüfte Profile
• Finde Singles ganz in
Deiner Nähe
SonnenSchein79
Welteroberer_38
Findet Euch!
Kostenlos losflirten auf www.friendscout24.de
50
shades
of
grey
Isle of Bute Show
in Schottland: Wer
seinen Hund liebt,
teilt alles mit ihm –
sogar den Friseur.
fotoS: Arnhel De serr a
In England ist der
Himmel sogar
im Sommer grau
– aber die Leute
machen was
draus. Unterwegs
zu den schönsten
Freiluftveranstaltungen der Insel
Süddeutsche Zeitung Magazin 33
Links Britisches
Essen mögen nur Briten?
Von wegen.
Rechts oben Könnte eine
Modenschau für ThermoUnterwäsche sein, ist aber
traditionelles Wrestling.
Rechts Konzentriert bei
der Arbeit – eine Jurorin
des Backwettbewerbs auf
der New Forest &
Hampshire County Show.
Unten Auf der Great
Yorkshire Show geht es zu
wie bei uns auf dem Tennisplatz: Papa ist besonders eifrig bei der Sache.
Oben Eine Gartenschau
ohne Blumen gibt’s nicht,
manche Gäste
gehen trotzdem auf
Nummer sicher.
Rechts Die JagdhundeSchau in Peterborough
gibt es seit 1878.
Verändert hat sich
seitdem: nichts.
Links Trittin und GöringEckardt? Nein, doch nicht.
Unten Ganz viele
Oldtimer auf der East of
England Show –
zwei davon essen.
Oben Die Landluft
von Hampshire hat ihr
erstes Opfer gefunden.
Rechts Der Python kommt
aus Burma, das
Mädchen aus der Grafschaft
Berkshire – der örtliche
Reptilienclub macht’s möglich.
Unten Ein Angorahäschen
wird für den Schönheitswettbewerb in Surrey geföhnt.
Oben Auf der Royal
Cornwall Show
kann ein Mann noch
Hut tragen, ohne
doof auszusehen.
Mitte Zwei Jäger
demonstrieren
formvollendetes
Anschleichen, der
Rest schaut leise zu.
Unten Bulle, der
seinen Preis definitiv
verdient hat.
Unten Egal wo, egal wie, aber
eine Teepause muss sein.
J
Oben Viel spannender als Drohnen: die menschliche
Kanonenkugel Dave »The Bullet« Smith Jr. auf der Royal Norfolk Show.
Unten Nicht die Kelly Family, sondern der Infostand des
Wochenmagazins Country Life, das erstmals 1897 erschien.
38 Süddeutsche Zeitung Magazin
ede Woche sendet BBC Radio 4 eine Dreiviertelstunde
Gardeners’ Question Time: Amateur-Gärtner stellen ProfiGärtnern vor Publikum Gärtner-Fragen. Die Sendung gibt
es seit 1947. In den Kategorien Leidenschaft, spezialistische
Verästelung und Geheimsprache wird sie nicht einmal vom
Seewetterbericht übertroffen. Derzeit läuft sie jeden Sonntagnachmittag, was insofern angemessen erscheint, als sie
eine Art pantheistischer Gottesdienst ist. Schade nur, dass so viele
Briten aus der Zielgruppe sie sommers um diese Zeit nicht hören
können: Sie sind unterwegs, draußen, auf Gartenfestivals, Landwirtschaftsschauen und Gemüsewettbewerben.
Nur in England finden sie auf derart erhebende Weise zusammen:
die Liebe zur Landwirtschafts- und Gartenschau, die Neigung zu
mildem Exhibitionismus und eine Form der Exzentrik, die nach kontinentalen Maßstäben als solider Irrsinn gelten muss. Die Liebe zur
Landwirtschaftsschau ist dabei die größere Schwester der Liebe zum
Gärtnern. Sechzig Prozent der Briten gaben in einer Umfrage aus dem
Jahr 2010 an, in den vergangenen vier Wochen gegärtnert zu haben.
Der Rest hatte vermutlich gerade keine Lust darauf, befragt zu werden.
Oder zuletzt vor viereinhalb Wochen gegärtnert.
Die Engländer würden sich selbst als gelassene, oft kühle Menschen des Nordens bezeichnen. Als zutiefst pragmatische und vollkommen normale Bewohner einer alles in allem recht hübschen
Insel. Doch es gibt, das lässt sich ohne Übertreibung sagen, wohl
keinen gelassenen, oft kühlen, zutiefst pragmatischen und vollkommen normalen Engländer, der nicht zugleich als bekloppt oder immerhin sonderlich beschrieben werden muss. Das macht die Bewohner dieser Insel zu einem der zivilisiertesten und liebenswertesten
Völker des Erdballs.
Der Übersichtlichkeit wegen soll hier nicht von den übrigen Bewohnern des Königreichs die Rede sein, von Walisern, Schotten und
Nordiren. Es ist ja schon eine beinahe fahrlässige Verallgemeinerung, von »den Engländern« zu sprechen. Wer die Insel bereist, muss
alle paar Meilen glauben, ein neues Land betreten zu haben, was
schon allein an der Vielfalt der teils herrlich unverständlichen Akzente liegt. Wer die Insel bereist, begegnet der rauen Herzlichkeit
C HR I S T I A N Z A S C H K E ist ein begnadeter Gärtner. Seine
Tomaten sind berühmt, seine Auberginen berüchtigt. Schade nur,
dass der London-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in
einer Wohnung lebt, die zwar über undichte Fenster, aber weder
über Garten noch Balkon verfügt.
ONLINE SHOPPEN:
SPORT-SCHUSTER.DE
SPORTHAUS SCHUSTER
MÜNCHEN – DIREKT AM MARIENPLATZ
ROSENSTRASSE 3–5
Zeichen & Wunder, München
Links Jaja, Landleben ist angesagt,
vor allem bei den Städtern,
und das kommt am Ende raus.
des Nordens, der brummigen Freundlichkeit der Midlands und der
amüsierten Herablassung des Südostens.
Was jedoch allen eingeborenen Bewohnern der Insel gemein ist, ob
sie an der schottischen Grenze großgeworden sind oder im Londoner
East End, ist diese schwer zu fassende, kaum zu beschreibende, aber
stets vorhandene »Englishness«. In einem ungenügenden Versuch ließe
sich diese als einzigartige Mischung aus Stolz und Stoizismus, Wahnsinn und Verbindlichkeit umreißen, zu der sich bisweilen eine eigenwillige Kombination aus Verklemmtheit und Schamlosigkeit gesellt.
Irgendwo dazwischen hat sich die Liebe zu einer besonderen Form des
Gärtnerns angesiedelt. Der Autor Harry Mount schreibt in seinem
scharfsinnigen und außerordentlich wunderbaren Buch How England
made the English: »Eine Ader der Wärme und Wildheit der südlichen
Völker läuft durch unsere Gärten.« Mag sein, dass in englischen Gärten
das höfliche Niederringen der Natur als bestimmende, als gestaltende
Kraft wirkt. Und doch sind es Wärme und Wildheit, die die unzähligen
Gartenfestivals und Gemüsewettbewerbe bestimmen.
Es wäre grundfalsch zu behaupten, dass all das eine Insel des pastoralen Idylls ergäbe. England ist ein Land, in dem in mit Spielhallen und
Kettenschnellrestaurants verschandelten Seebädern höchstens 16 Jahre
alte Mütter in handbreiten Röcken rauchend an der Strandpromenade
herumlungern und ihre weinenden Babys anschreien: »Fuck you! Shut
up!« Aber es ist ebenso ein Land, in dem auf ländlichen Zusammenkünften ältere Herren in Knickerbockern auf vollendet lächerliche und
doch würdevolle Weise öffentlich durchs Gras robben. Es ist das Land,
in dem ein wütender Mob aus Zorn über soziale Ungerechtigkeit und
latenten Rassismus mal eben ein paar Londoner Stadtviertel in Flammen setzt und die Obrigkeit spüren lässt, wie dünn der Firnis der Ordnung in Wahrheit ist. Und zugleich das Land, in dem sich bis heute
Menschen dafür entschuldigen, dass sie angerempelt wurden.
Dass England noch immer eine Klassengesellschaft ist, lässt sich vielleicht am besten während der wenigen Monate beobachten, in denen
auf einen milden Frühling mit gelegentlichem Niesel ein moderater
Sommer mit gelegentlichem Niesel folgt. Jedes Jahr zwischen April und
August begibt sich die englische Elite – zu der neben der alten Upperclass längst auch der Geldadel des Finanzplatzes in der Londoner City
gehört – auf Sommertour. Zur »Englischen Saison« gehören verschiedene kulturelle und sportliche Veranstaltungen, darunter mehrere Pferderennen (u. a. Royal Ascot, Epsom Derby), die königliche Ruderregatta
in Henley und das Opernfestival in Glyndebourne. Bei jeder dieser Veranstaltungen gilt ein strenger Dresscode. Das gemeine Volk wird, wenn
überhaupt, am Rande des gesellschaftlichen Geschehens geduldet.
Im Schatten dieser elitären findet die wahre Englische Saison statt.
Sie besteht aus eben jenen Leistungsschauen, bei denen Hobbygärtner
mit Kürbissen, groß wie pazifische Atolle, und langmähnigen Lauchstangen gegeneinander antreten. Sie besteht aus Picknicks, Straßenfesten, Haustierschauen, aus Gurkensandwiches und Gummistiefeln,
und sie findet unbedingt im Freien statt, bei jedem Wetter.
Der Autor Harry Mount schreibt: »Die Engländer sind nicht gut in
makelloser, idealisierter Schönheit – ganz gleich, ob es um ihre Kleidung geht, ihre Kunst oder ihre Zähne. Ihre Sache ist vielmehr die
Schönheit, die sich unaufgefordert aus offensichtlicher Vernachlässigung ergibt.« Besser lässt sich die Bodenständigkeit der Englischen
Saison kaum beschreiben. Wer sie betrachtet, der blickt ins Innerste
einer leidenschaftlichen, schönen Seele.
Salewa
statt
Sauwetter.
Sporthaus des Südens.
Total
verbohrt
In Österreich buddelt ein
Mann seit 50 Jahren
einen Stollen in einen Berg
hinein. Warum?
Es ist sein Hobby.
Von tin Fischer
Fotos: PAUl kr anzler
H
ätte es damals, 1958, schon billige
Kühlschränke gegeben, wäre Michael
Altmann das alles nicht passiert. Am
Fuße des Kürnbergs bei Linz wollte
er eine Schenke eröffnen: ein paar
Bierbänke, kühle Getränke. Also schlug er einen
Lagerraum in den Sandstein, denn in so einer Kühlkammer steigt die Temperatur auch im Hochsommer nicht über neun Grad. Doch dann, als der Raum
schließlich fertig war, buddelte Michael Altmann
einfach weiter.
Rund tausend Tonnen Sandstein hat er bis heute
aus dem Kürnberg geschlagen, 180 Meter Stollen in
mehr als fünfzig Jahren, anfangs nur mit einer Spitzhacke. »An guten Tagen kam ich etwa zwanzig Zentimeter weit«, erzählt er, während er durch den Raum
führt, mit dem alles angefangen hat: etwa drei auf
zwölf Meter groß, düster, feucht, muffige Luft.
Altmann, mittlerweile 77, graues Haar, sieht man
das Höhlengraben an: Seine Arme sind kräftig, sein
Jeder Mann braucht ein Hobby Für Michael Altmann
ist es das Graben – er konnte einfach nicht mehr damit aufhören. Ausgeleuchtet werden seine Stollen von einer
Lichterkette, mit der man auch einen Weihnachtsbaum
schmücken kann.
Süddeutsche Zeitung Magazin 41
Oben: Manche Stollenwände sind mit
obskuren Malereien versehen: Sterne,
Urzeit-Monster, kirchliche Symbole.
Rechts: Haifischzähne, die Altmann
beim Graben gefunden hat.
Bauch ist flach, sein Rücken gekrümmt. Im
Dorf nennen ihn die Leute nur »den Muck.«
Zunächst legte er sich damals noch einen
Grund zurecht, warum er weitergraben
wollte: Ein Rutengänger hatte ihm prophezeit, dass er auf Wasser stoßen werde. Einen
Grund brauchte er: Die Schenke hat er nie
eröffnet, weil ihm das Bezirksamt die Genehmigung versagt hat.
Tagsüber fuhr Michael Altmann Taxi in
Linz, abends grub er seinen Stollen: Pfeilgerade führt der Gang in die Tiefe, so steil wie
eine Passstraße, nur fünfzig Zentimeter breit
und einsfünfzig hoch. Die Wände hat Altmann mit Beton ausgekleidet, damit ihm die
Decke nicht auf den Kopf fällt. Er grub auf
eigenes Risiko. Eine Bewilligung brauchte er
nicht. Das Bergbauamt sah Fälle wie seinen
nicht vor und die örtliche Baubehörde interessiert sich nur für Bauten über dem Boden.
42 Süddeutsche Zeitung Magazin
Wenn es gar
nicht mehr
weiterging,
besorgte er sich
Sprengstoff,
sogenannten
Donarit
Den Schutt transportierte Altmann in den
ersten Jahren mit der Schubkarre ab und
verschenkte ihn an Häuslebauer. Wurde
seine Spitzhacke stumpf, feuerte er einen
kleinen Ofen an und legte die Spitze in
die Glut, um sie anschließend wieder zu
schärfen. Wenn es gar nicht mehr weiterging, besorgte er sich Sprengstoff, sogenannten Donarit, der im Bergbau verwendet wird – Altmann hatte bei der Feuerwehr die Sprengprüfung abgelegt und
durfte den Sprengstoff deshalb kaufen.
Michael Altmanns Leben teilte sich damals immer mehr in ein Unten und ein
Oben. Oben, über der Erde, verlief es in
den geregelten Bahnen einer Nachkriegsbiografie. Er trat der Feuerwehr bei, heiratete und übernahm mit seiner Frau 1965
ein Wirtshaus. Unten spielte der Kürnberg
weiter sein Spiel mit ihm. Statt Wasser
spuckte er Haifischzähne, Muscheln oder
Knochen aus. Vor allem aber gab er Altmann das wohlige Gefühl von Sicherheit.
Nie habe er Angst gehabt, wenn er allein
und im schwachen Licht seiner Kerze gegraben habe, nie, sagt Altmann energisch,
während er immer tiefer den engen Gang
entlangführt. Im Gegenteil. Als 1962 der
atomare Ernstfall drohte, habe er, Kriegskind, am Eingang zwei Stahltüren montiert und Rationen für 14 Tage angelegt.
Der Stollen war fortan sein Bunker.
Michael Altmann ist nicht der Einzige
seiner Generation, den es in die Tiefe gezogen hat, der über Jahrzehnte einen Stollen ohne jeden Sinn und Zweck angelegt
hat. Zur etwa gleichen Zeit grub ein junger Mann in der Schweiz hinter seinem
Haus nach Wasser, fand welches, und
hörte trotzdem nicht auf, sondern trieb
einen Stollen von 220 Meter Länge ins
Gestein; in London begann ein Mann
unter seiner 20-Zimmer-Villa zu graben,
bis sein Tunnelsystem die Statik der
Nachbarhäuser gefährdete; und der amerikanische Künstler Ra Paulette lässt sich
noch heute ziellos grabend durch Sandsteinberge treiben.
»Psychoanalytisch lässt sich das relativ
einfach erklären«, sagt Anton Tölk, Psychiater an der Linzer Nervenklinik. »Man
kann das Höhlengraben als Sehnsucht
nach dem geborgenen Mutterleib deuten.
Die Höhle umfasst und gibt Schutz.« Sie
sei in ihrer Undurchschaubarkeit aber
auch verführerisch wie ein Labyrinth.
Beim Graben setze dann eine kontemplative Befriedigung ein. Man wolle nicht
mehr aufhören. »Der Sinn kommt dabei
allein aus der Befriedigung. Solange man
Altmann vor seiner selbst gebastelten
Bohrmaschine: Die Einzelteile hat er
vom Altmetallhändler.
gräbt, lebt man, weil es mit dem Graben
immer weitergeht«, sagt Tölk.
Und so war es auch bei Michael Altmann: Irgendwann stieß er tatsächlich auf
eine Wasserader, doch nach einer Pause
von ein paar Wochen nahm er die Spitzhacke wieder in die Hand. »Im Stollen
hatte ich meine Ruhe«, sagt er. Man solle
ihn nicht falsch verstehen: Er sei ein geselliger Mensch. Aber als Wirt lerne man
viele Menschen zweimal kennen. Einmal
ohne und ein zweites Mal mit Alkohol.
»Der Stollen war dann wie ein Kloster.
Keine Musik, kein Radio, keine Gäste, keine Stimmen, nichts.«
Das Paradoxe an Michael Altmann ist,
dass seine Mittel umso brachialer wurden,
je verspielter sein Ziel geriet. Altmann
führt in eine Nische im Stollen und zeigt
eine mannshohe Riesenbohrmaschine. Er
»Der Stollen
war wie ein
Kloster. Keine
Musik,
kein Radio,
keine
Gäste, keine
Stimmen,
nichts«
hat sie gebaut, um den zweiten Stollenarm
in Angriff zu nehmen, einen ebenfalls
gänzlich sinnlosen. Die Maschine sieht
aus wie ein Monster aus Alteisen, mit
Scheibenbohrern so groß wie Pizzateller.
Der Stollenarm, den er damit grub, ist
gewunden und gewölbt wie ein Darm –
oder eben ein Mutterleib. Die Decke ist
hoch, man fühlt sich gut aufgehoben, obwohl die Wände hier nicht gesichert sind,
sondern nur wie die einer festgeklopften
Sandburg aussehen. Mehrere Elektromotoren verheizte Altmann beim Bohren
im Gestein. Manchmal fuhr ihm wegen
der Feuchtigkeit der Strom in die Glieder.
Ein Freund, einst U-Boot-Maschinist bei
der Marine, half ihm ab und an mit der
Seilwinde, die er sich inzwischen angeschafft hatte. Als das Steineschleppen mit
den Jahren auf die Hüfte zu drücken begann, kaufte Altmanns Frau ihm ein Raupenfahrzeug, eine Art Hubwagen. Es war
ihr einziger Beitrag zum Stollen. Ansonsten ließ sie ihren Mann machen und
schwieg zu seinem Hobby. Nur wenn er
um Mitternacht noch immer nicht zu
Hause war, kam sie runter und sagte, dass
es nun aber Zeit sei. Seit er 1995 in Rente
gegangen war, verbrachte er ganze Tage in
seiner Höhle. Bis er 2008 ein letztes Mal
auf Granit biss.
Er hätte wieder sprengen müssen. Doch
er war inzwischen ein betagter Mann mit
operierter Hüfte. Also malte er, statt zu
sprengen, die Ausfräsungen mit Sternen
aus, die sich nun im Grundwasser auf dem
Stollenboden spiegeln.
Altmann führt zurück zum Eingang,
nimmt langsam Stufe um Stufe, die er in
den Sandsteinboden geschlagen hat. Würde er weiter graben, wenn er noch mal
zwanzig wäre? »Na freilich!«, sagt er. Und
was? »Ideen hätte ich genug.« Ja, zum Beispiel? »Etwas kommt einem immer in den
Sinn.« Die Frage nach dem Ziel, man
braucht sie einem Höhlengräber wie ihm
nicht zu stellen.
Wer zufällig einmal in der Nähe
von Leonding bei Linz sein sollte,
kann sich den Stollen von Michael
Altmann selbst anschauen. »Er
zeigt Besuchern gern, was er dort unten
geschaffen hat«, sagt unser Autor t IN
F ISCHER . Interessierte sollten sich vorab
allerdings über das Stadtamt von Leonding
anmelden.
Süddeutsche Zeitung Magazin 43
stil leben
Ach,
was
büste
schön!
Welches Make-up würde Nofretete heute tragen?
Vier Vorschläge von Top-Visagisten,
gezeigt an Originalnachbildungen des
Ägyptischen Museums Berlin
Alex Rothe, Berlin, Make-up Artist für Giorgio Armani
»Nofretete galt als schönste Frau der Antike. Ich habe lange
überlegt, welcher Typ sie heute wäre: Marlene Dietrich, Rita
Hayworth, Sophia Loren? In der Gipsformerei der Staatlichen
Museen zu Berlin habe ich mich wegen der Farben beraten
lassen: Für eine Kopie der Originalbüste nehmen sie dort Schellack,
aber Acrylfarben und Make-up-Pigmente halten auch. Ich habe mich
für einen Eyeliner auf dem Oberlid und klassisch rote Lippen entschieden, ansonsten aber auf Farben verzichtet, damit meine Nofretete nicht
maskenhaft wirkt. Nur auf die Lider habe ich Schimmerpigmente getupft und in die dunkelblauen Wimpern Federrhomben gesetzt, um
den Blick zu öffnen. Nichts fürs wahre Leben: Sekundenkleber auf dem
unteren Lidrand, um den Glanz der Tränenflüssigkeit nachzubilden.«
Süddeutsche Zeitung Magazin 45
Fotos Seite 45, 46, 48: Peter Langer; Seite 47: Filippo Del Vita
Loni Baur, Hamburg, Make-up Artist für die Pariser Schauen von Chloé, Balenciaga und Akris
»Nofretete hatte wunderschöne, stark ausgeprägte Wangenknochen, klar geschnittene Augen, eine gerade Nase, volle
Lippen und fast symmetrische Gesichtshälften: Ihre Schönheit ist immer noch sehr aktuell. Wenn sie heute leben würde, könnte sie auf jeden Fall als Fotomodell arbeiten. Ich habe sie wegen ihrer Bedeutung aber eher wie eine Prominente behandelt und
46 Süddeutsche Zeitung Magazin
wollte kein klassisches Make-up schminken. Meine Interpretation
wirkt rau und ein wenig morbide. Ihr Ausdruck ist müde, wie nach
einer langen Fahrt nach Hause – sie ist ja auch schon sehr lange auf der
Welt. Die Perlen und Swarovski-Steine stehen für den Wert der Büste.
Ich habe tagelang bis spät in die Nacht an ihr gearbeitet und mich
sogar einmal dabei ertappt, dass ich mit ihr sprach.«
Martin Schmid, New York, Make-up Artist für Chanel
»Ich wollte der Nofretete den Look einer eleganten Frau
geben, die auf der 5th Avenue entlangspaziert. Dazu habe
ich mich auf Beige, Schwarz, Weiß und Gold konzentriert.
Die Lippen sollten nicht rot, sondern nur durch Lipgloss
betont werden, der Teint ist leicht gebräunt und frisch. Ihre orientalischen Augen sind für einen Visagisten ein Traum, weil man auf ihren
Lidern Farben sehen kann – nicht wie beim durchschnittlichen
Schlupflid, das jeden Lidstrich verschluckt. Als Grundlage habe ich
wasserfestes Airbrush-Make-up verwendet. Augen und Lippen habe
ich mit Nagellack nachgearbeitet, um einen Gloss-Effekt zu erzielen.
Beim Schminken habe ich es sehr genossen, dass die Büste still war.
Wenn die Models viel reden, lenkt mich das nur ab.«
Süddeutsche Zeitung Magazin 47
Idee/Konzept: Kerstin Greiner; Produktion: Kerstin Greiner, Tania Messner; Protokolle: Tania Messner. Dank an die Gipsformerei der Staatlichen Museen zu Berlin für die freundliche Bereitstellung der Büsten. Die Originalbüste ist im Ägyptischen Museum in Berlin zu sehen, die neu gestalteten in den Ausstellungsräumen der Gipsformerei, www.smb.spk-berlin.de/gf. Loni Baur für Armin Morbach
Michael Latus, Stuttgart, Visagist für Yves Saint Laurent
»Ich habe mir lange Fotos von der Originalbüste und ihrem
Make-up angesehen: Heute schminkt man ganz anders. Wir
versuchen das Gesicht optisch zu verjüngen, indem wir diagonal nach oben schminken – als ob man ein Dreieck mit der
Spitze nach unten auf das Gesicht legt. Bei den Farben habe ich mich
auf Violett und ein rötliches Goldbraun konzentriert, für die Lippen
ein helles Nude gewählt: ein bisschen wie Jennifer Lopez. Einmal habe
ich von Nofretete geträumt und am Ende hatte ich sogar das Gefühl,
dass ihr das Make-up gefällt: Sie spielt ja etwas zurück! Ihre Augenbrauen waren eine Herausforderung, sie sind gleichbleibend rund, nicht wie
man sie heute trägt: zwei Drittel ansteigend und ein Drittel abfallend.
Ich habe sie höher gesetzt, um ihren majestätischen Ausdruck zu verstärken. Ungewohnt war, dass die Büste zwar stillhält, man aber nicht
an ihrer Haut ziehen und reiben kann wie bei einer lebenden Person.«
48 Süddeutsche Zeitung Magazin
Olafur Eliasson, Wirbelwerk, 2012 Studio Olafur Eliasson © 2012 Olafur Eliasson
kosmos
hotel europa
Fahrrad
»Fahrradstop« – Aken, Sachsen-Anhalt
Vorreiter: Eine
Aktivisten-Be­
wegung in Ams­
terdam forderte
schon 1969
öffentliche Räder
für alle. Eines
schenkten sie
John & Yoko
bei ihrem Bed-in.
So idyllisch kann die Einöde
eines Radfahrerhotels sein,
und dabei auch für Autofahrer
günstig gelegen: in Nähe der
Autobahn von und nach Berlin.
Sieht auch ohne Rad
sehr dekorativ aus: Fahrradhalter »Trophy: Deer« von
outlineworksltd.com
FahrradStop B & B Aken, Calber
Landstraße 88 a, 06385 Aken,
Tel. 0178/851 63 60, www.fahrradstop.de, DZ 50 Euro, Einzelbelegung 25 Euro inkl. Frühstück.
Der Grafiker Juri Zaech hat
sich »Write a bike« ausgedacht. Jetzt fehlt nur noch
ein Hersteller, der diese
wunderbare Idee umsetzt.
Wer nicht warten will,
kann bei society6.com
Pos­ter der Räder kaufen.
Thomas von Ledersteger hat sein Studium in New York als Fahrradkurier finanziert. Wann immer er in der Daimler-Benz-Holding etwas
abgab, lud ihn der Chef zum Kaffee ein, der war froh, mal Deutsch
sprechen zu dürfen. Dreißig Jahre später meldete sich der DaimlerChef wieder bei Ledersteger, der inzwischen Fondsmanager in der
Schweiz geworden war. Der alte Bekannte fragte Ledersteger, ob er
nicht ein verfallenes Gut in Sachsen-Anhalt geschenkt haben wolle?
Der Bekannte hatte es selbst geerbt, wollte aber nicht zurück nach
Deutschland. Ledersteger nahm das Geschenk an, steckte etwas Geld
Schickes
Sicher­heitsnetz
zum Überziehen:
floureszierende
»Lightning Vest«
von dargelos.cc
in die Gebäude aus der Gründerzeit und eröffnete, da er immer noch
gerne Fahrrad fährt, auf dem Gut 130 Kilometer vor Berlin eine
kleine Pension mit vorerst vier einfachen, günstigen Zimmern für
Fahrradfahrer. Evelin heißt die gute Seele des Hauses, sie kocht wunderbare Wildgerichte, wenn man vorher anruft. Auf den umliegenden Weihern kann man abends Ruderboot fahren, mit Kerze und
Sekt, alles über Evelin zu bekommen. Autofahrer sind natürlich auch
willkommen. Eine gute Adresse an der A 9 kann auch für die sehr
praktisch sein.
LARS REICHARDT
FÜR ALLE, DIE WISSEN, DASS EIN „UNSICHTBARES SOUNDSYSTEM“
NICHTS MIT ZAUBEREI ZU TUN HAT.
BOSE Video Wave II 55"
Entertainment System
»Die meisten Kids ließen ihr Rad nachts im Hof.
Ich nicht. Ich nahm meins mit rein. In der
ersten Nacht ließ ich es sogar in mein Bett «
John lennon
Es lebe die Einfachheit! Das einzigartige VideoWave® von BOSE vereint
brillantes HD-Fernsehen mit einem kompletten Soundsystem in einem
Gerät – für ein Seh- & Klangerlebnis wie im Kino, aber ohne sichtbare
Legt sich geschmeidig um den Gepäck­
träger. Oder zusammengerollt um den
Lenker: Fahrradtasche »The Market
Bag» über linusbags.co.uk
Lautsprecher und Kabel! Das Geheimnis liegt in der exklusiven PhaseGuide™ Technologie, die zusammen mit dem siebenteiligen Speaker
Array beeindruckende Kino-Effekte erzeugt - mit kraftvollen Bässen und
einer ungeahnt räumlichen Wiedergabe. Die ADAPTiQ® Technologie passt
Die Antwort auf
die Frage, ob
es auch elegante
Fahrradschlösser gibt:
»Jon Lock« aus
Hanfseil, Stahl­
kabel und Leder,
von dalman
supply.com
Der Bildband Cinelli: The Art and Design of
the Bicyle erzählt die Geschichte eines
Rennrad-Herstellers, den nichts aus der Bahn
werfen konnte (Verlag Rizzoli).
Dieses schön illustrierte Notizbuch ist für
Schreiber, die einen Gang runterschalten
wollen: Bicycle Travel Journal von Nigel Peake
(Laurence King Publishing).
Mitarbeit: Julia Christian. Fotos: Corbis (1), Blickwinkel (1)
dabei
die
Klangwiedergabe
an
die
akustischen
Verhältnisse
in
Ihrem Wohnraum an. Und die innovative Clickpad Fernbedienung macht
eine
bequeme
&
intuitive
Bedienung
des
Fernsehers
und
aller
angeschlossenen Zuspielgeräte möglich. Überzeugen Sie sich selbst –
jetzt exklusiv bei uns mit 30 Tage Geld-zurück-Garantie!
Erhältlich für Euro
SATURN THERESIENHÖHE
Besuchen Sie doch mal unser beeindruckendes, Saturn-weit einzigartiges BOSE-Kino & lassen Sie sich begeistern!
Größter Elektrofachmarkt Süddeutschlands! Saturn Electro-Handelsgesellschaft mbH München / Theresienhöhe / Schwanthalerstraße 115 / 80339 München
6499,BOSE SHOP
»als wäre es das
letzte geheimnis
zwischen den
Menschen«
Warum küssen wir uns eigentlich?
Der Philosoph Alexandre Lacroix
über die Faszination einer Geste, die
biologisch keinen Sinn ergibt
intervie w: gabriel a herpell
foto: Nico Krijno
Süddeutsche Zeitung Magazin 53
»Der Kuss wird vor allem dann
einem verweigert wird –, was
gen, aber es war keine Geste der
Zuneigung. Man küsste sich
nicht, wenn man heiratete, sondern im Bett. Es war eine Sexualpraktik, die manche anwandten,
andere nicht.
so viel Wert auf das Küssen gelegt. Meine Frau schon. Sie warf
mir vor, gefühllos zu sein. Aber
das war es nicht. Für sie schien
das Küssen eine Art Liebesbarometer zu sein. Da habe ich mich
gefragt, warum ich das Küssen
nicht so wichtig fand.
Eigentlich nicht. Sie küssen sich
dort auch nicht innerhalb von
Familien. In den nördlichen Ländern wie Sibirien und Lappland
wieder hat man sich mit dem
Riechkuss begrüßt: Man legt seine Nase auf die Wange des anderen und atmet tief ein.
Und?
Und überprüft, ob man sich gut
riechen kann?
Ich habe einsehen müssen, dass
es der Anfang vom Ende einer
Beziehung ist, wenn man das
Küssen vergisst.
Hat Sie das überrascht?
Ein bisschen schon. Noch mehr
allerdings hat mich etwas anderes überrascht: Ich dachte, wie
vielleicht die meisten Menschen,
dass Küssen etwas Zeitloses und
Universelles sei. Und dass die
Menschen, die sich lieben, sich
seit jeher auf den Mund küssen.
Aber der Kuss als Zeichen der
Liebe ist erst mit den großen
Liebesfilmen wie Vom Winde
verweht um die Welt gegangen,
also ungefähr vor siebzig Jahren. Er hat sich ähnlich schnell
verbreitet wie die Pizza, die heute auch auf der ganzen Welt gegessen wird.
Wie war es vorher?
Da gab es große regionale Unterschiede. In den meisten afrikanischen Staaten waren die Menschen schockiert und angeekelt,
wenn sie Weiße sahen, die sich
auf den Mund küssten. In den
großen Städten kann man sich
dort mittlerweile küssen, aber
auf dem Land kommt es so gut
wie überhaupt nicht vor. In der
Geschichte Asiens lässt sich das
Küssen sehr weit zurückverfol54 Süddeutsche Zeitung Magazin
Ist das heute anders?
Das ist Ihre Interpretation! Ich
wäre da vorsichtig. Wir haben
die Tendenz, die Sitten anderer
nach unserem Weltverständnis
auszulegen.
Bleiben wir also bei den Fakten.
Die Franzosen sollen Weltrekordler sein im Küssen. Korrekt?
Wenn man den Studien glaubt,
küsst sich ein Paar in Frankreich
und in Italien ungefähr siebenmal am Tag, in China und Japan
nur einmal alle zwei Tage. Darunter fallen bei uns natürlich
auch der Gutenmorgenkuss und
der Gutenachtkuss. Also wieder die Küsse, die Zuneigung
bedeuten.
Woher kommt diese Koppelung
vom Kuss an die Zuneigung bei
uns?
Der Kuss war in allen monotheistischen Zivilisationen die Ges­
te, die Gefühle am stärksten ausdrückte. Bei den Römern gab es
noch drei Worte für den Kuss:
Der Kuss innerhalb von Familien, der die Verbundenheit ausdrückte, hieß Basium. Das Osculum ist ein ähnlich unschuldiger
Kuss: ein Zeichen der Anerkennung unter Gleichgesinnten. Das
Suavium war der Kuss der Liebenden. Aber im alten Rom
spielten vor allem das Osculum
und das Basium eine große Rolle.
Warum nicht das Suavium?
Es ging um Respekt: Der andere
ist mein Alter Ego, er befindet
sich mit mir auf Augenhöhe,
denn er ist Teil meiner Familie
oder meiner sozialen Klasse. Es
wäre also niemals vorgekommen, dass ein römischer Bürger
eine Prostituierte oder einen
Sklaven auf den Mund geküsst
hätte. Und ich glaube, dass uns
davon einiges geblieben ist.
Heute verweigern die Prostituierten ihren Kunden den Kuss.
Das ist die typische Gegenreaktion. So wie die schwarzen Rapper
sich selbst Nigger nennen. Ich
meinte, uns ist geblieben, dass
man den, den man küsst, achten
muss. Die Katholiken haben sich
bis ins 13. Jahrhundert hinein
auf den Mund geküsst, die orthodoxen Christen tun das bis heute.
Warum haben die Katholiken damit aufgehört?
Man geht davon aus, dass da
Einiges aus dem Ruder lief und
Papst Innozenz III. den Kuss
verboten hat. Auch wenn die
Christen nicht mehr küssen
durften, hatten sie dem Kuss bereits eine weitere Dimension
hinzugefügt: Man ist nicht nur
auf Augenhöhe, sondern auch
durch etwas Höheres, den Glauben, verbunden. Bei einem Paar
ist es ähnlich: Die Liebe zwischen zwei Menschen ist größer
als sie selbst.
Finden wir es darum schwieriger,
jemanden zu küssen, den wir
nicht lieben, als mit ihm oder ihr
Sex zu haben?
Natürlich. Wir sagen, dass der
Kuss intimer ist als Sex. Das ist ja
absoluter Blödsinn. Sex ist viel
intimer. Aber beim Geschlechtsakt geht es nicht darum, einander ebenbürtig zu sein, eher im
Gegenteil. Und niemand kommt
dabei auf die Idee, dass einen
etwas Höheres, Göttliches verbindet.
nen sich die Schauspieler echt
mit der Zunge küssten. Unvergesslich, wie Ingrid Bergman
Humphrey Bogart in Casablanca
bittet, sie zu küssen: als wäre es
das letzte Mal.
Wenn man einmal aufgehört hat,
jemanden zu lieben, fühlt es
sich besonders falsch an, ihn zu
küssen.
Welche Bedeutung hat der Filmkuss jetzt?
Vielleicht, weil man sich wie ein
Verräter vorkommt. Übrigens:
Beim Kuss – und das ist fast modern – dominiert keiner den anderen. Nicht der Mann die Frau
oder umgekehrt.
Kommt das nicht ein bisschen
darauf an? Im Film Vom Winde
verweht zwingt Clark Gable Vivien
Leigh in seine starken Arme und
küsst sie. Dann mag sie es, natürlich.
Alexandre
Lacroix
P h i lo s o p h
Clark Gable bemächtigt sich ihrer, stimmt. Aber denken Sie an
Burt Lancaster und Deborah
Kerr in Verdammt in alle Ewigkeit:
Sie verführt ihn. Oder Greta Garbo in Die Kameliendame: Sie bedeckt das Gesicht ihres Partners
mit Küssen.
Wie erklären Sie sich eigentlich
die bahnbrechende Wirkung des
Filmkusses?
Der Kuss war im Hollywoodfilm
der Vierziger- und Fünfzigerjahre
gleichbedeutend mit der Liebe
in all ihren Dimensionen, denn
mehr Erotik durften amerikanische Regisseure nach dem Hays
Code, einer Art Selbstzensur der
großen Studios, nicht zeigen. Es
hatte viel Ärger gegeben um Orgien, Affären und die Freizügigkeit in der Ära des Stummfilms.
Der Hays Code verbot, den Ehebruch positiv darzustellen, außerdem zweideutige Tänze, sich entkleidende Schauspieler, Bett- und
Schlafzimmerszenen. Es gab nur
noch den Kuss – und auch der
war ja nicht echt. Allerdings sah
er sagenhaft gut aus. Viel besser
als die späteren Filmküsse, in de-
Foto: Arnaud Février / Éditions Flammarion
SZ-Magazin: Monsieur Lacroix,
Sie haben sich mit dem Küssen
so intensiv auseinandergesetzt,
weil Ihre Frau sich beklagt hat:
Sie haben sie zu selten geküsst.
Was ist denn in Ihrer Ehe los?
Alexandre Lacroix: Ich habe nicht
wichtig, wenn er
sehr kränkend sein kann«
Geboren 1975. Nach dem
Studium der Wirtschafts­
wissenschaften und Philo­
sophie arbeitete er kurze
Zeit für eine Werbeagen­
tur in Paris. Dann machte
er einen radikalen
Schnitt, zog in ein Dorf
im Burgund und schrieb
ununterbrochen: Romane,
Essays und andere Zei­
tungstexte. 2006 gründete
er das »Philosophie Maga­
zine«, das er seitdem als
Chefredakteur leitet. Da­
für kehrte er nach Paris
zurück. Lacroix ist mit ei­
ner Italienerin verheiratet
und hat drei Kinder. Sein
Buch »Kleiner Versuch
über das Küssen« erschien
2011 in Frankreich und
jetzt bei Matthes & Seitz
auch auf Deutsch.
An James Bond kann man die
Entwicklung gut erkennen: In
Dr. No von 1962 zittern die Lider
und die Lippen der Frau, als Sean
Connery sie küsst. Musik, starke
Szene, Schnitt, den Sex muss man
sich denken. In Stirb an einem
anderen Tag aus dem Jahr 2002
schlafen Halle Berry und Pierce
Brosnan miteinander, dabei küssen sie sich von Zeit und Zeit.
Der Kuss hat kaum mehr Bedeutung, die Szene dient eher dazu,
dass alle mal Pause machen können, bevor die Action weitergeht,
die viel wichtiger ist als die Erotik. Man kann eigentlich mittlerweile aufs Klo gehen, wenn zwei
sich im Film küssen.
Und die vier Techniken?
Die meisten jungen Leute empfehlen sich gegenseitig das, was
ich die Waschmaschinentrommel-Technik nenne: Die Zungen
kreisen ständig und mechanisch
umeinander. Etwas elaborierter
ist die Pinsel-Technik, bei der die
Zungen sich weniger erwartbar
verhalten, sondern herumtanzen, hier und da aufeinandertreffen. Bei der Endoskop-Technik untersucht der eine den
Mund des anderen richtiggehend. Und die vierte Technik ist
schon fast Sex: Der eine penetriert den Mund des anderen mit
der Zunge. Weil es keine Bücher
gibt darüber, keine Anleitungen,
suchen sich die Jugendlichen im
Netz Rat.
Haben Sie denn auch herausgefunden, warum Männer eigentlich
das Küssen unwichtiger finden
als Frauen?
Ich mag diese Beschwörungen
der Unterschiede zwischen Männern und Frauen nicht. Ich glaube vor allem, dass der Kuss dann
wichtig wird, wenn er einem verweigert wird – was sehr kränkend sein kann. Und vielleicht
ist was dran, dass Männer den
Kuss peinlicher oder schwieriger
finden als Frauen. Weil sie ihn als
etwas Feminines betrachten. So
jedenfalls sieht es Freud.
Sie wirken aber skeptisch.
Ist der Kuss banal geworden?
Ich hoffe nicht. Aber jeder kann
Pornos auf seinem Handy gucken. In der Pornografie geht es
immer um Härte, Aggression,
Tempo, in der Erotik um Langsamkeit, um das Auskosten,
dafür ist vielleicht gerade keine
Zeit. Im letzten James Bond,
Skyfall, gibt es jedenfalls keine
romantische Kussszene mehr.
Das hat mich schon bestürzt.
Für Jugendliche geht das Liebesleben aber nach wie vor mit dem
Küssen los, oder?
Zumindest tauschen sie sich rege
im Internet über Kusstechniken
aus. In diesen »How to kiss«-Videos
bin ich auf vier Kussarten aufmerksam geworden. Und auf die
absoluten No-Gos natürlich auch.
Was geht gar nicht?
Sabbern. Und die Zähne dürfen
nicht aufeinanderschlagen.
Georg Ringsgwandl
Erstes Deutsches Zwangsensemble
Martina Schwarzmann
Mike Supancic
Schertenlaib Jegerlehner
3. und 4. Mai 2013
20.00 Uhr
live auf Bayern 2
>>
ANZEIGE
»Küssen ist zutiefst freiwillig. Der reine Liebesbeweis.
Es gibt dafür keinerlei biologische Notwendigkeit«
Ich denke, dass es eine größere
Bandbreite im Verhalten von
Männern und Frauen gibt als in
Freuds Vorstellung. Für ihn geht
ja jedes orale Bedürfnis auf die
Erfahrung des Säuglings zurück,
der an der Mutterbrust genährt
wird. Danach sucht man sich Ersatz, erst den Daumen, dann den
Mund des anderen. Und für die
Frau ist es nicht weiter problematisch, sich über das Küssen
einen Ersatz für die Mutterbrust
zu suchen, für den Mann allerdings sehr, denn ihm ist die Verbindung zum Körper der Mutter
verboten. Und so kommt er in
seiner Lust oder Begierde vollkommen durcheinander. Das
kostet ihn, im Extremfall, seine
Männlichkeit.
Helen Fisher, eine amerikanische
Evolutionsbiologin, sagt: Männer
möchten mit dem Kuss die Lust
der Frau entfachen, Frauen die
Männer auf ihre Tauglichkeit tes­
ten.
Ich glaube nicht, dass es für den
Kuss verhaltensbiologische Erklärungen gibt. Dann würde ja
die ganze Menschheit küssen.
Tut sie aber nicht. Bis 1950 hat
nur der Okzident geküsst. Ich
halte meine kulturgeschichtlichen Erklärungen für viel einleuchtender als den Austausch
von Pheromonen.
Es ist unmöglich zu sprechen,
wenn man küsst. Könnte das
nicht ein Grund für die Männer
sein, dem Küssen mehr abzugewinnen?
Wieder so ein Klischee. Und wieder finde ich einen anderen Aspekt interessant daran: Im Unterschied zum Geschlechtsakt, wo
man ja stöhnt und spricht und
schreit, ist der Moment, in dem
man sich küsst, still. Viele schließen die Augen, konzentrieren
sich. Und so wenig, wie man
56 Süddeutsche Zeitung Magazin
während des Küssens redet, redet
man auch darüber. Als gäbe es
ein vereinbartes Stillschweigen
über das Küssen. Man findet regalweise Bücher über Sexualpraktiken, Pornografie, Fetischismus, Sadomasochismus – und
fast nichts über das Küssen. Als
wäre das Küssen das letzte Geheimnis zwischen den Menschen
Rolle. Im Werther gibt es noch
keine Kussszene, und auch in
Kierkegaards Tagebuch des Ver­
führers wird die Beschreibung
des Kusses vermieden. Aber bei
Stendhal wird geküsst, bei Rousseau, Flaubert. In Frankreich hat
der Kuss die Kunst angeregt, von
Rodin bis hin zum berühmten
Kussbild von Robert Doisneau.
Gibt es, neben Papst Innozenz III.,
berühmte Kussgegner oder Kussskeptiker?
Und heute?
Voltaire! Er hielt das Küssen für
eine theatralische, gekünstelte,
verlogene Geste der Aristokraten.
Das hat ihn abgestoßen. Aber
Voltaire war auch, wenn ich das
mal so sagen darf, quasi asexuell.
Sein Liebesleben nicht existent.
Rousseau hingegen sah im Kuss
eine romantische, authentische
Geste – und sein Kuss-Verständnis hat uns, zumindest die Franzosen, nachhaltig geprägt. Sein
Briefroman Julie oder die neue
­Héloïse, ein Plädoyer für die
­Liebesehe, war der Bestseller des
18. Jahrhunderts in ganz Europa.
Auch in Deutschland?
Absolut. Goethe hat ihn natürlich gelesen und verinnerlicht.
13 Jahre später bezieht er sich
in Die Leiden des jungen Werthers
ganz offensichtlich auf Rousseaus Héloïse. Die wichtigste Szene darin ist eine Kussszene in der
Natur, mitten im Wald. Heute
finden wir das vielleicht kitschig,
aber das hat es vorher noch nicht
gegeben. Diese Szene hat den romantischen Kuss, so wie wir ihn
verstehen, erfunden: die Manifes­
tation eines durch und durch
ehrlichen Gefühls.
Haben Sie sich auf die französische Literatur konzentriert, weil
Sie Franzose sind?
Nein. In der französischen Literatur spielt der Kuss nur zum
ersten Mal eine solch wichtige
Ist es nicht mehr so. Jede Kunstform hat sich nur phasenweise
dem Kuss gewidmet, die italienische Dichtung in der Renaissance zum Beispiel, um das 16.
Jahrhundert herum, und der
französische Roman im 18. Jahrhundert. Um 1900 herum malte
Gustav Klimt sein fast berühmtestes Bild, Der Kuss, um
dieselbe Zeit entstand auch Edvard Munchs Der Kuss. In den
Zwangziger- und Dreißigerjahren machte der Kuss im Kino
Karriere. Der Kuss ist ja eine Ges­
te von ganz eigener Schönheit
und Ästhetik.
Welche ist Ihre Lieblingskussszene in der Literatur?
Vielleicht die von Martin Amis
in Das Rachel-Tagebuch. Der ganz
junge Martin Amis beschreibt,
wie sich Jugendliche ausgiebig
küssen – und all ihre Ängste dabei. Und ich bin ein großer Fan
der Gedichte von Johannes Secundus, einem unglaublich gut
aussehenden, unglaublich begabten und viel zu unbekannten
Flamen, der im 16. Jahrhundert
lebte und in lateinischer Sprache
Oden an den Kuss schrieb. Die
Frau, die er anhimmelte, war
ihm eher überlegen als unterlegen, sie war kapriziös, stark, temperamentvoll. Das war und ist
sehr modern. Er ist nur 24 Jahre
alt geworden. Aber er hat viele
französische Dichter der Klassik
und Romantik stark beeinflusst.
Die Erlebnismesse für exzellente Unterhaltungselektronik
10.–12. Mai 2013; MOC München
Würden Sie sich jetzt, nach so
eingehender Beschäftigung mit
dem Thema, als Sympathisant
des Kusses bezeichnen?
Ich habe tatsächlich eine andere
Perspektive auf das Küssen gewonnen. Weil es zutiefst freiwillig ist, der reine Liebesbeweis. Es
gibt für den Kuss überhaupt keine biologische Notwendigkeit.
Äußerlich würde sich am Leben
eines Paares nichts ändern, wenn
es sich nicht küssen würde. Aber
der Kuss ist das Erste, was wegfällt, wenn die Beziehung den
Bach runtergeht. Als das Buch
erschien, wurde ich zu einem
Sexologen-Kongress eingeladen
und habe erfahren: Wenn ein
Paar mit Problemen zu einem
Sexologen kommt, fragt er als
Erstes, wie oft und wie innig sie
sich küssen. Es gibt zwar keine
Studie oder Erhebung darüber,
dennoch sind sich die Therapeuten einig, dass das Kussverhalten eines Paares widerspiegelt,
in welchem Zustand sich die Beziehung befindet.
War das Buch eine Therapie für
Sie selbst?
Natürlich. Auch weil ich festgestellt habe, dass es die ersten
Küsse der eigenen Liebesgeschichten sind, an die man sich
ein Leben lang erinnert. In der
Jugend ist der Kuss oft ein Hinhaltemanöver, um alles weitere
hinauszuzögern. Später ist es genau umgekehrt: Wenn man es
schafft, eine Frau zu küssen, und
zwar richtig zu küssen, weiß
man: Jetzt wird’s ernst.
gabriela Herpell
hat schreckliche Erinnerungen an ihre ersten
Filmküsse – weil sie mit
ihren Eltern auf dem Sofa saß, die
betreten guckten oder irgendwas
sagten, um abzulenken. Und weil
die Küsse wirklich schier endlos
waren.
Klangvielfalt
erleben –
auf der
HigH end Messe
in MüncHen
Für die Schallplatten, die hinter Glas aufbewahrt
werden, für die Songs, die man in Endlosschleife
die ganze Nacht hört, und für die Alben, ohne die
man nicht leben könnte – für diese Musik gibt es
auf der HIGH END Messe das richtige Equipment.
Zum 32. Mal treffen sich Händler, Hersteller und
Kunden aus aller Welt, um sich über aktuelle
Trends in der Produktentwicklung auszutauschen und neue Standards in der Unterhaltungselektronik zu setzen. Die internationale
Fachmesse HIGH END ist eines der weltweit
wichtigsten Schaufenster der Unterhaltungselektronik: Airplay-Lautsprecher, Netzwerkplayer und Streamer sind nur ein kleiner Teil des
umfassenden Angebotes. Dabei sind die beeindruckenden, zentnerschweren Plattenspieler
aus Glas und Metall bloss einer der Hingucker.
Luxus für Auge und Ohr. Auf der Messe wird ein
einziges Ziel verfolgt: optimale Audio- und Multimedialösungen anzubieten, egal ob für analoges
oder digitales Abspielen.
Außerdem gibt es ein Tonträgerdorf, in dem Vinylliebhaber ihre Kollektionen um viele Raritäten
und Sammlerstücke erweitern können. Auf den
20 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche treffen so Vergangenheit und Zukunft aufeinander.
Die HIGH END Messe steht für exklusive und
hochwertige Ware, bietet aber auch Produkte
zum kleinen Preis. Darum ist die Veranstaltung
besonders für Hi-Fi-Neulinge der ideale Einstieg
in die Welt der Unterhaltungselektronik. Dabei
genügen alle Produkte höchsten Qualitätsstandards, die HIGH END bietet ausschließlich erstklassige Hi-Fi-Produkte für alle Ansprüche, egal
ob teuer oder preiswert.
Dieses akustische Gourmettreffen ist auch gleichzeitig eine Plattform für Geschäftsleute. Es finden
zahlreiche Vorträge und Workshops statt, und
Neuheiten werden ausführlich vorgestellt. Auch
in diesem Jahr wird Livemusik gespielt, zwei mobile Bands mischen sich dafür unter den Besucherstrom. Die HIGH END Messe ist die perfekte
Möglichkeit, dem stressigen und hektischen Alltag zu entfliehen.
www.highendsociety.de
Kochquartett
Maria luisa scolastra
Frühjahrs-Gemüsesuppe
Die »scafata«, eine Bauernsuppe mit jungen Bohnen und Artischocken, erinnert mich an meine Kindheit. Ich sehe mich als kleines Mädchen auf einem Traktor mit Anhänger, am Steuer mein
Großvater Enrico. Wir fuhren zu unseren Feldern mit Bohnenstauden, Artischocken und Klatschmohn – wie ein Gemälde aus
dem 17. Jahrhundert. Die ganze Familie half bei der Ernte, zu
Hause kochten wir dann diese einfache Suppe. Das Rezept wurde
in unserer Familie von Generation zu Generation weitergegeben.
Meine Mutter Sandra und ich haben allerdings die Kochzeit verkürzt und so Farbe und Geschmack verstärkt.
maria luisa Scolastra
kocht in ihrem Restaurant »Villa
Roncalli« in Foligno nahe Perugia,
Umbrien. Ihr Kochbuch Maria Luisa
kann nicht anders ist im Becker
Joest Volk Verlag erschienen. Sie
schreibt ab sofort neben Anna
Schwarzmann, Christian Jürgens
und Tim Raue für das Kochquartett.
Ausgewählt von Markus
Del Monego, SommelierWeltmeister (1998)
„Für diese Weine hat sich das Warten
auf den Frühling gelohnt.“
Frühjahrs-Gemüsesuppe
mit jungen Bohnen und
Artischocken
(4 Personen)
1 kg
8
80 g
1
6
1
1
½ l
50 g
1
50 g
4
junge Bohnen
Artischocken
Frühlingszwiebeln
Knolle junger grüner Knoblauch
EL Olivenöl extra vergine
Zweig Majoran
Salz und Pfeffer
mittelgroße Kartoffel
Gemüsebouillon
frische Tomaten
Zweig Thymian
Parmesan und milder Pecorino, gehobelt
Scheiben Weißbrot
Bohnen aus den Schoten brechen und
Bohnenhäutchen entfernen. Die 4 bis 5
äußeren, harten Blätterschichten der
Artischocken entfernen, das harte obere
Drittel mit einem scharfen Messer abtrennen und den Stängel herausbrechen.
Den zarten Rest in kleine Stücke schneiden. In einem Topf klein gehackte Frühlingszwiebeln und Knoblauch in Olivenöl andünsten, Artischockenstücke und
Majoran zugeben, salzen und pfeffern.
Nach etwa 5 Minuten Bohnen und die
klein gewürfelte rohe Kartoffel dazugeben. Gemüsebouillon zugießen und
15 Minuten köcheln lassen. Gegen Ende
die frische Tomate in Würfelchen und
den Thymian zugeben, abschmecken.
Suppe in Schalen füllen, je einen Schuss
Olivenöl darauf geben, mit Käse bestreuen und mit knusprig getoastetem
Weißbrot servieren.
Nächste Woche: Wasabi Prawns von Tim Raue.
58 Süddeutsche Zeitung Magazin
k
Vinothe
n
e
entdeck
Foodfoto: Reinhard Hunger; Styling: Volker Hobl; Porträt: Frank Bauer
25 %
be r
g e g e nü
sparen elpreis.
z
dem Ein
Stellen Sie Ihre Uhren auf Frühlingsgenuss: Mit frischen, fruchtigen Weinen geraten dunkle Winterabende endgültig in
Vergessenheit. Die Frühjahrsedition der Süddeutsche Zeitung Vinothek lässt Ihre Sinne neu aufblühen. Ob beim leichten
Spargelgericht zu zweit oder zum Grillstart mit Freunden – dieser Frühling wird ein Hochgenuss.
Für nur 49,75 € (11,06 €/Liter) erhalten Sie sechs köstliche Weine und sparen 25 % gegenüber dem Einzelkauf.
Ihre Favoriten können Sie natürlich jederzeit nachbestellen. Jetzt bestellen unter 089/2183-1830 oder unter
www.sz-vinothek.de
Bestellen Sie jetzt das Degustations-Abo der SZ Vinothek. Viermal jährlich
erhalten Sie die aktuelle Weinedition mit je sechs exklusiv ausgewählten
Winzerweinen aus aller Welt. Alle Informationen zum Degustations-Abo unter
www.sz-vinothek.de/genussabo
cus
Folge 268: Koch- und Backgeräte
1
Vorgestellt von Michael Merz,
seit 2009 Mitarbeiter im Bereich
Elektro-Haushaltsgeräte bei Saturn
auf der Theresienhöhe, München.
2
3
4
das kreuz mit den worten
5
6
12
13
14
15
17
18
24
7
19
20
25
21
34
26
31
32
36
38
41
3
4
Wenn Ihnen die schonende Zubereitung Ihrer
Zutaten am Herzen liegt, werden Sie die Neff
Mega CM 6770 N Backofen-Mikrowellen-Kombination lieben. Ihre InnoWave-Technologie
steuert die Energieabgabe automatisch. Damit
werden Lebensmittel auch bei niedrigen Temperaturen schneller und gleichmäßiger gegart.
Mit seinem 74 Liter fassenden Ofeninnenraum
und seinem Induktionskochfeld ist der AEG
EPMX 535731 Einbauherd ideal für alle, die ganze
Gourmand-Gruppen bekochen wollen. Er ist
schnell, leistungsstark und variabel: Die Kochzonen
passen sich automatisch an Größe und Form der
verwendeten Pfannen und Töpfe an.
Zugegeben, leckerer Kochduft in Küche und
Esszimmer steigert die Vorfreude, aber Frischluft nach
dem Essen ist auch nicht zu verachten. Die Neff
D 99 L 20 N0 Dunstabzugshaube sorgt mit ihrer
großflächigen Intervalllüftung im Nu für bestes
Raumklima, und ihr Licht lässt sich nach dem
Kochen gemütlich herunterdimmen.
Schwanthalerstr. 115,
München
39
42
45
2
29
33
35
37
10
22
28
30
Spaghettiabende mit Chianti waren gestern –
heute erfreut man Gäste mit perfekten Dinners.
Der große Neff Mega SHC 4674 N Backofen
erlaubt das gleichzeitige Garen von Menüzutaten
auf drei Ebenen und garantiert für Braten mit
perfektem Saft/Knusper-Verhältnis dank automatischer Feuchtigkeitsregulierung.
9
16
27
1
8
Der Brandt da, wo
Willy König
Rüber 1 Daher kennt man
Politik ohne Angela 12 Im
Jägerlatein das Gewitter?
Ideal für Vebohrte 14 Tipische Wiesnattraktionen
für Heringsschwärmer
15 Milkuh ist die Blume, die
wie Faust aufs Auge passte
16 Verpasst Französin
Schein: Mit Er vermählen,
um Angela-Frau im Lande
zu werden 17 Klettergartenart 22 Die Party isst am liebsten S?k 24 Wie hätte man’s
denn wissen sollen! 25 Wer
kriegt denn schon noch Post
außer vom Finanzamt?
27 Da kam Obama klein
raus: Zentrale von – schwitz
– bierfreier Zone 28 George
Klooney bringt alles für den
Kaffee mit 30 Gegenteile
von Messeneuheiten 32 Putin stets zu Dienst (auch
wenn inzwischen unter
Decknamen) 33 Der Brandt
da, wo Willy König
34 Shooter-Star 35 Schreckensruf der Fortlebenden:
Frisurensammler! 37 Fortpflanzungsmethode von
Gerüchten oder Legenden-
40
43
44
46
bildungsweg 40 Wo French
Fries Triomphe feiert: Lumière la plus distante
41 Der Sozialistische Untergrund? Obamas Air Force
verschrottet und recycled
42 Frisierhandwerk 44 La
Veza für, ja, Kolumbier!
45 Kriegt neuen Namen,
wenn sie sich ewig bindet
46 Die Steuer, die Arme
können – und tut’s doch nie
Runter 1 Nymphomanin
mit Statistikfimmel oder geschichtliche Persönlichkeit
2 Kann das auch laufen?
3 Treffen sich zwei beim
Sex: Fangen Sonne auf &
Terror an 4 Dramabit: Spielbergs Workorder auch ohne
31 im Singular 5 Geschlossen mit Riesenveranstaltung
6 L’œil du … = flic: Als pe
Spur, als re Schlösserlage
7 Nein, nicht Bayerns Frankenfranke, sondern Meinhof-Komplexauslöser 8 Verein der Clubs der Kerle, die
die meisten Körbe kriegen
9 Armredend 10 Mehr
Grütze als Grips 11 Es wird
empfohlen es, ähm, wie zu
sagen? 13 Der Schriftsteller,
aus dem Ulkband zu machen wäre 18 Fiktiv klingt
sz-magazin.de
für die Geschichte
schon mal vielversprechend 19 Mona
Lisa vordergründig
das Lächeln gefrieren lassen 20 Mas23
ter of Engineerring
21 Arrogans fehlt
Rauf noch ai zur
Wachstumsschwäche 23 Steht mit
seinem ersten oder
zweiten Teil für
Energie 26 Kindercreme, deren bekannteste alle tun
von hinten 29 Die
zu werden ist nicht
schwer, Männer dagegen sehr 31 Funkt
damit belasten Aufsichtsrat und Mathenote 36 Programm der Ré­
sistance 38 Muss man eiern,
wie sie ällt 39 Reserviert
Parkplätze exklusiv für Frau­
en, mehr nicht 43 Ablage
nach Akten mit Weckdiensthabendem
gewinnen
11
Wirbelwind »Äußerst schlau, sehr charmant, perfekter Schwiegersohn«, so spricht,
ach was, schwärmt unser Kollege L. über den Weltklasse-Schlagzeuger Martin
Grubinger, den er für ein Porträt im SZ-Magazin vergangenes Jahr begleitet hat.
Und Kollegin W. erinnert sich an ein Grubinger-Konzert mit den Worten:
»Großartig, Wahnsinn.« Das klingt so, als ob man diesen Grubinger kennenlernen sollte, oder? Genau dieses Treffen verlosen wir mit »Tourismus Salzburg«
auf www.sz-magazin.de/gewinnen. Der Verlosungssieger und eine Begleitperson reisen am 25. Mai nach Salzburg. Dort bekommen Sie eine »Salzburg Card«,
mit der alle Sehenswürdigkeiten und öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos sind.
Im »Hotel am Mirabellplatz« ist für zwei Nächte ein Doppelzimmer reserviert,
von dem 1653 erbauten 4-Sterne-Boutiquehotel sind es nur wenige Gehminuten
bis zum Großen Festspielhaus, wo das Camerata-Konzert mit Grubinger stattfindet. Sie treffen ihn noch am selben Abend bei einem Empfang – Herr Grubinger
lässt ausrichten, er freue sich auf Ihre Fragen. Himmel, ist der nett.
Die Auflösung dieses Rätsels
finden Sie im nächsten Heft –
oder Sie lösen es gleich digital: In den Apps der SZ auf
dem iPad und auf allen Windows-8-Geräten können Sie
sogar sofort prüfen, ob Ihre
Antworten richtig sind.
„Unseren Geschmack hat dieser
Film voll getroffen.“
- Kino-Zeit.de
Ab 10.5. auf DVD, Blu-ray
und Video on Demand
BIRGIT MINICHMAYR
JÜRGEN VOGEL
Teilnahmeschluss ist der 8. Mai 2013. Mitarbeiter der beteiligten Firmen dürfen nicht
mitmachen. Der Rechtsweg sowie eine Barauszahlung des Gewinns sind ausgeschlossen.
Auflösung Kreuzworträtsel 17
IMPRESSUM
Rüber 1 Regenschauer 11 Ei-
erei 12 beinah 14 Stiefel
15 Ossi 16 Clan 17 Effekten
19 Harnröhre 21 so 22 Ténéré 23 sea 24 Tim 26 u. U.
27 Trester 30 Ara 31 Felge
33 IRA 34 mèr 35 Medium
37 Gabin 38 Eric 39 nötigen 40 Roth 41 GI 42 non
43 One
Runter 1 Reichtümer 2 Eisläufer 3 getarnt 4 erinnerlich 5 nee 6 Siff 7 Hel 8 Ai
9 unstet 10 Rhino 12 befestigen 13 Ase 15 Okra 17 Er­
regung 18 ehe 20 Öse 21 Sirenen 25 Marone 28 Erato
29 Rabin 30 Amigo 32 edit
36 moi
Chefredakteure Michael Ebert und Timm Klotzek
Artdirector Thomas Kartsolis
Chef vom Dienst Dirk Schönlebe
Textchefin Susanne Schneider
Redaktion Max Fellmann, Lara Fritzsche, Kerstin Greiner
(Stil leben), Lars Reichardt, Rainer Stadler, Johannes Waechter
Mitarbeit: Thomas Bärnthaler, Dr. Andreas Bernard,
Christoph Cadenbach, Tobias Haberl, Gabriela Herpell,
Dr. Till Krause, Wolfgang Luef, Alexandros Stefanidis,
Almut Vogel, Silke Wichert (Modeleitung)
Verlag Magazin Verlagsgesellschaft Süddeutsche Zeitung mbH,
Hultschiner Straße 8, 81677 München,
Tel. 089/21 83 95 40, Fax 089/21 83 95 70,
E-Mail: [email protected]
Anzeigen Jürgen Maukner (Gesamtanzeigenleitung),
verantwortlich für den Inhalt der Anzeigen;
Claudia Stelz (stellv.)
Tel. 089/21 83 67 6, Fax 089/21 83 93 29
Preisliste Nr. 14 – gültig ab 1.10.2012
Repro Compumedia GmbH,
Elsenheimerstraße 59, 80687 München
Herstellung Hermann Weixler (Leitung)
Autoren CUS, Dr. Dr. Rainer Erlinger, Axel Hacke,
Dr. Malte Herwig, Christian Jürgens, Tobias Kniebe,
Tim Raue, Roland Schulz, Anna Schwarzmann,
Maria Luisa Scolastra
Druck Firmengruppe APPL, PRINT.Forum,
Neulandstraße 40, 74889 Sinsheim
Grafik Birthe Steinbeck
Mitarbeit: David Henne, Anna Meyer, Daniel Schnitterbaum
Bildredaktion
Mitarbeit: Eva Fischer, Ralf Zimmermann
Assistenz Regina Burkhard (Chefredaktion),
Julia Wagner
Redaktionsmarketing Angela Kesselring (Leitung);
Mitarbeit: Babette Lorenzen
Geschäftsführer Stefan Rohr
EIN FILM VON MATTHIAS GLASNER
Kaufmännischer Bereich Marianne Igl
Online Mitarbeit: Marc Baumann
Schlussredaktion Dr. Daniela Ptok
Mitarbeit: Angelika Rauch
Illustration: Christian Lange
Saturns Liste
Verantwortlich für den redaktionellen Inhalt
Michael Ebert und Timm Klotzek, Anschrift wie Verlag
Der Verlag übernimmt für unverlangt eingesandte Unterlagen
keine Haftung.
Das Papier des Süddeutsche Zeitung Magazins wird aus chlorfrei
gebleichtem Zellstoff hergestellt.
Bei Nichterscheinen durch höhere Gewalt oder Streik kein Entschä­
digungsanspruch. Eine Verwertung der urheberrechtlich geschützten
Zeitschrift und aller in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen,
insbesondere durch Vervielfältigung oder Verbreitung, ist ohne vorherige schriftliche Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar,
soweit sich aus dem Urheberrechtsgesetz nichts anderes ergibt.
Insbesondere ist eine Einspeicherung oder Verarbeitung der auch
in elektronischer Form vertriebenen Zeitschrift in Datensystemen
ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.
Ab 26.4. auf DVD, Blu-ray
und Video on Demand
axel hacke
Wohnt doch, Wie ihr Wollt.
das beste aus aller welt
62 Süddeutsche Zeitung Magazin
Noch überzeugender als
die »essbare Stadt« findet
A x e l H a c k e die Idee
des »essbaren Büros«. Als
Hacke neulich beim Nachdenken
über ein Kolumnen-Thema gedankenverloren in die Lehne seines
Bürostuhls biss, erwies sich diese
leider als ungenießbar.
EN.
E SHOPP f
IN
L
N
O
H
C
U
JE T Z T A U T E H IG H L IG H T S A
HL
Ä
W
E
G
S
AU
de
E24.
R
A
K
www.
KARE Design GmbH Zeppelinstr. 16 D-85748 Garching
auf eine richtige Großstadt ausdehnt!
Ernährung aus den Früchten
der eigenen städtischen Scholle.
Tägliche Arbeit im Stadtgarten.
Dieses neu erblühende nachbarschaftliche Leben! Das Verbindende.
Ich habe gestern mit
Interesse gesehen, dass Sie sich
schon wieder Tomaten aus dem
Beet an der Ecke genommen
haben, Herr Müller-Mägerlein.
Aber beim Unkrauthacken sind
Sie nie anzutreffen!
Erneut haben Sie eine
lebende (!) Nacktschnecke in
die Restmülltonne (!) geworfen,
Frau Schnullmeier, wissen Sie
denn nicht, dass auch die Nackt-
Zucchini-Ernte nicht mehr zu
erwarten wäre. Wir bedauern,
diesen Hinweis unterlassen zu
haben, und entschuldigen uns.
In Deutschland ist das Konzept
der »essbaren Stadt« vor allem
in Andernach mit so großem
Erfolg umgesetzt worden, dass
Andernach bereits fast zur Gänze aufgegessen ist. Nun interessieren sich auch deutsche Metropolen für dieses Konzept.
Berlins Bewerbung beim Internationalen Komitee Essbarer
Städte ist allerdings schon gescheitert, erstens weil die Bevölkerung dort vermutlich noch
vor der für das Jahr 2135 geplanten Eröffnung der ersten
Kartoffelpflanzung verhungert
wäre, zweitens weil die Stadt
nach eingehenden Voruntersuchungen insgesamt als »nicht
zum Verzehr geeignet« bewertet
wurde. In Köln kommen seit
Jahren entsprechende Planungen nicht voran, weil immer
wieder die vom Stadtbauamt errichteten Klettervorrichtungen
für Stangenbohnen einstürzen.
In Hamburg ist die Anlage eines
Mohrrübenbeetes fürs Erste
an der ungeklärten Finanzierung in Höhe von einer Milliarde Euro gescheitert.
Dafür hat jetzt in München die
Delegiertenversammlung des
TSV 1860 beschlossen, das Trainingsgelände der ersten Mannschaft zum Spargelanbau zur
Verfügung zu stellen, um die
prekäre finanzielle Situation des
Klubs aufzubessern.
Illustration: Dirk Schmidt
In Zürich ist das Konzept der
»essbaren Stadt« beschlossen
worden, das heißt, ab dem Frühjahr 2014 werden Verkehrsinseln und Rabatten in der Nähe
von Trambahnstationen nicht
mehr mit Blumen, sondern mit
sogenannten »Nutzpflanzen«
ausgestattet: Grünkohl, Lauch,
Fenchel und so weiter. Die Bewohner Zürichs sollen sich
an diesem Gemüse jederzeit bedienen können. Sie sind aber
auch aufgefordert, die Beete
zu hegen und zu pflegen und
so ihr Gemeinschaftsgefühl
zu stärken.
Großartiger Gedanke, nicht
wahr? Dass man das Prinzip des
Schrebergartens endlich mal
schnecke ein Geschöpf des
Herrn ist und ihr Leben führen
möchte? Man sollte Sie auch
mal in die Tonne schmeißen, damit Sie spüren, wie das ist.
Und möchte ich Ihnen,
sehr geehrte Stadtverwaltung,
zur gefälligen Kenntnisnahme
die Tatsache empfehlen, dass
einerseits im Restaurant Zur
fröhlichen FrugivorIn schon wieder Porree-Wochen sind, während ich andererseits aus
meinem Fenster nun seit Wochen auf ein abgeerntetes
Porree-Rondell blicke. Wann
wird hier endlich umgegraben?
P. S.: Die Stiefmütterchen früher waren schöner.
Auch ist darauf hinzuweisen, Euer Ehren, dass die
Schwermetallbelastung im Körper meines Mandanten in den
vergangenen Jahren um mehrere hundert Prozent gestiegen ist,
seit er sich nämlich vorwiegend
aus der Verkehrsinsel am HenryMorgenthau-Platz ernährt. Da
hier trotz wiederholter schriftlicher (!) Mahnungen seitens
des Klägers nie ein Warnschild
angebracht wurde, halte ich eine
Schadensersatzforderung in
Höhe von drei Millionen Euro
für angemessen.
Warum wird an der
Ecke Fichtenweg/Zum Buchenhölzchen seit Jahren immer nur
Blumenkohl angebaut? Blumenkohl, Blumenkohl, Blumenkohl! Ich hasse Blumenkohl!
Möchte die Stadtgärtnerei die liebe Anwohner/innenschaft mit diesem Rundschreiben darauf hinweisen,
dass sich zwar in unserer letzten
Aussendung unter der Rubrik
Leckeres vom Straßenrand ein
Rezept für gefüllte ZucchiniBlüten befand, dass aber, wenn
nun alle Mitbürger/innen tatsächlich gefüllte Zucchini-Blüten äßen, eine nennenswerte
mit wohnideen die ALLes sind - Ausser GewöhnLich.
KARE live erleben:
DEsign- & WoRKhAus l Augustenstr. 10-14 l 80333 München l Tel. 089/5521 550 l [email protected] l [email protected]
LAnDhAus l Lindwurmstr. 76 l 80337 München l Tel. 089/7252 015 l [email protected]
CityhAus l Sendlinger Str. 37 l 80331 München l Tel. 089/2308 7365 l [email protected]
EChing l Heisenbergstr. 8a l 85386 Eching l Tel. 08165/9706 700 l [email protected]
REgEnsbuRg l Wahlenstrasse 17 l 93047 Regensburg l Tel. 09 41/6464 1900 l [email protected]
KARE WoRLDWiDE: AbujA • Athens • bAhrAin • bAnjA LukA • beirut • brusseLs • buchArest • budApest • cAen • cAiro • cyprus • FirenZe • GuAyAquiL • jAkArtA • jekAterinburG • kiev • kuwAit
LisboA • Lorient• LuxembourG • Lyon • mALtA • meLbourne • riyAdh • rome • sAn jose • sAo pAuLo • seouL • soFiA • spLit • thessALoniki • teL Aviv • viennA • xiAmen • ZAdAr • Zurich
EINZIGARTIG WIE IHRE LIEBE
1888 BY BUCHERER  das absolute
Glanzstück aus dem Atelier Bucherer:
Brillant allerhöchster Kategorie, ab 1 Karat,
formvollendet gefasst in edlem Platin
UHREN SCHMUCK JUWELEN
Berlin Düsseldorf Frankfurt Hamburg München Nürnberg | Basel Bern Davos Genève Interlaken Lausanne
Locarno Lugano Luzern St. Gallen St. Moritz Zermatt Zürich | Wien | Paris | bucherer.com