Praktiker ruft seine Vermieter zur Hilfe

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Praktiker ruft seine Vermieter zur Hilfe
Ein Beitrag aus der Immobilien Zeitung Nr. 14/12 vom 5.4.2012
www.immobilien-zeitung.de
BAUMÄRKTE
Praktiker ruft seine
Vermieter zur Hilfe
Der Baumarkt-Konzern Praktiker (Praktiker/Max
Bahr) braucht für seine Sanierung auch die Hilfe
seiner Vermieter. Auf rund 30 Mio. Euro sollen
diese pro Jahr verzichten. Bisher zeigen sich aber
vor allem die Eigentümer mit langen Mietverträgen
wenig entgegenkommend. Wie andere PraktikerGläubiger auch stecken die Vermieter insgesamt in
einer Zwickmühle: Kommt kein substanzieller Mietverzicht zustande, steigt die Insolvenzgefahr des
Konzerns.
Auf die 140 bis 150 Vermieter des Praktiker-Konzerns kommen ungemütliche Zeiten zu. Sie sollen insgesamt auf rund
30 Mio. Euro Miete pro Jahr verzichten. Praktiker will die
Mieten sowohl für die Praktiker-Märkte als auch für die MaxBahr-Filialen drücken. „Wir sprechen mit allen Vermietern,
deren Miete mit der Ertragskraft einer Filiale nicht proportional ist“, sagte Vorstand Josef Schultheis bei der Bilanzpressekonferenz. Er bezeichnete die Mietverträge als „wesentlichen
Knackpunkt“ bei der Sanierung von Praktiker. Vorstandschef
Thomas Fox ergänzte: „Unsere Mieten liegen zum Teil in der
Todeszone von 13%.“ Gemeint ist der Anteil der Miete am
Umsatz eines Marktes. Zu den große Vermietern zählen der
Metro-Konzern (rund 40 Märkte), der Immobilienverwerter
Hudson Advisory (35), der Fondsinitiator Hahn Immobilien
(„fünf bis zehn Märkte“ laut Hahn) und der Finanzinvestor
Moor Park (68 Max-Bahr-Standorte). Verhandlungspartner
sind auch große Eigentümervertreter wie der Asset-Manager
Estama (14 Praktiker- und Max-Bahr-Märkte für vier Eigentümer).
Schultheis bestätigte, dass Praktiker Mietreduzierungen von
bis zu 50% verlange. Er räumte ein, dass das Management bei
den Verhandlungen noch „keine großen Fortschritte“ erzielt
habe. Aus diesem Grund könne man auch noch nicht sagen,
wie viele und welche Märkte geschlossen würden (zuletzt war
die Rede von 30). Wie zu hören ist, hat sich Praktiker die
Arbeit an den Vermietern aufgeteilt: Während der Konzern
mit großen Eigentümern selbst verhandelt, wurden die
Gespräche mit kleineren Vermietern an die Münchner Firma
Greenlight delegiert, auch wenn Greenlight das dementiert
(siehe Interview auf dieser Seite „Wir werden als Mediator hinzugezogen.“) Das Beratungsunternehmen hat sich auf Nachverhandlungen von Mietverträgen spezialisiert. Zuletzt führte
greenlight dem Vernehmen nach für eine deutsche Telefongesellschaft Verhandlungen über Mietreduzierungen in mehreren Hundert Innenstadt-Filialen.
Praktiker bietet vorzeitige
Verlängerung der Mietverträge
Das Praktiker-Management konzentriert sich vor allem auf
Vermieter, deren Verträge noch ein oder zwei Jahre laufen.
Ihnen wird als Gegenleistung für Mietnachlässe eine vorzeitige Verlängerung der Verträge angeboten. Dies hätte aus Sicht
der Vermieter den Reiz, dass in absehbarer Zeit keine Kosten
für Mieterwechsel anfallen und das bei Baumärkten notorische Nachnutzungsrisiko minimiert wird. Wie von einem
Kenner des Praktiker-Portfolios zu hören ist, haben ein Drittel bis ein Viertel der Verträge kurze Laufzeiten. „Nur bei diesen Verträgen machen Verhandlungen überhaupt Sinn“, heißt
es. Vermieter, deren Verträge fünf Jahre oder länger laufen,
sehen dagegen wohl keinen Grund, auf Miete zu verzichten.
Ein Vermieter: „Wer einen Zehnjahresvertrag hat, bewegt sich
nicht, sondern nimmt lieber noch so viel Miete mit wie nur
möglich.“
Einem Asset-Manager zufolge, der mehrere Hundert Einzelhandelsimmobilien verwaltet, geht es vor allem um die Praktiker-Mietverträge. „Bei Max Bahr ist das Vorgehen nicht ganz
so aggressiv, weil der Leidensdruck nicht so groß ist.“
Das Geld der Anleihezeichner
ist wahrscheinlich futsch
Mit Bezug auf die zu erwartenden Einnahmeverluste für
Vermieter meint der Manager: „Praktiker ist ein größeres Problem als Schlecker. Wenn bei unserem Portfolio 25 SchleckerMärkte ausfallen, merkt das der Kunde gar nicht. Wenn Praktiker pleite geht, knallt es richtig.“ Über die Gespräche mit
Praktiker berichtet er: „Uns wird gesagt, andere Vermieter hätten Zugeständnisse gemacht. Frage ich diese Vermieter bei
einem Glas Bier, höre ich aber etwas ganz anderes.“ Ein anderer großer Vermietervertreter meint: „Das werden lange Verhandlungen.“
Die Immobilieneigentümer sind nicht die einzigen, die
Opfer bringen sollen. Mitarbeiter müssen auf Lohn verzichten, die Aktionäre auf Dividende und die Zeichner einer 2011
begebenen Schuldverschreibung wohl auf einen Großteil
Euro. Das Geld soll über den Kapitalmarkt, von Banken,
durch Verkäufe (z.B. der Auslandsgesellschaften) und eine
Erhöhung des Eigenkapitals zusammenkommen. Für den
Fall, dass dies nicht gelingt, heißt es im Risikobericht: „Unter
derartigen Umständen könnte es sein, dass der Vorstand eine
positive Fortführungsprognose für das Unternehmen nicht
mehr aufrechterhalten könnte.“ Wie von Vermietern zu hören
ist, wird das Wort „Insolvenz“ bei den Mietverhandlungen
aber nicht in den Mund genommen. Für 2012 prognostiziert
Praktiker erneut einen Verlust. Wegen der geplanten Filialschließungen wird eine Sonderbelastung in dreistelliger Millionen-Euro-Höhe erwartet.
ihrer Dividende. Den Anleihe-Zeichnern wird nahegelegt, der
Reduzierung des Zinssatzes von 5,875% auf 1% zuzustimmen – 10,8 Mio. Euro Entlastung würde das dem Konzern in
diesem Jahr bringen. Außerdem werden durch Marktschließungen und den Umzug der Praktiker-Zentrale vom Saarland
nach Hamburg viele Menschen ihren Job verlieren.
Grund für die Notoperationen ist die akute Krise von Praktiker. Das Unternehmen hat seit der Aufgabe der Rabattstrategie „20% auf alles“ enorm an Kundschaft verloren. Während
die Edelmarke Max Bahr ihren Umsatz 2011 immerhin noch
um 1,4% auf 694,8 Mio. Euro steigern konnte, verlor Praktiker 10% und kam nur noch auf Erlöse von rund 1,5 Mrd.
Euro (2010: rund 1,7 Mrd. Euro). Drastisch war auch das
Umsatzminus von Praktiker im Ausland – von 996 Mio. Euro
auf 894 Mio. Euro.
Weil so viele Kunden wegblieben, lief 2011 ein Konzernverlust von 554,7 Mio. Euro (2010: -33,6 Mio. Euro) auf.
Belastet wurde der Jahresabschluss durch Rückstellungen für
belastende Mietverträge in Höhe von 217 Mio. Euro (2010: 91
Mio. Euro) und Sondereffekte in Höhe von rund 474 Mio.
Euro (Neubewertung von Warenvorräten, TV-Kampagne mit
Boris Becker, Umzug der Zentrale nach Hamburg, Wertberichtigung des Anlagevermögens etc.). „Von den Sondereffekten waren allerdings nur 31 Mio. Euro zahlungswirksam“,
strich Finanzvorstand Markus Schürholz heraus. Das Eigenkapital ging von rund 840 Mio. Euro auf rund 279 Mio. Euro
zurück. Vorstandschef Thomas Fox trat Spekulationen entgegen, Praktiker könne demnächst das Geld ausgehen. „Wir
sind für diese Saison durchfinanziert“, versicherte er. Damit
war wohl vor allem das für die Baumarktbranche so wichtige
zweite Quartal (Frühjahr) gemeint. Er sagte aber auch: „2014
muss Praktiker wieder nachhaltig schwarze Zahlen schreiben.“
17 Märkte sollen in diesem
Jahr umgebaut werden
Fox zufolge führt der Weg zum Erfolg aber vor allem über
die Steigerung der Umsätze. Deshalb werde investiert. 17
Märkte sollen 2012 nach dem Vorbild der neuen Filialen in
Heppenheim und Kaiserslautern umgebaut werden. Max Bahr
experimentiert mit neuen Verkaufsformen. In einem Markt in
Hamburg-Bramfeld wurden neue Service-Angebote integriert,
u.a. ein „Navi-Max“ (Mitarbeiter, der auf einem Roller durch
den Markt fährt und Fragen beantwortet). Auch das OnlineGeschäft scheint ganz gut anzulaufen. „Der Durchschnittsbon
ist dreimal höher als in unseren Märkten“, so Fox.
Der einschlägig bekannte Sanierungsexperte (vor Praktiker
arbeitete Fox für Karstadt) versichert, dass so wenige Märkte
wie möglich geschlossen werden sollen. „Wir kämpfen um
jeden Markt, denn jede Schließung kostet Umsatz und Einkaufskonditionen.“ Ob die Vermieter Vertrauen in Fox haben,
steht auf einem anderen Blatt. Ein Makler, der für einen Investor ein großes Praktiker-Paket kaufen will, meint: „Wir hätten
für alle Immobilien eine Lösung – ohne Praktiker.“
(cvs)
Verlust von über 500 Mio. Euro im Jahr 2011
Damit Praktiker nicht die Luft ausgeht, braucht die Firma
ein umsatzstarkes zweites Quartal und kurzfristig 300 Mio.
Immobilienstruktur des Praktiker-Konzerns:
Eine Baumarktkette ohne eigene Immobilien
Unternehmenseinheit
Eigentum
Miete
Gesamt
Praktiker Deutschland
3
232
235
Max Bahr
-
78
78
extra Bau + Hobby Filialbetriebe
-
17
17
Praktiker International
9
100
109
12
427
439
-
-
8
Praktiker Konzern
extra Bau + Hobby Franchise*
Im Ausland betrieb der Praktiker-Konzern Ende 2011 109 Praktiker-Märkte: Bulgarien (9), Griechenland (13),
Luxemburg (3), Polen (24), Rumänien (27), Türkei (10), Ukraine (4), Ungarn (19).
*nicht in Standort- und Flächenübersicht enthalten
© Immobilien Zeitung; Quelle: Praktiker