Das Café El Greco am Zürcher Limmatplatz war über die Jahrzehnte

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Das Café El Greco am Zürcher Limmatplatz war über die Jahrzehnte
Urs Bühler NZZ
Das Café El Greco am Zürcher Limmatplatz war über die
Jahrzehnte zur Legende geworden, namentlich wegen seiner
grossen Boulevardterrasse. 2010 verkündete die Migros als
Hausbesitzerin, die Zeit des Standorts als Gaststätte sei
abgelaufen. Ein Sturm der Entrüstung liess sie den Entscheid
revidieren, sie schrieb die Pacht neu aus. Den Zuschlag erhielt
kein potenter Mitbewerber wie Starbucks, sondern ein junges
Quartett, dessen Konzept die Verantwortlichen des orangen
Riesen ebenso entzückt wie herausgefordert haben dürfte. Man
habe statt das gewinnträchtigste das stimmigste Projekt
ausgewählt, liessen sie sinngemäss verlauten. Hinter dem Coup,
der dieser Tage mit der Eröffnung des Café Lang abgeschlossen
wird, stecken vier kreative, ursprünglich branchenfremde
Köpfe, die sich innert weniger Jahre von Grünschnäbeln zu
Wunderknaben der Gastroszene gemausert haben.
Gemeinsame Sandkastenzeiten
Zehn Jahre ist es her, dass drei knapp dem Teenager-Alter
entwachsene Zürcher beschlossen, die Stadt brauche eine rechte
Caffè-Bar mit adäquatem Espresso. Es handelte sich um den
Optiker Jonas Herde, Mitgründer der Brillenmarke
«Zuerihorn», Livio Notaro, beruflich im Modegeschäft
verankert, und dessen ehemaligen Unterstift Daniel Ferrari.
Nach jahrelanger Suche nach einer passenden Fläche wurden
die drei Mittzwanziger endlich fündig: Im unscheinbaren Raum
eines Teppichgeschäfts am gastronomisch wenig belebten
Bleicherweg eröffneten sie im Sommer 2008 das «La Stanza»,
nachdem sie mit Hartnäckigkeit behördliche und andere
Hürden überwunden hatten.
Sie ebneten damit den Weg zu einer erstaunlichen
Erfolgsgeschichte: Wird heute über die besten Espressi in
Zürich und die stilvollsten Orte für deren Genuss philosophiert,
fällt der Name dieser Bar so sicher wie das Amen in der Kirche.
Das Interieur mit wunderbarem Travertin-Boden verströmt
eine Selbstverständlichkeit, als wäre er immer da gewesen.
Vormittags ist das Publikum besonders gut durchmischt, nach
Feierabend steht namentlich das Personal des umliegenden
Finanzviertels Schlange, um sich einen Apéro zu genehmigen.
Das Geschäft lief bald so gut, dass man an eine Reinvestition in
neue Vorhaben denken konnte. Eine Gelegenheit kam – in
Form des Auftrags, im Parterre des höchsten Hochhauses eine
Bar aufzubauen. Das letzten Herbst im Prime Tower eröffnete
Lokal heisst «Hotel Rivington & Sons» und ist eine Reverenz an
das New York der Prohibitionszeit. Es soll noch besser
angelaufen sein als damals das «Stanza» – auch wenn der
Aussenraum wegen behördlicher Auflagen nicht so genutzt
werden kann, wie es dem Team vorschwebt.
Café Lang kurz vor Eröffnung
Notaro und Herde hatten einst als Knirpse in Sandkästen von
Zürich Nord gemeinsam Burgen gebaut. Heute sind ihre
Konzepte etwas komplexer, und wenngleich Herde noch immer
der Blick eines verträumten Buben eigen ist, haben er und seine
Kollegen bewiesen, dass sie keine Luftschlösser konstruieren.
Für das Vorhaben im Prime Tower holten sie Emil Looser an
Bord, mit 39 Jahren der Älteste im Bunde und von den anderen
als ihr Ziehvater in diesem Geschäft bezeichnet. Herde und
Notaro hatten einst in der Bar «Nachtflug» gejobbt, mit deren
Gründung Looser 2001 nach abgebrochenem
Geschichtsstudium in die Branche eingestiegen war.
Beim Café Lang am Limmatplatz, das noch vor Ende Mai
eröffnet werden soll, ist das gleiche Quartett am Werk. Auch
hier hat es mit an Versessenheit grenzender Detailliebe etwas
geschaffen, das sich vom gängigen Lounge-Chic abhebt. Wieder
vermitteln sich nostalgische Noten und Raumgefühle, die sich
ins Gedächtnis einpflanzen wie ein Ferienerlebnis. Das
befördert einen in eine Zeit und Welt, die so gar nicht passen
will zur gesichtslosen Fassade des Bürohauses, zur
automatischen Glastür, durch die man das Lokal betritt.
Atmosphärisch haben sich die vier in Wien von dessen
Kaffeehauskultur inspirieren lassen; die Bestandteile haben sie
mit Hilfe des Internets zusammengesucht, von Europa bis nach
Amerika. Ein Kachelboden stammt laut ihren Angaben aus
einem Museum in Brüssel und wurde mit dicker Mörtelschicht
angeliefert, die sie eigenhändig weggeschlagen hätten. Ein
Pitch-Pine-Boden soll über hundertjährig sein. Nicht nur der
charmante kleine Café-Raum bietet reizvolle Durchblicke,
wobei von einem Schweizer Handwerksbetrieb gemusterte,
sandgestrahlte Scheiben und Florentinglas zum Einsatz
kommen. Einen stilistischen Kontrast setzt der langgezogene
Barraum – gemäss einem Gedankenspiel der Betreiber ein Teil
des «alten» Kaffeehauses, der in den 1950er Jahren umgebaut
wurde. Als Referenz an diese Zeit dienen Deckenlampen des
Pariser Designers Serge Mouille.
Manches mag etwas gar inszeniert wirken, aber es ist viel Platz
für augenzwinkernde Verspieltheit – etwa in Form der winzigen
Telefonkabine mit schwarzem Wählscheiben-Wandapparat, der
Film- oder Kindheitsszenen wachruft. Auch die Toiletten sollte
man besuchen, ob man nun muss oder nicht: Die Komposition
aus Antik und Neu ist so reizvoll, dass sich manche den Kaffee
ans stille Örtchen bestellen werden.
Apropos Koffein: Es wird die erfolgreiche Kooperation mit der
Blaser Café AG aus Bern weitergeführt. Mit ihr hat Giuliano
Bartoli, als Barista im «La Stanza» für Qualität besorgt, diesmal
Mischungen erstellt, die mit der Wiener Note harmonieren.
Diese ist auch auf der Karte im Spiel – bis hin zum Wiener
Schnitzel, das ein blutjunges Küchenteam jeden Sonntagabend
brutzeln lässt.
Der Druck des ersten Erfolgs
Es gibt Jungautoren, deren Debütroman ein solcher Wurf wird,
dass sie später stets am Erwartungsdruck scheitern. Könnte den
Jungunternehmern im Gastrobereich Ähnliches blühen? Sicher
seien sie jetzt stärker beobachtet, sagen sie. Und vielleicht
gingen sie weniger unbelastet an Aufgaben heran als beim «La
Stanza», bei dem sie fast alles aus dem Bauch heraus und selbst
gemacht hätten. Aber das Wissen, dass es kein sicheres
Geheimrezept gebe für erfolgreiche Lokale, nehme viel vom
Druck. Es gelte, sich weiter auf die Leidenschaft und die
eigenen Überzeugungen zu stützen.
Die Antwort auf die Frage indes, ob es mit den
Bewilligungsbehörden besser laufe als in den Anfängen, bleibt
in der Schwebe. Zwar wird deutlich, dass man sich auch nach
den Erfolgen durch Vertreter der Stadt nicht besonders
willkommen geheissen fühlt. Die behördliche Regulierungswut
und Willkür aber, die sie nach ihrer ersten Eröffnung in Medien
bitter beklagt hatten, prangern sie nicht mehr so direkt an.
Vielleicht haben sie auch einfach eine Lektion in Diplomatie
gelernt. Und die definitive Abnahme des Lokals durch die
zuständigen Beamten steht kurz bevor.
Mit dem Café Lang wird das kleine Reich dieses vierblättrigen
Kreativ- Kleeblatts 3 Betriebe und gegen 70 Angestellte
umfassen. «Wir wollen in Zukunft wieder vermehrt in unseren
Lokalen präsent sein», sagen sie. Heisst das, dass in absehbarer
Zukunft kein vierter Streich zu erwarten ist? Sie stimmen eifrig
zu. Und man glaubt es ihnen fast..