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FORSCHUNG WIRTSCHAFT TRIFFT WISSENSCHAFT Olga Gorbachevskaya Heiner Grüneberg Christel Kappis ................................................................................................................ INNOVATIONSTRANSFER Entwicklung neuer Methoden für den effizienten Transfer wissenschaftlich-technischer Forschungsergebnisse in die wirtschaftliche Praxis Viele innovative Produkte und Verfahren, die effektive Lösungen für die Praxis anbieten, können sich trotz hervorragender wissenschaftlicher Ergebnisse auf dem Markt nicht etablieren. Die Ursachen dafür können vielseitig sein, liegen jedoch überwiegend darin begründet, dass den an der Produkt- oder Verfahrensentwicklung beteiligten Unternehmen der Zugang zum entsprechenden Marktsegment für die Innovation fehlt und/oder das Produkt oder Verfahren noch nicht vollständig industrialisiert ist. – Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hat daher im Jahr 2007 den Innovationswettbewerb »Wirtschaft trifft Wissenschaft« ausgeschrieben mit dem Ziel, Projekte zu fördern, die neue Methoden für einen verbesserten Transfer wissenschaftlicher und technischer Innovationen in wirtschaftliche Anwendungen entwickeln, mit denen die Umsetzung von FuEErgebnissen auf den Markt forciert werden können. Im Rahmen dieses Innovationswettbewerbes wird jetzt das Projekt »Entwicklung neuartiger Organisations- und Kommunikationsformen des Technologietransfers am Beispiel der Gleisbettmatte« gefördert, das im FolgenInnovationstransfer: Die mobile Gleisbettmatte den vorgestellt wird. Die Begrünung von Gleisbettanlagen wird auf Grund ihrer ökologischen und ökonomischen Auswirkungen in den kommenden Jahren eine immer stärkere Bedeutung erlangen. Grüne Gleise tragen durch ihr hohes Wasserspeichervermögen aktiv zum Regenwassermanagement bei. Durch Feinstaubbindung und hohe Schallabsorption, Verbesserung des Bioklimas und Minderung des Wärmeinseleffektes ergeben sich weitere Vorteile, die für den urbanen Ballungsraum von großer Bedeutung sind. In Deutschland gibt es ca. 2.100 km TramStrecken. Dabei ist das Schottergleis die überwiegende Oberbauform im innerstädtischen Nahverkehr, die jedoch mit herkömmlichen Methoden nicht dauerhaft begrünt werden kann. Abb. 2 Netzwerkstruktur 50 HUMBOLDT-SPEKTRUM 1/2009 In einem gemeinsamen Forschungsprojekt des Sächsischen Textilforschungsinstituts e.V. (STFI) an der TU Chemnitz und des Instituts für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität (IASP) wurde für diese Oberbauform eine mobile textile Gleisbettmatte entwickelt, die es erstmalig ermöglicht, das für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten notwendige Ein- und Ausbauen des Vegetationssystems aus dem Schotterbett vornehmen zu können, ohne das Vegetationssystem zu zerstören. Der erste Einsatz eines Prototyps dieser Gleisbettmatte erfolgte in einer Referenzstrecke in Chemnitz. Diese Forschungsergebnisse liegen seit 2004 vor. Die Marktanalyse zeigte, dass es bisher keine Alternativlösung von vergleichbarer Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gibt. Abb. 1 Schottergleise mit und ohne mobile Gleisbettmatte in Chemnitz Transfer im Netzwerk Für die marktrelevante Umsetzung innovativer Produkte sind eine Vielzahl von Anpassungen, Abstimmungen sowie die Erarbeitung von komplexen Lösungen erforderlich. Am Beispiel der Markteinführung der mobilen Gleisbettmatte sollen innovative Lösungen der Umsetzung wissenschaftlicher Ergebnisse auf dem Markt entwickelt und ausgetestet werden. Mit diesem Projekt sollen einerseits konkrete wissenschaftliche Ergebnisse in die Praxis überführt werden, andererseits ist der Transferprozess selbst einer Evaluation zu unterwerfen. Diese Abläufe sollen reproduzierbar und somit für den Erfahrungsgewinn nachhaltig gestaltbar sein. Der innovative Kern des Projektes liegt darin, ein Netzwerk aller am Transferprozess beteiligten Partner – wissenschaftliche Dienstleister, Hersteller, Systemanbieter und Anwender / Kunden – zu entwickeln, das branchenübergreifend und gleichzeitig kundenorientiert arbeitet. Die Netzwerkarbeit wird durch spezialisierte Arbeitsgruppen der Netzwerkteilnehmer, die zur Lösung bestimmter Schwerpunktprobleme beitragen, untermauert. Während die wissenschaftlichen Institute die Transferinhalte vorgeben, bestimmen die Unternehmensbranchen mit ihrer wirtschaftlich ausgerichteten Nachfrage die Umsetzung von Forschungsergebnissen. Die Schwerpunkte der Netzwerkarbeit liegen im Zusammenbringen von Experten, im unmittelbaren Erfahrungsaustausch, in der gemeinsamen Analyse und Bewertung bestehender Probleme sowie der Suche nach Lösungen, der Qualifizierung eines Systemanbieters sowie im Erwerb umfangreicher Spezialkenntnisse und fachübergreifender Erfahrungen. Im Netzwerk wirken mit: »Hersteller« Die Sächsische Netzwerke Huck GmbH als Hersteller der Rohmatte bereitet die Industrialisierung der Gleisbettmatte vor. Im Vordergrund steht die Überleitung des Prototyps in die Großproduktion. Gleichzeitig wer- ................................................................................................................ den Probleme beim Industrialisierungsprozess analysiert, um rückwirkend die Forschungsinstitute für zukünftige Produktentwicklungen zu qualifizieren. Dazu werden unter Produktionsbedingungen Gleisbettmatten für Demonstrationsvorhaben hergestellt und der Produktionsprozess hinsichtlich Qualitätsanforderungen und Kostenentwicklung überprüft. Die Niedersächsische Rasenkultur GmbH & Co. KG (NIRA) ist der Vorkultivierer der Gleisbettmatte und damit weiterverarbeitender Betrieb, aber gleichzeitig auch Kunde hinsichtlich spezieller Anforderungen. Dieses Unternehmen wird dabei auf Grund seiner hohen Fachkompetenz mit in den Industrialisierungsprozess einbezogen. BECO Bermüller & Co. GmbH produziert mit ihrer Tochterfirma REGUM GmbH seit Jahren elastische Kammerfüllelemente für Straßenbahngleise (feste Fahrbahn und Rasengleise). Das entwickelte 2teilige System für Rasengleise wird auch ein Bestandteil des Vegetationssystems mobile Gleisbettmatte sein. »Kunde« Die Nahverkehrsbetriebe aus Erfurt (EVAG) und Berlin (BVG) werden als potentielle Kunden direkt mit eingebunden. Ziel ist es, Kundenanforderungen frühzeitig in den Industrialisierungsprozess aufzunehmen. Gleichzeitig werden die Verkehrsbetriebe mit den komplexen Prozessen, Wechselwirkungen und Aufgaben im Vorfeld vertraut gemacht, um qualifizierte Abstimmungen mit dem Systemanbieter vornehmen zu können. Mit EVAG und BVG werden im Rahmen des Projektes Demonstrationsanlagen eingerichtet. Weiterhin wird der Praxispartner aus dem Vorgängerprojekt – die Chemnitzer Verkehrsbetriebe AG – als Erfahrungsträger und »Vermittler« in den Transferprozess integriert. »Systemanbieter« BECO Bermüller & Co. GmbH wird als möglicher zukünftiger Systemanbieter in den Qualifizierungsprozess einbezogen. Auf Grund seiner Fachkompetenz im Bereich Grüne Gleise sowie seiner Kenntnisse auf den Gebieten Herstellung und Einsatz von Geotextilien und Kammerfüllelementen, GaLaBau und Gleisbau ist diese Firma prädestiniert, die komplexen Einzelkomponenten und Insellösungen dem Kunden zusammenfas- FORSCHUNG send und aufeinander abgestimmt anbieten zu können. Damit benötigt der Kunde nur noch einen Ansprechpartner. Die erworbene Fachkompetenz ist für den Systemanbieter ein wichtiges Verkaufsargument. Durch den Systemanbieter können fehlende Kontakte von Textilherstellern zu GaLaBau- oder Verkehrsbetrieben als Kunden überbrückt werden. »Wissenschaftler« Die drei Forschungseinrichtungen – Institut für Gartenbauwissenschaften der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) sowie das Sächsische Textilforschungsinstitut e. V. Chemnitz (stfi) an der TU Chemnitz – sind die verantwortlichen Koordinatoren im Transferprojekt. Sie geben die wissenschaftlichen Transferinhalte vor und leiten je nach ihrem Profil drei thematische Arbeitsgruppen. Projekt: Entwicklung neuartiger Organisations- und Kommunikationsformen des Technologietransfers am Beispiel der Gleisbettmatte Projektleitung: PD Dr. agr. Heiner Grüneberg Humboldt-Universität zu Berlin Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät Fachgebiet Gärtnerische Pflanzensysteme Arbeitsgruppe Zierpflanzenbau Partner: – Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) – Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. an der TU Chemnitz – Sächsische Netzwerke Huck GmbH – BECO – Bermüller & Co. GmbH – NIRA GmbH & Co.KG – Berliner Verkehrsbetriebe – Erfurter Verkehrsbetriebe AG – Chemnitzer Verkehrs-AG – RoofControl – LVG Erfurt – GefAA Systemberatung Fördereinrichtung: Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung Förderzeitraum: 11/2007 – 04/2010 Internet: www.agrar.hu-berlin.de/struktur/institute/gbw/ struktur/gpfls/zb/Forschung/TG HUMBOLDT-SPEKTRUM 1/2009 51 FORSCHUNG ................................................................................................................ Unterstützt wird das Projekt weiterhin von der Lehrund Versuchsanstalt Gartenbau Erfurt, vom Ingenieurbüro RoofControl sowie von der GefAA Systemberatung. Die Netzwerkteilnehmer bewerten diese neue Form der Zusammenarbeit als sehr innovativ und konstruktiv: • Selten sind so viele Partner unterschiedlicher • Dr. Olga Gorbachevskaya Jg. 1973, 1990–1992 Studium des Pflanzenschutzes an der Timirjasew-Akademie in Moskau; 1992–1996 Studium der Geobotanik an der Lomonossow-Universität in Moskau; 1997–2001 Arbeit im Botanischen Garten der Lomonossow-Universität; 2002–2005 Promotionsstudium an der Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Seit 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Entwicklung technischer Vegetationssysteme für Bauwerksoberflächen; Einsatz nachwachsender Rohstoffe zur Uferbefestigung mit Sumpfpflanzen; Reduktion der Feinstaubbelastung mit Hilfe der Vegetation und technischen Vegetationssystemen; Biodiversität der von Menschen geschaffenen Standorte. Kontakt Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) Invalidenstr. 42 D–10115 Berlin Tel.: +49 30 2093–6126 Fax: +49 30 2093–9065 E-Mail: [email protected] 52 HUMBOLDT-SPEKTRUM 1/2009 PD Dr. Heiner Grüneberg Jg. 1959, Gartenbaustudium an der Humboldt-Universität und der Universität in Budapest; 1986–89 Promotionsstudent an der HumboldtUniversität; 1989 Promotion und anschließend Wissenschaftlicher Assistent am Fachgebiet Zierpflanzenbau der Humboldt-Universität. Seit 2000 Leiter der Arbeitsgruppe Zierpflanzenbau und Habilitation. Ausgewählte Arbeitsschwerpunkte: Gärtnerische Pflanzensysteme für Zierpflanzen auf urbanen Standorten im Freien (extensive Flächen) und in Innenräumen; Sortimentsentwicklung; Wachstumsrhythmen und Postharvest bei Zierpflanzen. Kontakt Humboldt-Universität zu Berlin LandwirtschaftlichGärtnerische Fakultät Institut für Gartenbauwissenschaften / Zierpflanzenbau Lentzeallee 75 D–14195 Berlin Tel.: +49 30 314–71339 Fax: +49 30 314–71757 E-Mail: hgrueneberg@ agrar.hu-berlin.de Dr. Christel Kappis Jg. 1952, Studium der Lebensmitteltechnologie / Nahrungsgüterwirtschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin; 1976–1979 Promotionsstudentin an der Humboldt-Universität; 1981 Promotion; 1979–1985 wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kombinat Landmaschinenbau Neustadt und NAGEMA Dresden; 1986–1991 wissenschaftliche Mitarbeiterin im WTÖZ der Getreideverarbeitungsindustrie; seit 1992 wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Projektgruppe für Stadtökologie; seit 1995 im Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Forschungsschwerpunkte: Entwicklung technischer Vegetationssysteme für Bauwerksoberflächen; Gleisbettnaturierung; Einsatz innovativer Hilfsstoffe zur Pflanzenentwicklung; Aufbau und Management von nationalen und internationalen Forschungsnetzwerken. Kontakt Institut für Agrar- und Stadtökologische Projekte an der Humboldt-Universität zu Berlin (IASP) Invalidenstr. 42 D–10115 Berlin Tel.: +49 30 2093–6126 Fax: +49 30 2093–9065 E-Mail: christel.kappis@ agrar.hu-berlin.de • • Gewerke an einem Projekt beteiligt. Diese konkrete Zusammenarbeit der sonst einzeln Handelnden ist neu und es besteht eine große Offenheit. In der Regel müssen Neuentwicklungen bis zur Markteinführung allein von einem Unternehmen umgesetzt werden. In dieser Kooperation sind die Aufgaben auf kompetente Partner horizontal verteilt. Die Vermarktung erfolgt in einem System über ein gut eingeführtes und kompetentes Unternehmen, das vom gesamten Netzwerk qualifiziert wird. Die Nachhaltigkeit der Kooperation ist auch durch eine Intensivierung der Kontakte der Partner untereinander gegeben. Damit entstand ein hohes Potenzial für neue Kooperationen auf anderen Gebieten. Erwartet werden neben dem wirtschaftlichen Erfolg auch ein Erkenntnis- und Ideengewinn. Das neuartige Vorgehen, Wissenschaftler, Hersteller, Kunden und Anbieter innerhalb eines Netzwerks schon bei der Entwicklung bzw. Industrialisierung der Produkte zusammenzubringen, dient der Erhöhung der Effektivität des Transfers. Dafür wird eine Informations- und Kollaborationsplattform für das Netzwerk entwickelt. Die o.g. Wege für die Umsetzung der Forschungsergebnisse in marktfähige Lösungen werden durch die Einrichtung von Demonstrationsanlagen vervollständigt. In Berlin (Spandauer Str.) und in Erfurt wurden im Rahmen des Projektes im Jahr 2008 zwei Gleisanlagen mit textilen Gleisbettmatten begrünt. Die Anlagen werden von den Netzwerkpartnern gemeinsam vorbereitet, eingerichtet und betreut. Mit der Einrichtung dieser Demonstrationsanlagen sollen einerseits die Eigenschaften der neuen Gleisbettmatte sowie ihre Nachhaltigkeit unter Einbeziehung der Herstellerkette und des Systemanbieters dargestellt und andererseits bestehende Probleme ermittelt und Grundlagen für die effektivere Gestaltung der Prozessabläufe geschaffen werden. Als flankierende Maßnahmen der Markteinführung des Produktes erfolgen Coaching- und Qualifizierungsleistungen für alle Beteiligten. Das Projekt wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit durch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften sowie auf Fachmessen und Fachseminaren vorgestellt.