Die Module der Druckgeräte-Richtlinie

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Die Module der Druckgeräte-Richtlinie
Die Module der Druckgeräte-Richtlinie - Ein neues Prüfkonzept für die Herstellung von Druckgeräten
F. Neuwieser, H. Marchner, München
Zusammenfassung
Am 29.Mai 1997 wurde die Richtlinie 97/23/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten über Druckgeräte erlassen. Hinsichtlich ihrer Konzeption und Struktur erfordert die Druckgeräte-Richtlinie ein Umdenken bei Herstellern, Überwachern, Behörden und Betreibern. Durch
das sog. „Modulkonzept“ kann der Hersteller künftig alternativ zu einer produktbezogenen Prüfung durch eine benannte Stelle Prüfungen seiner Druckgeräte auf der Basis eines zugelassenen und von einer benannten Stelle überwachten Qualitätssicherungssystems selbst durchführen. Der Hersteller wird sich bei seiner Entscheidung für
ein Prüfmodul bzw. eine Prüfmodulkombination vorwiegend nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientieren.
Hierbei sind die Fertigungsart, die Produktpalette sowie die Betriebsgröße und bereits vorhandene Zertifizierungen
bestimmende Faktoren.
1
Einleitung
Art. 1
Die Druckgeräte-Richtlinie wurde mit dem Ziel erlassen, den freien Warenverkehr von Druckgeräten zwischen den Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Die
Richtlinie regelt die Auslegung, Fertigung und Konformitätsbewertung von Druckgeräten und Baugruppen
mit einem max. zul. Druck größer 0,5 bar.
Druckgeräte im Sinne der Richtlinie sind Behälter
(Druckbehälter, Dampfkessel), Rohrleitungen und
Ausrüstungsteile (druckhaltende und solche mit Sicherheitsfunktion).
Überschreiten Druckgeräte die in Art. 3 beschriebenen
Grenzwerte, müssen sie die grundlegenden Sicherheitsanforderungen der Richtlinie erfüllen und einem
Konformitätsbewertungsverfahren unterzogen werden.
In Abhängigkeit des Gefahrenpotentials wird das
Druckgerät in eine Kategorie (I -IV) eingeordnet,
Bild 1, 3 . Das Gefahrenpotential wird beschrieben
durch den Aggregatszustand des Mediums (flüssig,
gasförmig) und dessen Dampfdruck, durch die Gefährlichkeit des Mediums (z.B. giftig, entzündlich, explosiv) sowie durch die gespeicherte Energie (PSxV,
PSxDN). Jeder Kategorie sind Prüfmodule bzw. Prüfmodulkombinationen zugeordnet, die der Hersteller
z.B. in Abhängigkeit eines QS-Systems frei wählen
kann, Bild 1.
2
Aufbau des Modulkonzeptes
Das Modulkonzept der Druckgeräte-Richtlinie basiert
auf dem sog. Modulbeschluß 93/465/EWG, der durch
die Europäische Kommission erlassen wurde. Die
Gestaltungsmöglichkeiten des Modulbeschlusses
nutzend wurde im Anhang III der DruckgeräteRichtlinie das Grundkonzept aus ursprünglich 8 Modulen auf 13 Module erweitert.
Geltungsbereich
p > 0.5 bar ?
Abs. 3.1 - 3.21
Ausschluß ?
Art. 9
Art. 3
Art. 9
Eingruppierung
d. Fluides
Grundlegende
Anforderungen
Anh. I ?
ja
Zuordnung d.
Kategorie 1)
Gr.1 oder Gr.2 ?
Nein
Diagr. Anh. II
PS * V, PS * DN
in Abhängigkeit v.
d. Kategorie
Wahl d.
Moduls
Art. 10
Anh. III
Ing.praxis
Art.3 Abs.3
Kat. I
Kat. II
Kat. III
Kat. IV
A
A1,D1,E1
B1 + D
B+D
B1 + F
B+F
B +E
G
B + C1
H1
H
Bild 1
Ablaufdiagramm zur Modulwahl
Die Module lassen sich als in sich geschlossene Prüfpakete beschreiben, welche die Entwurfs- und Produktionsphase eines Druckgerätes behandeln mit der
Zielsetzung, den Nachweis der Erfüllung der grundlegenden Anforderungen der Richtlinie zu führen. Da
nicht jedes Modul die Entwurfs- und Produktionsphase
abdeckt, werden auch Modulkombinationen verwendet.
Einzelprüfung d.
benannte Stelle
I
II
III
IV
Bild 2
A
Interne Fertigungskontrolle
A1
E1
Interne Fertigungskontrolle
m. Überwach.
B+C1
Konformität
der Bauart
QS Produkt
B1+F
Prüfung der
Produkte
G
B+F
Einzelprüfung
Prüfung der
Produkte
B1+D
QS Produktion
B+D
QS Produktion
B
Baumusterprüfung
B1
Entwurfsprüfung
D1
QS Produktion
B+E
H
QS Produkt
Umfassende
QS
H1
Umf.QS m. Ent
wurfsprf. +Über.
Module in den einzelnen Kategorien unterteilt in Module mit und ohne QS-System
Inhaltlich bestehen Module im wesentlichen aus drei
Punkten:
• Beschreibung des Verfahrens, mit dem der Hersteller sicherstellt und erklärt daß die betreffenden
Druckgeräte die Anforderungen der Richtlinie erfüllen
• Festlegung der von einer benannten Stelle durchzuführenden Prüfungen und Überwachungsmaßnahmen
• Festlegung der zu erstellenden Unterlagen und
Dokumentation
Im Modulkonzept der Druckgeräte-Richtlinie werden
Druckgeräten mit zunehmendem Gefahrenpotential
d.h. zunehmender Kategorie, Prüfmodule mit zunehmender Einschaltung der benannten Stelle zugeordnet. Mit Ausnahme des Moduls A „Interne Fertigungskontrolle“, das auf Druckgeräte der Kategorie I angewendet wird, ist bei allen Modulen die benannte Stelle
beteiligt.
Prüfmodule für eine höhere Kategorie können auf
Druckgeräte niedrigerer Kategorie angewendet werden (Abwärtskompatibilität), jedoch nicht umgekehrt.
Die klassische Einzelprüfung von Druckgeräten durch
den Sachverständigen, wie sie zur Zeit bei Einzelfertigung praktiziert wird, ist in den Modulen G, B1+F und
B+F weitgehend enthalten, Bild 2.
Gemäß den im Vorspann der Richtlinie angegebenen
Erwägungsgründen der Europäischen Kommission
handelt es sich bei den Prüfmodulen innerhalb einer
Kategorie hinsichtlich Prüfumfang und Prüftiefe um
„gleichermaßen strenge Verfahren“. Ein Vergleich der
einzelnen Prüfmodule ergibt jedoch durchaus relevante Unterschiede. In Kategorie II zum Beispiel stellt der
Hersteller im Modul A1 eine schriftliche Konformitätserklärung aus, bringt das CE-Kenn-zeichen an und
erstellt technische Unterlagen. Die benannte Stelle
führt im Rahmen der Überwachung der Abnahme
unangemeldete Besuche durch.
4
10
1000 bar
3
10
PS*V= 1000 bar*l
200 bar
2
10
Innerhalb der Kategorien II - IV hat der Hersteller die
Auswahl zwischen Modulen mit Produktprüfung durch
eine benannte Stelle ( stichprobenweise bzw. Einzelprüfung) und Modulen mit QS-System, Bild 2.
Wählt der Hersteller ein Modul mit QS-System, kann
er (mit einer Ausnahme im Modul H) entgegen der
bisherigen Prüfpraxis die Abnahme bestehend aus
Schlußprüfung und Druckprüfung sowie ggf. Prüfung
der Sicherheitseinrichtungen in eigener Zuständigkeit ohne Einschaltung der benannten Stelle - durchführen.
Die benannte Stelle überprüft und überwacht das QSSystem, wobei sie stichprobenweise Prüfungen an
Druckgeräten durchführen kann.
Die Ausnahme im Modul H bezieht sich auf Druckgeräte der Kategorie III mit Einzelfertigung, für die eine
Druckprüfung durch die benannte Stelle durchzuführen ist, nicht aber auf seriengefertigte Druckgeräte.
PS*V=200 bar*l
V=1 l
PS*V=50 bar*l
1
10
PS*V=25bar*l
Artikel 3,Absatz 3
I
II
III
IV
0
10
0,5 bar
-1
10
-1
10
0
10
10
1
10
2
10
3
10
4
5
10
Volumen in Liter
Bild 3
Diagramm 1 nach Anh. II der Druckgeräte-Richtlinie zur
Kategorisierung von Druckgeräten
Werden die „gleichwertigen“ Module D1 oder E1 angewendet, muß der Hersteller zusätzlich zu den o.g.
Aufgaben jeweils ein QS-System nach DruckgeräteRichtlinie einrichten. Die benannte Stelle
Bewertungskriterium
Kategorie
Prüfung der Entwurfsunterlagen
EG-Entwurfsprüfbescheinigungen
Modul
A
I
A1
D1
II
Hersteller
EG-Baumusterprüfbescheinigung
erforderliches
Qualitätssicherungssystem
zum Beispiel nach
Prüfung während
der Herstellung
B1+D
B1+F
B+E
III
benannte Stelle
erforderlich
benannte Stelle
in EG-Baumusterprüfbescheinigung
enthalten
-
-
erforderlich
benannte Stelle
-
EN
9002
+
∆
EN
9003
+
∆
EN
9002
+
∆
Hersteller
keiner
unangem.
-
Anbringen des CEKennzeichens
Anbringung der
Kennummer der
benannten Stelle
EN
9003
+
∆
Hersteller
QS-Audits1, unangemeldete
Besuche3,Prüfungen
-
H
Hersteller
-
-
-
EN
9001
+
∆
B+D
QS-Audits1,
unang.
Besuche3,
Prüfungen
unangemeldete
Besuche
B+F
G
IV
benannte Stelle
in EGBaumusterbescheinigung enthalten
erforderlich
benannte
Stelle
EN
9002
+
∆
Hersteller2
benannte
Stelle
Besuche
Ausstellung der
Konformitätserklärung
Ausstellung der
Konformitätsbescheinigung
B+C1
-
Abnahme
Überwachungsumfang durch benannte Stelle
E1
-
benannte
Stelle
QS-Audits1
unangemeldete
Besuche3,
Prüfungen
-
H1
erforderlich
benannte
Stelle
-
DIN EN
9001
+
∆
Hersteller
QS-Audits1,
unangem.
Besuche3,
Prüfungen
Hersteller
-
benannte
Stelle
-
benannte
Stelle
-
benannte
Stelle
Hersteller
Hersteller
entfällt
Hersteller
benannte
Stelle
Hersteller
Hersteller
Hersteller
1) QS-Audits sind so zu wählen, daß alle 3 Jahre eine vollständige Neubewertung vorgenommen wird
2) Siehe Art. 10 Nr. 1.6: Bei Einzelfertigung im Modul H, Druckprüfung durch benannte Stelle
3) Siehe Art. 10 Nr. 1.5: Im ersten Jahr mindestens zwei Besuche bei Druckgeräten nach Diagramm 1, 2, 3 und 5
4) ∆ steht stellvertretend für den Produktbezug, der gemäß Modulbeschluß erforderlich ist
Bild 4
Inhalt der Konformitätsbewertungsverfahren
zertifiziert dieses, führt regelmäßige Audits, unangemeldete Besuche und Prüfungen durch.
Wesentliche Unterschiede hinsichtlich der Prüftiefe
ergeben sich auch innerhalb der Kategorie III bei einem Vergleich der Modulkombination B+C1 mit den
anderen Modulen.
Eine inhaltliche Übersicht über die Konformitätsbewertungsverfahren zeigt Bild 4.
3
Wahlmöglichkeiten des Herstellers
Die Entscheidung für ein bestimmtes Prüfmodul,
Prüfmodulkombination oder für mehrere richtet sich
nach verschiedenen Gesichtspunkten:
•
•
•
•
der Produktpalette
der Fertigung (Einzel- oder Serienfertigung)
vorhandenen Firmenzertifizierungen
der Betriebsgröße
Durch eine Einteilung der Produktpalette in Kategorien
nach dem Anhang II der Richtlinie kristallisieren sich in
der Regel „Hauptkategorien“ heraus, welche
für die Modulauswahl maßgebend sind. Dadurch lassen sich u.U. bereits im Vorfeld „aufwendigere Prüfmodule“ höherer Kategorie ausschließen. Liegen einige Druckgeräte in einer höheren Kategorie, kann es
durchaus wirtschaftlicher sein, diese über eine Einzelprüfung zu erfassen.
Bei Serienfertigung sind Prüfmodule, die eine Einzelprüfung jedes Druckgerätes durch eine benannte Stelle vorsehen, weniger geeignet (z.B. Modul B1+F, B+F,
G), Bild 2. Hier sind ab Kategorie III Module mit Baumusterprüfung in Kombination mit einem QS-Modul
(Modul B+C1, B+D, B+E) bzw. QS-Module mit „umfassender Qualitätssicherung“ (Modul H, H1) besser
geeignet.
Liegen bereits umfangreiche Herstellerzulassungen,
wie z.B. DIN ENISO 9001 in Verbindung mit DIN EN
729-2, AD-HP0 vor, bietet sich die Möglichkeit ein
Prüfmodul der Kategorie IV mit QS-System als „Einhüllende“ zur Abdeckung der gesamten Produktpalette
zu wählen. Der Aufwand für eine Erweiterung des
bestehenden QS-Systems um den Produktbezug nach
Druckgeräte-Richtlinie ist in diesem Fall erheblich
geringer, als für eine „erstmalige Zertifizierung“.
EN
729-3
EN
729-2
Für kleinere und mittlere Betriebe bietet das bisherige
System der Einzelprüfung u.U. die kostengünstigste
Lösung, denn der Aufbau, die Zertifizierung sowie die
laufende Pflege und Rezertifizierung eines QSSystems nach Druckgeräte-Richtlinie sind personalund kostenintensiv.
4
Produktbezogene QS-Systeme
Die Qualitätssicherungsysteme nach DruckgeräteRichtlinie in den Modulen D, D1, E, E1 und H, H1
beinhalten neben Systemanforderungen auch produktspezifische Anforderungen, die über die Anforderungen der Systeme der Reihe DIN EN ISO 9000 ff.
hinausgehen.
Zertifizierungen nach DIN EN ISO 9000 ff. in Verbindung mit z.B. EN 729-2, 729-3, AD-HP0/TRD 201
decken neben den Systemanforderungen zum Teil
auch produktspezifische Aspekte der DruckgeräteRichtlinie ab.
In Abhängigkeit des vorhandenen Zertifizierungsumfanges müssen die noch fehlenden richtlinienspezifischen Anforderungen ergänzt werden, wie z.B. Angaben zur Erstellung der Gefahrenanalyse, Anwendung
harmonisierter Normen usw., Bild 5.
5
HP0
ISO
9001-3
Schlußbemerkung
Die Druckgeräte-Richtlinie bietet u.a. die Möglichkeit
die Produktprüfung durch einen unabhängigen Dritten
durch Herstellerprüfungen auf der Basis eines QSSystems zu ersetzen. Wie aktuelle Beispiele zeigen,
besteht dadurch die Gefahr, daß in termin- und finanzkritischen Produktionssituationen Kontrollmechanismen nicht immer wie vorgesehen greifen und ein
Qualitäts- und Sicherheitsverlust eintreten kann.
Es bleibt abzuwarten, ob Betreiber zur Erhaltung des
in Deutschland erreichten hohen Standards in der
Anlagensicherheit und -verfügbarkeit, insbesondere
bei der Bestellung von Schlüsselkomponenten, auf
Prüfmodule mit Einschaltung der benannten Stelle als
unabhängigen Dritten zurückgreifen werden.
Systemanteil
Bild 5
Produktanteil
QS-System nach Druckgeräte Richtlinie bestehend aus
System- und Produktanteil