abstract - Gesundheit - Berner Fachhochschule

Transcrição

abstract - Gesundheit - Berner Fachhochschule
ABSTRACT
Die gesellschaftliche Debatte zum jugendlichen Pornografiekonsum wird sowohl
in der Berichterstattung
der Medien
dokumentiert, als
auch
von
dieser
beeinflusst. Dabei wird gerne auf den plakativen Begriff „Generation Porno“
zurückgegriffen. Die neuen Medien ermöglichen die Vervielfältigung, Verbreitung
und einen beinahe ungehinderten Zugang zu sexuellen Darstellungen von grosser
Bandbreite. Insbesondere Jugendliche als fleissige MediennutzerInnen werden
daher gewollt oder ungewollt mit allen möglichen pornografischen Inhalten
konfrontiert. Inwiefern Inhalte als pornografisch definiert werden, hängt vom
Zugang, respektive der jeweiligen sexuellen Sozialisation ab. Thematisiert wird
der jugendliche Pornografiekonsum vor allem im Zusammenhang mit möglichen
negativen Auswirkungen und Konsequenzen auf die sexuelle Entwicklung.
Aktuelle Forschungen zeigen, dass der Fähigkeit zur Differenzierung zwischen
pornografischer Fiktion und real gelebter Sexualität – also der Einschätzung des
Realitätsgehalts
pornografischer
Darstellungen
–
eine
Schlüsselfunktion
zukommt.
Ziel unserer Arbeit sind sowohl ein differenzierter Blick auf das Phänomen
jugendlichen Pornografiekonsums, als auch die Dokumentation und Diskussion
der Suchbewegung nach professionellem Umgang in der Praxis Sozialer Arbeit.
Es wird aufgezeigt, dass Jugendschutz nicht lediglich über strafrechtliche
Bestimmungen und durch Einsatz von Technik gelöst werden kann. Weiter wird
diskutiert,
welche
Art
der
Begleitung
Jugendliche
durch
erwachsene
Bezugspersonen allenfalls benötigen, respektive unter welchen Bedingungen
Unterstützung angezeigt ist. In der Folge wird der Rollenklärung der Sozialen
Arbeit im Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum nachgegangen. Ebenso
wird nach Möglichkeiten und Grenzen der Einflussnahme gefragt sowie denkbare
Formen der Ausgestaltung dargelegt.
SozialarbeiterInnen, SexualpädagogInnen, politische AkteurInnen sowie weitere
erwachsene
Bezugspersonen
Jugendlicher
diskutieren
neue
alters-
und
entwicklungsgerechte Ansätze. Die Umsetzung wirft Fragen auf verschiedenen
Ebenen
auf:
Während
Fachkreise
die
Ausarbeitung
geeigneter
Settings,
Methoden und Techniken angehen, wird auf breiterer gesellschaftlicher Ebene vor
allem aus moralisch-ethischer Perspektive die Praxistauglichkeit diskutiert.
Insbesondere
das
Zeigen
sexueller
Praxis
polarisiert.
Die
Idee
eines
Sexuallehrfilms für SchülerInnen sowie weitere neue Ansätze, die in unserer
Arbeit genannt werden, zielen auf die Erlangung und/oder Förderung einer
spezifischen Medienkompetenz im Umgang mit pornografischem Material ab.
Handlungsleitende Zielsetzung ist dabei – gemäss aktuellem Fachdiskurs – die
Befähigung Jugendlicher zu einem selbstbestimmten Umgang mit der eigenen
Sexualität.
Generation Porno?!
Rollenklärung und Konsequenzen
für die Praxis der Sozialen Arbeit
Bachelor-Thesis zum Erwerb
des Bachelor-Diploms in Sozialer Arbeit
Berner Fachhochschule
Fachbereich Soziale Arbeit
Vorgelegt von
Isabelle Beetschen
Julia Rogger
Bern, Dezember 2010
Die BA-Thesis wurde für die Publikation formal überarbeitet aber im
Inhalt nicht geändert.
Gutachter: Prof. Salvatore Cruceli
INHALTSVERZEICHNIS
Abstract .................................................................................................. 1 Inhaltsverzeichnis ..................................................................................... 5 Vorwort ................................................................................................... 8 1. Einleitung ...................................................................................... 10 1.1 Themenwahl................................................................................ 10 1.2 Fragestellung und Aufbau der Arbeit ............................................... 10 1.2.1 Von den Hypothesen zur Fragestellung ...................................... 10 1.2.2 Gliederung............................................................................. 11 1.3 Einbettung in einen theoretischen Bezugsrahmen ............................. 11 1.4 Einbettung in die Forschung .......................................................... 12 1.4.1 2. Methodenwahl ........................................................................ 12 Sexualität ...................................................................................... 13 2.1 3. Verständnis / Sinnkomponenten ..................................................... 13 Jugend und Adoleszenz.................................................................... 14 3.1 Körperliche Entwicklung / Pubertät ................................................. 15 3.2 Kognitive Entwicklung ................................................................... 15 3.3 Zwischenmenschliche Beziehungen ................................................. 16 4. Sexuelle Entwicklung und sexuelle Identität........................................ 16 4.1 Sexuelle Skripte........................................................................... 17 4.2 Identität / sexuelle Identität .......................................................... 19 5. Pornografie .................................................................................... 22 5.1 Definition / Differenzierung............................................................ 22 5.2 Pornografien – Diversifikation des Materials ..................................... 27 5.3 Porno Chic - Bilder in und aus der Pornografie .................................. 28 5.3.1 Begriffsklärung ....................................................................... 28 5.3.2 Die besondere Betonung der Frau ............................................. 29 5.3.3 Heilige oder Hure – Konflikt für beide Geschlechter ..................... 32 Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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5.4 Gesellschaftliche Dimension ........................................................... 33 5.4.1 Diskussion – Emotionen vs. Sachlichkeit .................................... 33 5.4.2 Meinungsbildung: Die Rolle der Medien ...................................... 35 5.4.3 Der Umgang mit Pornografie – eine Generationenfrage?............... 36 5.4.4 Gesellschaftliche Veränderungsprozesse .................................... 37 5.4.5 Die wirtschaftliche Bedeutung der Pornografie ............................ 38 5.5 Recht ......................................................................................... 40 5.5.1 Tatbestand, Tatobjekte und TäterInnen ..................................... 40 5.5.2 Zum Strafgesetzbuchartikel und der Absicht der Gesetzgebung ..... 41 5.5.3 Anzeigepflicht im Strafverfahren ............................................... 43 5.5.4 Jugendschutz im Internet ........................................................ 43 6. Umgang Jugendlicher mit Pornografie ................................................ 46 6.1 Nutzung ..................................................................................... 47 6.2 Auswirkungen des Pornografie-Konsums ......................................... 49 6.2.1 Habitualisierungsthese ............................................................ 50 6.2.2 Sozial-kognitive Lerntheorie ..................................................... 51 6.2.3 Theorie der Exemplifikation ...................................................... 51 6.2.4 Theorie des sozialen Vergleichs ................................................ 51 6.2.5 Kultivierungsthese .................................................................. 52 6.2.6 Pornografiekonsum und Aggressivität / sexuelle Gewalt ............... 52 6.3 7. Auswirkungen auf Jugendliche ....................................................... 52 Professioneller Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum ............... 60 7.1 Auftrag / Rolle der Sozialen Arbeit .................................................. 60 7.1.1 Bedarf .................................................................................. 62 7.1.2 Auftragsklärung, Vernetzung und Abgrenzung ............................ 63 7.2 Anschlusskommunikation .............................................................. 65 7.2.1 Haltung ................................................................................. 66 7.2.2 Gestaltung der Kommunikation................................................. 68 Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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7.3 8. Medien- und Pornokompetenz – Erweiterte Aufklärung ...................... 73 Diskussion und Schlussfolgerungen ................................................... 78 8.1 Gesellschaftlicher Kontext ............................................................. 78 8.2 Ausgewählte Erkenntnisse zu den Fragestellungen ............................ 79 8.2.1 8.3 Fragen zur Praxistauglichkeit der vorgestellten Ansätze................ 84 Abschliessende Gedanken ............................................................. 85 Quellennachweis ..................................................................................... 87 Abbildungen ........................................................................................ 94 Anhang ................................................................................................. 95 Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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VORWORT
Mit besonderem Fokus auf die Jugend ist das Thema „Sexualisierung der
Gesellschaft“ durch Pornografiekonsum aktuell in den Medien vertreten. Dabei
wird
mehrheitlich
sehr
plakativ
und
wenig
differenziert
berichtet.
Ein
besorgniserregendes Bild der Jugend wird gezeichnet. Oft scheint gänzlich
vergessen zu gehen, dass eben dieselbe Erwachsenengesellschaft, die sich um
Jugendliche sorgt und von der „Generation Porno“ spricht, Produzent und
Konsument des pornografischen Materials ist. Jugendliche nutzen also ein
Angebot, dass vorhanden ist, ja bereitgestellt wurde, um genutzt werden zu
können – wann, wie, wo und von wem auch immer!
Fachleute verschiedener Disziplinen wie (Sexual-)Pädagogik, Psychologie und
Soziologie sind sich einig darüber, dass in der Gesellschaft ein vermehrter
Pornografie-Konsum
erfolgt.
Uneinigkeit
besteht
jedoch
darüber,
welche
Konsequenzen daraus folgen und wie weitreichend diese individuell und
gesellschaftlich sind.
Die neuen Medien, allen voran das Internet, spielen bei der massenhaften
Verbreitung pornografischen Materials und dessen vermehrten Konsums durch
einfachen Zugang eine entscheidende Rolle. Sie stellen die massgeblichen
Vermittlungskanäle dar. Im world wide web kann auf die gesamte Bandbreite
legaler und illegaler Pornografie zugegriffen werden; schnell gerät man mit
einem Mausklick auf Inhalte, die interessieren, ebenso rasch aber auch auf
solche,
die
schockieren.
Insbesondere
Jugendliche
als
fleissige
MediennutzerInnen werden daher gewollt oder ungewollt mit allen möglichen
pornografischen Inhalten konfrontiert.
Ziel unserer Arbeit ist einerseits, Lesenden einen differenzierten Blick auf das
Phänomen jugendlichen Pornografiekonsums zu ermöglichen, andererseits das
Dokumentieren
und
Diskutieren
der
Suchbewegung
nach
professionellem
Umgang in der Praxis Sozialer Arbeit.
Wir danken Herrn Prof. Salvatore Cruceli für die anregende fachliche Begleitung,
den vier beherzten Mädchen, die unseren Interviewfragen so offen begegnet
sind, Herrn Marco Hort, für Ermutigung und Vernetzungshilfe sowie allen anderen
Personen, die uns in der Zeit des Verfassen der vorliegenden Arbeit motivierend
begleitet haben und uns mit Geduld begegnet sind.
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Wann
immer
möglich,
haben
wir
uns
für
geschlechterneutrale
und/oder
geschlechtergerechte Formulierungen entschieden; wo nötig, wurden spezifische
Ausdrücke verwendet.
Der Begriff „Pornografie“ wird (ausser in Zitaten), in dieser Schreibweise
verwendet. Der Kurzbegriff „Porno“ als solcher oder in Wortkombinationen wird
dann benutzt, wenn dies der jeweiligen Ausdrucksweise entspricht 1 .
1
Jugendliche benutzen beispielsweise die Wendung „voll porno“, nicht aber „voll
pornografie“ oder dergleichen; es wird vom „Pornobusiness“, der „Pornoindustrie“,
„Pornoproduzenten“ oder auch von „Pornostars“, „Pornodarstellern“ gesprochen. Weitere
solche Begriffe sind: „Pornofilm“, „Softpornos“, „Porno-Rapper“, „Pornokompetenz“,
„Porno Chic“, „Pornokultur“, „Pornosex“, „pornotypisch“, etc.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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1.
EINLEITUNG
1.1
THEMENWAHL
Im Rahmen von Ausbildungspraktika in der Jugendarbeit ist uns die Bedeutung
des Themas jugendlichen Pornografiekonsums, dessen möglichen Folgen und der
Suchbewegung nach professionellem Handeln in der Sozialen Arbeit, bewusst
geworden.
Dabei
stellten
sich
uns
die
folgenden
Fragen:
Wie
gehen
SozialarbeiterInnen im professionellen Umfeld mit dem Phänomen jugendlichen
Pornografiekonsums um? Welche Kriterien sollten dabei beachtet werden?
Welche Umstände sind förderlich, beziehungsweise hinderlich? Gibt es überhaupt
verlässliche Antworten zu diesen Fragen?
1.2
FRAGESTELLUNG UND AUFBAU DER ARBEIT
1.2.1 VON DEN HYPOTHESEN ZUR FRAGESTELLUNG
Aus unseren eigenen Praxiserfahrungen schliessen wir, dass der Sozialen Arbeit
eine Rolle bezüglich gelingender (sexueller) Entwicklung Jugendlicher zukommt.
Weiter gehen wir davon aus, dass Soziale Arbeit Jugendlichen im Umgang mit
Pornografie Unterstützung bieten sollte. Eine Verhinderung der Konfrontation mit
Pornografie
ist
weder
faktisch
durchsetzbar,
noch
erstrebenswert.
Eine
abschirmend-behütende, wertend-ablehnende, ja gar sanktionierende Haltung
scheint uns kein geeigneter Zugang zu sein. Hingegen verspricht nach unserer
Einschätzung
ein
akzeptierender,
verständnisorientierter
und
fachlich
kompetenter – wenn auch nicht gänzlich wertfreier – Ansatz Nachhaltigkeit.
Diese Arbeit geht der Frage nach der geeigneten Form des Begleitens und
allenfalls Schützens nach. Wir beziehen uns auf den Berufskodex der Sozialen
Arbeit Schweiz, wonach Selbstbestimmung, Emanzipation und Empowerment an
verschiedenen
Stellen
(Grundsätze,
Grundwerte,
beziehungsweise
Handlungsprinzipien der Sozialen Arbeit) beschrieben werden (AvenirSocial,
2010, S. 4-9). Auch in der Begleitung Jugendlicher in ihrer (sexuellen)
Entwicklung
erachten
wir
die
genannten
drei
Handlungsmaximen
als
unentbehrlich.
Aus diesen Hypothesen ergeben sich die folgenden Teilfragen:
•
Welches Verständnis von Sexualität können wir sinnvollerweise unserer
Arbeit zugrunde legen?
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•
Wie definieren wir Pornografie als wissenschaftlich zu untersuchenden
Gegenstand?
•
Wie und weshalb nutzen Jugendliche pornografisches Material? Welche
Auswirkungen lassen sich unter besonderer Berücksichtigung der sexuellen
Entwicklung gemäss aktuellem Forschungsstand konstatieren?
•
Welche
Rolle
kommt
der
Sozialen
Arbeit
im
Umgang
mit
jugendlichem Pornografiekonsum zu? Wo liegen die Möglichkeiten
und Grenzen der Einflussnahme?
1.2.2 GLIEDERUNG
Wir klären zuerst das für unsere Arbeit geeignete Verständnis von Sexualität und
leiten dann zur sexuellen Entwicklung (Jugendlicher) über. In der Folge
beleuchten wir den Gegenstand der Pornografie aus verschiedenen Blickwinkeln,
um anschliessend auf die Nutzung pornografischen Materials und mögliche
Auswirkungen auf Jugendliche zu sprechen zu kommen. Es folgen Möglichkeiten
des
professionellen
Pornografiekonsums.
Umgangs
Abschliessend
mit
dem
erfolgen
Phänomen
eine
jugendlichen
Diskussion
und
Schlussfolgerungen zu den jeweiligen Ergebnissen.
1.3
EINBETTUNG IN EINEN THEORETISCHEN BEZUGSRAHMEN
Die
Soziale
Arbeit
stützt
sich
traditionellerweise
auf
verschiedene
Bezugswissenschaften wie Pädagogik, Psychologie, Recht, Soziologie und weitere
mehr. Die verschiedenen Bezüge, unter anderem zur sexuellen Entwicklung
Jugendlicher, Mediennutzung und handlungstheoretischen Ansätzen der Sozialen
Arbeit verlangen nach einem interdisziplinären Zugang. Auf diesem Hintergrund
haben wir die Recherche für die vorliegende Arbeit durchgeführt. Einzelne
Studien und/oder Werke gründen auf interdisziplinären Ansätzen, wo dies nicht
der Fall war, haben wir diverse Blickwinkel und Zugänge zu berücksichtigen
versucht.
Uns entsprechen der lebensweltorientierte Zugang nach Thiersch sowie die
traditionellen Handlungsmaximen nach Addams und Salomon (Humanistisches
Menschenbild, Hilfe zur Selbsthilfe, Anfangen wo der/die KlientIn steht, etc.). An
Müllers Ansatz schätzen wir die Multiperspektive. Dabei inspiriert uns die
dahinterliegende Idee des Einnehmens verschiedener Blickwinkel, was unserer
Ansicht
nach
einer
differenzierten
Meinungsbildung
dient.
Des
Weiteren
orientieren wir uns an Freires Prinzip der Bewusstseinsbildung. Dieser Zugang
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scheint
uns
im
Zusammenhang
mit
der
Thematik
jugendlichen
Pornografiekonsums besonders geeignet. Zudem liefert sie eine Art „Gegenstück“
auf
Klientenseite
zur
obenerwähnten
differenzierten
Meinungsbildung
auf
SozialarbeiterInnenseite.
1.4
EINBETTUNG IN DIE FORSCHUNG
Die Ursprünge der Pornografieforschung sind in den USA zu verorten. Im
deutschsprachigen Raum hat die Thematik bisher weniger Aufmerksamkeit
erfahren, wobei sich interessierte WissenschaftlerInnen immer wieder auf
dieselben, zeitlich etwas länger zurückliegenden, aber nach wie vor aktuellen
Untersuchungen stützen. Resultate liegen zur Nutzung (Gründe, Häufigkeit, etc.)
sowie
zu
den
Auswirkungen
von
Pornografie
vor.
Die
in
dieser
Arbeit
berücksichtigten psychologischen Forschungen beziehen sich auf die Wirkung von
Medien. Dies wurde mit den Methoden der qualitativen und quantitativen
Befragung sowie mittels psychophysiologischen 2 Messungen erforscht.
1.4.1 METHODENWAHL
Entgegen
unserem
wissenschaftlich
ursprünglichen
verwertbaren
Wunsch,
empirischen
Teil
mussten
wir
auf
dieser
Arbeit
einen
verzichten.
Einerseits waren uns klare zeitliche Grenzen gesetzt. Andererseits hätten Setting
und
allfällige
Ergebnisse
einer
von
uns
durchgeführten
Untersuchung
wissenschaftlichen Standards nicht genügt. Es liegt in der Natur der Thematik,
dass bei Befragungen die Gefahr von Verzerrung durch sozial erwünschtes
Beantworten
besonders
gross
ist.
Deshalb
entschlossen
wir
uns
zur
Konzentration auf bereits vorhandenes Forschungsmaterial sowie auf das
Studium von Fachliteratur.
Nichts desto trotz haben wir ein Gruppeninterview mit vier Mädchen geführt und
transkribiert. Dieses verwenden wir nun im Anhang zur Illustration unserer
Arbeit.
2
Anhand Körperfunktionen werden psychische Abläufe abgebildet.
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2.
SEXUALITÄT
2.1
VERSTÄNDNIS / SINNKOMPONENTEN
Wir werden in diesem Abschnitt nicht den Versuch wagen, Sexualität zu
definieren. Es soll nicht darum gehen aufzuzeigen, was Sexualität alles sein
kann, respektive was alles sie beinhaltet. Ziel ist es vielmehr, ein ausgewähltes
Verständnis von Sexualität zu vermitteln, von dem aus wir unsere weitere
Herangehensweise an das gewählte Thema „Generation Porno?“ als passend
erachten. Sexualität soll im Rahmen unserer Arbeit keinesfalls als rein physisches
Phänomen verstanden werden. Sielert bezeichnet Sexualität als „allgemeine auf
Lust bezogene Lebensenergie“ (Sielert, 2005, S. 41), die
•
sich des Körpers bedient
•
aus vielfältigen Quellen gespeist wird (körperlichen, gesellschaftlichen,
sexuellen und nicht-sexuellen)
•
ganz unterschiedliche Ausdrucksformen kennt (von der Genitalität über die
Zärtlichkeit, Leidenschaft, Erotik, Geborgenheit bis zur Geilheit und allen
aggressiven oder gewaltsamen Beimischungen)
•
in verschiedenster Hinsicht sinnvoll sein kann (…)
(Sielert, 1993, S. 32)
Weiter erläutert er die verschiedenen Sinnaspekte, respektive Funktionen der
Sexualität:
•
Identität
•
Beziehung
•
Lust
•
Fortpflanzung
(Sielert, 1993, S. 32, 45) sowie in (Sielert, 2005, S. 49-52)
Sielert verwendet die Begriffe „Funktion“ und „Sinn“ synonym (Sielert, 2005, S.
49). Auch Gloël, der von „Sinnkomponenten“ der Sexualität spricht, übernimmt
diese
Aufteilung
nach
Wertigkeitshierarchie.
Sielert.
Einzelne
Die
können
vier
zu
Aspekte
unterstehen
verschiedenen
keiner
Zeitpunkten
unterschiedlich im Zentrum und/oder in unterschiedlichen Verbindungen stehen.
Gloël weist in Anlehnung an Sielert darauf hin, dass die oben aufgeführte
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Reihenfolge in vielen, jedoch nicht allen Fällen so durchlaufen wird (Gloël, 2010,
S. 4). So individuell und dynamisch die Kombinationen und Gewichtungen der
Sinnkomponenten von Sexualität sein können, so vielfältig wird jeder Mensch
von gesellschaftlichen Bedingungen in seinem sexuellen Erleben beeinflusst
(Gloël, 2010, S. 5).
Der Mensch ist bereits vorgeburtlich ein sexuelles Wesen. Sexuelle Sozialisation
setzt im Kleinkindsalter ein, erlangt aber vor allem im Jugendalter eine ganz
neue Bedeutung.
3.
JUGEND
UND
ADOLESZENZ
Nach einer relativ umfassenden Definition der Jugend durch Wilfried Ferchhoff,
„fängt [diese] mit der (…) Pubertät (…) an und endet, wenn man nicht nur
juristische,
nicht
nur
anthropologische
und
biologische
und
nicht
nur
psychologische, sondern auch soziologische Massstäbe anlegt, mit dem Eintritt in
das Berufsleben und/oder mit der Heirat“ (Ferchhoff, 2007, S. 87).
Schröder definiert die Pubertät als „(…) die körperlichen Veränderungen bei der
Entwicklung
der
primären
und
sekundären
Geschlechtsmerkmale“
(Exner,
Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 91). Unter Adoleszenz wird vor allem
die kulturelle Dimension des Reifungsprozesses verstanden. Sie stellt in
westlichen
Ländern
eine
Art
Moratorium
im
Übergang
vom
Kindes-
ins
Erwachsenenalter dar, in welchen die Heranwachsenden lernen sollen, mit sich
selber, den Mitmenschen, sowie gesamtgesellschaftlichen Anforderungen zu
Recht zu kommen. Dies geschieht durch die aktive Auseinandersetzung mit
körperlichen und kognitiven Veränderungen, Bezugspersonen, der eigenen
(Geschlechter-)Rolle sowie eigenen und gesellschaftlichen Wertmassstäben. Es
geht um die Ausbildung einer relativ stabilen Identität und den damit
zusammenhängenden Fragen der Lebensorientierung. Schliesslich führt der
Prozess zur Ablösung vom Elternhaus (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder,
2005, S. 91; Bibliographisches Institut (Mannheim). Redaktion Schule und
Lernen, 2002, S. 193).
„Körperliche,
psychische
Reifungsprozesse“
(Ferchhoff,
und
sozialkulturelle
2007,
S.
87)
der
EntwicklungsAdoleszenz
und
können
interindividuell etwas früher oder später eintreten, weshalb in der Regel
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bestimmte
Altersspannen
bezeichnet
werden,
in
denen
typische
Entwicklungsschritte stattfinden (Mietzel, 2002, S. 322).
Die Adoleszenz ist nach Schröder in drei Phasen unterteilbar:
•
frühe Adoleszenz: Beginnt mit dem Einsetzen der Pubertät (zwischen 9
und 13) und dauert bis ins Alter von 14/16 Jahren.
•
späte Adoleszenz: Zeitraum zwischen 14/16 und 18/19 Jahren.
•
Postadoleszenz: Junges Erwachsenenalter bis 25/30 Jahre.
(Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 91-92)
Die Jugendphase hat sich gegenüber früher verlängert. Biologische Gründe
führen zu einem früheren Einsetzen der Pubertät, gleichzeitig verlängerte sich die
Ausbildungszeit. Der Übergang ins Berufs- und Familienleben erfolgt somit später
(Ferchhoff, 2007, S. 87-89; Mietzel, 2002, S. 354-355).
3.1
KÖRPERLICHE ENTWICKLUNG / PUBERTÄT
Durch eine vermehrte Ausschüttung der Hormone Östrogen und Androgen
beziehungsweise Testosteron wird die Pubertät eingeleitet. Erste Auswirkung ist
ein deutlich sichtbarer Wachstumsschub. Darauf folgt die Entwicklung der
primären (♀: Wachstum der Eierstöcke, der Gebärmutter, der Scheide und der
Schamlippen / ♂: Wachstum der Hoden, des Hodensacks und des Penis) und
sekundären Geschlechtsmerkmale (♀: Rundung der Hüften, Wachsen der Brüste
und Brustwarzen und der Körperbehaarung / ♂: Männlicher Muskelaufbau,
Wachstum der Körperbehaarung und Stimmbruch), sowie die Geschlechtsreifung
(ersten Regelblutung (Menstruation) / Auftreten des ersten Samenerguss
(Ejakulation)). Jugendliche erlangen somit die sexuelle Reife (Mietzel, 2002, S.
321;
351-356).
Diese
starken
körperlichen
Veränderungen
setzen
auch
innerpsychische Prozesse in Gang. Das eigene Aussehen wird zum wichtigen
Thema. Besonders in der frühen Adoleszenz fühlen sich nicht wenige Jugendliche
in ihrem „neuen“ Körpergefühl verunsichert (Mietzel, 2002, S. 357). Die
Jugendlichen
lernen
langsam,
mit
diesen
körperlichen
Veränderungen
umzugehen und sich in ihrem Körper wieder zu Recht zu finden (Zimbardo &
Gerrig, 2004, S. 449).
3.2
KOGNITIVE ENTWICKLUNG
Etwa zeitgleich mit dem Einsetzen der Pubertät bildet sich laut Jean Piaget die
Fähigkeit zur formalen Operation aus (Mietzel, 2002, S. 321). Dies umfasst unter
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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anderem logisches, auf Fakten bezogenes Schlussfolgern und hypothetisches
oder abstraktes Denken, strategisches Vorgehen, Nachdenken über komplexe
Zusammenhänge und die Fähigkeit zur Reflexion über sich und andere. Sie legen
den Fokus primär auf ihr eigenes Denken und die Individualität der eigenen
Person. Jugendliche überschätzen dabei auch gerne die eigene Wichtigkeit
(jugendlicher Egozentrismus) sowie die eigene Unverwundbarkeit, was zum
typischen jugendlichen Risikoverhalten führt. Diese kognitiven Veränderungen
wirken sich auch entscheidend auf weitere Entwicklungsprozesse im Jugendalter
aus (Mietzel, 2002, S. 326-329; Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 456; Resch, 1995).
3.3
ZWISCHENMENSCHLICHE BEZIEHUNGEN
Mit steigendem Alter orientieren sich die Heranwachsenden vermehrt an sozial
gleichgestellten Gleichaltrigen, so genannten Peer-Groups. Die Familie bleibt
dabei ein zentraler Bezugspunkt für die Jugendlichen; mit ihr werden finanzielle,
schulische Angelegenheiten, oder Fragen der Ausbildung, der Berufswahl
besprochen. Mit Freunden wird dagegen über Beziehungen zu Gleichaltrigen oder
Sexualität gesprochen und vorwiegend die Freizeit verbracht. Ein Gefühl des
Vertrauens und der Solidarität entsteht (Baacke, 2007, S. 15-17). Bourne und
Ekstrand
zitieren
Sullivan,
der
davon
ausgeht,
dass
Peer-Groups
dem
Jugendlichen als „Zuflucht vor dem Druck, den Eltern und Schule auf ihn
ausüben“, dienen (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341). Das soziale Netzwerk der
Jugendlichen weitet sich durch die gleichaltrige Bezugsgruppen (Cliquen) deutlich
aus. Diese werden langsam zum Experimentier- und Lernraum für spätere stabile
sexuelle Partnerschaften (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341).
4.
SEXUELLE ENTWICKLUNG
UND SEXUELLE
IDENTITÄT
Die persönliche Sexualität bildet sich auf der Grundlage der erfahrenen
Möglichkeiten zur Lustempfindung, enthält jedoch weitere Aspekte, die während
der sexuellen Entwicklung des Menschen nach und nach an Bedeutung erfahren.
Dazu zählen sozial geteilte Normen und Symbole der Sexualität, persönliche
Wahrnehmungen, Gefühle, Emotionen, Fantasien und Vorstellungen, die „in
enger Verbindung mit der persönlichen Sexualität stehen“ (Gehrig, 2006). Ein
hilfreicher Ansatz zur Verbindung dieser innerpsychischen und gesellschaftlichen
Dimension ist das „sexuelle Skript“ von Simon und Gagnon. Sexualität ist dabei
nicht
durch
biologische
Triebe
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
determiniert,
sondern
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in
weiten
Teilen
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gesellschaftlich konstruiert 3 (Simon & Gagnon, 2005, S. 8). Ihr Ansatz verbindet
eine kulturelle, interpersonelle und innerpsychische Dimension der Sexualität
(Lautmann, 2002, S. 182).
4.1
SEXUELLE SKRIPTE
Durch soziale Interaktionen erfahren Kinder unbewusst soziale Normen der
Sexualität.
Die
auf
Nachahmung
von
Beobachtetem
Verhalten
folgenden
Reaktionen des sozialen Umfeldes weisen das Kind auf „erwünschtes“ oder
„unerwünschtes“ Verhalten hin. Innerhalb dieser Interaktionen wird auch die zum
biologischen Geschlecht passende Geschlechterrolle 4 erlernt (Zimbardo & Gerrig,
2004, S. 527). Kinder entdecken und konstruieren dabei die sexuelle Welt in
kleinen Teilen, wohlbewusst, dass ihnen von der Erwachsenenwelt noch Dinge
vorenthalten werden. Nach und nach wachsen die einzelnen Puzzleteile zu einem
vorläufigen 5 Gesamtbild heran (Escoffier & Jackson, 2007, S. 10). Dieses Bild
enthält kulturelle Konventionen sexueller Aktivitäten, „wie man sich verhalten
soll; wann, wo und wie es getan werden soll; mit wem oder womit; warum und
aus welchem Anlass“ (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Welches Verhalten als
natürlich oder unnatürlich beziehungsweise als pervers gilt (Simon & Gagnon,
2005, S. 3). In sexuellen Normen spiegeln sich gesellschaftlich geteiltes Wissen
und geteilte Vorstellungen zur Sexualität wieder (Krahé, Bieneck, SteinbergerOlwig, 2004, S. 5). Diese gesellschaftlichen Szenarios der Sexualität werden vom
Individuum jedoch nicht einfach übernommen (Lautmann, 2002, S. 182).
In der Verbindung mit individuellen Aspekten, bilden sich kognitive Schemata des
Sexualverhaltens,
sogenannte
entstehen
individuelle
durch
„sexuelle
Skripte“
Bedeutungs-
und
heraus.
Sexuelle
Sinnzuschreibungen
Skripte
6
und
beinhalten Vorstellungen und Einstellungen zur Sexualität. Sie sind Drehbücher
dessen, wie Sexualität abzulaufen hat und was wir in der Sexualität als
3
Interessante Ausführungen zu dieser einzigartigen menschlichen Fähigkeit sind bei
Berger & Luckmann zu finden: Im Gegensatz zu anderen Lebewesen ist der Mensch in
der Lage, sich aus zwei Perspektiven heraus wahrzunehmen: 1. Ein Körper sein, 2. Einen
Körper haben. Die beiden Formen der Selbsterfahrung gilt es in Balance zu bringen
(Berger & Luckmann, 2009, S. 53).
4
„Erfahrungen (…) was es bedeutet, ein Mädchen oder ein Junge zu sein“ (Mietzel, 2002,
S. 233), wie man sich passend zu seiner Geschlechterrolle (rollentypisch) verhält, werden
zu kognitiven Schema (sog. sozialen Skripts) geordnet (Mietzel, 2002, S. 233-235).
5
Die persönlichen Vorstellungen von Sexualität entwickeln über das ganze Leben hinweg
immer weiter.
6
Wie Berger & Luckmann erläutern, geht es um den Prozess vom „einfachen
Verständnis“
zum
„Selbstverständnis“
gesellschaftlicher
Präskripte;
d.h.
die
Internalisierung wird mit „Eigen-Sinn“ verbunden (Berger & Luckmann, 2009, S. XV).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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angenehm empfinden (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527; Simon & Gagnon,
2005, S. 4; 14). Unsere spezifischen sexuellen Wünsche, Phantasien und
Vorlieben in Bezug auf spezifische erotische Situationen, sexuelle Praktiken oder
Erwartungen und Präferenzen in Bezug auf einen Sexualpartner werden durch
diese Skripte gelenkt (Schmidt, 2005, S. 99-101). Zudem werden aktuelle
sexuelle Situationen, in der Regel unbewusst, anhand von schon bestehenden
persönlichen Skripts subjektiv beurteilt. Dies gilt auch für die grundlegende
Beurteilung einer Situation als „sexuell“ oder „nicht sexuell“ (Ertel, 1990, S. 57).
Sexuelle Skripte dienen uns also als Orientierung und Wegweiser persönlicher
„sexueller Empfindungen und Aktivitäten“ (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527).
Auf der interpersonellen Ebene strukturieren Skripte die sexuelle Interaktion und
„ermöglichen ein Handeln in wechselseitiger Bezogenheit“ (Lautmann, 2002, S.
182). Trotz gesellschaftlich vorgegebenen Rahmenbedingungen können Skripte
der
Sexualität
interindividuell
unterschiedlich
ausgeprägt
sein.
Durch
verschiedene sexuelle Biografien bringen die Sexualpartner andere Fertigkeiten,
Wünsche und Fantasien in die gemeinsam gelebte Sexualität mit (Clement, 2009,
S. 66). Dies führt notwendigerweise dazu, dass Sexualpartner ihre sexuellen
Skripte aufeinander abstimmen müssen, um Irritationen und Differenzen zu
überwinden (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Ein gemeinsames Szenario für
den Ablauf sexueller Interaktionen wird ausgehandelt (Lautmann, 2002, S. 182).
Die menschliche sexuelle Entwicklung beginnt nicht erst in der Pubertät, sondern
weit früher, durch den vorgeburtlich angelegten Erregungsreflex 7 (Gehrig, 2006).
Bereits kurz nach der Geburt können die Kleinkinder dabei beobachtet werden,
wie sie ihren eigenen Körper erkunden und dabei sehr früh das reizvolle Spiel mit
ihren Genitalien entdecken. Im Alter von etwa zwei Jahren beginnen Kinder, sich
den
Geschlechtsorganen
und
der
Geschlechtszugehörigkeit
von
sich
und
Gleichaltrigen auseinanderzusetzen (Mietzel, 2002, S. 372-373). Diese genitalen
Spiele von Kindern werden von Erwachsenen oft als sexuelle Aktivitäten
gedeutet. Die Kinder lernen dabei erst durch die sexuellen (und teilweise
moralischen)
Zuschreibungen
und
Benennungen
ihrer
Aktivitäten
durch
Erwachsene, dass sich diese Tätigkeit von andern (angenehmen) Aktivitäten
irgendwie unterscheiden muss (Simon & Gagnon, 2005, S. 10). Sie erfahren in
7
Es existieren Ultraschallbilder, auf welchen der erigierte Penis vom männlichen
Ungeborenen deutlich sichtbar ist.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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der Interaktion mit beziehungsweise der Reaktion aus ihrem Umfeld, die
Unterschiede
zwischen
Öffentlichkeit
und
Privatheit,
und
damit
zusammenhängend der Bedeutung von Intimität in der eigenen Sexualität
(Gehrig, 2006). Die in der frühen Kindheit zunächst einfachen Skripte entwickeln
sich durch die Interaktion mit erwachsenen Bezugspersonen und Gleichaltrigen
als auch durch Beobachtung medial vermittelter Rollenbilder immer weiter aus
(Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527; Simon & Gagnon, 2005, S. 75). Während der
Adoleszenz wird sich der Jugendliche durch die körperlichen Veränderungen und
den damit zusammenhängenden sozialen Zuschreibungsprozessen seiner selbst
als sexuelles Wesen bewusst (Simon & Gagnon, 2005, S. 33). Durch erste
praktische sexuelle Erfahrungen mit sich und andern erweitern und differenzieren
sich die sexuellen Skripte weiter aus. Sie werden vom Individuum aktualisiert,
modifiziert, oder auch verworfen (Simon & Gagnon, 2005, S. 75; Lautmann,
2002, S. 182). Skripte stehen in unmittelbarer Verbindung mit der Bildung der
Identität, respektive der sexuellen Identität.
4.2
IDENTITÄT / SEXUELLE IDENTITÄT
In der Adoleszenz geschieht, unter anderem auch durch die ausgeprägte
körperliche
Veränderung,
eine
verstärkte
Auseinandersetzung
mit
der
persönlichen Sexualität sowie der damit zusammenhängenden Erwartungen, die
an sie als Frau oder Mann gestellt werden. Dies ist eine von verschiedenen
Facetten der Identitätsbildung (Schäfers & Scherr, 2005, S. 83).
Zimbardo und Gerrig beschreiben nach Erikson die Auseinandersetzung mit der
eigenen Identität, die Bewältigung einer Identitätskrise, als die zentralste
Aufgabe des Jugendalters (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 343). Sie wird definiert,
als „(…) Erfahrung eines Individuums, eine einzigartige, kohärente und von
inneren
(psychischen)
oder
äusseren
(Umgebungs-)Veränderungen
relativ
unabhängige Einheit zu sein“ (Bibliographisches Institut Mannheim, 2002, S.
173). Die Erlangung der eigenen Ich-Identität entsteht durch die Interaktion mit
den verschiedenen
Bezugspersonen. Nach Erikson stellen sich dabei die
Jugendlichen selbst in Frage. Sie sind durch Rollenerprobung auf der Suche, wer
sie sind und wer sie zukünftig sein wollen (Selbstbild). Gelingt dieser Prozess
nicht, versinkt der Jugendliche in Orientierungslosigkeit (Zimbardo & Gerrig,
2004, S. 471).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
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Abels bezieht sich auf George Herbert Mead, nach welchem Identitätsbildung auf
der
Auseinandersetzung
mit
Rollenerwartungen
des
Umfelds
basiert.
Voraussetzung dafür, ist die Fähigkeit zur Rollenübernahme. Dies bedeutet, seine
eigenen Absichten zu kennen und sich dabei auch in die Rolle, Absichten,
Erwartungen und möglichen Reaktionen des Gegenübers hineinversetzen zu
können. Man lernt sich durch die Augen anderer zu sehen. Die Person wird sich
ihrer selbst in der Interaktion bewusst. Das Individuum kann sich dadurch aktiv
mit den Rollenerwartungen auseinandersetzen und diese bewusst einhalten, oder
auch ablehnen. Es ist sich selbst und seiner eigenen Identität bewusst (Abels,
2007, S. 333-340).
Nach Bourne und Ekstrand betrachtet Kohlberg die Fähigkeit, eigene moralische
Urteile zu treffen, als Voraussetzung zur Bildung einer Ich-Identität. Gemäss
diesem Modell leisten Menschen im Jugendalter einen Entwicklungsschritt von
einer
so
genannten
„konventionellen
Konformität“
zu
„selbstakzeptierten
moralischen Grundsätzen“. Das bedeutet, dass sie sich nicht mehr aus Angst vor
Sanktionen oder Ablehnung anpassen, sondern weil sie ihr Handeln an Kriterien
des Wohles der Gesellschaft und/oder an eigenen moralischen Prinzipien
orientieren. Dieser Schritt zeichnet sich deutlich durch das in Frage stellen,
geltender Werte und Normen durch die Jugendlichen aus. Eigene bisherige
Massstäbe werden mit andern verglichen, verteidigt oder verworfen. Damit
können eigene Standpunkte gebildet werden, welches als Bestandteil der
Identität zu sehen ist (Bourne & Ekstrand, 2005, S. 341-343).
Diese drei Ansätze der Identitätsbildung zeigen deutlich, dass die Ausbildung der
Identität der Interaktion mit anderen Personen bedarf. Geprägt wird der
Jugendliche dabei besonders durch die Sozialisationsinstanzen Familie, Schule,
Freundeskreis und (Massen)Medien und deren Vorbildrolle. Diese ermöglichen
Orientierung
und
Identifikation.
Jugendliche
imitieren,
vergleichen
und
identifizieren sich mit anderen, lehnen sich gegen die Erwartungen der
Erwachsenenwelt auf und finden sich durch wiederholte Selbsterprobung dabei
selbst (Baacke, 2007, S. 254-255).
Heranwachsende
spezifische
bilden
persönliche
im
Rahmen
sexuelle
der
Identität
Identitätsentwicklung
und
Sexualmoral
auch
ihre
heraus.
Die
individuelle sexuelle Identität setzt sich nach Weinand (Weinand, 2010, S. 3-7)
aus folgenden vier Aspekten zusammen:
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HS 2010/11
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•
Biologisches Geschlecht
•
Geschlechtsidentität 8
•
Geschlechterrolle
•
Sexuelle Orientierung 9
Die Normen der Sexualität sind stark von der herrschenden Kultur geprägt
(Weinand,
2010,
S.
3).
Das
Individuum
setzt
sich
im
Prozess
der
Moralentwicklung in der Adoleszenz mit diesen ungeschriebenen sozialen
Vorgaben auseinander und entwickelt seine persönliche Sexualmoral (vgl.
Kohlbergs Moralentwicklung).
Im Verlaufe der Adoleszenz gewinnt die jugendliche Sexualität zunehmend an
Reife. Durch die Fähigkeit zur Rollenübernahme rückt auch das Wohl des
Partners zunehmend ins Zentrum. Jugendliche Sexualpartner lernen, sich über
ihre sexuellen Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen, Grenzen und Ängste
auszutauschen
beziehungsweise
ihre
sexuellen
Skripte
aufeinander
abzustimmen, die gemeinsame sexuelle Praxis auszuhandeln. Intimität zu zweit
wird mehr und mehr bewusst gelebt und der Wunsch sich längerfristig zu binden
wächst (Gehrig, 2006; Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 527). Die Fähigkeit zur
Intimität, das heisst sich emotional, moralisch und sexuell an einen Partner, eine
Partnerin zu binden, in der Beziehung Verzicht zu üben und Verantwortung zu
übernehmen, gehört nach Erikson zur zentralen Entwicklungsaufgabe im jungen
Erwachsenenalter (Zimbardo & Gerrig, 2004, S. 471).
Die Adoleszenz ist sowohl für Jugendliche, als auch für ihre erwachsenen
Bezugspersonen eine herausfordernde Zeit. Vielfältige biopsychosoziale Faktoren
beeinflussen die Entwicklung und können diese fördern oder erschweren.
Pornografie ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, dass für unsere Arbeit
ganz im Sinne von Gloël als „sozialisationsbedingten Einfluss“ (Gloël, 2010, S. 5)
zu verstehen ist.
8
Es geht um die Empfindung, „ob man sich als Mann oder als Frau fühlt“ (Weinand,
2010, S. 6).
9
Nach Weinand charakterisiert als „die Hauptzielrichtung der romantischen, emotionalen
und sexuellen Interessen einer Person in Hinblick auf die gewünschten
Geschlechtspartner“, also nicht nur die Frage nach der Wahl des Geschlechts des
Sexualpartners (Weinand, 2010, S. 7).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 21
5.
PORNOGRAFIE
5.1
DEFINITION / DIFFERENZIERUNG
Um den Begriff „Pornografie“ herleiten zu können, gehen wir an dieser Stelle von
der ursprünglichen Schreibweise „Pornographie“ aus. Etymologisch lässt sich der
Begriff aus dem Griechischen „porneia“ (Unzucht) oder auch „porne“ (Hure)
sowie „graphein“ (schreiben) zurückführen und kann folglich wörtlich mit „über
Huren schreiben“ 10 übersetzt werden (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S.
447).
Das Unterfangen, Erotik und Pornografie möglichst trennscharf voneinander
abzugrenzen, erweist sich als schwierig: Entweder fliessen Wertungen, implizite
Annahmen über Funktionen oder Einschränkungen in die Differenzierung ein.
Beispiele dafür sind die Auffassung von Erotik als kunstvolle Darstellung des
Sexuellen,
Pornografie
als
gezieltes
Mittel
zur
sexuellen
Erregung
oder
Definitionen von Pornografie als sexuelle Darstellung mit Fokus auf menschliche
Genitalien
(Groeben,
Gimmler,
Six,
Vogel,
2007,
S.
447-448).
Solche
Differenzierungen erweisen sich als problematisch, weil a) Werte nicht universelle
Gültigkeit besitzen,
b)
Pornografiekonsum
verschiedene
Funktionen
erfüllt
(insbesondere bei Jugendlichen, vgl. Unterkapitel „Nutzung“) und c) Einengung in
beschreibenden Definitionen gewisses Pornografiematerial ausschliesst.
Aus eigenen Praxiserfahrungen in Gesprächen mit Jugendlichen wissen wir, dass
der Begriff „Porno“ oftmals für verschiedenstes Material verwendet wird. Dieses
Phänomen ist nicht lediglich mit Undifferenziertheit zu erklären, sondern
massgeblich
beeinflusst.
durch
subjektive
Individuelle
moralische
Werthaltungen
und
ästhetische
ihrerseits
werden
Werthaltungen
wiederum
von
gesellschaftlich gültigen Normen und Werten geprägt. Will man Pornografie als
wissenschaftlichen Gegenstand untersuchen, so kommt man um eine Definition
nicht herum. Allerdings sollte diese den oben beschriebenen Schwierigkeiten
Rechnung tragen. Wir fragen:
1. Macht die Unterscheidung zwischen Erotik und Pornografie Sinn 11 ?
10
Vogel verwendet diese wörtliche Übersetzung, ebenso Gernert (Gernert, 2010, S. 98);
bei Zillmann lautet die Übersetzung „Schriften über Huren“ (Charlton, Hesse, Schwan, &
Zillmann, 2004, S. 566).
11
Ein weiterer Versuch der Abstufung durch sprachliche Regelung unternimmt Herbert
Selg unter dem Begriff „Erotografie“. Ziel ist die Unterscheidung verschiedener
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 22
2. Wie kann der Gegenstand ohne Bewertung, spezifische Verknüpfung,
implizit unterstellte Wirkung und / oder Ausschluss gewissen Materials
definiert werden?
3. Wie lässt sich eine solche Definition begründen?
Frage 1: Nach Zillmanns Ansicht macht die Unterscheidung zwischen Erotik und
Pornografie keinen Sinn, da die Differenzierung wiederum auf Werthaltungen und
/ oder impliziten Vorannahmen über die Funktion basieren würde. Er betrachtet
die Begriffe „Erotik“ und „Pornografie“ als synonym verwendbar. Als Antwort auf
Frage 2 schlägt er folgende Definition vor:
Definition
Pornografie wird definiert als Darstellungen sexuellen Verhaltens jeglicher Art,
das von jeder denkbaren Zusammensetzung handelnder Akteure ausgeführt
wird.
Subkategorie: Zwangshaltige Pornografie
Darstellungen aller Formen körperlicher Gewalt oder Drohungen mit dem Ziel,
Personen gegen ihren Willen zur Teilnahme an sexuellen Handlungen zu
bewegen, werden als zwangshaltige Pornografie definiert.
Subkategorie: Gewalthaltige Pornografie
Sexuelle Darstellungen, welche das vorsätzliche Zufügen von Schmerzen durch
körperliche Gewalt gegen Personen, die diesen Handlungen nicht zustimmen,
beinhalten, werden als gewalthaltige Pornografie definiert.
(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568-569)
Zillmann
beantwortet
Frage
3
mit
den
„enormen
interindividuellen
Unterschieden“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 567) in den
Wahrnehmungen
vermeidbare
und
Umstand,
Wertungen
den
sexueller
Zillmann
als
Darstellungen.
„definitorisches
Dieser
Problem
nicht
der
Mehrdeutigkeit“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568) bezeichnet,
lässt seines Erachtens jede Definition von Pornografie, die den unter Frage 2
beschriebenen Kriterien nicht Rechnung trägt, unbrauchbar werden. Er plädiert
Darstellungen durch eine klarere begriffliche Bestimmung. Da sich der Begriff allerdings
bisher nicht durchgesetzt zu haben scheint (anhand der konsultierten aktuellen
Fachliteratur), gehen wir nicht näher darauf ein. Mehr Informationen sind zu finden in
folgender elektronischer Quelle: http://www.fsf.de/php_lit_down/pdf/selg_tvd01.pdf
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 23
daher für beschreibende Kategorien, für „darstellungsorientierte Definitionen“
(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 568); die Bedingung des
Nichtausschliessens steht allerdings einer griffigen, übersichtlichen und klar
strukturierenden Definition diametral gegenüber. Vogel bezieht sich in erster
Linie auf Zillmanns Definition. Weiter erwähnt sie eine beschreibende, somit
einschränkendere Form in Anlehnung an Faulstich, 1994: „Charakteristisch für
Pornographie ist eine offene und detaillierte Darstellung sexueller Aktivitäten,
d.h. die Geschlechtsorgane – insbesondere der erigierte männliche Penis bzw. die
geöffnete
weibliche
Vagina
–
werden
unverhüllt
während
des
Geschlechtsverkehrs gezeigt“ (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 448).
Selbst wenn eine Definition bezüglich Form der sexuellen Darstellung und
Darstellenden (Anzahl, Geschlecht), visuell oder audio-visuell, beschrieben wird:
Sobald
die
Einschränkung
auf
die
besondere
Betonung
primärer
Geschlechtsmerkmale erfolgt, ergibt sich das Problem des Ausschlusses von
(illegalem) Nischenmaterial der Pornografie 12 .
Der Definitionsversuch der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter
Deutschland zeigt das von Zillmann beschriebene Problem der Mehrdeutigkeit
beispielhaft auf:
Was ist Pornografie?
Diese Frage ist bisher nur unbefriedigend gelöst. Eine gesetzliche Definition existiert
nicht. Grundsätzlich ist zwischen sog. harter und einfacher Pornografie zu unterscheiden.
Von der Rechtsprechung wird die sog. einfache Pornografie definiert als grobe
Darstellung des Sexuellen in drastischer Direktheit, die in einer den Sexualtrieb
aufstachelnden oder die Geschlechtlichkeit in den Schmutz ziehenden oder lächerlich
machenden Weise den Menschen zum bloßen (auswechselbaren) Objekt geschlechtlicher
Begierde oder Betätigung jedweder Art degradiert. Zu berücksichtigen sind dabei auch
die vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Kriterien der aufdringlich vergröbernden,
anreißerischen, verzerrenden, unrealistischen Darstellung, die ohne Sinnzusammenhang
mit anderen Lebensäußerungen bleibt oder gedankliche Inhalte zum bloßen Vorwand für
provozierende Sexualität nimmt (BGHSt 23, 40, 44).
Der Begriff der sog. harten Pornografie ist in §§ 184 a und b Strafgesetzbuch (StGB)
bestimmt: zur harten Pornografie werden pornografische Schriften gezählt, die
Gewalttätigkeiten, sexuelle Handlungen von Menschen mit Tieren oder den sexuellen
Missbrauch von Kindern zum Gegenstand haben.
Wissenschaftliche Werke gelten von vorneherein als nicht pornografisch. Dagegen ist eine
Trennung von Pornografie und Kunst nicht möglich, so dass nach den Umständen des
Einzelfalls auch ein Kunstwerk als pornografisch eingestuft werden kann. Für die
Bewertung, ob es sich um eine pornografische Darstellung handelt, sind nicht die
subjektiven Zielvorstellungen und Tendenzen des Verfassers maßgeblich. Vielmehr
kommt es allein auf den objektiven Gehalt und die Art der Darstellung an. Eventuell sind
beigefügte Erläuterungen und Andeutungen zu berücksichtigen, keinesfalls jedoch die
12
Ein Beispiel dafür ist der Verzehr von Fäkalien oder auch sado-masochistische
Darstellungen bekleideter AkteurInnen.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
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Ziele und Vorstellungen des Herstellers. Auch bei Kinderpornografie (= pornografische
Darstellung einer Person unter 14 Jahren, § 184 b Absatz 1 StGB) wird ein objektiver
Maßstab angesetzt, d.h. maßgeblich ist grundsätzlich das tatsächliche Alter des
Darstellers. Unerheblich ist sowohl eine unwahre Behauptung über das Alter des Kindes
als auch die Tatsache, dass das Kind aus der Sicht des Betrachters älter wirkt. Auf die
Sicht des Betrachters ist nur dann abzustellen, wenn die Person, die Gegenstand der
Darstellung ist, wie ein Kind wirkt, auch wenn sie tatsächlich älter ist. In diesem Fall wird
auch von Kinderpornografie ausgegangen.
(fsm, 2010)
In diesen Ausführungen finden wir die von Zillmann beschriebenen Probleme: Auf
Werthaltungen und / oder impliziten Vorannahmen über die Funktion beruhende
Definitionen.
Es
wird
von
einem
„objektiven
Gehalt“
und
der
„Art
der
Darstellung“ gesprochen; diese Beurteilung erfolgt jedoch wiederum durch eine
oder mehrere Person/en und erhält somit subjektiven Charakter. Eine Möglichkeit
besteht darin, die subjektive Definition als solche zu benennen ebenso wie die
Haltung gegenüber der Thematik Pornografie. Dies tut beispielsweise Alice
Schwarzer, die sich wie folgt äussert: „Reden wir also darüber, was eine
Feministin wie ich unter Pornografie versteht. Mit Erotik oder Nacktheit hat das
wenig zu tun (auch wenn es oft schwer zu trennen ist). Pornografie ist zu
erkenne an der Verknüpfung von Lust auf Sex mit Lust auf Erniedrigung und
Gewalt“ (Schwarzer, 2000, S. 126). So sieht das auch Dines, wenn sie davon
spricht, dass es in pornografischem Sex nicht darum gehe Liebe zu machen,
sondern darum dass der Mann der Frau Hass entgegenbringe (Dines, 2010, S.
xxiv). Ihr Verständnis von Pornografie bezieht sich nach eigenen Aussagen
hauptsächlich auf „gonzo“
13
; dieses Genre beinhaltet nach Dines Ansicht
Hardcore- und Gewaltszenen, in denen Frauen degradiert und gedemütigt
werden (Dines, 2010, S. xi).
Zur Schwierigkeit im Umgang mit der Sprache und dem Begriff der Pornografie
äussert sich auch Nussbaum dahingehend, dass beschreibend kommuniziert
werden sollte, wenn sie wie folgt ausführt:
„Schon per Definition ist Pornografie durch die häufige Verknüpfung mit dem
Aspekt des Obszönen ein stark wertgeleiteter Begriff, was in Diskussionen um
Pornografie zu ungenauen, missverständlichen Begriffsverwendungen führt.
13
Pornografischer Film ohne jegliche Rahmenhandlung, der ausschliesslich und
unmittelbar sexuellen Verkehr in jeglicher Form zeigt (vgl. Dines, 2010; Gernert, 2010),
durch Gespräche mit Jugendlichen während den Praktika sowie durch eigene Recherche
über die Pornoclipplattformen (youporn.com u.ä.) überprüft.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 25
(…) Nicht alles, was Jugendliche (und auch Erwachsene) als pornografisch
bezeichnen,
entspricht
denn
auch
tatsächlich
etwas
Pornografischem.
Vorteilhafter wäre deshalb ein sorgfältiger Umgang mit dem Begriff der
Pornografie, wobei besser über konkrete (pornografische) Inhalte anstatt
unklarer Ausdrücke gesprochen würde. Nur so wird es möglich sein, dass sich
sowohl Erwachsene wie auch Jugendliche differenziert und klar ausdrücken,
um eine inhaltliche, sachliche Diskussion zu führen“ (Nussbaum, 2009, S.
12).
Diese Aussagen Nussbaums weisen auf die bereits betonte Schwierigkeit der
Gegenstandsklärung
hin.
Gleichzeitig
stellt
und
dieser
Zugang
vor
neue
Probleme: Es bleibt offen, wer schliesslich die Definitionsmacht inne hat, Inhalte
als pornografisch, beziehungsweise nicht-pornografisch zu bezeichnen. Es stellt
sich auch die Frage der Tauglichkeit dieses Zuganges in der Gesprächs- und
Beratungssituation. Der mit diesem Zugang verbundene hohe Anspruch bezüglich
differenzierter Artikulation stellt eine zusätzliche Hürde dar. Die Voraussetzung,
dass Jugendliche und beispielsweise deren Eltern (wenn von Erwachsenen die
Rede ist) sich „differenziert und klar ausdrücken, um eine inhaltliche, sachliche
Diskussion zu führen“, scheint wenig realitäts-, respektive lebensweltorientiert
und damit im alltäglichen Zugang kaum praktikabel; ein solcher Umgang könnte
bestenfalls als Fernziel angestrebt werden. Die Konzentration auf konkrete
Inhalte führt uns wiederum zu einem beschreibenden Zugang, der letztlich im
Gespräch, jedoch kaum über eine vorgängige, eng gefasste Definition erfolgen
kann.
Für den Rahmen dieser Arbeit stellen sich uns folgende Probleme:
•
Die
verschiedenen
zitierten
AutorInnen
und/oder
Studienergebnisse
vertreten subjektive Definitionen von Pornografie.
•
Einige zitierte AutorInnen und/oder Studienergebnisse äussern sich nicht
zu konkreten Definitionen von Pornografie.
•
Im schweizerischen (straf)rechtlichen Verständnis ist eine spezifische
Definition zu berücksichtigen 14 .
14
Auf die rechtliche Definition von Pornografie in der Schweiz wird in einem separaten
Abschnitt dieser Arbeit eingegangen.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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5.2
PORNOGRAFIEN – DIVERSIFIKATION DES MATERIALS
Gernert betont die vielfältigen und äusserst unterschiedlichen Angebote und
spricht daher vom Plural, also „Pornografien“ (Gernert, 2010, S. 79). Da
Internetinhalte aber immer nur einen oder wenige Klicks entfernt sind, ist der
Zugriff auf diese Vielfalt jederzeit ohne weiteres möglich. Viele Plattformen wie
beispielsweise
„youporn“,
„redtube“,
kategorisierte Übersichtsgalerien
15
„tube8“,
„xnxx“,
„89“
präsentieren
(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,
Schröder, 2005, S. 39), von welchen aus dann auf Links zu Bilder und
Filmszenen zugegriffen werden kann. Auch besteht die Gefahr mit Inhalten in
Kontakt zu geraten, die nicht explizit gesucht wurden. Was mit anfänglicher
Neugier und Interesse an detaillierter Darstellung sexueller Praxis zwischen
gleichwertigen Beteiligten begonnen haben könnte, kann im schlimmsten Fall zur
ungewollten Konfrontation mit erschreckendem und illegalem pornografischem
Material im Internet führen. Dabei sind der Abgründigkeit tatsächlich keine
Grenzen
gesetzt:
Pornografie
mit
Exkrementen,
inzestuöse
Handlungen,
Tierschändung (Sodomie, Zoophilie), Kindern (Pädophilie), Erniedrigung und
Gewalt (ohne oder ohne sichtbare Zustimmung aller Beteiligter, Viktimisierung),
Mord („Snuff“), postmortale Schändung/Störung des Totenfriedens (Nekrophilie).
Im
legalen
Bereich
Pornoindustrie
ist
gilt
der
mächtig.
Grundsatz
der
Dementsprechend
Wirtschaftsfreiheit
werden
auch
und
die
aggressiv
„Neukunden geworben“, unter anderem mit „kostenlosen Muster“, die über
Seiten wie youtube, youporn, freesix 16 und dergleichen angeboten werden. Auch
die legalen Inhalte zeigen längst nicht mehr „nur“ diverse Vorspiele, Oral-,
Vaginal- und Analverkehr zwischen zwei Akteuren; gefragt sind „Gonzos“, in
denen jegliche Rahmenhandlung fehlt und ausschliesslich und unmittelbar
sexueller Verkehr in jeglicher Form gezeigt wird. Es bilden sich immer wieder
neue Trends wie beispielsweise „gang bang“-Szenen, in denen unterschiedlich
viele männliche Akteure gleichzeitig oder in kurzer Abfolge mit derselben Frau
auf verschiedenste Art und Weise sexuell verkehren. Ein anderer Trend ist das
„gagging“, bei dem männliche Akteure den Penis beim Oralverkehr so tief und
fest in den Rachen und Hals der weiblichen Darstellerinnen stecken, dass diese
würgen, husten und/oder sich übergeben. Die Darstellungen wirken auch dann
gewaltsam, wenn eine Akteurin einwilligt und mit der Technik vertraut ist, weil
15
Kurzworte wie „anal“, „bizarr“, „teen“, etc. werden zur Kennzeichnung verwendet.
Diese Plattform wurde mittlerweile aufgehoben. Sie bot unter vielem anderem auch
Tierpornografie an.
16
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Seite | 27
der Würgreflex nur bis zu einem gewissen Mass unterdrückt werden kann und
soll (!); Darstellerinnen beginnen zu speicheln und nach Atem zu ringen, das
Make-Up läuft ihnen durch den angeregten Tränenfluss über das Gesicht 17 . Wir
belassen es an dieser Stelle bei den genannten Beispielen, obschon es den
Pornoproduzenten diesbezüglich nicht an „Kreativität“ fehlt (vgl. Dines, 2010;
Gernert, 2010, durch Gespräche mit Jugendlichen während den Praktika sowie
durch eigene Recherche über die Pornoclipplattformen (youporn.com u.ä.)
überprüft.).
Angesichts
solcher
Trends
scheinen
die
Haltungen
einiger
Feministinnen wie Schwarzer und Dworkin, so Gernert, dass es in Pornografie
explizit um Macht und Erniedrigung gehe, nachvollziehbar. Gernert zählt zur
Anschauung die wiederholt benutzten Begriffe 18 zur Anpreisung vieler Clips auf
Pornografieplattformen auf: Frauen würden „gedemütigt“, „geschändet“ oder
„vernichtet“ werden (Gernert, 2010, S. 121). Schwarzer selbst formuliert ihr
Pornografieverständnis so: „Pornografie ist zu erkennen an der Verknüpfung von
Lust auf Sex mit Lust auf Erniedrigung und Gewalt.“ (Schwarzer, 2000, S. 126).
Schwarzer kritisiert aber in diesem Zusammenhang nicht die Szenen eines Films,
sondern Fotos, die als kunstvolles Gut in Museen gastiert oder aber von
Modefotografen geschossen wurden.
5.3
PORNO CHIC - BILDER IN UND AUS DER PORNOGRAFIE
5.3.1 BEGRIFFSKLÄRUNG
Das führt uns zu einem weiteren Phänomen im Zusammenhang mit Pornografie:
Die Welle des sogenannten „Porno Chics“ 19 . Gernert verortet den Begriff beim
britischen Medienwissenschaftler Brian McNair, dessen Ausführungen den Einzug
der Pornokultur in die Popkultur seit Anfang der Neunzigerjahre aufzeigen (vgl.
Gernert,
2010,
S.
150-151).
Mittlerweile
kann
von
einer
partiellen
pornografischen Kolonialisierung der Lebenswelten Jugendlicher gesprochen
werden. Der Begriff „porno“ in der Verwendung als Wertadjektiv ist für viele
Jugendliche gleichbedeutend geworden mit „anziehend, attraktiv“, aber auch
„eklig“ und spiegelt damit die Ambivalenz der Empfindungen in Bezug auf
Pornografie wider (vgl. Gernert, 2010, S. 171, 199). Der Porno Chic wird von
17
An diversen Stellen auch beschrieben von Dines und Gernert, z.B. (Dines, 2010, S.
xviii) und (Gernert, 2010, S. 79-80).
18
Vor allem werden englische Begriffe wie „humiliate“, „disgrace“ sowie „destroy“
verwendet.
19
In Dines „Pornland“ ist diesem Phänomen unter dem Titel „Pop Goes the Porn Culture –
Mainstreaming Porn“ ein ganzes Kapitel gewidmet (Dines, 2010, S. 25-46).
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etlichen Prominenten, wie DesignerInnen, FotografInnen und KünstlerInnen,
Models, MusikerInnen, SchauspielerInnen und anderen mehr zelebriert. In ihrer
Rolle als bewunderte Vorbilder prägen auch sie jugendliche Lebenswelten mit
Körperkult,
Styling,
Songtexten,
Performances
oder
dem
Bekanntwerden
pikanter Details aus ihrem Privatleben. Körper werden komplett rasiert oder
epiliert und manipuliert. Total „en vogue“ sind Plateau-Stilettos 20 , wie sie sehr
häufig in pornografischen Darstellungen zu sehen sind. Frauenarzt, Lady Bitch
Ray 21 , Lady GaGa, Orgi, Rammstein und Sido sind einige Beispiele aktuell sehr
beliebter MusikerInnen, die ohne Umschweife dem Porno Chic huldigen 22 . Für
SchauspielerInnen war es früher peinlich, wenn im Laufe ihrer Karriere bekannt
wurde, dass sie mal in einem Pornofilm mitgespielt haben; heute kurbelt ein
bisschen
„porno“
23
die
Karriere
zusätzlich
an.
Für
Dines
personifiziert
Radiomoderator Howard Stern 24 „(…) the porn culture wie live in, and for this he
is well rewarded; in 2006 he was the second-highest paid celebrity in the world,
with an income of $ 302 million.“ (Dines, 2010, S. 45-46).
5.3.2 DIE BESONDERE BETONUNG DER FRAU
Wir gehen auf das Frauenbild in pornografischem Material speziell ein, weil
Frauen, respektive Darstellungen von Frauen oft anders verwendet werden als
die von Männern. Gemeint sind die spezifische Betonung des gesamten äusseren
Erscheinungsbildes, sowie die Verobjektivierung der weiblichen Person in
gewissen pornografischen Materialien. Von männlichen Darstellern ist oftmals
lediglich der erigierte Penis in irgendeiner Form sexueller Handlungen zu sehen;
der restliche Körper, insbesondere aber das Gesicht wird nicht selten gar nicht
gezeigt. Dadurch wirken männliche Pornodarsteller anonymer, distanzierter und
gewisser Weise auch weniger „zur Schau gestellt“. Die Austauschbarkeit ist
20
Damenschuh mit extrem hohem Absatz hinten und Erhöhung im vorderen Fussbereich.
Lady Bitch Ray versteht sich selbst als Emanze; zusammen mit anderen weiblichen
Prominenten wie beispielsweise Charlotte Roche, aber auch vielen anderen mehr, will sie
als moderne, sexy Feministin verstanden werden (vgl. Gernert, 2010, S. 187).
22
Neu an diesem Phänomen ist eher die Verbreitung und das Ausmass, denn auch ein
Frank Zappa oder eine Madonna verbanden/verbinden ihre Musik mit pornografischen
Elementen. Rapper wie Ice-T und Snoop „Doggy“ Dogg sind längst selbst im
Pornobusiness tätig. Der von Snoop erschaffene „Pimp-Style“ beeinflusst auch heute
noch viele Rapper, die sich wie Nobelzuhälter zurechtmachen (vgl. Gernert, 2010, S.
115).
23
Einerseits durch „zufällig“ publik gewordene Heimvideos oder auch die Übernahme
einer entsprechenden Rolle in der Verfilmung des Lebens eines Pornostars.
24
Howard Stern ist bekannt für höchst provokative Radiomoderation, Intermezzi mit
Pornostars während laufender Sendungen, etc. Sein Werdegang wurde sogar verfilmt:
http://www.imdb.com/title/tt0119951/
21
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 29
sowohl bei männlichen, als auch bei weiblichen Pornodarstellenden gegeben (vgl.
Dines, 2010, S. xxiv). Die „Gesichtslosigkeit“ der Männer kann aber noch
spezifischer erklärt werden: Ein möglicher Grund dafür kann der grosse Anteil
des pornografischen Materials von Männern für Männer sein:
„Er (der männliche Konsument) kann sich als Subjekt in dem dargestellten
Szenario selbst verorten, kann auch über die Objekte, die als aktiv Handelnde
dargestellt werden, verfügen. Da die Objekte meist Frauen sind, wird das
Muster der Beherrschung von Frauen sichtbar. Der männliche Konsument
gewinnt Macht über die weiblichen Darsteller.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk,
Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 313).
Während die Gesichter der Frauen oft vom Stöhnen und Schreien zeugen, so
zeigen die Gesichter der Männer ebenso oft kaum (Er-)Regung (vgl. Dines, 2010,
S. xxiv); auch das könnte als Darstellung der Überlegenheit und Bewahrung der
Kontrolle des Geschehens durch den männlichen Darsteller gedeutet werden.
Ähnlich muss der von Gernert interviewte jugendliche Ric das sehen, wenn er
sagt: „Das Geile an Gangbang (ist), dass die Frau einfach nur Mittel zum Zweck
ist“. Auf die Frage, ob das denn in Ordnung gehe, meint Ric: „Joa“ und doppelt
auf die nächste Frage, wie das mit Mädchen, die er selbst treffe sei, wie folgt
nach: „Die sind ja sowieso alles nur Schlampen, die meisten“ (Gernert, 2010, S.
96). Angesichts solcher Äusserungen eines Jugendlichen könnte man versucht
sein, die oft spürbare Aufgeregtheit und Besorgnis in der Diskussion über
mögliche Auswirkungen jugendlichen Pornografiekonsums, zu teilen. Aber dabei
ginge vergessen, dass nicht eine Mehrheit Jugendlicher so spricht und/oder auch
denkt. Auch würde ein ebenso einfacher wie falscher Weg der monokausalen
Erklärung
beschritten.
Klärung
trotz
Komplexität
und
Multikausalität
des
Phänomens scheint uns Böhnischs Zugang zu schaffen:
„So filtern sich Jugendliche aus Filmen oder anderen medialen Darstellungen
das
heraus,
was
ihren
Schlüsselproblemen
der
Pubertät
und
des
Erwachsenwerdens entgegenkommt. Dazu gehört bei Jungen die Suche nach
männlicher Geschlechteridentität. Diese Suche ist gespalten. Sie schwankt –
gerade im Verhältnis zu Mädchen und Frauen – zwischen Überlegenheits- und
Unterlegenheitsgefühlen, zwischen Abwertung und Anziehung (…). Diese
Spaltung setzt sich auch in den Lebensbereichen fort: Während die Jungen
und junge Männer in den Cliquen sexistisch protzen – vor allem auch mit
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 30
pornographischem Hintergrund – zeigen die meisten von ihnen gleichzeitig
grossen Respekt ‚ihren‘ Mädchen und Frauen gegenüber. (…) Alles, was in der
sozialen Wirklichkeit für Männer so schwer geworden ist, weil nicht mehr
selbstverständlich, scheint im Pornographiekonsum erreichbar: Die ständige
Verfügung über männliche Potenz, der mühelose Zugang zu Frauen, die
Realisierung
kursieren,
all
jener
aber
sexuellen
durchaus
auch
Männerstereotype,
von
Frauen
die
unter
signalisiert
Männern
werden.
Das
skandalisierte Bild der Abwertung und Benutzung der Frau, welche die Pornos
vermitteln, ist dagegen äusserlich, bildet sich nicht so in den Tiefenstrukturen
der Männer ab. Die Männerseele hat hier ihre eigenen Botschaften, die von
der inneren Gespaltenheit des Mannes der Frau gegenüber bestimmt sind und
den Pornographiekonsum zu einem Ereignis der Bedürftigkeit machen.“
(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 303-304)
Auch scheint sich der Porno Chic insbesondere in der Freizeitgestaltung junger
Frauen abzubilden: „pole dancing“ 25 wird als sexy Workout angepriesen und
bringt auch gleich noch einen Tick Verruchtheit mit. Auch Gogo Dance, laut
Migros Klubschule-Beschreibung eine „energiegeladene, körperbetonte und sehr
sexy Tanzform“ scheint aktuell den Geschmacksnerv zu treffen (Klubschule
Migros, 2010). Wollen Mädchen und Frauen durch das Erlernen solcher
Fähigkeiten gefallen und werden damit im weitesten Sinne zu Opfern der Folgen
des vermehrten und verbreiteten Pornografiekonsums? Oder haben sie um ihrer
selbst willen Lust dazu? Die Meinungen gehen auseinander: Laut Gernert reicht
die Bandbreite von einer Rosalind Gill, Geschlechtertheoretikerin, die eine „neue
Weiblichkeit“ zu erkennen glaubt, bis zu einer Ariel Levy, Journalistin, die
pornochicbefürwortende
Frauen
als
„Female
Chauvinist
Pigs“
bezeichnet
(Gernert, 2010, S. 156-157). Weiter erwähnt Gernert in diesem Zusammenhang
einen
Bericht
Sexualisierung
der
von
American
Psychological
Mädchen:
„Der
Association
männliche
von
Blick,
2007
stellt
zur
die
Psychologievereinigung fest, bestimme die Sicht auf Frauen in Musikvideos, in
Filmen, in der Sportberichterstattung, in der Werbung und in Magazinen“
(Gernert, 2010, S. 169). Böhnisch sieht das etwas anders. Er spricht Frauen eine
aktive Rolle zu und erwähnt in diesem Zusammenhang den wachsenden
25
Tanztechnik an der Stange, wie sie in Stripclubs praktiziert wird.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 31
Frauenpornografie-Markt 26 an, der sich vom gängigen Pornografiemarkt abhebe,
indem beispielsweise „auf wiederkehrende Choreographien sexueller Stellungen“
(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 302) verzichtet
werde. Allerdings muss an dieser Stelle nochmals konstatiert werden, dass es
sich beim Löwenanteil der verbreiteten und frei zugänglichen Pornografie eben
gerade nicht um solches Material handelt. Und auch die transportierten Bilder,
also der Porno Chic im Alltag, spiegelt nicht ein emanzipiertes Frauenbild wider.
5.3.3 HEILIGE ODER HURE – KONFLIKT FÜR BEIDE GESCHLECHTER
Ein Konflikt, der beiderlei Geschlechtern zu schaffen macht, beschreibt Gernert
als den „uralten Gegensatz: Heilige versus Hure“ als „Drahtseilakt“, als „extrem
schmalen Grat“, auf dem Mädchen wandeln müssen. Man könnte meinen, dass
die oft erwähnte gesteigerte Gelassenheit im Umgang mit Sexualität mithelfen
würde, diesen Gegensatz zu nivellieren. Paradoxerweise scheint gerade durch
das vorherrschend transportierte Bild der Frau in der Pornografie dies nicht der
Fall zu sein (Gernert, 2010, S. 185). Sexuell begehrt werden verachtete Frauen,
geliebt hingegen Mutterbilder. Engelfried zitiert dazu Gambaroff, 1990:
„Die „inzestuöse Bindung des Mannes an seine Mutter“ führt „zu einer
Desexualisierung seiner Beziehungen zu geliebten Frauen, die ähnlich wie die
Mutter, idealisiert, aber nicht begehrt werden dürfen.“ (…) Es ist dem Mann
nicht gelungen, den zuvor benannten Konflikt positiv zu bewältigen. (…)
Vernachlässigt und somit tabuisiert wird folglich der dringend notwendige
Blick
auf
die
Bedeutung
des
Vaters
27
bzw.
anderer
männlicher
Bezugspersonen, für die Aneignung von Männlichkeiten und den Umgang mit
Mädchen und Frauen. (…) Pornografie birgt die Möglichkeit in sich (…)
Unterlegenheitsgefühle, die z.B. in der Auseinandersetzung mit der Mutter
und dem Vater entstanden sind, durch die Projektion auf zu Objekten
gemachten Frauen zu verdrängen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,
Lenz, Schröder, 2005, S. 314-317)
Pornografie wird in Bezug auf dieses Doppelbild der Frau also nicht als ursächlich
für die Entstehung, sondern eher als eine Art Ventil, Bewältigungsform
26
Frauen produzieren Pornografie für Frauen. In Anlehnung an Schwarzers „PorNo“Kampagne werden unter dem Motto „PorYes“ feministische Sexfilme befürwortet (vgl.
Gernert, 2010, S. 187).
27
In diesem Zusammenhang ist das interessante Fallbeispiel von einem Jungen namens
„Ric“ in Gernert zu finden (Gernert, 2010, S. 95ff).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 32
beschrieben. Dass dabei von „Projektion“ und „verdrängen“ gesprochen wird,
zeugt allerdings nicht von einer möglichen Lösung des Konflikts. Wird Pornografie
als eine Art parasoziales Medium (vgl. Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,
Lenz, Schröder, 2005, S. 304) verstanden, wie Engelfried dies tut, werden
Zusammenhänge
Engelfried
zu
Menzel,
direkten
1993
sozialen
und
Interaktionen
stellt
die
sichtbar:
„Offensivkraft
So
zitiert
weiblicher
Selbstbestimmung“ der „Pazifizierung männlicher Sexualität“ gegenüber. Sie
erläutert Menzels Sicht wie folgt: „Nach Menzel birgt folglich das Herausfiltern
des aggressiven Moments aus der Partnerschaft die Gefahr, dass Jungen und
Männer diese Seiten z.B. in der Pornografie oder durch sexuelle Gewalt
ausleben.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S.
324). Selbst in der Produktionsszene der Pornografie scheint es kritische
Stimmen zu aktuellen Entwicklungen zu geben. So leide der Wert der Frau nach
Produzent, Darsteller und Regisseur Lars Rutschmann bei und durch die
Karrieren der Pornodarstellerinnen. Er hält insbesondere das Genre „Gangbang“
für problematisch: Diverse Internetseiten würden Männer zu Drehs mit „AONutten“ („Alles ohne“ – kein Kondom) einladen, wodurch Freier zu Darstellern
würden. Laut Psychologie Dolf Zillmann könne auch die Wertschätzung der
Ehefrau unter dem Pornografiekonsum des Ehemannes leiden; nämlich dann,
„wenn der Mann vor lauter sexgeilen Pornoflittchen die eigene Partnerin
übersehe“ (Gernert, 2010, S. 98-99).
5.4
GESELLSCHAFTLICHE DIMENSION
5.4.1 DISKUSSION – EMOTIONEN VS. SACHLICHKEIT
Die gesellschaftliche Debatte zur „Generation Porno“ verläuft sehr emotional:
Rasch ist von Verboten die Rede, vom Staat werden Massnahmen zum
Jugendschutz gefordert. Gernert erklärt Reporter Walter Wüllenweber („Stern“Artikel „Voll Porno“) sowie Bernd Siggelkow (Buchautor 28 und Betreiber der
freikirchlichen Institution „Arche“ 29 ) als wesentlich mitverantwortlich für das
Schüren
der
hitzigen
Diskussion.
Kritik
äussert
Gernert
30
insbesondere
gegenüber Siggelkow, der unter anderen auch Spendengelder vom Porno-Rapper
„Frauenarzt“ annimmt. Siggelkow und sein Umfeld seien stark von christlichen
28
Unter anderen „Deutschlands sexuelle Tragödie“ vom Herbst 2008
Eine Art Kinder- und Jugendhilfswerk
30
U.a. Gunter Schmidt kritisiert Siggelkows Sichtweise und bezeichnet diese als
undifferenziert.
29
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 33
Werten geprägt und streben denn auch nach entsprechenden Idealen. Trotz oder
gerade wegen ihrer grossen Empörung, weigern sich viele Erwachsene, eine
detailliertere Auseinandersetzung mit der Materie anzustreben. Gernert beruft
sich auf Aussagen von Faulstich und Schmidt, wenn er ausführt, dass oftmals
lieber Vorurteile weitergepflegt werden, weil Gefühle wie Scham, Ärger und
Angst das Denken und Handeln leiten (Gernert, 2010, S. 14, 17-22). Das
Phänomen jugendlichen Pornografiekonsums mag ein neueres sein, nicht aber
der
gesellschaftliche
Umgang
mit
Veränderungen und
Entwicklungen des
Sexuellen: Bereits in der 1920er Jahren war die Gefahr der „sittlichen
Verwahrlosung“ der modernen Jugend das pädagogische Thema der Zeit, das
zwischen
den
sich
gegenüberstehenden
Entwicklungen
einer
sexuellen
Liberalisierung, beziehungsweise einer Verstärkung der Moralkontrolle diskutiert
wurde (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 56-57).
Anhand dieses Rückblicks wird offensichtlich, dass „sexuelle Verwahrlosung“
historisch betrachtet ein relativer und wertender Begriff ist, der sich stets an den
Normen orientiert, die 1. gesellschaftlich gültig und 2. durch die sich äussernde
Person vertreten werden. Gernert hält es ohnehin für passender von „sexueller
Verunsicherung“ zu sprechen und meint damit eine denkbare Auswirkung
jugendlichen Pornografiekonsums auf das sexuelle Empfinden Heranwachsender
(Gernert, 2010, S. 86-87). Auf diesen und weitere Aspekte wird an anderer
Stelle in dieser Arbeit näher eingegangen. Zurück zu den gesellschaftlichen
Ängsten: Die Redewendung „monkey see, monkey do“ benutzt Gernert, um
vereinfacht
auszudrücken,
welche
Befürchtungen
mit
jugendlichem
Pornografiekonsum verknüpft sind; es handle sich dabei um die „Pornopanik“ des
21. Jahrhunderts. Dass diese aufgeregte und pessimistische Haltung wenig
hilfreich ist, leuchtet ein. Gernert bezieht sich auf Schmidt, der „Disziplin und
Gelassenheit“ als notwendig erachte, (…) um die Dinge wissenschaftlich genau zu
untersuchen“.
irgendwelchen
Fehlen
diese
Voraussetzungen,
Spekulationen
über
so
besteht
die
Gefahr,
Ursache-Wirkungszusammenhängen
aufzusitzen (Gernert, 2010, S. 71-72). Die frühere Masturbationspanik kehrt im
Pornografie-Gewand
zurück:
Sexualaufklärer
Oswalt
Kolle
fürchtet
eine
„Masturbationsgesellschaft“, in der hauptsächlich virtuelle Sexualität gelebt
würde. Eine andere Befürchtung ist die fehlende Verknüpfung von Sexualität und
Liebe (Gernert, 2010, S. 11-12, 140). Die für wissenschaftliche Untersuchungen
nötige Haltung kann kaum von einer Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 34
eingefordert
werden;
im
Gegenzug
kann
aber
die
Wissenschaft
mittels
Erkenntnissen Aufklärungsarbeit leisten.
5.4.2 MEINUNGSBILDUNG: DIE ROLLE DER MEDIEN
Die Frage nach der gesellschaftlichen Meinungsbildung kennt keine einfache
Antwort. Zweifellos spielen aber die Medien eine Rolle in diesem Prozess. Ein
Phänomen wie das des jugendlichen Pornografiekonsums wird unter anderem
durch Bekanntmachung der Medien breiten Teilen der Gesellschaft überhaupt
bekannt und in dieser Form wahrnehmbar. Verschiedenste Akteure der Medien
berichten
in
unterschiedlicher
Weise
und
erreichen
differente
Gesellschaftsmitglieder, deren Meinungsbildung wiederum von vielen weiteren
Faktoren abhängt. Wie steht es nun aber um die Rolle der Medien im konkreten
Bezug auf jugendlichen Pornografiekonsum? Lautmann führt wie folgt aus: „Auf
gesellschaftlicher Ebene werden allerlei Veränderungen – am häufigsten: die
Medien – benannt und angeklagt. Das Stichwort ‚Medien‘ liefert den Einstieg zu
überzeugenden Antworten, nicht weil sie die Pluralisierung ‚verschuldet‘ hätten,
sondern weil sie sie sichtbar machen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann,
Lenz, Schröder, 2005, S. 79). Dass bei dieser Sichtbarmachung aber teilweise
bewusst auf Überzeichnung und plakative Darstellung gesetzt wird, ist nicht von
der Hand zu weisen. Hipeli und Süss weisen darauf hin, dass aus strategischer
Intention
in
den
„Boulevardmedien“
ein
überzogenes
Bild
Jugendlicher
„gezeichnet wird". Dieses „folgt klassischen publizistischen Auswahlkriterien,
wonach negative Schlagzeilen eine höhere Aufmerksamkeit der Rezipienten in
Aussicht stellen“ (Hipeli & Süss, 2009, S. 53). Pfiffner nennt Medienstrategien
nach Bosshard, 2005:
•
Skandalisierung
•
Personen
•
negative Ereignisse (…)
•
Bedeutsamkeit
•
Provokation / Überzeichnung
(Pfiffner, 2008)
Die Medien sind nicht lediglich Aufzeigende des Phänomens jugendlichen
Pornografiekonsums, sondern gleichzeitig Beteiligte. Indem sie pornografisches
Material
verbreiten
und
allgemein
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
zugänglich
machen,
HS 2010/11
werden
sie
zu
Seite | 35
Mitgestaltenden gesellschaftlicher Entwicklungen. Dazu Lenz: „Als Reaktion auf
die mediale Sexualisierung wurde Mitte der 1970er Jahre die Pornographie für
Erwachsene freigegeben
31
.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,
Schröder, 2005, S. 134). Insbesondere das Internet ist das Medium der Medien
in Bezug auf Pornografie. Ein pointierter Exkurs zur Internet-Pornografie mit
Böhnisch:
„Mit dem digitalen, das heisst sozial entbetteten Medium des Netzes und der Möglichkeit,
in ihm aktiv pornographisch zu agieren – im Kontrast zum Passivkonsum der Pornovideos
– sind die Grenzen zwischen Verantwortung und Verantwortungslosigkeit nicht nur
einfach weiter hinausgeschoben worden, sondern haben eine qualitative Verschiebung
erfahren. Nun existieren zwei Welten nebeneinander und sind gleichzeitig in der
Virtualität vereinbar. (…) Das virtuelle Netz und seine Abstraktionen entziehen sich der
herkömmlichen Pornographiekritik. Denn in der Internet-Pornographie wirken ja
dieselben Muster digitaler - sozial abstrakter – Vergesellschaftung und sozial entbetteter
Legitimation, wie wir sie im neuen globalisierten Kapitalismus – der ja das Netz generiert
und gleichzeitig von ihm lebt – antreffen. (…) Es (das Internet) zwingt geradezu zur
Externalisierung. Es kennt keine Grenzen, nur ‚links‘; der Einzelne wähnt sich in der Mitte
des Universums. Es ist eine unendliche Szene von Millionen Egozentrierten, die
untereinander ohne sozialemotional riskante Empathie und antisoziales Abspaltungsrisiko
in Kontakt kommen und sich lösen können, die andere nach ihren Wünschen nutzen,
manipulieren und gebrauchen können, mit dem grundlegenden Unterschied, dass die
Begriffe ‚nutzen‘, ‚gebrauchen‘, ‚manipulieren‘ ihre soziale Bindung verloren und damit
ihren sozialethischen Sinn eingebüsst haben. (…) Hier gelte es alles auszuprobieren, was
machbar sei, und da sei doch das Thema zweitrangig: Ob nun Pornographie, Kriegs- oder
Börsenspiel, die Inhalte treten hinter diesem Prinzip zurück.“
(Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 306-308)
5.4.3 DER UMGANG MIT PORNOGRAFIE – EINE GENERATIONENFRAGE?
Die Differenzen zwischen den Generationen widerspiegeln sich sowohl in der
unterschiedlichen
Medien-,
insbesondere
der
Internetnutzung,
als
auch
hinsichtlich der Sexualität, insbesondere des Umgangs mit Pornografie. Gernert
formuliert wie folgt: „Die ‚Generation Porno‘, die vor allem eine ‚Generation
Internet‘ ist, könnte den Vertretern der ‚Generation Schnurtelefon‘ den Weg auf
die andere Seite der digitalen Kluft weisen. Aber wieso sollte sie?“ (Gernert,
2010, S. 248). Es ist nicht im Interesse Jugendlicher, alles mit den Erwachsenen
zu teilen; sie suchen nach Gegensätzen, Freiräumen und Gelegenheiten, sich
abzugrenzen. Andererseits interessieren sich Jugendliche zunehmend für die
Erwachsenenwelt. Im Gegenzug wollen Erwachsene zwar Bescheid wissen über
das Tun und Lassen Jugendlicher, nicht aber alle eigenen Räume ihrer
Lebenswelt
zugänglich
machen,
beziehungsweise
thematisieren.
Existiert
überhaupt eine „Generation Porno“? Laut Gernert könnte ebenso gut von einer
31
Diese Angabe bezieht sich im entsprechenden Text auf Deutschland.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 36
„Generation iPod“, „Generation Internet“, „Generation Casting“ oder „Generation
Alcopop“ gesprochen werden; es handle sich um eine Generation mit äusserst
vielseitigem Medienumfeld und Konsumgewohnheiten, der Pauschalbegriffe nicht
gerecht würden. Die Generation davor wurde von Journalisten als „Generation
Fernsehen“ bezeichnet (Gernert, 2010, S. 11). Auch Hipeli und Süss äussern sich
zur Generationen-Namengebung und beziehen sich auf Palfrey und Gasser, 2008,
wenn sie von „digital natives“, eine weitere Bezeichnung, die im Trend liegt,
sprechen (Hipeli & Süss, 2009, S. 49). Laut Hardinghaus und Krahe ist Pro
Familia-Sozialpädagoge Michael Niggel der Meinung, dass es womöglich „das
Zeitalter Porno“ gebe, nicht aber lediglich die „Generation Porno“ (Hardinghaus &
Krahe, 2010, S. 7).
5.4.4 GESELLSCHAFTLICHE VERÄNDERUNGSPROZESSE
Die Jugend, deren Verhalten sowie Charakteristika von Jugendbewegungen
können als Indikatoren für gesellschaftliche Entwicklung gesehen werden. Trifft
dies auch auf den Umgang mit Pornografie zu? Und handelt es sich in diesem
Falle hauptsächlich um ein jugendbezogenes Phänomen? Zillmann beschreibt
Pornografie als „ein Element der so genannten sexuellen Revolution“, welches
durch einen „Grossteil der westlichen Welt, insbesondere europäische Kulturen
(…) stillschweigend hingenommen oder sogar offen begrüsst“ wurde (Charlton,
Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 566). Dass sich verschiedene Themen
aktueller gesellschaftlicher Veränderungen in den Bereichen Sexualität, Medien,
Emanzipierung der Frau sowie Erfolgskultur miteinander verbinden und so zu
neuen Zugängen führen, erläutert Böhnisch wie folgt:
„Vor allem bei der Jugend, die in einer Gesellschaft mit öffentlicher Sexualität
und Pornographie aufwächst, scheint sich diese Entwicklung abzuzeichnen.
Pornographische Medien sind für Jungen und Mädchen längst kein Tabu mehr,
vor allem haben sie ihre männliche Exklusivität verloren. Die Überlegenheits/Unterlegenheitsthematik vermischt sich mit der neuen erfolgskulturellen
Thematik des Gelingens oder Versagens.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk,
Lautmann, Lenz, Schröder, 2005, S. 305)
Was bedeutet das in Bezug auf die Möglichkeiten der Beeinflussung von
Entwicklungsprozessen Jugendlicher im gesellschaftlichen Kontext? Schröder
betont die Grenzen der Sexualaufklärung auf gesellschaftlicher Ebene; es gelte,
die „begrenzte Reichweite (zu) akzeptieren und die interaktiven Prozesse nur von
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 37
den Rahmenbedingungen her (zu) begünstigen“. Wie Böhnisch weist Schröder
aber auch darauf hin, dass sich die Verantwortlichkeiten verschoben haben und
meint damit die auffällige „individuelle Verantwortung für ein Gelingen 32 von
sexuellen Beziehungen.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder,
2005, S. 353-354). Berger und Luckmann gehen so weit, dass sie missglückte
Sozialisation (im Allgemeinen) in unmittelbare Verbindung mit dem „Phänomen
des ‚Individualismus‘“ setzen (Berger & Luckmann, 2009, S. 182). Da Sexualität
zweifelsohne ein Teil der Sozialisation darstellt, scheint sich diese Aussage mit
den vorangehenden zu decken.
Gesellschaftliche Rahmenbedingungen wie die erwähnte Erfolgskultur sowie der
Individualismus beeinflussen die Sozialisation. Es mag verschiedene Gründe für
das Entstehen solcher Rahmenbedingungen geben. Welche Rolle dabei der
Wirtschaft zukommt, wird im nächsten Abschnitt diskutiert.
5.4.5 DIE WIRTSCHAFTLICHE BEDEUTUNG DER PORNOGRAFIE
Lautmann
spricht
von
Mikroprozessen,
respektive
neuen
Sexualformen.
Allerdings scheinen seine Aussagen in Bezug auf Pornografie nicht ohne
Bedenken geäussert: „Worin nun könnten die gesellschaftlichen Mikroprozesse
bestehen, in denen sich die neuen Sexualformen etabliert haben? Sind es etwa
die Initiativen von kommerziellen Unternehmen? (Im Bereich Pornografie und
Prostitution
Schröder,
gewiss
2005,
S.
(…).)“
82).
(Böhnisch,
Welchen
Engelfried,
Ursprungs
Funk,
ist
Lautmann,
die
grosse
Lust
Lenz,
auf
pornografisches Material? Und welche Regeln bestimmt die Beziehung zwischen
Pornografie und Wirtschaft? Dass Angebot und Nachfrage in reziprokem
Verhältnis stehen, steht ausser Frage. Trifft im Falle von pornografischem
Material der wirtschaftliche Grundsatz zu, wonach die Nachfrage das Angebot
bestimmt? Verschiedene Fachleute sehen den Ursprung des wirtschaftlichen
Erfolgskurses der Pornografie in der sexuellen Revolution. So auch Funk und
Lenz: „Vor allem als Begleiterscheinung zur sexuellen Revolution der 1960er
Jahre entwickelte sich die Erstellung und der Vertrieb der Pornographie zu einem
umsatzstarken Wirtschaftszweig (…) und dies führte nachhaltig zu einer
Kommerzialisierung des Sex.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz,
Schröder,
2005,
S.
38).
Von
da
an
schien
nichts
und
niemand
den
wirtschaftlichen Erfolgskurs der Pornografie mehr zu stoppen, stoppen zu wollen
32
Diese Aussage impliziert aber auch ein potentielles individuelles Misslingen!
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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oder auch stoppen zu können. Indes scheinen sich moralische Zweifel an diesem
üppigen Angebot zu halten, ja zunehmend zu verhärten. Wie kommt es zu solch
sich entgegenstehenden Entwicklungen? Mit Doppelmoral alleine wäre weder eine
wissenschaftlich redliche noch befriedigende Antwort gefunden. Vielmehr zeigt
der Siegeszug der Pornografie auf, wie wirtschaftlich bedeutend gewordene
Zweige Eigendynamik entwickeln. Böhnisch findet dafür klare Worte:
„Der
Sprung
vom
tabuisierten
Hintertürartikel
zum
offenen
und
marktgängigen Markenprodukt vollzog sich innerhalb von fünfzehn Jahren in
den 1980er und 1990er Jahren des 20. Jahrhunderts. Mit der industriellen
Vermarktung der Pornographie ist der moralische Konsens gegen ihre
Verbreitung ausgehöhlt. Was marktöffentlich ist, liegt jenseits der Grenzen
von gut und böse.“ (Böhnisch, Engelfried, Funk, Lautmann, Lenz, Schröder,
2005, S. 305)
Dines bezeichnet Pornografieproduzenten als Architekten eines gigantischen und
unkontrollierten gesellschaftlichen Experiments, deren Folgen zwar nach wie vor
unklar, von der Autorin selbst aber vermutet, genannt und gefürchtet werden
(Dines, 2010, S. x) Sie bringt es wie folgt auf den Punkt: „What turns these
people on is making money“. (Dines, 2010, S. xvi). Dines betont, dass
Pornografieproduzenten knallharte Geschäftsleute durch und durch sind und
keineswegs eine Art sexuelle Revolutionäre, die für sexuelle Freiheit der
Gesellschaft kämpfen. Ähnlich wie Böhnisch führt sie aus: „It needs to be
understood as a business whose product evolves with a specifically capitalist
logic“ (Dines, 2010, S. 46). Dines erläutert weiter die Macht des Pornobusiness,
vergleicht dieses mit der Tabakindustrie und ist überzeugt davon, dass eben
nicht die Nachfrage das Angebot bestimmt. Vielmehr schaffe die Pornoindustrie
durch gezielte Marketingstrategien nicht nur ein Image, sondern eine Umgebung,
in der sich die Produkte verkaufen lassen:
As a major industry, the porn business does not just construct and sell a
product; it constructs a world in which the product can be sold: the
technologies, the business models, the enthusiastic consumers, the complaint
performers, the tolerant laws, even the ideologies that proclaim porn to be
the apogee of empowerment and liberation.“ (Dines, 2010, S. 46).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Einzelne Pornografieproduzenten leiden am Erfolg der Pornoindustrie: Die
Massenverbreitung mit ungehindertem und kostenlosen Zugang über Internet
schadet dem Business mittlerweile sogar (Dines, 2010, S. xvii). Dines hält
verlässliche Zahlenangaben für schwierig zu finden, nennt aber dennoch
eindrückliche Schätzungen, um eine Vorstellung des Businessumfanges zu
vermitteln: „(…) the global industry has been estimated to be worth around $96
billion in 2006 (…) pornography revenues rival those of all the major Hollywood
studios combined. There are 420 million Internet porn pages, 4.2 million porn
Web sites, and 68 million search engine requests for porn daily“ (Dines, 2010, S.
47). Um insbesondere die Grösse der Pornoindustrie im Internet aufzuzeigen,
nennt auch Vogel nennt Zahlen nach Renner, 2004: „Die Anzahl erotischer und
pornographischer Internetseiten ist in den letzten sechs Jahren um 1800% auf
260 Millionen Einzelseiten bzw. auf 1,3 Millionen Websites gestiegen.“ (Groeben,
Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 449).
Auch für das Pornobusiness gilt die rechtlich festgehaltene Wirtschaftsfreiheit.
Dieser sind allerdings auch gewisse Grenzen gesetzt.
5.5
RECHT
5.5.1 TATBESTAND, TATOBJEKTE UND TÄTERINNEN
Im Basler Kommentar wird Justice Potter Stewart, US Supreme Court Jacobellis
vs. Ohio, 1964 zitiert: „I may not be able to define pornography; but I know it
when I see it.“ (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1192). Schweizer Recht definiert
den Begriff der Pornografie nicht im eigentlichen Sinne. Zwar wird eine
Unterscheidung zwischen „weicher“ und „harter“ Pornographie gemacht, nicht
aber klar bestimmt, was „der Begriff des Pornographischen selbst“ ist (Meng &
Schwaibold, 2007, S. 1198). Laut Meng und Schwaibold werden „Darstellungen
oder Darbietungen sexuellen Inhalts, „die sexuelles Verhalten aus seinen
menschlichen Bezügen heraustrennen und dadurch vergröbern und aufdringlich
wirken lassen“ (Botschaft, 1985, 1089) als pornografisch bezeichnet (Meng &
Schwaibold, 2007, S. 1198). Weitere Indikatoren seien das Zeigen von „(…)
Sexualität in fortschreitender Steigerung (…)“ sowie „die krasse und primitive
Darstellung sexueller Akte (…) die jede andere Bedeutung vermissen lassen.“
(Meng & Schwaibold, 2007, S. 1199). „Weiche Pornographie“ bewege sich
zwischen Kunst und Erotika einerseits, „harter Pornographie“ andererseits;
„tatbeständlich ist nur die krud vulgäre (…) Darstellung von auf sich selbst
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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reduzierter Sexualität, die den Menschen zum blossen Sexualobjekt erniedrigt
(…) wie etwa das Aneinanderreihen sexueller Akte (…).“ (Meng & Schwaibold,
2007, S. 1199). „Harte Pornografie“ sei daran zu erkennen, dass nebst dem
beschriebenen „pornographischen Charakter einer Darstellung (…) der Einbezug
von Kindern, Tieren, menschlichen Ausscheidungen (…) oder Gewalttätigkeiten“
erfolge (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1200).
Chen-Christen, Kunz und Levin beziehen sich auf die Angaben der Fachstelle für
Aids- und Sexualfragen St. Gallen, 2003, wenn sie die folgenden Kriterien für die
Definition von Pornografie im juristischen Sinne nennen:
•
Stimulierungsabsicht
•
Anstandsverletzung
•
Isolierung der Sexualität
•
Unrealistische Darstellung
•
Aufdringlichkeit
•
Degradierung des Menschen zum Objekt
(Chen-Christen, Kunz, Levin, 2007, S. 7)
Das Gesetz nennt folgende Tatobjekte:
•
Schriften
•
Ton- oder Bildaufnahmen
•
Abbildungen
•
andere Gegenstände solcher Art
•
pornographische Vorführungen
(Meng & Schwaibold, 2007, S. 1202)
Laut Gesetz komme „jedermann (…) als Täter in Frage“. Meng und Schwaibold
weisen daraufhin, dass sich aufgrund dieser Abfassung bereits „(…) Kinder ab 10
Jahren (…) strafbar machen“ können (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1198).
5.5.2 ZUM STRAFGESETZBUCHARTIKEL UND DER ABSICHT DER GESETZGEBUNG
Der einschlägige Artikel des schweizerischen Strafgesetzbuchs zu Pornografie
lautet wie folgt:
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Art. 197 33
1.
Wer pornografische Schriften, Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen,
andere Gegenstände solcher Art oder pornografische Vorführungen einer Person
unter 16 Jahren anbietet, zeigt, überlässt, zugänglich macht oder durch Radio
oder Fernsehen verbreitet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder
Geldstrafe bestraft.
2.
Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1 öffentlich
ausstellt oder zeigt oder sie sonst jemandem unaufgefordert anbietet, wird mit
Busse bestraft. Wer die Besucher von Ausstellungen oder Vorführungen in
geschlossenen Räumen im Voraus auf deren pornografischen Charakter hinweist,
bleibt straflos.
3.
Wer Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle
Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder
Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt,
anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit
Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft. Die Gegenstände
werden eingezogen.
3bis
Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe wird bestraft,2 wer
Gegenstände oder Vorführungen im Sinne von Ziffer 1, die sexuelle Handlungen
mit Kindern oder Tieren oder sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten zum
Inhalt haben, erwirbt, sich über elektronische Mittel oder sonst wie beschafft
oder besitzt. Die Gegenstände werden eingezogen.
4.
Handelt der Täter aus Gewinnsucht, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe. Mit Freiheitsstrafe ist eine Geldstrafe zu verbinden.
5.
Gegenstände oder Vorführungen im Sinne der Ziffern 1–3 sind nicht
pornografisch, wenn sie einen schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen
Wert haben.
(Die Bundesbehörden der Schweizerischen Eidgenossenschaft, 2010)
Meng und Schwaibold kommentieren die Absicht der Gesetzgebung dahingehend,
dass es „in einem liberalen, aufgeklärten und säkularisierten Staat“ nicht
33
Letztmalige Änderung im Jahre 2001 (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1196)
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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„Aufgabe
des
Strafrechts“
sein
könne,
„eine
öffentliche
Sittenmoral
durchzusetzen“. Das „Bestimmtheitsgebot und die Besinnung auf die Funktion
des Strafrechts als ultima ratio verlangen die klare Erkennbarkeit der durch eine
Strafnorm geschützten Rechtsgüter und eine möglichst eindeutige Umschreibung
der
verbotenen
Handlungen“.
So
sei
es
das
Ziel
der
Revision
des
Sexualstrafrechts gewesen, „die zu schützenden Rechtsgüter – namentlich die
sexuelle Integrität und Selbstbestimmung“ herauszuarbeiten. Ein Hauptziel sei
„der (vorbeugende) Jugendschutz“, also „die ungestörte sexuelle Entwicklung
von Kindern und Jugendlichen (…)“ (Meng & Schwaibold, 2007, S. 1197).
5.5.3 ANZEIGEPFLICHT IM STRAFVERFAHREN
Kommen SozialarbeiterInnen mit Jugendlichen in Kontakt, die sich im Sinne des
StGB-Artikels
197
strafbar
machen,
so
stellt
sich
die
Frage
nach
der
Anzeigepflicht oder einer allfälligen Entbindung davon. Laut Angaben des okaj
zürich
sind
„grundsätzlich
(…)
nur
die
Angestellten
der
Strafbehörden
verpflichtet, Straftaten, die sie bei ihrer amtlichen Tätigkeit festgestellt haben,
anzuzeigen (Art. 302 StPO)“. Kantone sind aber befugt, Behörden und
Angestellte des Kantons sowie der Gemeinden zur Anzeige ihnen bekannt
gewordener strafbarer Handlungen zu verpflichten. Eine Beschränkung dieser
Pflicht könnte allenfalls durch Zeugnisverweigerungsrecht (Art. 168ff. StPO)
erfolgen.
Ebenso
ist
der
Kanton
in
der
Lage
Einschränkungen
für
Anzeigeverpflichtete vorzusehen, deren berufliche Aufgabe das persönliche
Vertrauensverhältnis zu Beteiligten, respektive deren Angehörigen voraussetzt.
Hingegen müssen beispielsweise JugendarbeiterInnen im Dienste einer Gemeinde
Straftaten anzeigen, die ihnen während ihrer Arbeitszeit bekannt werden, es sei
denn, sie seien ausdrücklich von der kantonalen Anzeigepflicht befreit (okaj
zürich. Dachverband der Jugendarbeit, 2010, S. 123).
5.5.4 JUGENDSCHUTZ IM INTERNET
„Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Gesetze finden auch auf Sachverhalte
im Internet Anwendung.“ (KOBIK, 2007)
Hipeli
und
Süss
sind
der
Ansicht,
es
sei
„klar
die
Aufgabe
des
Jugendmedienschutzes, Kinder und Jugendliche vor illegalen medialen Inhalten
und nichtaltersgerechten Medieninhalten zu schützen“. Als Mittel nennen sie
„gesetzliche
Massnahmen
Selbstkontrollen
der
und
Verbote,
Anbieter
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
sowie
Alterslimiten
und
Filter-Software“.
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–verifikationen,
Dass
diese
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Schutzmassnahmen nicht richtig greifen sehen sie hauptsächlich in den „digitalen
interaktiven Medien (…)“ begründet, da deren Kontrolle schwierig sei. Während
also die „Erfolgsaussichten des Jugendmedienschutzes“ bezüglich Filmen im Kino
und auf Video oder DVD und Fernsehen „noch am höchsten“ seien, so sehe dies
bei Videospielen schon anders aus und finde seine Grenzen schliesslich in Bezug
auf Internet und Mobiltelefone (Hipeli & Süss, 2009, S. 57-59). Gernert berichtet
von seinem Austausch mit den Jugendschutzbeauftragten der Netzwerkplattform
„SchülerVZ“. Diese seien mit „überwältigenden Datenmengen“ von Fotos, Mails
und Links konfrontiert und damit „vor eine fast unlösbare Aufgabe“ gestellt
(Gernert, 2010, S. 221). Auch Andreas Hauenstein, einem Mitgründer der
„Lokalisten“ 34 , berichtet von riesigen Datenvolumen (3 Millionen Nachrichten, bis
zu 250‘000 Fotos) sowie von weiteren Problemen wie datenschutzrechtliche
Gründe
und
technische
Machbarkeit.
Da
eine
ganzheitliche
Überprüfung
„wirtschaftlich sinnvoll nicht zu leisten“ (Gernert, 2010, S. 221) sei, wird, wie bei
vielen anderen Netzwerken auch, auf eine Art Selbstkontrolle über einen Button
mit Meldefunktion gesetzt. Die Dringlichkeit einer genaueren Überprüfung eines
Profils hängt beispielsweise mit der Häufigkeit der Meldungen zusammen; der
nächste Schritt ist dann die detaillierte Überprüfung durch MitarbeiterInnen.
Ohne weitere Ausführungen wird an dieser Stelle sichtbar, welchen Aufwand die
Kontrolle solcher Netzwerkplattformen bedeutet. Im gleichen Moment muss
bedacht werden, dass die Weitergabe, respektive das Versenden eines Links oder
Fotos als solche gar nicht nötig sind: Im „wild wide web“ reicht die Eingabe eines
Begriffs
in
eine
Suchmaschine
(und
Ausschalten
eines
allfälligen
Jugendschutzfilters), um binnen Sekunden über einen unwesentlichen Umweg an
dasselbe Material zu gelangen. Die wesentliche Unterscheidung liegt in diesem
Fall laut Gernert aber im Umstand begründet, ob Jugendliche eine aktive Suche
starten oder aber zufällig in einem Netzwerkportal auf einschlägige Links, Fotos
oder dergleichen stossen. Weil Jugendliche auf Zurechtweisungen nicht selten
mit Trotz reagieren und sich beispielsweise nach einer Profillöschung mit anderen
Angaben wieder neu anmelden, suchen die Jugendschutzbeauftragten von
„SchülerVZ“ die Zusammenarbeit mit ihnen, ihren Eltern und Schulen (Gernert,
2010, S. 221-224).
34
Von Jugendlichen rege genutzte Internetplattform
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Im nationalen Kampf gegen „cybercrime“, also gegen strafrechtlich relevante
Internetinhalte, ist das KOBIK, die schweizerische Koordinationsstelle zur
Bekämpfung der Internetkriminalität, tätig. Das KOBIK ist Anlaufstelle und
Kompetenzzentrum
für
Privatpersonen,
die
Öffentlichkeit,
Behörden
und
Internetservice-Provider und ist in die Teilbereiche „Monitoring“, „Analyse“ und
„Clearing“ gegliedert. Strafrelevante Internetinhalte werden also gemeldet oder
von KOBIK-MitarbeiterInnen selbst bei Recherchen entdeckt, detailliert geprüft
und analysiert und allenfalls an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden im Inund Ausland weitergeleitet. KOBIK entstand aufgrund der interkantonalen
Arbeitsgruppe
zur
Bekämpfung
des
Missbrauchs
der
Informations-
und
Kommunikationstechnik (BEMIK) im Jahr 2001; die rechtliche Grundlage bildet
eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Kantonen, ebenfalls aus dem
Jahr
2001.
Das
KOBIK
hat
ein
Meldeformular
eingerichtet:
http://www.cybercrime.ch/cgi-bin/trystart_d.pl. Dazu ist dem Jahresbericht 2009
folgendes zu entnehmen: „Die Meldungen aus der Bevölkerung konzentrierten
sich in erster Linie auf die harte Pornografie (17.8%) sowie auf Pornografie
infolge fehlender Alterskontrolle (14.9%).“ Eine mögliche Zugangsbeschränkung
zu Websites mit pornografischen Angeboten wäre der „Adult-Checker“ 35 . Das
KOBIK gibt an, dass mit dem Bundesgerichtsurteil 6P.122/2004 vom 08.03.2005
festgehalten wurde, „dass (…) einfaches Anklicken eines Warnhinweises nicht
genügt, um den Jugendschutz des Art. 197 Ziff. 1 StGB zu gewährleisten“.
Schweizerische Betreiber von Websites mit pornografischen Inhalten ohne
jegliche Alterskontrolle würden sich folglich strafbar machen. Gleichzeitig weist
das KOBIK aber auch darauf hin, dass „mit den zur Zeit auf dem Markt
erhältlichen „Adult-Checker“ Programmen keine hundertprozentige Sicherheit
erlangt werden“ könne, „dass es sich bei den Benutzern tatsächlich um
erwachsene Personen handelt.“ Nicht nur an technische, sondern auch räumlichrechtliche Grenzen ist zu denken: „Da sich Sachverhalte im Internet jedoch
häufig über verschiedene Staaten erstrecken, ist nicht immer einfach erkennbar,
welches staatliche Recht anwendbar und welche Justizbehörde für dessen
Durchsetzung zuständig ist“ (KOBIK, 2007).
Es wird klar, dass auch auf anderen Ebenen etwas für den Jugendschutz im
Bereich der Medien getan werden muss. Ab 2011 bis 2015 werden laut
35
Altersnachweissystem, das zwecks Jugendschutzes Minderjährigen den Zugang zu
bestimmten Websites verwehren soll.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Bundesratsbeschluss vom 11.06.2010, SR 311.039.1 zwei Programme, einerseits
„Jugend
und
Gewalt“,
andererseits
„Jugendmedienschutz
und
Medienkompetenzen“ auf gesamtschweizerischer Ebene umgesetzt und vom
Bund mit 8,65 Millionen Franken unterstützt (Vollmer, 2009, S. 17).
Um Jugendliche zu begleiten, anstatt „überzubehüten“ oder aber gänzlich der
Eigenverantwortung zu überlassen, ist es wichtig, sich mit deren Zugängen zu
und
Nutzung
von
Pornografie
und
deren
möglichen
Konsequenzen
auseinanderzusetzen.
6.
UMGANG JUGENDLICHER
MIT
PORNOGRAFIE
Die Studien zur Nutzung von Pornografie durch Jugendliche und der damit
verbundenen Wirkungen beziehen sich vorwiegend auf die Phase der frühen und
späten Adoleszenz, also etwa das Alter zwischen 9/13 und 18 beziehungsweise
19 Jahren. Dieser Lebensabschnitt junger Menschen ist wie bereits erwähnt,
durch rasante körperliche, psychische und soziale Veränderungen geprägt, zu
welchen auch wichtige Schritte der sexuellen Entwicklung zählen. Sexualität wird
während der Adoleszenz ein relevantes Thema. Im nächsten Kapitel soll deshalb
der Frage nachgegangen werden, inwiefern in dieser Zeit auch pornografische
Inhalte an Interesse gewinnen, wie und wozu pornografische Medien von
Jugendlichen genutzt werden und welche möglichen negativen Auswirkungen aus
dem Konsum von Pornografie für Jugendliche folgen.
Die Schwierigkeiten verschiedener Interpretationen des Begriffs der Pornografie
und dessen Abgrenzung zur Erotik schlagen sich auch in den folgenden
Untersuchungen zur Nutzung von Pornografie und deren Wirkungen auf
Jugendliche nieder. Auch hier stellen sich die Fragen, welches Verständnis von
Pornografie den Forschungen zu Grunde liegt und welche sexuellen Darstellungen
von den Jugendlichen als pornografisch bezeichnet werden. In den folgenden
Erläuterungen
Jugendliche,
verschiedener
vermutlich
Studienergebnissen,
vorwiegend
die
Mädchen,
wird
ersichtlich,
Erotische
dass
Darstellungen
(Anblick nackter Personen oder Softerotik-Angebote im Fernsehen) bereits als
pornografisch einstufen. Viele Untersuchungen stützen sich denn auch auf
Zillmanns Definition, die auf eine Abgrenzung zwischen Erotik und Pornografie
verzichtet und somit den Jugendlichen die Definition überlässt (z.B. AltstötterGleich, Ertel). Andere AutorInnen (z.B. Peter & Valkenburg) beziehen sich auf
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
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klar ab- und auch begrenzende Definitionen, wie sie beispielsweise von Vogel
vertreten wird, wobei die Fokussierung auf die Genitalien in den Vordergrund
gestellt wird. So soll die Nennung soft-erotischer Inhalte im Vornherein
ausgeschlossen werden.
6.1
NUTZUNG
Laut einer US-amerikanischen Studie von Braun und Rojas sind 55.4% der
befragten Jugendlichen zwischen 11 und 22 Jahren (n = 433) bereits mit
pornografischen Inhalten im Internet konfrontiert worden. Auf die Frage, warum
sie mit solchen Materialien in Kontakt kamen, antwortete über die Hälfte (50.2
%),
aus sexueller Neugier (sexual curiosity) die Seiteninhalte aufgerufen zu
haben. Beinahe ebenso viele sind durch Zufall (accidental exposure) auf
pornografische Inhalte gestossen (46.3 %). An dritter Stelle wurde die
Informationssuche (information seeking) (17.4 %) genannt (Braun-Courville &
Rojas, 2009, S. 3-4).
In einer qualitativen Studie von Grimm et al. aus dem Jahre 2010 differenziert
sich der gewollte Konsum von pornografischen Internetinhalten nach folgenden
Motiven: Lernen / Wissensgewinn, sexuelle Erregung und soziale Motive
36
(Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 255).
Zur sexuellen Erregung werden die Pornofilme dabei vorwiegend alleine zur
Masturbation, selten gemeinsam mit dem Freund/der Freundin zur Vorbereitung
gemeinsamer sexueller Aktivitäten geschaut. In der Peer-Group dagegen wird
Pornorafie zur gemeinsamen Belustigung über Darstellungen, oder als Mutprobe
geschaut (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 4-5). Die Peer-Group fungiert oft als
„Lieferant und Partner“ für die Nutzung von pornografischem Material (Weber,
2009, S. 17). Jungen nutzen gemäss Schmidt und Matthiesen die Pornografie
weitaus
am
häufigsten
zur
Erregung
bei
der
Masturbation.
Solitärer
Pornografiekonsum ohne Selbstbefriedigung existiert dabei kaum. „Über den
Pornokonsum von Jungen zu sprechen, heisst (deshalb für Schmidt auch) über
Masturbation zu sprechen.“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 4-5).
Auf das Motiv des Wissensgewinn hin, äusserten in einer Interviewreihe des
Instituts
für
Sexualforschung
und
Forensische
Psychiatrie
der
Universität
36
„Kenntnisse über Pornos gilt v.a. bei Jungen als symbolisches Kapital in der Peergroup“
(Grimm, Rhein, & Müller, 2010, S. 255).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Hamburg einige Jungs, dass „man sich skills abgucken“ und „Ideen bekommen
kann, (…) vor allem im Hinblick auf Stellungen, wie man eine Frau erregen und
befriedigen kann, wie man Oralsex macht“. Es fielen Aussagen wie: „Da sieht
man was, was man gut brauchen kann“,
Oder „Beim ersten Mal wird es (die
Erfahrung mit Pornographie) mir eine Stütze sein“. Das Gesehene wird laut
Schmidt und Matthiesen „durchaus mit der Freundin erprobt“ (Schmidt &
Matthiesen, 2010, S. 8). Jugendliche machen sich im Internet vorwiegend auf die
Suche nach sexueller Praxis. „Es fehlt vor allem jenes spezifische Wissen, das
wichtig ist, sich selbst und andern Lust zu bereiten“ (Sielert, 1993, S. 25).
Altstötter-Gleich haben in ihrer quantitativ angelegten Untersuchung 11 - 18
Jährige Jugendliche (n = 1352) unter anderem nach der Art der gesehenen
pornografischen Internetinhalte befragt. Die Jugendlichen gaben dabei an, auf
folgende Kategorien von Pornografie gestossen zu sein:
•
33 % Erotik, Softpornos
(Darstellung nackter Personen, Striptease,
Petting, „normaler“ Geschlechtsverkehr)
•
6
%
mittlere
Pornografie
(sado-masochistische,
Fisting
37
-
und
Dehnungspraktiken, Gruppensex und Gang-Bang, Bukakke 38 , Praktiken
mit Fäkalien und Urin)
•
15 % Gruppen (Geschlechtsverkehr von Personen fortgeschrittenem
Alters oder Korpulenten, Bisexualität, Homosexualität, Teenagersex)
•
9 % Sexpraktiken (Masturbation, Oralverkehr, Analverkehr, Umgang mit
Sexspielzeugen)
•
16 % harte Pornografie (Sodomie inkl. Sexuelle Gewalt an Tieren,
Nekrophilie, sexuelle Gewalt, sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle
Verstümmelung)
(Altstötter-Gleich, 2006, S. 21;25)
Die Inhalte der Sparte „harte Pornografie“ wurden von den Jugendlichen beinahe
durchwegs negativ bewertet. Es seinen Gefühle des Ekels, der Wut und Angst
ausgelöst worden (Altstötter-Gleich, 2006, S. 29).
Und wie oft wird das genannte Material genutzt? Eine nichtrepräsentative
Befragung des Instituts für Publizistik in Mainz, die immerhin über 350
37
Einführen der Faust in Vagina oder Anus
Sammeln des Spermas von verschiedenen Männern in einem Gefäss, welches
anschliessend – freiwillig oder unfreiwillig – durch weitere AkteurInnen ausgetrunken,
respektive diesen eingeflösst wird.
38
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Jugendliche (darunter viele Gymnasiasten) befragte, kam zum Schluss, dass
beinahe die Hälfte der männlichen Jugendlichen fast täglich pornografische
beziehungsweise erotische Filme vor allem aus dem Internet konsumieren. Bei
den Mädchen sind es lediglich 3%, wobei sich deren Angaben vorwiegend auf frei
zugängliche Softerotik-Angebote im Fernsehen beziehen. Soziodemographische
Unterschiede in der Nutzungshäufigkeit, mit Ausnahme des „Geschlechts“,
konnten in dieser Studie keine festgestellt werden (Weber, 2009, S. 16). Eine
laufende Studie des Instituts für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie der
Universität Hamburg bestätigt, dass die Hälfte der 16-19 Jährigen Jungen
zumindest wöchentlich Pornografie aus dem Internet konsumiert (Schmidt &
Matthiesen,
2010,
S.
3).
Dieser
deutliche
Unterschied
bezüglich
Geschlechterverteilung der regelmässigen Konsumenten, könnte unter anderem
auch
auf
die
bereits
erwähnten
sozialen
Motive
des
jugendlichen
Pornografiekonsums (Weber, 2009, S. 17) und genderspezifische sexuelle
Skripte 39 zurückzuführen sein.
Jeder zweite Jugendliche ist schon mit pornografischen Inhalten im Internet
konfrontiert
worden.
Besonders
männliche
Jugendliche
rufen
dabei
das
pornografische Material absichtlich auf, nicht wenige tun dies regelmässig. Eine
Analyse möglicher negativer Auswirkungen des Pornografiekonsums drängt sich
daher auf.
6.2
AUSWIRKUNGEN DES PORNOGRAFIE-KONSUMS
Die Diskussion über mögliche Auswirkungen der Pornografie wird sehr kontrovers
geführt. Auf der einen Seite die Befürchtung, Pornografie führe zu moralischer
und sozialer Dekadenz, auf der andern Seite, die Überzeugung, Pornografie sei
ein Ausdruck sexueller Revolution und diene als Ventil. Die Forschung indes
beschränkte sich in ihren Untersuchen fast ausschliesslich auf mögliche negative
Folgen
des
Pornografiekonsums.
Studien
der
Psychologie
und
Medienwirkungsforschung dazu gibt es zahlreiche, besonders aus den USA (Ertel,
1990, S. 12-13;43; Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 566). Die
Aussagekraft vieler Untersuchungen zur Wirkung von Pornografie ist allerdings
kritisch einzuschätzen. Viele Untersuchungen fanden unter Laborbedingungen
statt. Oft wurde von einfachen Korrelationen auf Kausalitäten geschlossen. Der
39
Während Pornografiekonsum den männlichen Status unterstreicht, scheinen
pornografiekonsumierende Frauen eher durch eine inakkurate Sexualmoral zu befremden
(Ertel, 1990, S. 57-58).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Einfluss nicht bewusster oder nicht deklarierter Werthaltungen der AutorInnen,
respektive der ForscherInnen lässt sich zudem niemals gänzlich ausschliessen.
Solche Mechanismen können zu Verzerrungen führen, werden sie bei der
Settingplanung nicht berücksichtigt (Ertel, 1990, S. 12-13;43; Grimm, Rhein,
Müller,
2010,
S.
15-16).
Aussagekräftige
Forschungsergebnisse
über
die
Auswirkungen von Pornografie auf jugendliche Konsumenten liegen nur wenige
vor. Der vermehrte Pornografiekonsum unter Jugendlichen ist erst durch die
Möglichkeit
des
leistungsfähigen
Internetzugangs
aufgekommen
und
das
„Phänomen“ dadurch noch relativ neu. Zudem bleiben der Forschung aus
rechtlichen
verwehrt.
und
ethischen
Deshalb
Bedenken
stützen
sich
psychophysiologische
sämtliche
Untersuchungen
Untersuchungen
jugendlicher
Pornografiekonsumenten auf qualitative oder quantitative Befragungssettings
(Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 32).
Im
Folgenden
stützen
Veröffentlichungen
wir
des
uns
vorwiegend
Psychologen
Medienwirkungsforschers
Dolf
auf
Henner
Zillmann
international
Ertel
(2004)
(1990)
zur
anerkannte
und
Wirkung
des
des
Pornografiekonsums auf Erwachsene. Ihre Untersuchungen erstreckten sich
jeweils über einen längeren Zeitraum und fanden nicht ausschliesslich unter
Laborbedingungen statt. Selbst wenn diese Untersuchungen noch Fragen offen
lassen, ist ihre Aussagekraft für diese Arbeit bedeutsam und nützlich. Soweit
vorhanden,
stützen
wir
uns
ergänzend
auf
aktuelle
europäische
Studienergebnisse zu möglichen Auswirkungen des Pornografiekonsums auf
Jugendliche (Peter & Valkenburg, 2006; 2009 a&b; 2010 a&b sowie Stulhofer,
Schmidt, Landripet, 2009).
Folgende Thesen zur Wirkung von Pornografiekonsum sind mehrfach untersucht
worden (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 572-579 sowie Groeben,
Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 454-456):
6.2.1 HABITUALISIERUNGSTHESE
Die Habitualisierungsthese legt nahe, dass durch einen wiederholten Konsum von
Pornografie ein Gewöhnungseffekt (Habitualisierung) auftritt, durch welche der
Rezipient eine immer grössere Stimulation benötigt, um dieselben Reaktionen
und Gefühle wie zu Beginn zu erzielen. Ertel und Zillmann konnten durch ihre
Untersuchungen bestätigen, dass besonders bei einem sehr regelmässigen
Konsum von Pornografie (sieben Filme pro Woche und mehr) eine gewisse
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Gewöhnung einsetzt. Dieser Habitualisierungseffekt ist bei Gewaltpornografie
jedoch deutlich geringer. Zillmanns Vermutung, es setze eine qualitative „PornoSpirale“ ein (der Rezipient sucht nach immer ausgefallerenen und härteren
Stimuli), konnte von Ertel nicht nachgewiesen werden. Dagegen verweist dieser
auf
die
Möglichkeit
einer
quantitativen
„Pornospirale“
(Anstieg
der
Konsummenge) (Ertel, 1990, S. 475; 479 sowie Charlton, Hesse, Schwan,
Zillmann, 2004, S. 576). Dabei spielt auch das Alter des Erstkontaktes mit
pornografischem Material eine entscheidende Rolle (Ertel, 1990, S. 479).
6.2.2 SOZIAL-KOGNITIVE LERNTHEORIE
Vertreter der sozial-kognitiven Lerntheorie (Bandura u.a.) gehen davon aus, dass
beobachtetes Verhalten bei erwarteter Belohnung nachgeahmt wird. In der
Pornografie mündet jegliches sexuelle Verhalten in euphorischen Gefühlen. Diese
signalisieren dem Rezipienten eine Belohnung, falls er das beobachtete sexuelle
Verhalten
nachahmt
(stellvertretende
Konditionierung)
(Charlton,
Hesse,
Schwan, Zillmann, 2004, S. 576). Ertel konnte diesbezüglich keine bedeutenden
Effekte feststellen (Ertel, 1990, S. 475).
6.2.3 THEORIE DER EXEMPLIFIKATION
Die Theorie der Exemplifikation ist verwandt mit dem Ansatz der sozialkognitiven
Lerntheorie.
Die
Neurobiologie
geht
davon
aus,
dass
häufig
beobachtetes Verhalten im Gehirn als „normal“ gespeichert wird (Charlton,
Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 576). Menschen, die oft pornografische Filme
gesehen haben, überschätzen die Häufigkeit der in Partnerschaften gelebter,
auch abweichender, sexueller Praktiken (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S.
454
sowie
Charlton,
pornografischen
Medien
Hesse,
Schwan,
werden
mit
Zillmann,
steigendem
2004,
Konsum
S.
576).
zunehmend
Die
als
realistisch empfunden (Ertel, 1990, S. 478).
6.2.4 THEORIE DES SOZIALEN VERGLEICHS
Das Betrachten von scheinbar makellosen und nahezu perfekt proportionierten
(nicht selten chirurgisch manipulierten) DarstellerInnen in Pornofilmen führt zu
Minderwertigkeitskomplexen der eigenen Person und zu Unzufriedenheit mit dem
persönlichen Sexualleben. Wird Pornografie mehrfach konsumiert, wird die
Attraktivität des eigenen Partners / der eigenen Partnerin geringer eingeschätzt.
Der Effekt konnte besonders bei der Untersuchungsgruppe der Frauen bestätigt
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 51
werden (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 456 sowie Charlton, Hesse,
Schwan, Zillmann, 2004, S. 571).
6.2.5 KULTIVIERUNGSTHESE
Der Kultivierungsthese zu Grunde liegt die Annahme, dass das durch die
Pornografie vermittelte Bild von Frauen und Geschlechterrollen sowie der
Sexualität und Partnerschaft von den Konsumenten übernommen werden. Die
Darstellung der Frauen „als jederzeit willige und verfügbare Sexualobjekte“ wird
durch die Pornofilme kultiviert. Bei langzeitigem und intensivem Konsum von
Pornografie sind laut Vogel vermehrt sexistische Äusserungen und feindselige
Einstellung gegenüber Frauen (Misogynie) zu beobachten (Groeben, Gimmler,
Six, Vogel, 2007, S. 454). Nach intensivem Pornografiekonsum schätzten Männer
wie Frauen darüber hinaus eine Vergewaltigung als weniger schwere Straftat ein.
Zillmann
bezieht
sich
auf
Malamuth,
wenn
er
ausführt,
dass
die
Vergewaltigungsbereitschaft dagegen nur bei psychotischen, nicht einfühlsamen
und sozial inkompetenten Personen steige (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann,
2004, S. 577-578).
6.2.6 PORNOGRAFIEKONSUM UND AGGRESSIVITÄT / SEXUELLE GEWALT
•
Ein bestehender Zusammenhang zwischen dem Konsum von Pornografie
und aggressivem Verhalten ist sehr umstritten. Kriminalstatistisch ist
jedenfalls kein Nachweis möglich (Grimm, Rhein, Müller, 2010, S. 19).
•
Eine Metaanalyse von 30 empirischen Untersuchungen ergab hingegen,
dass gewalthaltige Pornografie Aggression fördert, Nacktheit sie dagegen
reduziert (Allen/D’Alessio/Brezgel et al. in Grimm, Rhein, Müller, 2010, S.
20).
•
Die Bereitschaft zu sexuelle Gewalt wird durch Pornografiekonsum nur bei
bestehender persönlicher Prädisposition verstärkt. Auch bei massivem
Konsum
ist
keine
praktische
Umsetzung
sexueller
Gewalt
in
der
Partnerschaft erkennbar (Ertel, 1990, S. 212;218ff).
6.3
AUSWIRKUNGEN AUF JUGENDLICHE
Können diese Erkenntnisse aus der Forschung mit Erwachsenen auf die
Jugendliche
übertragen
werden?
Wahrscheinlich
nicht
ohne
weiteres
beziehungsweise nur mit Vorbehalt. Denn Jugendliche stehen in ihrer (sexuellen,
kognitiven und moralischen) Entwicklung an einem andern Punkt als Erwachsene.
Dies lässt Zillmann befürchten, dass Pornografie „als faktische Sexualerziehung
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 52
für Jugendliche, einen stärkeren Einfluss auf die Bildung sexueller Einstellungen“
(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 581) haben könnte. Lautstarke
Warnungen vor sexueller Verrohung und Verwahrlosung von Jugendlichen durch
Pornografiekonsum im Internet bahnen sich denn auch ihren Weg in die
Tagespresse. Gernert spricht in diesem Zusammenhang von einer regelrechten
medialen „Pornopanik“ (Gernert, 2010, S. 71).
Peter und Valkenburg (2010 a)
40
gehen davon aus, dass der von den
Jugendlichen eingeschätzte Realitätsgehalt 41 der pornografischen Darstellungen
im Internet eine wichtige Erklärung dafür liefern könnte, inwieweit dieses
Material auf die Jugendlichen einwirken kann. Die pornografischen Inhalte
werden dabei durch häufigen Konsum auch von Jugendlichen zunehmend als
realistisch empfunden (Peter & Valkenburg, 2010 a, S. 21-22). Dies stützt die
Aussagen von Ertel, welcher zudem anführt, dass besonders ein niedriges
Einstiegsalter einen Einfluss auf die Konsummenge haben kann (Ertel, 1990, S.
479).
Konsumieren Jugendliche viel Pornografie und schätzen dabei das gesehene
Material als relativ realistisch ein, korreliert dies in Studien von Peter und
Valkenburg mit folgenden Variablen:
•
Recreational and instrumental attitudes toward sex 42 : “Sex is primarily
physical;” “The main goal of sex is that you yourself have a good time;”
“Sex is a game between males and females;” “It is okay to seduce
somebody, although you know that you do not want a relationship with
him/her;” “Sex is a physical need, like eating;” “It is okay to have sexual
relationships with more than one partner.” (Peter & Valkenburg, 2006, S.
15)
•
Notice of woman as sex objects 43 : “Unconsciously, girls always want to be
persuaded to have sex,” “Sexually active girls are more attractive
partners,” “There is nothing wrong with boys being interested in a women
40
Online-Wiederholungsbefragung in drei Etappen niederländischer Jugendlicher im Alter
von 13 bis 20 Jahren (n= 2,341)
41
„Glaubhaftigkeit“ und „Wahrscheinlichkeit“, dass dies in der sozialen Realität so
stattfindet / angenommene Nützlichkeit der erhaltenen „Information“ (Peter &
Valkenburg, 2010 a, S. 23)
42
Es besteht eine instrumentelle Einstellung gegenüber Sex. Sex dient in erster Linie der
eigenen Entspannung.
43
Frauen werden als Sex-Objekte wahrgenommen.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 53
only if she is pretty”; “An attractive woman asks for sexual advance,” and
“There is nothing wrong with boys being primarily interested in a woman’s
body.” (Peter & Valkenburg, 2009 a, S. 16)
Peter und Valkenburg weisen jedoch deutlich darauf hin, dass die Ursachen
dieser Zusammenhänge noch nicht gänzlich geklärt sind und es weiterführender
Forschung bedarf. Ist der Pornografiekonsum wirklich der Auslöser solcher Bilder,
oder ist es nicht auch möglich, dass Jugendliche mit solchen Einstellungen sich
stärker von Pornografie angezogen fühlen und sie deshalb auch öfter nutzen?
(Peter & Valkenburg, 2006, S. 21; 2009 a, S. 26).
Weiter sind Peter und Valkenburg der Frage nachgegangen, ob der häufige
Konsum von pornografischen Internetinhalten bei den Jugendlichen ebenso zu
einer reduzierten Zufriedenheit mit dem eigenem Sexualleben führt (Theorie des
sozialen Vergleichs). Ihre Untersuchung ergibt Hinweise darauf, dass dies
besonders bei Jugendlichen mit wenig sexueller Erfahrung zutreffen könnte
(Peter & Valkenburg, 2009 b, S. 24).
Häufiger Pornografiekonsum führt dagegen laut Peter und Valkenburg nicht, wie
vermutet und oft befürchtet, zu vermehrtem sexuellem Risikoverhalten 44 bei
Jugendlichen.
Hier
Probandengruppe.
besteht
Diese
ein
nahmen
deutlicher
durch
Unterschied
vielfachen
zur
erwachsenen
Pornografiekonsum
ein
kleineres Risiko für ungeschützten Geschlechtsverkehr wahr. Diese Diskrepanz
könnte darauf zurückzuführen sein, dass Jugendliche heute, im Gegensatz zur
Stichprobe der Erwachsenen, vermehrt für die Themen „sexuell übertragbare
Krankheiten“ und „unerwünschte Schwangerschaften“ sensibilisiert sind (Peter &
Valkenburg, 2010 b, S. 16).
Peter und Valkenburg empfehlen im Zusammenhang mit der bedeutsamen
Variable „des eingeschätzten Realitätsgehalts“, Jugendliche in erster Linie über
die fiktiven Anteile pornografischer Inhalte aufzuklären (Peter & Valkenburg,
2010 a, S. 26-27).
Eine gewisse Wirkung pornografischer Darstellungen auf die Einstellungen und
Vorstellungen zu Sexualität von Jugendlichen lässt sich unter bestimmten
Bedingungen
44
(Alter
des
Erstkontaktes,
Konsumhäufigkeit,
Grad
des
Dazu zählen Peter & Valkenburg beispielsweise den ungeschützten Geschlechtsverkehr.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 54
zugeschriebenen Realitätsgehalts) nicht ausschliessen. Sind diese Einflüsse
jedoch so stark, dass gar eine pornotypische Umschreibung der sexuellen Skripte
Jugendlicher durch Pornografiekonsum hervor geführt wird? Wie in Unterkapitel
„Sexuelle Skripte“ bereits ausgeführt, beeinflussen unsere intrapsychischen
Skripte, was wir als sexuell erregend empfinden. Sie beeinflussen somit auch den
individuellen Umgang mit Pornografie (Ertel, 1990, S. 57).
Eine
rückblickende
Befragung
kroatischer
Studenten
hatte
zum
Ziel
herauszufinden, ob sich durch Pornografiekonsum das sexuelle Skript von
Jugendlichen insofern „pornotypisch zuspitzt“ (Stulhofer, Schmidt, Landripet,
2009, S. 21), als dass sich ihre individuellen Vorstellungen „vom besten Sex“ mit
den Skripten der Pornografie decken (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S.
16).
Exkurs: Sexuelle Skripte der Pornografie vs. real gelebte Sexualität
Pornografie ist nach Ertel als „fiktive Scheinwelt, die primär kollektive männliche
Sexualfantasien widerspiegelt“, zu verstehen. Szenarien pornografischer Filme „weisen
erstaunlich viele Gemeinsamkeiten mit spontan produzierten sexuellen Fantasien auf“
(Ertel, 1990, S. 474). Ihre Drehbücher sind von den sexuellen Skripten und sexuellen
Fantasien des Produzenten (meist männlichen Geschlechts) geprägt (Escoffier & Jackson,
2007, S. 62).
Pornofilme sind jedoch nicht als Realitätsausschnitt, sondern „als sexuelle Gegenrealität“,
als Symbolwelt „zu verstehen“ (Ertel, 1990, S. 474), in welcher „alle Schwierigkeiten und
problematischen Aspekte von Sexualkontakten“ ausgeblendet werden. Es existieren
keinerlei Hindernisse, Widerstände und Unstimmigkeiten zwischen den Sexualpartnern
(Ertel, 1990, S. 105). Dabei „ist das dominante Motiv pornografischer Medienangebote
die zufällige Begegnung eines Mannes und einer Frau, die sofort von nicht zu
bändigender Lust überwältigt werden und ohne grosse Umschweife sexuelle Handlungen
in all ihren (mehr oder weniger 45 ) gebräuchlichen Formen aufnehmen – typischerweise
Fellatio 46 , gefolgt von Cunnilingus 47 und dann von Verkehr in unterschiedlichen
Stellungen.“ (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 570).
Die Inhalte pornografischer Filme „vermitteln (den männlichen Betrachtern) sexuelle
Grandiositätsfantasien“. Sie haben somit eine „kompensatorische und rückversichernde“
Funktion (Ertel, 1990, S. 105).
Ertel hat in seiner Studie folgende Kategorien von Fantasien, Fiktionen und Mythen
hervorgebracht (Ertel, 1990, S. 94-104), die „Vorstellungen von Sexualität (und
Gender)“ (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 16) wiederspiegeln:
● Instant-Verführungsfiktionen, sexuelle Veni-Vidi-Vici-Mythen und FastfoodSexualitäts-Fiktionen
● Extreme Simplifizierung der Darstellung von Sexualkontakten
● Unverbindliche Sexualkontakte
● Pseudokonsensuelles Verhalten
● Garantie sexueller Gratifikation
● Mythos der Hypersexualität / Nymphomania-Mythos
● Mythen sexueller Dominanz, Macht und Kontrolle
45
46
47
Anmerkung der Autorinnen
Oralbefriedigung des männlichen Penis
Orale Stimulation der weiblichen Genitalien
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 55
● Sexuelle Kontrollverlust-Fiktionen
● Mythen sexueller Konventionsverletzung und Grenzüberschreitung
● Sexuelle Überwältigungs- und Vergewaltigungsmythen
(Ertel, 1990, S. 94-104)
Diese Fiktionen beinhalten auch sämtliche Geschlechtsstereotype sexuellen Verhaltens.
„Ein Grossteil pornografischer Medienangebote stellt Frauen als breitwillige, vielleicht
sogar übermotivierte Sex-Partnerinnen dar, die offensichtlich gewilligt sind, die Wünsche
jedes Mannes im Umkreis zu befriedigen“. Dabei wird der Anschein erweckt, Frauen
hätten sich dabei vom männlichen Sexualpartner dominieren zu lassen (Charlton, Hesse,
Schwan, Zillmann, 2004, S. 570). Jedoch wird auch der Mann in der Pornografie meist
unvorteilhaft als triebgesteuert dargestellt und auf seine genitale Potenz reduziert
(Sielert, 1993, S. 67).
Nach Lukesch bezeichnet Heer Pornografie als „präzise Karikatur der (ehelichen)
Sexualität“. Sie „schneidet alles weg, was vor oder nach der Kopulation passiert oder
passieren könnte“ (Lukesch, 2009, S. 77). Zudem fehlen in der pornografischen
Sexualität sämtliche Formen von Blickkontakt, Zärtlichkeit (Berührungen, Schmusen,
Kuscheln), Genuss, Humor, Fantasie und Scham. Kommunikation findet höchstens als
„Dirty Talk“ statt (Lukesch, 2009, S. 80-81). Pornografie zeichnet sich nach Weidinger
besonders durch eine „leistungsorientierte und mechanistische Sexualität“ (Weidinger,
2008) aus, die auf den reinen Lustaspekt der Sexualität fokussiert ist und soziale oder
emotionale Aspekte ausklammert (Sielert, 1993, S. 67). Heer geht gar noch weiter in der
Aussage, dass es nicht einmal um echte Lust, sondern vielmehr darum gehe, „dass er
(der Mann) am Schluss kommt“ und zwar gut sichtbar 48 (Lukesch, 2009, S. 78). Diese
„cum shots“ dienen dabei in erster Rolle als „Echtheits-Beweis“ für den männlichen
Orgasmus, welcher in der Pornografie mit Befriedigung gleichgesetzt wird (Lukesch,
2009, S. 79 sowie Ertel, 1990, S. 97). Heer ist überzeugt, dass der weibliche Orgasmus
dagegen durch die Darstellerinnen (beinahe) ausnahmslos gespielt wird (Lukesch, 2009,
S. 78).
Die Befürchtung des Pornografiekonsums Jugendlicher geht meist darauf hin, dass ihre
„Bilder vom Sex im Sinne der Sexual- und Geschlechterstereotype der Pornografie
verzerrt, entstellt oder korrumpiert“ werden (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).
Die Skripte der Pornografie sind der romantischen Liebe diametral entgegengesetzt, die
sich unter anderem durch eine beständige Verbindung von Liebe und Sexualität
auszeichnet und von vielen Leuten immer noch als Ideal hochgehalten wird (Clement,
2009, S. 22). Die durch Pornografie implizierten Bilder widersprechen nicht nur dem
gesellschaftlichen Idealbild der Sexualität, sondern auch der gelebten sexuellen Realität
(Lukesch, 2009, S. 77-88 sowie Ertel, 1990, S. 104).
Zumindest physisch betrachtet beinhaltet das durchschnittliche amerikanische sexuelle
Skript eine Steigerung von der Umarmung zum Küssen, gefolgt vom Petting (zuerst
stimulierende Berührungen des Oberkörpers, später der Geschlechtsteile, teilweise auch
mit Formen der Oralbefriedigung verbunden) bis es letztlich zum Geschlechtsverkehr
kommt (Simon & Gagnon, 2005, S. 15).
Eine Aktuelle Untersuchung der Universität Potsdam zu sexuellen Skripten im Jugendalter
ergab, dass sich die individuellen sexuellen Skripte unter anderem dadurch auszeichnen,
dass jugendlicher Geschlechtsverkehr erst nach längerer Bekanntschaft und dann vor
allem im häuslichen Rahmen stattfindet. Der Wunsch nach einer Weiterführung der
Beziehung nach dem ersten Geschlechtsverkehr mit dem Partner wird von Jugendlichen
beiderlei Geschlechts geäussert (Krahé, Bieneck, Steinberger-Olwig, 2004, S. 22-23).
48
Dazu Heer:„Merkwürdigerweise kommt er immer und ausnahmslos ante portas, an der
frischen Luft, und niemals in“ der Frau, oftmals nicht durch den Geschlechtsverkehr,
sondern durch abschliessende Onanie (Lukesch, 2009, S. 78).
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 56
In der Studie von Stuhlhofer et al. konnten keine generellen Hinweise auf die
negative
Beeinflussung
des
sexuellen
Skripts
durch
Pornografiekonsum
nachgewiesen werden (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21). Auch hier
stützen sie die Erkenntnisse vorangegangener Forschungen von Ertel (Ertel,
1990, S. 475). Stuhlhofer et al. führen dieses Ergebnis darauf zurück, dass die
sexuellen Skripte bereits im Verlaufe der kindlichen Entwicklung gebildet werden
und daher die gesehenen pornografischen Inhalte auf eine bereits „vorhandene
Struktur des Begehrens“ treffen (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).
Schmidt führt dazu aus, dass bereits Vorpubertierende, vor ihrem ersten Kontakt
mit pornografischem Material, unter anderem durch diverse Medien (Magazine,
TV-Soaps, etc.) erfahren haben, „was es zwischen Mann und Frau gibt: Flirt;
Anmache und Reaktionen darauf; Verliebtsein, Trennung; wann und wie mann
oder frau die Augen schliesst, wenn der Mund des oder der Geliebten sich
nähert; wie die Hand sich unters T-Shirt schiebt; wie man Körper, Outfit und
Auftreten ästhetisiert, erotisiert, sexuiert usw.“ (Schmidt, 2005, S. 116). Zu
diesem Flirt- und Vorlustscripting liefert Pornografie lediglich weitere „Bilder über
den Ablauf intimen oder sexuellen Geschehens“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S.
8). Die vorangegangenen Generationen Heranwachsender hatten kaum Zugang
zu Anschauungsmaterial des sexuellen Geschehens. Sie waren mit den Worten
von
Schmidt
„underscripted“,
wogegen
heute
bereits
Kinder
durch
Medieneinflüsse „overscripted“ sind (Schmidt, 2005, S. 117). Andererseits
vermuten
Stuhlhofer
et
al.,
dass
Jugendliche
sich
besonders
diejenigen
Pornofilme ansehen, welche ihrem persönlichen sexuellen Skript am besten
entsprechen (Stulhofer, Schmidt, Landripet, 2009, S. 21).
Die Medienwirkungsforschung liefert Hinweise, dass die Jugendlichen den
pornografischen Bildern nicht einfach ausgeliefert sind. Jugendliche sind in ihrer
Medienkompetenz deutlich versierter als ihre Eltern. Gernert verweist dabei auf
die Aussage Tapscotts 49 , der die „Generation Internet“ als „fitter, kritischer,
kreativer und engagierter“, als je eine Generation zuvor, beschreibt (Gernert,
2010, S. 45).
Medien sind für Jugendliche Mittel zur Kommunikation, haben Einfluss auf ihre
Verhaltensweisen,
„bieten
Orientierung“
und
Informations-
sowie
„Identifikationsangebote“ (Wenger, 2008, S. 36). Dabei werden Medienpersonen
49
Autor und Auftraggeber umfassender Studien zur „Generation Internet“.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 57
auch als Vorbilder wahrgenommen, ihr Verhalten wird dabei jedoch von den
Jugendlichen nicht einfach übernommen (Wenger, 2008, S. 38). Dies bestätigt
auch die qualitative Studie des Instituts für Sexualforschung und Forensische
Psychiatrie der Universität Hamburg, in der 17- bis 19-jährige Jugendliche über
ihre Beziehungs- und sexuellen Erfahrungen sowie über die Nutzung des
Internets für Beziehungen und Sexualität befragt wurden (Schmidt & Matthiesen,
2010). Ein Grossteil der Jugendlichen scheint den gezeigten Sex der Pornografie
denn auch von ihrer eigenen Sexualität unterscheiden zu können. Einige
Jugendliche äusserten sich dahingehend, dass die eigene Erfahrung „eine ganz
andere Schiene“ sei, „weil es (in der Pornografie) immer nur um das Eine geht“,
„keine Liebe im Spiel ist“, oder es „keine Gefühle oder keine Zärtlichkeit“ gebe
und „alles nur gespielt ist“, „dass es in der Realität schöner ist, weil man nicht
darauf bedacht sein muss, besonders lange durchzuhalten und alle möglichen
akrobatischen Stellungen durchzuführen und das Publikum zu begeistern,
sondern dass es einfach spontan ist“ (Schmidt & Matthiesen, 2010, S. 10). Ein
Mädchen stellte zudem sarkastisch fest, dass „man (von der Pornografie
wenigstens) lernen (könne), wie man einen Orgasmus vorspielt“ (Schmidt &
Matthiesen, 2010, S. 9).
Welche Erfahrungsquellen haben diesen Jugendlichen ermöglicht, den fiktiven
Anteil der Pornografie als solchen zu erkennen?
Detaillierte Angaben zum sexuellen Geschehen erhalten die wenigsten von ihren
Eltern oder aus dem Aufklärungsunterricht der Schule. Hoffman hat in ihrer
quantitativen Studie nachgewiesen, dass sich 66% der Jugendlichen über
Sexualität bei ihren Freunden informieren, 31% das Fernsehen und 27% das
Internet als Informationsquelle nutzen. Hoffman weist jedoch darauf hin, dass
dieses „Wissen, das im Freundeskreis ausgetauscht wird oder welches über
Medien vermittelt wird, nur bedingt brauchbar“ ist (Hoffmann, 2009, S. 12).
Manche, besonders jüngere Jugendliche, lassen sich denn auch von den
gesehenen pornografischen Darstellungen verunsichern. Gernert stellt dar, wie
sich Jungs viele Fragen zu ihrer Penisgrösse stellen und Mädchen beruhigt sind
zu erfahren, dass sie bestimmte Dinge, die sie aus der Pornografie kennen, in
ihrer Beziehung nicht nachmachen müssen (Gernert, 2010, S. 65). Andere,
besonders ältere Jugendliche, äussern sich im Gespräch mit Sexualpädagogen
der
deutschen
Fachstelle
pro
familia
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
erstaunt,
dass
manche
HS 2010/11
gesehenen
Seite | 58
Techniken in ihren eigenen Praxisversuchen innerhalb der Beziehung so gar nicht
umsetzbar
gewesen
seien
und
wundern
sich,
weshalb.
Manche
in
pornografischen Filmen gezeigten Techniken bergen ohne gezielte Vorbereitung
gar
ein
ernsthaftes
Verletzungsrisiko
(Gernert,
2010,
S.
67).
Diese
Feststellungen schliessen wieder an der von Peter und Valkenburg geforderten
Aufklärung zum Realitätsgehalt pornografischen Materials an.
Offensichtlich zeigen sich individuelle Unterschiede in der Einordnung medialer
Inhalte durch Jugendliche. Diese dürften besonders auf das im Laufe ihrer
Entwicklung erworbene Wissen und ihre Medienkompetenz zurückzuführen sein.
Kognitive
Fähigkeiten
und
das
durch
Sozialisation
und
Allgemeinbildung
erworbene Rahmungswissen, ermöglichen den Jugendlichen, mediale Inhalte
richtig
einzuordnen,
das
heisst
auch
zwischen
Realität
und
Medialität
beziehungsweise Fiktionalität unterscheiden zu können (Groeben, Gimmler, Six,
Vogel, 2007, S. 34-38). Medien-„Rezipient/innen/en gründen ihr Urteil hierbei
vorwiegend
auf
Werkkategorie
drei
des
Aspekte,
nämlich
Medienangebotes
dem
(…),
Genre
dem
beziehungsweise
Realismus
der
der
formalen
Darstellung (Wie lebensecht wirkt das Dargestellte?) und der Plausibilität des
Inhalts (Könnte so etwas wirklich passieren?).“ (Charlton, Hesse, Schwan,
Zillmann, 2004, S. 82). Zur Beurteilung dieser Aspekte greifen Rezipienten auf
ihre kognitiven Konzepte, Begriffe, Wissensbestände oder Schemata zurück, die
ihnen „als Deutungsmuster zur Verfügung stehen“ (Charlton, Hesse, Schwan,
Zillmann, 2004, S. 139). Konsumiert ein Jugendlicher ohne eigene sexuelle
Erfahrung
pornografische
Filme,
sind
diese
Einschätzungen
über
den
Realitätsgehalt des Dargestellten für ihn erheblich schwerer zu treffen, da die
sexuellen Inhalte für ihn „nicht aus eigener Anschauung vertraut sind, so dass er
keine entsprechenden Vergleichsprozesse durchführen kann.“ (Charlton, Hesse,
Schwan, Zillmann, 2004, S. 82). Wissensbestände des Allgemein- und des
Medienwissens erlangen deshalb an Bedeutung, um Jugendliche zu befähigen,
solche Filmdarstellungen korrekt interpretieren und das Gezeigte verstehen zu
können (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 139).
Zu diesem für die Interpretation notwendigen Allgemeinwissen zählt:
•
Faktenwissen, „das Kenntnisse über Eigenschaften bestimmter Objekte,
über Situationen und Ereignisse umfasst“ (deklaratives Wissen)
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 59
•
Wissen darüber, „wie man eine Information verarbeitet, wie man mit einer
Beobachtung umgeht“ (prozedurales Wissen)
(Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 138).
Weiter benötigen Kinder und Jugendliche spezifische Medienkompetenzen, wie
beispielsweise:
•
Medien-Wissen
über
Rahmenbedingungen
einzelner
Medien,
ihrer
Arbeitsweisen, Absichten und Wirkungsweisen
•
Reflexions- und Bewertungskompetenzen, also die Fähigkeit Medieninhalte
und die eigene Mediennutzung kritisch zu analysieren
•
Nutzungs-
und
Verarbeitungskompetenzen,
wie
beispielsweise
die
„Fähigkeit zu funktional angemessener und persönlich verträglichen
Rezeption und Verarbeitung medialer Inhalte“ (Groeben, Gimmler, Six,
Vogel, 2007, S. 283).
(Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 34-38)
Charlton gibt zu bedenken, dass bei der Filminterpretation oft „auf ein so grosses
Erfahrungswissen zurückgegriffen werden muss, wie es Kindern grundsätzlich
noch nicht zur Verfügung steht“. Sogar Erwachsenen falle es je nach Filmgenre
und
Rezeptionssituation
schwer,
den
Realitätsgehalt
des
Medium
richtig
einzuschätzen (Charlton, Hesse, Schwan, Zillmann, 2004, S. 142). Gerade
deshalb ist die Anschlusskommunikation über Medieninhalte und Darstellungen
unerlässlich und ein wichtiger Faktor zur Entwicklung eines kompetenten
Medienumgangs (Groeben, Gimmler, Six, Vogel, 2007, S. 39-40).
7. PROFESSIONELLER
UMGANG
MIT
JUGENDLICHEM
PORNOGRAFIEKONSUM
7.1
AUFTRAG / ROLLE DER SOZIALEN ARBEIT
Wie bereits im Abschnitt „Von den Hypothesen zur Fragestellung“ dargelegt,
kommt aus unserer Sicht der Sozialen Arbeit zweifelsohne eine Rolle hinsichtlich
der Gestaltung von Rahmenbedingungen einerseits und direkter Interventionen
andererseits zur Unterstützung der sexuellen Entwicklung Jugendlicher zu. In
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 60
diesem
Teil
unserer
Arbeit
stützen
wir
diese
Hypothese
mit
fachlichen
Erläuterungen und gehen der Auftrags- und Rollenklärung nach.
Laut
IFSW-Definition
Probleme
50
werden
„alltägliche
persönliche
und
gesellschaftliche
“ zum „Gegenstandsbereich“ Sozialer Arbeit (IFSW - International
Federation of Social Workers, 2006, S. 2). Gesellschaftliche, respektive soziale
Probleme werden durch verschiedene VertreterInnen der Sozialwissenschaften
wie Merton, Fuller und Myers, Blumer, Spector und Kitsuse definiert (vgl.
Schetsche, 1996). Auf diese Definitionen gehen wir nicht ein, da diesen eine
beobachtende Rolle zugrunde liegt. Soziale Arbeit als handlungsorientierte
Wissenschaft fasst dagegen andere Definitionen. Staub-Bernasconi zitiert dazu
Obrecht, der soziale Probleme beschreibt als „jenes Bündel von praktischen
Problemen, die sich für ein Individuum im Zusammenhang mit der Befriedigung
seiner Bedürfnisse nach einer befriedigenden Form der Einbidung in die sozialen
Systeme seiner Umwelt ergeben“ (Staub-Bernasconi, 2007, S. 182). An anderer
Stelle
bezeichnet
Staub-Bernasconi
die
„geführte
Gegenstandsdiskussion“
Sozialer Arbeit als „uferlos“ (Staub-Bernasconi, 2007, S. 180); sie spricht damit
einerseits die nicht festzulegende Zielgruppe, andererseits die unzähligen
Themen, die probelamtisch werden können an
51
. Galuske spricht von der
„Allzuständigkeit der Sozialpädagogen“. Gemeint ist damit, dass „innerhalb eines
Feldes (…) das Themen- und Aufgabenspektrum sozialpädagogischer Beratung
prinzipiell nicht begrenzt“ ist. Sobald Alltägliches problematisch wird, kann es
Gegenstand sozialpädagogischer Beratung werden (Galuske, 2007, S. 169).
Galuske
zitiert
Sickendiek,
Engel
und
Nestman,
1999,
für
die
„(…)
sozialpädagogische Beratung weitaus näher an der konkreten Lebensrealität“ sei;
sie „hält sich nicht selten in eben dieser auf, wird deshalb mit dem alltagsweltlich
komplexen
Geflecht
aus
materiellen,
sozialen,
psychischen
und
alltagspraktischen Belastungen weitaus direkter konfrontiert als psychologische
Beratung, die sich auf den ‚dritten Ort‘ (Thiersch) innerhalb der Beratungsstelle
zurückzieht“ (Galuske, 2007, S. 170). Dass sich aus aktuellen Phänomenen ein
50
In der englischen Originalfassung ist von „social problems“ die Rede
(http://www.ifsw.org/f38000138.html).
51
Hier wird wiederum die Differenz im Zugang zwischen Soziologie und Sozialer Arbeit
sichtbar: Während aus soziologischer Sicht je nach Zugang gewisse Kriterien erfüllt sein
müssen, um von einem „sozialen Problem“ sprechen zu können (oder von einer
„konstruierten Problematisierung“ die Rede wäre), geht Soziale Arbeit davon aus, dass
alltägliche Probleme für ein Individuum und/oder dessen Umfeld als solche empfunden
werden können und keiner weiteren Kriterienprüfung unterzogen werden müssen, um
Gegenstand Sozialer Arbeit zu werden.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Auftrag für die Soziale Arbeit ergibt, belegt Galuske nochmals explizit mit einer
Äusserung von Thiersch, 1977:
„Die in den Widersprüchen der modernen Gesellschaft angelegten Konflikte,
Sinnverlust, Apathie, Insuffizienz usw. zeigen sich unmittelbar im Alltag der
Betroffenen, in der Komplexität der politischen, psychologischen, rechtlichen,
sozialen
Schwierigkeiten;
diese
Konflikte
waren
immer
Gegenstand
sozialpädagogischer Beratung.“ (Galuske, 2007, S. 171).
Müller
schliesst
sich
dieser
Ansicht
an,
wenn
er
sagt,
dass
von
SozialarbeiterInnen geführte Jugendtreffs nicht lediglich der Freizeitgestaltung
dienen, sondern auch „qua Einrichtung“ spezifische Rahmenangebote sowie
freiwillige Beratung. Ziel der Sozialen Arbeit mit Jugendlichen soll die Herstellung
von passenden Settings sein, „in denen Angebote der ‚Beratung‘ etc. ‚abgeholt‘
werden können, ohne dass sich die Jugendlichen dadurch „klientifiziert“ oder
„pädagogisiert“ fühlen.“ (Müller, 2009, S. 152). Der Weg von der Allzuständigkeit
zum spezifischen Bedarf wird im folgenden Abschnitt dargelegt.
7.1.1 BEDARF
Informelle Bildung zur Stärkung bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben
ist laut voja (Vernetzte offene Kinder- und Jugendarbeit Kanton Bern) Teil des
fachlichen Auftrags der (offenen) Kinder- und Jugendarbeit (voja). Eine dieser
bedeutsamen Entwicklungsaufgaben im Kindes- und Jugendalter ist die sexuelle
Entwicklung. Laut Ergebnissen der BZgA-Studie zur Jugendsexualität gewinnen
professionelle Ansprechpartner für Jugendliche an Bedeutung 52 , während mit
steigendem Alter der Kinder die Bedeutung der Eltern als Vertrauenspersonen
und
Instanz
der
Wissensvermittlung
abnimmt.
Ähnlich
nimmt
auch
die
Wichtigkeit der Schule als Ansprechpartner für sexuelle Themen im steigenden
Jugendalter ab (BZgA, 2010). Andererseits führt Winter aus, dass sexuelle
Bildung in der Familie teilweise wenig oder keine Aufmerksamkeit erfährt und
„sexualpädagogische
Themen
im
Schulunterricht
randständig“
sind
beziehungsweise dafür im Lehrplan nur wenige Lektionen eingeplant werden
können, sollte Sexualpädagogik in Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe
„durchgängig“ anzutreffen sein (Winter, 2008, S. 586). Ob es nun beschränkte
Ressourcen
52
der
Eltern
sind
oder
die
Favorisierung
familienexterner
Offenbar ist diese Tendenz deutlicher bei Mädchen, als bei Jungen festzustellen.
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Ansprechpartner
durch
Jugendliche,
der
Bedarf
nach
professionellen
sexualpädagogischen Angeboten nimmt zu.
Eine besondere Herausforderung ist die Ausgestaltung unter Berücksichtigung
der rechtlich geschützten elterlichen Vorrangstellung in der Erziehung: Es handelt
sich dabei um einen eigentlichen Balanceakt, da aus verschiedenen Gründen
(faktische Abwesenheit, Unvermögen, Ängste, Hemmungen, Kultur / Tradition,
Unwillen, etc.) ergänzend oder gar ersetzend Sexualerziehung geleistet werden
soll. Gleichzeitig muss dabei und soll auf eine Vielfalt an Willensbekundungen der
Eltern Rücksicht genommen werden (Sielert, 1993, S. 153).
7.1.2 AUFTRAGSKLÄRUNG, VERNETZUNG UND ABGRENZUNG
Unter Artikel 15 „Handlungsmaxime bezüglich interprofessioneller Kooperation“
unter Absatz 1: „Professionelle Sozialer Arbeit kooperieren im Hinblick auf die
Lösung komplexer Probleme interdisziplinär und setzen sich dafür ein, dass
Situationen möglichst umfassend und transdisziplinär in ihren Wechselwirkungen
analysiert, bewertet und bearbeitet werden können“ (AvenirSocial). Gleichzeitig
gilt
aber
auch,
dass
spezifische
sexualpädagogische
Institutionen
die
Zusammenarbeit mit der Sozialen Arbeit, die mit Jugendlichen in Kontakt steht,
suchen
sollte.
Galuske
argumentiert
mit
einer
Aussage
Thierschs,
dass
Beratungsangebote idealerweise dort zu lokalisieren sind, „wo die Adressaten
ohnehin vorbeikommen, in Ladenlokalen, Jugendhäusern (…)“ (Galuske, 2007, S.
172). So können möglichst viele Jugendliche erreicht werden. Sielert ist der
Ansicht, dass JugendarbeiterInnen aufgrund des institutionellen Rahmens „(…)
anders, oft direkter, emotionaler, in dichten, ganzheitlich ansprechenden
Situationen arbeiten“ können, „als das in der Schule möglich ist. (…) In der
Schule
muss
ich
ein
aufgetauchtes
Pornoheft
verschwinden
lassen,
Personsorgeberechtigte können damit aufklärend arbeiten.“ (Sielert, 2005, S.
171). Auch Gloël ist der Meinung, dass sich „freie Träger“ besser eigenen „als die
Institution Schule“, da dieser oftmals der passende Rahmen fehle, um „intime
Themen, wie die eigene Sexualität, zu besprechen. (…) Pädagoginnen und
Pädagogen (der freien Träger) stehen zumeist unter Schweigepflicht und bieten
eine Anonymität, die der auf Leistung und Bewertung ausgelegte „Lernraum
Schule“ in der Regel nicht bietet.“ (Gloël, 2010, S. 59). Trotz optimalen
Bedingungen
zeigen
sich
bisher
Schwierigkeiten
in
der
praktischen
Ausgestaltung. Das äussert sich beispielsweise darin, dass viele Institutionen der
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Jugendhilfe in ihrer Arbeit vorwiegend auf zwei passive sexualpädagogische
Strategien zurückgreifen:
1. Zugänglichmachen von Informationen (durch Auslegen von Materialien und
Broschüren etc.)
2. Erst durch Fragen, Äusserungen oder grenzwertiges Verhalten Jugendlicher
wird Sexualität zum Thema, wird darauf reagiert (antworten, aufgreifen,
einschreiten usw.)
(Winter, 2008, S. 590)
Eine aktive, agierende Sexualpädagogik ist dagegen selten anzutreffen. Diese
wird immer noch vorwiegend an externe Fachstellen für Sexualpädagogik (z.B.
Berner Gesundheit – kurz „BeGes“) delegiert (Winter, 2008, S. 587). Solche
Fachstellen können laut Winter den aktuellen Bedarf an sexualpädagogischen
Angeboten und/oder Beratung kaum bewältigen. Während der Bedarf an
professionellen Ansprechpersonen steigt, existieren zu wenige Institutionen.
Auch an ausgebildeten Fachpersonen fehlt es. Somit bleibt es bei „kurzen
Einheiten ausserhalb des gewöhnlichen Alltags. Damit einher geht (...) der Preis
massiver zeitlicher Beschränkung und der Zwang zur inhaltlichen Punktlandung“,
die
allerdings
oft
nicht
gelingt,
weil
externe
Fachleute
die
Kinder
und
Jugendlichen nicht genügend kennen (Winter, 2008, S. 590). Auf Nachfrage
bestätige die BeGes die Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage (besonders
für sexualpädagogische Einheiten für Schulklassen). Die momentane Wartezeit
beträgt mindestens ½ - ¾ Jahr. Somit ist die frühzeitige Planung externer
fachlicher Unterstützung durch SexualpädagogInnen unerlässlich (Lenz, 2010).
Dass diese Voraussetzung jedoch die einzige Chance auf professionellen Umgang
mit Jugendsexualität darstellt, scheint prekär. Winter meint dazu: „Natürlich
kann es sinnvoll und auch professionell sein, sich Unterstützung von aussen zu
holen – aber wieso gerade beim „Allerweltsthema“ Sexualität?“. Es folgt die
provokative Frage, ob denn gleich eine externe Spielpädagogin oder ein
Pizzapädagoge beigezogen werde, wenn in Jugendeinrichtungen gemeinsam
gespielt oder gekocht werden soll; warum gerade die Sexualität nicht als „ein
allgemeines,
durchgängiges,
gewissermassen
auch
„normales“
Querschnittsthema“ (Winter, 2008, S. 591) beibehalten werden könne. Diese
Delegation
nach
aussen
ist
nach
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Ansicht
von
Winter
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fragwürdig
und
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wiederspiegelt personelle Unsicherheiten und konzeptionelle Unzulänglichkeiten
(Winter,
2008,
S.
591).
Ein
Bedürfnis
der
SozialarbeitenrInnen
nach
Weiterbildungen im Bereich der Sexualpädagogik lässt sich beispielsweise am
Angebot der Fachhochschule für Soziale Arbeit Luzern ablesen. Diese bietet
umfassende weiterbildende Lehrgänge zur professionellen Handlungskompetenz
im Bereich der Sexualität an, welche sich an Professionelle der Sozialen Arbeit
richtet, „die in ihrer pädagogischen oder beraterischen Arbeit mit Fragen der
Sexualität konfrontiert sind“ (HSLU, 2008, S. 5). Externe Institutionen mit
„ausgesprochener sexualpädagogischer Kompetenz“ bleiben auch nach einer
Stärkung der internen Sexualpädagogik bedeutende Kooperationspartner. Sie
werden bei Veranstaltungen und Projekten zugezogen, „(…) bieten Fortbildungen
(…) und fachspezifische Supervision“ für JugendarbeiterInnen an und dienen
Jugendlichen durch ein themenspezifische Informations- und Beratungsangebot
als kompetente Anlaufstelle für Fragen der Sexualität (Winter, 2008, S. 592). So
könnte
interprofessionelle
werden.
Gleichzeitig
sowie
kann
interinstitutionelle
auf
diesem
Weg
Kooperation
das
umgesetzt
Handlungswissen
der
SozialarbeiterInnen erweitert werden. Diesen Anspruch erachten wir als logische
Konsequenz
einer
Haltung
von
Selbstbestimmtheit,
Emanzipation
und
Empowerment – nicht lediglich den KlientInnen Sozialer Arbeit gegenüber,
sondern auch in Bezug auf die eigene professionelle Identität. Den Vorteil der
Unabhängigkeit betont auch Winter, wenn er darlegt, dass in diversen „(…)
Einrichtungen der Jugendhilfe bisweilen Gelingendes zu finden ist.“ Er nennt dazu
konkrete
Bedingungen
für
eine
gelingende
sexualpädagogische
Praxis
in
Institutionen der Kinder- und Jugendhilfe: Aktive Ansätze, die konzeptionell und
institutionell
verankert
werden,
anstatt
als
reines
Dienstleistungsangebot,
beispielsweise für die Schule zu „fungieren“ (Winter, 2008, S. 592).
7.2
ANSCHLUSSKOMMUNIKATION
Jugendlichen stehen verschiedene Quellen für Informationen zur Sexualität zur
Verfügung. Nebst Familie, Schule und Jugendarbeit, bestehen auch vielfältige
mediale Zugänge zu sexueller Bildung. Nicht alle davon sind aber verlässlich;
ohne professionelle Anregungen und Ergänzungen, kann dies zu einer latenten
Verunsicherung und Orientierungslosigkeit Jugendlicher führen (Winter, 2008, S.
586-587).
Nussbaum
bezeichnet
Erziehungsverantwortliche
und
„(…)
wichtigste
Eltern
und
Lehrpersonen
Sozialisationsinstanzen
als
(…).“
(Nussbaum, 2009, S. 11). Die Thematisierung gewisser Aspekte der Sexualität
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stellt sowohl Eltern, wie auch Lehrpersonen vor besondere Herausforderungen.
Ganz konkrete Informationen zur sexuellen Praxis, Selbstbefriedigung, Geilheit,
Pornografie etc. lösen offenbar Hemmungen aus, oder aber Eltern und/oder
Lehrpersonen fühlen sich in diesen Themenbereichen zu unsicher, um sich auf
ein Gespräch einzulassen. So bleibt Jugendlichen vor allem der Austausch mit der
Peergroup. Dieses Gefäss wird denn auch rege genutzt und geschätzt, bietet
aber wie die bereits erwähnten medialen Quellen nicht immer reliable Angaben
(Nussbaum, 2009, S. 11). Wermuth bringt die Notwendigkeit dessen, was in
sozial- und sexualpädagogischen Fachkreisen als „Anschlusskommunikation“
bezeichnet wird, in klaren Worten auf den Punkt: „Die Begegnung mit der
pornografischen Fi(c)ktion lässt bei Jugendlichen Fragen entstehen, auf die sie
weder alleine noch zusammen mit anderen Jugendlichen Antworten finden.“
(Wermuth, 2010, S. 20). Auch Gloël ist der Meinung, dass „insbesondere vor
dem
ersten
Geschlechtsverkehr“
Jugendliche
auf
den
beschränkten
Realitätsgehalt pornografischer Darstellungen hingewiesen werden sollten. Bei
kritikloser Übernahme der vermittelten Bilder der Pornografie besteht die Gefahr
der Enttäuschung 53 beim ersten Geschlechtsverkehr 54 . Es geht darum, dass
Pornografie als einziges „Modell für gelingende Sexualität“ schlicht nicht taugt
(Gloël, 2010, S. 45-46). Das Entwickeln von „Entscheidungskompetenzen“ stärkt
den eigenen Orientierungssinn und damit den selbstbestimmten Umgang mit der
eigenen Sexualität, so Nussbaum nach Aussagen der Schweizerischen Stiftung
für sexuelle und reproduktive Gesundheit, 2008 (Nussbaum, 2009, S. 9).
7.2.1 HALTUNG
Aus der BZgA-Studie geht ein besonders wichtiges Kriterium für den Zugang zu
Jugendlichen bezüglich deren Fragen zu sexueller Aufklärung hervor: Es geht um
die Notwendigkeit des Gefühls Jugendlicher, völlig ernstgenommen zu werden.
(BZgA,
2010).
Angesichts
kontroverser
Zugänge
und
unterschiedlicher
Auswirkungen, die der Pornografiekonsum auf Jugendliche haben kann, könnte
man
versucht
sein,
sich
diese
mehrdeutige,
unkontrollierbare
und
oft
problematische Informationsquelle aus der Welt der Jugendlichen zu verbannen
53
Enttäuschung kann in diesem Sinne auch als Befreiung von Trugbildern verstanden
werden. Es kann und sollte aber nicht Ziel der JugendarbeiterInnen sein,
Heranwachsende im Sinne einer „Kind-fasst-die-heisse-Herdplatte-an-Pädagogik“
auflaufen zu lassen.
54
Die ersten Erfahrungen mit Geschlechtsverkehr sind ohnehin fragil und werden oft als
eine Art Schlüsselerlebnis, das sowohl positiv, als auch negativ konnotiert werden kann,
empfunden.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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und damit scheinbar Sicherheit zu erreichen. Abgesehen davon, dass dies nicht
möglich ist, wäre es nach Gloël auch nicht im Sinne der Sozial- und
Sexualpädagogik:
„Eine
auf
sexuelle
Selbstbestimmung
ausgerichtete
Sexualpädagogik kann (…) weder zum Ziel haben, Pornographie aus den Leben
der Jugendlichen zu entfernen noch kann sie das Ziel verfolgen, Pornographie
gänzlich zu verbieten.“ (Gloël, 2010, S. 58). Das entspricht auch einer
wünschens- und erstrebenswerten Grundhaltung der SozialarbeiterInnen. So
kommt denn auch den Menschenrechten und der Menschenwürde – und damit
der Selbstbestimmung – im neuen Berufskodex Professioneller Sozialer Arbeit
Schweiz (Fassung für die Vernehmlassung) eine tragende Rolle zu:
•
Art. 8, Abs. 3
Lit. a)
Selbstbestimmung: Das Anrecht der Menschen, im Hinblick auf ihr
Wohlbefinden ihre eigene Wahl und Entscheidung zu treffen, geniesst
höchste Achtung, vorausgesetzt, dies gefährdet nicht die Rechte und
legitimen Interessen Anderer.
Lit. d)
Ermächtigung: die eigenständige und autonome Mitwirkung an der
umgebenen Sozialstruktur setzt voraus, dass Individuen, Gruppen und
Gemeinschaften ihre Stärken entwickeln und sich zur Wahrung ihrer
Rechte ermächtigen.
•
Art. 10, Abs. 2
Lit. a)
Anforderungen
bewältigen:
Die
Professionellen
der
Sozialen
Arbeit
motivieren ihre Klientinnen und Klienten, von ihren Rechten, Ressourcen
und Fähigkeiten Gebrauch zu machen, damit diese selbst auf ihre
Lebensbedingungen Einfluss nehmen können.
(AvenirSocial)
Nach Galuske beinhaltet sozialpädagogisches Beratungshandeln „drei zentrale
Dimensionen“:
Akzeptanz
des
Klienten,
Sachkompetenz
und
Partizipation
(Galuske, 2007, S. 171). Werden diese Dimensionen auf die Beratung und
Unterstützung
Jugendlicher
mit
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
Pornografiekonsum-Erfahrung
HS 2010/11
bezogen,
so
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könnte
das
wie
gesellschaftlich
folgt
aussehen:
geprägten
SozialarbeiterInnen
sowie
individuell
akzeptieren
wahrgenommenen
die
und
ausgestalteten Lebenswelten Jugendlicher; dies zeigt sich vor allem in einer
respektvollen und ernstnehmenden Haltung der SozialarbeiterInnen.
Wie sich diese Haltung in zwischenmenschlicher Kommunikation, sei dies im
Gespräch zu zweit oder auch in Gruppendiskussionen, äussern kann, zeigen wir
im nächsten Abschnitt auf.
7.2.2 GESTALTUNG DER KOMMUNIKATION
Wermuth erachtet es als notwendig, dass kompetente Erwachsene „gelassen und
sachlich mit Kindern und Jugendlichen über Erfahrungen und Fragen im
Zusammenhang mit Pornografie sprechen.“ (Wermuth, 2010, S. 22). Auch Geers
betont
„Humor
und
Gelassenheit
anstelle
von
Aufgeregtheit
und
Kulturpessimismus“ (Geers, 2009, S. 24). Die Grundvoraussetzung für eine
konstruktive Auseinandersetzung mit Pornografie ist die Gestaltung einer
vertrauensvollen und angenehmen Gesprächsatmosphäre, die zum Austausch
einlädt (Geers, 2009, S. 22). Dazu braucht es Authentizität, Sachlichkeit,
Ehrlichkeit
und
insbesondere
Bereitschaft
seitens
Sozial-
und
SexualpädagogInnen (Gloël, 2010, S. 58). Wie gelingt dies angesichts einer
Thematik, die eng an Norm- und Wertvorstellungen genknüpft ist, die nur allzu
leicht
dazu
verleitet,
Verbindungen
herzustellen,
die
zwar
naheliegend
erscheinen, einer fundiert wissenschaftlichen Prüfung aber nicht standhalten?
Einige Bemühungen scheinen von vornherein schwierige Voraussetzungen zu
schaffen:
In
einem
Hinweisdokument
des
NWSB
(Netzwerk
Schulische
Bubenarbeit) für Schulen, ist zu lesen:
„Übergriffige Jungen konsumieren in der Regel häufig Pornografie - individuell
oder als Gruppe. Gemeinsamer Pornografiekonsum baut die Hemmung vor
Sexualität in der Gruppe ab, stellt also eine Vorstufe zu Übergriffen als
Gruppe dar. Es gibt verschiedene Arten von Pornografie. Der Konsum härterer
oder gewalttätiger Pornografie sollte als Warnzeichen interpretiert werden.“
(Halbright, Decurtins, Geu, 2007, S. 3).
Auch wenn sich diese Äusserung spezifisch auf Jungen bezieht, die bereits
übergriffig geworden sind, so finden sich darin doch heikle Verknüpfungen, die
eben einer aufgeregten, pessimistischen und zu wenig differenzierten Haltung
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Vorschub leisten. Gerade in Hinweisdokumenten, die sich zwar an Fachleute
richten, jedoch nicht an solche mit explizitem sexualpädagogischem Hintergrund,
kann
nicht
per
se
vorausgesetzt
werden,
dass
solche
Aussagen
richtig
eingeordnet werden. Der Sachverhalt des Pornografiekonsums der Täter mag
richtig sein. Um aber treffende Schlussfolgerungen zu ziehen, müsste man
wissen, unter welchen Bedingungen der Pornografiekonsum zum beobachteten
problematischen Verhalten führt, respektive unter welchen nicht.
Zum
Gestaltungsrahmen
betont
Nussbaum
die
Wichtigkeit
geschlechterspezifischer Angebote. Sie begründet dies damit, dass „generell (…)
im Pornografiekonsum von Jugendlichen eindeutige Unterschiede zwischen den
Geschlechtern feststellbar“ (Nussbaum, 2009, S. 10) seien. Gleichzeitig hebt sie
aber den Aspekt der Sozialen Erwünschtheit hervor:
„Zweifellos
hat
Offenheit
Sexualität/Pornografie
(…)
in
Zusammenhang
Grenzen.
(…)
mit
dem
Möglicherweise
Thema
beantworten
Mädchen die entsprechende Frage nach ihrem Pornografiekonsum im Sinne
der Sozialen Erwünschtheit eher mit Nein (Tendenz zum Nein-Sagen).
Umgekehrt kann die Überlegung angestellt werden, dass Jungen ihren
Pornografiekonsum eher bestätigen (Tendenz zum Ja-Sagen), möglicherweise
auch
aus
der
Überlegung,
dass
dies
von
ihnen
erwartet
wird
(Gruppenzugehörigkeit, Männlichkeit).“ (Nussbaum, 2009, S. 8).
Nichts desto trotz geht Nussbaum davon aus, dass der Zugang zu Pornografie
und deren Konsum bei Mädchen ein anderer sei als bei Jungen. Differenzen
werden beispielsweise in der Sprache und im Interesse an Sexualität und
Pornografie deutlich, wenn sich Jungen eher „auf einer mehr funktionellen,
technischen Ebene bewegen“, Mädchen dagegen „einen emotionaleren Zugang“
haben (Nussbaum, 2009, S. 10). Aus diesen Ausführungen sind mindestens zwei
mögliche
Schlüsse
zu
ziehen:
Einerseits
scheinen
gendergerechte
Umgangsformen in Angeboten und Gesprächen mit Jugendlichen angebracht.
Andererseits könnte diese differente Ausgestaltung der Angebote aber auch dazu
beitragen,
sozialisationsbedingte
Unterschiede
und
den
Grad
der
Berücksichtigung sozialer Erwünschtheit zusätzlich zu verstärken. Ein nicht zu
unterschätzender Faktor ist aber die Wahrung der Privat- und Intimsphäre
Jugendlicher, die mittels Geschlechtertrennung besser geschützt werden kann.
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Im Kontakt mit den Jugendlichen gelte es, „die Grenze zur Intimität“ (Geers,
2009, S. 22) zu respektieren; so sollten Fragen durch Fachpersonen in der Arbeit
mit einer Gruppe Jugendlicher nicht direkt die individuelle, persönliche Ebene
Jugendlicher ansprechen. Ein Beispiel: Auch wenn Rückmeldungen zu allgemein
angenommenen Gründen des Pornografiekonsums genannt werden, so kann
davon ausgegangen werden, dass diese (oder zumindest einige davon) für viele
Jugendliche zutreffen. Ein zentrales Element der Anschlusskommunikation ist der
„Realitätsabgleich“ (Geers, 2009, S. 23), wie Geers es bezeichnet: Wie in dieser
Arbeit bereits mehrfach dargelegt wurde, liefert Pornografie verschiedenste
Bilder mit unterschiedlichstem Realitätsbezug von Sexualität. Hier gilt es die
Jugendlichen beim Ein- und Zuordnen zu unterstützen, Verunsicherungen
aufzuklären und auf Verzerrungen in pornografischem Material hinzuweisen
(Geers, 2009, S. 23). Sexualpädagogik müsse es sich „zur Aufgabe machen,
Unterschiede
gelebter
Sexualität
zu
akzentuieren,
um
den
Eindruck
zu
vermeiden, die in Pornos dargestellte Sexualität stelle die einzige Möglichkeit
dar, wie Sexualität real gelebt werden kann“ (Gloël, 2010, S. 58).
In Anlehnung an Müller eignen sich die sozialpädagogischen Interventionen in
Form von „Angeboten“ oder auch „Gemeinsamem Handeln“. Beiden eigen ist der
„Verzicht
auf
Machtausübung“,
die
mittels
„informierter
Zustimmung“
gewährleistet sein muss: Beide Formen werden nicht aufgezwungen; sie dürfen
auch
abgelehnt
werden,
ohne
dass
dies
negative
Konsequenzen
für
AdressatInnen hat (Müller, 2009, S. 142). Freiwilligkeit der AdressatInnen setzt
in
der
Regel
voraus,
dass
diese
einen
Nutzen
erkennen
können
in
sozialpädagogischen Angeboten, sodass diese dann zu gemeinsamem Handeln
führen. Müller zitiert in diesem Zusammenhang Meinhold, 1987:
„(…) Damit es überhaupt zu einer Begegnung zwischen Anbietern und
potentiellen Nutzern kommt, müssen die Klienten in dem Rahmenangebot von
Anfang an brauchbare und wertvolle Hilfen erkennen können. Darüber hinaus
soll die Nutzung des Angebots den Mitarbeitern und Klienten genügend
Anlässe bieten, um gemeinsame Bedarfssituationen auszuhandeln.“ (Müller,
2009, S. 151).
Eine weitere Ausdifferenzierung nimmt Müller bezüglich sozialpädagogischen
Angeboten vor: Sie beabsichtigen entweder die Änderung von Fähigkeiten einer
Person oder aber die Veränderung einer Situation. Müller zitiert dazu Alice
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Salomon: „Alle Fürsorge besteht darin, dass man entweder einem Menschen hilft,
sich in der gegebenen Umwelt einzuordnen, zu behaupten, zurechtzufinden –
oder dass man seine Umwelt so umgestaltet, verändert, beeinflusst, dass er sich
darin bewähren, seine Kräfte entfalten kann“ (Müller, 2009, S. 153). Dass die
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen dennoch nicht unbeachtet bleiben sollen,
betont
Galuske
in
Anlehnung
an
Thiersch,
1977
unter
„Spezifische
Handlungsintention“ wie folgt:
„Sozialpädagogische Beratung ist Beratungshandeln in der Komplexität
alltäglicher Problemlagen und Problemlösungsstrategien und „weit stärker als
andere Beratungsansätze (…) eine Intervention, die auf die Belebung von
Alltagstechniken der Konflikt- und Krisenbewältigung gerichtet ist und dabei
notwendigerweise
den
gesellschaftlichen
Kontext
nicht
ausklammert.““
(Galuske, 2007, S. 170).
In dieser Arbeit wurde bereits dargelegt, dass es kaum möglich ist, die aktuelle
Situation,
also
den
leichten
und
ungehinderten
Zugang
Jugendlicher
zu
pornografischem Material und den damit gesteigerten Konsum dessen, zu
verändern.
Folglich
Veränderung,
müssen
Stärkung
sich
der
sozialpädagogische
Fähigkeiten
und
Angebote
Bewältigung
auf
die
Jugendlicher
konzentrieren.
Wir unterstreichen hier nochmals den Wert jener Ansätze, die im Umgang mit
jugendlichem Pornografiekonsum auf Selbststärkung abzielen. Da wir davon
ausgehen, dass insbesondere die Bewusstseinsbildung ein zentrales Moment im
weiteren
Gestalten
des
eigenen
Umganges
mit
Sexualität
und/oder
Pornografiekonsum ist, weisen wir an dieser Stelle auf die bewusstseinsbildende
Gesprächsführung in Anlehnung an Freire und Rogers hin. Mittels Erweiterung,
Differenzierung und Integration kann „(…) Problemen der Bildung von Begriffen,
Bildern, Codes und Werten (…)“, die das Erleben und Erkennen beeinträchtigen
können, begegnet werden. Ziel ist die Weiterentwicklung/Veränderung von
InterpretationsGefühlen,
und
Normen
Artikulationskompetenzen.
und
Gesetzmässigkeiten
Durch
(…)“
„Verbalisierung
sollen
„kognitive
von
und
wertbezogene Aha-Erlebnisse und Einsichten“ erfolgen, um eine „(…) dialogische
rekonstruktive
Lebensphasen,
Entschlüsselung
kritischen
oder
Deutung
Lebensereignissen
von
(…)“
Alltagssituationen,
zu
ermöglichen.
SozialarbeiterInnen können mit non-direktiven Gesprächstechniken sowie mit
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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Bildmaterial arbeiten (Staub-Bernasconi, 2007, S. 275-276). In der konkreten
Umsetzung
sind
vor
allem
eine
wertschätzende,
anerkennende
und
anteilnehmende Haltung sowie die non-direktive Gesprächsführung wichtig. Als
Teiltechniken werden von Staub-Bernasconi die folgenden genannt:
•
Ansprechen – Vorstellen – Einstieg in eine Gesprächssituation – u.a. auch
im Rahmen aufsuchender Arbeit;
•
sorgfältig formulierte Einstiegsfragen, die den Gesprächspartner abholen;
•
Nachfragen
nach
weiteren
Sachverhalten,
nach
Wahrnehmungen,
Gefühlen, Beurteilungen, Zusammenhängen (Erklärungen).
•
Aufgreifen sich widersprechender Aussagen;
•
gemeinsame Rückschau auf das Gespräch – wie geht es weiter?
(Staub-Bernasconi, 2007, S. 326-327)
Welche weiteren Techniken können zur Anwendung kommen? Galuske zitiert
Nestmann, 1982:
„Nicht
festgelegt
auf
ein
gelerntes
oder
trainiertes
therapeutisch-
beraterisches Konzept ist sie (die Beratung, d.V.) auf offen für die
themengerichtete Auswahl und Praktizierung von Beratungsmethoden oder
Vorgehensweisen, die die klassischen Therapieformen und Beratungskonzepte
auf
Erziehung,
Lernen,
alltäglicher
Interaktion
etc.
übernommen
und
verabsolutiert haben.“ Genannt werden:
•
Aufmerksames aktives Zuhören (…)
•
Reflexion von Vergangenem
•
Planung von Zukünftigen (…)
•
Konfrontation mit Überlegungen zum Überdenken (…)
•
Alternativen aufzeigen
•
Zusammenfassen
•
Anbieten von eigenen Interpretationen (…)
•
Provozieren etc. (…)
(Galuske, 2007, S. 172)
Ein einfaches Rezept mit Geling-Garantie kann an dieser Stelle nicht geboten
werden.
Das
situativ
adäquate
Anwenden
des
sozialarbeiterischen
Instrumentariums stellt eine der herausfordernden Grundbedingungen der Praxis
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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der Sozialen Arbeit dar – so auch im Umgang mit dem Phänomen jugendlichen
Pornografiekonsums. Ein auswendiggelerntes Set an Methoden und Techniken
greift ohnehin zu kurz, in einem Themenbereich der Privats- und Intimsphäre
zweifellos tangiert werden. Es braucht Willen, Mut und Feingefühl, eine offene
Haltung
einzunehmen,
ohne
die
eigenen
Grenzen
zu
missachten.
An
SozialarbeiterInnen wird im Allgemeinen die Forderung gestellt, Jugendliche
einerseits mit dem eigenen Hintergrund an Lebenserfahrung zu begleiten,
andererseits
durch
gezielte
Aneignung
immer
wieder
neuer,
aktueller
Kompetenzen zu unterstützen und anzuleiten; ein eigener kritischer Umgang mit
Medien und Medienmaterial wie Pornografie wären also Kompetenzen, über die
SozialarbeiterInnen zumindest in einem gewissen Masse (vgl. Aussagen von
Geers, 2009 im nächsten Abschnitt) selbst verfügen müssen, um Jugendlichen
diese
vermitteln
zu
können.
Die
Einbindung
Jugendlicher
in
den
Kompetenzenerwerb anderer Jugendlichen, also ein peer-to-peer-Ansatz, würde
einen echten partizipativen Zugang ermöglichen. Darauf wird im nächsten
Abschnitt näher eingegangen.
7.3
MEDIEN- UND PORNOKOMPETENZ – ERWEITERTE AUFKLÄRUNG
Exner und Schmidt-Apel zitieren Zacharias, 2001: „Kindheiten sind heute
Medienkindheiten. Jugendzeit ist Medienzeit“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel,
Schröder, 2005, S. 203). Deshalb hat Jugendarbeit den Auftrag, Bildungsdefizite
in der Mediennutzung Jugendlicher abzubauen und sich gemeinsam mit ihnen mit
Inhalten auseinanderzusetzen (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.
197-204). Ein gelingender Umgang mit Pornografie bedingt den kritischen
Umgang mit Medien. Nussbaum fordert daher, dass Jugendliche nicht lediglich
durch Zugangsbeschränkungen geschützt werden, sondern insbesondere durch
Vermittlung von Medienkompetenz im Umgang mit Pornografie gestützt werden
(Nussbaum, 2009, S. 9). Da viele Jugendliche bereits versiert mit den neuen
Medien umgehen, gilt es, diese Ressource zu nutzen und darauf aufzubauen:
Dabei
können beispielsweise
die beinahe grenzenlosen
Möglichkeiten der
Bildmanipulation thematisiert und „entlarvt“ werden (Geers, 2009, S. 24). Das
Erkennen, Nutzen und Ausbauen jugendlicher Kompetenzen im Umgang mit den
neuen Medien allein führt noch nicht zum Ziel. Die Verbindung mit dem
eigentlichen Thema Pornografie(konsum) erfordert von professioneller Seite
„Selbstreflexion und Auseinandersetzung“ (Wermuth, 2010, S. 22). Geers steht
in diesem Zusammenhang vor offenen Fragen und bezieht eine wesentliche
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 73
davon auf sich selbst, wenn er fragt, „(…) mit wie viel und mit welcher
Pornografie“ er sich „als Sexualpädagoge auseinandersetzen“ müsse, „um
mitreden zu können.“ (Geers, 2009, S. 24). Ähnliche Fragen stellt sich auch
Sielert:
„Weil Erziehung sich im pädagogischen Bezug ereignet, sind Persönlichkeit
und sexuelle Identität der Erziehenden ganz besonders wichtig. Daraus folgt,
dass sich Sexualerziehende sich selbst kennen lernen sollten. (…) Ich sollte
wissen, wovon ich rede, wissen, wie Pornografie heute aussieht (…). Aber wo
ist für mich die Grenze der Professionalität, was muss ich mir nicht ansehen?
Für die meisten besteht die Grenze bei der Tötungs- und Kinderpornografie.
(…) Ziel ist Professionalität in dem Sinn, dass ich im Wissen um meine
eigenen Grenzen und Trübungen handeln kann, dass ich meine Grenzen
kenne und mich doch auskenne, um fundiert urteilen zu können und
Möglichkeiten von Lernangeboten zu geben.“ (Sielert, 2005, S. 167).
Medien- und Pornokompetenz 55
gehen Hand in Hand. Die Verbindung von
„Bewährtem“ mit neuen Ansätzen und Erweiterungen in der sexualpädagogischen
Arbeit, sind als notwendige Reaktion auf gesellschaftliche Veränderungen des
Sexuellen zu verstehen. Ideen zur Ausgestaltung neuer Wege einer gelingenden
und aktuellen sexualpädagogischen Praxis werden lanciert. So fordert Wermuth
bedürfnis- und entwicklungsstandentsprechende Angebote:
•
Sexualerziehung von Anfang an
•
Altersentsprechendes Thematisieren von sexueller Praxis und Lust
•
Ein Sexfilm für Jugendliche!
(Wermuth, 2010, S. 21)
Was Wermuth mit „von Anfang an“ meinen könnte, spricht auch Nussbaum an.
Ihre Untersuchung belegt, „(…) dass Pornografie bereits in der sechsten Klasse
zur (Medien-)Realität von Kindern und Jugendlichen gehört – ein Drittel der 12Jährigen ist schon mit Pornografie in Kontakt gekommen.“ Daraus folgert sie,
dass sexualpädagogische Angebote bereits vor dem Eintritt in die Pubertät
einsetzen müssten (Nussbaum, 2009, S. 9).
55
„Pornokompetenz“ wird sowohl als Trendbegriff an akademischen Lehrstätten wie auch
in der breiten Öffentlichkeit verwendet. Der Begriff kann als Spezifizierung der
Medienkompetenz verstanden werden. Die ursprüngliche Herkunft konnte im Rahmen
unserer Recherchen für die vorliegende Arbeit nicht geklärt werden.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 74
Zur
Diskussion
steht
die
Gewichtung
des
Themas
Pornografie
in
sexualpädagogischen Angeboten. Geers ist der Ansicht, dass vor allem ein
kompetenter Hintergrund geschaffen werden muss. Pornografie sollte nicht
andere Inhalte verdrängen oder überlagern, da es „eine Menge Falsch- und
Halbwissen (…)“ gebe (Geers, 2009, S. 22). Die gesteigerte Konfrontation mit
sexuellen oder eben auch pornografischen Darstellungen und Inhalten bedeutet
nicht
per
se
bessere
Aufklärung.
Daher
hält
er
es
für
wichtig,
den
sexualpädagogischen Fokus nicht auf Pornografie zu legen, sondern „zu Beginn
einer sexualpädagogischen Einheit Aufklärung im klassischen Sinne zu betreiben
(…)“ (Geers, 2009, S. 23). Was aber meint „im klassischen Sinne“? Sielert
erläutert seine Einschätzung der klassischen Sexualerziehung, wobei er deren
Fokussierung auf die „Schattenseiten“ betont. Sie laufe daher Gefahr, „(…) ihre
Sexualfreundlichkeit einzubüssen“ oder versuche „(…) sich schadlos zu halten“
und spreche „(…) nur die Sprache der Liebe“, betone „(…) allenfalls noch die
lustvollen, Kraft spendenden und Beziehung stiftenden Seiten.“ Er hofft auf „(…)
einen dritten Weg (…), der den Schatten der Sexualität nicht umgeht, aber auch
dort nicht endet, sondern möglichst viele Auswege eröffnet.“ (Sielert, 2005, S.
155). Er spricht von einer „Sexualitätsprävention“ bis zu den 70er-Jahren, später
sei Sexualpädagogik dann zu einer „Präventionspädagogik“ geworden, die sich
vor
allem
auf
„Gefahrenabwehr“
konzentriert
habe.
Die
Tendenz
zur
„Gefahrenabwehr“ – oder anders formuliert „Präventionsarbeit“ – wird mit der
Thematik
jugendlichen
Pornografiekonsums,
respektive
dessen
möglichen
Konsequenzen, erneut deutlich: Die Ängste um negative Auswirkungen des
jugendlichen Pornografiekonsums lassen wie bei anderem, irgendwie auffälligem
oder abweichendem Verhalten Jugendlicher, Rufe nach Prävention im Rahmen
der Jugendarbeit laut werden (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.
255).
Was
aber
wissenschaftlich
soll
noch
Erwachsenengeneration
durch
nicht
Prävention
gesicherte,
moralisch
verhindert
Gefahren
abwegiges
werden?
oder
Verhalten
ein
(Exner,
Mögliche,
für
die
Lindner,
Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 259)? Sielert bezieht sich auf Angaben von
Glück, 1990, wenn er sagt, dass im Jahre 1990 noch 45% der Eltern nicht
wollten, dass Pornografie und Prostitution in der Schule thematisiert würden. So
wurde dem Jugendschutz eine bewahrende und abschirmende Aufgabe anstelle
„(…) einer aktiven, stark machenden Auseinandersetzung“ (Sielert, 2005, S.
155)
zugesprochen.
So
verkommt
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
der
Präventionsbegriff
HS 2010/11
aufgrund
Seite | 75
gesellschaftlicher Verlegenheit zur Heilsbotschaft und zum Allzweck-Joker (Exner,
Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S. 256), der nach Lindner dann zum
Einsatz kommt, „wenn es zu spät ist, d.h. wenn der Fall, den man eigentlich
verhindern wollte, bereits eingetreten ist.“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel,
Schröder, 2005, S. 259). Da Kinder- und JugendarbeiterInnen in der Regel einen
kontinuierlichen Zugang zu denselben Jugendlichen pflegen, eröffnet dies die
Chance auf einen längerfristigen Ansatz im Sinne von „Bildung statt Prävention“.
Das
heisst:
Weg
von
der
Normalitätserwartungen“
hin
offensiven,
Auseinandersetzung
positiven
zu
Durchsetzung
einer
„unreflektiert
längerfristigen,
um
bestimmten
“bildungsorientierten
soziale
Werte
und
Verhaltensorientierungen“ (Exner, Lindner, Schmidt-Apel, Schröder, 2005, S.
260-261).
Ein
aktiver
Zugang
bedeutet
unter
anderem
neue
Wege
einzuschlagen. Gerade an der Thematik Jugendlichen Pornografiekonsums lässt
sich das nach Nussbaum festmachen. Wie Wermuth ist sie der Ansicht, dass dem
Bedürfnis Jugendlicher nach gezeigtem Sex nachgekommen werden sollte. Sie
führt wie folgt aus:
„Es müsste eine Form gezeigter Sexualität – etwa in Form eines informativen
Sexfilms für Jugendliche – gefunden werden, wobei darin unterschiedliche
Dimensionen menschlicher Sexualität beachtet und betont werden müssten.
(…) Es liegt in der Verantwortung der Erwachsenen Kindern und Jugendlichen
geeignete Angebote gezeigter Sexualität zu machen anstatt aus moralischen
(Hinderungs-)Gründen, Scham und Unfähigkeit hinzunehmen, dass sich
Heranwachsende zu Aufklärungszwecken mit pornografischen Bildern der
Sexualität begnügen müssen.“ (Nussbaum, 2009, S. 11).
Auf politischer Ebene wird mit Forderungen auf die Diskrepanz zwischen dem
jugendlichen Bedürfnis und vorhandenem Angebot reagiert. Insbesondere die
JUSO Schweiz fordert neue Ansätze zur Erlangung sexueller Selbstbestimmung.
Sie sehen eine Möglichkeit im Zeigen konkreter sexueller Praxis (eine Art
Lehrfilm zur Sexualität). Im Anhang dieser Arbeit ist das entsprechende
Positionspapier zu finden.
Welche Kriterien müsste ein solcher Sexfilm erfüllen, um den Jugendlichen
Interessen zu entsprechen und gleichzeitig eine gelingende sexuelle Entwicklung
der Jugendlichen zu unterstützen? Chen-Christen, Kunz und Levin haben durch
eine Bedürfnisabklärung bei Jugendlichen und Fachpersonen, Kriterien für
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 76
jugendgerechte erotische Literatur beziehungsweise jugendgerechtes erotisches
Bildmaterial definiert:
(Abb. 2)
(Chen-Christen, Kunz, Levin, 2007, S. 16)
Werden diese Kriterien auf das Medium des Filmes übertragen, stellen sich
folgende
Probleme:
Einerseits
müssten
die
zwingenden
Kriterien
des
Bildmaterials eingehalten werden, andererseits bedingt der dargestellte zeitliche
Ablauf in einem Film auch die Beachtung der Muss-Kriterien des Textes.
Inwiefern also eine Übertragbarkeit dieser Kriterien auf einen Film erfolgen kann,
bleibt fraglich. Sicher müssten weitere Überlegungen zur Bestimmung von
Kriterien
angestellt
werden.
Bezüglich
der
Einhaltung
der
gesetzlichen
Bestimmungen zu StGB-Artikel 197, Abs. 5 im Abschnitt „Recht“, kann davon
ausgegangen
werden,
dass
ein
Sexual-Lehrfilm
sui
generis
einen
wissenschaftlichen Wert aufweist, da er zu Bildungszwecken eingesetzt würde.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 77
Auch Gloël denkt, dass im sexualpädagogischen Feld neue Angebote geschaffen
werden müssen, „die nicht nur leicht zu erreichen sind, sondern die Jugendlichen
in ihrer Entwicklung begleiten.“ Seine Vorstellung beinhaltet die Einbindung,
Stärkung und Befähigung erwachsener Bezugspersonen. Gloël bezieht sich auf
die von ihm befragten jungen Erwachsenen, wenn er deren reflektierten Umgang
mit der eigenen Biographie als „Porno-Konsument“ betont. Diese Erkenntnis hält
er
für
motivierend,
auch
Angebote
der
Peer-Edukation
zum
Thema
„Pornographie“ zu erwägen (Gloël, 2010, S. 59). Auch Wermuth hält letzteren
Ansatz für denkbar. Im Gruppengespräch am Runden Tisch der vbgbern,
Quartierarbeit
Gäbelbach/Holenacker,
äussert
er
sich
entsprechend.
In
Anlehnung an das Projekt „Peacemaker“ 56 gegen Jugendgewalt könnte er sich ein
Projekt „Sexmaker“ ähnlichen Aufbaucharakters vorstellen (Beetschen & Rogger,
2010).
8.
DISKUSSION
UND
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Zum Aufbau des letzten Teils der Arbeit gehen wir wie folgt vor:
Einleitend stellen wir in möglichst kurzer Form die gesellschaftliche Ausgangslage
nochmals dar. Zur Gliederung greifen wir auf die Teilfragestellungen zurück, wie
sie bereits in der Einleitung festgehalten wurden. Ausgewählte Erkenntnisse aus
den
einzelnen
Kapiteln
werden
nochmals
dargelegt.
Im
Recherche-
und
Schreibprozess haben sich viele Fragen ergeben, die im Rahmen dieser Arbeit
nicht (mehr) beantwortet werden konnten. Es handelt sich dabei um Fragen zur
Praxistauglichkeit
der
aktuell
zur
Diskussion
stehenden
neuen
sexualpädagogischen Ansätze; diese haben noch keine Erprobung in der Praxis
erfahren. Antworten könnten daher nicht auf der Basis von Evaluationsdaten
erfolgen, sondern wären lediglich Mutmassungen. Die abschliessenden Gedanken
bilden den Schlusspunkt.
8.1
GESELLSCHAFTLICHER KONTEXT
Die gesellschaftliche Debatte zum jugendlichen Pornografiekonsum, die sowohl in
der Berichterstattung der Medien dokumentiert, als auch von dieser beeinflusst
wird, stellt die Initialzündung zur Entscheidung für die Themenwahl der
56
Artikel zum Projekt „Peacemaker“ auf „Beobachter“-Online: „Jugendgewalt:
Friedensstifter
auf
dem
Pausenplatz“:
http://www.beobachter.ch/familie/artikel/jugendgewalt-friedensstifter-auf-dempausenplatz/
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 78
vorliegende Arbeit dar. Die neuen Medien ermöglichen die Vervielfältigung,
Verbreitung und einen beinahe ungehinderten Zugang zu sexuellen Darstellungen
von grosser Bandbreite. Medialisierung und Sexualisierung der Gesellschaft
stehen in Zusammenhang.
Den plakativen Begriff „Generation Porno“, den die Medien als Aufhänger nutzen,
haben wir bewusst als Haupttitel gewählt und mit „?!“ versehen, um anzudeuten,
dass
der
Begriff
nicht
unkritisch
übernommen
wurde.
Uns
scheint
ein
unvoreingenommener und differenzierter Zugang der SozialarbeiterInnen zu
Jugendlichen
unerlässlich,
um
überhaupt
das
nötige
Vertrauen
für
eine
Arbeitsbeziehung schaffen zu können. Es hat sich gezeigt, dass, wenn schon in
dieser bildhaften Art gesprochen werden soll, eher von einem „Zeitalter Porno“
die Rede sein müsste. Erwachsene müssen vor allem selbst Verantwortung für
gesellschaftliche
Entwicklungen
und
Produkte
(welcher
Art
auch
immer)
übernehmen: Sie stellen Pornografie her, konsumieren diese und machen sie
leicht zugänglich. Während unter dem Credo der Wirtschaftsfreiheit profitiert
wird, greifen strafrechtliche Bestimmungen und Jugendschutz zu kurz. Wir
erachten es als elementar, dass sich mehr Bewusstsein dieser Doppelmoral auf
gesellschaftlicher Ebene entwickelt. Ansonsten werden die von Fachleuten
geforderten neuen Ansätze nicht ernsthaft diskutiert. Vielmehr verharrt man
dann in einer ablehnenden Haltung, aus der heraus lediglich kritisiert und
dramatisiert werden kann. Eine reaktionäre Haltung und die Forderung nach
offensichtlich obsolet gewordenen Idealbildern 57 der Jugend ist kaum zielführend.
Es muss um eine ehrliche Standortbestimmung gehen, aus der heraus aktiv und
konstruktiv agiert werden kann.
8.2
AUSGEWÄHLTE ERKENNTNISSE ZU DEN FRAGESTELLUNGEN
Wie
definieren
wir
Pornografie
als
wissenschaftlich
zu
untersuchenden
Gegenstand?
Es
konnte
keine
vollumfänglich
befriedigende
wissenschaftliche
Definition
vorgenommen werden.
Inwiefern Inhalte als pornografisch definiert werden, hängt vom Zugang,
respektive
der
jeweiligen
sexuellen
Sozialisation
ab.
Im
Rahmen
der
57
Wie es die Formulierung nahelegt, kann es sich dabei immer nur um Vorstellungen und
niemals die Abbildung der Realität handeln. Dieses Phänomen wird unter anderem
anhand des immer wieder verwendeten Begriffs der „sexuellen Verwahrlosung“ deutlich.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 79
vorliegenden
Pornografie
Arbeit
eine
wurde
grosse
klar,
dass
die
Herausforderung
Gegenstandsbestimmung
darstellt.
Zwar
existieren
der
im
juristischen Sinne Bestimmungskriterien, nicht aber eine eigentliche Definition.
In
nichtjuristischen
Definitionsansätzen
mit
beispielsweise
beschreibendem
Zugang, fliessen Wertungen, implizite Annahmen über Funktionen oder, je nach
Detailliertheit, Einschränkungen mit ein. Einerseits ist bei der wissenschaftlichen
Gegenstandsbestimmung Sachlichkeit und Klarheit gefragt, andererseits lassen
sich
moralisch-ethische
Konnotationen
im
Zusammenhang
mit
Sexualität
und/oder Pornografie nicht gänzlich ausschliessen.
Wie und weshalb nutzen Jugendliche pornografisches Material?
Unsere Hypothese, dass Pornografie in jugendliche Lebenswelten Einzug gehalten
hat, bestätigt sich. Jugendliche kommen mit Pornografie in Berührung. Die
Konfrontation kann beabsichtigt oder ungewollt stattfinden. Ungewolltes in
Kontakt kommen mit pornografischem Material kann damit erklärt werden, dass
strafrechtliche Bestimmungen und Jugendschutz mit den aktuellen technischen
Möglichkeiten nur unzureichend eingehalten werden. Die Gründe bewusster
Nutzung sind vor allem Informationsbeschaffung zur sexuellen Praxis und
sexuelle Neugierde, beziehungsweise Lustgewinn (vorwiegend als Unterstützung
bei der Selbstbefriedigung). Das ist nicht weiter verwunderlich, denn die Jugendund Adoleszenzphase geht mit einem gesteigerten Interesse an Sexualität
einher.
Die
Bildung
einer
(sexuellen)
Identität
ist
nur
eine
der
Entwicklungsaufgaben dieser Zeit. Die biopsychosozialen Wechselwirkungen
führen zu einer erhöhten Vulnerabilität. Heranwachsende benötigen in dieser
herausfordernden Lebensphase Raum zur Entfaltung, gleichzeitig aber auch
Begleitung
und die
Möglichkeit zur
Auseinandersetzung mit erwachsenen
Bezugspersonen. Zunehmende Autonomiebestrebungen äussern sich auch in der
wachsenden Bedeutung der Peergroup. So lassen sich wohl auch soziale Motive
wie
Unterhaltung,
Mutproben
und
Statusgewinn
als
weiteren
gängigen
Nutzungsgrund für Pornografie erklären. In aktuellen Untersuchungen zeigen sich
auffällige
geschlechterspezifische
Differenzen,
wobei
sozialisationsbedingte
Faktoren sicherlich eine Rolle spielen. Es ist unklar, in welchem Masse
Verhaltensanpassungen
aufgrund
Sozialer
Erwünschtheit
insbesondere
bei
Mädchen mitschwingen.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 80
Welche Auswirkungen lassen sich unter besonderer Berücksichtigung der
sexuellen Entwicklung gemäss aktuellem Forschungsstand konstatieren?
Thematisiert
wird
der
jugendliche
Pornografiekonsum
vor
allem
im
Zusammenhang mit möglichen negativen Auswirkungen und Konsequenzen auf
die sexuelle Entwicklung. Gefürchtet werden Verzerrungen wie beispielsweise ein
problematisches einseitiges Bild der Sexualität und damit zusammenhängend der
Geschlechterrollen, fehlende Verknüpfung von Sexualität und Liebe sowie
sexuelles Risikoverhalten. Aktuelle Forschungen zeigen, dass die Fähigkeit zur
Differenzierung zwischen pornografischer Fiktion und real gelebter Sexualität –
also dem eingeschätzten Realitätsgehalt pornografischer Darstellungen eine
Schlüsselfunktion
zukommt.
Inwiefern
verfügen,
einerseits
mit
hängt
ihren
Jugendliche
kognitiven
über
diese
Kompetenz
Fähigkeiten
zusammen,
andererseits mit dem Stand eigener sexuellen Erfahrung.
Die beschriebenen sexuellen Skripte sind dynamisch und vielfältig gespeist. Sie
lassen sich in der Regel nicht monokausal erklären oder prägen. Insofern
relativieren Untersuchungsergebnisse aus der Skripttheorie die befürchteten
einschneidenden Auswirkungen jugendlichen Pornografiekonsums; vielmehr ist
dieser als einer von vielen sozialisationsbedingten Faktoren auf dem Weg zur
sexuellen Identitätsbildung zu verstehen.
Welche Rolle kommt der Sozialen Arbeit im Umgang mit jugendlichem
Pornografiekonsum zu? Wo liegen die Möglichkeiten und Grenzen der
Einflussnahme?
Da Jugendschutz, wie bereits angetönt, nicht lediglich über strafrechtliche
Bestimmungen
und
Technik
gelöst
werden
kann,
benötigen
Jugendliche
Begleitung. Hierbei kommen verschiedene erwachsene Bezugspersonen in Frage,
wie Eltern, Lehrpersonen, SexualpädagogInnen, etc. Wie bereits aufgezeigt
wurde,
bestehen
Hinderungsgründe.
bei
den
Daraus
verschiedenen
wurde
Bezugspersonen
gefolgert,
dass
sich
unterschiedliche
unsere
Hypothese
bestätigt, wonach Sozialer Arbeit eine Rolle im Umgang mit jugendlichem
Pornografiekonsum zukommt, im Sinne der Gestaltung von Rahmenbedingungen
und Interventionen für gelingende sexuelle Entwicklung. Die Ausgestaltung
dieser Rolle untersteht einerseits den zeitlichen, finanziellen und personellen
Ressourcen, andererseits stellt sich auch die Fragen nach den Möglichkeiten und
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 81
Grenzen der Umsetzung durch die jeweilige Fachperson. Wir halten die folgenden
Kriterien für fundamental:
•
Vernetzung
(interpersonelle,
interdisziplinäre
und
interinstitutionelle
Zusammenarbeit)
•
Aktiver eigenständiger (fachlich und institutionell verankerter) Zugang
•
Bedarfsorientierung
(in
Bezug
auf
Jugendliche,
erwachsene
Bezugspersonen und bereits etablierte Angebote)
Es
scheint
uns
wichtig,
nochmals
auf
die
sozialarbeitsspezifischen
Handlungsmaximen zu sprechen kommen. Die Schwierigkeit im Umgang mit
Werthaltungen der verschiedenen Beteiligten kommt gerade bei persönlichen, ja
intimen Themen besonders zum Tragen. Wir sind überzeugt, dass ein toleranter
und verstehender Zugang notwendig ist, um überhaupt Kommunikation aufbauen
zu können. Toleranz und Verständnis sollen aber nicht gleichbedeutend sein mit
Ignoranz und kritikloser Akzeptanz. Wenn Jugendlichen einen selbstbestimmten,
emanzipierten und selbstsicheren Umgang mit der eigenen Sexualität entwickeln
sollen, müssen professionelle AnsprechpartnerInnen „Reibungsfläche“ bieten.
Gleichzeitig kommt ihnen auch eine Rolle als relativierende, entlastende, aber
auch stützende Instanz zu. So kann Jugendlichen beispielsweise vermittelt
werden, dass es völlig in Ordnung ist, nicht alles zu wissen. Auch der Umgang
mit verschiedenen Wissensinhalten kann relativiert werden; einerseits bezüglich
deren Bedeutung für die Realität, andererseits in Bezug auf deren Wichtigkeit für
die eigenen sexuellen Erfahrungen. Nebst klärenden Gesprächen, die zur
Relativierung und Entlastung beitragen können, braucht es auch die Bestärkung
in den Bestrebungen zu einem selbstbestimmten Umgang mit Sexualität. So
sollen beispielsweise Mädchen darin bestärkt werden, nur sexuellen Praktiken
nachzugehen und/oder zuzustimmen, die von ihnen selbst gewünscht und als
lustvoll 58 empfunden werden. Damit dies gelingen kann, muss die Achtsamkeit
sich selbst gegenüber gefördert werden: Die Fähigkeit zur Einschätzung, was
physisch und psychisch gut tut und was nicht, soll helfen, jeglicher Form von
Druck bewusst begegnen zu können. Anhand dieser Beispiele wird klar, dass es
SozialarbeiterInnen nicht darum gehen kann, völlig neutral und wertfrei zu sein,
denn so wäre es nicht möglich, die oftmals notwendige Stellung zu beziehen.
58
Es geht nicht um die Orientierung am schieren Lustprinzip ohne Beachtung der
vernunftgemäss zu erwartenden Konsequenzen; vielmehr ist die subjektive Empfindung
von Stimmigkeit gemeint.
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
Seite | 82
Vielmehr
sollte
verständnisorientiert
die
eigene
Position
transparent
und
authentisch vertreten werden. Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass aus
einer solchen Haltung heraus gehandelt werden kann, wenn sowohl fachliche
Kompetenz angeeignet wurde, als auch eine persönliche Auseinandersetzung
stattgefunden hat. Oftmals scheint der Weg zur fachlichen Wissensvermehrung
einfacher und klarer zu gehen; hier stellt sich vor allem die Frage nach dem
„Wo“. In Bezug auf die Entwicklung der eigenen Haltung steht das „Wie“ im
Zentrum. Während ein Teil dieses Prozesses im direkten Austausch (zum Beispiel
über Vernetzung mit Fachpersonen) und über entsprechende Rückmeldungen
erfolgen kann, ist Achtsamkeit gegenüber den eigenen Empfindungen wichtig.
Diese können innerlich ablaufen, aber auch über Handlungen externalisiert
werden. Unabhängig von der Art und Weise der Konfrontation mit Sexuellem,
kann Achtsamkeit über Selbstreflexion erfolgen:
Wie reagiere ich auf die jeweilige Konfrontation? Wie kommt es zu meiner
Reaktion? Welche Empfindung(en) war(en) massgeblich? Welche Werthaltungen
stehen bewusst oder unbewusst im Zusammenhang mit meiner Reaktion /
Empfindung? Steht eine Absicht hinter meiner Reaktion? Wie ist meine Handlung
und/oder Absicht zu legitimieren? Etc.
Durch fachspezifische Supervision können solche Prozesse angeregt, begleitet
und evaluiert werden.
Im vorangehenden Kapitel wurde auf aus unserer Sicht geeignete Methoden und
Techniken
hingewiesen
bewusstseinsbildenden
(unter
anderem
Gesprächsführung
auf
sowie
den
einzelne
Ansatz
der
Techniken
der
sozialpädagogischen Beratung). Es fehlen wie bereits erwähnt umfassende und
zusammenhängende Konzeptionen und Anleitungen; ein mässiger Eklektizismus
erscheint
uns
hilfreich.
Unsere
Folgerungen
sollen
als
Anregung
für
weiterführende Erarbeitung von passenden Konzepten verstanden werden. In
Bezug auf den Umgang mit jugendlichem Pornografiekonsum sind ohnehin noch
zu viele grundsätzliche Fragen offen, als dass es zu diesem Zeitpunkt sinnvoll
wäre, auf einer untergeordneten Ebene handlungsanleitende und abschliessende
Antworten geben zu wollen.
Die Ausarbeitung und Umsetzung neuer alters- und entwicklungsgerechter
Ansätze
ist
angezeigt.
Die
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
aktuell
diskutierten
HS 2010/11
Ideen
wie
Seite | 83
Anschlusskommunikation, das Zeigen konkreter sexueller Praxis sowie ein peerto-peer-Ansatz, spezifische sexualpädagogische Weiterbildung für erwachsene
Bezugspersonen sollen alle gleichsam zur nötigen Medien- und Pornokompetenz
bei Jugendlichen und Erwachsenen verhelfen. Im Kontakt zur Praxis Sozialer
Arbeit, sei dies in unseren Praktika, wie auch im Austausch mit Fachleuten
(beispielsweise mit dem „Runden Tisch“ der vbgbern) wurde eine Suchbewegung
spürbar.
Die
Frage
Zusammenhang
nach
mit
dem
richtigen
jugendlichem
Handeln,
dem
Umgang
Pornografiekonsum
im
beschäftigt
SozialarbeiterInnen verschiedener Institutionen in unterschiedlichem Masse;
während
einige
bereits
seit
längerer
Zeit
mit
Jugendlichen
über
deren
Pornografieerfahrungen sprechen, ist das Thema für andere relativ neu. Am
bereits erwähnten „Runden Tisch“ der vbgbern wurde jedoch deutlich, dass
sowohl „erfahrenere“, wie auch „neu konfrontierte“ SozialarbeiterInnen auf der
Suche nach Austausch, handlungsleitenden Prinzipien oder gar nach einer Art
„Rezept“
sind.
Im
Laufe
der
Diskussionsrunde
konnte
durch
den
Sexualpädagogen Bruno Wermuth aufgezeigt werden, dass zwar Ideen zu neuen
Ansätzen in Fachkreisen aktuell rege diskutiert werden, jedoch noch kaum oder
keiner eigentlichen Feuerprobe in der Praxis ausgesetzt waren. Die dadurch
offenbleibenden Fragen werden im folgenden Abschnitt festgehalten.
8.2.1 FRAGEN ZUR PRAXISTAUGLICHKEIT DER VORGESTELLTEN ANSÄTZE
Die konkrete Umsetzung der beschriebenen neuen Ansätze wirft noch etliche
Fragen auf, die wir an dieser Stelle festhalten und unbeantwortet lassen.
•
Welche Gestaltung der Anschlusskommunikation, respektive allfälliger
sexualpädagogischer Angebote ist wünschenswert? Welche zeitlichen,
finanziellen und personellen Ressourcen können zur Verfügung gestellt
werden (nicht lediglich für die eigentliche Umsetzung im Arbeitsalltag,
sondern auch für die Konzepterarbeitung sowie die möglicherweise
notwendige Weiterbildung)? Und wie personenabhängig ist dann ein
gelingender professioneller Umgang mit dem Phänomen jugendlichen
Pornografiekonsums
andererseits
in
(Einerseits
Bezug
auf
aufgrund
fachlicher
persönliche
Kompetenzen,
Werthaltungen
und
Entscheidungen)?
•
Wer legt wie ein alters- und entwicklungsgerechtes Thematisieren von
sexueller Praxis und Lust fest? Wer definiert beispielsweise den Inhalt
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
HS 2010/11
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eines
Lehrfilms
sexueller
Praxis
(Gefahr
der
personenabhängigen
Idealisierung eines bestimmten Zuganges, beispielsweise Ausklammerung
gewisser
sexuellen
Praktiken,
etc.)?
Wer
bestimmt
den
rechtlich
notwendigen wissenschaftlichen Nutzen? In welchem Rahmen (Zeitpunkt,
Raum
/
Ort,
(erwachsene)
Anwesende,
etc.)
könnte
eine
solche
Filmvorführung stattfinden, wenn Jugendliche sich dabei nicht peinlich
berührt und in ihrer Privats- und Intimsphäre verletzt fühlen sollen?
•
Was halten die betroffenen Jugendlichen (und auch deren Eltern) von
einem peer-to-peer-Ansatz? Inwiefern besteht hierbei die Gefahr der
Überforderung,
respektive
der
Abgabe
der
Verantwortung
an
die
Jugendlichen? Wie kann die Qualität des weiterzugebenden Wissens
sichergestellt werden?
•
Können wir davon ausgehen, dass sexualpädagogische Angebote für
erwachsene Bezugspersonen, beziehungsweise Eltern, von denen in
Anspruch
genommen
werden,
die
diese
wirklich
benötigen?
Von
Fachleuten wird zwar die Unumgänglichkeit und Wichtigkeit des Einbezugs
der Eltern betont, nicht aber über eine mögliche Ausgestaltung diskutiert.
Das mag daran liegen, dass hierbei die eigentliche Schwierigkeit liegt:
Zwar scheint der Weg erfolgsversprechend und die Bereitschaft von
Fachleuten zur Wissensvermittlung ausser Frage zu stehen, jedoch
konnten
wir
keine
Äusserungen
zum
eigentlichen
Moment
der
Zusammenarbeit finden. Unter welchen Bedingungen gelingen solche
(Weiter-)Bildungsangebote? Der Begriff „Angebot“ impliziert Freiwilligkeit.
Es ist anzunehmen, dass Eltern, denen die Thematisierung des Sexuellen
ohnehin
unangenehm,
unangebracht
oder
unmoralisch
erscheint,
vermutlich auch Mühe damit bekunden, ein solches Angebot selbst in
Anspruch zu nehmen. Wie könnten Zweifelnde und KritikerInnen motiviert
und überzeugt werden?
•
Wie vermeidet man einen belehrenden und überstülpenden Zugang? Es
gilt zu beachten, dass die Hinderungsgründe sehr individuell sein könnten
und daher nicht angebots-, sondern bedarfsorientiert gearbeitet werden
müsste.
8.3
ABSCHLIESSENDE GEDANKEN
Zum Schluss möchten wir nochmals auf den bewusst gewählten plakativen
Begriff „Generation Porno“ zurückkommen. Sowohl in der konsultierten Literatur,
Isabelle Beetschen und Julia Rogger
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als auch in unserem Gruppeninterview hat sich gezeigt, dass etliche Jugendliche
einen differenzierten Zugang zu Pornografie und dessen Konsum zeigen. Dies
mag bestätigen, dass Pornografie zu einem mehr oder weniger alltäglichen
Thema jugendlicher Lebenswelten geworden ist, gleichzeitig aber auch, wie
kompetent und gelassen die erwähnten Jugendlichen damit umzugehen wissen.
Wir haben uns insbesondere mit der bewussten Nutzung pornografischer Inhalte
auseinandergesetzt und aufgezeigt, dass Jugendliche durch bereits vorhandene
Medienkompetenz durchaus in der Lage sind, allfällige technische Barrieren zu
umgehen. Andererseits wollen wir an dieser Stelle auch darauf hinweisen, dass
ein gelassener Umgang nicht lediglich die Gewöhnung an pornografische
Darstellungen meint, sondern eben auch die bewusste Meidung sein kann. Einige
Jugendliche zeigen durch humorvolle Äusserungen sowohl die Fähigkeit zur
Unterscheidung von pornografischer Fiktion gegenüber der Realität, als auch eine
Präferenz der realen sexuellen Begegnung (vgl. Aussagen Jugendlicher unter
„Auswirkungen auf Jugendliche“). Uns ist im Rahmen unserer Recherchen und
persönlichen Begegnungen aufgefallen, dass Jugendliche sich selbst kaum als
Opfer der Konfrontation mit pornografischen Darstellungen fühlen, sich jedoch
durchaus kritisch über den Pornografiekonsum anderer Jugendlichen äussern.
Wir interpretieren solche Äusserungen dahingehend, dass zwar kein Grund zur
(Porno-)Panik (vgl. Gernert, 2010, S. 71) besteht, jedoch die von Jugendlichen
geäusserte Sorge ein Appell an ihre erwachsenen Bezugspersonen darstellt. Die
Verantwortung für Pornografie und deren Nutzung durch Jugendliche bleibt in
Erwachsenenhänden, nicht zuletzt in den Händen von SozialarbeiterInnen.
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ANHANG
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EINLEITENDE WORTE
ZUM
INTERVIEW
Rückblickend auf frühe Phasen des Entstehungsprozesses hatten wir im Sinn,
einen bedeutenden Teil unserer Arbeit auf eigenen empirischen Erkenntnissen
aufzubauen. Nach und nach, einerseits beim Einarbeiten in die Literatur, andererseits durch Hinweise der Fachbegleitung, ist uns bewusst geworden, dass dieses Vorhaben aufgrund der gewählten Thematik und des zeitlich begrenzten
Rahmens viele Stolpersteine mit sich gebracht hätte. So mussten wir uns – wohl
oder übel – aus Vernunftgründen von dieser Grundidee lösen und neue Vorstellungen zur Struktur und zum Inhalt der Arbeit gewinnen.
Den bereits erstellten Interviewleitfaden haben wir mit einiger Enttäuschung beiseitelegen müssen.
Als sich dann im Laufe des Arbeitsprozesses ganz spontan die Möglichkeit eines
Gruppeninterviews mit vier Mädchen zwischen 13 und 14 Jahren ergeben hat,
liessen wir uns die Gelegenheit nicht nehmen. Die Durchführung erfolgte im Jugendraum des Gemeinschaftszentrums Gäbelbach. Erfreulicherweise gelang es
uns in kürzester Zeit (innerhalb weniger Stunden), ein Setting zu gestalten, welches eine angenehme, offene und vertrauensvolle Atmosphäre ermöglichte. Die
Mädchen konnten sich so zu sagen „im eigenen Revier“ auf unsere Fragen einlassen, sodass ein angeregter Austausch entstand. Nachdem unser Interviewleitfaden doch noch Verwendung gefunden hatte, erzählten die Mädchen „frei Schnauze“ aus ihrer Lebenswelt – rund um die Themen Sexualität und Pornografie.
Transkribiert haben wir nur die Teile, die in direktem Zusammenhang mit den
gestellten Fragen, respektive unserem Erkenntnisinteresse der Arbeit standen.
Die Transkription ist im Anhang zu finden. Einerseits kann die ad hoc zusammengestellte Gruppe nicht als repräsentativ bezeichnet werden, andererseits haben
wir bezüglich den Rahmenbedingungen des Interviews nur bedingt auf wissenschaftliche Kriterien achten können. Nichts desto trotz wollen wir den interessierten LeserInnen die unserer Ansicht nach äusserst illustrativen Aussagen nicht
vorenthalten. Wir erlebten die Mädchen in der Interviewsituation als offen, direkt
und authentisch. Einige ihrer kecken und pointierten Aussagen erlauben einen
kleinen Einblick in ihre Lebenswelt.
GESPRÄCHSLEITFADEN GRUPPENINTERVIEW
Gegenstand der Pornografie
1. Was versteht ihr / verstehst du unter Pornografie?
Erfahrung mit Pornografie
2. Seid ihr / bist du schon auf pornografische Internetinhalte gestossen?
3. Was denkt ihr / denkst du: Wozu schauen sich Jugendliche pornografisches Material an?
Empfindungen in Bezug auf Pornografiekonsum
4. Was lösen diese Inhalte bei Jugendlichen aus?
5. Was denkt ihr / denkst du: Lässt sich Porno-Sex in der Wirklichkeit leben?
6. Welche Fragen haben euch / dich beschäftigt im Zusammenhang mit gesehenem Porno-Material?
Umgang mit den Pornografie-Erfahrungen
7. Wo seid ihr / bist du mit allfälligen Fragen hingegangen?
8. Was empfehlt ihr / empfiehlst du Leuten, die mit Jugendlichen arbeiten?
Was ist hilfreich / erwünscht? Was ist total daneben?
GRUPPENINTERVIEW
MIT
AZIZA*, JESSICA*, KATINKA*, SINJA*
*Namen wurden aus Datenschutzgründen geändert
(13-
BIS
14-JÄHRIGE MÄDCHEN)
Gegenstand der Pornografie
Aus erschts würds üs interessiere, was dir unterem Begriff „Pornografie“
überhoupt verstöht? Was bedütet das, was heisst das? Was isch das?
Du muesch nid Hang ufha!
Lut!
Auso: Das si (Pause 1s). Das si zwöi Lüt, ja, nei nid zwöi L(...) (Lache). Das si
eifach Lüt, wo figgä und das ufnähme und när das verchoufe.
Und ja oder einfach „in das Netz stellen“. (…)
Ja. Veröffentlechä (Getuschel, grosses Gelächter).
Ja das si eifach Lüt, wo figge u das fiumä.
Ja (Zustimmung).
Aha.
Irgendwie scho. Oder Froue, wo sech säuber eine ineschiebe (jaa). (Lachen).
Oder „Selbstbefriedigung“.
Witer! Nächschti Frag!
Erfahrung mit Pornografie
Sit dr scho irgendwie uf pornografischs Züg gstosse, z.B. im Internet oder
süscht nöime?
Fernseh.
Ja das chunnt de huerä bös. (Ja, Zustimmung, Lachen). Ja wenn dä i „kino.to“
wosch gah, weisch z.B. ä Fium (Ähä, Zustimmung) ga luege oder so, chunnt
grad so aus erschts so ne huere grusigi Site so zum alüte oder.
So Wärbige?
(Getuschel, Lachen).
„Ich möchte jemandem ‚einen blasen‘“. Isch de huere krass (Lachen).
Wüsst dr, was mr mau Vanessa hed gseit? Zwöi Frouä tüe sech derte mit
Haarspray… (Getuschel) …dass si spitz wärde.
Was? Das isch aber nid di ärnscht?
(Lachen).
Was heit dr ds Gfühl, warum luege Jugendlechi so Sache?
Es macht se a.
Es macht se spitz. Auso si wie öppis…
Nö, das macht Haarspray. (Lachen). Ja äbe. (Pause 2s).
Ja, Männer stöh uf so öppis…
Ja, nid aui Männer.
Wöu si erregt wärde.
Ja, aber Männer luege am meischte Porno.
Chöi si sech einä wixe.
I gloub scho (Pause 1s). Gäu?
Gloub i o. Dass Männer meh luege.
Si chöi sech ja nid einä wixe eifach so (kurzes Lachen). Si bruche ja es Bild
oder so.
Ja. (Zustimmung aller).
Oder eifach e geili Frou. Villicht (Getuschel) Fantasie.
(…)
Nei, i gloub das geit o so ohni öppis. Auso.
Nää.
I muess mau wider ga (Getuschel, Gelächter).
Heit dr scho mau mit Gielä drüber gredt?
Ja. Grad geschter (Lachen).
Si si huerä offe. Auso.
Si si aui irgendwie offe. Wenns um so Sache geit, meinä si sech. Ja.
D‘Giele, si meine sech?
Gäu, si meine huerä nächer, si wäre cool.
I weis nid, warum das so isch. Ja, eifach, sie verzeues, so u när.
Wie nüt wär.
Empfindungen in Bezug auf Pornografiekonsum
Wenn dr so Sache gseht, was löst das bi öich us? Heit dr irgendwelchi Gfühl,
Gedanke?
(Lachen)
Das isch ds nöch!
(…)
Auso, meinet dr so wie das im Internet?
I findes eifach grusig. Es macht mi auso nid a oder so.
Auso weisch, die Lüt wo das mache, chöi ja mache was si wei, aber…
Die wo itze das aluege u geil finde, chöi si ja, aber ig auso es isch (Pause 1s).
Ig würd‘s itz nid luege. So persönlech.
Aber süsch, wenn i itz am Abe am Fernsehluege bi und när chunnt das dört…
Eifach wägschaute.
So chli easy füf Minute, lache mr drüber oder so. Wenn du weisch, was i meinä, denn mit (…) (Lachen).
(…)
U d‘Jungs, we si verzeuä? Säge si, warum? Wie‘s für si isch? „S‘macht geil“
oder so, säge si das?
Ja. Eigentlech scho.
Ja.
Ja.
I ha so eine gseh, wie ner am Pornosite (Getuschel) gäu?
Ja.
Was dänket dr, wenn dr so Fiumä gseht, wie sie zum Bispiu im Internet abote
wärde?
Git‘s Fiumä? Pornofiumä?
(Grosses Lachen)
Es git sogar in „Manga“.
So richtig Fiumä? Weisch so richtig Fiumä?
Jaa.
So e Stund oder so?
Ja.
Ja?
Das hani itze ömu o nid gwüsst.
Witer!
Wenn dr so Sache gseht, heit dr ds Gfüeh,l dr Sex louft so ir Würklechkeit?
Nää.
Nö.
Das isch huere brutal!
Die übertribes.
Das isch äbe dr Unterschid zwüsche „Pornografie“ und „Sex“, so normal. Auso
ja.
Dört stöhne si huere übertribe.
S‘isch nid ds gliche, würdet dr säge?
Si mache eifach brutali Sache.
Auso zum Bispiu, es isch ja nid so normau, dass me itze öpperem „eine
blast“. Auso weisch.
Ja.
Wenn du seisch „brutali Sache“. Was meinsch mit däm?
Auso i ha mau gseh, äh, per Zuefall (grosses Lachen der anderen). Nei, i
schwöre, i bi unschuldig (Lachen)! U när hani eifach gseh, wie dr Ander si i
Arsch figgt u dr Ander isch när o cho u när si si beidi mit ihrem Schwanz i eim
Arschloch inne gsteckt. Das hani när huere hert gfunde.
(Lachen).
U di anderi het när zuegluegt. Ja.
Das isch itze nid öppis, wo me eifach so würd mache, oder? Auso so zum
würkleche Sex ghört?
Nei.
Auso nei.
Das isch eifach ganz normau, äh (Pause). Nid so huere übertribe wie…
Zwe u so. Ja gäu, isch chli schräg?
Auso i weiss nid, öb‘s weh tuet, aber (Lachen).
Muesch nid mi frage (Lachen).
Ja, zwöi hed si gseit.
Aha.
(Pause).
Oder mängisch tüe si doch o so, no so, wärde si doch so uspeitscht, oder nid?
(Durcheinandergerede und Gelächter).
Oder so Handschäuene.
(…)
I meine, die bechöme wäg däm Gäud. Schlah.
Äbe, so Nuttene…
Aber es paar mache das doch o so, im normale Sex, oder?
Ja es paar…
Ja, aber wenn du itze zum Bispiu miteme Maa 30 Jahr verhüratet bisch, wird’s
ja ou mau, auso für nes paar wird’s ja ou mau längwilig. Dänk ig itze.
Meinsch bruch‘ts chli Abwächslig nächer?
Ja, irgendwie scho. Auso, mou.
(Gelächter).
Ja, isch scho so, oder?
Hed‘s irgendwelchi Frage gäh, wo dr nech gestellt heit, oder wo nech beschäftiget hei, wenn dr so Sache gseh heit im Internet etc. (…)?
Öb die Frou dört oder so keni Elterä het?!
Isch das überhoupt legal?
Nid aues…
(…)
U wenn du seisch „ke Elterä“ – wo luege? Meinsch, dass niemer…
Oder Brüetschä.
…öppis seit, dass si das aues mache?
Ja, ke strängi Eltere oder strängi Brüetsche.
(Getuschel).
(…)
I gloube niemer vo üs chönnt‘s.
I wott o nid.
Ja weisch, mini Mère würd eifach nid säge „Du bisch nid mini Tochter!“, wenn
i so öppis mache, aber es…(Pause 1s) i gloube s‘hed anderi Gründ.
I finde das huerä pinlech!
När gseht dr Père, wo ono geit ga luege, vo däne… när gseht är so sini eigeti
Tochter, wie si figget!
Gäu?
Das findi huere brutau!
(…)
U när weis si no, dass das jede gseht…
Wenn dr d‘Jungs ghöret drüber redä: Hei diä Frage? Beschäftiget diä irgendöppis? Oder chöme si voll drus?
Nei, si finde das normau. Si finde, dass das aues, wo dört passiert, dass das o
zum normale Sex ghört.
Scho?
Auso, si wei das.
U si säge säuber, si finde das o normau.
Ja. Auso, jaa.
(Getuschel).
Was het itze dr (…) gfragt?
Ah jaaa!
(Getuschel).
Chasch‘s ruhig verzelle.
Öb, öb, auso, öb dr Futz wachst (…). Er isch huerä diräkt gsi!
Das ghört nid zu däm. Auso eifach so zum Wachstum. (…)
Weisch är het gfragt: „Wachst öiä Futz? So, weisch, so aus Baby bis itze? (…)
Heit dr ihm de o gseit, wie‘s isch?
Ja, mir hei gseit, ja, das wachst scho.
Wenn dr ds Gfühl heit, äbe d‘Giele die wei, dass das drzue ghört, aues was ir
Pornografie so vorchunnt: Wie reagieret dr druf, wenn dr das ghöret?
Chläpfe! Vodämhär wüsse si‘s scho.
Nö.
Mir säge ne när: „Meinsch, das macht jedi Frou?!“ „Ja sicher, i wott so ne
Frou!“ So.
Aber i gloube, das wei si nume itze, bis si…
Auso itze, wo si no nid hei gschnallt, dass das nid jedi Frou mit sech laht la
mache?
Weisch, i däm Alter si aui Jungs Perverslinge. Und drum wöi si immer so Sache.
Es isch eso.
(Getuschel:...das geit eifach um di und (...). Är het mr ä Fründschaftsatrag
gschribe (…). Wie heisst är? (…). Isch ja egal.)
Umgang mit den Pornografie-Erfahrungen
Dir heit itze gseit, dass dr gar nid so Frage gha heit, irgendwie im Zämehang
mit Pornografie. Wenn dr hättet, zu wäm würdet dr ga, wenn dr öppis wettet
wüsse oder mit öpperem öppis bespräche?
Frou Nobs.
(Lachen)
D‘Schuelsozialarbeiterä?
Ja.
Cha me mit ihre über so Sache redä?
Ja.
Nei!
D‘Rahel het üs mau gfragt, öb mr sone „Verhütungskoffer“ wei u mau mit ihre
drüber redä.
Und d‘Rahel wär d‘Jugendarbeiterä?
Ja.
Und was heit dr geseit, wo si mit däre Frag isch cho?
Mir bruches nid.
Auso, ja, nei.
Sit dr gnue informiert? Oder isch‘s eifach no nid sones Thema?
Ja genau.
Genau. (Zustimmung von allen).
Isch nid es Thema.
Was isch ir Schuel? Süsch, Lehrer?
Auso üse Lehrer isch pädophil, dr Herr (…).
(…)
Was heit dr wider gfragt gha? Ir Schuel? Ja, wie ir Schuel?
Auso gäb‘s dört usser dr Frou Nobs ä Asprächsperson? Äbe, Lehrer chöme weniger i Frag?
Kolleginnä.
Ja, aber nid grad so, auzu schlimmi Frage.
Ja, i chönnt eigentlech mini Mère frage. Aber i ha ja itze keni Frage.
Wie isch‘s bi de andere? Hättet dr o ir Familie öpper?
Nö!
Geit gar nüt?
Nää!
Du würdsch säge, ds Mami?
Ja.
I würd mini Schwöschter frage.
Dini Schwo? Die, wo mitem Chopftuech umelouft?!
Ja.
Was wott diä scho…
Ja, s‘chunnt drufa, was für e Frage.
(…)
D‘Frou Nobs, darf nid eifach ga säge, wär ihre was gseit het. Si steit unter
Schwigepflicht. Isch das einä vo de Gründ, warum me mit ihre guet über aues
cha redä?
Nei, äbe nid! Die Chue geit aues immer em Herr (…) ga säge, was i säge.
Du hesch nid so gueti Erfahrige gmacht, i däm Fau?
(Getuschel).
Ja, du hesch müesse, wöu du dini Ufgabe nie hesch gmacht.
Oder immer z‘spät bisch cho.
(…)
Ja i ha ihre gseit, es bringt nüt, aber si wott mi nid la si.
Aber itze im Zämehang mit Sexualität und Pornografie heit dr vorhär scho ds
Gfühl gha, mit ihre chönnt me no über so Zügs schnure?
Nei!
Du nid, ok, du hesch‘s nid guet mit ihre, aber?
(…)
Heisst das de eifach, dr bruchet öpper, wo dr guet möget, dass dr überhoupt
chöit drüber rede?
Ja. (Zustimmung).
Ja und öpper, wo när nid drüber würd lache. I meine, d‘Frou Nobs würd när o
nid eifach…
Aber über Porno…?
Auso niemer, wo di uslachet?
Oder nid so Komischs würd dänke.
Öpper, wo eim versteit.
Wo di ärnscht nimmt?
Auso, si würd‘s scho ärnscht nä, aber si würd när so dänke: „Hönne komisch!“.
Äbe, so Erwachseni äbe.
Ja.
Dänke aui Erwachsene, dass es komisch isch, wenn me se so Sache fragt?
Auso dir nid itze, aber (…) dir sit ja o no nid so alt 1 .
Dr Azad isch itze o nümme dr jüngscht. Würde d‘Giele itze mit ihm ga redä?
Neeei! D‘Giele nid.
Es muess ä Frou si, dänke ig mau.
Mann, är (dr Azad) isch Moslem! Huerä Blämu!
(…)
Mit dr Rahel cha me o no drüber redä.
Ja, mit dr Rahel.
Si dänkt ömu o nid komischs Züg über eim, oder?
Nää.
Nei.
Nei.
Wenn d‘itze d‘Frou Nobs chönntisch ändere (…), was würdsch mit ihre mache,
dass‘d mit ihre über so Züg chönntisch redä?
I würd se jünger mache!
Ja, gäu?
Ja, jünger.
Was müesst dämfau öpper ha, dass mitem würdsch redä?
Ä Kollegin si. Oder mini Cousine. (Pause 2s). Eifach öpper, auso.
Aber müesst chli drus cho oder, süsch?
Ja, bö.
Fründschaftlech.
Aber i weiss nid. Öich drü chönntis itz verzeuä, aber andere Kolleginne nid.
Nid aune.
Nei. Auso i ha süsch so angeri Kolleginne, aber däne…
Mit däne cha me gar nid über so Sache redä. Si luege di när so a „Iih!“.
Di si huerä unriif!
Nid unriif. Si si no chlii. Mir si itze dört, wo‘s üs scheissegal isch und si si no
chli witer unde, wo „Öh! Wäh! Huere grusig!“.
1
Im Anschluss an das Interview haben wir erfahren, dass die Mädchen beide Interviewerinnen auf etwa 25 Jahre geschätzt haben.
Unriiif!
Dene isch’s villicht no so chli pindlech. Auso s‘müesst öpper si, wo no chli offe
cha drüber redä u so chli Läbenserfahrig het?
Ja, so öpper wie üs!
(Lachen).
U d‘Gielä? Die redä nume unterenand über so Züg, oder…
Nei, sogar vor de Lehrer!
Auso ärnschthaft. Weisch, wenn si irgendwo nid druschöme? Oder irgend öppis
möchte wüsse? Mit wäm würde si schnure?
Die würde ömu zu üs cho.
(…)
D‘Giele us üsere Klass, die rede gloub unter sich oder ömu unter es paarne.
Ömu vor üs zwöi o. Aber vor de andere Modis gloub‘s nid.
Wenn si wei wüsse, was bire Frou isch (Pause 1s), de chöme si äuä scho zu
üs.
(Getuschel).
(…) Öb me dr Schwanz cha stüre? (Lachen).
Du hesch o mau ä Frag gha, u när hei mr ä Giel gfragt.
Aber irgendwie ä erwachsene Maa, wär‘s itzä äuä bi de Giele? Würde si z.B.
mitem Marco drüber redä?
I gloube nid emau, si würde mit emene Erwachsnige drüber redä.
Mitem Azad villicht, chönnti‘s mr no vorstelle.
Unter sich. I gloube, si würde‘s de Elterä nid säge.
Marco oder so, i gloube, si würde sech schäme z‘frage. Wöu si ja immer so
tüe, so offe und wüsse aues u när (Pause 2s) s‘chunnt mr aume so vor.
Auso du hesch ds Gühl, dass wöu si blöffe, aus wüsste si aues, sech nid getrouä, ga z‘frage, wöu si nid wei zuegäh, dass si doch öppis nid wüsse?
Ja.
Ja. Si tüe ömu so.
Git‘s no süsch öppis, wo nech i Sinn isch cho, wo dr weit loswärde, wo mr vergässe hei z‘frage?
Ä Frou isch fasch gstorbe, wo si mitemenä so ä Pferd het gfigget.
Ä Frou isch gstorbe! Ja, irgend so öppis.
Wo ghöret dr so Sache?
I weiss nid.
Vo de Giele, gäu?
Ja.
Hei si das de gseh und hei‘s öich verzellt?
I gloubes, ja.
Die tüe jedes… (Getuschel) …die hei aues gluegt…
(längere Pause)
Git‘s Chinderporno?
Ja.
Ja. Das git‘s.
In Vie... eifach in China. Dört für drü Franke verchoufe si‘s.
Oahh!
Oder si verchoufe o Chind dört.
(…)
AUSWAHL FACHSTELLEN FÜR INFORMATIONEN ZU JUGENDSEXUALITÄT
Berner Gesundheit
Eigerstrasse 80, Postfach
3000 Bern 23
Telefon 031 370 70 70, Fax 031 370 70 71
[email protected]; www.bernergesundheit.ch
fit4Love.info
Corinne Achermann
Telefon 079 673 73 35
Didi Liebold Telefon 079 670 74 22
(keine weiteren Adressangaben)
[email protected]; www.fit4love.info
Lust und Frust
Fachstelle für Sexualpädagogik
Langstrasse 21
8004 Zürich
Telefon 044 299 30 44, Fax 044 299 30 59
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Wermuth Bruno
Dipl. Sozialpädagoge FH, Fachmann für sexuelle und reproduktive Gesundheit
PLANeS, Sexualpädagoge, Sexualberater
Schauplatzgasse 23, Postfach 8809
3001 Bern
Telefon 079 746 55 08
www.brunowermuth.ch (mit Formular für E-Mail)
ONLINE-BERATUNG
www.20min.ch/life/dossier/herzsex
(Trägerschaft: 20 Minuten AG, Werdstrasse 21, 8021 Zürich)
www.bravo.de/dr-sommer
(Trägerschaft: Bauer Digital KG, Burchardstrasse 11, 20077 Hamburg)
www.elternplanet.ch
(Trägerschaft: Elternplanet GmbH, Waaghausgasse 18, CH-3011 Bern)
www.feelok.ch
(Trägerschaft: Schweizerische Gesundheitsstiftung RADIX, Stampfenbachstrasse
161, 8006 Zürich)
www.lilli.ch
(Trägerschaft: Lilli – Verein für Prävention und Online-Beratung junger Frauen
und Männer zu Sexualität und sexueller Gewalt, c/o Ingrid Hülsmann, Schifflände
6, 8001 Zürich)
www.tschau.ch
(Trägerschaft: INFOKLICK.CH, Kinder- und Jugendförderung Schweiz,
Sandstrasse 5, 3302 Moosseedorf)
INFORMATIONS- UND/ODER MATERIALBEZUG
jugendschutz.net
Wallstraße 11
55122 Mainz
Telefon (06131) 32 85-20, Fax (06131) 32 85-22
[email protected]; www.jugendschutz.net
Pädagogische Hochschule PH Bern Institut für Bildungsmedien
www.schulwarte.ch
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Av. de Beaulieu 9, Case postale 1229
1001 Lausanne
Telefon 021 661 22 33, Fax 021 661 22 34
&
Marktgasse 36
3011 Bern
Telefon 031 311 44 08, Fax 031 311 42 57
[email protected]; www.plan-s.ch SF-Dossier zu Jugend & Sexualität
www.sf.tv/sfwissen/dossier.php?docid=17311
(Trägerschaft: Schweizer Fernsehen, Multimediazentrum, Fernsehstrasse 1-4,
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SEXUALPÄDAGOGISCHE AUS- UND WEITERBILDUNG
amorix
Kompetenzzentrum Sexualpädagogik und Schule
Pädagogische Hochschule Zentralschweiz, Luzern
Weiterbildungen und Zusatzausbildungen
Sentimatt 1
6003 Luzern
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[email protected]; www.amorix.ch
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Telefon 041 367 48 48, Fax 041 367 48 49
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