GESAMTDOWNLOAD Ausgabe September 2008
Transcrição
GESAMTDOWNLOAD Ausgabe September 2008
www.wirtschaftskurier.de 51. Jahrgang • B7388 E € 2,00 € 2,30 (Österr.) CHF 4,00 NACHRICHTEN UND KOMMENTARE AUS POLITIK UND WIRTSCHAFT SEPTEMBER 2008 Der Schritt war überfällig Ende eines Ausflugs Die verrückte Welt der Börse Von der Automobilbranche lernen Der Rücktritt von Kurt Beck war notwendig. Die SPD hat damit wieder die Chance, zu der starken Kraft zu werden, die das Land braucht. KOMMENTAR Seite 2 Versicherungen und Banken passen nicht zusammen. Das zeigt der Verkauf der Dresdner Bank, deren traditionsreicher Name nun verschwindet. AKTUELLES THEMA Seite 3 Ist der Porsche-Anteil an VW mehr wert als die ganze Porsche SE? Die Kapitalisierung drückt immer weniger den „Wert“ einer Firma aus. INDUSTRIE & MÄRKTE Seite 5 Nach der Industrialisierung sind die Versicherer auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen: Emotionalisierung der Produkte steht im Fokus. SPECIAL VERSICHERUNGEN ab Seite 13 Wirtschaft setzt auf Partner Russland Voreilige Aufregung um Georgien | Ursache und Wirkung WIRTSCHAFTSPOLITIK Warnzeichen VON GÜNTER SPAHN Der Tourismus-Boom in Berlin bricht plötzlich weg. Ursache ist der Konjunkturabschwung. I n der EU und in den USA gibt es derzeit sehr kontroverse Meinungen zur Rolle Russlands. Das Land habe jüngst in Georgien völlig überreagiert und auf einem EU-Sondergipfel wurde jetzt in der Abschlusserklärung sogar betont, dass man in den Beziehungen zu Russland am Scheideweg stünde. Die Verhandlungen um ein neues Partnerschaftsabkommen müssten unterbrochen werden. Einige Medien zeterten sogar schon wieder Sicherheitsbedenken gegenüber Russland herbei. Floskeln wie „Wiederaufleben des Kalten Krieges“ stehen im Raum. Diese Aufregungen sind aber bei Lichte besehen ein grober Unfug. Um was geht es? Ein völlig unverantwortlich handelnder Präsident von Georgien hat just im Umfeld der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele in Peking einen völlig unnützen Krieg gegen zwei Provinzen mit mehrheitlich russischer Bevölkerung begonnen. Der Mann, Michail Saakaschwili, hat dabei in völliger Verkennung der Lage mit dem Feuer gespielt und dabei darauf gehofft, den Westen zu einem Abenteuer zu bewegen. In der Tat gehört Saakaschwili zu den Schützlingen der USA, die Georgien militärisch aufrüsteten. Hinzu kamen Militärberater der USA. Zu Recht hat jetzt der Altkanzler Gerhard Schröder dem Westen schwere Versäumnisse gegenüber Russland vorgeworfen. Schröder: „Es kommt schon darauf an, wer begonnen hat“, und ohne Frage befahl Saakaschwili den Beginn der militärischen Auseinandersetzungen. Russland hatte – und zwar eben nicht nur nach den vermeintlich ausgegebenen Pässen – russische Bürger zu schützen. Nach dem Auseinanderdriften der ehemaligen Sowjetunion Dazu muss man wissen, dass nach dem Auseinanderdriften der ehemaligen Sowjetunion zwischen August und Dezember des Jahres 1991 die alte UdSSR von zahlreichen Republiken (unter anderem die Ukraine, die baltischen Länder, Weißrussland, Kasachstan) verlassen wurde. Die Sowjetunion hatte vor dem Auseinanderdriften noch eine Fläche von 22,403 Mio. Quadratkilometern und ca. 249 Mio. Einwohner. Heute hat das Kerngebiet der alten UdSSR, nämlich Russland, noch eine Fläche von 17 Mio. Quadratkilometern und ca. 145 Mio. Menschen. In fast allen verlassenen Republiken ist der Anteil der Russen sehr hoch. In der Ukraine mit 603 700 Quadratkilometern und 47 Mio. Einwohnern beträgt der russische Bevölkerungsanteil 22%, in Kasachstan sind es sogar 37% und in den baltischen Ländern Lettland 30,4% und in Estland 28%. Auf der Krim – ein Geschenk Russlands an die Ukraine in den 50er Jahren – überwiegt infolgedessen der russische Bevölkerungsanteil. Auch in Südossetien und Abchasien ist der russische Bevölkerungsanteil exponiert hoch. Mit Ausnahme der Ereignisse im Kaukasus hat es – dies ist für die Ukraine und für das Baltikum aber auch für Russland positiv herauszuheben – keine militärischen Auseinandersetzungen gegeben. Viele Ukrainer betonen sogar, dass eigentlich Russen und Ukrainer Brüdervölker seien. Nicht wenige auf der Krim sehen daher Störungen, die von dritter Seite in das Land getragen werden, als Aufwiegelei. Die russische Schwarzmeer-Flotte jedenfalls ist bei der Krim-Bevölkerung willkommen. Was soll damit gesagt werden? Die Ereignisse auf Teilgebieten der ehemaligen Sowjetunion sind eben nicht so einfach zu beurteilen, wie das jetzt im Westen gemacht wird. Zu berücksichtigen sind doch viele gewachsene Verbindungen. Man darf nicht vergessen, dass nach dem Auseinanderdriften der Sowjetunion in den Staaten außerhalb Russlands (aber innerhalb der UdSSR) heute 50 Mio. Russen leben. Russland hat sich seit 1991 in vielen Dingen demütigen lassen. Das Land 4 195007 102003 09 INHALT 2 INDUSTRIE & MÄRKTE Öl aus Deutschland Die Exploration von deutschem Öl ist schwierig, aber lohnt sich wieder. 7 Zukunft gestalten Der 14. Datev-Kongress informiert über aktuelle Steuerthemen und Trends in der IuK-Technologie. 8 IMMOBILIEN Expo Real 2008 Nachhaltiges Bauen und Renovieren ist das Topthema der Immobilienbranche. ab 17 AUTO Sportliche Alternative Der BMW 525d Touring ist das ideale Mehrzweckfahrzeug für Beruf, Familie und Sport. 20 JOURNAL Wunder dauern länger Die Zeiten, in denen der Kreml (unser Bild) Bittsteller nach dem Auseinanderdriften der alten Sowjetunion war, sind längst vorbei. Russland hat enorme Gold- und Währungsreserven (steigende Tendenz) in Höhe von derzeit 582 Mrd. US-Dollar und eine starke Position als Lieferant von Öl und Gas und lässt schon aus diesen Gründen nicht mehr mit sich herumspringen. Bei den Ereignissen in Georgien waren die westlichen Aufregungen übertrieben. Die deutsche Wirtschaft sieht in Russland einen verlässlichen Partner und vor allem einen wichtigen Absatzmarkt, zum Beispiel für die Produkte der deutschen Automobilindustrie. Foto: Bilderbox wurde übergangen im Kosovo und fühlt sich systematisch eingekreist durch die NATO. Sowohl unter Jelzin als auch unter Putin wurde immer wieder die Partnerschaft und Freundschaft des Westens zu Russland betont; alte Feindbilder bestünden nicht mehr und der neue gemeinsame Feind sei der internationale Terrorismus. Die NATO war immer im Grundverständnis ein Verteidigungsbündnis gegen den damaligen Ostblock. Aber den gibt es nicht mehr. Weshalb – so fragen sich die Russen – muss aber dann das Land regelrecht durch die NATO eingekreist werden? Gedemütigt wurde Russland auch unter Jelzin, als das Land abgewirtschaftet hatte und regelrecht um westliche Kredite betteln musste. Dies alles zum Hintergrund der russischen Empfindungen gerade in einem Umfeld, in dem das Land wirtschaftlich geradezu kometenhaft schnell zu einer – vor allem im Bereich der Energie – Macht wurde. Wie ist Russland heute zu sehen? Nur mit Russland kann es zu Lösungen sowohl im Kaukasus aber auch in der Bekämpfung des internationalen Terrorismus kommen. Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass eine dauerhafte Befriedung etwa in Afghanistan oder im Iran nur im engen Zusammenwirken mit Russland möglich ist. Weil dies alles so ist, sind vereinzelte „Kraftmeiereien“ im Westen durch wirtschaftliche Drohungen mit eventuellen Isolationen gegenüber Russland völlig unsinnig und kontraproduktiv. Wenigstens Deutschlands Außenminister Steinmeier zählt auf der westlichen Seite zu den wenigen Politikern, die von Verurteilungen Russlands absolut nichts halten. Aufregungen bei der Kosovo-Anerkennung waren bei uns im Westen nicht zu vermelden, obwohl drei Viertel der Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo eben nicht anerkannt haben. Darunter sind, wie der Altpolitprofi Egon Bahr so treffend sag- te, so „kleine Staaten wie China und Indien“. Die Wirtschaft, meist viel pragmatischer als die Politik, setzt vor allem in Deutschland auf den weiteren Ausbau der wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Und dies ist auch richtig. Dabei ist Russland keineswegs nur unter dem Aspekt der Rohstoff-Lieferanten zu sehen. Es ist richtig: In den Bereichen Öl und Erdgas ist Russland für Deutschland der wichtigste Partner geworden. Allein an den deutschen Rohölimporten hat Russland einen Anteil von 32%. Russland ist mit großem Abstand der größte Erdgasproduzent der Welt. Das Land produzierte im Jahre 2007 die gewaltige Menge von 607,4 Mrd. Kubikmeter (zum Vergleich: der zweitgrößte Produzent, der Iran, erreichte 111,9 Mrd. Kubikmeter). Ohne Russland läuft energiewirtschaftlich in Deutschland nicht viel. Entgegen vieler Herbeizeterungen, die die Berechenbarkeit Russlands als Lieferant in Frage stellen, sei nur darauf RUSSLAND HAT HOHE GOLD- UND WÄHRUNGSRESERVEN Man muss sich immer wieder wundern, wie oberflächlich vermeintliche Fachleute analysieren. Hans-Henning Schröder, Leiter der Forschungsgruppe Russland/ GUS, hat jüngst in einem Beitrag für das „Handelsblatt“ geschrieben, dass Russland in ernsthafte Schwierigkeiten komme, wenn seine Volkswirtschaft vom europäischen Markt abgeschnitten würde. Zunächst könnte man entgegnen, dass ohne das russische Öl und Gas Deutschland in dramatische Schwierigkeiten kommen würde. Aber darum geht es nicht. Selbstverständlich ist das immer noch mit großem Abstand (gemessen an der Fläche) größte Land der Erde derzeit dabei, seine Wirtschaft zu modernisieren. Das sind Chancen für Deutschland. Aber an der Tür stehen etwa auch Japan oder Frankreich. Um nur zwei Länder zu nennen. Die Russen sitzen auf gewaltigen Devisen- und Goldreserven von derzeit ca. 582 Mrd. US-Dollar, steigende Tendenz – trotz temporärer Abflüsse infolge des Georgien-Krieges. Die Russen haben noch unter Putin einen riesigen Investitionsfonds von über 100 Mrd. Euro gebildet, der ausschließlich in die Modernisierung des Landes, seiner Infrastruktur und seiner Unternehmen gesteckt wird. Quel- le ist natürlich der sagenhafte Reichtum durch Öl und Gas. Wie prosperierend Russland ist, zeigt die Entwicklung der Devisenreserven: 1998 praktisch null und heute die erwähnten 582 Mrd. US-Dollar. Die Wirtschaft wächst mit Zuwachsraten (2007 beispielsweise mit 8,1%), von der wir nur träumen können. Für wichtige deutsche Schlüsselbranchen (Automobilindustrie) ist Russland derzeit der Rettungsanker. Aufgrund der Vernetzung vieler russischer Investoren mit der russischen Föderation hat Russland die Möglichkeit, modernste Technologie zu erwerben. Ein gutes Beispiel dafür ist der Einstieg des russischen Investors Viktor Vekselberg beim schweizerischen Renommierunternehmen Oerlikon. Während laut Ost-Ausschuss der deutschen Wirtschaft Russland im Jahre 2000 noch bescheidene 20 Mrd. US-Dollar im Ausland investierte, wird in diesem Jahr die Marke 200 Mrd. US-Dollar überschritten. Russische Investoren unterstützen beziehungsweise stabilisieren inzwischen große deutsche Unternehmen wie etwa die TUI AG. Größter Eigner ist der Russe Alexej Mordaschow (Stahlunternehmer). Nur durch die Hilfe von Mordaschow konnte sich das TUI-Management halten und einstweilen ein Zerfleddern des Unternehmens (Hapag-Lloyd) verhindert werden. Auch die Aker-Werften in Rostock und Wismar wurden durch russische Unternehmer stabilisiert. Der Russe Oleg Deripaska wurde Kernaktionär bei Hochtief und beim Bekleidungs- beziehungsweise Modeunternehmen Escada stieg Rustam Aksenenko ein. Als vor zwei Jahren das Stahltechnologieunternehmen Arcelor durch den Inder Mittal – zunächst feindlich geplant – übernommen wurde, sahen die Luxemburger in dem Russen Mordaschow zunächst einen „weißen Ritter“, der dann auch aus politischen Gründen verhindert wurde. Bereits im Energiebereich will inzwischen die EU-Kommission den Einfluss von Investoren außerhalb der EU begrenzen. Damit sollen offensichtlich russische Investoren verhindert werden. Russland sieht darin einen klaren Verstoß bestehender Vereinbarungen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Alles in allem: Russland ist wieder voll da. Das Land sieht sich allerdings durch die NATO immer stärker eingekreist und modernisiert daher derzeit mit einem ehrgeizigen Programm seine militärischen Kapazitäten, zum Beispiel mit modernsten AtomU-Booten der neuesten Generation. sp hingewiesen (siehe auch WirtschaftsKurier August 2008, Seite 24, www.wirtschaftskurier.de), dass Russland beziehungsweise die UdSSR in 35 Jahren (seit Beginn der Lieferungen) zu Deutschland immer ein seriöser Partner war. Auf russischer Seite wird ganz bewusst nicht verkannt, dass das Land in Deutschland einen wichtigen Kunden sieht. Es ist richtig, Russland hat seinen neuen Reichtum auch dem Kunden Deutschland zu verdanken. Aber es ist völlig unsinnig, die Rolle Russlands nur auf die eines Energielieferanten herunterzuberechnen. Im Übrigen wird hierzulande vergessen, dass Russland sein Öl und sein Erdgas natürlich auch verstärkt nach China verkaufen kann. Russischer Markt sichert deutsche Arbeitsplätze Russland ist als Wirtschaftspartner für die deutsche Industrie vor allem auch ein enorm wichtiger Markt und ohne diesen Markt sähe es für viele Branchen sehr trübe aus. Der russische Automarkt hat für die deutsche Automobilindustrie eine geradezu ausschlaggebende Bedeutung erhalten. Jeder siebte Neuwagen, der derzeit in Russland zugelassen wird, sei eine deutsche Marke, betonte vor wenigen Tagen Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), anlässlich des Moscow International Automobile Salon. Die russische Bevölkerung biete für die deutschen Autohersteller ein enormes Nachfragepotenzial. Wie das Handelsblatt jüngst berichtete, stieg im ersten Halbjahr der Autoabsatz in Russland um 41% auf 1,645 Mio. Fahrzeuge. In Deutschland wurden im gleichen Zeitraum bereits weniger Autos (1,63 Mio.) verkauft. Vor allem auch die Premiummarken mit einer hohen Wertschöpfung verkaufen die Deutschen in Russland. Mercedes steigerte seinen Pkw-Absatz auf dem russischen Markt um 65%, BMW legte um 55% zu und Audi um 52%. Auch Opel in Rüsselsheim profitiert vom Autoboom in Russland. Im vergangenen Juli 2008 verkauften die Rüsselsheimer in Russland 62 000 Fahrzeuge. Dies entspricht dem gesamten Jahresabsatz von Opel in Russland im Jahre 2006. Auch der so wichtige Nutzfahrzeugemarkt Russland hat für die deutschen Hersteller eine herausgehobene Bedeutung, obwohl in diesem Bereich bei Lkw über Noch gibt es keine serienreifen Alternativen zum Verbrennungsmotor. 24 sechs Tonnen der russische Hersteller Kamaz mit einem Marktanteil von 61% deutlich Marktführer ist. Allein die MAN konnte mit ihrem Bereich Nutzfahrzeuge bei schweren Fahrzeugen wieder einen spektakulären Auftrag aus Russland erhalten. Die Münchner liefern erneut 4 700 schwere Lastwagen und haben eine weitere Option über 3 000 Einheiten. Auch bei der MAN wird betont, dass sich Russland zu einem wichtigen Wachstumsmotor entwickelt habe. Bei der russischen Erfolgsstory im Autosektor partizipiert natürlich auch die deutsche Zulieferindustrie. ZF will sein Montagewerk in Russland ausbauen und Bosch steigerte seinen Russland-Umsatz um 26% auf 600 Mio. Euro im Jahre 2007. Siemens liefert Hochgeschwindigkeitszüge. Darüber hinaus ist der Konzern an zahlreichen anderen Projekten in Russland beteiligt. Der Salzgitter-Konzern wiederum partizipiert an den zahlreichen PipelineProjekten in Russland mit den entsprechenden Röhren. Im Energiebereich sind die traditionellen Partner Russlands auf deutscher Seite die BASF (Wintershall und Wingas) sowie Eon-Ruhrgas; darüber hinaus sieht aber auch Eon im klassischen Stromerzeugungsbereich ein großes Chancenpotenzial in Russland. So will Eon im sibirischen Surgut eines der weltweit größten Kraftwerke bauen. Bereits im prosperierenden Moskau hat Eon ein Kraftwerk realisiert, das jetzt sogar erweitert wird. Auf der Baustelle wird schon kräftig gearbeitet. Dies alles zeigt, dass Russland eben nicht nur der Rohstofflieferant (Öl und Gas) ist. Natürlich brauchen die Russen den guten Kunden Deutschland – aber ohne das russische Öl und Gas bricht unsere Wirtschaft zusammen. Was in der deutschen und westlichen Wirtschaftspolitik völlig untergeht ist aber die Tatsache, dass ohne den riesigen Wachstumsmarkt Russland bereits zahlreiche deutsche Schlüsselbranchen Probleme hätten. Die Russen können auch japanische Fahrzeuge kaufen. Die Wirtschaft in Deutschland weiß dies alles und hat daher für die derzeitigen Kraftmeiereien – Außenminister Steinmeier ausgenommen – in der deutschen Politik und in einzelnen Medien nur sehr begrenzt Verständnis. Russland boomt und russische Investoren stabilisieren bereits deutsche Unternehmen (siehe weiteren Beitrag auf dieser Seite). WIRTSCHAFTSPOLITIK 2 WirtschaftsKurier Verlierer sind alle KOMMENTAR. Neue SPD-Spitze Der Schritt war überfällig! Kurt Beck wurde immer mehr zum Spielball. Der wuchtige Mann konnte sich einfach nicht durchsetzen und deshalb gingen die Umfragewerte der traditionsreichen Sozialdemokratie immer mehr in den Keller. Auch die Vorkommnisse in Hessen mit einer Möchtegern-Politikerin namens Andrea Ypsilanti, die in einem zweiten Anlauf mit der Unterstützung der Linkspartei Ministerpräsidentin des Landes Hessen werden will, hatte Beck nicht mehr im Griff. Die Gefahr bestand (und besteht einstweilen noch), dass die SPD die Linkspartei zu Lasten ihres eigenen Profils hoffähig machen würde. Die SPD hätte sich auf Dauer zu einer 20% Partei entwickeln können. An dieser Stelle war schon ein anderer Kommentar geschrieben. Ein Satz hieß: Wann haut Kurt Beck als SPDChef endlich einmal auf den Tisch und pfeift Ypsilanti zurück? Dies muss er nun nicht mehr tun. Er trat jetzt zurück oder man legte ihm nahe, dass es mit ihm keinen Zweck mehr hat. Die Sozialdemokratie hat jetzt eine neue Chance, auch wieder bürgerliche Kreise zu gewinnen und nur so kann sie wieder zur Union aufschließen. Beck’s Vorgänger Matthias Platzeck, Ministerpräsident von Brandenburg, nannte Ross und Reiter, nachdem dazu Beck nicht mehr fähig war. Zur Linkspartei sagte Platzeck: „Das ist immer noch dieselbe Partei, die uns vor zwei Jahrzehnten das Fiasko der abgewirtschafteten DDR hinterlassen hat; es sind teilweise sogar genau noch dieselben Leute, die heute nassforsch verkünden, jetzt wollen wir auch mal wieder ran.“ Die Linkspartei habe unter anderer Flagge dieses Land an die Wand gefahren. Platzeck sieht keinen Unterschied zwischen der DDR-Führungspartei SED und ihrem Nachwende-Nachfolger, der Linkspartei – wie er sagte. Bravo! Die Sozialdemokratie hat jetzt die Weichen gestellt: Frank-Walter Steinmeier wird Kanzlerkandidat und Franz Müntefering kommt zurück und wird vermutlich neuer Parteichef. Man darf getrost davon ausgehen, dass im Hintergrund Altkanzler Gerhard Schröder sich für die jetzige Lösung stark gemacht hat. Für die Unionsparteien könnte es wieder enger werden. Steinmeier ist ein hoch angesehener und kompetenter Mann, der für noch höhere Aufgaben geeignet ist. Und wenn jetzt wieder Gerhard Schröder in einem fulminanten Wahlkampf im nächsten Jahr hilft – und davon ist auch auszugehen –, könnte die SPD wieder auf Augenhöhe kommen. Dies ist gut so, denn die Wirtschaft und die Bevölkerung braucht Berechenbarkeit. Eine Linkspartei hat da keinen Platz. Scharlatanerie kann unser Land nicht gebrauchen. Deshalb brauchen wir eine starke Union und eine starke Sozialdemokratie. sp WirtschaftsKurier – Bundesweite Verbreitung – Pflichtblatt der Bayerischen Börse WIKU Verlagsgesellschaft mbH Redaktion: Parkring 4, 85748 Garching bei München Zentrale: (0 89) 63 89 81-0 Telefax: (0 89) 63 89 81-20 ([email protected]) Herausgeber und Chefredakteur: Günter Spahn (verantwortl.) ([email protected]) Redaktionsleitung und Chef v. Dienst: Elwine Happ-Frank ([email protected]) Redakteure: Ulrich Kirstein ([email protected]) Martin Spahn ([email protected]) Weitere Mitarbeiter der Redaktion: Wilhelm K. Gänsler (Sonderthemen) Dieter Heumann (Wirtschaftspolitik) Paul Kellenbenz (Köln/Bonn) Hannsjörg Lawrenz (Ruhrgebiet und Westfalen) Oskar H. Metzger (Finanzen/Anlage) Dr. Wulf-Hinrich Möller (Hamburg) Werner Staudte (Rhein-Main) Gerhard Weisse (Berlin) Klaus G. Wertel (Baden-Württemberg) Verlag: Sitz des Verlages: Curt-Frenzel-Str. 2 86167 Augsburg Geschäftsführer: Dipl.-Kfm. Andres Santiago Mitglied der Geschäftsleitung: Oliver Vogt ([email protected]) Verlags- und Anzeigenleitung: Anne-Marie Kwak (verantwortl.) Mediaberatung: Alexander Michl ([email protected]) Telefon: (0 89) 63 89 81-77 Alexandra Nohe ([email protected]) Telefon: (0 89) 63 89 81-54 Vertrieb: VU Verlagsunion KG, Walluf Telefon (06123) 620-0 Namentlich gekennzeichnete Gastbeiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion dar. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexemplare besteht kein Anspruch auf Rücksendung. Die mit (x) oder p. r. gekennzeichneten Artikel erscheinen im Auftrag der betreffenden Firmen. Anzeigen gemäß Preisliste Nr. 26 Erscheinungsweise: 11x pro Jahr. In jedem Quartal liegt dem WirtschaftsKurier ein „WK-Journal“ bei. Bezugszeit jährlich. Bezugspreis 19 Euro (inkl. MwSt. und Inlands-Zustellgebühr). Bankverbindung: Dresdner Bank AG Augsburg (BLZ 720 800 01) Konto-Nr. 0110040300 Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH Frankenallee 71–81 60327 Frankfurt am Main Abo-Service (von 9.00 bis 16.00 Uhr): Telefon (0180) 36 84 39 16 20 (9 ct. pro Minute aus dem dt. Festnetz) [email protected] SEPTEMBER 2008 Nach dem Scheitern von Doha | Die Protektionismus-Gefahr wächst A uch im vierten Anlauf konnte die Doha-Runde 2008 in Hongkong keine Einigung erzielen. WiKu-Mitarbeiter Dieter W. Heumann fragte DiplomVolkswirt Georg Koopmann, Senior Economist am Institut für Außenhandel und Wirtschaftsintegration der Universität Hamburg und Research Associate am Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI), nach den Folgen des Scheiterns der Verhandlungen, die eine stärkere Berücksichtigung der Entwicklungsländer im Weltwirtschaftshandel zum Ziel hatten. WirtschaftsKurier: Herr Koopmann, was bedeutet das Scheitern der Doha-Runde für Welthandel und Weltwirtschaft? Georg Koopmann: Durch den Abbruch der Verhandlungen verschlechtern sich die bestehenden Handelsbedingungen nicht schlagartig. Unter den bisherigen Bedingungen erlebt ja gerade Deutschland seit Jahren eine Expansion seiner Exporte, die deutlich stärker ist als das Wachstum seines Bruttoinlandsprodukts. Sollte es allerdings zu einem endgültigen Scheitern der Doha-Runde kommen, kann niemand garantieren, dass die bestehenden Regeln dann noch stets strikt beachtet werden. WiKu: Aber droht nicht jetzt die Gefahr einer größeren Abschottung einzelner Länder, um ihre Unternehmen vor dem internationalen Wettbewerb zu schützen? Koopmann: Ich rechne nicht mit einem „Wettlauf“ gegenseitiger Abschottung. Protektionistische Bestrebungen gab es auch in der Vergangenheit. So beispielsweise in den USA, die seit den letzten Kongresswahlen – aus denen die Demokraten als Sieger hervorgingen – auf mehr Interventionismus setzen, vor allem gegenüber China. Es könnte aber sein, dass unter dem Vorwand des Abbruchs der Doha-Runde mehr Versuche zu Gegen- und Schutzmaßnahmen gestartet werden. Erste Anzeichen sind zum Beispiel schon in Brasilien gegenüber den USA zu erkennen. WiKu: Glauben Sie, dass bei einem Sieg der Demokraten im Kampf um die USPräsidentschaft die USA vermehrt zum Protektionismus greifen werden? Koopmann: Nein, nicht unter einem Präsidenten Obama, der im Grunde für eine stärkere Liberalisierung des Welthandels steht. WiKu: Der Abbau von Zöllen ist ein ehrgeiziges Ziel, das voraussetzt, dass der politische Wille stark genug ist, den globalen Gemeinsinn über nationale Egoismen zu stellen. Hinzu kommt, dass die WTO mittlerweile 153 Mitglieder zählt. Beschlüsse können in der Regel nur einstimmig gefasst werden. Sind da nicht Verhandlungsmisserfolge vorprogrammiert? Koopmann: Nicht unbedingt. Da stets eine breite Palette von Themen verhandelt wird, ergeben sich eigentlich immer Möglichkeiten, durch Kompromisse zu einem Ausgleich der unterschiedlichen Interessen der Länder zu kommen. Auch in der Doha-Runde wurden ja von 20 Punkten, die zuletzt auf der Agenda standen, bereits 18 erfolgreich abgearbeitet. WiKu: Kurz vor dem Aus der Doha-Runde in Genf gab es durchaus Hoffnungen Georg Koopmann, Research Associaauf einen Abschluss. Warum scheiterte te am HWWI in Hamburg. Foto: HWWI die Konferenz dann letztlich doch? menbedingungen für den Welthandel Koopmann: Dass die Verhandlungen doch und für internationale Investitionen wenoch scheiterten, lag an einem Konflikt sentlich verbessert. Dies würde Unsizwischen den USA einerseits und China cherheit bei Entscheidungen mindern, sowie Indien andererseits. Letztere wolTransparenz erhöhen und Vertrauen len Handelshürden aufstellen dürfen, schaffen und dadurch Wachstum und wenn ihre Märkte von ausländischen Wohlfahrt fördern. Agrarprodukten überflutet werden. Im WiKu: Welche der beiden Parteien ist nach Prinzip gestanden die Amerikaner dies dem Scheitern der Gespräche härter gezu. Strittig war aber vor allem der troffen worden? Schwellenwert. Chinesen und Inder Koopmann: Verlierer sind alle, aber in erster wollten die Schutzklausel bereits bei einem Anstieg der Importe ab 10%, die Linie die ärmsten Entwicklungsländer. Was USA dagegen erst ab zu deren Gunsten in der 40% greifen lassen. GeDoha-Runde bereits ver„Ich rechne nicht messen an den 18 abgeeinbart wurde, wie ein mit einem Wettlauf weitgehend zoll- und quohakten Punkten war dieser Konflikt eher margitenfreier Zugang ihrer gegenseitiger nal. Schwieriger wäre Produkte zu IndusAbschottung.“ Punkt 20 geworden. Hier trieländermärkten, liegt forderten afrikanische nun erst einmal auf Eis. Baumwoll-Produzenten die Streichung Diese Länder werden auch kaum von bilader grotesk hohen Subventionen für USteralen Handelsabkommen profitieren, die Farmen in diesem Sektor. Aber so weit jetzt wohl noch stärker als bislang schon kam die Ministerrunde dann nicht mehr. von den WTO-Mitgliedern angestrebt werWiKu: Was hätten die Gespräche – bei erden, als eine Art Ersatzdroge. folgreichem Ausgang – für die IndusWiKu: Die Bundesrepublik ist ja bereits trienationen und für die Schwellenbei den Warenausfuhren Exportweltmeisund Entwicklungsländer gebracht? ter. Welche Vorteile hätte die Doha-Runde Koopmann: Die Rede ist von globalen den Deutschen noch bringen können? Wohlfahrtsgewinnen um die 70 Mrd. USKoopmann: Für Deutschland wäre es Dollar. Wichtiger als die Ergebnisse solleichter geworden, seine starke Ausfuhrcher Modellrechnungen ist aber einmal, position zu sichern oder noch weiter dass durch einen Erfolg der Doha-Runde auszubauen. Gerade durch einen nachdie Kosten eines Misserfolgs vermieden haltigen Zollabbau in den Schwellenlänwürden. Zum anderen würden die Rahdern hätten deutsche Industrieexporte Warnzeichen der Konjunktur Berlin | Der Tourismus-Boom in der Hauptstadt bricht plötzlich weg eine wichtige Stütze erfahren. Aber eine Katastrophe sehe ich durch das Scheitern der Verhandlungen in Genf für die deutschen Exporte und damit auch für die deutsche Konjunktur nicht heraufziehen. WiKu: Die Gewichte in der Weltwirtschaft werden neu verteilt. Schätzen die USA und Europa ihre Verhandlungsposition vor allem gegenüber Indien und China realistisch genug ein? Koopmann: Sowohl in Washington als auch in Brüssel ist nicht ignoriert worden, dass sich die Gewichte in den Verhandlungen der WTO bereits deutlich verschoben haben. Wir beobachten seit einiger Zeit eine vermehrte Gruppenbildung innerhalb der WTO. Dabei sind vor allem Schwellenländer wie Brasilien, Indien und Südafrika stärker hervorgetreten. Die Zeiten, da die USA der Hegemon waren und die transatlantische Allianz das Geschehen bestimmte, sind vorbei. WiKu: Hat die WTO nach den gescheiterten Verhandlungen Schaden genommen? Koopmann: Die WTO ist nicht nur ein Forum für Verhandlungen über den Marktzugang, sondern stellt auch einen Ordnungsrahmen für den internationalen Handel dar, in dem die Mitgliedsländer ihre Konflikte austragen. Ihre Glaubwürdigkeit als Regelgeber, Schiedsrichter und Moderator könnte geschwächt werden. WiKu: Ärgerlich sind die nichttarifären Handelshemmnisse. Nehmen solche Hemmnisse zu? Koopmann: Ein dramatischer Anstieg ist nicht zu verzeichnen, aber der internationale Handel wird durch allerlei Schikanen – auch Korruption – an der Grenze erheblich beeinträchtigt. Nicht minder gravierend sind die Handelsschranken „hinter der Grenze“, also der regulatorische Protektionismus in Form unterschiedlicher Normen, Standards und so weiter. Daran sind fast alle Länder mit mehr oder weniger großer Kreativität beteiligt. WiKu: Sie hatten bereits gesagt, dass die Einstellung zum freien Welthandel in den USA Risse zeigt. Ist das auch weltweit zu beobachten? Koopmann: Sicherlich gibt es solche Tendenzen auch in anderen Ländern, nehmen Sie zum Beispiel Frankreich oder auch einige Staaten Lateinamerikas. Viele Länder wollen mehr Gestaltungsspielraum – „policy space“ –, um negativen AUFGESPIESST. Mit der Pickelhaube gegen das Böse VON WILHELM K. GÄNSLER W ird der befürchtete Konjunkturabschwung in der Bundesrepublik, falls er über die eingetretenen Quartalsabschwächungen hinausgeht und einen negativen Trend setzt, auch die Hauptstadt in Mitleidenschaft ziehen? Ohnehin lief Berlins Wirtschaft in den vergangenen Jahren nie so gut wie in Westdeutschland und blieb auf dem bescheidenen Wachstums-Niveau der ostdeutschen Bundesländer. Im Tourismus jedoch, der für die Attraktivität der Hauptstadt von entscheidender Bedeutung ist, gab es immer wieder zweistellige Zuwachsraten. Der TourismusBoom schien fest etabliert. Im ersten Halbjahr 2008 aber gab es bei 8,2 Mio. Übernachtungen zum ersten Mal seit Jahren einen Zuwachs von „nur“ 1,9%. Die Erwartungen für die nächsten Monate sind skeptisch. Verliert der Slogan „Berlin ist eine Reise wert“ an Zugkraft? Im Juni gab es bei den deutschen Gästen sogar einen Rückgang von 0,5%, was die Lokalpresse gleich in helle Aufregung versetzte. Beginnen die Deutschen, sich von ihrer Hauptstadt abzuwenden? Mit einem Plus von 5,7% bei ausländischen Touristen wurde allerdings der Rückgang bei inländischen Besuchern mehr als ausgeglichen. Doch auch international wird eine Abschwächung der Reiselust beobachtet, was auf die Hauptstadt durchschlagen könnte. Der Anteil der Ausländer am Berlin-Besucheraufkommen war in den letzten Jahren durch internationale Werbung der Berlin Tourismus Marketing (BTM) und der Hotelbranche von 25% auf 40% gesteigert worden. Bis 2010 werde die Hauptstadt bei jährlichen Zuwachsraten von 1 Mio. Übernachtungen die magische Jahresgrenze von 20 Mio. überschreiten können, hieß es bisher. Jetzt rückt BTM-Chef Hanns Peter Nerger von dieser Prognose vorsichtig ab. Vorsorglich fordert er mehr Aktivitäten Berlins am internationalen Reisemarkt, um die Tourismus-Erfolgsgeschichte, aus der die Hauptstadt viel Selbstvertrauen bezog, fortzuschreiben. In diesem Zusammenhang beklagte Nerger das Desinteresse des Berliner Einzelhandels an der Tourismus-Werbung. Der Handel kassiert zwar rund 40% der durch die Touristen jährlich nach Berlin fließenden Einnahmen von rund 8 Mrd. Euro, leistet aber nur einen geringen Beitrag zur Finanzierung der Berlin-Werbung. Es sei sehr schwer, den Ein- Bei einheimischen Touristen nicht mehr – ganz – so beliebt wie in den vergangenen Jahren: der Gendarmenmarkt mit Schinkels Theater. Foto: visitberlin.de zelhändlern klarzumachen, wie sehr sie von den Touristen profitieren, gab der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes, Nils Busch-Petersen, zu bedenken. Immerhin sei es gelungen, pro Jahr nunmehr etwa 40 000 bis 50 000 Euro zur Mitfinanzierung von Tourismus-Kampagnen „zusammenzukratzen“. Ausländische Finanzgruppen setzen weiter auf die Zukunft der Hauptstadt und investieren in steigendem Umfang in Wohnimmobilien und Hotelbauten. Neuerdings werden verstärkt spanische Investoren verzeichnet. Die ausländischen Aktivitäten werden auch nicht dadurch gebremst, dass die Auslastung der Bettenkapazitäten im Durchschnitt nicht mehr als 50% beträgt. Das Angebot an Hotelbetten wird also weiter wachsen und dürfte von derzeit 90 000 bis 2022 auf rund 103 000 steigen. Was die allgemeine Konjunkturentwicklung angeht, zeichnet sich wie in Westdeutschland auch in der Hauptstadt-Region bisher allenfalls eine leichte Schwächung ab. Wenn es wie jetzt „zu einer leichten Abkühlung an internationalen Märkten kommt, spüren wir dies natürlich auch in unserer Region. Von einer Rezession sind wir aber weit entfernt, unsere Unternehmen stellen immer noch neue Mitarbeiter ein“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Christian Amsinck. Die Auftragseingänge in der Hauptstadt-Region zeigen zwar seit Juni leichte Rückgänge, doch die Auftragsbücher gelten als „gut gefüllt“. Noch laufe die Brandenburger Industrie auf Wachstumskurs. „Weiter auf Wachstumskurs“, das reklamierte der Wirtschaftssenator Berlins, Ha- rald Wolf, auch für die Hauptstadt. Nach dem Wirtschafts- und Arbeitsmarktbericht 2007/08, den er jetzt vorlegte, könne die Berliner Wirtschaft im laufenden Jahr noch mit 1,3% Wachstum rechnen, nach 2,0% im Jahr 2007. „Das ist erreichbar, trotz explodierender Energiepreise, Rezessionsängste und internationaler Finanzkrise“, meinte Wolf. Die Arbeitslosenquote Berlins konnte von 17,5% im Vorjahr auf 13,6% abgebaut werden, hat sich aber, dem Bundestrend folgend, seit Juli wieder leicht erhöht. Der Berliner Einzelhandel spiegelt die bundesweit zu beobachtende Schwäche des privaten Verbrauchs wider. Die Umsätze gingen im ersten Halbjahr 2008 um 1,3% zurück, meldet das Statistische Landesamt. Die Beschäftigtenzahl stieg um 0,5%, allerdings nur durch Zunahme der Teilzeitkräfte. Die Arbeitnehmereinkommen in Deutschland zeigen übrigens weiter beträchtliche Unterschiede, was das Statistische Landesamt Berlin mit einer neuen Erhebung belegt. Ein Berliner Arbeitnehmer „in Vollzeit“ verdiente 40 888 Euro brutto in 2007, das durchschnittliche Einkommen aller Bundesbürger betrug dagegen im Schnitt 40 368 Euro. Daraus aber zu folgern, Berlin sei „Spitze“, wäre falsch. Den 40 888 Euro der Berliner steht im westdeutschen Durchschnitt ein Bruttojahresverdienst von 42 129 Euro gegenüber. Für Ostdeutschland ermittelte das Amt ein Jahreseinkommen von 29 289 Euro. Die Politiker haben die Tendenz, die Statistiker von West-/Ost-Vergleichen abzubringen und nur auf gesamtdeutsche Durchschnittswerte zu setzen. Das nach wie vor bestehende West-Ost-Gefälle sollte aber nicht verschleiert werden. wei Einflüssen aus der Globalisierung entgegenzuwirken. Eine Rückkehr zu ähnlich starker Abschottung und Intervention, wie sie etwa nach der großen Depression zwischen den beiden Weltkriegen stattgefunden hat, sehe ich in der Weltwirtschaft heute aber nicht. WiKu: Sehen Sie Chancen für eine Wiederaufnahme der Verhandlungen? Koopmann: Ich denke, dass die Doha-Runde weitergeführt und zum Abschluss gebracht werden wird. Angesichts des Präsidentenwechsels in den USA Anfang 2009, der Parlamentswahlen in Indien im Frühjahr und der Neubesetzung der EU-Kommission im Herbst 2009 wird dies realistischerweise aber wohl erst im Jahre 2010 möglich sein. WiKu: Aber was macht die Chancen eines Erfolgs dann größer? Koopmann: Letztlich ist es der politische Wille, der vorhanden sein muss. Der könnte nach den Wahlen größer sein als heute. Konkret wäre etwa denkbar, dass den Entwicklungsländern der erwähnte Schutzmechanismus für Kleinbauern in der gewünschten Form gewährt wird und die Schwellenländer im Gegenzug bei den Industriezöllen stärker nachgeben. WiKu: Werden die Verhandlungen wieder bei Null beginnen? Koopmann: Die Karten werden neu gemischt, aber das – beträchtliche – Erreichte sollte nicht zur Disposition stehen. Allerdings werden auch die bisher erzielten Ergebnisse erst dann umgesetzt werden können, wenn alle Punkte erfolgreich verhandelt worden sind. WiKu: Ist nicht auch ein Geflecht bilateraler Abkommen ein guter Weg? Koopmann: Seit Bestehen der WTO sind die bilateralen Abkommen wie Pilze aus dem Boden geschossen. Mittlerweile gibt es etwa 200 solcher Vereinbarungen. Als einziges WTO-Land ist die Mongolei an keinem derartigen Abkommen beteiligt. Dieses Geflecht bilateraler Handelsbeziehungen wirkt diskriminierend auf Dritte und benachteiligt vor allem kleine und mittlere Unternehmen. Für sie ist – im Gegensatz zu den Großunternehmen – der Aufwand oft größer als der Nutzen, weil sie sich zunächst durch einen Dschungel unterschiedlichster Regelungen kämpfen müssen. Ein Weg, wie in Doha begonnen, ist immer der bessere, gerade auch weil er Transparenz für alle garantiert. Mit Beifall können die kreativen „Gesetzesstricker“ vor allem dann rechnen, wenn sie Ängste und drohende Gefahren von uns Bürgern fernhalten. Das gilt auch für die vom Bundeskabinett beschlossene Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes. Die Neuregelung räumt der Bundesregierung ein Vetorecht ein, wenn sich außereuropäische Investoren mit mehr als 25% an einem deutschen Unternehmen beteiligen wollen. Dann kann die Ministerialbürokratie nun drei Monate prüfen, ob die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Gefahr geraten. In den „Heuschrecken“, vor allem aber in den potenten „Staatsfonds“, wittern Politiker gefährliche fremdländische Einflüsse, ja einen Ausverkauf der stolzen deutschen Wirtschaft. Die große „Exportnation“ hat sich angesichts dieser möglichen Gefahren die Pickelhaube aufgesetzt. Mit diesem schon im alten Preußen respekteinflößenden Kopfschutz hofft die Bundesregierung die anlagesuchenden Staatsfonds auf dem „guten Pfad“ halten zu können. Das Aufmucken gegen diese neue antimarktwirtschaftliche Regelung war bislang nur im Kammerton zu hören. Für den deutschen Groß- und Außenhandel ist die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes „das falsche Signal zur falschen Zeit“. Auch der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen R. Thumann, äußerte Bedenken gegen die geplante Investitionskontrolle. Er befürchtet einen Rückgang der ausländischen Finanzengagements. Schon vor zwei Jahren hatten Banker und Unternehmensmanager vor den – im Durchschnitt um jährlich 8% wachsenden – Staatsfonds gewarnt und von der Bundesregierung eine Investitionskontrolle gefordert. Ganz offensichtlich lähmt die massive Finanzkraft der Staatsfonds, die nach den Berechnungen der DZ Bank AG ein Vermögen von geschätzten 3,7 Bio. US-Dollar verwalten, die Kreativität der im globalen Wettbewerb geforderten Manager. Natürlich beeilt sich der Bundeswirtschafts- minister zu versichern, dass sich die Kontrollen auf „extreme Ausnahmefälle“ beschränken werden. Doch wer beurteilt, ob und wann ein ausländisches Engagement in diese Kategorie fällt und ob der Finanzier in guter oder heimtückischer Absicht in der Bundesrepublik investiert? Selbstverständlich darf das Treiben der Staatsfonds nicht zu blauäugig betrachtet werden. Aber muss der „Exportweltmeister“ gleich die „Marktabschottungs-Keule“ schwingen? Mit ihrer liberalen Handels- und Finanzpolitik ist die Bundesrepublik Deutschland bislang gut gefahren. Auch das Engagement des kuwaitischen Staatsfonds, der seit 1975 das von den Quandts abgegebene Daimler-Aktienpaket (14%) hält und im Aufsichtsrat sitzt, hat der deutschen Wirtschaft nicht geschadet. Nach den Erkenntnissen des BDI beschäftigen die im ausländischen Besitz befindlichen Unternehmen in Deutschland fast 2 Mio. Menschen. Die Summe der ausländischen Investitionen in der Bundesrepublik taxiert der BDI auf etwa 440 Mrd. Euro. „Staatsfonds“, so der Leiter des Bereichs Research und Volkswirtschaft der DZ Bank, Klaus Holschuh, „sind an einem langfristigen, kontinuierlichen Wertzuwachs interessiert. Es besteht also kein Grund zur Sorge.“ Diese Ansicht teilt offensichtlich auch der Bundeswirtschaftsminister: „Ich kenne kein konkretes Beispiel für eine Firmenübernahme, die wir untersagen müssten.“ Warum dann die marktwirtschaftsfeindliche Keule Investitionskontrolle? Mit der Gesetzesänderung soll auch kein neuer Bürokratismus geschaffen werden. Ja wer prüft denn dann? Haben die Beamten, die künftig die Investitionsanträge bearbeiten, bisher nur Däumchen gedreht? Könnte es sein, dass mit dieser beifallsschwangeren „Bewahrung vor einem Ausverkauf“ vor den Wahlen nur die Hoheit über den Biertischen zurückerobert werden soll? Die echte ist nur noch in Schweden in Gebrauch, symbolisch greift nun auch Deutschland wieder darauf zurück: die Pickelhaube. AKTUELLES THEMA SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 3 Neuer Bankenriese oder Totgesagte leben länger Commerzbank übernimmt Dresdner Bank | China Development Bank (CDB) geht leer aus VON GÜNTER SPAHN M it der Übernahme der traditionsreichen Dresdner Bank durch die Commerzbank entsteht für deutsche Verhältnisse ein weiterer Finanzkoloss, so die außerordentliche HV der Commerzbank Anfang 2009 den jetzt ausgehandelten Deal absegnet. Es wäre übrigens nicht das erste Mal, dass ein bereits gefeierter Zusammenschluss (Deutsche Bank mit ebenfalls der Dresdner Bank) schlussendlich doch nicht zustande kam. Mit der Übernahme durch die Commerzbank gibt die Dresdner Bank als ein traditionsreiches Finanzinstitut ihre Selbstständigkeit auf. Nimmt man das Vorgängerinstitut der Bank, die 1771 gegründete Privatbank Kaskel als „Ahnherrin“, so kann die Bank sogar auf das Geburtsjahr 1771 verweisen. 1872 wurde dann die eigentliche Dresdner Bank gegründet. Die Bank hat in ihrer Geschichte viele Hochs und Tiefs erlebt – aber sie entwickelte sich insbesondere in den guten Jahren des deutschen Wirtschaftswunders nach dem Zweiten Weltkrieg zur zweitgrößten deutschen Bank und zeitweise war der Abstand zum Platzhirsch Deutsche Bank nicht mehr sehr groß. Insofern ist es bedauerlich, dass die Dresdner Bank im deutschen Finanz- Aachener und Münchener (seinerzeit noch nicht im Verbund der italienischen Generali) unter ihrem legendären Chef Dr. Helmut Gies die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG), die ihrerseits in den 70er Jahren zu Zeiten der sozialliberalen Bundesregierung Willy Brandt unter „Papa“ Hesselbach hervorragend aufgestellt war. Die BfG kam dann in Sogwirkung der Krisen Coop und Neue Heimat selbst in den Problembereich und deshalb verkaufte die Gewerkschaftsholding die Bank an die Aachener und Münchener. Schon früher funktionierte Allfinanz nicht Wie auch immer: Schon damals hat, wie gesagt, Allfinanz nicht funktioniert. Auch die Aachener und Münchener trennte sich dann später wieder von der BfG, die dann an die französische Großbank CL weitergereicht wurde, die ihrerseits später die Bank an die Schweden (SEB) verkaufte. Die „deutsche“ SEB ist auch heute noch im Markt. Wenn also heute vom Misserfolg des Allfinanzgedankens im Verbund der Allianz mit der Dresdner Bank gesprochen wird, dann ist dies eben nicht neu, wie das Beispiel Aachener und Münchener mit der BfG zeigt. Aber offenbar wollte man bei der Allianz schlauer sein. 2001 kostete die Dresdner Bank die Allianz bereits 24,5 Mrd. Euro. Rechnet man die Verluste der Dresdner auch durch die Finanzkrise hinzu, dann war das Engagement ein teures Vergnügen für die ansonsten erfolgsverwöhnten Versicherungsmanager der Allianz. Jetzt erhält die Allianz für die Dresdner noch 9,8 Mrd. Euro und an der neuen erweiterten Großbank ist dann die Allianz immerhin mit 30% Großaktionär. Dies wäre dann gleichzeitig ein Beitrag für die nachhaltige Stabilisierung des Aktionärskreises bei der Commerzbank, wenn sich die Allianz als langfristig orientierter Kernaktionär sieht. Mit einer addierten Bilanzsumme von 1,116 Bio. Euro wäre die neue Commerzbank zwar mit deutlichem Abstand zur LBBW die unangefochtene Nummer zwei in Deutschland, jedoch ist Mag auch im Rahmen der Übernahme der traditionsrei- weiterhin die Deutsche chen Dresdner Bank durch den bisherigen Konkurrenten Bank mit einer BilanzCommerzbank der Name Dresdner Bank verschwinden, summe von 2,020 Bio. so bleibt er doch unauslöschlich mit dem großartigen Euro klarer Marktführer. Im internationalen Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche verbunden. Das Institut hat sich unmittelbar nach der Wiedervereini- Maßstab sind die deutgung exponiert für die aufwändige Rekonstruktion einge- schen Banken – sieht setzt und diese gefördert und ohne dieses Engagement man einmal von der gäbe es vermutlich die Frauenkirche heute nicht. Die Deutschen Bank ab – Dresdner hat sich durch ihre Initiative für Dresden und längst überflügelt. Doch Deutschland verdient gemacht. Foto: Stadt Dresden Bilanzsummengröße ist nicht alles. Es ist einfach auch ein Unfug, wenn immer wieder damarkt keine eigenständige Rolle mehr von gesprochen wird, dass durch die verspielt. Doch muss man fairerweise sagen, meintliche Allmacht und Abschottung der dass die Bank spätesten am 23. Juli 2001 – öffentlich-rechtlichen Institute (Sparkasda wurde die Allianz-Gruppe in München sen und Landesbanken) eine international neuer Eigner der Dresdner – ihre Eigenbessere Aufstellung der deutschen Banken ständigkeit verlor. Die eigentlichen Konnicht möglich wäre. zernentscheidungen der Dresdner wurAusländische Banken sind auch deshalb den in der vornehmen Münchner Könian den Deutschen vorbeigezogen, weil sie ginstraße (dort ist der Sitz der Allianz) seit besser die Chancen im europäischen 2001 vorgegeben. Markt nutzten. Zu Zeiten, in denen die Dass es überhaupt zur Übernahme führenden Institute hierzulande den Kondurch die Allianz kommen musste, wäre kurrenten aus Frankreich, Spanien und Itaeine eigene Geschichte und würde den lien noch deutlich überlegen waren, fehlte Rahmen dieses Beitrages sprengen. Fakt den Deutschen auch der Mut. Spanier haist, dass sich die Dresdner Bank offenbar ben sich im Vereinigten Königreich engabereits 2001 an einen kräftigen Partner angiert, die Italiener in Deutschland: diese lehnen musste. Rolle hätten unsere Banken spielen müsBanken und Versicherungen sen. Niemand hat sie daran gehindert und haben verschiedene Kulturen deshalb hinkt das Beispiel mit der Dreigliedrigkeit des deutschen Bankensystems. Leider verstand es auch die Allianz nicht, Wer war schon etwa vor wenigen Jahrzehndie Dresdner wieder zu einer ertragsstarten (als das Trio Deutsche, Dresdner und ken Bank fortzuentwickeln und darüber Commerzbank auch europaweit führend müsste man bei Gelegenheit nachdenken. war) der Crédit Agricole oder die Société Für viele Kenner war die Sache vorherzuGénérale (beide Frankreich) oder etwa der sehen. Die Kulturen der Banken und VersiBanco Santander (Spanien) oder die Unicherungen sind zu verschieden. Und dies credito Italiano SpA, die die HypoVereinshätte eigentlich die Allianz wissen müsbank übernahm? sen, denn es gab bereits negative ErfahDer alleinige Maßstab Bilanzsummenrungen zum Thema Allfinanz. Allfinanz – größe kann jedenfalls nicht das Kriterium dies war das neue Schlagwort für den gefür die Überlebensfähigkeit einer Bank meinsamen Verkauf von Versicherungsauch im europäischen Markt sein. Immerund Finanzprodukten. Kurz ging es darhin ist eine Bank vom „alten“ Zuschnitt der um, dass über die Bankschalter VersicheCommerzbank ja keineswegs klein und wir rungspolicen verkauft werden sollten und haben nie verstanden, weshalb gerade diegleichzeitig setzte man hohe Erwartungen ses Institut je nach Zeitlaune einmal mit jein die Vermarktung von Bankdienstleisner und dann wieder mit einer anderen tungen (wie Kredite) durch den AußenBank „verbandelt“ wurde. Wie oft wurde dienst der Versicherungen. Allfinanz – und gesagt, dass der Commerzbank die stratedies hätte die Allianz wissen müssen – hatgische Größe (was immer dies sein möge) te aber bereits beim ersten Pilotversuch für das Bestehen des Wettbewerbes fehle. nicht funktioniert. Und wie oft wurde die Bank als klassischer Bereits 1987 kaufte die damals zweitÜbernahmekandidat gehandelt. Doch Totgrößte deutsche Erstversicherungsgruppe gesagte leben oft länger. Mit der jetzigen Übernahme der Dresdner Bank muss nicht zwingend eine völlige Neuordnung des deutschen Finanzsystems verbunden sein. Da wird vieles herbeigeredet und herbeigeschrieben. Finanzplatz Deutschland wird gestärkt Viel wichtiger ist, ob die Commerzbank die geplante Übernahme (noch muss die HV, wie bereits gesagt, zustimmen) gut stemmen kann. Es wäre schade, wenn sie für das Engagement Tafelsilber, wie attraktive Beteiligungen, verkaufen müsste. Die Commerzbank ist Großaktionär bei der Perle Linde AG. Dieses Engagement hat der Commerzbank gerade in den letzten Jahren viel Freude bereitet. Die Commerzbank ist einer der Garanten für die Stabilität des Aktionärskreises der Linde AG. Keine Frage: Auf der Strecke bleiben auch Mitarbeiter. Künftig wird es keine Überschneidungen mehr geben. Viele Aktivitäten, die jede Bank vorhält (etwa Kommunikation und Werbung), können gebündelt werden. Informatikkosten, die eine Bank immer noch stark belasten, können besser genutzt werden. Sicher ist das Potenzial der Synergien groß. Wenn die Commerzbank sich an der Übernahme der Dresdner Bank nicht verschluckt, ist die Chance groß, dass das Thema Commerzbank „neu“ eine Erfolgsstory gibt. Es wäre der Bank zu wünschen. Der Finanzplatz Deutschland wird nun gestärkt. Wenn man auch getrost davon ausgehen kann, dass die Allianz während der Verhandlungsphase mit der Commerzbank auch mit der China Development Bank (CDB), die ja ernsthaft am Erwerb der Dresdner Bank interessiert war, vor allem gepokert hat, so ist aber nicht ganz auszuschließen gewesen, dass die Chinesen durch unglückliche Umstände doch zum Zuge gekommen wären. Freilich hätte sich dann die Allianz ihren Namen zumindest in Deutschland verbrannt. Alles in allem ist die jetzt angepeilte Lösung unter dem Strich positiv. So bleibt nur die Frage, weshalb die Allianz offenbar schon wieder mit dem Gedanken spielt, eine Bank zu kaufen. Die Rede ist von einem diesmal kleinen, aber feinen Institut. Dies könnte dann funktionieren. Die Nürnberger Versicherungsgruppe jedenfalls hat mit der Fürst Fugger Privatbank viel Freude. Etwas Wehmut bleibt. Die Dresdner Bank war zu guten Zeiten ein feines Institut und hat sich vor allem beim Wiederaufbau der großartigen Dresdner Frauenkirche, dem Flaggschiff der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), bleibende Verdienste erworben. Ohne die Dresdner Bank gäbe es Deutschlands wohl schönste und inzwischen zu einem Publikumsmagneten gewordene Kirche mit ihrer einmaligen riesigen Steinkuppel nicht. Danke Dresdner Bank! Innovativer Klimaschutz – Für Mensch und Natur Vattenfall entwickelt die zukunftsweisende Energieerzeugung: Am 09. September nehmen wir am Standort Schwarze Pumpe in der Lausitz die weltweit erste Pilotanlage für ein Kohlekraftwerk mit CO2-Abscheidung in Betrieb. Kohlendioxid gelangt nicht mehr in die Atmosphäre, sondern wird verflüssigt und tief unter der Erde gespeichert. So wirken wir dem Treibhauseffekt entgegen. Davon profitieren wir alle – Mensch und Natur. www.vattenfall.de/ccs Energie für frische Luft REPORT 4 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Innovationen erhöhen Verkehrssicherheit Zahl der Verkehrstoten seit 1970 auf weniger als ein Viertel gesunken | Weitere Verbesserungen durch ein Bündel an Maßnahmen möglich Richtungsfahrbahnen mit Standstreifen für Pannen- und Unfallfahrzeuge. Nicht seriös zu beantworten bleibt die hypothetische Frage, in welchem Umfang die Verkehrsunfallbilanz bei einem auch nur annähernd dem wachsenden Verkehrsaufkommen entsprechenden Ausbau der Verkehrswege noch hätte verbessert werden können: Die Unfallursache „Stress durch zu hohe Verkehrsdichte“ wird weder polizeilich erhoben noch statistisch erfasst. VON KLAUS G. WERTEL Den meisten deutschen Tageszeitungen war die „Pressemitteilung Nr. 257“ des Statistischen Bundesamtes kaum mehr als eine Zehn-Zeilen-Meldung im „Vermischten“ wert: „Zahl der Verkehrstoten im Jahr 2007 erstmals unter 5 000.“ Allenfalls der Umstand, dass Deutschland die von der EU vorgegebene Zielsetzung einer Halbierung der Unfalltoten im Zeitraum 2001 bis 2010 wohl verfehlen werde, schien vielen Redaktionen interessant genug, betont zu werden. Dass die Zahl der Verkehrstoten seit 1970 auf weniger als ein Viertel gesunken ist, wurde dagegen kaum erwähnt. Nun mag es ja sein, dass beim Thema Unfallentwicklung so manche Redaktion nur ungern das seit Jahren gepflegte Zerrbild vom „immer schlimmer werdenden Verkehr“ und vom „Moloch Auto“ durch tendenziell anders lautende Meldungen ins Wanken bringen mag. Doch es kommt noch ein ganz allgemein zu beobachtender Trend hinzu: Die schwindende Neigung zeitgenössischer Berichterstatter – freilich auch ihrer Rezipienten –, die Dinge auf der langfristigen Zeitachse zu betrachten, führt zwangsläufig zu Momentaufnahmen, die über Entwicklungen fast gar nichts aussagen – aus denen auch kaum brauchbare Erkenntnisse für künftiges Handeln gewonnen werden können. So könnte – für sich genommen – der Rückgang der Verkehrstoten im Jahresvergleich 2006/07 um 142 auf 4 949 (minus 2,8%) theoretisch die Folge eines glatteisarmen Winters oder einer verregneten Motorradsaison gewesen sein. Erst im Zusammenhang mit den Verkehrsunfallbilanzen der Jahre und Jahrzehnte zuvor und mit den langfristigen Erkenntnissen der Unfallforschung gewinnen die aktuellen Zahlen Profil und Aussagekraft. Fahrzeugbestand mehr als verdreifacht Autofahrer in der dritten Generation Die positive Wirkung von Verbesserungen an Fahrzeugen und Fahrwegen schlägt sich auch in der Unfallstatistik nieder: Der Anteil technischer Defekte, Unzulänglichkeiten an Fahrbahn oder Beschilderung und Witterungseinflüsse als Hauptunfallursachen ist seit 1970 von rund einem Drittel auf unter 10% gesunken. Doch auch der „Faktor Mensch“ soll – so betonen die meisten Unfallforscher – Fortschritte machen. Während sich noch in den 60er Jahren überwiegend Führerscheinneulinge und Fahrer mit wenigen Jahren Erfahrung auf den Straßen tummelten, „haben wir inzwischen Autofahrer in der dritten Generation“, so beschreibt etwa der ADAC eine Tendenz zu mehrheitlich eher besonnenem, souveränem Fahren. Besichtigen lässt sich die entspannende Wirkung langjähriger Übung seit langem in den USA, wo die allgemeine Motorisierung mindestens eine Generation früher als hierzulande begann. In dem Umstand, dass noch immer der Anteil der jungen, wenig erfahrenen Fahrer am Unfallgeschehen überdurchschnittlich hoch ist, sehen Unfallforscher eine Bestätigung der Annahme, dass Übung und Erfahrung wichtige Faktoren der Risikominderung sind. Hoffnung auf Navigationshilfen Entgegen der „gefühlten“ Gefahr sind Autobahnen die sichersten Verkehrswege. Die volle Tragweite der Entwicklung vom traurigen Höhepunkt mit 21 332 Verkehrstoten im Jahre 1970 auf die 4 949 Opfer des Vorjahres lässt sich nur ermessen, wenn man dabei auch noch die Vermehrung der Kraftfahrzeuge im selben Zeitraum bedenkt: Deren Bestand hat sich von 17,8 Mio. (1970) auf 57,4 Mio. (2007) mehr als verdreifacht. Trotz rückläufiger Fahrleistungen pro Fahrzeug hat sich die gesamte Straßenverkehrsleistung deutlich mehr als verdoppelt. 1953, im ersten Jahr nach der Wiederaufnahme der Verkehrsunfallstatistik, starben – bei 4,8 Mio. zugelassenen Fahrzeugen – 12 631 Menschen durch Verkehrsunfälle in Deutschland. Auch die verbreitete Ansicht, der Rückgang der Verkehrsopfer habe vielleicht den Autofahrern genutzt, sei aber an den schwächsten Verkehrsteilnehmern – Fußgängern und Radfahrern – vorbei gegangen, lässt sich durch einen Blick ins Archiv des Statistischen Bundesamts widerlegen. Mangels früherer Differenzierung muss hier freilich auf das Basisjahr 1980 Bezug genommen werden. Insgesamt sank die Zahl der Verkehrstoten im Zeitraum 1980 bis 2007 um 67%. Dabei war der Rückgang bei den Getöteten bei den Fußgängern mit minus 81% am höchsten, gefolgt von den Radfahrern (minus 68%), den Fahrzeuginsassen (minus 62%) und den Motorradfahrern (minus 49%). Die Gesamtzahl der „Unfälle mit Personenschaden“ ist im Zeitraum 1970 bis 2007 weit weniger gesunken als die Zahl der Verkehrstoten: von 414 362 auf 335 845 (mi- Der Ausbau des Straßennetzes ist eine wichtige Maßnahme zur Verringerung der Gefahren im Straßenverkehr. Foto: Bilderbox nus 19%). Die Zahl der Verletzten ging von 578 032 auf 431 419 (minus 25%) zurück. Bei den Haupt-Unfallursachen wurde im Vorjahr – erstmals seit vielen Jahren – die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ von Platz eins verdrängt: Jetzt lagen „Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“ mit 16% knapp vorne. Die zu eiligen Fahrer (15%) mussten sich Platz zwei mit den Fällen von „Missachtung der Vorfahrt“ (ebenfalls 15%) teilen. Die Au- tobahnen haben 2007 erneut ihren Ruf als sicherste Straßen verteidigt: Hier sank die Zahl der Verkehrstoten (im Vergleich zu 2006) um 6,7% auf 602. Bei den Landstraßen sank die Zahl der Opfer um 1,6% auf 3 012, innerorts um 3,5% auf 1 335 Getötete. 40 Jahre Fortschritt: Von der Zweikreisbremse bis zum ESP Der Umstand, dass die nachhaltige Trendwende zum Besseren bereits Anfang der ZAHL DER TOTEN IM STRASSENVERKEHR Die Entwicklung von 1953 bis 2007 25 Foto: Bilderbox 70er Jahre gelang, legt die Vermutung nahe, dass die frühen Grundlagen dieser positiven Entwicklung spätestens in den 60er Jahren geschaffen wurden. Wie auch heute noch, so dauerte es schon damals stets viele Jahre, bis sich eine technische Verbesserung in der Breite der Fahrzeugflotte durchsetzen und damit auch in der Unfallstatistik auswirken konnte. Die Vermutung, dass schon „Innovationen“ der 60er Jahre maßgeblich zur Senkung der Zahl der Unfalltoten beigetragen haben, lässt sich durchaus erhärten: So hat allein der Übergang von der Einkreis- zur Zweikreisbremse die Häufigkeit schwerer Unfälle durch Undichtigkeiten in der Bremshydraulik dramatisch sinken lassen. Die mehr und mehr zumindest an der Vorderachse verbauten Scheibenbremsen waren standfester als die Trommelbremsen. Die Ablösung des Diagonal-Reifens durch den Gürtelreifen hat die Unfallursache Reifenschaden selten und die „Reifenplatzer“ beherrschbarer werden lassen. Schließlich lagen auch die Anfänge der Entwicklung stabiler Fahrgastzellen und verformbarer Knautschzonen in den 60er Jahren. Der „Lebensretter Nummer eins“, wie der Sicherheitsgurt bereits in den späten 60er Jahren empfohlen wurde, setzte sich erst in den 70er Jahren in Form des komfortabel gewordenen Drei-Punkt-Gurts in der Breite durch – in den 80er Jahren durch Airbags zum „Rückhaltesystem“ ergänzt. Ebenfalls beginnend in den 80er Jahren, bescherte uns der Einzug der Elektronik ins Auto nicht nur allerlei Schnickschnack, sondern auch hoch sicherheitsrelevante Helfer: Zunächst verkürzte die automatische „Stotterbremse“ – ABS – den Bremsweg auf nasser oder glatter Fahrbahn erheblich. Später kamen Anfahrund Spurhaltehilfen („Antischlupfregelung“) hinzu. In den 90er Jahren gelang es, all diese Frühwarn- und Hilfssysteme in „ESP“ und ähnlich genannten Steuerungssystemen zu bündeln. Obwohl die Wirksamkeit elektronischer Stabilitätspro- gramme nicht mehr umstritten ist, werden noch immer viele Fahrzeuge ohne ESP gebaut – und gekauft. Auch der Ausbau und die Gestaltung der Verkehrswege – innerorts wie außerorts – haben einen Beitrag zur Absenkung des Risikos, tödlich zu verunglücken, geleistet. Dass Autobahnen – und vergleichbar ausgebaute Straßen – mit Abstand die sichersten Verkehrswege sind, mag dabei zwar dem „gefühlten Risiko“ vor allem ungeübter Autofahrer widersprechen. Dennoch belegt die Unfallstatistik seit Jahr- Nach den Zweikreisbremsen, den Gürtelreifen und den Gurten hat vor allem der Einzug der Elektronik in die Fahrzeuge mit ABS und ESP die Zahl der Unfalltoten entscheidend gesenkt. Foto: BMW zehnten: Innerorts und auf Landstraßen mit Gegenverkehr ist die Häufigkeit tödlicher Unfälle doppelt und dreifach höher als auf den kreuzungsfrei ausgebauten Was lässt sich aus diesem Blick in den Rückspiegel der Unfallentwicklung für eine vorausschauende Verkehrs- und Technologiepolitik ableiten? Zumindest dreierlei: ■ Erstens: Die Verbesserung der Verkehrssicherheit ist vor allem ein Resultat vielfältiger Verbesserungen an Fahrzeugen, Verkehrswegen und der fahrerischen Kompetenz. Und genau in diesem Dreier-Verhältnis gibt es auch in der Gegenwart die wichtigsten Ansätze zu weiteren Fortschritten. Große Hoffnungen setzen Experten vor allem in den Aufbau interaktiver Kommunikations- und Navigationssysteme – bis hin zu automatischen Warn- und Notbremssystemen in Gefahrensituationen. ■ Zweitens: Vor dem Hintergrund der seit langem bekannten Tatsache, dass die Autobahnen die mit Abstand sichersten Straßen sind, sollte jede Maßnahme, die zu einer Verlagerung von Verkehr auf nachrangige Straßen führt, unterbleiben. Dies gilt insbesondere für die immer wieder diskutierte Einführung einer – wie auch immer gearteten – Pkw-Autobahnmaut. ■ Drittens: Auch wenn kein wirklich bedarfsgerechter Ausbau der Verkehrswege möglich ist – die Verkehrssicherheit sollte bei allen Planungen wieder einen höheren Stellenwert erhalten. So kann der gelegentlich ökologisch begründete und durchgesetzte Verzicht auf Standstreifen an Fernstraßen genauso tödliche Folgen haben, wie zu enge Kurvenradien oder der Verzicht auf einen Mittelstreifen zwischen den Richtungsfahrbahnen. Dass die knapp 5 000 Verkehrstoten des Jahres 2007 noch immer 5 000 zu viel sind, sollte nicht nur in Sonntagsreden beklagt, sondern auch bei konkreten Weichenstellungen bedacht werden. Letzte Meldung: Auch im ersten Halbjahr 2008 hat sich der positive Trend fortgesetzt. Die Zahl der Verkehrstoten sank (im Vergleich zum Zeitraum Januar bis Juni 2007) um 298 oder 12% auf 2 170. Die Zahl der Verletzten ging um 8% auf 194 600 zurück. 20 15 Getötete in Tausend 10 5 4.949 0 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2007 Im ersten Halbjahr 2008 hat sich dieser Trend fortgesetzt. Die Zahl der Verkehrstoten sank von Januar bis Juni 2008 um 12% auf 2 170. Grafik: Statistisches Bundesamt, Wiesbaden, 2008 Große Hoffnungen setzen Experten für Verkehrssicherheit in den Aufbau interaktiver Kommunikations- und Navigationssysteme – bis hin zu automatischen Warn- und Notbremssystemen in Gefahrensituationen. Foto: BMW INDUSTRIE & MÄRKTE SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 5 Volle Fahrt für deutsche Autos Heimisches Öl Mehr Sonne an der Börse Leasing löst Kredit ab Trotz lahmender Weltkonjunktur und Problemen in den USA können die deutschen Autobauer steigende Absatzzahlen melden. Seite 6 Zäh und tief, aber bei den heutigen Preisen wieder lukrativ: Wintershall baut auch auf Öl aus Quellen in Deutschland. Seite 7 Die Schott-Tochter Schott Solar wagt den Sprung aufs Parkett, um das dynamische Wachstum mit eigenen Mitteln stemmen zu können. Seite 7 Selbst der konservative Maschinenbau setzt verstärkt auf Leasing, doch passt diese Finanzierungsform nicht in jedem Fall. Seite 8 Börsenwert oder Unternehmenswert Ungleiche Elefantenhochzeit | Die Porsche-Anteile an VW sind mehr wert als die gesamte Porsche SE VON KLAUS G. WERTEL W enn sich die Besitzer der 87,5 Mio. Porsche-Vorzugsaktien anlässlich der am 1. September begonnenen Umtauschaktion in Papiere der neuen Konzernmutter „Porsche Automobil Holding SE“ etwas genauer mit dem Wert ihres Anteils an dem noblen Stuttgarter Autobauer beschäftigen, dann wird sich so mancher Aktionär verwundert die Augen reiben: Der Börsenwert des 31%Anteils, den Porsche Ende August an der Volkswagen AG hielt, ist höher als der Börsenwert der gesamten Porsche SE. Bei einem derzeit knapp unter 100 Euro pendelnden Kurs sind die Porsche-Vorzugsaktien insgesamt rund 8,5 Mrd. Euro wert. Selbst wenn man die ebenfalls 87,5 Mio. Stammaktien im Besitz der Familien Porsche und Piëch etwas höher bewertet als die stimmrechtslosen Vorzugsaktien, wäre also der Porsche-Konzern – nach Börsenkurs – allenfalls 18 Mrd. Euro wert. Aus dem seit Wochen zwischen 200 und 210 Euro pendelnden Kurs der VW-Aktie (105 Mio. Vorzugsaktien – 291 Mio. Stammaktien) errechnet sich ein Wert des VW-Konzerns von rund 80,5 Mrd. Euro. Der 31%ige PorscheAnteil an den Porsche-Stammaktien repräsentiert demnach einen Börsenwert von rund 18,5 Mrd. Euro. Der „Rest“ von Porsche wäre also gar nichts wert? Porsche-Finanzchef Holger Härter ist eher ein Mann der leisen Töne. Aber die gegenwärtigen Verzerrungen der Börsenwerte, speziell im Automobilsektor, nennt der Architekt des Porsche-Einstiegs bei VW „absurd“. Die Auto-Analysten der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), die neben Porsche auch den Daimler-Konzern ganz gut kennen, bestätigen Härters Einschätzung kopfschüttelnd: „Mit Marktentwicklungen und Unternehmensdaten sind manche Entwicklungen an der Börse nicht mehr seriös zu begründen.“ „Die Börse“ versteht Porsche nicht Nun begegnen sich das Haus Porsche und die Wortführer der „Börse“ seit langem in ehrlicher Abneigung: Der Porsche-Vorstandvorsitzende, Wendelin Wiedeking, verweigert standhaft die von der Börse verlangte Abgabe von Quartalsberichten und reibt sich gern und oft an den Moden des Börsen-Zeitgeistes: etwa am Dogma der „Beschränkung auf das Kerngeschäft“. Auch lässt Wiedeking kaum eine Gelegenheit aus, sich an nicht eingetretenen Prognosen von Analysten und Aktionärsverbänden zu laben. Umgekehrt reagieren Börsenvertreter, Fonds und Analysten fast schon reflexartig negativ auf strategische Entscheidungen bei Porsche. Insbesondere der Einstieg bei VW, den kein Analyst auf der Rechnung hatte, löste geradezu wütende Kommentare aus: Der „mittelständische Sportwagenbauer“ Porsche verstehe vom Geschäft eines weltweit tätigen Großserienherstellers nichts, so die überwiegende Einschätzung in den Analysten-Kommentaren. Dass „die Börse“ Porsche nicht versteht und übel nimmt, schlug und schlägt sich auch im Aktienkurs nieder: Unmittelbar nach Ankündigung des Erwerbs einer ersten Tranche von VW-Aktien durch Porsche stürzte die Porsche-Aktie um gut 10% ab – der Porsche-Kurswert sank innerhalb eines Tages um mehr als 1 Mrd. Euro. Trotz hervorragender Unternehmenszahlen – Porsche wird für das Geschäftsjahr 2007/08 mehr Gewinn als Umsatz ausweisen – hat sich die Porsche-Aktie seither nie mehr wirklich erholen können. Umgekehrt ist freilich der Börsenwert der VW-Aktie förmlich explodiert. Noch in den Jahren 2005/06 galt VW mit Aktienkursen von 30 Euro bis 55 Euro und einem Börsenwert von weniger als 20 Mrd. Euro als vergleichsweise billiges Anlage- und Übernahmeobjekt für Fondsgesellschaften oder auch ausländische Konkurrenten. Jetzt ist VW das Vierfache wert. An der Übernahme der VW-Mehrheit durch Porsche gibt es – spätestens seit der Billigung dieses Vorhabens durch die EU-Kommission im Juli 2008 – keine ernsthaften Zweifel mehr. Doch für das offenkundige Missverhältnis der Börsenwerte des 31%-Anteils von Porsche an VW und der gesamten Porsche SE liefern weder die besonderen Beziehungen zwischen Börse und Porsche noch eventuell vereitelte VW-Übernahmephantasien eine hinreichende Erklärung. Auch Daimler und BMW klagen über Börsenwert Mit der Entwicklung des Börsenwerts ihres Unternehmens hadern allerdings nicht nur Porsche-Manager. Auch Daimler und BMW scheinen bei Analysten und Fonds in Ungnade gefallen zu sein: Bei der Vorlage der Halbjahresberichte beider Konzerne vor wenigen Wochen (vgl. Seite 6) brachen die Börsenkurse um jeweils mehr als 10% ein. Der Börsenwert der Daimler-Aktien sank in den ersten Minuten der Telefonkonferenz zur Erläuterung der Halbjahresbilanz zeitweise um fast 5 Mrd. Euro auf unter 40 Mrd. Euro. Dabei hatten sowohl Daimler als auch BMW ihre Umsatz- und Gewinnprognosen – gemessen an den auf vielen Weltmärkten deutlich schwieriger gewordenen Bedingungen – nur moderat nach unten korrigiert, was eigentlich niemanden überraschen konnte. Insofern wirkten einige der Kommentare der „Automobilexperten“ von Banken und Fondsgesellschaften dann doch einigermaßen peinlich. Zwar konnten sich die Aktien von Daimler und BMW zwischenzeitlich wieder einigermaßen erholen. Doch hat dieser Vorgang zumindest im Hause Daimler zu einer verstärkten Suche nach verlässlichen Partnern im Aktionariat geführt. Im Gegensatz zu Porsche und BMW, die durch ihre Hauptgesellschafter – die Familien Porsche/Piëch (Porsche) und Quandt (BMW ) – gegen unerwünschte Übernahmen insbesondere durch Hedge- schwer, ausreichende Mittel in die Zukunftssicherung des Unternehmens – in Innovationen und strategische Beteiligungen – zu investieren. Die eigentliche Substanz gilt als totes Kapital Nur weil VW auf die größere Zahl von verkauften Automobilen verweisen kann – im Bild das Erfolgsmodell Golf in seiner sechsten Auflage – muss der Konzern noch lange nicht an der Börse mehr wert sein als Porsche. Foto: VW fonds gesichert sind, bieten der mehr als 90%ige Streubesitz bei Daimler, der seit Herbst 2007 von knapp 80 Euro auf derzeit rund 42 Euro fast halbierte Börsenkurs der Daimler-Aktien und die mehr als 8 Mrd. Euro Liquiditätsreserven in der Konzernkasse offene Flanken – und vermutlich auch Anreize für Großinvestoren. Daimler-Chef Dieter Zetsche setzt nach zuverlässigen Informationen zur Abwehr aggressiver Hedgefonds vor allem auf arabische Staatsfonds. So sollen DaimlerEmissäre derzeit bei dem seit 1974 im Daimler-Aktionärskreis engagierten Fonds des Emirats Kuwait sondieren, ob und in welchem Umfang Interesse an einer Aufstockung des gegenwärtig 7,6% betragenden Anteils an den Daimler-Aktien besteht. Kuwait ist derzeit der einzige „Großaktionär“ bei Daimler. Parallel sollen auch Gespräche mit dem weltweit größten Staatsfonds „Abu Dhabi Investment Authority (ADIA) über einen Einstieg ins Daimler-Aktionariat geführt werden. Der Sturz der New Economy hat nichts geändert Nun ist es ja keine völlig neue Entwicklung, dass Aktienkurse fast nur noch kurzfristige Gewinnprognosen und immer weniger reale Unternehmenswerte widerspiegeln. Der spätestens seit den Jahren der „New Economy“ wachsende Anteil überwiegend spekulativen Kapitals hat nicht nur den Umfang der Kurssprünge – nach oben wie nach unten – dramatisch vergrößert. Die Verdrängung des klassischen, langfristig orientierten Anlegers durch Zocker und Hedgefonds hat auch zu einer weitgehenden Entkoppelung der Börsenwerte von der realen Unternehmensent- wicklung geführt – mit teilweise fatalen Folgen: In einem Kapitalgeber-Umfeld, dass jährlich wachsende Ausschüttungen erwartet, tun sich Manager zunehmend Die Substanz und die eigentlichen Entwicklungspotenziale der Unternehmen spielen in den Analysen, die die Börsenkurse im Wesentlichen treiben, kaum mehr eine positive Rolle: Grundstücke und Immobilien, Maschinen und Materialien gelten oft genug als „totes Kapital“, Investitionen in Entwicklungsvorhaben, die nicht kurzfristig Gewinn abwerfen, als „Kapitalvernichtung“. Erfahrung, Kompetenzen und Motivation von Mitarbeitern, Kundenbindung durch Qualität und Vertragstreue, Unternehmenskultur und gesellschaftliche Mitverantwortung sind Kategorien, für die die „Börse“ keine Antennen und keine Messmethoden hat. Das Platzen der Blase der „New Economy“ hat diesen Trend auf dem Kapitalmarkt nicht gebrochen – die Fonds haben lediglich andere Zielfelder in den Fokus ihrer Anlagestrategien gerückt: auf Finanzmarkt-Derivate von – wie inzwischen leidvoll erfahren – sehr unterschiedlicher Seriosität, auf Warentermingeschäfte von Metallen über Getreide bis zum Öl – und eben auch auf die noch vor zehn Jahren als „Old Economy“ belächelten klassischen Industriebranchen. PERSONALIEN. Mit Wirkung zum 31. Dezember 2008 wird Dr. Werner Müller den Vorstandsvorsitz der Evonik Industries AG, Essen, abgeben. Müller hatte um vorzeitige Auflösung seines Vertrages gebeten. Der ehemalige Wirtschaftsminister hatte die Umwandlung des Kohle-Sektors der RAG in eine Stiftung und des „weißen“ Bereichs in eine AG durchgesetzt. Zum Nachfolger hat der Aufsichtsrat Dr. Klaus Engel, Mitglied des Evonik-Vorstands und Vorsitzender der Evonik Degussa GmbH, bestimmt. Frithjof Schäfer wurde zum 1. September 2008 neuer Finanzvorstand (CFO) der Logistiktochter der Deutschen Bahn AG, Schenker Deutschland AG. Schäfer ist nicht nur für die Deutsche Landesgesellschaft, sondern auch für die Region Europe Central zuständig. Zum 1. Juli 2008 hat Dr. Wolfram von Fritsch den Vorstandsvorsitz der Deutschen Messe AG übernommen. Sepp D. Heckmann ist nach 27 Jahren im Vorstand der Deutschen Messe in den Ruhestand gewechselt. Von Fritsch ist bereits seit 1. April im Vorstand der Deutschen Messe und wird künftig die Bereiche Hannover Messe sowie Marketing, die strategische Unternehmensplanung, die Revision und die Unternehmenskommunikation verantworten. Auf dem Weg zur Börse Deutsche Bahn | Mehdorn erkennt eine gute Stimmung bei Investoren O bwohl die derzeitige Börsenlage kritisch ist, hält Bahnchef Hartmut Mehdorn am Zeitplan für den Börsengang fest. Im Herbst dieses Jahres soll es „nach einem langwierigen politischen Prozess und leidenschaftlichen Diskussionen“ so weit sein. Die Deutsche Bahn AG, Berlin, bringt bis zu 24,9% ihrer neuen „Börsentochter“ DB Mobility Logistics unter die Leute. Mehdorn ist vom Erfolg dieser Aktion überzeugt. Er erklärte: „Wir sind mit Investoren weltweit im Gespräch. Die Stimmung ist sehr gut und es ist genug Geld da.“ Ein Teil der Aktien soll auch zu besonderen Konditionen an die Mitarbeiter veräußert werden. „Die Teilprivatisierung ist eine gute Lösung – für das System Schiene in Deutschland, für die Wettbewerbsfähigkeit des Konzerns, für die Kunden und für die Mitarbeiter“, betonte der Bahn-Chef. Mit guten Zahlen der neuen Tochter im ersten Halbjahr 2008 und einer zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember angekündigten Preiserhöhung um im Schnitt 3,9% will der Vorstand den Käufern der Aktien den Einstieg schmackhaft machen. Die Verteuerung der Tickets wird mit Preiserhöhungen für Energie und den höheren Personalkos- ten begründet. Die Bahn ist der größte deutsche Energieverbraucher und hat im letzten Jahr für Strom und Diesel fast 2 Mrd. Euro ausgegeben. In der zum 1. Januar 2008 gegründeten DB Mobility Logistics AG (DBML) wurden die Bereiche Personenverkehr (Fern-, Regio- und Stadtverkehr), Transport und Logistik (Schenker-Gruppe) und die konzerninternen Dienstleistungen zusammengefasst. Das Schienen- und Energienetz sowie die Bahnhöfe verbleiben bei der Bahn AG als 100%ige Tochter des Staates. Finanzvorstand Diethelm Sack erläuterte die „insgesamt erfreuliche Entwicklung“ der DBML in den ersten sechs Monaten. Der Umsatz des Teilkonzerns stieg um 6,8% auf 16,2 Mrd. Euro. Das operative Wachstum um etwa 3% wurde vor allem von den Geschäftsfeldern Fernverkehr, DB Schenker Logistics und Rail bewirkt. Das EBITDA, also der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, nahm um rund 6% auf 1,87 Mrd. Euro zu. Das bereinigte EBIT stieg um knapp 10% auf 1,11 Mrd. Euro. Für den Börsengang und die Dividendenerwartung künftiger Aktionäre hält Vorstandsvorsitzender Mehdorn eine Kenn- zahl für besonders wichtig. Das ist die Rendite auf das betrieblich eingesetzte Kapital, die unter dem Begriff „ROCE“ gehandelt wird. Sie stieg im ersten Halbjahr von 17,6% auf gute 18,3%. Der gesamte DB-Konzern hat beim Umsatz 8,2% zugelegt (16,6 Mrd. Euro) und ist organisch um 5% gewachsen. Der Konsolidierungskreis wurde um fünf Gesellschaften erweitert. Dabei handelt es sich um EWS, Transfesa, Spain-Tir, Schenker Russija und Chiltern. Das brachte 564 Mio. Euro mehr Umsatz und 7 200 zusätzliche Mitarbeiter. Während der gesamte Personenverkehr in Deutschland im ersten Halbjahr rückläufig war, haben 1,4% mehr Fahrgäste die Züge benutzt. Auch der Güterverkehr auf der Schiene wächst kräftig. Mehdorn kann eine stolze Zwischenbilanz ziehen: „Wir sind in Europa die Nummer eins im Regional- und Stadtverkehr und im Frachttransport über Land. Wir sind mit Schenker Rail die Nummer zwei im europäischen Schienengüterverkehr und weltweit in der Speditions- und Logistikbranche. Wir werden mit den Privatisierungserlösen diese Strategie fortsetzen. Da wird es für Anleger keine Überraschungen geben.“ st Für beständigen unternehmerischen Erfolg braucht man VERTRAUEN Sie am besten auf die Leistung im Doppelpack: die Beratung durch Ihren Steuerberater und Unternehmenssoftware von DATEV. Auf Ihren Steuerberater können Sie sich in jeder Situation verlassen. Er kennt Ihr Unternehmen genau. Mit allen Zahlen und Abläufen. Und er weiß, mit welcher Unternehmenssoftware Sie die Herausforderungen erfolgreich meistern. Auch bei aktuellen steuerlichen Themen ist er immer auf dem neuesten Stand. Informieren Sie sich – auch über DATEV-Software für Warenwirtschaft, Rechnungswesen, Personalwirtschaft und Office-Management – bei Ihrem Steuerberater oder unter der Telefonnummer 0800 1001116. www.datev.de/unternehmensloesungen Zukunft gestalten.Gemeinsam. INDUSTRIE & MÄRKTE 6 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Steigende Absatzzahlen im ersten Halbjahr Deutsche Autoproduktion | Trotz verhaltener Weltkonjunktur behaupten sich die deutschen Hersteller VON ULRICH KIRSTEIN S chwerer als die gegenwärtig geführten Diskussionen um die Umweltverträglichkeit von Autos trifft die deutschen Hersteller die Kaufzurückhaltung der Kunden, gerade auch auf dem deutschen Heimatmarkt, aber auch in ganz Westeuropa und den USA. Immerhin rutschten die deutschen Hersteller in der jüngst veröffentlichten Auto-Umweltliste deutlich nach oben, gerade auch bei den Massenfahrzeugen. Die konjunkturelle Abkühlung bei steigenden Kosten lässt aber viele Käufer vor der Anschaffung eines Neuwagens generell zurückschrecken. So lagen die Pkw-Zulassungen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) im Juli 2008 mit 1,3 Mio. Fahrzeugen um 8% unter dem Vorjahresniveau, im ersten Halbjahr bewegte sich der Pkw-Absatz in Europa mit 9,6 Mio. Fahrzeugen um 3% unter dem Vorjahresvergleich. Vor allem Italien, Spanien und Großbritannien verzeichnen eine anhaltende Negativentwicklung, während in den neuen, östlichen EU-Ländern noch ein Plus von 5% erreicht werden konnte, das sich jedoch im Juli bereits in ein Minus von 8% gedreht hat und insofern nichts Gutes für 2008 insgesamt erahnen lässt. Die vier großen deutschen Hersteller zeichnen ein sehr viel positiveres Bild: Der bayerische Premium-Hersteller BMW AG aus München überraschte vor allem mit seiner Ankündigung, mit der Fiat Group Automobiles (FGA) Möglichkeiten einer Zusammenarbeit in den Bereichen Plattformen und Komponenten zu überprüfen. Die Gemeinsamkeiten sollen sich auf die Marken Mini bei BMW und Alfa Romeo bei Fiat beziehen, so Friedrich Eichiner, im BMW-Vorstand für Konzern- und Markenentwicklung zuständig. BMW produzierte im ersten Halbjahr 819 306 Pkw (plus 3,9%) und 60 561 Motorräder (minus 11,7%). Bei der Marke BMW lag das Absatzplus bei 2,4% (637 569), bei Mini bei 17,9% (126 810) und bei Rolls-Royce bei 68,4% (495). Motorräder konnten im ersten Halbjahr 66 612 veräußert werden, ein leichtes Minus von 2,3%. Auf der Umsatzseite brachte dies BMW 27,837 Mrd. Euro oder ein Plus von 4,5% ein, das EBIT sank allerdings um 35,2% auf 1,252 Mrd. Euro. Verantwortlich dafür machte BMW die anhaltende Fi- Die Autokonjunktur schwächelt, denn aufgrund der verhaltenen Weltwirtschaft, der weltweiten Finanzkrise und der steigenden Lebenshaltungskosten üben sich viele Verbraucher in Kaufzurückhaltung. Die deutschen Autobauer, die im ersten Halbjahr dennoch überwiegend steigende Absatzzahlen ausweisen konnten, setzen auf den Show-Effekt: BMW präsentierte seinen neuen 7er spektakulär in Moskau, Daimler baut auf Auto und Mode mit Model Eva Padberg, VW setzt beim New Beetle auf Sand und Porsche – geradezu klassisch – auf Rennwagen mit dem RS Spyder. Fotos: BMW; Daimler; VW; Porsche nanzkrise, Zurückhaltung bei den Käufern bei gleichzeitigem Ansteigen der Rohstoffund Energiepreise sowie den starken Euro. Neu in diesem Zeitraum kam der BMW X6, das erste Sports Activity Coupé, im April auf den Markt. Vom X6 konnten seither fast 8 700 Stück an Kunden in aller Welt ausgeliefert werden. Im Juni erfolgte die Erstpräsentation der neuen 7er Reihe, im November wird das neue Flaggschiff der Marke dann in Europa auch zu haben sein. Porsche, VW und Audi machten vor allem aufgrund der Aufkaufpolitik der Stuttgarter Porsche AG von sich reden. Auslieferungszahlen gab Porsche nur über den „Problemmarkt“ USA bekannt, und hier wurden insgesamt 33 692 Fahrzeuge im gesamten Geschäftsjahr 2007/08 (31.7.) verkauft, die hohen Vorjahreswerte um lediglich 5% verfehlt. Für Porsche ein Erfolg, immerhin wurde der 911 Carrera einem Modellwechsel unterzogen. Dafür kauften sich die Amerikaner besonders gerne den sportlichen – und teuren – Cayenne GTS. Der Volkswagen Konzern konnte allen Widrigkeiten der Weltwirtschaft zum Trotz im ersten Halbjahr 2008 einen Auslieferungsrekord einfahren und setzte weltweit 3,27 Mio. Fahrzeuge ab, ein Plus von 5,8%. Allein nach China gingen eine halbe Mio. Autos mit dem Wolfsburger Symbol. Auf der Umsatzseite wirkte sich dies mit einem Plus von 3% auf 56,5 Mrd. Euro aus, das operative Ergebnis kletterte sogar um 21,8% auf 3,4 Mrd. Euro. „Unsere innovativen Produkte werden von den Kunden begeistert angenommen“, freute sich der VWVorstandsvorsitzende Prof. Dr. Martin Winterkorn ob dieses Ergebnisses. Die Daimler AG aus Stuttgart erzielte ein sehr gutes zweites Quartal und erhöhte den Umsatz des ersten Halbjahres 2008 um 3% auf 48,837 Mrd. Euro. Das EBIT sank im gleichen Zeitraum um 26% auf 4,029 Mrd. Euro, wobei der Rückgang insbesondere aus Restrukturierungsaufwendungen bei Chrysler (280 Mio. Euro) und einem Rückgang der Erträge aus der EADS-Beteiligung resultierte. So konnte im (Haupt-)Segment Mercedes-Benz Cars das EBIT um 18% auf 2,364 Mrd. Euro gesteigert werden. Auf der Absatzseite legten Mercedes-Benz Cars um 11% auf 353 976 Einheiten und Daimler Trucks um 10% auf 122 809 Stück zu. Den schwierigen Rahmenbedingungen trotzen Chemie und Pharma | Halbjahres-Zahlen zeigen ein – wenn auch verlangsamtes – Wachstum D ie überwiegende Mehrheit der großen Chemiekonzerne konnte nach dem Boomjahr 2007 auch in diesem Jahr kräftig weiter wachsen, wenn auch nicht immer an das hohe Niveau des Vorjahres anknüpfen. Immerhin die Hälfte der publizitätspflichtigen 18 Chemieunternehmen mit Hauptsitz in Deutschland, die über 1 Mrd. Euro Umsatz im Jahr 2007 erreichten, können auf zweistellige Wachstumsraten beim Ergebnis (EBIT) verweisen und konnten dabei das Ergebnis überproportional zum Umsatz steigern. Trotz einknickender Weltwirtschaft und hoher Rohstoff- und Energiepreise ist die deutsche Chemiewirtschaft also wohl gerüstet, wenn man auf die „Großen“ blickt. Aber auch die Branche insgesamt – die viertgrößte in Deutschland –, so berichtet der Verband der Chemischen Industrie (VCI), konnte im ersten Halbjahr bei der Produktion um 3% zulegen, was allerdings einer Halbierung des Vorjahreswertes entspricht. Für das gesamte Jahr 2008 geht der VCI nur noch von einem ProduktionsWachstum von 2,5% aus, während der Umsatz um 5,5% zulegen sollte. Ein „Erfolgsgeheimnis“ der Branche liegt in den hohen Forschungsaufwendungen, die in diesem Jahr etwa 9,68 Mrd. Euro erreichen werden, so Dr. Alfred Oberholz, Vorsitzender des Ausschusses für Forschung, Wissenschaft und Bildung im VCI. Der Chemiegigant BASF SE, Ludwigshafen, setzte seinen Wachstumskurs im ersten Halbjahr 2008 unbeirrt fort und legte beim Umsatz noch einmal um 10% auf über 32 Mrd. Euro zu. Das EBIT vor Sondereinflüssen kletterte sogar um fast 15% auf 4,762 Mrd. Euro. Als besondere Herausforderung hat sich BASF dem Klimawandel gestellt und als erstes Industrieunternehmen überhaupt eine umfassende CO2-Bilanz der weltweiten Aktivitäten vorgelegt. Ergebnis: BASF-Produkte sparen dreimal mehr Treibhausemissionen ein als bei der Herstellung, Nutzung aber auch Entsorgung aller Produkte anfallen. Diese Untersuchungsergebnisse wurden durch das Freiburger Öko-Institut extern bestätigt. Mit Dr. Ulrich von Deessen hat BASF außerdem einen eigenen Klimabeauftragten eingestellt. Rund 400 Mio. Euro, mehr als ein Drittel der gesamten Forschungsausgaben, investiert BASF jährlich in innovative Technologien und Materialien für einen nachhaltigen Klimaschutz. Die Bayer Schering Pharma AG, Leverkusen und Berlin, knüpfte im ersten Halbjahr 2008 ebenfalls an das starke vergangene Jahr an und legte beim Umsatz im fortgeführten Geschäft um 3% auf 17 Mrd. Euro zu – bereinigt um Währungs- und Portfolioeffekte um 8,3% – und beim Ergebnis um 7,2% auf 2,7 Mrd. Euro. Für die zweite Jahreshälfte geht Bayer Schering trotz aller weltwirtschaftlichen Probleme von einem stabilen Wachstum der relevanten Märkte aus, gerade auch in der Landwirtschaft. Währungs- und portfoliobereinigt soll der Umsatz im Gesamtjahr um über 5% wachsen. Auch Bayer Schering hat sich der Nachhaltigkeit verschrieben und will in Zukunft weiter wachsen, „ohne dabei das globale Klima zusätzlich zu belasten“, wie Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Plischke betonte, der deshalb ein eigenes „Bayer Climate Program“ auf- und vorstellte. Bis Ende 2009 will auch Bayer die industrielle Produktion einschließlich der Vorkette – also der Rohstoffe, der Logistik und des Energieaufwands – einer genauen CO2-Analyse hinsichtlich möglicher Reduktionen unterziehen. Linde will die 3 Mrd. Euro-Marke knacken – beim Ergebnis Ein „sehr erfreuliches organisches Umsatzwachstum“ meldete Kasper Rorsted, der Vorstandsvorsitzende der Henkel KGaA, Düsseldorf, zum zweiten Quartal 2008. Im ersten Halbjahr erzielte Henkel ein Umsatzplus von 4,6% auf 6,8 Mrd. Euro, während das EBIT aufgrund von Restrukturierungs- und Integrationsmaßnahmen auf 433 Mio. Euro zurückging. Neu integriert in das Unternehmen wurden die Aktivitäten der National StarchGruppe, deren Eingliederung samt des neuen Effizienzsteigerungsprogramms Henkel im Gesamtjahr 2008 mit etwa 770 Mio. Euro belasten wird. Der Industriegase- und EngineeringKonzern The Linde Group aus München legte beim Umsatz um 6,3% auf 6,256 Mrd. Euro zu, während das Vorsteuerergebnis (EBT) auf 544 (896) Mio. Euro zurückging. Grund war hier ein Buchgewinn in Höhe von 574 Mio. Euro im Vorjahr aufgrund von Veräußerungen von Unternehmensteilen. Für das Gesamtjahr 2008 geht der Vor- standsvorsitzende des Technologie-Konzerns, Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Reitzle, von einer Steigerung des Umsatzes und einer überproportionalen Ergebnisverbesserung aus. Für 2010 strebt Linde ein operatives Konzernergebnis von mehr als 3 Mrd. Euro an – im ersten Halbjahr 2008 betrug es 1,258 Mrd. Euro. Der Gesundheitskonzern Fresenius AG, Bad Homburg vor der Höhe, steigerte in den ersten sechs Monaten 2008 den Umsatz nach Ist-Kursen um 2% auf 5,7 Mrd. Euro und hielt das Vorjahresergebnis von 781 Mio. Euro – währungsbereinigt war ein Ergebnisanstieg um 8% zu verzeichnen. Für das Gesamtjahr erwartet Fresenius einen Anstieg des Konzernumsatzes um währungsbereinigt 8% bis 10% und eine Erhöhung des Jahresüberschusses um 10% bis 15%. Die Chemiesparte als größtes der drei Geschäftsfelder von Evonik Industries, Essen, erwirtschaftete im ersten Halbjahr einen Umsatz von 5,873 Mrd. Euro – der Gesamtumsatz von Evonik lag im gleichen Zeitraum bei 7,926 Mrd. Euro. Noch kräftiger war das EBIT im Geschäftsfeld Chemie gestiegen, um 17% auf 608 Mio. Euro. Als Ursache nannte Evonik dafür eine deutlich höhere Mengennachfrage, eine gestiegene Kapazitätsauslastung und erfolgreiche Restrukturierungen. Die Darmstädter Merck-Gruppe erzielte im ersten Halbjahr ein organisches Wachstum von 13% – bereinigt um Währungseffekte von 5,8% – auf über 3,7 Mrd. Euro. Das operative Ergebnis konnte um 31% auf 680 Mio. Euro zulegen. Allein Merck Serono verzeichnete einen Umsatz von über 2,4 Mrd. Euro. CHEMIEUNTERNEHMEN IN ZAHLEN Die umsatzstärksten Chemieunternehmen (erstes Halbjahr 2008) mit Stamm- beziehungsweise Konzernsitz in Deutschland* in Mio. Euro Umsatz (Zuwachs in %) EBIT (Zuwachs) BASF SE 32 226 (10%) 4 662 (16,1%) Bayer Schering Pharma AG 17 047 (3%) 2 448 (17,0%) Henkel KGaA 6 830 (4,6%) 433 (-34,6%) The Linde Group** 6 256 (6,3%) 842 (15,8%) Fresenius AG 5 710 (2%) 781 (0%) Boehringer Ingelheim GmbH k.A. k.A. Evonik Industries, Geschäftsf. Chemie** 5 873 (11%) 608 17%) Merck KGaA 3 761 (5,8%) 680 (31%) Lanxess AG 3 300 (-4,0%) 156 (-) Beiersdorf AG 3 091 (8,5%) 392 (5%) Wacker Chemie AG 2 142 (13%) 424 (16%) B.Braun Melsungen AG k.A. k.A. Cognis GmbH k.A. k.A. K+S AG 2 398 (39%) 553 (220%) Ratiopharm GmbH k.A. k.A. Stada Arzneimittel AG 823 (12%) 110 (8%) Altana AG 717 (2%) 106 (31%) Fuchs Petrolub AG 719 (4,7%) 98 (4,6%) Paul Hartmann AG 679 (7,4%) 39 (14,5%) Symrise AG 676 (2,3%) 108 (2%) Süd-Chemie AG 670 (7%) 54 (-2%) * Auswahl anhand des VCI für 2006 u. eigener Recherche, Reihenfolge bestimmt vom Jahresumsatz 2007. ** EBIT vor Abschreibung auf aufgedeckte stille Reserven und Sondereinflüsse. Die Lanxess AG aus Leverkusen konnte operativ um 14% wachsen und den Umsatz auf 3,3 Mrd. Euro hochschrauben. Das Konzernergebnis des Spezialchemieunternehmens drehte im zweiten Quartal 2008 von minus 59 Mio. Euro im Vergleichszeitraum auf plus 53 Mio. Euro, das Halbjahres-Ergebnis kletterte damit von 32 Mio. Euro auf 156 Mio. Euro. Für das Gesamtjahr geht Lanxess weiterhin von einer operativen Umsatzsteigerung aus. Die Beiersdorf AG steigerte wechselkursbereinigt den Konzernumsatz im ersten Halbjahr um 8,5% – wechselkursbereinigt um 11,5% – auf über 3 Mrd. Euro und erreichte ein EBIT in Höhe von 392 Mio. Euro. Dabei konnte Beiersdorf auch im Heimatmarkt Deutschland wieder Wachstum verzeichnen und aufgrund einer Neuausrichtung des US-Geschäftes auch in Übersee ein hervorragendes organisches Wachstum erzielen. In den nächsten Jahren strebt Beiersdorf hier in ausgewählten Segmenten die Nummer eins-Position an. Die Wacker Chemie AG aus München konnte in den ersten sechs Monaten 2008 zweistellig zulegen: beim Umsatz um 13% auf über 2,1 Mrd. Euro und beim EBIT um 16% auf 366 Mio. Euro. Als wesentliche Treiber des Geschäftes nannte WackerChef Rudolf Staudigl die starke Nachfrage aus der Solarindustrie, aber auch die strategischen Investitionen von Wacker in die Erweiterung der Kapazitäten. Einen hervorragenden Lauf aufgrund der gestiegenen Nachfrage und hohen Preise in der Landwirtschaft nimmt gerade auch die K+S Gruppe aus Kassel, die den Umsatz im ersten halben Jahr 2008 um 39% auf 2,398 Mrd. Euro erhöhte und das operative Ergebnis auf 553 Mio. Euro mehr als verdoppelte. Für das Gesamtjahr erhöhte der Düngemittelkonzern die Prognosen und geht jetzt von einem Umsatz von 5,3 Mrd. Euro bis 5,5 Mrd. Euro aus und einem EBIT zwischen 1,4 Mrd. Euro und 1,6 Mrd. Euro. Von einer eher gedämpften Wachstumsdynamik und deshalb von nur „zufriedenstellendem Wachstum“ sah der Arzneimittelhändler Stada AG aus Bad Vilbel das bisherige Geschäftsjahr 2008 geprägt. Der Konzernumsatz legte aber um 12% auf 823 Mio. Euro und das operative Ergebnis um 8% auf 110 Mio. Euro zu. Für das Gesamtjahr erwartet der Vorstand einen deutli- chen Umsatzzuwachs im Konzern, ob das zweistellige Wachstum allerdings gehalten werden kann, sei fraglich. Altana behauptet sich auch nach dem Verkauf der Pharmasparte Das Spezialchemieunternehmen Altana AG aus Wesel konnte mit einem leichten Umsatzplus von 2% auf 717 Mio. Euro und einer EBIT-Steigerung von 31% auf 106,3 Mio. Euro aufwarten. Für Altana-Chef Dr. Matthias L. Wolfgruber zeigte das Ergebnis, dass sein Unternehmen durchaus robust aufgestellt und in der Lage sei, das operative Geschäft erfolgreich weiter zu entwickeln. 2008 hält Altana einen Umsatz zwischen 1,41 Mrd. Euro und 1,45 Mrd. Euro und ein Vorsteuerergebnis (EBT), das etwas geringer ausfallen wird als im Vorjahr, für möglich. 2007 waren hohe Erträge aus der kurzfristigen Anlage des Pharma-Verkaufs angefallen. Die im Schmierstoffbereich tätige Fuchs Petrolub AG, Mannheim, erhöhte den Umsatz im ersten Halbjahr 2008 organisch um 9%, bereinigt um 4,7%, auf 718,7 Mio. Euro und das Ergebnis um 4,6% auf 98,4 Mio. Euro. Für 2008 geht Fuchs von einer leichten Steigerung des Ergebnisses aus. Der Medizinkonzern Paul Hartmann AG aus Heidenheim steigerte im ersten Halbjahr 2008 den Wachstumskurs weiter und ließ die Umsatzerlöse um 7,4% auf 678,5 Mio. Euro klettern. Das operative Konzernergebnis erhöhte sich überproportional um 22,1% auf 22,5 Mio. Euro, das operative EBIT um 14,5% auf 39 Mio. Euro. Für 2008 erwartet Hartmann ein deutliches Umsatzwachstum in den medizinischen Kernsegmenten und eine Beibehaltung der positiven Ergebnisentwicklung. Die auf Duft- und Geschmacksstoffe fokussierte Symrise AG aus Holzminden erhöhte den Umsatz im ersten Halbjahr dieses Jahres um 2,3% auf 676 Mio. Euro und das EBIT um 2% auf 107,9 Mio. Euro. Für 2008 geht Symrise von einer Umsatzsteigerung von 6% bis 7% aus. Die Süd-Chemie AG, München, erhöhte den Umsatz auf 669,7 Mio. Euro (plus 7%), während das EBIT auf 54,1 Mio. Euro leicht um 2% sank – währungsbereinigt aber um 5% zulegte. Der Vorstandsvorsitzende Dr. Günter von Au rechnet für 2008 mit einem Konzernumsatz zwischen 1,15 Mrd. Euro und 1,2 Mrd. Euro und einem EBIT in der Höhe zwischen 110 Mio. und 115 Mio. Euro. uk INDUSTRIE & MÄRKTE SEPTEMBER 2008 Streit steht ins Haus N D März 2008 sich negativ bemerkbar machte. Auch durch ein straffes Kostenmanagement von Seiten der EWE konnten diese Ertragskürzungen nicht wettgemacht werden. Die Umsatzerlöse stiegen dagegen um 6,9% auf 830 Mio. Euro. Sehr erfreulich hingegen entwickelte sich der Geschäftsbereich Telekommunikation und IT (I+K). Hier kletterte der Umsatz um 12,4% auf 285,6 Mio. Euro, während das EBIT sich auf 20,1 (10,2) Mio. Euro verdoppelte. Allein im Bereich Telekommunikation erhöhte sich die Zahl der Kunden um rund 25%. Nicht zuletzt trug hierzu der Erwerb des Braunschweiger Telekommunikationsanbieters BCC und des Hamburger Kabelnetzbetreibers Martens bei. Aber auch das organische Wachstum aller Telekommunikationsgesellschaften (Brekom, EWE Tel, htp, osnatel und Teleos) trug dazu bei. Besonders dynamisch entwickelte sich das DSL-Geschäft mit einer Steigerung um 15% auf rund 500 000 Kunden im Breitbandbereich. Trotz des anhaltend starken Preisdrucks konnte sich der IT-Bereich in einem schwierigen Marktumfeld behaupten. Für das Gesamtjahr 2008 rechnet EWE mit einem operativen Ergebnis unter dem Vorjahr und für den Konzern mit einem Rückgang des EBIT um etwa 10%. „Der Verlauf des ersten Halbjahres hat die Erwartungen, die wir angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen auf den Energiemärkten für das Gesamtjahr haben, bestätigt“, so Brinker. „Wir sind optimistisch, wenn es darum geht, die Gegebenheiten unserer Märkte mit den Anforderungen unserer Kunden in Einklang zu bringen und überzeugende Lösungen anzubieten“, so der Vorstandsvorsitzende weiter. Neben neuen Produkten will EWE auch in neuen Märkten aktiv sein und konnte zum Beispiel durch den Einstieg beim türkischen Erdgasversorger Kayserigaz das internationale Geschäft weiter ausbauen. Jetzt steht der EWE allerdings Streit ins Haus, denn die zwölf kommunalen Anteilseigner (VuV) in der Leipziger Verbundnetz Gas AG (VNG) haben den Konsortialvertrag mit VNG-Hauptaktionär EWE gekündigt – wogegen die EWE Klage einreichen möchte. uk Schott Solar | Finanzierung des rasanten Wachstums D as Börsenjahr 2008 war hinsichtlich neuer und spektakulärer IPOs alles andere als erfreulich, obwohl es von einigen Experten zum „Spitzenjahr“ für Börsengänge deklariert worden war, besser als 2007, in dem sich 25 Unternehmen aufs Parkett (Entry- und Prime Standard) wagten. In den regulierten Markt der Frankfurter Börse, den Prime Standard, trauten sich bis August 2008 aber nur zwei Unternehmen mit einer Neuemission: die SMA Solar Technology AG, ein Hersteller von Solar-Wechselrichtern aus Niestetal bei Kassel mit einem Umsatz von etwa 350 Mio. Euro, und die GK Software AG aus Schöneck, die Standardsoftware für den Handel liefert. SMA Solar konnte im Juni den Ausgabepreis von 47 Euro um einen Euro bei der Erstnotiz toppen und am Abend mit immerhin 55,50 Euro schließen, GK Software, die kurz vorher an der Börse gestartet war, konnte den Ausgabepreis mit 21,40 Euro als erstem Kurs leicht übertreffen. Großunternehmen, die ihren Börsengang für 2008 angekündigt hatten oder von denen ein Public Going erwartet wurde, wie Evonik, Kion, Talanx, HSH Nordbank, manroland oder Tommy Hilfiger, halten sich bis jetzt bedeckt. Evonik will erst ab 2010 aufs Parkett, und auch von den anderen Unternehmen ist nicht bekannt, dass der Börsengang auch nur im nächsten Jahr anvisiert wird. Auf jeden Fall noch in diesem Jahr aufs Parkett will die Deutsche Bahn (siehe Seite 5) mit ihrer Verkehrssparte und der Solarbereich des Traditionsunternehmens Schott. Wieder Börsengang eines Solarunternehmens Schon Ende August hat sich die Schott Solar GmbH in eine AG umbenannt und will frühestens am 19. September in den Prime Standard der Frankfurter Börse. Damit tritt erneut ein Unternehmen aus der Solarbranche an und wäre gleich ein guter Kandidat für den TecDax, in dem sich bereits die Solarfirmen Centrotherm (Börsengang 2007!), Ersol Solar Energy, Phoenix Solar, Q-Cells, SolarWorld und Solon tummeln. Die 100%ige Tochter der Mainzer Schott Die Schott Solar AG, Tochter des internationalen Technologiekonzerns Schott AG, sieht sich für den Kapitalmarkt gerüstet. Foto: Schott Solar AG produziert als einziger Hersteller wesentliche Komponenten sowohl für (dezentrale) Photovoltaik-Anwendungen als auch für (zentrale) Solarthermie-Kraftwerke über die mit der Umfirmierung der Mutter in eine AG jetzt Schott Solar CSP GmbH SCHOTT Die Mainzer Schott AG definiert sich als internationaler Technologiekonzern, der auf die Herstellung von Spezialwerkstoffen, Komponenten und Systemen für die Hausgeräteindustrie, Pharmazie, Solarenergie, Elektronik, Optik und Automotive fokussiert ist. Im Geschäftsjahr 2006/07 (30.06) erwirtschaftete Schott mit 16 700 Mitarbeitern einen Umsatz von 2,14 Mrd. Euro und ein EBIT von 267 Mio. Euro. 54% des Umsatzes erzielt Schott in Europa, 23% in Nordamerika und 18% in Asien. Einziger Aktionär der Schott AG ist die Carl-Zeiss-Stiftung in Heidenheim an der Brenz und Jena, die außerdem noch 100% an der Carl Zeiss AG in Oberkochen hält. genannte Tochter im bayerischen Mitterteich. Die Transaktion soll zum größten Teil aus einer Kapitalerhöhung von rund 500 Mio. Euro bestehen. Die Preisspanne der insgesamt über 38 Mio. Aktien wird auf der Basis der Resonanz aus Investorengesprächen zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. „Wir haben in den vergangenen Monaten unsere Unternehmensstrategie weiterhin konsequent umgesetzt und fühlen uns mit unserer einzigartigen Positionierung in unseren Geschäftsbereichen Concentrated Solar Power und Photovoltaics bestens für die Zukunft und den Kapitalmarkt gerüstet“, begründete Dr. Martin Heming, Geschäftsführer und künftiger CEO von Schott Solar, den geplanten Schritt. Begleitet wird der Börsengang von Schott Solar von der Commerzbank, der Deutschen Bank und JP Morgan als Joint Global Coordinators und Joint Bookrunners. Mit im Boot sitzt außerdem die Landesbank Baden-Württemberg als Co-Lead Manager. Die Transaktion soll zum größten Teil aus einer Kapitalerhöhung bestehen und etwa 500 Mio. Euro zusätzliche Mittel in die Gesellschaft führen, die ganz überwiegend in das geplante Wachstum investiert werden sollen. In den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres 2007/08 (30.6.) verzeichnete die Schott Solar GmbH einen Umsatzanstieg um 46% auf 311,1 Mio. Euro und ein EBIT von 26,1 Mio. Euro – ein Plus von 120%, so gab die Gesellschaft – erstmals – bekannt. Allein im dritten Quartal legte der Umsatz um 96% und das EBIT um rund 310% zu, insofern gestalten sich die Aussichten für das Gesamtjahr 2008 mehr als sonnig. Erfolge feiert vor allem der noch junge Geschäftsbereich Concentrated Solar Power (CSP), bei dem die Entwicklung, Fertigung und Vermarktung hocheffizienter Receiver für Solarkraftwerke mit Parabolrinnentechnologie im Mittelpunkt stehen. Diese Kraftwerke ermöglichen die zentrale Stromerzeugung im großen Maßstab und stellen eine gute Ergänzung zu dezentralen Lösungen dar, mit denen sich der Geschäftsbereich Photovoltaics, in dem multikristalline Solarwafer, -zellen und Photovoltaikmodule entwickelt und produziert werden, überwiegend beschäftigt. Die Wafer werden dabei im Joint Venture mit der Münchner Wacker Chemie AG an den Standorten Jena und Alzenau gefertigt. Schott Solar ist mit insgesamt knapp 1 500 Mitarbeitern an Standorten in Deutschland (Mainz, Alzenau, Mitterteich Jena), Spanien (Aznalcóllar bei Sevilla), Tschechien und den USA (Albuquerque in New Mexico) tätig. Im Joint Venture mit Wacker sind noch einmal knapp 300 Beschäftigte tätig. Im August hat die Solarsparte von Schott den Unternehmenssitz nach Mainz verlagert, um dort das Management und die Administration konzentrieren zu können. Der bayerische Produktionsstandort Alzenau soll außerdem bis 2011 weiter ausgebaut werden. Die neue Unternehmenszentrale auf dem Gelände der Schott AG soll bis Ende 2009 fertig gestellt sein. Vielleicht gibt Schott Solar ja die Initialzündung und es folgen noch so viele IPOs, dass auch 2008 doch noch ein gutes Börsenjahr wird. Die Anzeichen dafür stehen gar nicht so schlecht, denn viele Beteiligungsunternehmen sitzen auf Unternehmen, die sie nicht auf dem freien Kapitalmarkt loswerden können – da bleibt nur noch die Möglichkeit, sie aufs Parkett zu werfen. Etwas Sonne auf dem Parkett kann auf jeden Fall nicht schaden. uk Wind über den Wassern Öl aus Deutschland Alpha Ventus vor Borkum | Auch in Deutschland beginnt das Offshore-Zeitalter Wintershall | Mit viel Dampf kommt das Öl an die Oberfläche ass auf dem Meer beständiger und mehr Winde wehen als an Land wusste sich die Menschheit schon seit Erfindung des Segelschiffs zunutze zu machen. Doch seit etlichen Jahren beschäftigt sich auch die Energiebranche mit der Möglichkeit, riesige Windräder im Wasser aufzustellen. Während im europäischen Ausland, vor allem vor den windreichen Küsten Dänemarks, Schwedens oder Großbritanniens, schon seit längerer Zeit riesige Offshore-Windparks – auch mit deutscher Beteiligung – entstehen, gab es in Deutschland selbst bisher, außer zwei vergleichsweise kleinen Versuchsanlagen bei Emden (Enercon mit einer 4,5 Megawatt-Anlage) und Rostock (Nordex mit einer 2,3 Megawatt-Anlage) noch kein einziges Windkraftwerk auf See. Vor allem zeitintensive und aufwändige Genehmigungsverfahren waren der Grund für diese Zurückhaltung. Da in Deutschland Windkraftanlagen als „störend“ empfunden werden, müssen sie weit vor den Küsten in bis zu 40 Metern Wassertiefe errichtet werden, was die Baukosten erhöht und die technischen Voraussetzungen kompliziert. Trotzdem will die Bundesregierung bis zum Jahr 2030 etwa 20 000 bis 25 000 Megawatt Windenergie offshore gewinnen. Um diese Leistung zu erreichen, schätzt der Bundesverband WindEnergie den Investitionsbedarf auf bis zu 45 Mrd. Euro, Windparks auf See rentieren sich erst ab einer Leistung von über 100 Megawatt. Zuständig für die Genehmigung von Offshore-Windanlagen ist in Deutschland das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH). Mitte Juli hat das BSH die formelle Baufreigabe für die ersten sechs Anlagen des Offshore-Windenergieparks im Testfeld Alpha Ventus rund 45 Kilometer nördlich von Borkum („Borkum West“) erteilt. Eine erste Bau- und Betriebsgenehmigung datierte bereits aus dem Jahr 2001. 2005 wurde die Stiftung Offshore-Windenergie ins Leben gerufen und im gleichen Jahr noch die Betreibergesellschaft DOTI, Deutsche Offshore-Testfeld und Infrastruktur-GmbH & Co. KG. Hier haben sich die drei großen Energiekonzerne Eon AG mit der Eon Climate & Renewables, die EWE AG und die Vattenfall Europe AG zusammengefunden. Die Windanlagen der FünfMegawatt-Klasse werden von der ProkonTochter Multibrid aus Bremerhaven erstellt, weitere sechs Anlagen wird die REpower Systems AG im Laufe des Jahres 2009 errichten. Begleitet wird das Projekt von der Forschungsinitiative RAVE (Research At Alpha Ventus), um die Erfahrun- gen beim Bau und Betrieb einer solchen Offshore-Anlage wissenschaftlich begleiten zu können. Das Bundesumweltministerium stellt dafür 50 Mio. Euro zur Verfügung. Norderney und durch den Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer bis zum Anschluss an das Eon-Umspannwerk Hage Nord an der Küste geführt. Gerade Offshore-Anlagen wollen gut verankert sein: Auf den so genannten Tripods werden die insgesamt einmal zwölf Windenergieanlagen des ersten Offshore-Windparks in Deutschland vor Borkum in 30 Metern Wassertiefe positioniert – wenn es das Wetter zulässt. Foto: Alpha Ventus Derzeit bewegt sich die Bauflotte, die die 700 Tonnen schweren Fundamente der Windenergieanlagen, die so genannten Tripods, in 30 Meter Wassertiefe installieren soll, noch auf den Windpark zu – momentan herrscht für einen reibungsvollen Ablauf der Arbeiten zu viel Wind! Eigentlich sollten die ersten sechs Anlagen noch in diesem Jahr fertig gestellt sein, inzwischen wird Anfang 2009 als eher realistischer Termin angesehen. Die Ausmaße der einzelnen Windenergieanlagen sind beeindruckend: Der Rotordurchmesser beträgt 116 Meter, die Nabenhöhe 85 Meter und die Stahlmasse von Tripod, Turm und Gondel beläuft sich auf 1 000 Tonnen. Das Umspannwerk, das den Strom der dann insgesamt 12 Windenergieanlagen zusammenführt und das eigentliche Herzstück der Anlage ist, wird von der EWE konzipiert und umgesetzt. An der etwa 25 Meter über dem Wasser schwebenden Plattform können Schiffe andocken und ein Helicopter kann darauf landen, insofern ist es auch der logistische Mittelpunkt des Windparks. Die etwa 70 Kilometer lange Kabeltrasse wird von Eon Netz über 7 Wieder mehr Sonne an der Börse EWE | Energieversorger wächst in der Telekommunikation achdem die EWE AG, Oldenburg, erst im Juli 2008 eine Partnerschaft mit der EnBW Energie BadenWürttemberg eingegangen war, um in einer Art Nord-Süd-Kooperation vor allem in den Bereichen der erneuerbaren Energien, bei Gas und im Ausland zusammenzuarbeiten, legte die EWE nun ihre Halbjahreszahlen vor. Trotz der hohen Energieund Rohstoffkosten auf der Beschaffungsseite konnten sich die Oldenburger gut behaupten und den Umsatz um 11,1% auf 2,6 Mrd. Euro steigern. Trotz der aus Preis- wie Mengensteigerungen resultierenden höheren Umsatzerlöse ging das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) um 12,1% auf 229,8 Mio. Euro zurück. „Die Strom und Gasbezugskosten haben sich in den vergangenen zwölf Monaten stark verteuert“, erklärte Dr. Werner Brinker, der Vorstandsvorsitzende der EWE AG, diesen Rückgang. „Diese Kosten mussten wir an die Kunden weitergeben. Die Zeitverzögerung, mit der das in der Regel geschieht, hat unser Ergebnis belastet“, so Brinker weiter. Der Periodenüberschuss lag im Konzern bei 127,2 Mio. Euro, nach 145,1 Mio. Euro im Vergleichszeitraum. Die Zahl der Beschäftigten stieg in den ersten sechs Monaten erfreulicherweise von 4 693 auf 5 117 an, wobei hierfür vor allem der sehr dynamische Bereich Telekommunikation und IT verantwortlich zeichnete. Den deutlichsten Rückgang beim EBIT musste der Geschäftsbereich Energie mit einem Minus von 33,9% auf 91,8 Mio. Euro verzeichnen. Die Oldenburger mussten dabei nicht nur dem stark verteuerten Energiebezug, sondern auch dem wachsenden Wettbewerb Tribut zollen. Die Erhöhung des Umsatzes um 9,2% auf 1,934 Mrd. Euro resultierte aus den gestiegenen Großhandelspreisen, in deren Folge EWE im April und November 2007 die Preise erhöht hatte. Während beim Strom die Mengen zurückgingen, konnte bei Gas aufgrund des strengeren Winters die Absatzmenge um 6,8% erhöht werden. Im Geschäftsbereich Netz sank das EBIT um 13,7% auf 76,3 Mio. Euro, wobei hier vor allem die Kürzung der Stromnetzentgelte durch die Bundesnetzagentur zum 1. WirtschaftsKurier Die European Wind Energy Association (EWEA) schätzt, dass noch in diesem Jahrzehnt etwa 40 000 Megawatt Offshore-Leistung installiert werden und bis 2020 sogar 70 000 Megawatt. Aktuelle Projekte mit deutscher Beteiligung in Europa sind etwa der Windpark Thornton Bank in der belgischen Nordsee, bei dem die REpower Systems AG, Hamburg, gemeinsam mit der Areva T&D Ende Juli die erste von sechs 5Megawatt-Windkraftanlagen erstellte. Die auf regenerative Energien fokussierte RWE-Tochter RWE Innogy hat noch im Juli die Fundamente für insgesamt 25 Windturbinen trotz schwieriger Wetterbedingungen vollendet. Hierbei kam das Spezialschiff HLV Svanen zum Einsatz, das die Fundamente und Übergangsstücke im Meeresboden verankerte. Der nächste Bauabschnitt mit der Errichtung der Turbinentürme und Gondeln ist für Herbst anvisiert. Insgesamt konnte die Windenergiebranche in Deutschland wieder kräftig – um 20% bei der installierten Leistung – zulegen und damit hängen in Deutschland zur Mitte 2008 insgesamt 19 869 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 23 044 Megawatt am Netz. uk D eutschland als Ölförderland steht nicht unbedingt im Fokus des allgemeinen Bewusstseins, aber tatsächlich wird nahe der niederländischen Grenze, bei Emlichheim in Niedersachsen, seit mehr als 60 Jahren Öl gefördert. Engagiert ist hier die Wintershall AG aus Kassel und die setzt jetzt – wieder – verstärkt auf das einheimische Ölvorkommen. Bis Herbst 2008 sollen dort vier Bohrungen vorgenommen werden. Doch nicht nur im Nordwesten der Republik, auch im Süden, in der Nähe von Augsburg, will Wintershall eine zusätzliche Suchbohrung vollziehen. Das Erdölfeld in Aitingen ist mit einer Jahresförderung von 36 000 Tonnen das größte im Alpenvorland. „Der Anteil des verbrauchten Erdöls, der in Deutschland gefördert wird, ist zwar vergleichsweise gering – die heimische Produktion von 3,7 Mio. Tonnen deckt 3% des hiesigen Bedarfs – dennoch unterstützt jede Förderung vor der eigenen Haustür die Versorgungssicherheit“, erklärte Dr. Ties Tiessen, Wintershall-Vorstandsmitglied und dort verantwortlich für die Produktion. Das Erdölfeld Emlichheim ist eine der ältesten deutschen Lagerstätten, das Fördervolumen liegt bei rund 140 000 Tonnen pro Jahr – das reicht immerhin für die Beheizung von 42 000 Eigenheimen. Insgesamt wird dort aus 14 so genannten Schollen gefördert, die sich unterirdisch über einen Bereich von rund vier Quadratkilometern erstrecken. Mit Hilfe von neuen Bohrungen sollen nun die bereits bestehenden Lagerstätten besser erschlossen werden. Im Sommer wurde bereits eine Bohrung durchgeführt – abgeteuft. Im Spätsommer startete Wintershall gemeinsam mit Exxon Mobil Deutschland zwei weitere Bohrungen. Bisher konnten etwa 10% des Erdöls der Scholle gefördert werden. Nun soll durch den Einsatz von Dampflufttechnik und durch neu platzierte Bohrungen die Förderquote auf 40% erhöht werden. Dazu wurde eine Bohrung nach 500 Metern in der Tiefe erst einmal abgelenkt und (fast) horizontal weitergeführt, um dann noch eine Tiefe von rund 800 Metern zu erreichen. Die Dampflufttechnik wird von Wintershall in Emlichheim bereits seit über 25 Jahren eingesetzt. Das Förderfeld wird damit nach heutigen Berechnungen auch noch in den nächsten 20 bis 25 Jahren einen Beitrag zur Versorgung Deutschlands mit Erdöl leisten. Dass das Öl einfach zu sprudeln beginnt und die Pipelines füllt, wenn danach gebohrt wird, über dieses Primärförderung genannte Stadium ist Wintershall in Emlichheim allerdings längst hinaus. Auch die Fast wie in Texas sieht es an der deutsch-niederländischen Grenze aus, denn hier wird inzwischen fleißig Öl gefördert. Fotos: Wintershall Der Nachteil der deutschen Ölvorkommen ist, dass sie sehr tief liegen und sehr zähflüssig sind, insofern sind spezielle Fördertechniken notwendig. Sekundärförderung, in der das Erdöl durch zusätzlichen Wasserdruck gefördert wird, ist längst abgeschlossen. Das äußerst zähflüssige, tief in den Gesteinsporen verborgene Öl in Emlichheim wird mit 300 Grad heißem Dampf mit rund 100 bar Druck aus der Lagerstätte förmlich herausgepresst – Tertiärförderung. Denn dadurch erwärmt sich das Erdöl, wird dünnflüssiger und kann leichter zu Tage gefördert werden. Neu in Emlichheim war nicht die bewährte Dampflufttechnik, sondern die Kombination mit dem ebenfalls produktionssteigernden Verfahren der Horizontalbohrtechnik. Innovative, aber teure Techniken zur Ölförderung gewinnen an Bedeutung – je größer der Wettbewerb nach Öl ist und je teurer der Rohstoff gehandelt wird. Mit diesen Techniken „kann die Lebensdauer bestehender, älterer Ölfelder deutlich verlängert werden“, so Tiessen, nicht nur in Deutschland. Denn im Weltdurchschnitt werden Ölfelder nur zu rund einem Drittel ausgefördert, der Rest bleibt in den Gesteinsporen sitzen. Insofern wird in Zukunft nicht nur die Suche nach neuen Feldern, sondern vor allem auch die nachhaltige Nutzung vorhandener Reserven an Bedeutung gewinnen. uk INDUSTRIE & MÄRKTE 8 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Eine Alternative – aber kein Allheilmittel Leasing | Zusatz-Dienstleistungen machen diese Finanzierungsform noch interessanter für den Mittelstand VON DIETER W. HEUMANN D er Ertrag, nicht das Eigentum, an einer Sache ist für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend, so der amerikanische Ökonom Jeremy Rifkin in seinem Buch „Access – Das Verschwinden des Eigentums“. In den Vereinigten Staaten stehen nur etwa ein Drittel der Betriebsimmobilien im Eigentum der Unternehmen. In Deutschland sind dagegen noch gut drei Viertel als Aktiva in den Bilanzen der Unternehmen ausgewiesen. Dabei erfordert gerade im deutschen Mittelstand die dünne Eigenkapitaldecke ein Überdenken der Finanzstrukturen. Die Lösung kann durchaus Leasing heißen, denn Leasing schont Liquidität sowie Kreditlinien und sorgt für Bilanzneutralität. Viele deutsche Unternehmen haben dies erkannt und Leasing mittlerweile zur beliebtesten Finanzierungsform gemacht. Das jährliche Neugeschäftsvolumen, der Anschaffungswert der Objekte – Mobilien und Immobilien –, über die im jeweiligen Jahr neue Leasing-Verträge abgeschlossen werden, hat in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen – von gut 2,8 Mrd. Euro in 1975 auf über 57,4 Mrd. Euro im vergangenen Jahr, so der jüngste Marktbericht des Münchner Ifo-Instituts. Danach betrug die Wachstumsrate im Leasing-Geschäft 2007 9,5%. Die gute Stimmung hält an. Nach Friedhelm Westebbe, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Leasing-Unternehmen (BDL), ist das erste Quartal 2008 „gut angelaufen“. Die Branche verbuchte in den ersten drei Monaten im Mobilien-Leasing ein Volumenplus in Höhe von 11,2%. Für das Gesamtjahr rechnet der Verband mit einem „gut einstelligen Wachstum“. Derzeit werden in Deutschland insgesamt Wirtschaftsgüter im Wert von über 200 Mrd. Euro verleast. Der Markt beobachtet einen Übergang vom Investitionskredit zum Leasing. Selbst Branchen wie der konservative Maschinenbau, die früher ausnahmslos das klassische Kreditgeschäft für Finanzierungen nutzten, gehen zunehmend zum Leasing über. Die Leasing-Gesellschaften dürften weiter auf der Überholspur bleiben und in absehbarer Zeit mehr als die Hälfte der außenfinanzierten Investitionen der Unternehmen auf sich vereinigen. Gefördert wird dieser Trend aber auch von den Banken selbst, die seit längerem erkannt haben, dass für Objektfinanzierungen im Mittelstand und auch bei den begleitenden Dienstleistungen viel spezielles Knowhow und eine entsprechende Infrastruktur benötigt werden. Sie haben dieses Geschäft daher an Tochterunternehmen im Leasing-Sektor ausgegliedert. Es gibt also viele Gründe, die Leasing auch für kleine und mittlere Unternehmen interessant machen. Besonders interessant wird Leasing in Verbindung mit zusätzlichen Dienst- und Serviceleistungen, etwa beim EDV-Leasing oder beim Flotten-Leasing, das heute teilweise bereits von Leasing-Gesellschaften bei zehn bis zwanzig Fahrzeugen angeboten wird. Aber auch beim Immobilien-Leasing zählen Planungs-, Projektsteuerungs- und FacilityManagement-Services zum Angebot. Weit mehr als eine reine Gebrauchsüberlassung Barwert der Leasingraten als Vergleichsmaßstab Das Leasing ist artverwandt mit dem Mieten. Der klassische Unterschied zum Mietvertrag besteht aber darin, dass der Leasing-Vertrag Elemente enthält, die über eine reine Gebrauchsüberlassung des Gegenstands hinausgehen. Der Leasing-Nehmer übernimmt in der Regel zusätzliche Pflichten. So ist er zum Beispiel verantwortlich für Wartungs- oder Instandsetzungsleistungen, Reparaturen oder Versicherungen. Für den Leasing-Gegenstand, den der Leasing-Geber dem Leasing-Nehmer zur Nutzung überlässt, zahlt der Leasing-Nehmer eine monatliche LeasingRate. In der Regel bleibt der Leasing-Geber rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer des Leasing-Gutes und nimmt den Gegenstand in seine Bilanz auf. Nach Ablauf des Leasing-Vertrags erhält der Leasing-Geber den Gegenstand zurück. Dieser kann dann aber auch vom Leasing-Nehmer käuflich erworben werden. Zwar sind Leasing-Gesellschaften grundsätzlich nicht bereit, höhere Risiken als Kreditinstitute einzugehen. Doch haben sie diesen gegenüber gewisse Vorteile, die sich auch auf das Vergabeverhalten und auf die Preisgestaltung auswirken. Da Eigentümer der verleasten Gegenstände die LeasingGesellschaft bleibt, hat sie im Falle der Insolvenz des Leasing-Nehmers bevorzugten Zugriff auf ihr Eigentum. Banken müssen sich im Falle eines ungesicherten Kredits dagegen in die Gläubigerschlange einreihen und ihre Forderungen möglicherweise abschreiben. Wenn es in vielen Fällen günstiger ist, ein Objekt zu leasen und es voll nutzen zu Dennoch ist Leasing kein Allheilmittel für jeden Zweck und jedes Unternehmen. Eine Menge von Punkten sind zu beachten, von denen hier nur einige wichtige genannt seien: Zunächst sollten die Leasing-Kosten mit denen eines Bankkredits verglichen werden. Erscheint Leasing günstiger, ist es unumgänglich, Angebote mehrerer Leasing-Gesellschaften einzuholen. Unterschiede verschiedener Leasing-Angebote liegen häufig in der Vertragslaufzeit und im Restwert. Um die Vergleichbarkeit unterschiedlicher Angebote zu ermöglichen, sollte der Barwert der jeweiligen LeasingRaten ermittelt werden. Zudem ist es sinnvoll, beim Vergleich der Leasing-Raten verschiedener Anbieter die Zusammensetzung aufzuschlüsseln. Die Leistungsfähigkeit des Leasing-Gebers kann durch Referenzen überprüft werden – umgekehrt wird der Leasing-Geber die Bonität des LeasingNehmers vor Vertragsabschluss überprüfen. Sichergestellt werden sollte seitens des Leasing-Nehmers, dass das Leasing-Objekt nicht zur Haftungsmasse der Leasing-Gesellschaft gehört. Gerät der Leasing-Geber in Konkurs, muss der Leasing-Nehmer das Objekt unter Umständen abtreten. Das beeinträchtigt den Produktions- oder Geschäftsablauf. Besonders wichtig ist es für den potenziellen Leasing-Nehmer, möglichst realistisch abzuschätzen, wie lange die Investition im Unternehmen genutzt werden soll. Die Vertragslaufzeit sollte mit der Nutzungsdauer der Investition möglichst übereinstimmen, damit der die Liquidität schonende Aspekt voll genutzt werden kann. In Deutschland setzen noch immer viele Unternehmen auf das tatsächliche Eigentum ihrer industriellen Anlagen – in den USA baut man eher auf den Besitz, zum Beispiel in Form von Leasing. Foto: Bilderbox können, warum sollte man es dann teuer kaufen? Möchte zum Beispiel ein neu gegründetes Unternehmen eine EDV-Anlage leasen, so geht es zunächst selbst am Markt auf Suche. Ist es fündig geworden, wird versucht, Rabatte, Skonti und Vergünstigungen auszuhandeln. Danach wird ein Leasing-Vertrag über das gefundene Objekt mit einer Leasing-Gesellschaft abgeschlossen. Sobald die EDV-Anlage beim Unternehmen eingetroffen ist, beginnt die Laufzeit des Leasing-Vertrags. Die LeasingGesellschaft begleicht die Rechnung und wird so Eigentümerin der EDV-Anlage. Diese wird dem Unternehmen dann – gegen Zahlung der vereinbarten Leasing-Raten – zur Nutzung zur Verfügung gestellt. Geleast werden kann heute nahezu alles – von der Laboreinrichtung über Maschinen, Firmenwagen beziehungsweise ganze Auto- 14. Datev-Kongress | Trends in der IuK-Technologie D ter, Lehrstuhlinhaber für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München, spannen. Auf einem weitaus sichereren Boden bewegt sich der Zukunftsforscher Lars Thomsen. Er wird auf dem Kongress Szenarien der kommenden zehn Jahre beleuchten: Megatrends, Chancen aber auch Gefahren für die Gesellschaft, die Unternehmen und für jeden Einzelnen. Dominieren werden natürlich die Themen für die Steuerberater, Rechtsanwälte und Wirtschaftsprüfer. Etwa für die Wirtschafsprüfer das Thema „Die Zukunft des nationalen Handelsbilanzrechts“ oder für die Rechtsanwälte ein Referat zur Fragestellung „Wie sehen Rechtsanwälte ihre Zukunft? – Ergebnisse empirischer Untersuchungen“. Flankiert wird der Kongress durch eine Ausstellung unter der Überschrift „Software, Service und Wissen“ von Datev. Die Datev sieht sich aus ihrem Know-how heraus als ein führender Dienstleister der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte. Am 25. und 26. September 2008 findet im Nürnberger Messezentrum der 14. Datev-Kongress statt, diesmal unter dem Motto „Zukunft gestalten. Gemeinsam“. „Bilanzneutralität“ von Leasing-Geschäften verbessert zudem wichtige Bilanzrelationen – vor allem die Eigenkapitalquote, die bei einem Bankkredit nicht nur das obligatorische Rating begünstigt, sondern auch den verschärften Vorschriften nach Basel II entsprechen muss. Die Motive, Leasing zu nutzen, sind also vielfältig: Nach einer Umfrage von TNS Infratest für den BDL unter mehr als Tausend Unternehmen in Deutschland wurden diese auch gefragt, weshalb sie leasen. Das häufigste Argument ist bereits oben genannt worden – nämlich, dass Kosten beim Leasing gleichmäßig und genau kalkulierbar seien. Als zweitwichtigster Punkt zählte für die befragten LeasingNutzer, dass die Betriebsausstattung dank Leasing stets auf dem neuesten Stand zu halten sei. Die Zukunft von Private Equity Herausforderungen gestalten er am 25. und 26. September 2008 im Nürnberger Messezentrum stattfindende Kongress der Datev für die Beratungspraxis basiert inzwischen auf einer langen Tradition und hat somit bundesweit eine gute Reputation. Unter dem Motto „Zukunft gestalten.Gemeinsam“ wird sich diesmal der Kongress vor allem mit den Herausforderungen der Zukunft beschäftigen. Neben aktuellen Wirtschafts- und Steuerthemen werden Trends im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie aufgezeigt. In vielen zielgruppenspezifischen Fachreferaten werden namhafte Referenten die Zukunftsaussichten behandeln. Aber auch die ethische Verantwortung wird auf dem Kongress eine Rolle spielen. So spricht Prof. Dr. Herrmann von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg über den Wertewandel in Ethik und Recht der freien Berufe. Einen sehr weiten und vielleicht auch ungewöhnlichen Bogen im Zusammenhang mit dem Motto „Zukunft gestalten.Gemeinsam“ wird Prof. Dr. Ulrich Wal- flotten oder IT-Zubehör bis hin zum Diamanten-Collier, so ein Kenner des Geschäfts. Leasing ermöglicht – gerade auch für mittelständische Unternehmen – ohne üppige Eigenkapitalausstattung Investitionen ohne den Einsatz von Eigenmitteln. In seiner Wirkung ist es mit einer 100%igen Fremdfinanzierung vergleichbar. Aber welche Bank finanziert zu 100%? Zudem müssen, um einen Gegenstand zu leasen, keine Sicherheiten hinterlegt werden. Die Leasing-Raten können die Unternehmen aus den Erträgen des Investitionsobjekts zahlen. Die Kosten sind über die gesamte Grundmietzeit fest vereinbart und kalkulierbar. Dadurch schont Leasing die Liquidität, bewirkt, dass bestehende Kreditlinien nicht ausgenutzt werden müssen und führt letztlich zur Ausweitung des unternehmerischen Handlungsspielraums. Die Kampf gegen die Widrigkeiten des Kapitalmarktes | Renditen in Europa konnten stabil gehalten werden D ie nationalen wie internationalen Private-Equity-Gesellschaften kämpfen noch immer mit den Widrigkeiten des Kapitalmarktes. Abzulesen ist dies an ihren eigenen Kursverläufen. Nicht zuletzt die Übernahmeversuche von Continental durch das Familienunternehmen INA-Schaeffler zeigen, wo momentan das Geld sitzt: Private-Equity-Unternehmen scheinen derzeit nicht in der Lage zu sein, einen Dax-Fisch wie Continental zu schlucken. So machte sich die European Private Equity & Venture Capital Association (EVCA) bei ihrer Jahrestagung in Madrid bei ihrem 25. Jahressymposium Gedanken über die Zukunft der Branche. Unter „Global Scenarios for Private Equity and Venture Capital“ wurden mögliche Zukunftsperspektiven der Branche unter Berücksichtigung branchenspezifischer, makroökonomischer und politischer Faktoren beleuchtet. Als Grund für die langfristige Untersuchung gab Javier Echarri, Generalsekretär der EVCA, an, dass Fonds beispielsweise auf mindestens zehn Jahre angelegt würden. „Dies macht eine strategische Planung für alle aktiven Teilhaber unverzichtbar“, so Echarri. Heraus kamen dabei vier Szenarien, die von „Three Towers“ über „Gulfstream“ und „Trading Up“ bis „Going East“ reichen. Die drei Türme umschreiben dabei das Zerbrechen der globalen wirtschaftlichen Integration in drei regionale Blocks, innerhalb derer aber Handel und Investitionen weiterhin florieren und Private Equity als maßgeblicher Lösungsbestandteil für die Probleme des öffentlichen Marktes betrachtet wird. Beim Golfstrom konzentrieren sich Handel und Investitionen vor allem auf die wohlhabenden Nationen und die wichtigsten Schwellenländer, Venture Capital (VC) profitiert hier vor allem von der zunehmenden Innovationsfreudigkeit und dem verstärkten Austausch von Ideen. Szenario Nummer drei, Trading Up, ist gekennzeichnet durch ein florierendes multilaterales Handelssystem aufgrund starker institutioneller Unterstützung. Eine tragende Rolle spielen dabei Staatsfonds, gerade bei der Finanzierung von F&E. VC entwickelt sich auf dieser Basis in Europa sehr positiv, eventuell steht es aufgrund politischem Einverständnis auch Einzelpersonen frei, mit persönlichen Pensionsrücklagen in Private Equity zu investieren. Im Going East-Szenario übernehmen China und Indien die Führungsrolle, während europäische Entscheidungsträger die öffentlichen Kapitalmärkte präferieren, Akzeptanz von Beteiligungskapital habe sich auch bei traditionsbewussten Familienunternehmen merklich erhöht. So expandiert Hannover Finanz fleißig und legt auch neue Fonds auf. Insgesamt erwirtschafteten die beteiligten Unternehmen 2007 einen Umsatz von 3,4 Mrd. Euro. In diesem Jahr konnte Hannover Finanz zum Beispiel 70% des traditionsreichen Gießerei-Unternehmens Industrie Holding Isselburg GmbH (IHI) übernehmen und damit den Fortbestand des Unternehmens im Sinne einer Nachfolgeregelung sichern. Zum Portfolio von Hannover Finanz zählen das sehr erfolgreiche Solarunternehmen Aleo Solar AG, die Köhler Automobiltechnik GmbH oder die Runners Point Warenhandelsgesellschaft mbH. Minderheitsbeteiligungen im öffentlichen Interesse Das Bild der Heuschrecke, die sich die besten Börsenunternehmen sucht, hat ja noch nie gepasst. Momentan ist es aber völlig unzeitgemäß, denn das große Geld für spektakuläre Übernahmen sitzt nicht bei Private-Equity-Firmen. Foto: Bilderbox der Schwerpunkt für Venture Capital allerdings verschiebt sich deutlich in den Osten. Alle Szenarien geben sich also optimistisch für Private Equity. Konkret auf das vergangene Jahr zurück geblickt, konnten die Renditen beim europäischen Beteiligungskapital zumindest stabil gehalten werden. So sind die Nettoerträge von 1980 bis 2007 um insgesamt 11,8% gestiegen. Wie der Blick auf einige – exemplarische – Geschäftszahlen beweist, sehen die Unternehmen mit Optimismus in die Zukunft. Die Deutsche Beteiligungs AG, Frankfurt, konnte im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2008 (30.4.) den Fehlbetrag aus dem ersten wieder auffangen und mit einem Quartals-Konzernüberschuss von 24,5 Mio. Euro ein Halbjahresergebnis von 2,9 Mio. Euro erzielen. Insgesamt lagen die Bewertungsverhältnisse an den Aktienbörsen zum Bewertungsstichtag am 30. April deutlich niedriger als zu Beginn des Geschäftsjahres am 1. November 2007. Dies konnte jedoch durch höhere Erträge und eine niedrigere Verschuldung der Beteiligungsunternehmen ausgeglichen werden. Für das Gesamt-Geschäftsjahr gibt sich Vorstandssprecher Wilken von Hodenberg dennoch optimistisch, sowohl „das Port- folio um viel versprechende Unternehmen zu ergänzen, aber auch für die Weiterentwicklung des Portfolios“. Für das gesamte Geschäftsjahr geht von Hodenberg außerdem davon aus, ein positives Ergebnis zu erwirtschaften. Im Portfolio der Deutschen Beteiligungs AG befinden sich derzeit etwa die Homag Group AG aus Schopfloch, die Lewa GmbH aus Leonberg oder die Dr. Vogler-Gruppe aus Bad Homburg. Die Hannover Finanz GmbH aus der Niedersächsischen Landeshauptstadt konnte das Jahr 2007 sogar mit einem sehr guten Ergebnis abschließen und profitierte eher noch von den Verwerfungen der SubprimeKrise. Der auf den Mittelstand fokussierte Finanzierer nutzte dabei die hohen Preise am Private-Equity-Markt für Verkäufe. „Wir wollen lieber einen stetigen Renditefluss zwischen 15% und 20% für unsere Investoren erreichen als auf jeder Superwelle mitreiten“, so der Vorstandsvorsitzende Albrecht Hertz-Eichenrode. „Wir sind auch Ende der 90er Jahre gut damit gefahren, uns nicht vom Internet-Hype verführen zu lassen. Wir lagen in der Mitte immer goldrichtig“, erinnerte Hertz-Eichenrode. Noch immer erreichten die Hannover Finanz qualifizierte Anfragen von inhabergeführten Unternehmen in großer Zahl. Die Dass gerade die mittelständischen Beteiligungsunternehmen und hier wiederum die öffentlich geförderten Beteiligungsgesellschaften der Bundesländer weiterhin gut aufgestellt sind, macht eine vom Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) herausgegebene Statistik deutlich. Demnach investierten diese Gesellschaften seit ihrem Bestehen mehr als 3 Mrd. Euro in fast 10 000 kleinere und mittelgroße Unternehmen – allein in den letzten zehn Jahren 1,7 Mrd. Euro. Die Investitionen fließen dabei zum größten Teil in Form von stillen Beteiligungen, die öffentlich geförderten Gesellschaften streben keine Mehrheitsbeteiligung an. Auf dem Höhepunkt im Jahr 2002 investierten diese Institute insgesamt 193,9 Mio. Euro. Seit dem Bruch 2003, als nur noch 155,1 Mio. Euro investiert wurden, kletterte das Volumen wieder an und hält sich inzwischen bei 175,5 Mio. Euro (2007). Angeführt werden diese Investitionen von der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft in Stuttgart mit 38,8 Mio. Euro und der BayBG in München mit 35,6 Mio. Euro. Ein Jubiläum feierte Barclays Private Equity in München, denn das Unternehmen mit Hauptsitz in London ist seit zehn Jahren in Deutschland präsent. Seit 1998 hat Barclays in Deutschland mehr als 2,8 Mrd. Euro investiert und über 35 Transaktionen abgeschlossen. Der Fokus von Barclays liegt auf dem mehrheitlichen Erwerb von mittelständischen Unternehmen mit einem Umsatzvolumen zwischen 50 Mio. und 500 Mio. Euro. Zu den erfolgreichsten Transaktionen zählt Barclays diejenigen von Minimax, Buch & Kunst sowie der Tuja Group. uk FINANZEN & BÖRSE SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 9 (Un)liebsame Investoren Viele neue Filialen Zweit-Depot Absage an die Kostenlos-Welle Die Wirtschaft ist vom neuen Außenwirtschaftsgesetz wenig begeistert. Die Unternehmen sehen weniger Gefahren als die Politik. Seite 10 Die österreichische Oberbank setzt ihren Expansionskurs ungebremst fort. Im Fokus stehen Firmen- und gehobene Privatkunden. Seite 10 Ein Zweit-Depot schafft Klarheit bei der Abgeltungssteuer: Gastbeitrag von Lothar Behrens, Vorstand der Augsburger Aktienbank. Seite 11 Die baden-württembergischen Sparkassen wollen den Preiskampf nicht mitmachen und setzen auf Qualitätswettbewerb – mit Erfolg. Seite 11 Die Konsolidierung nimmt Fahrt auf KOMMENTAR. Die Börse hängt am Öltropf Deutsche Banken | Ein zweiter nationaler Champion VON ELWINE HAPP-FRANK L ange angekündigt war sie ja, die Konsolidierungswelle in der Bankenlandschaft. Jetzt scheint sie tatsächlich zu kommen. Nachdem schon die SachsenLB von der LBBW, die deutsche Citibank von der französischen Crédit Mutuel und die IKB von Lone Star übernommen wurden, steht jetzt eine weitere große Transaktion an. Mit der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank entsteht ein zweiter großer Champion neben der Deutschen Bank. Ein Sondergutachten des Sachverständigenrats zur Situation des deutschen Finanzsystems hat aber kürzlich festgestellt, dass die deutschen Banken im internationalen Vergleich immer noch recht klein sind. Deshalb sind weitere Zusammenschlüsse zu erwarten. Ursache für die Bewegung in der deutschen Bankenlandschaft ist die Finanzkrise. Auch der Verkauf der Dresdner Bank durch die Allianz erfolgt vor diesem Hintergrund. Dabei war bis zuletzt die China Development Bank (CDB) im Rennen. Beide Lösungen – sowohl der Commerzbankals auch der CDB-Deal – haben aus Sicht der Politik Nachteile. Während mit den Chinesen ein „Fremder“ Zutritt zum deutschen Finanzplatz bekommen hätte, droht nun bei der Commerzbank-Übernahme eine hohe Zahl von Entlassungen. Für die China Development Bank hätte die Übernahme der Dresdner Bank einen reizvollen Eintritt in den deutschen Markt bedeutet. Doch die Tatsache, dass Durch die Übernahme der Dresdner Bank wird die Commerzbank zweite im Bankenmarkt hinter der Deutschen Bank. Besteht für die größte deutsche Bank Handlungsbedarf? Foto: Markus Goetzke/Commerzbank die deutsche Bankenlandschaft stark fragmentiert ist, hat sowohl lockende als auch abschreckende Wirkung, heißt es im Bankenbarometer 2008 der Unternehmensberatung Ernst & Young. Da bisher keine marktbeherrschende Stellung existiert, scheint die Rolle des dominanten Marktführers noch zu besetzen zu sein. Andererseits wird eine solche Position nicht durch den Erwerb eines entsprechenden Instituts ermöglicht, sondern bedarf anderer, zusätzlicher Maßnahmen, meint Ernst & Young. Ausländische Anbieter treffen aber auch auf ein Marktumfeld, in dem bereits ein intensiver Verdrängungswettbewerb im Privatkundensegment herrscht, das für die meisten Institute wesentlich ist. Chinesen auf dem Vormarsch Gerade die chinesischen Banken haben im internationalen Maßstab in jüngster Zeit aufgeholt. Die Finanzkrise hat die Rangfolge der weltweit größten Institute – gemessen an der Marktkapitalisierung – kräftig durcheinander gewirbelt und zu deutli- chen Rangverlusten bei der Citigroup und der UBS geführt, während gleichzeitig chinesische Banken unter die ersten 20 der Welt vorstoßen konnten. Jedoch erscheinen deutsche Banken nach wie vor nicht auf den vorderen Plätzen, schreibt der Sachverständigenrat in seinem Sondergutachten. Im Inland ist die Deutsche Bank unangefochtener Branchenprimus. Allerdings gibt es durch die Dresdner-Übernahme nun eine neue Ausgangslage. Damit kommt die Commerzbank nahe an die Deutsche Bank heran, was die Börsenkapitalisierung betrifft. Bei der Anzahl der Privat- und Firmenkunden könnte das fusionierte Duo die Nase sogar leicht vorn haben. Das dürfte den Druck auf die Deutsche Bank erhöhen, in Sachen Postbank vielleicht doch noch zu einem Abschluss zu kommen. Die Gespräche, die sich wohl schon in einem sehr fortgeschrittenen Stadium befanden, scheinen ins Stocken gekommen zu sein. Grund dürfte der gesunkene Aktienkurs der Postbank sein, der den Verkauf derzeit für die Post unattraktiv macht. Hoher Druck zur Konsolidierung lastet auch auf den Landesbanken, die mehr als alle Bankengruppen in die Falle der Finanzkrise getappt sind. Dabei spielt weniger das Drei-Säulen-System, das immer als „Problem“ des deutschen Bankenmarktes deklariert wird, eine Rolle. Denn die damit einhergehende Fragmentierung ist gar nicht so groß, meinen die sieben „Weisen“. Würden die Verbünde der Sparkassen und VON ANDRÉ WILL-LAUDIEN* der Genossenschaften als Konzern betrachtet, würde sich die rechnerische Konzentration stark erhöhen. Der deutsche Bankenmarkt könnte dann sogar als sehr konzentriert angesehen werden. Kritisch werden vielmehr die hohen Verluste im Zuge der Finanzmarktkrise gesehen, die von der öffentlichen Hand oder von den Sparkassen getragen werden müssen. Bis Mai 2008 wurden Abschreibungen in Höhe von 21 Mrd. US-Dollar bekannt. Damit hat diese Bankengruppe, die einen Anteil von 21% nach Bilanzsumme am deutschen Bankenmarkt hat, 43% der Verluste angehäuft. Das bedeutet aber nicht, dass die Landesbanken generell zu risikofreudig agiert haben. Einige stehen sogar besser da als die Großbanken. Dennoch zieht das Sondergutachten den eindeutigen Schluss, dass „grundlegende Reformen unumgänglich sind“. Für ein Nebeneinander mehrerer öffentlich-rechtlicher Großbanken, denen teilweise ein klares Geschäftsmodell fehlt, „kann es keine Rechtfertigung geben“. Aus Sicht der Wirtschaftspolitik besteht aber kein Anlass, die Strukturen – mit Ausnahme der Landesbanken – grundsätzlich in Frage zu stellen. Denn mit den Sparkassen und Kreditgenossenschaften sowie einer Reihe von Regionalbanken und ausländischen Instituten verfügt das deutsche Finanzsystem über eine stark ausgeprägt dezentrale Struktur, die sich in der aktuellen Krise als stabilisierender Faktor erwiesen hat. Kreditverbriefungen bleiben wichtig Interview | Jürgen Fitschen, Mitglied des Group Executive Committee und Vorsitzender des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank WirtschaftsKurier: Herr Fitschen, der Verkauf der IKB an den amerikanischen Investor Lone Star ist perfekt. Aber es haJürgen Fitschen, Mitglied des Group gelt – vor allem aus dem Lager der PoliExecutive Committee der Deutschen tik – Kritik.Waren der Verkauf zum jetziBank. Foto: Deutsche Bank gen Zeitpunkt und der Verkaufspreis eine Fehlentscheidung? Oder sollte man Konsumnachfrage – keinen Ausgleich. froh sein, die Bank endlich los zu sein? Zudem nimmt die InvestitionsgüternachJürgen Fitschen: Schlimm ist stets eine frage nicht mehr zu. Die Aktivitäten des Hängepartie. Kunden und Mitarbeiter Staates sind ohnehin schwach, da die fiwollen Klarheit haben. Der Wert des Insnanziellen Mittel fehlen. Das vorhandene Geld muss für die Haushaltskonsolidietituts hätte sich nicht zwangsläufig erhöht, wenn die Entscheidung vertagt rung verwandt werden – daran wird der worden wäre. Die Frage, die sich – geraFinanzminister gemessen. Konjunkturde für ein Private-Equity-Unternehmen programme des Staates sind schon aufgrund seiner finanziellen Situation nicht – stellt, lautet: Was kann man aus der IKB machen? Wie ist es möglich, einen verantwortbar. Wir rechnen zwar nicht Mehrwert zu schaffen? mit einem wirtschaftlichen Einbruch in WiKu: Neue Hiobsbotschaften zu ameriDeutschland. Aber die Wachstumsrate kanischen Instituten sorgten jüngst dürfte im kommenden Jahr auf 0,8% zuwieder für neue Unsicherheit. Ein amerückgehen bei 2,2% Preissteigerung. Die rikanischer Experte sieht die größten Preise für Rohstoffe und Energie werden hoch bleiben – mit Folgen für andere Schwierigkeiten noch vor uns und rechProdukte. net mit dem Zusammenbruch einer WiKu: Müssen sich Mitgroßen US-Geschäftsbank: Panikmache oder „Die hohen Volatili- telständler auf Verteuerungen beim Zins einsteckt mehr hinter der täten bereiten vielen stellen? Aussage? Fitschen: Die Situation Unternehmen Prob- Fitschen: Ich erkenne keine Tendenzen, bleibt angespannt. Da leme. Deshalb sind derzeit dass sich das generelle wird man immer wieder unsere AbsicheZinsniveau reduzieren Botschaften vernehmen, wird. Ich sehe im Modie Anlass zum Nachrungsprodukte ment ein stabiles Zinsnidenken geben. Dass noch ein großer Unfall besonders gefragt.“ veau, mit dem wir eine Weile leben müssen. Refipassieren wird, kann ich nanzieren sich die Banken am Kapital– nach meinen Informationen – nicht semarkt, dann müssen sie – als Folge der hen, aber auch nicht ausschließen. Finanzkrise – höhere Kosten zahlen. In WiKu: Wagen Sie eine Prognose hinsichtdem Maße, wie sich die Refinanzielich des Fortgangs der Krise? rungskosten erhöhen, spürt der Kunde Fitschen: Wichtig ist, dass man zur Noreine Verteuerung. Die Bank hat damit malität an den Märkten zurückfindet und dass das Interbankengeschäft wieaber noch nicht mehr verdient. Ihre Marge der nach den alten Kriterien läuft. Ich hat sich insgesamt nicht verbessert; das bin zuversichtlich, dass wir dies im Lauverhindert der kräftige Wettbewerb der fe des Jahres 2009 erreichen werden. Banken untereinander. WiKu: Wie sehen Sie die konjunkturelle WiKu: Welche Angebote werden von den Situation in Deutschland? Mittelständlern am meisten nachgeFitschen: Die Exporte schwächen sich befragt? reits ab. Die Binnenwirtschaft schafft – Fitschen: Die derzeit hohen Volatilitäten vor allem aufgrund der unbefriedigenden am Markt bereiten vielen Unternehmen Probleme. Sie müssen die Rohstoffpreise langfristig unter Kontrolle haben können. Folglich ist die Nachfrage nach unseren Absicherungsprodukten sehr hoch. Ein anderes Problem ist für den Kunden der Zahlungsverkehr. Den möchte er europaweit durch eine Bank abwickeln lassen, sodass sich seine Belastungen verringern. Wir haben viel Zeit und Geld investiert, um dem Kunden ein System anbieten zu können, dass es ihm ermöglicht, im bargeldlosen Zahlungsverkehr in Europa sehr effiziente Lösungen zu nutzen. Ein weiteres häufiges Thema ist die Nachfolge bei Familienunternehmen. Hier können wir dem Kunden qualifizierte Ansprechpartner anbieten, die bei diesem vielschichtigen Thema sowohl die Unternehmensfinanzierung als auch die private Vermögensplanung im Blick behalten. Generell ist es unser primäres Ziel, dem Kunden Dienstleistungen anzubieten, die ihm helfen, effizienter zu wirtschaften, Wachstum zu erzielen und Risiken besser zu managen. WiKu: Die Deutsche Bank betreibt das Geschäft der Verbriefung von Krediten intensiv. Geht es dabei eher um Großkredite oder auch um Kredite von Mittelständlern? Fitschen: Wir haben die Losgrößen bei Schuldscheindarlehen weit nach unten verschoben, um auch kleineren Mittelständlern Zugang zum Kapitalmarkt bieten zu können. Verbriefungen ermöglichen es uns, Mittelständler in den Genuss langfristiger Finanzierungen zu attraktiven Konditionen zu bringen. WiKu: Und welche Vorteile haben Kreditverbriefungen für die Banken? Fitschen: Wenn eine Bank einen Kredit gewährt, muss sie ihn mit Eigenkapital unterlegen. Werden Kredite oder Kreditrisiken verbrieft und am Markt platziert, so wird Eigenkapital frei. Damit können neue Ausleihungen unterlegt werden. Kreditverbriefungen ermöglichen Wachstum, ohne das Eigenkapital anpassen zu müssen. WiKu: Können Kunden bei Kreditverbriefungen unliebsame Überraschungen erleben – wie bei Kreditverkäufen? Fitschen: Häufig werden gar nicht die Kredite, sondern nur Kreditrisiken verbrieft. Aber auch bei der Verbriefung von Krediten übernimmt die veräußernde Bank in der Regel im Rahmen eines so genannten „Service-Agreements“ für die Investoren die Verwaltung der Kredite. Der Kreditnehmer leistet seine Zins- und Tilgungszahlun- gen also weiter an die Bank, die ihm den Kredit gewährt hat. Die KundeBank-Verbindung besteht weiter. Da gibt es keine Überraschungen. WiKu: Angesichts der Flaute an den Kapitalmärkten herrscht Zurückhaltung bei verbrieften Kreditportfolios? Fitschen: Das ist richtig. Alle strukturierten Produkte werden heute anders gesehen als noch vor einem Jahr. Das macht es auch für mittelständische Unternehmen schwieriger, an die angesprochenen wichtigen langfristigen Finanzierungen zu kommen. WiKu: Aber das Verbriefungsgeschäft bleibt bedeutungsvoll für Ihr Haus? Fitschen: Auf alle Fälle. Es wäre eine Tragik, wenn ein Instrument, das Risiken grundsätzlich besser managen hilft, über alle Asset-Klassen hinweg langfristig in Verruf kommen würde. Im Subprime-Geschäft wurden zweifellos viele Fehler gemacht. Aber das Mittelstandsgeschäft ist eben kein Subprime-Geschäft. Das zugrunde liegende Kreditgeschäft hat eine völlig andere Qualität. Ich bin sehr zuversichtlich, dass auch auf Dauer Verbriefungen eine interessante Variante bleiben, um Mittelständlern Zugang zu langfristigen Finanzierungskonditionen zu ermöglichen. tungen von bis zu 200 US-Dollar für ein Fass Öl noch verstärkt. Aktuell sind die Ölpreisnotierungen nach steilem Aufwärtstrend wieder merklich gesunken. Daneben hat der breit gemischte DJ-AIG Commodity Index mit Energie, Industrie- und Edelmetallen sowie Agrarrohstoffen ebenfalls deutlich an Wert verloren, während der Dax sich erholte. Damit bestätigt sich erneut, dass niedrige Ölund Rohstoffpreise die Phantasie und damit die Aktienkurse beflügeln. Verstärkt wird diese Wechselwirkung durch neue Anlageformen, die es nahezu jedem Marktteilnehmer erlauben, flexibel und zeitnah „das Pferd zu wechseln“. Nach einem auslösenden Effekt, wie zum Beispiel einer Missernte oder einer Naturkatastrophe, fließt in Erwartung einer baldigen Verknappung schneller und deutlich mehr Geld als in der Vergangenheit aus herkömmlichen Aktien in Rohstoffe. Zur aktuellen Börsensituation: Die schlechten Nachrichten aus dem US-Bankensektor reißen nicht ab. Die präsentierten neuen Milliardenabschreibungen machen den Hoffnungsschimmer auf ein baldiges Ende der Finanzkrise zunichte. Das Ausbleiben weiterer Hiobsbotschaften sollte niemanden veranlassen, schon jetzt Entwarnung zu geben. Dies könnte frühestens im Oktober, wenn die Zahlen für das dritte Quartal eine Überwindung der Krise nachweisen, möglich sein. Aufgrund der schwachen Umsätze in den Sommermonaten gehen wir zunächst von einer schwankungsintensiven Seitwärtsbewegung aus. Halten Sie also das Pulver noch trocken! * André Will-Laudien ist Abteilungsleiter des Investment Centers von Reuschel & Co. Privatbankiers. Die Abgeltungsteuer kommt: Mit dem Augsburger Zusatz-Depot machen Sie das Beste daraus ot zum halb p e D s e g ti r Vollwe . + MWSt. a . p o r u E 15,– en Preis ! Durch die Kombination traditioneller Bankprodukte mit einem umfassenden Wertpapierangebot, das von Aktien, Fonds bis hin zu Zertifikaten reicht, bieten wir Ihnen die ideale Produktpalette, um steueroptimiert das Beste aus der Abgeltungsteuer zu machen. Unser Top-Zusatz-Depot in Verbindung mit unserem 4,0 % p. a. Tagesgeld-Angebot als Parkplatz für Fondsinvestionen bringt Sie in die Poolposition! Attraktive Konditionen sowie perfekten Service in der Abwicklung schätzen unsere Kunden. Ihr starker Partner für Geldanlage und Kredit. www.aab.de IHR S TA R K ER PA R T NER ! www.Liquid.ag I m Prinzip gibt es keine Finanzierungsprobleme im Mittelstand, stellte Jürgen Fitschen, Mitglied des Group Executive Committee und Vorsitzender des Management Committee Deutschland der Deutschen Bank, im Interview fest. Der Zins bleibt stabil, doch das Verbriefungsgeschäft sollte sich wieder normalisieren, um den Unternehmen attraktive Konditionen zu ermöglichen. Das Gespräch führte Dieter W. Heumann, Mitarbeiter des WirtschaftsKurier. Vor kurzer Zeit wurden die Börsen von den Auswirkungen der Finanzkrise und von Gewinnwarnungen erschüttert, worauf sich viele Anleger mit teils herben Verlusten aus Aktien zurückgezogen haben. Dieser Pessimismus wurde durch Erwar- FINANZEN & BÖRSE 10 WirtschaftsKurier Fördervolumen steigt stark NRW.Bank | Hohe Nachfrage nach Eigenprodukten D ie NRW.Bank hat im ersten Halbjahr 2008 eine deutliche Zunahme bei den Fördermitteln verzeichnet. Das Volumen erhöhte sich um 30% auf jetzt 4,6 Mrd. Euro. Der Überschuss stieg in diesem Zeitraum um 5,7% auf 66,7 Mio. Euro, die anteilige Förderdividende um 48,6% auf 22 Mio. Euro. Das kommt den Unternehmen, die Förderkredite erhalten, direkt zugute. Denn mit Hilfe der Förderdividende vergünstigt die NRW.Bank ihre Programme. Die NRW.Bank wird seit 1. September 2008 von Dieter P. Binkowska geleitet, dem bisherigen Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse KölnBonn. Er trat die Nachfolge von Ulrich Schröder an, der zur KfW Bankengruppe wechselte. Größter Posten des gesamten Neugeschäfts der NRW.Bank im ersten Halbjahr war die Mittelstandsförderung mit 1,8 Mrd. Euro, die um 24% über dem Vorjahreswert lag. Diese Entwicklung sei wesentlich durch den Anstieg des Neugeschäfts mit eigenen Produkten geprägt, teilte die NRW.Bank mit. Mit einem Volumen von 1,5 Mrd. Euro wurde hier eine Zunahme um 33% gegenüber dem Vorjahreshalbjahr erreicht. Hier wurden insbesondere der NRW.Bank.Universalkredit und der NRW. Bank.Mittelstandskredit stark nachgefragt. Das Zusagevolumen im Bereich der Infrastruktur- und Kommunalförderung be- trug Ende Juni 2008 1,7 Mrd. Euro und lag damit um 75% über dem Vorjahr. Insbesondere die Produkte zur Kommunalförderung verzeichneten eine hohe Nachfrage. Die Ende 2007 neu eingeführten Produkte NRW.Bank.Kommunal Invest und Kommunal Invest Plus hätten die Erwartungen übertroffen. Infrastrukturmaßnahmen wurden mit 373 Mio. Euro gefördert. Im sozialen Wohnungsbau stieg das Neugeschäftsvolumen im ersten Halbjahr 2008 um 24,6% auf 222,7 Mio. Euro. Für diesen Geschäftsbereich ist innerhalb der Förderbank die Wohnungsbauförderungsanstalt Nordrhein-Westfalen (Wfa) zuständig, die in diesem Jahr 50 Jahre alt wird. In dieser Zeit hat die Wfa von 8,5 Mio. Wohnungen in NRW 3,8 Mio. mitfinanziert – fast die Hälfte aller neu entstandenen Wohnungen. Während angesichts wachsender Einkommensunterschiede in der Gesellschaft die klassische soziale Wohnraumförderung mit zinsgünstigen Darlehen weiter aktuell bleibt, haben sich neue Ansatzpunkte ergeben. Vor dem Hintergrund des Klimawandels kommt Anreizen zur energetischen Gebäudesanierung eine höhere Bedeutung zu. Auch die Schaffung von barrierefreiem und seniorengerechtem Wohnraum steht angesichts einer alternden Gesellschaft und sinkender Alterseinkommen verstärkt im Vordergrund. hp Viele neue Filialen Oberbank | Unabhängigkeit ist oberste Maxime O berstes strategisches Ziel der österreichischen Oberbank ist die Unabhängigkeit. Das Institut mit Hauptsitz in Linz sah sich vor dem Hintergrund der von UniCredit angekündigten Absicht, ihre Anteile zu verkaufen, genötigt, das zu unterstreichen. „Das Wichtigste ist, dass die Selbstständigkeit gewahrt bleibt“, sagte Franz Gasselsberger, Generaldirektor der Oberbank, bei der Vorstellung der Halbjahres-Ergebnisse in München. UniCredit hält eine Beteiligung von 32,8% an der Oberbank. Die Italiener sind damit die größten Anteilseigner. Nachdem mit einer Reihe weiterer Großaktionäre eine Syndikatsvereinbarung besteht, sieht die Oberbank ihre Unabhängigkeit nicht gefährdet. Dazu zählen die Bank für Tirol und Vorarlberg AG (18,61%), die BKS Bank AG (18,62%) sowie die Wüstenrot Wohnungswirtschaft GenmbH (5,16%). Die Oberbank ist nach eigenen Angaben in den Verkaufsprozess der Anteile, die UniCredit hält, eingebunden. „Wir sehen in neuen Aktionären auch neue Chancen und stehen einem potenziellen Aktionärswechsel grundsätzlich positiv gegenüber“, sagte Gasselsberger. Der Verkauf der Anteile erfolgt vor dem Hintergrund einer soliden Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr 2008. Die Bilanzsumme stieg um 5,1% auf 14,8 Mrd. Euro. Das Kreditvolumen erhöhte sich um 6,5% auf 9,3 Mrd. Euro, die Primäreinlagen um 10,3% auf 9,2 Mrd. Euro und das Kundenvermögen um 2,8% auf 16,8 Mrd. Euro. Der Überschuss nach Steuern betrug im ersten Halbjahr 52,7 Mio. Euro, das sind 5,8% mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Oberbank setzt in diesem Jahr ihre Expansionspolitik weiter fort. Seit Mitte 2007 wurden acht Filialen eröffnet, sodass es jetzt 126 Bankstellen gibt. Die Belegschaft erhöhte sich in diesem Zeitraum um 124 auf jetzt 2 133 Mitarbeiter. Franz Gasselsberger, Generaldirektor der Oberbank: „Wir sehen in neuen Aktionären auch neue Chancen.“ Pro Jahr will die Oberbank sechs bis acht neue Filialen eröffnen. In diesem Jahr stehen zwei Neueröffnungen in Bayern, zwei in Tschechien, drei in Ungarn und eine in Österreich, nämlich in Wien-Hietzing, auf der Agenda. Gasselsberger unterstrich die solide Finanzsituation der Oberbank. Die Eigenmittel-Quote lag Ende Juni 2008 bei 13,8%. Die günstige Risikosituation habe einen Abbau der Vorsorge um 6% auf 31,3 Mio. Euro erlaubt. Die Risk/Earning-Ratio konnte um 2,6% auf 22,4% verbessert werden. Die Cost-Income-Ratio lag trotz der vielen Neueröffnungen bei 53,5%. Der Return on Equity nach Steuern stieg leicht von 11,8% auf jetzt 11,9%. Für das Gesamtjahr hat sich die Oberbank zum Ziel gesetzt, das Vorjahresergebnis zu erreichen beziehungsweise leicht zu übertreffen. Bis 2012 soll die Anzahl der Filialen auf 150 erhöht werden. hp Erst in zwei Jahren profitabel IKB | Keine Arbeitsplatzgarantie von Lone Star D ie Rettung der Mittelstandsbank IKB kostet 10,7 Mrd. Euro. 86% dieses Aufwandes tragen die staatseigene KfW und der Bund und somit der Steuerzahler. Die Summe kann sich noch erhöhen, denn die KfW hat beim Verkauf der Bank an den amerikanischen Finanzinvestor Lone Star weitere Risiken der IKB übernommen. Dass diese wahrscheinlich auch eintreten, beweist die Vorsorge der Bundesregierung. Sie hat im Zuge des Verkaufs erneut 600 Mio. Euro abgesichert. Der Verkaufserlös ist nur bescheiden. Der offizielle Sprachgebrauch von KfWSprecher Wolfgang Kroh: „Ein niedriger dreistelliger Millionenbetrag, die Erwartungen an die Höhe des Kaufpreises haben sich nicht erfüllt.“ Erhofft hatte Bundesfinanzminister Steinbrück 800 Mio. Euro, herausgekommen sind aber nur 137 Mio. Euro. Trotzdem will Karsten von Köller, Deutschland-Chef von Lone Star, nicht von einem „Schnäppchen“ reden. Er rechnet damit, dass die IKB erst in zwei Jahren wieder schwarze Zahlen schreibt. Der Finanzinvestor gibt deshalb auch keine Arbeitsplatz-Garantie ab. Von den heute 1 750 Mitarbeitern der IKB werden wohl eine ganze Menge ihren Arbeitsplatz verlieren, damit die Bank wieder rentabel wird. Zunächst muss Lone Star 425 Mio. Euro für eine Kapitalstärkung und den Ausbau des Geschäftes einbringen. Die Refinanzierung für die Bank wird nicht einfach. Denn die Ratingagenturen werden die IKB herunterstufen, nachdem ihr nun nicht mehr die Staatsbank KfW den Rücken stärkt. Von Köller verspricht, dass sich die IKB auf ihr Kerngeschäft, die Finanzierung des deutschen Mittelstandes, konzentrieren wird. Um die in diesem Bereich nur schwache Rendite aufzubessern, will Lone Star das Angebot erweitern. Es ist die Rede von speziellen Darlehen und Serviceleistungen für das Exportgeschäft, von Factoring, Forderungsmanagement und Überbrückungsfinanzierungen. Von Köller denkt auch an Geld- und Zahlungsmanagement, Exportversicherungen, Vermögensverwaltung und Unternehmensberatung. Lone Star hatte bereits 2005 die Mitteleuropäische Handelsbank von der Nord/LB erworben und war dadurch zu einer Banklizenz in Deutschland gekommen. Im gleichen Jahr kam die Allgemeine HypothekenBank Rheinboden in den Besitz des Finanzinvestors. Damals mussten die Gewerkschaften als ehemaliger Besitzer von Rheinboden noch 870 Mio. Euro hinzuzahlen, damit sie die Bürde loswurden. st Gegen unliebsame Investoren ANLAGE-TIPPS. Henkel (ISIN: DE 000 6048 432) - Anlagerat: Das Bankhaus M. M. Warburg & Co. empfiehlt die Henkel-Aktie bei einem Stand von 27,79 Euro zum Kauf und nennt als Kursziel 33,70 Euro. Chancen: Die laufenden Programme zur Verbesserung der Effizienz und Profitabilität hat das Unternehmen bestätigt. Die kurzfristigen Einsparungen, die bereits im laufenden Jahr wirksam werden sollen, konnten um insgesamt 30 Mio. Euro angehoben werden. Risiken: Allerdings ist die Sparte Wasch- und Reinigungsmittel, wie die Analysten betonen, überproportional stark von den Kostenanstiegen für Rohstoffe und Verpackungsmaterial betroffen. Zudem können hier lediglich zeitverzögert Preiserhöhungen durchgesetzt werden. Unternehmen: Henkel hat als konsumnahes Unternehmen der Spezialchemie die Umsatzerwartung für 2008 leicht angehoben, ist aber bezüglich der Gewinnentwicklung vorsichtiger. Die Highlights des zweiten Quartals 2008 waren die Konsolidierungseffekte und weitere Marktanteilsgewinne. Wolters Kluwer (ISIN: NL 000 0395 903) - Anlagerat: Die Privatbank Hauck & Aufhäuser empfiehlt die Aktie von Wolters Kluwer bei einem Stand von 14,11 Euro zum Kauf und nennt als Kursziel 22 Euro. Chancen: Auf Basis der Kurse vom 30. Juli 2008 beläuft sich das Kurs-GewinnVerhältnis der Wolters-Kluwer-Aktie auf rund neun. Damit ist sie nach Einschätzung der Analysten unterbewertet. Die Zusammenlegung von Datenzentren, die Zentralisierung des Einkaufs und die Verlagerung von Dienstleistungen nach Asien und Osteuropa sollten in den kommenden Jahren jedoch für weitere Margenverbesserungen sorgen. Risiken: Zu den Schwächen des Unternehmens zählen die Analysten die immer noch relativ hohe Verschuldung, die Abhängigkeit vom US-Dollar sowie die saisonalen Schwankungen. Unternehmen: Das defensive Medienunternehmen ist nach Einschätzung der Analysten nahezu unabhängig von der Werbemarktentwicklung. Vielmehr basiert ein Großteil des Geschäfts auf Abonnements; der Umsatzanteil des nicht-zyklischen Geschäfts beläuft sich auf 8%. Darüber hinaus produziert Wolters Kluwer so genannte „Must-Have“-Informationen, die Fachleute fortlaufend zur Ausübung ihrer Berufe benötigen. Dies ermöglicht solide Umsatzwachstumsraten und vergleichsweise hohe Margen. Außerdem ist das Geschäft gut planbar. SEPTEMBER 2008 Außenwirtschaftsgesetz in der parlamentarischen Beratung | Wirtschaft ist wenig begeistert VON DIETER W. HEUMANN P rivate ausländische Investoren und Staatsfonds stehen mit überbordenden Geldkoffern auch vor den Toren der Bundesrepublik. Kein Wunder, schließlich sind nach deutlichem Kursverfall an den Börsen manche Unternehmen zu Schnäppchenpreisen zu haben und der Boom an den Rohstoffmärkten hat vor allem den Öl- und Gasexporteuren die Kassen kräftig gefüllt. Wachsende Staatsfonds aus Russland oder arabischen Ölstaaten, aber auch die mit hohen Währungsreserven ausgestatteten Chinesen suchen weltweit Anlagemöglichkeiten. Schätzungen zufolge halten 3 000 Mrd. US-Dollar Ausschau nach lohnenden Objekten. Nach Untersuchungen der Unternehmensberatungsgesellschaft Ernst & Young werden Staatsfonds aus Golfstaaten und rohstoffreichen Ländern fast so wichtig werden wie die Private-Equity-Fonds, die in den Boomjahren 2000 bis 2007 einen ca. 20%igen Anteil an den globalen Transaktionen erreichten. In Deutschland wird eine massive Ausweitung der Investitionen durch Staatsfonds erwartet. Während deutsche Manager eifrig Verteidigungs-Handbücher studieren und viele Vorstände überlegen, wie man mit Hilfe passiv agierender Staatsfonds die eigene Aktienstruktur stabilisieren kann, haben deutsche Politiker vor allem die Staatsfonds misstrauisch ins Visier genommen. Zu Recht, wie der russische Oligarch, Milliardär und Privatinvestor Alexander Lebedew meint, der vor russischen und chinesischen Staatsfonds warnt. Lebedew ist bereits in Deutschland engagiert, bemüht sich derzeit um den Reiseveranstalter Öger Tours und würde „mit Vergnügen die Anteilsmehrheit an einer deutschen Bank kaufen“. Die Bundesregierung will den Einfluss von Investoren von außerhalb Europas in Deutschland begrenzen. Das „13. Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes“ sieht Folgendes vor: ■ Die Regierung erhält künftig ein Prüfund Untersagungsrecht bei ausländischen Übernahmen und Beteiligungen an deutschen Unternehmen – soweit mehr als 25% der Anteile übernommen werden. ■ Allerdings sollen Übernahmen beziehungsweise Beteiligungen nur dann untersagt werden können, wenn dadurch die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in der Bundesrepublik gefährdet wird. Dies könnte zum Beispiel beim Verkauf von Stromnetzen der Fall sein. ■ Um die betroffenen Firmen möglichst wenig zu belasten, wird auf eine allgemeine Meldefrist von größeren Beteiligungen verzichtet. ■ Die Kontrolle ist nicht wie bisher auf bestimmte Wirtschaftsbereiche begrenzt. Schon bisher verfügte die Regierung über Kontroll- und Untersagungsmöglichkeiten im Rüstungs- und Kryptotechnologiebereich. ■ Hält das Wirtschaftsministerium eine Gefährdung öffentlicher Ordnung oder Sicherheit für möglich, soll ein Prüfungsverfahren eröffnet und der Investor verpflichtet werden, dem Wirtschaftsministerium die vollständigen Unterlagen über den Erwerb zu übermitteln. ■ Nach Eingang der Unterlagen kann es binnen zwei Monaten den Erwerb – nach Zustimmung der Bundesregierung – untersagen oder Anordnungen erlassen. ■ Will ein ausländischer Investor frühzeitig Klarheit darüber haben, ob das beabsichtigte Investment in Deutschland nicht gefährdet ist, kann er beim Bundeswirtschaftsministerium eine Bescheinigung zur Unbedenklichkeit des Vorhabens beantragen. ■ Nicht betroffen sein sollen von den Kontrollen neben Investoren aus der EU auch solche aus den EFTA-Ländern (Schweiz, Liechtenstein, Norwegen, Island). Die Wirtschaft ist von dem Gesetz wenig begeistert. Nach Nils Hubert, Referent im Bereich Außenwirtschaft des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), ist es zwar ein legitimes Recht der Bundesregierung, sich vor den befürchteten Gefahren zu schützen, allerdings fehle die Begründung, wovor das Gesetz schützen soll. Die stets angeführten Bereiche Telekommunikation und Energienetze seien bereits durch die bestehende Gesetzgebung abge- deckt. Zudem, so der BDI, profitiert gerade Deutschland als Exportweltmeister mehr als jedes andere Land von weltweit offenen Märkten. Der Verband weist darauf hin, dass die deutschen Investitionen im Ausland mit 811 Mrd. Euro fast doppelt so hoch sind wie die ausländischen Investitionen hierzulande. Der Sachverständigenrat, der sich in seinem Herbstgutachten in einer Analyse mit dem Problem ausländischer Investitionen befasste, kann „ein spezielles Problem mit ausländischen privaten oder staatlichen Investoren nicht erkennen“. Befürchte die Regierung Abhängigkeiten von einem ausländischen Investor, müsse das Wettbewerbsrecht eingesetzt werden, um Marktmacht zu beschränken. Die Amerikanische Handelskammer in Deutschland (AmCham Germany) sieht in dem Bestreben, die Schutzklausel im Außenwirtschaftsgesetz auszubauen, „ein gewisses Risiko für das Investitionsklima“. AmCham Germany verweist darauf, dass derzeit auf internationaler Ebene, zum Beispiel durch die EU, den IWF oder die OECD, Verhaltensstandards gemeinsam mit den betroffenen Staaten ausgearbeitet werden. Die Kammer fordert die Bundesrepublik auf, die internationalen Vereinbarungen mitzutragen und zur Grundlage eigener Politik zu machen. Ein einheitlicher Ansatz auf EU- und nationaler Ebene zu Staatsfonds sei wünschenswert, um eine Fragmentierung des Binnenmarktes zu vermeiden. Nach Ansicht des Deutschen Industrieund Handelskammertages (DIHK) drohen – durch die Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes – Investitionen zum Spielball politischer Interventionen zu werden. Kontrollen sollten nach Axel Nitschke, DIHK-Außenwirtschaftschef, „allenfalls streng auf Fragen der nationalen Sicherheit begrenzt bleiben“, hierfür fehlten aber im Gesetz klare Kriterien. Nachdem die Bundesregierung den Gesetzentwurf bereits abgesegnet hat, dürfte die parlamentarische Beratung im September beginnen. Der Zustimmung des Bundesrates bedarf die Gesetzesnovellierung nicht. Es wird damit gerechnet, dass das Gesetz noch bis Ende des Jahres in Kraft tritt. Depot-Check vom Profi Eine Aktion der DAB bank und des WirtschaftsKurier | Den Kunden fehlt oft Zeit und Wissen Fresenius (ISIN: DE 000 5785 638) Anlagerat: Die Bayerische Landesbank empfiehlt die Fresenius-Aktie bei einem Stand von 52,02 Euro zum Kauf und nennt als fairen Wert 68 Euro. Chancen: Die Aussichten für das laufende Geschäftsjahr sind bei dem Unternehmen weiterhin positiv. Fresenius erwartet einen Anstieg des Konzernumsatzes von 8% bis 10%. Währungsbereinigt soll dabei der Jahresüberschuss um 10% bis 15% wachsen. Risiken: Zu den Risiken des Unternehmens zählen die Analysten allerdings die starke Abhängigkeit vom US-Dollar sowie die geringe Planungssicherheit im staatlichen Gesundheitswesen, insbesondere in Deutschland. Zudem sind Neuentwicklungen von Medikamenten sehr teuer und das Risiko einer Nichtzulassung ist hoch. Unternehmen: Fresenius ist ein weltweit tätiger Gesundheitskonzern mit Produkten und Dienstleistungen für die Dialyse, das Krankenhaus und die ambulante medizinische Versorgung von Patienten. Zum Fresenius-Konzern gehören drei Unternehmensbereiche, die weltweit eigenverantwortlich wirtschaften und handeln: Fresenius Medical Care, Fresenius Kabi und Fresenius ProServe. Iberdrola (ISIN: ES 014 4580 Y14) - Anlagerat: Die Landesbank Baden-Württemberg empfiehlt die Iberdrola-Aktie bei einem Stand von 8,29 Euro zum Kauf und nennt als Kursziel 10 Euro. Chancen: Der Aufschlag der Aktie ist nach Meinung der Analysten aufgrund des hohen Kapazitätsanteils an Wasserkraft und erneuerbaren Energien (hauptsächlich Wind) gerechtfertigt. Insbesondere die Stromerzeugung mit Hilfe von Wasserkraft ist in Zeiten steigender Preise aufgrund der vergleichsweise niedrigen Herstellungskosten (kein Rohstoffbezug) besonders vorteilhaft. Risiken: Zu den Schwächen des Unternehmens zählen die Analysten die Tatsache, dass ein verlässlicher Großaktionär nicht vorhanden ist, sowie neue Rahmenbedingungen und Integrationsrisiken. Unternehmen: Iberdrola ist führend im spanischen Versorgungsmarkt und produziert Strom durch konventionelle Erzeugungsarten (Kohle, Öl und Kernkraft) sowie zunehmend mit Hilfe erneuerbarer Energieträger (Wasser- und Windkraft). In der Stromerzeugung mittels Windenergie belegt das Unternehmen weltweit Platz eins. Mzg W arum einen unabhängigen Vermögensverwalter einschalten? Beispielsweise deshalb, weil er sich mehr Zeit für einen Kunden nimmt. „Während sich der Berater einer Bank im Regelfall um einige 100 Kunden kümmern muss, betreut ein Vermögensverwalter nur einige Dutzend“, erklärt ein Insider. Durch den engen persönlichen Kontakt kennt der Vermögensverwalter die Verhältnisse seiner Klienten sehr genau. Über 400 Vertreter dieser Zunft sind in Deutschland tätig. Sie helfen wohlhabenden Anlegern, deren Vermögen zu erhalten und zu mehren. „Unser Mehrwert gegenüber einer klassischen Anlageberatung bei einer Geschäftsbank ist die strikte Trennung zwischen Abwicklung und Beratung“, sagt Direktor Ingo Schweitzer von der AnCeKa Vermögensbetreuungs AG. Dadurch vermeidet man Interessenskonflikte und kann für seinen Kunden in der Abwicklung bedeutend günstigere Konditionen aushandeln. Auch hat man für seine Kunden eine absolute Unabhängigkeit in der Auswahl von Produkten. Zudem ist die Kontinuität des Betreuers gewährleistet, was gerade in der heutigen Zeit von großer Bedeutung ist. Was sind die Notwendigkeiten für einen Vermögensverwalter? Das fragte die DAB bank vor einem Depot-Check. Sie ist die Direktbank Nummer eins im Wertpapiergeschäft in Deutschland und Österreich. „Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermögensverwaltung ist zunächst eine genaue Vermögensanalyse“, sagt Hans Eberhardt, Geschäftsführer der Unikat Vermögensverwaltung GmbH. Dann muss zusammen mit dem Kunden das Risikoprofil erarbeitet werden. Dabei gilt es, seine Zielvorstellungen und Erwartungen zu besprechen unter Berücksichtigung von Zeithorizont, Alter und familiärer Umgebung. Danach wird die Anlagestrategie für den Vermögensverwalter festgelegt. Hierbei handelt es sich beispielsweise um das Verhältnis zwischen Anleihen und Aktien sowie sonstigen Anlagemöglichkeiten. Erst nachdem diese Punkte besprochen sind, wird der Vermögensverwalter die Umsetzung sowie die laufende Anpassung an sich verändernde Märkte eigenständig und verantwortungsvoll vornehmen. Für Hans Eberhardt gibt es gute Gründe, einen Vermögensverwalter zu engagieren, statt sein Depot in Eigenregie zu managen. Wie ein Depot-Check zeigt, ist beim Kunden oft fehlendes Fachwissen zu beobachten. Hinzu kommen Zeitmangel durch Urlaub, geschäftliche Abwesenheit und Krankheit. Der Kunde agiert in der Regel mit Emotionen und will oftmals Kursverluste aussitzen. Dagegen verkauft der Vermögensverwalter, auch wenn Titel zum Beispiel noch Kursverluste aufweisen. Ein Vermögensverwalter empfiehlt sich vor allem bei einem größeren Vermögensbetrag und der Notwendigkeit zur Streuung. Bei der Depotstrategie und deren Umsetzung handelt er emotionslos. Er kommt zu Wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Vermögensverwaltung ist eine genaue Vermögensanalyse. Foto: Fotolia klaren Entscheidungen über Kauf, Verkauf und Limits beziehungsweise Stopps. Zudem kann der Vermögensverwalter die Kurse zeitnah beobachten und durch seine direkte Verbindung zu den Börsenplätzen schneller handeln. Als Profi hat er, wie der Depot-Check zeigt, einen Informationsvorsprung und dadurch bessere Vergleichsmöglichkeiten. Er hat die im Depot befindlichen Werte unter täglicher Beobachtung und wird außerdem in der Regel durch umfassende Spezialsoftware unterstützt. Zudem überblickt der Vermögensverwalter das gesamte Spektrum der Anlageklassen und kann individuell und marktbezogen streuen. „Der Gang zu einem unabhängigen Vermögensverwalter ist gleichbedeutend mit einer Abkehr von Produkt- und Hauszwängen, denen gebundene Bankberater oft unterliegen“, erläutern Insider. „Meist müssen diese bestimmten Weisungen folgen und beispielsweise vorgegebene Produkte empfehlen oder Anlageideen des eigenen Hau- ses in den Vordergrund stellen“, kritisieren sie. Die einzige Maxime, der unabhängige Vermögensverwalter folgen, sei dagegen das Interesse des Kunden. KONTAKT In Kooperation mit der DAB bank haben Leser des WirtschaftsKurier die Möglichkeit, ihre gesamten Geldanlagen von Aktien, Zertifikaten, Investmentfonds oder Anleihen über Immobilien und Lebensversicherungen kostenlos von einem bankenunabhängigen Vermögensverwalter in ihrer Nähe überprüfen zu lassen. Testen Sie, ob Ihr Geld richtig angelegt ist, um 2008 und darüber hinaus erfolgreich zu sein. Einzige Bedingung: Sie haben mindestens 25 000 Euro gespart oder wollen eine entsprechende Summe anlegen. Die Beratung ist kostenlos und verpflichtet zu nichts. Sie umfasst ein bis zu zweistündiges, persönliches oder telefonisches Gespräch. Es besteht keinerlei Verpflichtung. Ein Anspruch auf eine mehrseitige schriftliche Analyse besteht nicht. Die DAB bank versichert, dass alle Informationen vertraulich behandelt werden. Die Verwendung und Speicherung Ihrer Daten sowie die Übermittlung an den Vermögensverwalter erfolgt ausschließlich zum Zweck der Durchführung des Depot-Checks. Unter der Telefonnummer 08 00 /3 22 30 02 können Sie sich von Montag bis Sonntag zwischen 10 und 20 Uhr anmelden und informieren. Bitte geben Sie dabei das Stichwort: „WirtschaftsKurier“ an. Der Anruf ist aus dem Festnetz der Telekom kostenlos. Mobilfunk kann abweichen. Darüber hinaus können Sie einen Brief an die DAB bank AG Stichwort: „WirtschaftsKurier“ Landsberger Straße 300 80687 München schreiben. Des Weiteren besteht auch unter www.wirtschaftskurier.de/depotcheck die Möglichkeit der Online-Anmeldung. Anmeldeschluss: 31.12.2008 FINANZEN & BÖRSE SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 11 Zweit-Depot empfohlen Absage an die Kostenlos-Welle Abgeltungssteuer | Wie man das Beste daraus macht Sparkassenverband Baden-Württemberg | Konsolidierung der Landesbanken gefordert VON LOTHAR BEHRENS* D as entscheidende Finale liegt nun schon eine Weile hinter uns, ist aber trotzdem sicher noch vielen in Erinnerung. Einige werden sich vielleicht auch noch an die bewegenden Momente und das Interview mit Jens Lehmann direkt im Anschluss an das verlorene Match erinnern: „Klar, das Leben geht weiter, aber das war meine letzte Chance als Meister vom Platz zu gehen. Das muss ich erst mal langsam verdauen, eine weitere Chance habe ich als Fußballer leider nicht mehr!“ So oder ähnlich wird es wahrscheinlich vielen deutschen Anlegern irgendwann im nächsten Jahr ergehen, natürlich weniger emotional und spektakulär wie nach dem Finale in Wien – aber vielleicht persönlich genauso einschneidend. Es sei denn, sie handeln noch rechtzeitig bis Jahresende. Denn fast unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit tritt zum 1. Januar 2009 das Gesetz zur Abgeltungssteuer in Kraft. Bei mehreren hundert Änderungen von Gesetzen und Verordnungen pro Jahr mit einer Vielzahl von Paragrafen wundert es kaum, dass laut einer repräsentativen Meinungsumfrage der GfK mehr als zwei Drittel der Bundesbürger nur unzureichend über die neue Steuer informiert sind. 40% der Befragten wissen „gar nichts“, 30% „etwas“ über die Abgeltungssteuer. Immerhin will sich die Hälfte der Wertpapierbesitzer bis zum Jahresende über die neue Steuer informieren. Noch 2008 handeln Doch dann kann es bereits zu spät sein. Denn nur wer jetzt aktiv wird, gewinnt. Um in der Fußballersprache zu bleiben: Die Regeln zur Besteuerung von Kapitaleinkünften ändern sich massiv. Wer noch in 2008 handelt und in Wertpapiere oder Fonds investiert, hat „einen Schuss“ nach altem Steuerrecht frei. Er profitiert nach seiner sechsmonatigen Haltedauer von der Steuerfreiheit seiner erzielten Erträge. Und dies unabhängig davon, ob er seine Gewinne in 2009, 2019 oder etwa erst in 2029 realisiert. Je weiter der „Abschlag“ in die Zukunft, desto lohnender. Insofern ist es elementar wichtig, einen langfristigen Ver- mögensaufbau zu planen und dafür in 2008 zu handeln, das heißt zu investieren. Veräußerungsgewinne sind nur für diejenigen Wertpapiere abgeltungssteuerpflichtig, die nach dem Stichtag erworben wurden. Realisiert ein Anleger beispielsweise erst in fünf Jahren Gewinne aus Papieren, die er bereits heute erworben hat, so sind diese Gewinne abgeltungssteuerfrei. Da kann es sich im Einzelfall sogar lohnen, geplante Wertpapierinvestitionen bewusst ins Jahr 2008 vorzuziehen. In diesem Zusammenhang raten Finanzund Steuerexperten außerdem zur Anlage eines Zweit-Depots – ein cleverer Weg, um Wertpapiere oder Ansparpläne nach neuem und altem Steuerrecht eindeutig zu trennen. Ansonsten greift bei Verkäufen von Wertpapierbeständen das FiFo-Prinzip (first in – first out): Es gelten diejenigen Anteile einer Gattung innerhalb eines Depots als zuerst verkauft, die zuerst angeschafft wurden. Steuerchaos vermeiden Möchten Sie selbst entscheiden, ob steuerfreie oder steuerpflichtige Anteile zuerst verkauft werden? Möchten Sie von den Möglichkeiten der bisherigen Regelung profitieren und die schmerzliche Abgeltungssteuerfalle von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag vermeiden? Dann gilt: Trennen Sie Ihre Wertpapiere nach neuem und altem Steuerrecht und bewahren Sie sich so Ihre Handlungsfreiheit gegenüber den Finanzbehörden. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt dabei: Sie sparen sich viel Mühe und Zeit bei Ihrer Steuererklärung. Unser Haus macht Wertpapierkunden hier ein spezielles Angebot: halber Preis – volle Leistung für ein Zusatz-Depot. Ein weiterer Tipp, der sich für Wertpapierinteressierte auszahlt: Führen Sie Depots verschiedener Anbieter, sofern noch nicht geschehen, bei einer Bank zusammen. Nur dann profitieren Sie davon, dass Gewinne und Verluste aus Wertpapiergeschäften bankseitig automatisch saldiert werden. So fällt der sofort zu entrichtende Abgeltungssteuerbetrag niedriger aus, der durch die Bank abgeführt wird. Anderenfalls müssten Sie die zeitaufwändige steu- H auptthema für das zweite Halbjahr 2008 wird die Konsolidierung der Landesbanken sein, sagte Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg bei der Vorstellung der Halbjahreszahlen. „Das alte Geschäftsmodell der reinen WholesaleBank ist überholt.“ Darauf gebe es nur eine Antwort: Die Reduzierung der Landesbanken auf eine deutlich kleinere Zahl als bisher. Schneider stellte klar, dass seiner Ansicht nach kein Weg an einer international ausgerichteten Landesbank vorbeiführt. Ein solches Institut müsse sich Marktpotenziale jenseits der Sparkassen erschließen. Zur Lage der LBBW, deren Verwaltungsratsvorsitzender er ist, sagte Schneider: „Die LBBW hat bis heute ein funktionierendes Geschäftsmodell. Sie hat noch nie Lothar Behrens, Vorstand der Augsburger Aktienbank: „Wer jetzt handelt, gewinnt das Spiel.“ Foto: AAB erliche Veranlagung wählen, um die eventuell zuviel abgeführte Abgeltungssteuer selbst vom Finanzamt zurückzufordern. Wie beim Torwart Lehmann geht das Leben natürlich auch nach dem Stichtag 1. Januar 2009 weiter. Nach aller Wahrscheinlichkeit wird die Anlage in Unternehmenswerte, das heißt in Aktien oder entsprechende Fonds, auf lange Sicht weiterhin die höchsten Erträge im Vergleich zu anderen Anlageformen generieren. Doch wer sich erst im neuen Jahr zum Kauf entschließt, der belastet sein Investment automatisch vom Start weg mit einer 25%igen Abgeltungssteuer. Über dieses stichtagsbezogene Handikap sind sich leider die wenigsten Anleger richtig bewusst. So erklären 60% der befragten Deutschen, sie würden bis zum Jahresende nicht in Aktien investieren und auch sonst nichts unternehmen. Schade, denn hier entgeht vielen eine einmalige Chance, die – wie bei einem Fußballendspiel – nicht wiederkommt. *Lothar Behrens, Mitglied des Vorstands der Augsburger Aktienbank AG. Kapital gekostet. Die Integration von Sachsen und Rheinland-Pfalz koste eine Menge Kraft und Geld. Auch die Belastungen der LBBW aus der Finanzmarktkrise kämen zu einem erheblichen Teil von dort. Es gebe daher keine Alternative zu dem eingeschlagenen Weg der Integration. Für das Gesamtjahr geht Schneider von einem Betriebsergebnis leicht unter dem Vorjahresniveau aus. Im vergangenen Jahr erzielten die 55 Sparkassen ein Betriebsergebnis vor Bewertung von 1,477 Mrd. Euro. Den Banken macht vor allem der sinkende Zinsüberschuss zu schaffen. Im operativen Geschäft verzeichneten die Institute deshalb seit vier Jahren einen Rückgang der Rentabilität. Eine Absage erteile der Präsident des größten Sparkassen-Regionalverbandes in Deutschland einem Preiskampf. Die Kos- tenlos-Welle werden die Sparkassen nicht mitmachen. Stattdessen setzen sie auf einen Qualitätswettbewerb. Gegen den bundesweiten Trend gewinnen die Sparkassen in Baden-Württemberg seit drei Jahren sogar leicht bei Girokonten hinzu. Gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt stieg die Bilanzsumme der baden-württembergischen Sparkassen um 5,3% auf 165 Mrd. Euro. Die Einlagen der Kunden stiegen um 3% auf 99 Mrd. Euro. Die Höhe der Einlagen sei ein Garant dafür, dass die Sparkassen Kredite vergeben könnten. Die Unternehmenskredite erhöhten sich um 6,5% auf 42,332 Mrd. Euro. „Von einer Kreditklemme kann bei den Sparkassen überhaupt keine Rede sein“, stellte Schneider fest. Die Entwicklung bei den Krediten an Privatkunden stagnierte mit 46,2 (46,5) Mrd. Euro auf hohem Niveau. hp Ausbau der Marktposition VP Bank | Investitionen in Personal und IT A ls „Phase der Bewährung“ bezeichnete Hans Brunhart, Präsident des Verwaltungsrats der liechtensteinischen VP Bank, das erste Halbjahr. Die Rahmenbedingungen waren gekennzeichnet durch die Finanzmarktkrise, die Diskussionen um das Bankgeheimnis sowie hohe Investitionen in Marktbearbeitung und Technologie. Doch habe sich gezeigt, „dass die generelle Ausrichtung sowie das Geschäftsmodell stimmen“, so Brunhart. Der Konzerngewinn der VP Bank Gruppe für das erste Halbjahr 2008 reduzierte sich um 57,7% auf 41,0 Mio. CHF. Dieser Rückgang beruhe im Wesentlichen darauf, dass die unter dem „Übrigen Erfolg“ verbuchten Finanzanlagen gegenüber der von Sondereffekten geprägten Vergleichsperiode des Vorjahres um 31,0 Mio. CHF niedriger lagen. Die VP Bank sei aber nicht von der Subprimekrise betroffen und habe keinen Abschreibungsbedarf aus den Folgen der Fi- nanzmarktkrise. Allerdings hätten sich die wirtschaftlichen Voraussetzungen für das Bankgeschäft im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich verändert. Neben der negativen Entwicklung der Finanzmärkte habe sich auch der zunehmende internationale Druck auf Länder, die ein Bankkundengeheimnis kennen, ausgewirkt. Liechtenstein hat mittlerweile mit der EU die Verhandlungen über ein Betrugsabkommen weitestgehend abgeschlossen. Das bedeutet, dass grenzüberschreitendes Banking zunehmend von regulatorischen Standards dominiert wird, die für Banken wie für Kunden gleichermaßen von Relevanz sind, teilte die VP Bank mit. Die VP Bank, die per Ende Juni 2008 eine Bilanzsumme von 11,5 Mrd. CHF (plus 1,0 Mrd. CHF) aufwies, sei trotz der schwierigen Rahmenbedingungen strategisch auf Kurs geblieben. Im Fokus steht derzeit der Ausbau der Position in neuen Märkten im Fer- nen und Mittleren Osten, wo im Juni 2008 die VP Bank (Singapore) an den Start ging. Darüber stand auch die Einführung eines neuen Banken-Software-Pakets auf dem Programm, die planmäßig verlaufen sei. Überdies sei der Personalbestand um 40 Vollzeitstellen ausgebaut worden. Am 1. Juli 2008 traten auch Änderungen der Organisationsstruktur in Kraft, die die Führung der Gruppe über die Marktorganisation verstärken und den Geschäftseinheiten operativ mehr Spielraum geben. Durch die überdurchschnittlich hohen Investitionen sei die Cost/Income-Ratio von 43,0% auf 62,7% gestiegen, die Kennzahl werde sich aber wieder zurückbilden. Die VP Bank Gruppe geht von einem weiterhin sehr volatilen Marktumfeld aus. Im weiteren Jahresverlauf stehen der Ausbau der Marktposition und die Modernisierung der IT-Infrastruktur bei gleichzeitiger Kostendisziplin auf dem Programm. hp Die Für st Fugge r Privat in der E bank un lite der verände Vermög rt ensverw auch 20 08 mit alter – der Aus zeichnu ng „magna Zukunft braucht Herkunft. Und Herkunft verpflichtet. 1486 wurde die Fuggerbank als erste Bank Deutschlands genannt. Damals war das Bankhaus bereits mit dem kaiserlichen Haus Habsburg im Geschäft. Jahrzehntelang logierten die Kaiser in den Augsburger Fuggerhäusern, der Zentrale des bedeutendsten Bankhauses dieser Epoche – heute Stammsitz der Fürst Fugger Privatbank. Mit dem Habsburger Wappen auf dem „Adlertor“ der Fuggerhäuser zeichneten die Kaiser ihre Gastgeber aus. Ausgezeichnet wird auch das Bankhaus von heute. Seit dem Jahr 2005 gehört die Fürst Fugger Privatbank bei umfassenden Tests von Banken und Vermögensverwaltern durch die „Elite ReportEdition“ kontinuierlich zur Elite der Vermögensverwalter im deutschsprachigen Raum. 2008 bekam die Fürst Fugger Privatbank von der „Elite Report Edition“ und ihrem Medienpartner „Handelsblatt“ erneut das Prädikat „magna cum laude“ verliehen. AUGSBURG MÜNCHEN NÜRNBERG S T U T T G A RT Maximilianstraße 38 Kardinal-Faulhaber-Straße 14 a Rathenauplatz 2 Kronprinzstraße 11 Telefon 0821 3201-0 Telefon 089 290729-0 Telefon 0911 52125-0 Telefon 0711 870359-0 Mehr Informationen unter www.fuggerbank.de cum lau de“ 12 AKTIENSPIEGEL WirtschaftsKurier DIE DAX-WERTE DAX VOM 29.08. 6 422,30 | 31.07. 6 479,56 Unternehmen letzte 29.08. Dividende Adidas 0,50 40,05 Allianz* 5,50 114,10 BASF* 3,90 39,38 Bayer* 1,35 54,01 BMW 1,06 28,00 Commerzbank 0,75 20,09 Continental 2,00 74,05 Daimler* 2,00 39,90 Deutsche Bank* 4,50 58,20 Deutsche Börse* 2,10 64,82 Deutsche Post 0,90 16,00 Deutsche Postbank 1,25 44,63 Deutsche Telekom* 0,78 11,31 Eon* 4,10 39,85 Fresenius Medical Care 0,54 36,60 Henkel VZ 0,53 26,76 Hypo Real Estate 0,50 16,68 Infineon 0 5,85 Linde 1,70 86,01 Lufthansa NA 1,25 14,70 MAN 3,15 66,85 Merck 3,20 78,25 Metro 1,12 38,03 Münchener Rück* 5,50 106,18 RWE* 3,15 73,63 SAP* 0,50 38,20 Siemens* 1,60 74,26 ThyssenKrupp 1,30 31,21 TUI 0,25 13,59 Volkswagen* 1,80 204,00 31.07. 30.06. 30.05. 30.04. 31.03. 29.02. 31.01. 39,41 109,32 40,69 55,42 28,1 20,78 72,35 37,33 59,59 73,51 15,09 45,51 11,16 122,45 35,43 25,65 18,06 4,90 88,88 14,77 64,70 77,62 36,25 106,80 76,96 37,26 78,76 35,1 14,78 204,76 45,32 111,90 43,82 53,56 30,55 18,84 65,27 39,28 54,85 71,69 16,60 55,76 10,40 128,15 35,01 25,31 17,88 5,53 89,30 13,70 70,51 90,29 40,54 111,26 80,23 33,26 70,52 39,88 14,72 183,28 40,99 121,69 96,37 57,00 38,07 22,69 81,50 48,92 68,73 92,23 20,45 62,10 10,76 136,76 35,82 30,73 21,25 5,79 96,59 16,67 100,26 90,36 47,32 120,50 83,09 35,52 72,92 43,43 17,01 177,05 42,11 130,93 91,65 54,80 35,25 23,30 75,53 49,93 76,97 94,22 20,03 56,32 11,54 130,71 34,09 27,35 24,02 6,01 94,10 16,87 89,74 91,21 50,96 124,26 73,94 32,39 75,57 40,23 18,38 189,39 41,94 125,48 85,31 50,76 34,99 19,80 64,59 54,15 71,70 102,03 19,35 60,47 10,55 117,26 31,85 29,28 16,46 4,45 89,49 17,13 84,14 78,07 51,18 123,88 77,86 31,48 68,65 36,24 16,25 183,64 42,48 117,50 83,98 50,85 36,18 20,08 64,72 55,79 74,26 104,89 21,98 64,38 12,57 124,20 34,36 29,21 18,94 5,36 87,82 15,49 87,22 82,19 55,47 116,39 79,87 31,61 85,24 38,15 15,90 151,79 51,26 119,46 87,21 54,83 36,80 20,26 69,50 52,19 75,16 116,85 21,66 55,57 13,74 123,60 34,46 30,55 20,94 6,77 87,47 15,97 82,33 82,90 54,84 120,27 82,46 32,20 86,18 32,74 14,49 156,10 Hoch Tief (52 Wochen) 51,63 34,36 166,60 95,76 52,87 38,54 66,45 45,60 48,92 25,80 32,04 16,40 106,00 50,90 78,85 35,30 96,72 47,48 136,32 58,67 24,38 14,52 67,10 39,37 15,87 9,92 154,11 110,60 39,30 29,65 40,00 21,73 45,70 12,95 12,41 4,08 97,90 79,39 21,94 12,59 126,99 62,55 100,82 72,28 68,60 35,58 139 101,54 102,54 71,10 42,08 28,31 109,96 64,89 46,92 29,69 21,80 12,17 215,43 144,30 * Diese Dax-Werte gehören auch zum Euro Stoxx 50 Konjunktur nur mit kurzer Delle? EZB spricht von kurzer Schwächephase | M. M.Warburg ist nicht so optimistisch D ie Europäische Zentralbank (EZB) hat Zurückhaltung bei der Zinsentwicklung geübt. Wer angesichts der konjunkturellen Eintrübung(en) mehr erwartet hatte, der sah sich von der jüngsten Zinsentscheidung und den folgenden Äußerungen von EZB-Chef Jean-Claude Trichet enttäuscht. Die obersten Währungshüter des Euro wiesen nur auf die nach wie vor bestehenden Inflationsrisiken und die Gefahr von möglichen Zweitrundeneffekten hin. Nach oben gingen allerdings die Projektionen des EZB-Stabs für die Inflationsraten für 2008 (auf 3,5%) und 2009 (auf 2,6%). Somit scheint die EZB, so die Analysten von M. M. Warburg, den aktuellen Entwicklungen auf den Rohstoffmärkten, die deutlich nach unten weisen, keine Nachhaltigkeit zuzusprechen. Denn nach eigenen Berechnungen kommt Warburg zu dem Schluss, dass eine Inflationsrate von 2,6% im nächsten Jahr nur dann erreicht würde, wenn die Energiepreise bis Ende 2009 stagnieren und Nahrungsmittel, Industriegüter und Dienstleistungen sich wie im Durchschnitt der vergangenen zwölf Mo- nate verteuern würden, wobei sich bei den Nahrungsmitteln zuletzt die Preise – ähnlich wie auf den Rohstoffmärkten – abgeschwächt haben. Alles in allem halten die Fachleute von Warburg das Inflationsszenario der EZB mit hoher Wahrscheinlichkeit für zu negativ. „Technische“ Rezession Aber für noch geringer halten die Banker die Eintrittswahrscheinlichkeit des von der EZB prognostizierten Konjunkturszenarios. Denn die EZB mache sich um die Konjunktur in den Ländern der europäischen Währungsunion vergleichsweise wenig Sorgen. Den Rückgang des Bruttosozialprodukts im zweiten Quartal betrachtete die EZB lapidar als technische Gegenreaktion auf das starke erste Quartal und die anhaltende Schwächephase des dritten Quartals wurde kurzum als Delle bezeichnet. Danach werde es laut Trichet mit der Wirtschaft wieder aufwärts gehen. Warburg kann den Optimismus der EZB hier allerdings nicht nachvollziehen. „Nicht nur die Frühindikatoren, sondern auch die realwirtschaftlichen Daten sprechen eine an- DIE EURO STOXX 50-WERTE Unternehmen Aegon Air Liquide Alcatel Arcelor Mittal AXA-UAP Banco Bilbao Banco Santander BNP Paribas Carrefour Credit Agricole Danone Enel ENI Fortis France Télécom GdF Suez Generali Iberdrola ING Intesa Sanpaolo L’Oréal LVMH Nokia Philips Repsol S.A. Renault Saint Gobain Sanofi-Aventis Schneider Electric Société Generale Telecom Italia Telefonica de Espana Total Unicredito Italiano Unilever Vinci Vivendi letzte Dividende 0,32 2,25 0,16 0,38 1,20 0,28 0,28 3,35 1,08 0,94 1,10 0,29 0,70 0,59 1,30 1,26 0,90 0,15 0,82 0,38 1,38 1,25 0,53 0,60 0,50 3,80 2,05 2,07 3,30 0,08 0,39 1,07 0,26 0,50 1,05 1,30 dere Sprache“, so Warburg. Immerhin sinken die Auftragseingänge in Deutschland zum achten Mal in Folge, doch Trichet baut auf den anhaltenden Boom aus den Schwellenländern. Aber auch hier waren die Frühindikatoren vergleichsweise schwächer und so hätten nach Warburg die Konjunkturprognosen der EZB nichts mehr mit der gegenwärtigen wirtschaftlichen Realität zu tun. Die für dieses Jahr vorausgesagten 1,4% Wachstum können vielleicht so eben noch erreicht werden, aber die Erwartung, dass sich das Wirtschaftswachstum 2009 nur marginal auf 1,2% verringern wird, ist, so Warburg, „fernab aller ökonomischen Vorstellungskraft, würde dies doch voraussetzen, dass die Wachstumsdynamik im nächsten Jahr wieder kräftig zunimmt“. Warburg hält jedoch eine „technische Rezession“, also einen erneuten Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts im dritten Quartal in Deutschland, inzwischen für fast sicher. Insofern geht Warburg davon aus, dass der Druck auf die EZB, die Zinsen zu senken, in nächster Zeit deutlich zunehmen wird. uk/M. M. Warburg EURO STOXX 50 VOM 29.08. 3 365,63 | 31.07. 3 367,82 29.08. 31.07. 30.06. 30.05. 30.04. 31.03. 29.02. 31.01. 8,05 83,01 4,15 53,76 21,86 11,56 11,64 61,48 36,13 14,52 47,59 6,27 22,18 9,48 20,14 39,40 22,70 8,24 21,34 3,66 67,91 72,72 17,08 22,24 21,20 57,27 41,90 48,61 68,90 66,10 1,11 16,91 49,05 3,67 18,85 38,85 26,44 7,54 84,27 3,87 57,22 18,99 11,83 12,48 63,80 32,93 13,77 47,75 5,94 21,72 9,08 20,37 40,34 22,30 8,76 21,01 3,62 67,40 70,95 17,65 21,48 21,62 53,71 40,21 45,07 71,42 59,84 1,16 16,73 49,40 3,83 18,03 36,50 26,97 8,41 83,87 3,86 62,80 18,86 12,17 11,67 57,54 35,96 12,98 44,60 6,06 23,58 10,16 18,71 43,24 24,37 8,51 20,26 3,64 69,10 66,58 15,49 21,61 25,03 52,10 39,79 42,43 68,61 55,29 1,27 16,88 54,20 3,88 21,01 39,00 24,10 9,82 94,48 4,86 63,67 22,71 14,33 13,39 66,34 45,07 17,01 56,27 7,24 26,26 15,74 19,51 47,91 26,79 9,28 24,54 4,22 78,22 75,21 18,53 24,68 26,60 66,00 51,84 47,91 80,74 66,80 1,42 18,45 56,09 4,49 21,60 48,43 27,02 10,33 96,72 4,33 56,79 23,91 14,77 13,85 69,25 45,23 21,65 56,84 6,99 24,77 17,50 20,16 45,50 28,53 9,41 24,51 4,81 76,21 73,42 19,72 24,15 26,04 66,05 51,75 50,15 78,61 75,16 1,35 18,57 53,94 4,88 21,27 47,43 26,07 9,32 96,57 3,62 51,89 22,99 13,95 12,62 63,89 45,23 19,60 56,64 6,72 21,53 15,96 21,30 41,57 28,67 9,82 23,72 4,48 80,44 70,50 20,04 24,23 21,86 70,10 51,65 47,52 81,96 62,02 1,33 18,20 47,04 4,26 20,53 45,79 24,75 9,96 93,95 3,91 50,67 22,48 13,76 11,93 59,57 48,87 18,04 51,98 7,13 22,77 14,68 22,28 42,21 28,27 9,60 22,25 4,44 78,72 68,23 24,10 25,98 22,85 71,20 52,22 48,79 75,72 71,10 1,65 19,24 49,99 4,87 21,79 45,96 26,22 9,96 92,94 4,19 44,10 22,88 14,07 11,83 65,83 46,68 20,49 54,03 7,45 21,65 14,89 23,62 40,86 28,44 10,18 21,68 4,77 82,46 68,53 24,36 26,18 21,33 75,79 52,07 54,35 77,12 83,20 2,04 19,54 48,71 4,94 25,19 45,42 26,85 Hoch Tief (52 Wochen) 14,35 7,12 95,65 74,68 8,11 3,24 67,79 35,35 32,49 16,08 17,54 10,71 15,23 10,50 82,85 51,23 54,20 30,20 26,64 11,08 64,00 40,53 8,41 5,37 27,36 20,70 23,96 7,76 27,33 17,08 44,77 32,86 33,84 21,90 12,03 7,55 32,53 17,76 5,67 3,29 99,97 60,62 89,36 59,49 28,76 14,71 32,27 19,31 22,91 18,27 117,30 47,96 80,49 31,92 66,90 41,27 100,91 60,11 121,36 47,55 2,26 1,05 23,48 15,82 59,50 45,45 6,39 3,35 25,72 17,10 58,24 33,05 32,68 23,05 SEPTEMBER 2008 DIE MDAX-WERTE MDAX VOM 31.07. 8 280,11 | 29.08. 8 681,82 Unternehmen letzte 29.08. Dividende Aareal Bank 0,50 16,44 Altana 0,51 10,90 AMB Generali Holding 2,90 115,54 Arcandor 0 5,41 Beiersdorf 0,70 39,65 Bilfinger Berger 1,80 48,11 Celesio 0,77 26,15 Douglas Holding 1,10 30,41 Demag Cranes 1,10 37,36 Deutsche EuroShop 1,05 23,89 Deutz 0,40 4,26 EADS 0,65 15,33 Fraport 1,15 43,95 Fresenius 0,67 55,68 Fuchs Petrolub 50,00 Gagfah 9,49 Gea Group 0,20 21,50 Gildemeister 0,35 16,52 Hamburger Hafen 42,76 Hannover Rück 2,30 29,17 Heidelberger Druckm. 0,95 14,00 HeidelbergCement 1,30 77,00 Hochtief 1,30 57,69 Hugo Boss VZ 6,46 23,95 IVG Immobilien 0,70 12,57 K+S 2,00 82,80 Klöckner & Co 0,80 27,37 Krones VZ 0,53 50,06 KUKA 1,00 15,87 Lanxess 1,00 26,35 Leoni 0,90 30,36 MLP 0,50 13,89 MTU Aero Engines 0,93 23,80 Norddt. Affinerie 1,45 31,64 Pfleiderer 0,30 10,25 Praktiker Bau- u. H. 0,45 10,22 Premiere 0 12,69 ProSiebenSat1 VZ 1,25 6,99 Puma 2,75 215,04 Rheinmetall VZ 1,30 43,65 Rhön-Klinikum VZ 0,28 22,86 Salzgitter 3,00 105,10 SGL Carbon 0 41,11 Stada Arzneimittel VNA 0,71 37,28 Südzucker 0,40 11,59 Symrise 0,50 11,80 Tognum 0,60 14,95 Vossloh 1,70 88,94 Wacker Chemie 3,00 125,74 Wincor Nixdorf 2,78 50,30 31.07. 30.06. 30.05. 30.04. 31.03. 29.02. 31.01. 15,53 10,10 117,34 7,43 41,50 43,46 20,99 30,39 35,29 23,01 4,85 12,26 39,26 52,20 53,21 8,75 21,19 18,47 41,81 30,64 11,81 76,66 50,08 24,47 12,20 79,59 32,36 50,95 15,35 24,97 26,64 11,63 19,90 34,64 7,69 34,64 11,63 5,47 207,65 39,48 20,65 105,66 42,98 33,27 11,23 11,01 14,14 83,07 133,30 48,19 15,57 10,10 115,22 7,38 46,77 55,33 22,98 33,10 30,29 24,31 5,84 12,01 43,10 54,87 60,00 9,02 22,44 17,99 49,40 31,35 13,03 92,17 64,61 32,52 12,52 366,30 36,38 54,35 20,63 26,08 27,20 11,42 20,72 34,67 8,67 13,43 13,99 6,37 213,16 45,91 20,17 116,40 44,59 45,62 11,52 13,80 17,12 82,80 132,76 44,22 19,13 10,95 115,34 11,62 50,67 59,50 27,20 24,51 37,15 26,16 6,99 15,08 42,85 56,55 64,76 11,05 25,03 22,19 55,56 35,44 16,07 110,15 74,40 32,15 15,47 301,34 38,79 53,87 21,73 28,99 32,58 11,52 27,78 30,90 12,44 16,95 13,50 9,06 251,34 51,02 19,85 126,30 47,80 42,15 14,60 16,04 18,38 93,10 153,95 51,05 24,04 12,16 117,47 12,07 54,69 55,09 27,55 34,10 35,56 27,32 7,04 16,21 46,44 53,20 65,95 11,07 23,75 18,92 53,53 34,96 15,30 108,04 66,15 33,37 16,18 269,59 35,16 54,58 23,64 25,01 34,32 10,75 29,48 27,12 13,66 13,93 13,67 9,98 228,76 48,69 19,42 132,12 43,81 43,61 14,62 15,93 18,50 92,94 159,00 49,14 20,67 13,36 108,08 12,67 53,29 54,56 31,36 34,47 28,92 26,58 7,29 15,04 45,72 52,75 59,09 11,88 21,30 15,94 48,25 33,02 17,01 109,07 58,00 32,06 17,72 207,31 32,41 51,70 21,76 25,43 30,32 9,02 26,75 25,08 16,00 16,93 14,16 13,70 243,94 44,70 18,77 110,19 40,00 46,01 14,05 16,36 13,89 89,36 129,78 50,70 22,45 13,36 99,20 11,67 52,95 52,54 37,92 35,10 28,28 25,14 6,92 17,44 49,23 55,65 53,50 11,01 21,59 15,54 31,57 16,10 105,55 72,14 39,55 23,10 192,76 31,38 51,14 21,34 25,20 27,90 9,32 33,60 26,55 14,70 16,52 14,84 14,26 235,56 46,21 19,10 117,18 37,01 46,42 14,50 17,98 16,10 91,87 142,11 52,69 22,60 15,32 96,54 12,43 51,55 41,76 39,25 33,79 27,01 24,08 6,17 17,04 50,45 52,28 51 12,12 20,60 13,75 29,88 18,16 100,33 67,23 36,21 22,70 168,28 27,48 51,88 21,18 23,20 27,75 10,52 35,79 29,27 14,76 14,23 12,90 13,43 240,25 47,46 17,89 104,32 33,68 42,05 14,22 16,66 16,40 82,50 143,86 51,72 DIE SDAX-WERTE Unternehmen Air Berlin Alstria Office Reit Arques Ind. Bauer BayWa Biotest C.A.T OIL Colonia Real Estate comdirekt bank CTS Eventim Curanum D+S Europe Dt. Beteiligungs AG Deutsches Wohnen DIC Asset Dürr Dyckerhoff VZ Elexis ElringKlinger EM.Sport Media Escada Fielmann Gerresheimer Gerry Weber Gesco GfK Grammer GrenkeLeasing HCI Capital Highlight Comm. Homag Group H&R Wasag IKB INDUS Holding Interhyp Jungheinrich VZ Koenig & Bauer KWS Saat Medion MPC Capital MVV Energie Patrizia Immo Rational Sixt SKW Stahl-Metal. Springer Axel TAG Tegernsee Takkt Vivacon Wacker Constr. letzte Dividende 0,52 0,51 1,00 0,32 0,36 0,25 0,41 0,49 0,10 0 3,50 0 1,65 0,40 1,32 0,54 1,40 0 0 1,40 0,40 0,40 1,50 0,45 1,00 0,60 0,70 0,90 0,80 0 1,20 4,10 0,58 0,60 1,40 0,15 3,50 0,80 0 4,50 1,18 0,50 4,00 0,10 0,80 0,50 0,50 Hoch Tief (52 Wochen) 36,78 11,32 18,13 9,72 121,65 90,16 24,19 5,20 56,72 38,52 65,65 35,21 49,45 20,34 45,50 29,00 39,98 18,22 29,10 20,76 9,57 3,38 24,99 10,70 60,49 35,16 60,71 45,63 72,80 40,00 15,39 8,06 28,34 18,11 23,64 9,74 68,30 39,26 37,23 23,57 34,04 10,04 118,52 69,43 98,31 44,62 48,94 21,38 32,26 10,73 97,35 24,50 52,48 19,05 64,88 40,50 31,79 14,44 38,00 20,77 46,81 22,90 14,44 7,83 50,00 17,66 38,69 20,69 19,04 6,83 31,34 9,08 20,30 11,10 25,69 4,23 315,15 179,00 64,97 33,76 24,13 16,30 151,80 80,51 50,34 24,20 48,78 29,90 16,67 10,88 21,30 9,83 25,17 13,12 99,49 62,60 200,00 113,47 69,19 41,35 SDAX VOM 29.08. 4 118,58 | 31.07. 4 791,88 29.08. 31.07. 30.06 30.05. 30.04. 31.03 29.02. 31.01. 4,05 10,23 9,27 57,46 32,94 60,20 6,54 5,75 6,98 27,60 3,90 13,00 18,00 9,94 13,81 23,09 43,95 16,00 15,74 2,48 12,75 51,99 34,41 19,12 52,00 25,20 15,13 23,00 8,93 6,88 16,43 16,35 2,34 18,67 63,94 16,50 16,60 118,64 11,95 27,25 32,90 2,76 119,95 20,60 19,15 71,40 4,57 10,75 9,82 6,92 3,43 10,85 7,65 61,65 42,00 57,99 7,57 7,21 7,07 27,60 3,99 12,90 17,82 7,77 15,21 23,80 44,00 15,85 17,56 2,49 12,92 52,42 33,31 19,33 55,00 23,64 15,91 26,49 7,46 6,94 17,15 7,46 2,17 18,27 64,01 16,65 18,12 128,75 11,12 29,70 31,36 2,53 199,50 22,53 19,60 76,48 4,73 10,90 7,75 7,80 3,80 10,50 5,80 61,32 41,65 53,50 9,00 7,05 7,25 27,60 4,03 13,02 16,06 9,57 16,04 25,99 43,80 17,00 60,19 2,38 13,50 45,85 32,36 20,02 49,75 28,47 16,27 21,11 8,24 7,15 18,65 13,24 2,80 21,49 63,50 17,70 18,73 146,00 10,00 33,45 32,91 3,11 128,10 25,12 18,40 68,68 5,42 11,19 6,05 9,44 7,58 11,50 7,45 67,46 41,80 45,01 9,35 10,60 8,30 27,60 4,76 13,00 17,97 14,96 20,60 32,00 46,75 18,03 72,60 2,78 14,30 49,40 34,90 23,25 54,22 28,00 16,93 25,80 11,52 6,88 22,05 16,00 3,75 25,01 66,71 22,09 21,60 160,13 13,70 44,90 31,25 3,75 143,39 34,30 27,02 70,39 6,30 11,45 8,67 12,12 8,01 12,55 8,63 51,60 42,02 42,44 9,83 13,08 9,20 27,60 4,65 13,10 15,95 15,80 20,97 27,93 40,99 18,00 76,00 2,32 12,50 47,04 35,81 21,90 50,99 29,25 18,00 25,50 13,70 6,90 23,63 17,55 4,43 22,82 45,04 21,80 21,00 138,23 12,88 44,00 31,00 3,68 142,01 31,24 24,10 70,83 5,77 12,34 11,19 12,78 7,38 13,38 12,38 41,65 37,68 37,10 10,71 12,90 8,15 27,60 4,94 8,70 16,09 18,16 21,07 26,60 40,20 16,83 70,75 2,68 17,38 39,07 31,87 22,65 48,17 25,05 16,65 22,00 14,14 7,25 19,01 14,76 4,10 22,20 48,42 23,00 19,90 127,05 16,01 44,66 31,10 4,71 125,32 28,26 21,78 78,00 5,95 11,39 13,38 12,71 10,31 11,68 13,99 42,30 36,00 31,48 14,22 15,86 7,70 27,60 6,09 9,53 19,75 21,79 20,51 24,66 41,58 16,08 70,06 2,89 12,83 38,84 31,99 20,50 43,60 26,16 18,33 24,40 15,75 7,40 19,85 14,46 5,61 20,74 48,16 23,40 18,60 144,70 17,14 49,58 31,70 4,11 192,92 26,48 22,08 81,90 6,47 11,21 15,27 13,75 11,50 11,20 14,77 39,26 33,00 28,50 15,15 14,02 8,36 27,60 81,30 9,05 18,93 23,72 19 ,73 20,61 39,99 15,50 67,92 3,04 12,40 37,77 34,35 19,86 41,19 24,60 17,95 20,85 14,40 1,64 17,92 16,16 6,73 20,67 44,88 20,92 16,50 130,00 15,65 42,91 31,50 4,34 123,81 25,92 17,99 80,92 6,00 10,80 12,90 11,76 Hoch Tief (52 Wochen) 14,43 3,16 14,10 9,21 35,53 5,18 71,81 30,00 47,85 25,53 64,00 25,41 20,96 6,40 30,41 5,25 10,06 6,02 38,33 23,63 9,63 3,25 15,15 6,51 28,20 15,10 32,89 7,32 25,95 12,59 35,00 17,51 50,40 33,55 25,50 13,40 29,67 14,50 5,08 1,98 30,44 8,80 52,42 32,59 39,40 29,30 24,82 14,60 59,45 35,80 31,27 19,51 23,00 14,03 32,00 18,04 16,08 6,05 9,66 6,21 29,45 15,85 28,50 11,06 14,50 1,99 28,38 17,50 88,50 37,07 37,18 15,50 29,53 15,51 176,00 104,56 20,93 9,09 66,90 25,10 34,70 25,11 11,88 2,42 164,68 107,00 39,50 20,00 37,45 15,60 129,66 60,00 9,09 4,45 14,05 9,50 22,68 5,99 24,00 6,38 SPECIAL VERSICHERUNGEN SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 13 Turbo für die Rendite Rente vor 67 Zukunft der PKV Das verdrängte Risiko Ein neues Konzept für fondsgebundene Lebensversicherungen ermöglicht respektable Garantien – bei vollständiger Anlage in Aktien. Seite 14 Mit dem Zeitwertkonto können Arbeitnehmer ihre Lebensarbeitszeit verkürzen. Auch steuerlich ist das Instrument der bAV interessant. Seite 15 Zwei Klagen sind entscheidend für die weitere Entwicklung in der privaten Krankenversicherung. Seite 16 Noch steht die gesetzliche Pflegeversicherung gut da. Doch ist schon jetzt absehbar, dass das System bald an seine Grenzen kommt. Seite 16 Von der Automobilindustrie lernen Was kommt nach der Industrialisierung? | Versicherer auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen VON ELWINE HAPP-FRANK D ie vergangenen Jahren waren die Versicherer damit beschäftigt, die Industrialisierung ihrer Prozesse voranzutreiben. Dabei haben die Gesellschaften gute Fortschritte erzielt. Doch die Vorteile schmelzen dahin wie Butter in der Sonne. Denn die Effizienzgewinne frisst der harte Wettbewerb wieder auf. Die Versicherer müssen für die Zukunft neue Geschäftsmodelle entwickeln. Emotionalisierung der Produkte, Erweiterung des Leistungsangebots und Kooperationen sind der Schlüssel zum Erfolg, stellt eine Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney fest. Dabei können die Unternehmen von den Autoherstellern lernen. Schwerpunkt der Industrialisierung der Prozesse in der Versicherungswirtschaft war die Konzentration beziehungsweise Zentralisierung der Prozesse. Die Allianz beispielsweise hat in den vergangenen Jahren ein völlig neues Betriebsmodell eingeführt: Die Post wird komplett eingescannt und digital verteilt. Die eingehenden Telefonate werden an neu eingerichteten Computerarbeitsplätzen angenommen und meist direkt am PC bearbeitet. Der klassische Sachbearbeiter bekommt nur die komplizierteren Fälle auf den Tisch. In ähnlicher Weise haben viele Gesellschaften ihre Prozesse durchleuchtet, angefangen vom Fuhrpark über Training bis zur Druckerei und Kantine. In vielen Fällen wurden diese Arbeiten an externe Partner ausgelagert, sodass sich die Eigenfertigung in den angestammten Geschäftsfeldern der Versicherer wie Schaden oder Antrag auf heute etwa 80% reduziert hat, so A.T. Kearney. Vergleiche mit anderen Branchen relativieren diesen Erfolg jedoch. Die Banken sind mit einer Eigenfertigungstiefe von derzeit knapp 70% der Assekuranz bereits einen Schritt voraus. Das Outsourcing von Abwicklungsprozessen ist Branchenstandard. Die Postbank beispielsweise erledigt für die Deutsche Bank, die Dresdner Bank sowie die HypoVereinsbank den Zahlungsverkehr. Viele Institute haben die Wertpapierabwicklung an entsprechende Factories ausgelagert. So weit so gut – die Automobilindustrie ist hier aber noch viel weiter. Im Schnitt liegt die Eigenfertigungstiefe bei gerade einmal 20%. Die Hersteller fokussieren sich konsequent auf „identitäts- und positionierungsbestimmende Ausschnitte der Wertschöpfung“, heißt es in der A.T. Kearney-Studie. Die Branche arbeitet mit einer Vielzahl von Zulieferern zusammen und geht Entwicklungskooperationen ein. Die sicherlich deutlichen Erfolge bei der Industrialisierung haben die Profitabilität und das Wachstum bei Versicherungen nicht verbessert. Effizienzgewinne fließen direkt in einen ruinösen Preiswettbewerb. Das vom GDV prognostizierte Beitragswachstum von nominal 0,8% für 2008 bedeutet real eine Marktschrumpfung. Da der Konzentrationsgrad in der Branche bereits hoch ist, kann zusätzliches Wachstum – in einem gesättigten Markt – kaum durch Übernahmen kommen. Die Industrie muss sich also nach neuen Modellen umschauen. Der Blick fällt dabei wieder auf das Vorbild der Automobilindus- Das VW-Fan-Paket beispielsweise beinhaltet eine Autofinanzierung, eine Kfz-Versicherung, eine kostenlose Gap-Versicherung, eine Neuwagen-Anschlussgarantie gegen unerwartete Reparaturkosten sowie eine optionale Restschuldversicherung mit kostenloser Arbeitslosigkeitsversicherung. Steuern statt besitzen Der VW Touareg und der Porsche Cayenne sind fast baugleich. Dennoch kann Porsche einen Preisaufschlag von 15% realisieren. Auch die Versicherer wollen nun ihre Produkte „emotionalisieren“. Foto: Volkswagen trie. Auch hier ist der Markt gesättigt. Dennoch weisen die Hersteller in den vergangenen Jahren ein robustes Wachstum von 3% pro Jahr auf. Eine Ursache dafür ist, dass die Autobauer einen großen Teil der Effizienzgewinne in das Innovationsmanagement investieren. Ein wesentlicher Baustein ist dabei die Emotionalisierung der Marke. Dieser Faktor ermöglicht Autoherstellern einen Preisaufschlag bei ansonsten gleichwertigen Produkten. So besteht beim VW Touareg und beim Porsche Cayenne aus technischer Sicht ein Übereinstimmungsgrad von 92%. Unterschiede beim Markenprofil und Image führen jedoch zu Preisunterschieden von rund 15% und in der Folge zu Margenunterschieden von 200% zugunsten von Porsche. Bei den Massenmodellen gehen die Pkw-Hersteller dazu über, ihr Angebot durch All-Inclusive-Pakete zu differenzieren. Statt einem Auto wird heute Mobilität gegen eine monatliche Rate angeboten. Abgesehen davon, dass die Versicherer von diesen Aktivitäten der Autohersteller profitieren, können sie ähnliche Konzepte für ihre Kunden entwickeln. Dabei sollten sie sich, wie die Autoindustrie, auf folgende Punkte fokussieren: n Emotionalisierung von Produkt und Marke, n neue Leistungsangebote durch Erweiterung von Aktivitäten in angrenzenden Märkten sowie n Komplexitätsmanagement durch reduzierte Eigenfertigung und Kooperationen. Der Punkt Emotionalisierung ist bei Versicherungen schwierig, denn dabei handelt es sich um eine trockene, zum Teil auch komplizierte Materie. Versicherer müssen deshalb versuchen, mit serviceorientierten Problemlösungen statt reiner Kostenerstattung das Produkt Versicherung erlebbar zu machen. Dabei wird insbesondere der Schadenfall zum zentralen Prüfstein für das Serviceversprechen des Versicherers. Geeignete Themen für Paketangebote sind „Mobilität“, „Urlaub und Reise“, „Haus und Heim“ sowie „Gesundheit“. Beispiele dafür gibt es bereits. Die Kfz-Assistance des ADAC wurde als „gelber Engel“ positioniert. Die Allianz verkauft seit 2004 spezielle Assistance-Policen, etwa einen Haus- und Wohnungsschutzbrief inklusive eines Schlüsselnotdienstes, HandwerkerService und Schädlingsbekämpfung. Assistance-Tarife, die Pflege-, Einkaufs- und Haushaltshilfen nach Unfällen bieten, sind besonders bei älteren Kunden populär. Erfolgreiche Versicherer bieten weit mehr als Assistance-Dienstleistungen an. Zum Beispiel in der Kfz-Versicherung: Kaum eine Gesellschaft beschränkt sich auf die reine Erstattung von Gutachter- und Reparaturkosten. Längst wurde das Produkt durch Assistance-Leistungen im Schadenfall wie Hol-/ Bringservice, Abschleppservice oder Bereitstellung eines Ersatzfahrzeuges aufgepeppt. Darüber hinaus kann der Versicherer selbst als Anbieter von Reparaturleistungen auftreten. Die HUK-Coburg arbeitet beispielsweise mit zahlreichen Kfz-Werkstätten zusammen und erzielt durch die Bündelung von Auftragsvolumina Kostenvorteile. In einem nächsten Schritt hat der Versicherer nun eine Beschaffungsplattform für Ersatzteile entwickelt. Darüber hinaus bietet die HUK nun auch anderen Kfz-Versicherern und Flotten eine Kooperation zur Nutzung des Werkstattnetzes an. Diese Konzepte könnten noch weiter ausgebaut werden. Denkbar wäre das Angebot neuer Mobilitätsbündel – zum Beispiel rund um Gebrauchtwagen. „Die Rolle des Versicherers wäre die eines Geschäftsmodell-Betreibers mit nur geringer Eigenfertigungstiefe“, meint A.T. Kearney. Denn Versicherungsunternehmen müssen ihr Geschäftsmodell so steuern, dass sie die originäre Eigenleistung verringern – getreu dem Grundsatz „Lieber steuern als besitzen“. Private Krankenversicherung „Privat krankenversichert – das ist ’s ! Ich habe mich entschieden.“ Warten auch Sie nicht länger auf Wunder! Nach dem Motto „leistungsstark zu günstigen Preisen“ bietet die INTER privaten Gesundheitsschutz auf TopNiveau: Einbettzimmer und Chefarztbehandlung Leistung auch oberhalb der Höchstsätze der Gebührenordnung für Ärzte und Zahnärzte 100 % Erstattung für ambulante Behandlung (Hausarztprinzip) Leistungen für Heilpraktiker-Behandlung Noch Fragen? Wir beantworten Sie gern. Noch interessanter durch kundenorientierte Highlights: Sie senken Ihren Beitrag durch einen sinnvollen Selbstbehalt Dieser Selbstbehalt entfällt bei Unfall Eine attraktive erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung ermöglicht weitere Kostensenkungen 24 Std. medizinische Hilfe über unser Service Center INTER Versicherungen Hauptverwaltung Erzbergerstraße 9 – 15 68165 Mannheim Service Center 0621 427-427 Telefax 0621 4 27- 944 E-Mail: [email protected] www.inter.de Und das Beste zum Schluss: 33-jährige Frau 33-jähriger Mann 244,50 € 174,02 € 594_36/08_WK Monatsbeitrag* Monatsbeitrag* * Tarif INTER ComfortLine S20,1.200 Euro Selbstbehalt pro Jahr über alle Leistungsbereiche, zzgl. Pflegepflichtversicherung; Maßgebend für Beiträge und Leistungen sind die jeweiligen gültigen Tarife und Bedingungen. stalten –herheit e g t f n u Zuk mit Sic SPECIAL VERSICHERUNGEN 14 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Renditeturbo mit Schleuderschutz Fondsgebundene Lebensversicherungen | Mit dem Konzept der Variable Annuities bieten Versicherer flexible, sichere Angebote vorderster Front agierend. Variable Annuities sind demnach nichts anderes als fondsgebundene Rentenversicherungen, bei denen sich der Kunde für die Anlage seiner Sparanteile bis zu 100% in Aktien entscheiden kann und ihm dennoch eine Mindestrente garantiert ist. Grote zufolge muss in den Produktunterlagen deutlich zum Ausdruck kommen, dass es sich um eine Endfälligkeit dieser Garantie handelt. Bei der konventionellen Rentenversicherung besteht die Garantie darin, dass die Jahr für Jahr festzulegende Gutschrift tatsächlich erfolgt, und dass das jeweils entsprechend gestiegene Sparguthaben dem Versicherten fest garantiert ist sowie dem Zugriff des Versicherers entzogen bleibt. Was diese Garantie kostet, erfährt der Kunde nicht. Anders bei den Variable Annuities, hier zielt die Garantie auf den Zeitpunkt der vertraglich vereinbarten Fälligkeit ab. Wer zwischenzeitlich storniert, hat eben keine garantierte Leistung, gegebenenfalls erhält er Teile der bezahlten Garantiekosten ausbezahlt, jedenfalls muss, so Grote, dem Kunden angezeigt werden, was die Garantien kosten und was davon tatsächlich verbraucht worden ist. VON PAUL KELLENBENZ D as starre Garantiekorsett der kapitalbildenden Lebens- und Rentenversicherung hindert die Versicherer daran, die langfristig deutlich rentablere Aktienanlage zu forcieren. So legen die Versicherer jeweils im Voraus den Zinssatz fest, den sie ihren Kunden am Jahresende gutschreiben. Der scharfe Wettbewerb sorgt dafür, dass dieser Satz engen Kontakt hält zur Rendite der Staatsanleihen. Die Ende 2007 für das laufende Jahr beschlossenen Gutschriften lagen im Branchendurchschnitt bei 4,3%, die Umlaufsrenditen der Staatsanleihen im Dezember 2007 ebenfalls. Die Folge ist, dass die Kapitalanlagemanager sich im Wesentlichen auf zinssichere Anlagen konzentrieren und sich nur dann größere Aktienengagements leisten können, wenn ihre finanzielle Ausstattung bestens und damit ihre „Risikotragfähigkeit“ entsprechend groß ist, was nur bei wenigen Versicherern der Fall ist. Hätte etwa ein Versicherer mit geringer Risikotragfähigkeit den gesetzlich erlaubten Spielraum – einen Aktienanteil von bis zu 35% – voll genutzt, käme er wohl im laufenden Jahr angesichts der bisherigen Kursverluste in die Bredouille, denn diese könnte er aus den Zinsen seiner restlichen Kapitalanlagen schwerlich kompensieren. So ist die Branche der Aktie gegenüber sehr zurückhaltend, im vergangenen Jahr kam sie auf einen Anteil von nur 12% und diesen dürfte sie mittlerweile noch deutlich verringert haben. Komplexe Konstruktionen Neue Konzepte für fondsgebundene Lebensversicherungen nutzen den Bullenmarkt und gehen beim Bärenmarkt nicht baden. Dabei sind selbst bei vollständiger Anlage in Aktien respektable Garantien bei der Versicherungsleistung möglich. Foto: Bilderbox Die Neuerung kommt aus den USA Die Versicherer haben in den vergangenen Jahren deshalb fondsgebundene Produkte forciert, bei denen der Kunde den Aktienanteil – jedenfalls in Grenzen – selbst bestimmen kann, aber auch das Kapitalmarktrisiko zu tragen hat. Dabei wurden zunehmend Techniken entwickelt, die es ermöglichen, bestimmte Leistungen eben doch zu garantieren. Wie so häufig kommen diese Neuerungen aus den USA, und eine, die wohl in den nächsten Jahren schnell an Bedeutung gewinnen dürfte, heißt Variable Annuities. Hierbei sind selbst bei vollständiger Anlage in Aktien respektable Garantien möglich. In einer Euroforum-Konferenz zu diesem Thema in Köln stellte der Versicherungsspezialist Joachim Grote von der Kanzlei Bach, Langheid & Dallmayr seine Definition vor, die verkürzt wie folgt lautet: Variable Annuities sind „fonds- oder indexgebundene Lebensversicherungen (...) mit (...) garantierter Mindestleistung, deren Bewertung abhängig von der zu Grunde liegenden Kapi- talanlage ist und die nicht durch eine Deckungsrückstellung (...), sondern durch derivative Finanzinstrumente im Wege des so genannten dynamischen Hedgings abgesichert wird“. Worum es hierbei aus Kundensicht geht, ist ganz einfach, so der souveräne Tagungsleiter Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften in Ulm und bei der Entwicklung hochkomplexer Finanzmarkttechnologien an So einfach die Kundensicht ist, so komplex ist die Konstruktion der Garantie. Da ist der rechtliche Rahmen, der die Konstruktion von Variable Annuities bislang in Deutschland nicht zulässt, wobei allerdings das Bundeskabinett mittlerweile Vorschläge zur Änderung des Versicherungsaufsichtsrechts verabschiedet hat, mit denen diese auch hierzulande eingeführt werden können. Wie Grote darstellte, lässt die einschlägige EU-Richtlinie im Vergleich zum deutschen Aufsichtsrecht viel weitergehende gesetzliche Regelungen zu. Hiervon hätten einige EU-Länder Gebrauch gemacht, etwa Luxemburg und Irland. Im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit können deutsche Versicherer mit einem dort beheimateten Kooperationspartner Variable Annuities auch in Deutschland anbieten. Was nun die Garantie anbetrifft, so werden hierzu Ruß zufolge Hedging- und Finanzderivate eingesetzt. Bei der Diskussion der Details, Variationen und Finessen waren die meist mathematisch versierten Virtuosen in Sachen Finanzmarkttechnologie so in ihrem Element. Hier sei darauf verzichtet, sich auf das Glatteis des Versuchs einer Widergabe zu begeben, mit Ausnahme der Tatsache, dass sich die Experten einig darüber waren, dass diese Technologien es ermöglichten, die langfristigen Renditechancen einer Aktienanlage so mit hohen garantierten Rentenzahlungen zu kombinieren, dass ein bisher nicht mögliches Optimum im, so die Axa in ihrer Produktinformation, „Rendite-GarantieDilemma“ erreicht wird. Wichtig ist, dass diese Technologien zwar eigentliches Bankgeschäft seien, doch habe, so Ruß, der Versicherer Vorteile bei Gestaltung wie Finanzierung der Garantie. Dieser muss also mit einem Bankpartner kooperieren oder aber er stellt die Garantie selbst dar und muss hierzu sozusagen eine eigene Bankabteilung mit entsprechendem Know-how aufbauen. Die hierzu erforderlichen Ressourcen haben freilich nur die Großen der Branche. Die Axa, die bereits vor etwa zwei Jahren aus Irland heraus die Rolle des Pioniers im deutschen Markt übernommen hatte, hat sich für diese interne Lösung entschieden. Fabian Rupprecht von der Geschäftsleitung der Axa-Winterthur in der Schweiz und Konstrukteur sowie Promotor der Variable Annuities in Deutschland unter dem Namen TwinStar bezifferte die Einführungskosten auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Allerdings fallen darunter auch die Kosten der Einführung in anderen EU-Ländern und in der Schweiz. Er stellte aber auch klar, dass dabei eine Menge Grundlagenarbeit drinstecke, die jetzt kommende Nachahmer nutzen könnten. Damit meinte er auch, dass sich die Axa für kleinere Versicherer als Kooperationspartner anbiete. Produkte mit dem neuen Konzept TwinStar von Axa, mit dem sich auch Riestern lässt, bietet Rupprecht zufolge eine garantierte Rente, die etwa 10% bis 20% über der von Direktversicherern angebotenen konventionellen Rente liegt. Der Kunde kann seine Anlagestrategie selbst festlegen und aus fünf Dachfonds oder acht Ein- zelfonds einen Dachfonds oder drei Einzelfonds wählen, wobei der Aktienanteil bei 100% liegen kann. Sowohl bei der Einzahlung als auch beim Leistungsbezug gibt es eine bei der konventionellen Rente nicht mögliche Flexibilität. So sind einerseits bei laufender Prämie Einmalzahlungen möglich, andererseits kann auf das angesammelte Kapital zurückgegriffen werden oder aber es wird eine laufende Rente gewählt. Diese Wahlmöglichkeit besteht bis zum 85. Lebensjahr. Die Garantie kostet bei laufender Prämienzahlung 0,75% bis 1,05% und bei Einmalzahlung 1,1% bis 1,75%. Der zweite Versicherer, der Variable Annuity nutzte, war Ergo mit Global topReturn. Angeboten wird die Rentenversicherung über eine Luxemburger Tochter einer Ergo-Tochter, also sozusagen von einem Ergo-Enkelchen. Frank Neuroth, Vorstand bei den Ergo Lebensversicherern, zufolge war für die Einführung unter anderem ausschlaggebend, dass der Vertrieb Produkte mit laufender Beitragszahlung will. Dem Kunden wird, wie Neuroth in Köln ausführte, eine Mindestverzinsung von 3% auf den Sparanteil garantiert. Je nach Risikoneigung kann er in vier Strategiedepots in Fonds namhafter Kapitalanlagegesellschaften investieren, wobei jederzeit ein Wechsel von Depot zu Depot möglich ist. Der Ansparvorgang lässt sich völlig flexibel gestalten, so sind neben laufenden Beiträgen Einmal- und Zuzahlungen sowie Anpassungen möglich. Die Rente startet mit 60 oder auch erst mit 85 Jahren. Erst kürzlich hat die Allianz ihr VariableAnnuity-Produkt, Allianz Invest4Life vorgestellt. Wie Alf Neumann, Leiter der „Life Product Development“ in „Global Life“ der Allianz in Köln ausführte, handelt es sich hierbei um eine Rentenversicherung gegen Einmalbeitrag. Der Kunde kann zwischen zwei Anlagestrategien wählen, entweder mit 50% oder mit 75% Aktienanteil. Die Rente wird sofort, spätestens aber nach 15 Jahren bezogen, sie kann nie sinken und ist lebenslang garantiert; steigt sie als Folge günstiger Kursentwicklung, wird auch die erhöhte Rente garantiert. Neumann: „Wir sind bei diesem RentenLocking aggressiv vorgegangen.“ Bei Storno wird der vorhandene Fondswert ausbezahlt. Die Garantie kostet 1,2% bis 1,6%. bAV sollte Chefsache sein Kosten rücken in den Fokus Betriebliche Altersvorsorge | Die Hälfte der Beschäftigten nutzt Steuervorteile nicht Neue fondsgebundene Rentenversicherung der WWK | Vorteile bei der Abgeltungssteuer VON ROLF DUBEN* D ass die gesetzliche Rente heutzutage keinesfalls mehr sicher ist, das weiß mittlerweile jedes Kind. Ganz sicher ist dagegen: Wer später seinen wohlverdienten Ruhestand genießen oder einfach den gewohnten Lebensstandard halten möchte, der muss zusätzliche Vorsorge betreiben. Wie die Studie „Kundenkompass Betriebliche Altersversorgung“ von Delta Lloyd und dem F.A.Z.-Institut zeigt, haben mittlerweile auch viele Arbeitnehmer in Deutschland die Notwendigkeit einer zusätzlichen Altersversorgung erkannt: Acht von zehn Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen sorgen neben der gesetzlichen Rente zusätzlich für das Alter vor. Besonders bei der privaten Altersvorsorge hat die Nachfrage in den letzten Jahren deutlich angezogen. Die Nachfrage nach Produkten für die betriebliche Altersversorgung (bAV) fällt dagegen nach wie vor bescheiden aus: Mehr als die Hälfte der Beschäftigten lässt ihr Recht auf eine steuerbegünstigte Altersvorsorge ungenutzt. Nur rund 47% verfügen bislang über entsprechende Anwartschaften. Dabei wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die bAV in den letzten Jahren erheblich verbessert: 2005 wurde mit dem Alterseinkünftegesetz der Rolf Duben, Leiter Firmengeschäft der Delta Lloyd Deutschland AG: „Viele Arbeitgeber haben einfach immer noch nicht erkannt, dass die bAV ein schlagkräftiges Argument im Kampf um Talente ist.“ Foto: Delta Lloyd Übergang zur nachgelagerten Besteuerung eingeleitet und Ende 2007 hat der Gesetzgeber beschlossen, dass die Beiträge zur bAV weiterhin sozialabgabenfrei bleiben. Ebenso wurde die Portabilität erleichtert, sodass bestehende Anwartschaften beim Wechsel des Arbeitgebers einfacher übertragen werden können. Hauptargumente gegen den Abschluss FÜR DIE B AV FEHLT DAS GELD Gründe gegen den Abschluss einer bAV 38,4 Geld für Zusatzvorsorge fehlt 31,1 Bisherige Altersvorsorge reicht nicht aus 15,7 Nie mit dem Thema bAV beschäftigt Leistungen in der Auszahlungsphase sind zu gering Beschäftigte kennen bAV-Angebot und Info-Stellen nicht, wollen Arbeitgeber nicht aktiv danach fragen 14,4 11,0 Private Altersvorsorge ohne Beteiligung des Arbeitgebers ist attraktiver 8,5 Zu viel Bürokratie bei bAV 5,9 Furcht vor Abhängigkeit und eingeschränkter Flexibilität durch bAV-Vertrag 5,7 Furcht vor Problemen bei Arbeitgeberwechsel 4,2 In % aller Beschäftigten, die bislang nicht über bAV vorsorgen. Mehrfachnennungen möglich Grafik: WirtschaftsKurier 2008, Delta Lloyd, F.A.Z.-Institut einer bAV sind der Studie zufolge knappes Geld und falsche Sicherheit: 38,4% der befragten Beschäftigten geben an, ihnen fehle gegenwärtig das Geld für eine bAV und 34,1% gehen irrtümlicherweise noch immer davon aus, dass ihre bisherige Altersvorsorge ausreicht, um ihnen im Alter einen angemessenen Lebensstandard zu sichern. 15,7% der Befragten haben sich noch nie mit dem Thema beschäftigt. 11% kennen weder das bAV-Angebot ihres Arbeitgebers, noch wissen sie, wo sie sich informieren können. Doch was ist es dann, was Arbeitnehmer dazu bringt, eine betriebliche Altersversorgung abzuschließen? Der Studie von Delta Lloyd und dem F.A.Z.-Institut zufolge steht und fällt der Erfolg der bAV mit dem Engagement des Arbeitgebers. Ein aktiver Chef und lukrative Rentenprodukte überzeugen die meisten Beschäftigten. Wenn sich der Arbeitgeber zudem finanziell beteiligt, wird die Betriebsrente noch attraktiver. Allerdings geht nur jeder vierte Arbeitgeber von sich aus aktiv mit einem Angebot zur bAV auf seine Mitarbeiter zu. Nur in gut jedem zweiten mittelständischen Unternehmen bietet das Management den Beschäftigten Informationsveranstaltungen und ausführliche Beratungsgespräche. Knapp 30% der Beschäftigten geben an, ihr Arbeitgeber habe sein bAV-Angebot nur einmal auf einer Mitarbeiterversammlung präsentiert und danach nicht mehr viel davon hören lassen. Nur wenige Befragte können über ihren Arbeitgeber Beratungsgespräche mit Fachberatern in der eigenen Wohnung vereinbaren. Auch die Zahl der Angestellten, die Informationen über Tarifangebote von Gewerkschaften erhalten, ist gering. Viele Arbeitgeber haben wohl einfach immer noch nicht erkannt, dass die bAV ein schlagkräftiges Argument im Kampf um die Talente ist und ein wichtiges Instrument der Mitarbeitermotivation darstellt. Ein ganz erstaunliches Ergebnis der Studie ist, dass sich jeder zweite Befragte dafür ausspricht, die Vorsorgepflicht über eine betriebliche Altersversorgung gesetzlich zu verankern. Viele Beschäftigte sind sich anscheinend der unzureichenden Zusatzvorsorge für den Lebensabend bewusst und das schlägt ihnen offensichtlich auch aufs Gewissen. Doch sie brauchen wohl den staatlichen Druck, um in Sachen betriebliche Zusatzvorsorge aktiv zu werden. *Rolf Duben ist Leiter Firmengeschäft der Delta Lloyd Deutschland AG. VON RAINER GEBHART* A nleger, die im Rahmen ihrer Altersvorsorge die Renditechancen der globalen Aktienmärkte nutzen möchten, wählen die Anlageform häufig nach den Kriterien „Qualität der angebotenen Anlagealternativen“ und „hohe Flexibilität bei Ein- und Auszahlungen“ aus. Doch auch das Merkmal „Steuer- und Kosteneffizienz“ rückt zunehmend in den Fokus der Anleger. Die Abgeltungssteuer zwingt Anleger ab dem 1. Januar 2009, Kursgewinne ihrer Wertpapiere unabhängig von der Haltedauer zu versteuern. Und dies nicht zu knapp: Gewinne werden pauschal mit einem Steuersatz in Höhe von 25% zuzüglich Solidaritätszuschlag und eventueller Kirchensteuer besteuert. Anders fondsgebundene Lebensversicherungen: Wurden sie seit dem 1. Januar 2005 abgeschlossen, unterliegen Erträge unter bestimmten Voraussetzungen zu 50% dem persönlichen Einkommenssteuersatz. Die Erträge aus diesen Versicherungen werden auch nach der Einführung der Abgeltungssteuer weiterhin unverändert besteuert. Selbst beim derzeit geltenden Höchststeuersatz von 42% werden bei Einhaltung der Voraussetzungen lediglich 21% der Erträge besteuert. Anleger können also durch die Wahl einer fondsgebundenen Versicherung anstel- le einer Aktienfondsanlage ab 2009 ihre Steuerbelastung deutlich verringern. Entscheidet sich der Sparer statt der Auszahlung für eine Verrentung des angesparten Vermögens, ist zudem nur der geringe Ertragsanteil zu versteuern. Künftig rücken auch Kostengesichtspunkte bei fondsgebundenen Tarifen stärker in den Blickpunkt der Anleger. Durch das neue Versicherungsvertragsgesetz wollte der Gesetzgeber eine deutliche Verbesserung bei der Transparenz bei Finanzprodukten schaffen. Im Rahmen der Novellierung müssen Anbieter von Lebensversicherungen seit dem 1. Juli 2008 bei allen Produkten ihre einkalkulierten Kosten in Euro und Cent angeben. Kunden sollen dadurch die Möglichkeit erhalten, Produkte besser vergleichen und damit auch kosteneffiziente Angebote auswählen zu können. Eine Versicherungslösung, die den Anforderungen der Anleger in hohem Maße gerecht wird, ist der neue fondsgebundene Rentenversicherungstarif „WWK Premium FondsRente maxx“, den die WWK Lebensversicherung a. G. seit Anfang Juli 2008 anbietet. Vergleicht man mit der Vergleichssoftware „LV-Win“ des unabhängigen Analysehauses Morgen & Morgen die entsprechenden Tarife verschiedener Anbieter, so überzeugt die WWK mit ihrem neuen Tarif bei einer Vielzahl von Vertragskonstellationen mit einer sehr guten Ablaufleistung. Künftig rücken Steuer- und Kostengesichtspunkte bei fondsgebundenen Tarifen stärker in den Blickpunkt der Anleger. Foto: Bilderbox Rainer Gebhart, Vorstand der WWK Versicherungen: „Anleger können durch die Wahl einer fondsgebundenen Versicherung anstelle einer Aktienfondsanlage ab 2009 ihre Steuerbelastung deutlich verringern.“ F.: WWK Damit zählt die Versicherung in diesem Marktsegment zu den kostengünstigsten Serviceversicherern am deutschen Versicherungsmarkt. Die Tarifkonstruktion ist zudem äußerst flexibel: Im Rahmen eines Lebensphasenmodells vereinbart der Kunde zunächst eine Grundphase. Je nach Dauer schließt sich daran automatisch eine Abruf- beziehungsweise immer eine beitragsfreie Verfügungsphase bis zum Alter 80 an. Optional steht danach noch eine Renditephase zur Verfügung. Flexible Zuzahlungen in der Ansparphase zur Optimierung der individuellen Steuersituation sind jederzeit möglich. Auf der Anlageseite steht im Rahmen einer „Open Architecture“ eine Vielzahl von top-gerateten Fonds namhafter Investmentgesellschaften zur Verfügung. Insgesamt kann aus einer Palette von knapp 50 Fonds, dem Garantiefondskonzept „DWS FlexPension“ und der speziell konzipierten Anlagestrategie „WWK Premium Basket“ gewählt werden. Die neue Versicherungslösung wurde bereits vor Produktstart von der anerkannten Ratingagentur Franke & Bornberg mit der Bestnote „FFF“ in allen Ratingkategorien ausgezeichnet. *Rainer Gebhart ist Vorstandsmitglied der WWK Versicherungen. SPECIAL VERSICHERUNGEN SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier Zeitwertkonto gewinnt an Bedeutung Betriebliche Altersvorsorge | „Sechster“ Durchführungsweg VON PAUL KELLENBENZ I mmer mehr Arbeitnehmer haben offenbar begriffen, dass sie verstärkt für ihr Alter vorsorgen müssen, und die Förderung durch den Staat kann sich ja durchaus sehen lassen. Dies gilt sowohl für die Vorsorge in eigener Regie und durch die Riesterrente, und dies gilt auch für die betriebliche Altersvorsorge. Auf mehr als 17 Mio. wird die Zahl jener Arbeitnehmer geschätzt, die in den Genuss einer betrieblichen Rente kommen. Bis zu einem Betrag von 2 544 Euro können sie jährlich über ihren Arbeitgeber in eine Betriebsrente einzahlen, und dies frei von Steuerund Sozialabgaben. Hierzu werden entsprechende Teile ihres Gehalts – seien es Abzüge aus dem Monatssalär, seien es Abzüge aus Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld oder aus Leistungsprämien – umgewandelt, daher die Bezeichnung Entgeltumwandlung. Signifikante Verbesserung Hier hat es zu Jahresbeginn eine signifikante Verbesserung gegeben, denn die bis Ende 2007 befristete Befreiung von Sozialabgaben dieser Entgeltumwandlung hat der Gesetzgeber aufgehoben. Obwohl der gesunde Menschenverstand gar keine andere Entscheidung zugelassen hätte, war diese keineswegs selbstverständlich, schließlich richtet sich der Fiskus nicht an diesem aus, sondern daran, was ihm mehr in die Kassen spült. Dass der Verzicht darauf, dieses in Rentenansprüche umgewandelte Gehalt mit Sozialabgaben zu belegen, nur recht und billig ist, ergibt sich daraus, dass die dann im Alter bezogene Rente ohnehin mit Abzügen für die gesetzliche Kranken- sowie Pflegeversicherung belastet wird. Privat Krankenversicherte sind hierbei ohnehin schon insofern im Vorteil, als ihre Rente von derlei Belastungen frei ist. Insgesamt gibt es fünferlei Durchführungswege der betrieblichen Altersvorsorge, wobei rund zwei Drittel aller begünstigten Arbeitnehmer mehr oder weniger vom Unternehmen unterstützt werden. Traditionell die Nase vorn hat die so ge- nannte Pensions- oder Direktzusage. Obwohl hier die Arbeitnehmer selbst zusätzlich einzahlen können, bringen in der Regel die Unternehmen die Mittel für diese Form der Altersvorsorge auf. Hierfür bilden sie Rückstellungen, die wiederum den Vorteil haben, dass sie zur Innenfinanzierung der Unternehmen beitragen und es diesen ermöglichen, Steuerzahlungen in die Zukunft zu verschieben. Der Deckungsstock, den die deutsche Wirtschaft hierfür aufgebaut hat, dürfte sich mittlerweile auf rund 240 Mrd. Euro belaufen. Auch beim Durchführungsweg der Unterstützungskasse finanzieren die Arbeitgeber in der Regel die Altersvorsorge allein und haben hierfür Deckungsmittel in Höhe von etwa 40 Mrd. Euro gebildet. Bei den anderen drei Durchführungswegen, das sind die Pensionskasse, die Direktversicherung und der Pensionsfonds, finanzieren die Arbeitnehmer ihre Altersvorsorge selbst, gegebenenfalls unterstützt vom Arbeitgeber. Es empfiehlt sich, den Arbeitgeber hierauf anzusprechen, denn der Betrag an Sozialabgaben, der bei der Entgeltumwandlung beim Arbeitnehmer entfällt, fällt auch beim Arbeitgeber weg. Hier verbleiben die angesammelten Mittel jedoch nicht im Unternehmen, sondern werden weitergeleitet an eine Pensionskasse beziehungsweise einen Pensionsfonds oder – im Falle der Direktversicherung – an eine Lebensversicherung. Zusammen sind für diese drei Varianten der betrieblichen Altersvorsorge bisher Deckungsreserven von etwa 150 Mrd. Euro gebildet worden. Probleme beim Arbeitsplatzwechsel Probleme können entstehen beim Wechsel des Arbeitgebers. Im Falle der zuletzt erwähnten drei Durchführungswege können Betriebsrenten, die ab 2005 abgeschlossen wurden, im Rahmen der Höchstgrenze von 63 300 Euro auf den neuen Arbeitgeber übertragen werden. Dieser muss die bisher erworbenen Ansprüche in sein Regelwerk übertragen und seinem neuen Arbeitnehmer einen entsprechenden Anspruch einräumen. Dies ist allerdings nicht immer Auf mehr als 17 Mio. wird die Zahl der Arbeitnehmer geschätzt, die in den Genuss einer betrieblichen Rente kommen. sinnvoll, denn nur dann, wenn bei diesem Qualität und Spielregeln der betrieblichen Altersvorsorge gleich oder zumindest ähnlich sind, ist eine solche Übertragung ohne Leistungsverlust möglich. Wenn gewisse attraktive Leistungskomponenten bei der Übertragung verloren zu gehen drohen, ist es sinnvoller, die beim bisherigen Arbeitgeber erworbenen Ansprüche bestehen zu lassen und beim neuen Arbeitgeber neue Ansprüche aufzubauen. Seit dem Beschluss des Gesetzgebers, das Renteneintrittsalter sukzessive auf 67 Jahre zu erhöhen, gewinnt das Instrument des Zeitwertkontos an Bedeutung, und dies umso mehr, als die Tage der staatlich geförderten Altersteilzeit gezählt sind. Bietet ein Arbeitgeber solche, gelegentlich als sechsten Durchführungsweg bezeichnete Zeitwertkonten an, was zunehmend auch tarifvertraglich geregelt wird, kann der Arbeitnehmer hierüber seine Lebensarbeitszeit !"#!#$#% &&$ '()&*# + + !""#$"%!##&'("%!## )*+,* -./- /0/1)10 23" &! $$4-5 666** verkürzen, sei es, dass er früher in Ruhestand geht, sei es, dass er eine Auszeit etwa zur Kindererziehung oder auch als Sabbatjahr nimmt. Das Gehalt wird in der Freistellungsphase aus dem Zeitwertkonto bezahlt und der Sozialversicherungsschutz bleibt erhalten. Gefüttert wird das Zeitwertkonto durch Gutschrift von geleisteten Überstunden oder auch von Resturlaubstagen etc. sowie durch laufende Einzahlung aus dem Bruttogehalt oder Einmalzahlungen aus Sonderleistungen des Unternehmens oder Gewinnbeteiligung. Absicherung gegen Insolvenz Da das Unternehmen dieses Instrument beispielsweise auch dazu nutzt, saisonale Schwankungen seines Arbeitsanfalls auszugleichen, sind die Interessen allerdings nicht immer deckungsgleich, so wird die Firma schwerlich bereit sein, Guthaben im Gleitzeitkonto ins Zeitwertkonto zu über- tragen. Doch wird der Betriebsrat in aller Regel bei der Festlegung der Rahmenbedingungen hinzugezogen und er kann seinen Einfluss geltend machen, wenn es darum geht, die Art und Weise sowie die Höhe der Einzahlungsmöglichkeiten festzulegen. Wird etwa in Form von Zeit eingezahlt, wird diese nach aktueller Gehaltshöhe in Geldwerte umgerechnet. Zu versteuern sind die angesammelten Guthaben erst, wenn hieraus Gehalt bezahlt wird, dann werden auch Sozialabgaben fällig. Dies ist auch der Fall, wenn sich ein Arbeitnehmer bei Kündigung sein Guthaben auszahlen lässt, weil sein neuer Arbeitgeber dieses Instrument nicht nutzt. Doch trotz Steuer- und Sozialabgabepflicht kann diese Einmalauszahlung steuerlich immer noch recht günstig sein. Die Gothaer Versicherung, die unkomplizierte Zeitkonten-Lösungen und flexible Arbeitszeitmodelle für jede Unternehmensgröße anbietet, legt Wert darauf, die begünstigten Arbeitnehmer im Falle einer Insolvenz des Unternehmens zu schützen. Bisher ist es absurderweise so, dass zwar die Unternehmen verpflichtet sind, die Zeitwertguthaben vor einer etwaigen Insolvenz zu schützen, doch wird dies nicht kontrolliert. Im Arbeitsministerium geht man davon aus, dass mehr als die Hälfte der betreffenden Unternehmen hier nicht vorgesorgt haben. Kommt es dann zum Crash, kommen die Guthaben in die Insolvenzmasse und sind verloren. Der Gothaer zufolge ist die derzeit einfachste und auch häufigste Lösung des Problems die Verpfändung der Guthaben an die Arbeitnehmer. Bei größeren Belegschaften bezeichnet sie es als sinnvoll, die Verwaltung einem Treuhänder zu übertragen. Bei der Verpfändungs- wie bei der Treuhandlösung sind die Zeitwertkonten vor dem Zugriff des Insolvenzverwalters gesichert. Doch scheint auch der Gesetzgeber begriffen zu haben, dass er hier gefordert ist. Durch das „Flexi II“-Gesetz sollen künftig die mit Sanktionsmöglichkeiten ausgestatteten Betriebsprüfer der Deutschen Rentenversicherung kontrollieren, ob die Unternehmen für Insolvenzschutz gesorgt haben. 15 TIPPS. Arbeitnehmer mit BU-Police schützen wie sein Auto: Die eigene Existenz sollte nicht schlechter geschützt sein als das Auto. Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Police) ist für Wolfgang Otte von der Volksfürsorge deshalb nichts anderes als eine Kaskoversicherung für den Hauptverdiener. Denn was ist, wenn man durch einen gesundheitlichen Crash beruflich aus der Bahn geworfen wird? Die private Berufsunfähigkeitsversicherung hilft da mit einer Rente finanziell aus der Klemme. Mit der Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre wird es immer unwahrscheinlicher, dass man seinen Job bis zur normalen Altersrente durchhält. Dabei hat sich der Charakter dieser Gefährdung in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt. Es sind nicht mehr so sehr körperliche Leiden, die den Ausstieg aus dem Job erzwingen. Vielmehr bedeuten immer häufiger psychische Erkrankungen das Ende des Berufslebens. Laut Marktführer Allianz tritt die Berufsunfähigkeit derzeit im Schnitt schon mit 43,4 Jahren ein. Wer bei PKV-Ärger schnell hilft: Wenn es bei der Beratung nicht geklappt hat oder wenn es Ärger mit der privaten Krankenversicherung gibt, dann hat der Bundesbürger mehrere Anlaufstellen. Zum einen kann man sich an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin, www.bafin.de) wenden. Außerdem ist Helmut Müller der neue Ombudsmann für Kunden, die sich mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen (PKV) streiten. An den außergerichtlichen Streitschlichter können sich sowohl privat Krankenversicherte wenden als auch Kunden, die Probleme mit einer Zusatzversicherung haben (www.pkv-ombudsmann.de). Müller erwartet, dass die Zahl der Beschwerden in Zukunft weiter steigen wird. Ursache dafür sei auch die jüngste Gesundheitsreform, aus der sich neue Fragen ergeben dürften. Als Beispiele nannte er etwa den Basistarif und die Übertragbarkeit der Alterungsrückstellungen. Mzg SPECIAL VERSICHERUNGEN 16 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Die Zukunft der Krankenversicherung Zwei Klagen sind entscheidend für die weitere Entwicklung | Annäherung der Systeme der PKV und der GKV? VON ELWINE HAPP-FRANK E s bleibt spannend, wie die Zukunft der privaten Krankenversicherung aussehen wird. Durch die Belastungen der Gesundheitsreform stehen die Gesellschaften zwar vor großen Herausforderungen, aber die Folgen sind doch nicht so dramatisch, wie ursprünglich angenommen. Jedenfalls kommt eine Studie von FitchRating mit dem Titel „Nun da sich der Nebel lichtet“ zu dem Schluss, dass es wohl nicht „zu dem beschworenen Szenario einer Abwärtsspirale für die Krankheitsvollversicherung kommen wird“. Allerdings sehen laut Fitch „gewisse politische Kreise“ die Gesundheitsreform als Versuchsballon an, um die Effekte der Portabilität der Alterungsrückstellungen und des Basistarifs zu testen. Sollten diese Maßnahmen überschaubare Konsequenzen nach sich ziehen, dürften Teile der Politik versuchen, die Daumenschrauben für die PKV weiter anzuziehen. Dazu kommt, dass sich die PKV-Branche über die zukünftige Entwicklung selbst nicht einig ist. In letzter Zeit sei ja schon zu beobachten gewesen, dass die Einheit der PKV-Branche Risse bekommt, heißt es in der Studie. Die nähere Zukunft der privaten Krankenversicherung wird durch den Ausgang von zwei Klagen bestimmt: Eine betrifft die Einführung des Basistarifs, die andere eine GKV-Zusatzversicherung, die de facto die gleiche Leistung wie eine private Krankenversicherung bietet. Der Klage gegen den Basistarif vor dem Bundesverfassungsgericht, die am 31. März 2008 eingereicht wurde, haben sich 30 PKV-Unternehmen angeschlossen, die 95% aller privat Versicherten repräsentieren. Die Versicherungen argumentieren damit, dass der Basistarif nicht kostendeckend sei, sodass die anderen privaten Ver- sicherten diesen Tarif mit Mehrbelastungen subventionieren müssten. Allerdings drängt die Zeit. Denn dieser Teil der Gesundheitsreform tritt am 1. Januar 2009 in Kraft. Dass die Verfassungsrichter in Karlsruhe noch in diesem Jahr ein Urteil fällen werden, gilt als unwahrscheinlich. Für den Fall, dass sich das Verfahren in die Länge zieht, hat sich die PKV vorbereitet. Sollte sich im Oktober 2008 kein Urteil abzeichnen, will der Verband eine einstweilige Verfügung beantragen. Ein Ziel der Gesundheitsreform war es, den Wechsel zwischen verschiedenen privaten Krankenkassen zu erleichtern. Ein besonderes Hindernis war dabei die Mitnahme der Alterungsrückstellung, die jetzt mit dem neuen „Wettbewerbsstärkungsgesetz“ möglich ist. Im ersten Halbjahr 2009 können nun zum ersten Mal Bestandsversicherte unter teilweiser Mitnahme der angesparten Mittel in den Basistarif eines anderen PKV-Unternehmens wechseln. Doch nicht alle Krankenversicherer sind begeistert über die neuen Möglichkeiten des Wettbewerbs. Insbesondere „ältere“ Gesellschaften, die dieses Geschäft schon länger betreiben und deren Kundenstamm ein höheres Durchschnittsalter hat, fürchten Abwanderungen. Denn diese Unternehmen mussten in den vergangenen Jahren aufgrund steigender Aufwendungen zum einen die Beiträge anheben, zum anderen eine teilweise restriktive Erstattungspolitik fahren. Die „jüngeren“ Krankenversicherer wie die Axa, Central, HUK Coburg, LVM und andere sahen in dem neuen Gesetz Chancen, Kunden abzuwerben. Der Kompromiss: Man einigte sich darauf, dass die Kunden beim Wechsel zu einer anderen Krankenkasse 18 Monate im Basistarif bleiben müssen, den ab 2009 jede private Krankenversicherung anbieten muss. Allerdings macht das den Wech- Durch die Belastungen der Gesundheitsreform stehen die privaten Krankenversicherer zwar vor großen Herausforderungen, aber die Folgen sind doch nicht so dramatisch, wie ursprünglich angenommen. Foto: Fotolia sel ziemlich unattraktiv. Denn die Konditionen des Basistarifs sind in etwa vergleichbar mit der gesetzlichen Krankenversicherung. So kommt es nun darauf an, wie innovativ die Gesellschaften sein werden, um mit Zusatzversicherungen das Manko des Basistarifs abzufangen. Die Klage gegen die Einführung des Basistarifs beinhaltet auch eine Überprüfung der 18-Monats-Frist. Wenn diese Regelung durch das Verfassungsgericht gekippt wird, dann rechnen einige Versicherer mit einem massiven Neugeschäft im ersten Halbjahr 2009, berichtet Fitch. Insgesamt geht man davon aus, dass jeder 15. privat Versicherte wechselwillig ist. Das bedeutet eine Anzahl von 400 000 bis 600 000 Verträgen. BASISTARIF Ab 1. Januar 2009 muss jede private Krankenversicherung einen Basistarif anbieten. Die Leistungen sind vergleichbar mit denen der GKV. In den Tarif können privat Versicherte in der Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2009 unter Mitnahme der Altersrückstellungen wechseln. Danach können sie nur dann in den Basistarif wechseln, wenn sie das 55. Lebensjahr vollendet haben oder wenn Rentenanspruch oder Hilfsbedürftigkeit besteht. Darüber hinaus steht dieser Tarif allen Neukunden der PKV, die ab dem 1. Januar 2009 einen Vertrag abschließen, ohne zeitliche Beschränkung offen. Überdies können freiwillig Versicherte innerhalb von sechs Monaten nach Einführung des Basistarifs beziehungsweise innerhalb von sechs Monaten nach Beendigung der Versicherungspflicht wechseln. Dritter Personenkreis sind bislang nicht Versicherte, die auf diese Weise wieder einen Krankenversicherungsschutz erhalten können. Die Beiträge richten sich nur nach dem Eintrittsalter und dem Geschlecht des Versicherungsnehmers, aber nicht nach dem Gesundheitsstatus. Es wird zwar eine Gesundheitsprüfung durchgeführt, die jedoch nur für die Bestimmung des Risikoausgleichs notwendig ist. Die Versicherung kann keinen Versicherten ablehnen, denn es besteht Kontrahierungszwang. Der Beitrag beim Basistarif darf den Höchstbeitrag in der GKV nicht überschreiten (2008: 532,80 Euro). Eine kostenfreie Mitversicherung von Ehegatten und Kindern gibt es nicht. Kein Selbstbehalt bei Unfall Die Zeit drängt Inter Krankenversicherung | Tarif ComfortLine mit verschiedenen Selbstbehalten Pflegereform 2008 | Ohne weitere Verbesserungen kommt das System bald an seine Grenzen D ie Inter Krankenversicherung aG reagiert auf den Versicherungsbedarf und hat dafür eine interessante Tarifstufe bei ihrem gut eingeführten Produkt Inter ComfortLine mit verschiedenen Selbstbehalten konzipiert. So hat der Tarif Inter ComfortLine S10 einen Selbstbehalt von 600 Euro, die Produktvariante Inter ComfortLine S20 einen Selbstbehalt von 1 200 Euro. Zu dem umfangreichen Leistungsangebot gehören: ■ die ambulante ärztliche Behandlung und Arzneimittel, ■ 100% Erstattung (im Rahmen des Hausarztprinzips), ■ 100% Erstattung im Einbettzimmer und Chefarztbehandlung, ■ übersichtliche Selbstbeteiligung über alle Leistungsbereiche von 180 Euro beziehungsweise 1 200 Euro (CCLS 20), ■ ■ ■ ■ ■ ■ ■ sehr gute Leistungen für Heilpraktikerbehandlung und Psychotherapie, 100% Erstattung für Zahnbehandlung, 75% Leistung für Zahnersatz – auch für Implantate (Implantate bis 3 750 Euro pro Kiefer), 100% Erstattung für Heilmittel, wie Massagen, Krankengymnastik etc. (10% Selbstbeteiligung max. 50 Euro), 100% Erstattung für Hilfsmittel, wie Sehhilfen, orthopädische Schuhe etc. (max. 300 Euro alle zwei Jahre), ambulante Kurbehandlung bis jeweils 28 Tage, sehr hohe, erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit sowie umfassende medizinische Beratungsund Serviceleistungen mit Gesundheitsmanagement und ServiceCenter. In allen drei Tarifvarianten wird bei unfallbedingten Krankheitskosten auf die Anrechnung des absoluten Selbstbehaltes verzichtet, sofern der Unfall sich nach dem Versicherungsbeginn ereignete und weniger als 24 Monate zurückliegt. Vor dem 1. Januar 2009 wird es keine Beitragsanpassung für die neuen Tarifstufen geben. Auch die neue Sterbetafel PKV 2007 ist bereits eingerechnet. Alle drei Tarifvarianten bieten die Option, zum Ende des dritten und des fünften Versicherungsjahres, ohne erneute Risikoprüfung und Wartezeiten auf einen niedrigeren Selbstbehalt innerhalb der jeweiligen Produktlinie umzustellen. Bei Leistungsfreiheit wird eine erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung von bis zu sechs Monatsbeiträgen aus dem ambulanten und zahnärztlichen Beitragsteil gezahlt. Das verdrängte Risiko Pflegeversicherung | Vorsorge in jungen Jahren zahlt sich aus VON MICHAEL KURTENBACH* I Nach mehreren Jahren mit konstanten beziehungsweise abnehmenden Beständen in der Krankenvollversicherung wittern zahlreiche Unternehmen erstmals wieder die Möglichkeit für ein deutliches Bestandswachstum. Einige Unternehmen bewerben schon jetzt aktiv diese Wechselmöglichkeit und bieten Optionstarife an, bei denen zum tatsächlichen Wechselzeitpunkt im ersten Halbjahr 2009 auf eine erneute Gesundheitsprüfung und die sonst üblichen Wartezeiten verzichtet wird. Gleichzeitig hofieren die Gesellschaften ihre eigenen Versicherten, indem sie relativ große Kulanz bei Abrechnungen zeigen, und schieben Prämienanpassungen bis nach dem 30. Juni 2009 hinaus. Die Einführung des Basistarifs bedeutet für die Versicherungen einen immensen Aufwand. Die KarstadtQuelle Krankenversicherung AG und die BBV Krankenversicherung AG haben deshalb bereits ihr Neugeschäft in der Vollversicherung eingestellt und ihre Bestände auf größere Gesellschaften übertragen. Fitch geht davon aus, dass noch zwei bis drei weitere der insgesamt 40 deutschen Krankenversicherer die Kosten schwer alleine schultern können. Was die zweite Klage der privaten Versicherer gegen die quasi-private GKV-Zusatzversicherung betrifft, ist der Ausgang ebenfalls ziemlich offen. Seit April 2007 bietet die AOK Rheinland/Hamburg Kostenerstattungstarife mit Leistungen wie Chefarztbehandlung, Einzel- oder Zweibettzimmer bei Krankenhausaufenthalten und volle Kostenerstattung bei Zahnersatz an. Solche Wahltarife sind in der GKV seit der Verabschiedung des Wettbewerbsstärkungsgesetzes möglich. Drei Versuche der PKV, die Zusatztarife der AOK vor Gericht zu stoppen, sind gescheitert. Die PKV sieht sich gegenüber der GKV im Nachteil, weil die Kassen als Sozialversicherungen steuerbefreit sind, kein Eigenkapital hinterlegen müssen, keine Solvabilitätsvorschriften erfüllen müssen und bei ihrer Tarifkalkulation keine Progression der Kosten im Alter berücksichtigen müssen. Sollte die PKV mit ihrer Klage keinen Erfolg haben, dann stehen einige GKV-Unternehmen schon in den Startlöchern, um ähnliche Tarife anzubieten. Diese Entwicklungen könnten dahin führen, wohin die Politik wohl ohnehin tendiert: die Unterschiede in der privaten und der gesetzlichen Krankenversicherung zu egalisieren. Damit wäre die Basis für ein einheitliches System geschaffen. Denn auf Dauer werden sich die beiden Parallelwelten nicht finanzieren lassen. mmer mehr gesetzlich Krankenversicherte in Deutschland stellen sich in der Gesundheitsversorgung auf ein höheres Maß an Eigenverantwortung ein. Drei Viertel sind der Meinung, dass die Ausgaben des Einzelnen im Krankheitsfall stark steigen werden. Insbesondere bei den finanziellen Mehrkosten im Alter, geben sich die Kassenpatienten keinen Illusionen hin. So halten 72% von ihnen eine private Pflegeversicherung für wichtig. Dennoch haben bisher nur 13% eine solche Police abgeschlossen, um die drohende Versorgungslücke zu schließen. Bei keiner anderen Ergänzungsversicherung ist der Unterschied zwischen theoretischer Erkenntnis und praktischem Handeln derart groß. Ein wesentliches Hindernis auf dem Weg zum Abschluss ist, dass es vielen Kassenversicherten an Orientierungshilfe fehlt. Viele können den eigenen Bedarf an Ergänzungspolicen nicht richtig identifizieren und haben damit auch keine Vorstellung davon, wie sich Versorgungslücken schließen lassen. Das hat der Kundenkompass Zusatzversicherung, eine repräsentative Umfrage der Gothaer Krankenversicherung in Zusammenarbeit mit dem F.A.Z.Institut ergeben. Eine knappe Mehrheit der gesetzlich Versicherten in Deutschland steht ohne privaten Zusatzschutz da. Nur 28% aller Befragten planen, dies in absehbarer Zukunft zu ändern. Viele Versicherte vermeiden eine Auseinandersetzung mit dem Thema, weil sie angesichts der komplizier- ten Themenmaterie im Zusammenhang mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ratlos sind. So beklagen drei Viertel der Kassenpatienten, dass ihnen ein Überblick über die Lücken im Leis- Michael Kurtenbach, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Gothaer Krankenversicherung. Foto: Gothaer tungskatalog der Krankenkassen fehlt. Hinzu kommt, dass der Markt für Zusatzpolicen schwierig zu überschauen ist. Vor dieser Herausforderung scheuen viele Befragte zurück. Maximal jeder zweite Kassenpatient verschafft sich vor dem Abschluss einer Zusatzpolice einen Gesamtüberblick über das Marktangebot, indem er sich bei seiner Krankenkasse oder über Verbrauchermagazine informiert. 38% vertrauen auf Ratschläge aus dem persönlichen Umfeld. Insbesondere bei der Absicherung des Pflegerisikos kann sich die Zögerlichkeit der Kassenpatienten als bitteres Versäumnis erweisen. Denn auch hier gilt die Regel, dass Absicherung in jungen Jahren sich im Zeitverlauf günstiger auswirkt. Obwohl dies vielen bekannt ist, zeigt die Befragung, dass sich das abwartende Kundenverhalten kurzfristig nicht ändern wird. Nur 8% der Kassenversicherten wollen in den kommenden zwei Jahren für den eigenen Pflegefall vorsorgen. Das Risiko, einmal pflegebedürftig zu werden, ist im Bewusstsein der Menschen durchaus vorhanden. 71% der Männer und 73% der Frauen erkennen den Nutzen einer entsprechenden Zusatzversicherung an. Allerdings denken viele Befragte, dass die Zeit für einen Abschluss noch nicht gekommen sei. Die Scheu vor hohen Kosten bildet dabei das Haupthindernis: Acht von zehn Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und Familienversicherten nennen die finanzielle Belastung durch Ergänzungstarife als Grund gegen den weiteren Abschluss von Versicherungen. Knapp 60% sehen den Kostenaspekt sogar als sehr großes Hindernis an. Das gilt neben der Pflegeergänzung auch für alle anderen Ergänzungstarife wie beispielsweise Zahnbehandlung, Vorsorgeuntersuchungen oder Krankentagegeld. Das Kostenargument nimmt jedoch mit steigendem Haushaltsnettoeinkommen ab. *Michael Kurtenbach ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Gothaer Krankenversicherung AG. VON DR. ULRICH RUMM* M it dem am 1. Juli 2008 in Kraft getretenen Pflege-Weiterentwicklungsgesetz hat die große Koalition auf ihrer Agenda für die aktuelle Legislaturperiode das Thema „Pflegereform 2008“ abgehakt. Tatsächlich enthält das Gesetz einige Verbesserungen, wie zum Beispiel eine Anhebung der Versicherungsleistungen, mehr Leistungen für Demenzkranke und einen Anspruch auf Pflegeberatung. Darüber hinaus besteht nun die Möglichkeit für Arbeitnehmer, zehn Tage so genannte Pflegezeit zur Organisation einer akut auftretenden Pflegesituation naher Angehöriger oder sechs Monate unbezahlte, jedoch sozialversicherte Freistellung zur Pflege von Angehörigen in Anspruch zu nehmen. Das sind sicher Fortschritte auf dem Weg zu einer besseren Versorgung von Alten und Kranken. Insgesamt gesehen wurde mit dieser Reform aber wieder eine Chance vergeben, die soziale Pflegeversicherung auf eine nachhaltig sichere finanzielle Basis zu stellen. Denn in dem Umfang, wie die allesamt umlagefinanzierten Leistungen ausgeweitet werden, werden sich demografisch bedingt die Finanzierungsprobleme der sozialen Pflegeversicherung sogar verschärfen. Die großen Herausforderungen des demografischen Wandels im Hinblick auf eine nachhaltige Finanzierung finden bei dieser Reform überhaupt keine Berücksichtigung. Noch funktioniert das System Genau genommen funktioniert die ja erst 1995 als umlagefinanziertes System eingeführte soziale Pflegeversicherung im Moment ja auch reibungslos. Denn die Finanzierungslast von Pflegefällen wird noch für einige Jahre auf die breiten Schultern der erwerbstätigen geburtenstarken Babyboomer verteilt, zahlen diese doch auch weitaus höhere Beiträge als die Rentner. Doch was die Väter der Pflegeversicherung wie der damalige Gesundheitsminister Norbert Blüm als Errungenschaft feierten, wird auf längere Sicht zur Achillesferse des Systems. Die Veränderung der idealtypischen Alterspyramide zu einem kopflastigen Gebilde wird der sozialen Pflegeversicherung noch arg zu schaffen machen. Ein Grund dafür liegt darin, dass in Deutschland der Nachwuchs fehlt. Nur um eine stabile Altersschichtung und damit noch nicht einmal die idealtypische Pyramide langfristig zu erhalten, wäre eine „Reproduktionsrate“ von über 2 notwendig. Im Schnitt müsste demnach jede Frau im gebärfähigen Alter 2,1 Kinder bekommen. Diese Rate pendelt aber bereits seit rund 30 Jahren um einen Wert von 1,4 herum. Somit wurden aber schon vor 25 Jahren nicht die Mädchen geboren, die heute die Kinder für eine stabile Altersschichtung bekommen müssten. Das jüngst einge- führte Elterngeld wird daran auf absehbare Zeit auch nichts ändern. Grundsätzlich ist die Abweichung von der Pyramidenform der Vergangenheit durchaus positiv zu sehen. Denn diese Altersschichtung ist mit relativ vielen Sterbefällen pro Jahrgang verbunden. Hier haben der medizinische Fortschritt und die ver- Dr. Ulrich Rumm, Chef der Allianz Private Krankenversicherung. Foto: APKV besserten Lebensumstände dafür gesorgt, dass wir alle auf ein längeres Leben hoffen dürfen. Die umlagefinanzierte Pflegeversicherung sieht sich hingegen einer dramatischen Veränderung der Voraussetzungen für ihr Funktionieren gegenüber: Wenn die geburtenstarken Jahrgänge in etwa 15 bis 20 Jahren in das „pflegenahe“ Alter kommen, dann zeigt der so genannte Pillenknick bereits seine ersten Auswirkungen. So wird die Altersgruppe der zwischen 20und 65-Jährigen schrumpfen. Prognosen sagen einen Rückgang von heute 61% auf 53% im Jahre 2040 voraus. Gleichzeitig verdoppelt sich mit der steigenden Zahl von Senioren bis 2050 wohl auch die der Pflegefälle. In diesen Szenarien, die mit dem verstärkten Trend zur Kleinfamilie einhergehen, wird insbesondere die Pflege kranker, älterer Menschen im häuslichen Umfeld zu einer Randerscheinung. Zwangsläufig gewinnt die professionelle, jedoch auch weitaus teuere Pflege in stationären Einrichtungen an Bedeutung. Da spielt es dann auch für die Höhe der insgesamt in der Gesellschaft anfallenden Pflegekosten keine Rolle, dass sich die Pflegebedürftigkeit von Senioren in immer höhere Altersjahrgänge verschieben wird. Im Ergebnis ist zu erwarten, dass der demografische Wandel insgesamt zu mehr Pflegefällen führt und gleichzeitig die durchschnittlichen Kosten für die Pflege steigen. Betrachtet man die prognostizierte Bevölkerungsentwicklung – und diese ist nicht erst seit gestern bekannt – dann zeigt sich, was von vornherein absehbar war: Die Konstruktionsfehler der Pflegeversi- cherung werden das Umlageverfahren in der Pflegeversicherung mittelfristig an den Rand seiner Funktionsfähigkeit bringen. Es droht eine Überforderung der dann Erwerbstätigen und der ohnehin brüchige Generationenvertrag muss zunehmend in Frage gestellt werden. Voraussetzung für einen akzeptablen Lösungsweg muss deshalb Generationengerechtigkeit sein. Das kann unter den gegebenen Voraussetzungen aber nur dann umgesetzt werden, wenn jede Generation für sich selbst zusätzlich vorsorgt. Zweifellos kann der hierzu notwendige Schwenk vom Umlageverfahren auf das generationengerechte Kapitaldeckungsverfahren nur schrittweise funktionieren. Andernfalls kommen die „Sandwich-Generationen“ unter die Räder. Denn sie müssen die heutigen Pflegefälle finanzieren und werden gleichzeitig durch eigene Ansparleistungen überfordert. Hierzu gibt es bereits erste Überlegungen: Die Vorsorge dieser Generationen sollte über rechnerisch individualisierte Vorsorgebeiträge organisiert werden. Diese Lösung wäre einem pauschalen prozentualen Zuschlag auf den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung vorzuziehen. Bei der Aufgabe einer generationengerechten Auflösung von Alterungsrückstellungen würde eine pauschale Kapitalbildung versagen. Denn es ließe sich nicht verhindern, dass letztlich eine Reihe von Jahrgängen leer ausgehen würde. Es lässt sich heute nicht prognostizieren, wann die Altersschichtung wieder stabil sein wird und ein Umlagesystem wieder reibungslos funktionieren würde. Das wäre der Zeitpunkt, an dem die Rückstellungen den Wert Null erreichen dürften. Dieses Problem hat das Kapitaldeckungsverfahren, wie es bei der privaten Krankenversicherung zur Anwendung kommt, nicht. Es bietet beispielsweise das Instrumentarium, um für jeden Jahrgang bedarfsgerecht Alterungsrückstellungen aufzubauen wie auch wieder abzubauen. So funktioniert heute bereits die ebenfalls 1995 parallel zur gesetzlichen Pflegeversicherung eingeführte private Pflegepflichtversicherung. Mit dem Einstieg in die Kapitaldeckung bei Mitgliedern der sozialen Pflegeversicherung sollte die Politik aber nicht mehr allzu lange warten. Die Zeit drängt. In rund zehn Jahren beginnt der Prozess, dass geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen und damit deren Beiträge zur Pflegeversicherung massiv sinken. Ein paar Jahre später steigt wiederum das Pflegerisiko dieser Personen. Wenn dann die Ausgaben zur sozialen Pflegeversicherung signifikant steigen, ist es für eine zusätzliche Vorsorge bereits längst zu spät. *Dr. Ulrich Rumm ist Vorstandsvorsitzender der Allianz Private Krankenversicherung (APKV). IMMOBILIEN SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 17 Globales Wachstum Grünes Rechenexempel Beglaubigte Energieeffizienz Messen zu kleinen Preisen Deutschland ist weltweit für Investoren ein wichtiger Standort, doch auch deutsche Immo-Unternehmen sind international aktiv. Seite 18 Immobilienbesitzer und -nutzer wünschen sich eine energetische Aufrüstung ihrer Objekte, sie wollen allerdings finanziert sein. Seite 18 Investoren achten stärker auf die nachhaltige Ausstattung von Gebäuden – und zwar mit Brief und Siegel. Seite 19 Auch kleine Unternehmen wagen mit den Fixpreis-Angeboten von easyFairs ihren ersten Messeauftritt. Seite 20 Green is gold – und Voraussetzung für Erfolg Expo Real 2008 | In zahlreichen Foren,Vorträgen und Diskussionen beschäftigt sich die Branche wieder mit nachhaltigen Immobilien D ie Expo Real in München wirft ihre Schatten voraus. Die elfte internationale Fachmesse für Gewerbeimmobilien findet vom 6. bis 8. Oktober auf dem Messegelände in München statt. Auf der vergangenen Expo Real hatten sich 1 823 Unternehmen aus 43 Ländern auf 63 000 Quadratmetern präsentiert. Fast 24 000 Fachbesucher aus 77 Ländern interessierten sich damals für die Angebote von Immobilien aus aller Welt. Zu den Top Ten der Besucherländer zählten nach Deutschland Großbritannien, die Niederlande, Österreich, die Schweiz, die Tschechische Republik und die Russische Föderation. Zu den Ländern mit großer Ausstellungspräsenz in diesem Jahr gehört gerade auch die Russische Föderation, aber auch viele andere osteuropäische Märkte. Aus Russland kommen 2008 über 70 Investoren, Projektentwickler und Dienstleister sowie Städte und Regionen und damit so viele wie noch nie zuvor. Umgekehrt wird aber auch Russland für westliche Investoren ein immer interessanterer Markt, auch wenn sich das Gros noch immer auf die wirtschaftlichen Hot Spots Moskau und St. Petersburg konzentriert. Mehr und mehr in den Blickpunkt geraten jedoch auch die so genannten Millioniki, also Städte in Russland mit mehr als 1 Mio. Einwohnern. Für diese regionalen Zentren wie etwa Ekaterinburg oder Samara werden für die nächsten Jahre erhebliche Wachstumsraten prognostiziert. Im vergangenen Jahr betrug der Investmentumsatz bei gewerblichen Immobilien in Russland allein gut 5 Mrd. US-Dollar – und das trotz anwachsender, weltweiter Kreditkrise. Die Expo Real widmet speziell diesen Millioniki zwei Veranstaltungen, zum einen den detaillierten Marktüberblick mit dem Real Estate Investors Guide „Russische Föderation“ sowie innerhalb des Investment Locations Forum. Dort sprechen Fachleute wie Georgii A. Ivanov, geschäftsführender Gesellschafter von Eurasia aus Moskau, und Lawrence J. Mahon, Co-Bereichsvorstand Bau bei Basic Element. In einem Russian Afternoon wird in der Media Lounge außerdem noch über die boomenden Städte Russlands und mögliche Investoren diskutiert werden. Begleitend zur Ausstellung widmet sich die Expo Real im Rahmen ihres Konferenzprogramms zahlreichen Trends und Themen aus der Immobilienwirtschaft. So zeigt die Vielfalt der nutzungsgebundenen Immobilien das Special Real Estate Forum. Hier werden Experten aus den Marktsegmenten Hotel, Büro, Einzelhandel und Lo- Auch wenn die Immobilienmärkte noch von der US-Hypothekenkrise überschattet werden, erwartet die Branche auf der Expo Real in München bessere Zeiten, wobei es neben ökologisch aufgerüsteten Einzelobjekten vor allem auf dynamische Märkte ankommt. Weniger die USA (im Bild oben links New York) als vielmehr Länder wie die Türkei (Istanbul oben re.) sowie Russland (St. Petersburg unten li.) und Asien (Singapur unten re.) zählen zu den Wachstumszonen. Fotos: Bilderbox gistik ihre Projekte vorstellen und über die Marktentwicklung in ihren Bereichen spekulieren. Im Investment Locations Forum werden interessante und lukrative Investitionsstandorte weltweit aufgezeigt. Neben den europäischen Ländern werden hier die aufstrebenden Emerging Markets in Mittel- und Südosteuropa sowie Asien in den Brennpunkt gerückt. Selbstverständlich spielen auch nachhaltige Immobilien auf der Expo Real 2008 wieder eine wesentliche Rolle, nachdem sie bereits 2007 die Diskussionen beherrscht haben. Die Expo Real wird deshalb einen eigenen „Green Thinker Award“ verleihen. Mit dieser von dem niederländischen Künstler David Veldhoen gestalteten Skulptur – einer Art Brokkoli-Männchen – sollen Projektentwickler ausgezeichnet werden, die sich durch eine besonders konsequente Ausrichtung um Nachhaltigkeit und ökologische Verträglichkeit verdient machen. Die Jury besteht neben Anna Braune, Leiterin der Geschäftsstelle der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, aus einer Reihe internationaler Profis der Baubranche. Innerhalb des Konferenzprogramms befasst sich das Expo Real Forum etwa in den Diskussionsrunden: „Die globale Perspektive: Green is gold“ oder „N.N. Nutzer und Nachhaltigkeit – Die unbekannte Größe“ mit nachhaltiger Immobilienwirtschaft. Immerhin sind Immobilien, rein auf den CO2-Ausstoß bezogen, die größten Umweltverschmutzer auf der Welt. In den Städten summiert sich der Anteil, den Immobilien am CO2-Ausstoß haben, auf bis zu 70%. Die renommierte Royal Institution of Chartered Surveyors (RICS) hat nun erstmals einen Katalog von Leitlinien zum CO2-Management erstellt. In diesem „Carbon Management of Real Estate – A guide to best practice“ werden Standards beispielsweise zu Techniken zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Vorhersage der CO2-Bilanz einer Organisation gegeben. Aufgrund der steigenden Energiepreise werden ökologische Bauten mit geringerem Energieverbrauch aber auch zusehends lukrativer für Investoren – und Mieter. In der Diskussion „Green is gold“ wird die globale Perspektive des Immobilienmanagements unter der Konstante des ökologischen Bauens auf der Expo Real von Experten von Wien bis Dubai diskutiert. Eine nicht unwichtige Rolle werden dabei auch Zertifizierungen wie die US-amerikanische LEED durch das Green Building Council spielen. uk Die Branche rüstet sich für bessere Zeiten Immobilienunternehmen in Deutschland | Die Mieten werden langfristig wieder steigen D ie erste Jahreshälfte 2008 erlebten Immobilienunternehmen in Deutschland äußerst unterschiedlich. Soweit sie überhaupt Quartalszahlen veröffentlichen, spielten bei auf Bestandswahrung fokussierten Unternehmen vor allem Marktwertänderungen eine Rolle, die die Ergebnisentwicklung nach unten drückten. Denn noch immer stagnieren die Immobilienpreise, gebremst von der Zinsentwicklung und der sehr viel restriktiveren Kreditvergabe der Banken. Allerdings prognostiziert der Immobilienverband Deutschland (IVD) laut Wohnpreisspiegel 2007/08 wieder leicht ansteigende Immobilienpreise im Heimatmarkt, auf jeden Fall sei der Sinkflug gestoppt. Die Deutsche Annington Immobilien GmbH (DAIG), Bochum, erweiterte ihr Immobilienportfolio im ersten Halbjahr und erwarb im Ruhrgebiet von der Deutschen Angestellten-Wohnungsbau-Aktiengesellschaft (DAWAG), Hamburg, 626 Wohnungen. Die DAIG will die Wohnungen langfristig halten. 2007 erzielte die Deutsche Annington aus der Immobilienbewirtschaftung Erlöse in Höhe von 1,075 Mrd. Euro und aus dem Verkauf von Immobilien 74,7 Mio. Euro. Das Adjusted EBITDA kletterte auf 462,2 (452,3) Mio. Euro, die FFO (Funds from Operations) von 152,1 Mio. Euro auf 190,1 Mio. Euro. Die IVG Immobilien AG, Bonn, musste im ersten Halbjahr Marktwertänderungen im Immobilienportfolio von minus 168,3 Mio. Euro verbuchen, auch wenn diese nicht zahlungswirksam waren. In der Vergleichsperiode hatten die Marktwertänderungen noch mit plus 142,8 Mio. Euro zu Buche geschlagen. Insofern schrumpfte die Gesamtleistung von 525,2 Mio. Euro zerns aus Düsseldorf – vormals RAG Imauf 463,2 Mio. Euro und das Adjusted EBIT mobilien – konnte das EBIT von 39 Mio. sank von 306,4 Mio. Euro auf 151,1 Mio. Euro auf 86 Mio. Euro im ersten Halbjahr Euro. Das Konzernergebnis sank von 184,9 2008 deutlich steigern. Hauptursachen daMio. Euro auf 51,1 Mio. Euro. Für das Gefür waren die erstmalige Einbeziehung der samtjahr senkte die IVG die Prognose desseit Dezember 2007 at Equity bilanzierten halb beim Konzernergebnis auf eine SpanTHS Wohnen sowie Veräußerungsgewinne ne zwischen 50 Mio. Euro und 60 Mio. Euro aus bereits 2007 vereinbarten, aber erst im (bisher 90 Mio. Euro bis 100 Mio. Euro). ersten Quartal 2008 durchgeführten Ver„Die IVG hat sich im ersten Halbjahr opekäufen von Gewerbeimrativ gut entwickelt. So mobilien. Damit hat die konnte zum Beispiel unser Zwar stagnieren Evonik ImmobiliensparGeschäftsbereich IVG Development sieben Projekte die Immobilienpreise te den angekündigten Ausstieg aus den Gewersehr erfolgreich veräuweiterhin, doch beimmobilien und die ßern“, so der VorstandsKonzentration auf Wohvorsitzende Wolfhard der Sinkflug nen weitestgehend abgeLeichnitz. Auch sei es geist gestoppt. schlossen. Der Umsatz im lungen, die Mieten weiter zu erhöhen und den LeerReal Estate-Bereich des stand abzubauen, außerdem laufe der AusEnergie-, Chemie- und Immobilienkonzerns bau der Kavernenanlage auf Hochtouren. Evonik kletterte um 4% auf 170 Mio. Euro, Gegen den marktbedingten Rückgang bei wobei hier vordringlich Verkäufe aus dem der Bewertung setze die IVG auf eine forBauträgergeschäft zu Buche schlugen. cierte Umsetzung ihres KostensenkungsDie Pirelli & C. Real Estate Deutschland programms, mit dem jährlich 30 Mio. Euro GmbH wird im September 2008 die deuteingespart werden sollen. sche Zentrale in die Hamburger City Nord Die Deutsche Wohnen AG hat sich nach verlegen. Damit will die erst 2007 gegrünihrem Zusammenschluss mit der Berliner dete Tochter der Pirelli & C. Real Estate SpA GEHAG einer optischen Verjüngungskur auch die erfolgreiche Integration der unterzogen. Die Integration der GEHAG sei DGAG Deutsche Grundvermögen AG und – zumindest was die Personalstruktur beder BauBeCon und den weiterhin angetrifft – inzwischen abgeschlossen und Kosstrebten Expansionskurs dokumentieren, teneinsparungen in Höhe von etwa 10 Mio. immerhin stehen ihr dann mehr als 5 000 Euro ab 2009 anvisiert. Bei den WohneinQuadratmeter Bürofläche zur Verfügung. heiten konnte das SDax-Unternehmen beErst im März hatte Pirelli innerhalb eines reits 85% des Jahreszieles abverkaufen und Konsortiums mit unter anderem der ita98 Mio. Euro einnehmen. Das EBITDA lienischen Borletti Group den Erwerb von ohne Restrukturierungsaufwendungen be49% an Highstreet von Arcandor bekannt lief sich auf 65,5 Mio. Euro. gegeben. Highstreet umfasst 164 LiegenDie Immobiliensparte des Evonik-Konschaften (Kaufhäuser) in Deutschland mit einer Gesamtfläche von 3,2 Mio. Quadratmetern, darunter so stolze Kaufhaustempel wie das KaDeWe in Berlin oder das Haus Oberpollinger in München. Die vordringlich auf Immobilien im Norden Deutschlands fokussierte Pirelli RE erzielte 2007 einen Nettogewinn von 151,1 Mio. Euro. Die Augsburger Patrizia Immobilien AG konnte das erste Halbjahr 2008 mit einem positiven Ergebnis abschließen, was angesichts der allgemeinen Immobilienkrise ja bereits als Erfolg bewertet werden muss. Im ersten Quartal hatte die Patrizia noch deutlich rote Zahlen geschrieben, nach der Jahreshälfte betrug der Vorsteuergewinn 2,7 Mio. Euro. Trotzdem hält der PatriziaVorstandsvorsitzende Wolfgang Egger an einem Jahresergebnis von 25 Mio. Euro bis 30 Mio. Euro fest, da sein Geschäft sehr stark saisonal beeinflusst sei. „Wir gehen davon aus, dass der weitere Verlauf des in der Immobilienbranche erfahrungsgemäß stärkeren zweiten Halbjahres das Erreichen der Prognose sichern wird“, so Egger. Die InCity Immobilien AG, Köln, spezialisiert auf die Entwicklung und Realisierung von Immobilien in Innenstadtlagen, erzielte im ersten Halbjahr 2008 einen Umsatz (nach IFRS) von 33,6 Mio. Euro – eine Steigerung von 165% gegenüber dem Vergleichszeitraum (der noch nach HGB bilanziert wurde). Das EBIT des erst 2007 an die Börse gegangenen Unternehmens verbesserte sich auf rund 5,5 Mio. Euro. „Dank der guten Geschäftsentwicklung im ersten Halbjahr ist abzusehen, dass wir unsere Gesamtjahresplanung erfüllen und damit unser nachhaltiges Wachstum fortsetzen werden“, so Vorstand André Peto. Die mittelständische VIB Vermögen AG, Neuburg an der Donau, die sich insbesondere auf Gewerbeimmobilien in Süddeutschland konzentriert, konnte die Umsatzerlöse auf 19,6 Mio. Euro mehr als verdoppeln und das EBIT um 146,8% auf 16,4 Mio. Euro kräftig erhöhen. Allein in der ersten Jahreshälfte investierte die VIB 48 Mio. Euro in die Aufstockung ihres Immobilienbestandes, insgesamt sollen es 2008 etwa 100 Mio. Euro werden. Ende vergangenen Jahres hatte die VIB außerdem die BBI Bürgerliches Brauhaus Immobilien AG übernommen und in diesem Jahr per Ergebnisabführungsvertrag an sich gebunden. Die auf Einzelhandelsobjekte ausgerichtete BBI steigerte ihre Umsatzerlöse im ersten Halbjahr 2008 um 4,7% auf 11,17 Mio. Euro. Das EBIT sank hingegen von 4,7 Mio. Euro auf 3,51 Mio. Euro. Grund für den Rückgang waren Sondereffekte im Vorjahr, wie eine einmalige Wertzuschreibung im Bereich des historischen Altbestands. Hoch qualifiziertes Personal als Wettbewerbsvorteil Die auf die Vermittlung von Gewerbe- und Wohnimmobilien ausgerichtete DB Immobilien, Heidelberg, konnte den Umsatz 2007 um 14% auf 15,2 Mio. Euro Provision steigern. Das vermittelte Objektvolumen kletterte um 15% auf 344 Mio. Euro. Seit 2008 ist neben der Deutschen Bank auch die Berliner Bank Kooperationspartner der DB Immobilien und das bundesweite Filialnetz wurde um zwei neue Standorte erweitert. Im ersten Halbjahr 2008 verzeichnete das Unternehmen einen weiteren, nicht genannten Umsatzanstieg gegenüber dem Vergleichszeitraum. „Wir setzen weiterhin auf strategisches Wachstum und auf hoch qualifiziertes Personal, das wir im eigenen Unternehmen ausbilden“, so Dietmar Franz, Geschäftsführer der DB Immobilien. Die Real I.S. AG, eine 100%ige Tochter der Bayern LB, sammelte im ersten Halbjahr 2008 um 15% mehr Eigenkapital im Privatkundengeschäft ein als im Vergleichszeitraum. Die Asset ManagementGesellschaft für gewerbliche Immobilien konnte gerade bei den geschlossenen Immobilienfonds deutlich zulegen. „Wir wollen mit dem Real I.S. Investmenthaus insgesamt bis Dezember die 500 Mio.-Grenze wieder erreichen“, so Andreas Heibrock, Mitglied der Geschäftsleitung von Real I.S. Geschlossene Fonds allgemein seien im Vorteil bei so wichtigen Themen wie Inflation und Abgeltungssteuer. Die HSH Nordbank sieht sich als führenden Anbieter von Finanzierungs- und Beratungsdienstleistungen für Immobilienkunden mit dem Fokus auf Gewerbeund Wohnimmobilien im Inland und einem internationalen Schwerpunkt in Nordamerika, Skandinavien und Westeuropa. 2007 konnte der Geschäftsbereich auf eine insgesamt positive Geschäftsentwicklung zurückblicken und ein Betriebsergebnis nach Risiko von 333 Mio. Euro einfahren – 44% mehr als im Vorjahr. „Unser Geschäftsfeld war im vergangenen Jahr maßgeblich von einer hohen Nachfrage nach Immobilieninvestments geprägt“, so Peter Rieck, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der HSH Nordbank AG. Alles in allem wird erst die Vorlage der Jahreszahlen 2008 zeigen, welche Auswirkungen die internationale Immobilienkrise auf die deutschen Unternehmen tatsächlich hatte. uk IMMOBILIEN 18 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Weltweite Wachstumsmärkte für Immobilien EXPO Real | Von Dubai bis Australien bieten sich interessante Chancen für Investoren U nbeachtet von der aus den USA aus in die Welt schwappenden Finanzkrise erfreuen sich die internationalen Immobilienmärkte insgesamt eines allgemeinen Wachstums. Hier sind vor allem geografisch das östliche Europa und Russland, aber auch Teile des Nahen Ostens wie etwa das rasch wachsende Dubai und Schwellenländer wie Indien und China an erster Stelle zu nennen. Der deutsche Heimatmarkt ist einerseits von stark ausgeprägten regionalen Unterschieden beherrscht, konnte sich insgesamt aber nicht ganz von den Auswirkungen der Finanzkrise abkoppeln. „Die Grundstimmung am deutschen Markt für Gewerbeimmobilien ist optimistisch“, zu dieser Einschätzung kommt aber Jürgen Michael Schick, Vizepräsident und Pressesprecher des Immobilienverband Deutschland (IVD) in Berlin. Gerade auch in den großen Städten konnte der Gewerbepreisspiegel des IVD wieder steigende Mieten verzeichnen. Insgesamt musste der IVD aber immer noch einen Rückgang von 1% bei den Gewerbemieten verzeichnen, nach 1,5% im Vorjahr. Alles in allem betrachtet liegt nach der Immobilienberatung King Sturge, Frankfurt und Berlin, in Deutschland zwar ein Abschwung vor, doch gebe es keine heftigen Einbrüche wie in den USA oder Spanien. „Die deutschen Immobilienmärkte sind solide finanziert, zeigen ordentliche Mietrenditen und gelten zudem als realistisch bewertet“, so Sascha Hettrich, CEO und Managing Partner bei King Sturge Deutschland. Neben Deutschland und Russland spielt auch Osteuropa eine wichtige Rolle, auch wenn hier momentan ebenfalls eher Stagnation auf den Immobilienmärkten vorherrscht. Hier werden in Zukunft Lage und Qualität die Diskussion beherrschen und so manches vorschnell im Zuge des Booms durchgezogene Projekt könnte sich langfristig nicht rechnen. Nachholbedarf ist auch hier – ähnlich wie in Russland – bei den Städten hinter den Hauptstädten, den so genannten „Zweitstädten“, zu sehen, wo noch Einkaufszentren und Büroimmobilien benötigt werden. Dass mit hochwertigen Immobilien auch in Osteuropa gut Wohnen und arbeiten in der Moderne – in Deutschland: Bild links Spreebellevue in Berlin (Deutsche Annington), rechts oben das Hackesche Quartier, ebenfalls in Berlin (IVG Immobilien AG), und rechts unten – mit der Anmutung eines gestrandeten Wals – das Airrail Center Frankfurt, eines der größten Gewerbeimmobilien-Projekte Europas, von der Fraport AG und der IVG Immobilien AG zusammen durchgeführt. Fotos: Deutsche Annington, IVG verdient werden kann, bewies die österreichische CA Immo International, eine Tochter der CA Immo, Wien, etwa durch den Verkauf des Renaissance Towers in Warschau zu einem Preis, der 10% über dem letzten Bewertungsergebnis lag. Von ungebrochenem Wachstum gekennzeichnet ist auch Dubai am Persischen Golf. Die Nachfrage nach Wohnund Büroraum ist ungebrochen, denn hier arbeiten zehntausende von Gastarbeitern und Fachkräften, außerdem werden Büroflächen für die vielen internationalen Konzerne mit Repräsentanz in Dubai benötigt. 50 000 Wohnungen werden jährlich gebraucht, Schätzungen gehen davon aus, dass sich die Stadtbevölkerung von Dubai bis zum Jahr 2012 verdoppelt, von jetzt 1,3 Mio. auf 2,5 Mio. Einwohner. Investoren werden seit der Öffnung des Immobilienmarktes für Ausländer im Jahr 2002 mit Steuerfreiheit und Finanzierungshilfen umworben, die meisten einheimischen Immobilienunternehmen sind in der Hand der Herrscherfamilie Al Maktoum. Kennzeichen für den Boom sollen Hochhäuser setzen, so rechnet die Bundesagentur für Außenwirtschaft mit 13 Türmen mit jeweils mehr als 100 bewohnbaren Stockwerken, die das Stadtbild prägen sollen. Bisher existieren bereits sieben solcher Wolkenkratzer. Gesamtbudget von fünf zu bauenden Ungetümen über 600 Metern Höhe: 7 Mrd. US-Dollar. Dass auch in Australien Potenzial auf dem Immobilienmarkt vorhanden ist, zeigt die Real I.S. AG, München, die bereits den vierten Bayernfonds Australien aufgelegt hat mit einem Eigenkapitalvolumen von 135 Mio. Australischen Dollar. Real I.S. hatte bereits 2005 den ersten Australienfonds aufgelegt, bei dem das Objekt schon 2007 wieder veräußert werden konnte und die meisten Anleger Rückflüsse in Höhe von 147% erhielten. Immerhin verzeichnete die australische Baukonjunktur in den vergangenen beiden Jahren Umsatzzuwächse von je 6%. Auch in Australien steigen die Hypothekenzinsen und einige Hausbauer kommen in die Bredouille, doch von US-Zuständen ist das Land noch weit entfernt. uk Grünes Bauen muss sich rechnen Nachhaltigkeit | Energetische Maßnahmen sind oft eine Frage der Finanzierung G Konzentrieren Sie Ihre Lesezeit: Unverzichtbar für Entscheider mit Überblick! Bitte in Blockbuchstaben ausfüllen Fax: 089 / 63 89 81-40 oder im Kuvert senden an: WirtschaftsKurier, Parkring 4, 85748 Garching bei München Ja! Wirtschafts-Wesentliches interessiert mich. Bitte senden Sie mir kostenlos und unverbindlich die beiden nächstfolgenden Ausgaben. Das günstige Jahres-Abonnement von 19,– Euro inklusive Zustellgebühr und Mehrwertsteuer (Inland) möchte ich wahrnehmen. Ich zahle den Jahresbetrag nach Erhalt der Rechnung. Firma Name, Vorname Telefon Straße, Hausnummer Postleitzahl, Wohnort E-Mail Datum Unterschrift des neuen Abonnenten Widerrufsgarantie: Sie können die Bestellung innerhalb von 10 Tagen nach Bestelldatum (Poststempel) beim WirtschaftsKurier, Parkring 4, 85748 Garching bei München widerrufen. Datum, Unterschrift rüne Immobilien oder besser gesagt die Effizienz von Immobilien gerade im Energiebereich spielen eine immer größere Rolle. Sowohl Investoren als auch Mieter legen und werden darauf mehr Wert legen und nicht zuletzt fordert die Bundesregierung hier bei deutschen Immobilien einen hohen Standard ein: nicht nur durch Förderprogramme, sondern auch durch gesetzliche Maßnahmen wie die Energieeinsparverordnung (EnEV), die die Mindesterfordernisse je nach Gebäudebestand festlegt. Zum 1. Januar 2009 soll eine neue EnEV mit um etwa 30% höheren Anforderungen in Kraft treten, im Jahr 2012 sollen weitere Verschärfungen noch einmal 30% Einsparungen mit sich bringen. Schon mit der EnEV 2009 zählt Deutschland zu den Ländern mit den schärfsten Effizienzanforderungen auf der Welt, aber im Erlassen von Vorschriften macht Deutschland ja so schnell niemand etwas vor. Sowohl Vermieter als auch Mieter sehen jedoch in erster Linie auf das Kosten-Nutzen-Verhältnis (Mehrkosten auf der einen Seite stehen niedrigere Verbrauchskosten beziehungsweise höhere Mieterträge auf der anderen Seite gegenüber), während der Bundesregierung in erster Linie an einer möglichst hohen CO2-Einsparung gelegen ist, um ihren ambitionierten Vorgaben nachkommen zu können. Die Bundesvereinigung Spitzenverbände der Immobilienwirtschaft (BSI), Berlin, hat in einer Studie einmal grundsätzlich über die Wirtschaftlichkeit energiesparender Maßnahmen für selbst genutzte Wohnimmobilien und den vermieteten Bestand nachgedacht. Die vom Institut Wohnen und Umwelt GmbH durchgeführte Studie basiert auf der Grundannahme, dass Mehrinvestitionen für Klimaschutz über erhöhte Mieten wieder hereingeholt werden (müssen) und nicht über etwaige Energieeinsparungen. Insofern sind alle Maßnahmen nur dann ökonomisch sinnvoll, wenn die notwendigen Preiserhöhungen am Markt auch durchsetzbar sind. Bei Selbstnutzern, so die Studie, ergibt sich über 20 Jahre hinweg rein rechnerisch eine Wirtschaftlichkeit der energiesparenden Maßnahmen, allerdings abhängig von der Finanzierung – allerdings auch abhängig von den prognostizierten Energiekosten. Da kann es nicht wundern, dass bisher nur etwa 1% der Gebäudehüllen energetisch erneuert werden, die Hausbesitzer also nach dem Motto „abwarten und Tee trinken“ verfahren. Dazu passt vielleicht auch eine GfK-Studie im Auftrag der Allianz Deutschland AG, die feststellte, dass für zwei Drittel aller Immobilienbesitzer ein niedriger Energieverbrauch bei selbst bewohntem oder vermietetem Eigentum besonders wichtig ist und eine wachsende Zahl deshalb in den nächsten Jahren Maßnahmen zur Energieeinsparung vollziehen will. Dazu benötigen sie jedoch, mangels eigenen Kapitals, verstärkt verschlungen. Im Rahmen der Vorträge auf dem Consense-Kongress stellte Martin Haas von Behnisch Architekten eine einfache Rechnung über die Nachhaltigkeit von Bauprojekten und ihre Renditemöglichkeiten auf: Ein 40 Stockwerke hoher Büroturm in Chicago erhielt den LEED-Zertifikations-Level Silber und kos- Grünes Bauen erfordert qualifizierte Gütesiegel und erhält schöne Preise: So wurde die Nullemissionsfabrik des Solarunternehmens Solvis AG in Braunschweig „PROM des Jahres 2007“, vergeben von der RWE Energy. Foto: Solvis Fremdfinanzierungsmöglichkeiten. Ein weiteres Ergebnis der Studie war allerdings auch die überraschende Erkenntnis, dass 90% der Eigentümer völlig ahnungslos darüber sind, wie viel Warmwasser sie benötigen und nur ein Fünftel tatsächlich Bescheid darüber weiß, wie hoch ihr Heizungsverbrauch ist. 73% haben außerdem keinen Überblick darüber, wie viel Strom sie benötigen. Immerhin sieht knapp die Hälfte aller Befragten (49%) größere Modernisierungsmaßnahmen auf sich zukommen, während etwa 30% in den vergangenen vier Jahren Modernisierungsmaßnahmen durchgezogen haben, überwiegend in moderne Heizungsanlagen und Heiztechnik sowie neue Fenster. Da sich die Kosten bei durchschnittlich 28 000 Euro einpendelten, sehen viele der Befragten Bedarf in Fremdkapital. Über die Notwendigkeit, mehr in der energetischen Gebäudesanierung zu unternehmen, informierte die DGNB, Deutsche Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, die sich für das von ihr erstellte Zertifizierungsmodell stark macht. Die DGNB stellte im Rahmen ihres Consense-Kongresses und ihrer Ausstellung in der Messe Stuttgart einige Fakten vor: In Altbauten muss drei bis fünf Mal so viel Energie aufgewendet werden wie in Neubauten, wobei etwa ein Viertel (23%) des Gesamtenergieverbrauchs für das Beheizen von Gebäuden eingesetzt wird. Würden nur 50% aller Gebäude saniert, könnten etwa 200 Mio. Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden. Für eine Emissionsminderung um 20% im Bausektor bis 2020 würden zwischen 800 Mrd. Euro und 1,1 Bio. Euro tete im Bau 200 Mio. US-Dollar, verkauft werden konnte das quasi neue Gebäude für 144 Mio. US-Dollar. Ein mit Gold zertifiziertes Gebäude, ebenfalls in Chicago, hatte 270 Mio. US-Dollar gekostet und 386 Mio. US-Dollar Verkaufserlöse erzielt. Dass nachhaltiges und energieeffizientes Bauen nicht nur die Kosten senken und die Verkaufserlöse steigern, sondern auch Ehren und Preise einbringen kann, beweist nicht nur der erstmals auf der Expo Real verliehene „Green Thinker“, sondern der bereits 2007 zum ersten Mal verliehene PROM des Jahres. Diese Auszeichnung von RWE Energy mit dem Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung, dem Zentrum für Umweltbewusstes Bauen, dem Fraunhofer Institut sowie der TU München als Projektpartner geht an die energieeffizientesten Gewerbeimmobilien in Deutschland. 2007 wurde das neue Produktions- und Verwaltungsgebäude der Solvis AG in Braunschweig mit dem ersten Preis bedacht. Das Gebäude für über 250 Mitarbeiter überzeugte durch sehr guten Wärmeschutz, eine Gebäudetechnik mit geringem Stromverbrauch sowie einer Versorgung des Gebäudes ausschließlich aus regenerativen Energien, vor allem Sonne und Biomasse. Schirmherr Sigmar Gabriel, Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, bekräftigte bei der Verleihung Anfang 2008: „Wir können unsere anspruchsvollen Klimaziele nur erreichen, wenn alle Akteure mitziehen“, und zeigte sich überrascht von der Vielseitigkeit der Vorschläge und der jeweils erzielten hohen Energieeinsparung. uk IMMOBILIEN SEPTEMBER 2008 Union Investment | Die Nutzungsanforderungen an Immobilien wandeln sich – und damit die Investmentstrategien fikate sind diese heute kaum mehr erfolgreich am Markt zu platzieren. Welches der zahlreichen Zertifizierungssysteme – LEED, BREEAM, HQE oder gar das deutsche DGNB-Siegel – sich am Ende durchsetzen wird, ist offen; auch die Frage, ob sich in Europa ein einheitliches Label für nachhaltige Gebäude herauskristallisieren wird. Entscheidend ist, dass die Immobilienwirtschaft ein einheitliches Verständnis des Nachhaltigkeitsbegriffes entwickelt, der die soziale Dimension der Nachhaltigkeit ebenso erfasst wie die ökologische und wirtschaftliche. Nachhaltigkeitskriterien werden in zunehmendem Maße renditerelevant. Einer repräsentativen Umfrage von Union Investment unter europäischen Immobilieninvestoren zufolge planen fast 60% künftig deutlich mehr in nachhaltige Immobilien zu investieren. Ganz offensichtlich hat die Nachhaltigkeitswelle auch die Immobilienwirtschaft erfasst. VON FABIAN HELLBUSCH* D er Megatrend der internationalen Immobilienwirtschaft heißt Nachhaltigkeit – zentraler Treiber für Veränderungen in der praktischen Umsetzung von Nachhaltigkeit ist deren ökonomische Relevanz. Entsprechend bedeutsam wird das Thema für Immobilieninvestoren: Im Verständnis vieler Investoren ist „Nachhaltigkeit“ das perfekte Risikomanagementsystem. Die Immobilienwirtschaft in Deutschland stellt gegenwärtig die Weichen: Der Anstieg der Energiepreise, die wachsenden Anforderungen an die gesellschaftliche Verantwortung der Branche, die veränderten Erwartungen der Mieter an die energetische Qualität von Gebäuden und nicht zuletzt der Handlungsdruck resultierend aus neuen Rahmenbedingungen, die der Gesetzgeber zum Beispiel in Form des Energieausweises auch für gewerblich genutzte Immobilien geschaffen hat, bringen Bewegung in den Immobilienmarkt. *Fabian Hellbusch ist Leiter Immobilien Marketing und Kommunikation bei der Union Investment Real Estate AG. Energetische Qualität rückt in den Fokus All dies hat einen Bewusstseinswandel eingeleitet, an dessen Ende eine vollständige Neubewertung der Qualität von Immobilien stehen wird: Die Immobilienwirtschaft erkennt in zunehmendem Maße, dass die Energieeffizienz und der ressourcenschonende Materialeinsatz im Gebäude ebenso Ausdruck der Werthaltigkeit einer Immobilie ist wie ihre Flächeneffizienz, ihre Nutzungsflexibilität oder ihre verkehrliche Erreichbarkeit. Oder anders gesagt: Bei den Marktteilnehmern reift die Erkenntnis, dass fehlende Nachhaltigkeit Risiken birgt, die sich auf mittlere Sicht möglicherweise in der Nicht-Vermietbarkeit, in Leerständen und damit in Renditeabschlägen dokumentieren werden. Unabhängig voneinander durchgeführte Umfragen zeigen, dass gewerbliche Mieter ihre Entscheidung über die Anmietung künftig stärker von der energetischen Qualität der Immobilie – und damit von den Nebenkosten – abhängig machen werden. Damit verbindet sich die berechtigte Erwartung der Eigentümer, dass Gebäude mit einem nachhaltigen Energie- und Klimakonzept und anderen „grünen“ Merkmalen in Zukunft höhere UNION INVESTMENT Das Unilever-Hochhaus wird von Union Investment ab April 2009 unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien saniert. Das berühmte, 22-stöckige Hochhaus im Herzen Hamburgs wurde in den frühen 60er Jahren von Helmut Hentrich und Hubert Petschnigg errichtet und galt damals als das modernste Bürogebäude der Welt. Ende 2008 räumt Unilever das unter Denkmalschutz stehende Haus und zieht in die HafenCity. Foto: Union Investment Nettokaltmieten erzielen, einen Vermarktungsvorteil gegenüber herkömmlichen Gebäuden erzielen und Mieter durch einen hohen Nutzerkomfort langfristig an das Objekt binden können. Die Schere zwischen Mieter- und Investorennachfrage und dem hierzulande noch dürftigen Angebot an wirtschaftlich effizienten und profitablen nachhaltigen Gebäuden dürfte sich in absehbarer Zeit weiter schließen. Baukonzerne wie Hochtief und Projektentwickler wie Hammerson berücksichtigen die veränderten Markt- und Kundenanforderungen bereits bei vielen ihrer Neubauvorhaben. Als Alternative zum Abriss gewinnt die Modernisierung von Bestandsobjekten unter Nachhaltigkeitsaspekten ebenfalls an Attraktivität. Hier ist die Entwicklung vorgezeichnet: Insbesondere große und anspruchsvolle Bauprojekte dürften künftig ausschließlich nach Nachhaltigkeitskriterien geplant und realisiert werden. Immobilienfondsgesellschaften wie Union Investment setzen ebenfalls die veränderten Nutzeranforderungen in ihren Investmentstrategien um und berücksichtigen „grüne“ Kriterien bei der Ankaufsprüfung und im Due Diligence-Prozess. Speziell bei Immobilientransaktionen im Premium-Segment werden Investoren in steigendem Maße darauf achten, dass die Anforderungen der international etablierten Nachhaltigkeitszertifikate erfüllt werden. Ein nicht zu unterschätzender Anreiz für die Bauwirtschaft, im Sinne des künftigen Nutzers und der Werthaltigkeit „nachhaltige“ Immobilien zu produzieren, liegt eben in der Zertifizierung: Denn ohne eines der gängigen Zerti- Zur 1956 von 14 genossenschaftlich organisierten Banken gegründeten Union Investment Gesellschaft zählen heute unter dem Dach der Management Holding AG in Frankfurt am Main die Unternehmen Union Investment Privatfonds, Union Investment Institutional, Union PanAgora Asset Management, Union Investment Luxembourg, BEA Union Investment Management Ltd. und die Union Investment Real Estate AG in Hamburg. Die Union Investment Real Estate ist Deutschlands zweitgrößte Gesellschaft für offene Immobilienfonds und managt ein Fondsvermögen von 14 Mrd. Euro. Das Portfolio besteht derzeit aus etwa 160 erstklassigen Immobilien in 22 Ländern. Gegründet wurde die Immobilienfondsgesellschaft der Union Investment bereits 1965, damals aber noch unter dem Namen Difa, seit 2007 führt sie ausschließlich den Namen Union Investment Real Estate. Der Luxus entdeckt Berlin Gelungene Restrukturierung „Place to be“ | Noch ist der Immobilienmarkt in der Bundeshauptstadt unterbewertet Aurelius AG | Wie aus Postwohnheimen eine Hotelkette wurde VON DAJANA LOTHERT* D ie Attraktivität der deutschen Hauptstadt ist bei internationalen Bestverdienern angekommen, die Nachfrage nach exklusiven Luxuswohnungen übersteigt in guten Lagen bereits das Angebot. Der Reiz an einem Domizil in der Spree-Metropole liegt vor allem in der innovativen Kunst- und Kulturszene – aber auch in den guten Renditeaussichten gerade von Luxusimmobilien in dem unterbewerteten Berliner Markt. Berlin zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Im Ausland, besonders in den USA und in Großbritannien, gilt die Spree-Metropole derzeit als der „place to be“. Anfangs waren es vor allem die günstigen Lebenshaltungskosten sowie die vergleichsweise günstigen Preise für Wohnungen, die die Stadt für Künstler und Kreative so attraktiv machten. Heute sind es vermehrt die Wohlhabenden aus aller Welt, die den Reiz an eben dieser Szene, an der Kultur und Sub-Kultur sowie an dem neu entstandenen internationalen Flair von Berlin genießen. Luxuswohnen in den Szenevierteln Diese Entwicklung wird auch in der jüngsten Marktrecherche von Winters & Hirsch deutlich: Die Nachfrage nach luxuriösem Wohnraum ist in den letzten zwei Jahren in der deutschen Hauptstadt deutlich gestiegen. Vor allem Objekte im Preissegment zwischen 3 000 und 5 000 Euro pro Quadratmeter sind gefragt, wie die Wettbewerbsobjekte „Living 106“, „Am Zirkus 1“ in Berlin-Mitte, „Hofjäger-Palais“ und „Esplanade Residence“ (Sony Center) im Tiergarten zeigen. Die Eigentumswohnungen im Projekt „Palais Kolle Belle“ (Standort Prenzlauer Berg, Nähe Kollwitzplatz) waren ab Vertriebsbeginn innerhalb von nur acht Monaten vollständig verkauft. Bis auf zwei Wohnungen wurden sogar alle Einheiten vor dem Baubeginn veräußert – ein gutes Ergebnis für die Entwickler. Und die Nachfrage nach exklusiven Wohnobjekten wächst weiter. Liebhaber der neuen Luxusdomizile sind vor allem moderne Multi-Homer, die sich in Berlin ihren Zweit- oder Drittwohnsitz einrichten. So sind etwa die Eigentumswohnungen im Sony Center zu über 90% von einer internationalen Kundschaft nachgefragt. Sie kommen hauptsächlich aus Osteuropa, Skandinavien, Irland und 19 Nachhaltiges Bauen als Wertfaktor ZERTIFIZIERUNG Grüne, Öko- oder nachhaltige Immobilien erfreuen sich einer immer größeren Beliebtheit: Stellt sich nur die Frage, was ist eigentlich eine „grüne“ Immobilie und wer legt das fest? Um hier eine sichere Basis zu schaffen, wurden Zertifizierungen eingeführt – nur leider keine einheitlichen, schon gar nicht international. Vorreiter für Zertifizierungen waren die USA, wobei es hier anfangs vor allem um ein gesundes Innenraumklima von Bürogebäuden ging. Hintergrund lieferten zahlreiche Sammelklagen von Bürobeschäftigten, die gesundheitliche Schädigungen aufgrund des Raumklimas geltend machen wollten. So wurden schon in den 80er Jahren erste Zertifizierungsmaßnahmen für Gewerbeimmobilien entwickelt. 1998 schließlich führten die USA die verbindliche LEED-Zertifizierung ein, durchgeführt vom US Green Building Council. LEED steht dabei für Leadership in Energy and Environmental Design. Derzeit bewirbt sich das neue Hochhaus des Süddeutschen Verlages in München darum. Bereits vor der LEED-Zertifizierung existierte BREFAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method), gestartet 1990 in Großbritannien. Seit 1996 wurde es in Kanada und bald darauf auch in den USA angewendet. Entwickelt wurde das Gütezeichen von einem Forschungslabor für Immobilien in UK. Hier steht neben der ökologischen auch die ökonomische Betrachtungsweise von Immobilien im Zentrum. Das DGNB-Siegel wird von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen, die 2007 von Architekten, Bauingenieuren, Wissenschaftlern und Investoren gegründet wurde, vergeben. Das Kürzel steht für Deutsches Gütesiegel Nachhaltiges Bauen. Es soll auf der Baumesse BAU München 2009 erstmals vergeben werden. Grüne Immobilien – egal ob sanierte Alt- oder Neubauten, Wohn- oder Gewerbebauten – sind auf dem Vormarsch, schon weil nur so die anspruchsvollen Klimavorgaben, die sich viele Nationen gesetzt haben, zu halten sind. Denn schätzungsweise 40% des weltweiten Kohlendioxides werden von Gebäuden freigesetzt. uk WirtschaftsKurier Dajana Lothert ist Research Advisory bei der Winters & Hirsch Property Consultants GmbH in Berlin. F.: Property Con. Großbritannien und suchen das besondere Lebensgefühl des urbanen Wohnens mit Komfort in Berlin. Derzeit entstehen in Berlin-Mitte zahlreiche neue Luxusquartiere für die neue Kundschaft: so zum Beispiel die Fellini Residences in der Alten Jacobstraße, die Choriner Höfe in der Choriner Straße und die Kastaniengärten in der Schwedter Straße. Interessenten dieser Luxuswohnungen möchten ganz bewusst mitten in den Szenevierteln in Mitte oder am Fuße des Prenzlauer Berges leben – und entscheiden sich oftmals gegen die etablierten Lagen, wie etwa das Touristenzentrum am Potsdamer Platz. Ein Trend, der zum Beispiel den New Yorker Immobilienmarkt bereits erreicht hat: Hier gibt es schon seit längerem Luxuswohnungen in Szenevierteln wie SoHo und jüngst im Meatpacking District. Ein Zuhause mit Rendite Obgleich das Berliner Angebot an hochwertigen Eigentumswohnungen vielfältig ist, gibt es mittlerweile gerade in den guten Lagen der Hauptstadt ein deutliches Unterangebot an Luxuswohnungen in SolitärImmobilien. Nicht allein die spannende Stadt mit ihrer einmaligen Kunst- und Kulturszene, sondern auch die guten Renditeaussichten locken die Käufer auf den Berliner Immobilienmarkt, der im internationalen Vergleich als deutlich unterbewertet gilt. So konnten bei Eigentumswohnungen in Berlin-Mitte im letzten Jahr Umsatzzuwächse von über 6% erreicht werden. Vor allem im High-Class-Segment ist die Nach- frage enorm. Winters & Hirsch geht davon aus, dass eine top-ausgestattete Wohnung im Zentrum von Berlin in zehn Jahren ihren Wert um 30% steigern kann. Da wird aus einem luxuriösen Zuhause schnell ein gewinnbringendes Anlageobjekt. Entscheidend für eine gute Rendite bei Luxuswohnungen ist vornehmlich die Lage. Neben den klassischen Villenvierteln im Grunewald ist gerade auch die Innenstadt stark im Kommen. So wurden im vergangenen Jahr die höchsten durchschnittlichen Kaufpreise in den Bezirken Charlottenburg-Wilmersdorf, Mitte, Prenzlauer Berg und Steglitz-Zehlendorf erzielt. Hier beginnen die Preise für hochwertige Eigentumswohnungen bei 3 000 Euro pro Quadratmeter. Im internationalen Vergleich sind das echte Schnäppchenpreise: In London zahlt man für eine vergleichbare Fläche in der City schnell das Acht- bis Zehnfache. Auch innerhalb Deutschlands ist die Hauptstadt damit noch recht günstig: In Frankfurt am Main beginnen die Preise für ein Zuhause der Luxusklasse überhaupt erst bei 4 000 Euro pro Quadratmeter, in Hamburg bei 4 500 Euro in Neubauten mit Alsterblick und in München gar bei 6 000 Euro. Selbst in dem Berliner Top-Segment in den teuersten Lagen wie dem Potsdamer Platz (Parkside Apartments im Beisheim Center) oder dem Grunewald (Charlottenburg-Wilmersdorf) mit Spitzenpreisen bis zu 8 000 Euro pro Quadratmeter ist die Spree-Metropole noch vergleichsweise preiswert: In München zahlt man für Premium-Objekte bis zu 14 000 Euro. So zieht die deutsche Hauptstadt gerade im High-Class-Segment mehr und mehr Käufer an – und das in einer Stadt, die mit einem Eigentumsanteil von gerade einmal rund 13% als klassische Mieterstadt gilt. Wieder einmal bestätigt sich, dass kaum ein städtischer Wohnungsmarkt so große Unterschiede aufweist wie der Berliner Markt. Die Winters & Hirsch Gruppe zählt zu den führenden, inhabergeführten Immobilienberatern in Berlin, spezialisiert auf innovative Transaktionsberatung, Immobilienvermittlung und -bewertung. Winters & Hirsch bietet die Dienstleistungen Investment Advisory, Brokerage Services, Valuation & Research Services, Asset Management sowie Office Agency Services an. *Dajana Lothert ist Research Advisory bei der Berliner Immobilienberatung Winters & Hirsch. VON PETER JORDAN* I m Sommer 2005 entschied sich die Deutsche Post AG zu Gunsten einer Fokussierung auf ihre Kernkompetenz für einen Rückzug aus dem Hotelmarkt. Als Konsequenz daraus wurde die Deutsche Post Wohnen GmbH an die Münchner Industrieholding Aurelius AG verkauft. Dank einem professionellen Sanierungsmanagement und einer vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer, wandelte sich die vernachlässigte Konzerntochter zu einem erfolgreichen Unternehmen. Bis in die 60er Jahre hinein stellte die damalige Deutsche Bundespost ihren Mitarbeitern Wohnraum zur Verfügung. Im Laufe der Zeit sank jedoch die Nachfrage danach und die Deutsche Bundespost reduzierte über Jahrzehnte hinweg die Anzahl der Mietobjekte für Angestellte. Frei werdende Immobilien wurden sukzessiv verkauft. Die verbliebenen 22 „Postwohnheime“ wurden in der Deutschen Post Wohnen GmbH zusammengeführt, eine neu gegründete Gesellschaft, die mit der Vermietung der Zimmer auf dem Hotelmarkt beauftragt wurde. Das Unternehmen schaffte den Sprung in die schwarzen Zahlen jedoch nicht, insbesondere aufgrund zurückhaltender Marketingaktivitäten und der Heterogenität der einzelnen Häuser. Vor diesem Hintergrund war der Verkauf der Deutschen Post Wohnen an einen Investor ein konsequenter Schritt aus der Perspektive des Verkäufers. Das Objektportfolio der Deutschen Post Wohnen beinhaltete einerseits Hotels und Apartmenthäuser, zwei unterschiedliche Produktgruppen mit geringen Synergien. Andererseits reichte die bauliche Beschaffenheit der Häuser von einer kleinen Villa mit üppigen Parkflächen in Velbert-Langenberg bis zu einem 70er Jahre Hochhaus mit Gemeinschaftsduschen in Neu-Isenburg. Nicht zuletzt deshalb lehnten große Hotelunternehmen einen Kauf der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit ab. Ab Herbst 2005 suchte die Deutsche Post daher einen Investor, der die hoch defizitäre Deutsche Post Wohnen GmbH auf eigenes Risiko wieder auf Kurs bringen sollte. Sie fand ihn in der Aurelius AG, einem Münchner Spezialisten für die Neuausrichtung von Firmen in Umbruchsituationen – nicht nur im Immobilienbereich. Als erste Maßnahme entsandte Aurelius den erfahrenen Sanierungsspezialisten Dino Kitzinger, Vice President Beteiligungsmanagement bei Aurelius, als Alleingeschäftsführer und innerhalb weniger Tage wurde aus „Deutsche Post Wohnen“ „GHotel Hotel & Living“ (gesprochen „gotel“). Kitzingers oberstes Ziel war eine klar definierte Marktpositionierung der Hotelkette GHotel Hotel & Living. Dies erforderte unter anderem eine Neuausrichtung des damaligen Hotel- und Wohnheimangebotes an die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe. Im Falle der Hotels, deren Angebo- Dino Kitzinger ist Vice President Beteiligungsmanagement bei der Aurelius AG und war bei GHotel in der Restrukturierungsphase als Alleingeschäftsführer tätig. Foto: Kitzinger te sich vorrangig an Geschäfts- und Tagungsreisende richten, geschah dies insbesondere durch die Einführung der Online-Buchbarkeit von Zimmern, die Erweiterung der Rezeptionszeiten, die Einrichtung von WLAN-Anschlüssen, die Bereitstellung kostenfreier Parkplätze, die Optimierung der Frühstücksqualität und die Implementierung verlässlicher Qualitätsstandards innerhalb der Hotelkette. Die ehemaligen Wohnheime wurden zu Apartmenthäusern umfunktioniert. Berufspendler, die beispielsweise vorübergehend einen zweiten Wohnsitz benötigen, finden hier vollständig ausgestattete Apartments zu besonders attraktiven Mietkonditionen. In ausgewählten Häusern führte Aurelius einen zweiten Apartmenttyp mit höherwertiger Ausstattung ein, mit Erfolg. Während die Apartments vornehmlich über Immobilienanbieter vertrieben werden und zur Sicherung der Auslastung langfristige Übernachtungsvereinbarungen mit Firmen getroffen werden, werden die Hotelzimmer über klassische Vertriebskanäle wie Reiseveranstalter, Reisebüros, Fachmessen, Online-Hotelreservierungssysteme, die Unternehmens-Homepage www.ghotel.de und Reisestellen namhafter Großunternehmen vertrieben. Ergänzend dazu werden von GHotel Hotel & Living gezielte Marketingkampagnen in Online- und Offline-Medien durchgeführt. Auf bewährtes Personal zurückgreifen Besonders vorbildlich ist die Zusammenarbeit zwischen Käufer und Verkäufer über den Zeitpunkt des Verkaufs hinaus. Die Deutsche Post AG stellte GHotel Hotel & Living so beispielsweise engagiertes Personal der ehemaligen Deutschen Post Wohnen GmbH zu wettbewerbsfähigen Konditionen zur Verfügung. Aurelius hat dieses Team erfahrener Mitarbeiter um Spezialisten aus den Bereichen Hotellerie und Touristik ergänzt. Dies führte dazu, dass aktuell 58% mehr Mitarbeiter bei GHotel Hotel & Living beschäftigt sind als zum Zeitpunkt des Kaufs. Nach zweieinhalb Jahren Bestehen blicken die Aurelius, GHotel Hotel & Living und Dino Kitzinger auf einen erfolgreichen Markteintritt zurück. So konnten die Hotels der GHotel ihren Umsatz in den ersten drei Quartalen des Jahres 2008 um mehr als 17% steigern. Damit gehört GHotel zu den am schnellsten wachsenden Hotelgesellschaften Deutschlands. Zwischenzeitlich hat Kitzinger die operative Unternehmensleitung von GHotel Hotel & Living an Jens Lehmann übergeben, der zum zweiten Geschäftsführer ernannt wurde. Oberstes Ziel von Jens Lehmann, der zuvor viele Jahre erfolgreich für verschiedene Hotelketten tätig war, ist die Unternehmensexpansion. Um weitere Standorte für GHotel Hotel & Living zu erschließen und die Erfolgsgeschichte des ehemals defizitären Unternehmens fortzuschreiben, hält er intensiv Ausschau nach Einzelhotels und Hotelbetreibergesellschaften ohne Immobilien. Momentan verfügt GHotel über Hotels in Braunschweig, Velbert/Essen, FrankfurtSachsenhausen, Hamburg, Hannover, Kiel, Stuttgart und in München mit allein vier Häusern. Außerdem bietet GHotel noch Apartmenthäuser in Bonn, Frankfurt-Bornheim, München (drei) und Stuttgart an. *Peter Jordan ist freier Autor. AUTO / MESSEN 20 WirtschaftsKurier Die sportliche Alternative TECHNISCHE DATEN Typ Motor Getriebe Hubraum Leistung Max. Drehmoment Länge / Breite / Höhe Radstand Leergewicht Zul. Gesamtgew. Kofferrauminhalt Bereifung Felgen Beschleunigung (0 auf 100 km/h) Höchstgeschw. Tankinhalt Kraftstoffverbrauch (Diesel) je 100 km: innerorts / außerorts / gesamt Preis BMW 525d Touring Reihen-Sechszylinder (je 4 Ventile) Sechsgang-Schaltgetriebe 2 993 ccm 145 kW/197 PS bei 3 750 U/min 400 Nm bei 1 300 – 3 250 U/min 4 843 mm / 1 846 mm / 1 491 mm 2 886 mm 1 735 kg 2 260 kg 500 – 1 650 Liter 225/55 R 16 95 W 7J x 16 LM 7,8 sec 232 km/h 70 Liter 8,4 l / 5,2 l / 6,4 l 44 900,– Euro Freude am Fahren | Beim Mehrzweckfahrzeug BMW 525d Touring trifft dies in hohem Maße zu VON GÜNTER SPAHN D er BMW 5er Touring ist die sportliche Alternative für Autofahrer, die gleich mehrere Anforderungen an ihre Fahrzeuge stellen. Was wäre ein Produkt der weiß-blauen Autobauer, das nicht Dynamik, Alltagstauglichkeit und natürlich und vor allem „Freude am Fahren“ vereinigen würde? Dass ein BMW grundsätzlich auch elegant sein muss, sei nur am Rande erwähnt. Alle Anforderungen in diesem Zusammenhang erfüllt der BMW 525d Touring. Die pure Kraft sieht man dem Auto schon optisch an – der Touring ist eben ein echter BMW, ohne Abstriche. Zunächst ist der Touring das ideale Mehrzweckfahrzeug für die Familie, für den Einkauf mit einer optimalen Ladefläche, für den Urlaub (egal NürnbergMesse | 2008 wird ein Rekordjahr N den USA, auch im Boomland China konnte die NürnbergMesse Erfolge verzeichnen. „Die zweite BioFach China glänzte mit zweistelligen Pluszahlen bei Ausstellern und Besuchern“, führte Axel Bartkus, Geschäftsführer der NürnbergMesse China, aus. „Nun arbeiten wir intensiv an der Vorbereitung und Durchführung der International Powder/Bulk Conference & Exhibition (IPB) in Shanghai, die wir im vergangenen Jahr gekauft haben“, so Bartkus weiter. Intensiv gearbeitet wird außerdem an der Große Anziehungskraft der Messethemen Gegenüber dem besser geeigneten Vergleichsjahr 2006 bedeutet das Umsatzziel des laufenden Geschäftsjahrs noch immer ein Umsatzplus von rund 12% und damit doppelt so viel wie geplant. Im ersten halben Jahr steigerte die NürnbergMesse die verkaufte Nettofläche um 13%, die Fachbesucher um 5% und die Zahl der Aussteller um 9% und legte damit bei allen wichtigen Messekennziffern deutlich zu. „Das beweist eindrucksvoll die große Anziehungskraft unserer Themen vor dem Hintergrund einer robusten Konjunktur in Deutschland und Europa“, so Diederichs. Denn nach Angaben des Ausstellungs- und Messeausschusses der deutschen Wirtschaft (AUMA) wird das Messegeschehen in Deutschland in diesem Jahr insgesamt bei der verkauften Fläche um 2% und beim Fachbesuch wie bei den Ausstellern um je 3% wachsen. Erstmals in Eigenregie veranstaltete die NürnbergMesse die neue Fachmesse Mailingtage, die zweistellige Wachstumsraten verzeichnen konnte. Nicht nur die Fachmessen am Messeplatz Nürnberg wuchsen im ersten Halbjahr überwiegend zweistellig, auch die Auslandsmessen legten kräftig zu. Bereits im Februar konnte die neue Kältemesse CholodExpo Rossija in Moskau einen viel versprechenden Start aufweisen und die American Coatings Show (ACS) in Charlotte, USA, übertraf alle Erwartungen. Messe und Kongress waren hier ausgebucht und zum Teil sogar überbucht. „Damit hat sich die ACS vom Start weg als Leitmesse für den nordamerikanischen Raum etabliert“, so Dirk Ebener, Geschäftsführer der neu gegründeten Tochtergesellschaft NürnbergMesse North America. Nicht nur in ob im Winter oder für die Ausrüstung für den Wassersport) und natürlich gibt das Auto auch als repräsentatives Geschäftsfahrzeug eine überzeugende „Figur“ ab. Das Ambiente des äußeren Erscheinungsbildes setzt sich im Innenraum fort. Wie eh und je hat BMW das Cockpit durchdacht gestaltet. Alle Schalt- und Bedienelemente sind logisch angebracht. Und dann natürlich das großzügige Platzangebot mit fünf bequemen Sitzplätzen: Das Raumgefühl ist faszinierend und zeichnet sich aus mit einer ausreichenden Kopfund Beinfreiheit. Was wäre ein BMW ohne das Herz eines überzeugenden Motors? Wir fuhren die Dieselvariante und hier den BMW 525d. Die Leistung mit 145 kW (197 PS) aus einem 3.0 Liter Hubraum überzeugt mit einer hohen Elastizität und Laufruhe. Das maximale Drehmoment von 400 Newtonmetern wird bereits bei 1300 Umdrehungen pro Minute erreicht. Dabei beschleunigt der 525d in 7,8 Sekunden auf 100 Stundenkilometer. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 232 Stundenkilometern und angesichts dieser Werte ist der Durchschnittsverbrauch von 6,4 Litern Diesel moderat. Neben dem 525d hält BMW noch zwei weitere Sechszylinder sowie einen attraktiven Vierzylinder-Diesel mit 177 PS für die Interessenten bereit. Topmodell bei den Diesel ist der 535d mit einem variablen Twin Turbo und 286 PS. Eigentlich wie bei jedem BMW korrespondiert die Motorleistung in einer idealen Art mit dem Getriebe und dem gesamten Fahrwerk. Die präzisen Getriebe übertragen die Antriebskraft effizient und tragen somit zur sprichwörtlichen BMW-Dynamik bei. Das manuelle Getriebe hat uns in jeder Situation durch die kurzen Schaltwege und auch durch die Leichtgängigkeit überzeugt. Durch zahlreiche elektronische Systeme ist der Touring auch unter dem Aspekt Sicherheit auf jeden Fall eine allererste Wahl. Dazu gehört eine mitdenkende Lenkung ebenso wie ein perfektes Bremsensystem. Wer vor allem in schneereichen Gebieten im Winter oft unterwegs ist, für den gibt es noch eine Variante 525d xDrive. Dies ist ein optimiertes Allradsystem, das die Traktion, die Spurstabilität und somit natürlich nochmals die Fahrsicherheit wesentlich erhöht. Mit 44 900 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) ist der 525d natürlich kein „Sonderangebot“. Dafür ist das Auto nicht nur repräsentativ und vielseitig einsetzbar – das Fahrzeug ist ein Spitzenprodukt, made by BMW. Effizienz durch räumliche Nähe Wachstum im In- und Ausland ach der ersten Hälfte des Messejahres 2008 geht die NürnbergMesse von einem Wachstumssprung auf über 140 Mio. Euro Umsatz aus – im vergangenen Messejahr waren es noch 125 Mio. Euro gewesen, womit die Franken auch schon über den Planwerten gelegen hatten. „Eigen-, Partner- und Gastveranstaltungen am Messeplatz Nürnberg aber auch international glänzen zum Teil mit zweistelligen Zuwachsraten, dies schlägt sich in einem deutlichen Umsatzplus nieder“, begründete Bernd A. Diederichs, Geschäftsführer der NürnbergMesse, den guten Lauf. SEPTEMBER 2008 easyFairs | Die Gesellschaft sichert Messeauftritt mit 3 000 Euro-Paket D ortmund, die größte Stadt des Ruhrgebiets und Wirtschafts- und Handelszentrum Westfalens, wird künftig eine bedeutendere Rolle im Messewesen spielen. Basierend auf den Räumen der Westfalenhallen, die europaweit durch TV-Übertragungen aus Sport und Unterhaltung bekannt geworden sind, will Stefan Baumann, Geschäftsführer des Kongresszentrums Westfalenhallen, das Zentrum zur führenden Stätte für Regionalmessen ausbauen. Partner ist bei diesem Projekt „easyFairs“, ein vor fünf Jahren in Brüssel gegründetes Unternehmen, das Regionalmessen im Baukastensystem bietet. Mittlerweile ist easyFairs in elf Ländern präsent und „vom eigenen Erfolg überrascht“, wie Gunnar Küchler, Geschäftsführer der easyFairs Deutschland GmbH in München, berichtete. Die Philosophie von easyFairs ist so einfach und verständlich, dass sich der Unternehmenserfolg durchaus nachvollziehen lässt. Durch dieses Modell, so Küchler, würden mittelständische Unternehmen an die Verkaufs- und Kontaktplattform Messe mit überschaubaren Kosten herangeführt. Seit 2006 easyFairs in Dortmund die erste Messe in den Westfalenhallen ausgerichtet hat, ist das Unternehmen in Westfalen ständig präsent. „Heute werden alle bei sem Herbst wird die Schüttgut-Messe, die bisher am größten europäischen Binnenhafen Duisburg stattgefunden hat, nach Dortmund ziehen. Außerdem will sich Nische neben den internationalen Großmessen NürnbergMesse-Chef Bernd A. Diederichs freut sich über einen Umsatzsprung über Plan in 2008. F.: NürnbergMesse Natural Expo in Tokio, die vom japanischen Naturwarenverband übernommen wurde und parallel zur BioFach Japan stattfinden wird. Tenor der Veranstaltungen, die die NürnbergMesse im Ausland verantwortet, sind Themen, die einen Bezug zu Nürnberg haben. So die IPB zur POWTECH (mechanische Verfahrenstechnik), die BioFach China zur BioFach in Nürnberg, die ACS zur European Coatings Show (Oberflächenbeschichtung) und die CholodExpo Rossija zur neuen Fachmesse Chillventa (Kälte, Raumluft, Wärmepumpen). „Diese Strategie werden wir in Zukunft verstärkt ausbauen, mit Eigenentwicklungen, mit dem Kauf von etablierten Messen sowie durch Kooperationen“, so Messechef Diederichs. uk Der Markt der internationalen Großmessen ist hart umkämpft. Doch trotz Dumpingpreisen bleiben die internationalen Messeplätze für Mittelständler weitgehend unerreichbar wegen der (zu) hohen Kosten (Standgebühren plus Stand plus Mitarbeiter mit Übernachtungen und so weiter) und ein zu breit gefächertes internationales Publikum, mit dem Terminabsprachen äußerst kompliziert seien. Für kleinere Branchen oder sogar Branchensegmente bleibt da kaum Platz. Trotz der Internationalisierung in allen Wirtschaftsbereichen operieren nach wie vor die wichtigsten Wirtschaftspartner noch immer in der näheren Region. Ausgehend von diesen Überlegungen hat sich easyFairs auf regionale Industriemessen spezialisiert. Grundsätzlich dauern die Messen nur zwei Tage. Festgezurrt sind auch die einheitlichen Standmodule zwischen zwölf und 80 Quadratmetern. Die Kosten für die Aussteller bleiben mit dem Basis-Kostenpaket mit 3 000 Euro überschaubar – in den Kosten sind bereits die Hallenmiete, der Stand, Auf- und Abbau sowie die Werbung enthalten. Zusatzkosten entstehen nur durch individuelle Ansprüche des Ausstellers wie Gästeeinladungen, Übernachtung oder Reisekosten und sind damit genau kalkulierbar. Grundsätzlich sind die Messen für den Besucher kostenfrei. Die auf kurze, günstige Regional-Industriemessen für den Mittelstand fokussierte easyFairs organisiert alle in den Westfalenhallen in Dortmund stattfindenden Messe-Events. Foto: Westfalenhallen „Viele unserer Messekunden“, sagt er, „beschicken über uns zum ersten Mal eine Messe und erleben die Vorteile dieser Plattform, auf der sich Hersteller und Kunden treffen.“ Die kurze Dauer der Messen von zwei Tagen ermöglicht auch mittelständischen Unternehmen eine konsequente Präsentation des Betriebs. Nach den Erfahrungen von easyFairs seien bei dieser Dauer auch die Gesprächsverabredungen einfacher und gezielter zu treffen. „Bei uns finden durch die räumliche Nähe zum Kunden regionale Anbieter und Händler oder weiterverarbeitende Betriebsmanager zusammen“, konstatiert Küchler, der – bedingt durch den kostenfreien Eintritt – auch zunehmend Spontanbesuche von Interessenten aus dem Managementbereich registriert. uns in Dortmund stattfindenden Messen von easyFairs ausgerichtet“, sagt Baumann mit Lob an die Münchener Niederlassung, die der Firmenphilosophie entsprechend der Gigantonomie den Rücken kehrt. Für eine Partnerschaft mit Dortmund habe man sich entschieden, weil diese frühere Stahl-, Kohle- und Bierregion die Neuorientierung Richtung Logistik, Mikrosystemtechnik, Einzelhandel und Versicherungen vollzogen habe und alle technischen Bereiche auf engem regionalen Raum mit dem Zentrum Dortmund konzentriert seien, erläuterte Küchler. Einen Namen gemacht hat sich bereits die zum dritten Mal organisierte Verpackungsmesse, große Themen für Dortmund seien auch die Instandhaltung und die Antriebstechnik. Noch in die- easyFairs vom Standort Dortmund aus um die Bereiche Dienstleistungen und Einzelhandel kümmern. Mit seinem Konzept sieht sich der Messeveranstalter nicht als Konkurrenz zu den traditionellen Messeplätzen, sondern vielmehr als Angebotsergänzung. Immerhin sei nicht ausgeschlossen, dass ein Unternehmen über easyFairs ins Messegeschäft „hineinriecht“, um dann später auch auf internationalen Messen auftreten zu können. Einen zusätzlichen Effekt will easyFairs zudem nutzen. So können Regionalmärkte mit relativ geringem Aufwand auf ihre Messefähigkeit getestet werden, um die Themen dann über die Internationalisierung des Messeveranstalters auch in andere Länder zu exportieren. law JOURNAL SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier 21 CO2-freie Energieversorgung Neueste Technik Neue Ära der Krebstherapie Wunder dauern länger Die Areva GmbH, Tochter des deutsch-französischen Kernenergiekonzerns Areva, setzt Maßstäbe in der CO2-freien Energieversorgung. Seite 21 Auf der IFA 2008 wurden viele, faszinierende Innovationen präsentiert. Das Ordervolumen übertraf alle Erwartungen des Fachhandels. Seite 22 In Kiel wird ein neues Partikeltherapiezentrum erbaut, das größte PPP-Projekt im deutschen Gesundheitswesen. Seite 23 Bei Autoantrieben gibt es noch keine serienreifen Alternativen zum Verbrennungsmotor. Hauptproblem sind die Batterien. Seite 24 Forschen für den Kernkraft-Boom Areva Erlangen | Auf dem Siemens-Campus wird an ständigen Verbesserungen der Kernkrafttechnik gearbeitet deren Beherrschbarkeit. Diese Daten nutzen nicht nur dem Areva-Konzern bei der Konstruktion neuer und der Modernisierung bestehender Anlagen. Auch den Betreibern von Kernkraftwerken helfen die Erlanger Erfahrungen bei der Optimierung von Abläufen. VON KLAUS G. WERTEL W er auf dem wie eh und je von Heerscharen emsiger Leute überwiegend jüngerer Semester bevölkerten Siemens-Campus in Erlangen nach Spuren der „Kraftwerk Union“ sucht, der findet kaum noch Hinweise auf das ehemalige Flaggschiff deutscher Kernenergietechnik. Doch das Erbe der früheren Siemens-/AEG-Tochter KWU lebt weiter: Die Erlanger Zentrale der Areva NP GmbH, Deutschland-Tochter des kerntechnischen Gemeinschaftsunternehmens von Siemens (34%) und Areva S.A. (66%), ist zugleich eines der wichtigsten Forschungs- und Entwicklungslabors der zu den weltweit führenden Kernenergie-Konzernen gehörenden Areva. Hier wird für die gesamte Areva-Gruppe und deren Kundschaft an Verbesserungen radioaktiver Brennstoffe gearbeitet; Prototypen für neue Brennelemente werden entwickelt und hergestellt. In Großversuchsanlagen werden sicherheitsrelevante und kritische Situationen kerntechnischer Anlagen simuliert – und in Konzepte zur ständigen Optimierung der Anlagensicherheit umgesetzt. Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäfts- URANVORRAT Ein Hauptargument der Gegner eines Ausbaus der Kernenergie ist die Behauptung, die Uranvorkommen reichten nur noch für wenige Jahrzehnte. Dem gegenüber erklärt die Areva NP, der größte Kerntechnik-Konzern Europas, die Brennstoffversorgung von Kernkraftwerken sei – unter Einbeziehung der Möglichkeiten der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente und der Brütertechnologie – „nach menschlichen Maßstäben praktisch unbegrenzt“. Wie können solch extrem unterschiedliche Einschätzungen entstehen? Die Kernenergie-Skeptiker beziehen sich in der Regel auf Angaben „bekannter Vorkommen“ von Uran. Unter dieser Kategorie werden zumeist nur die bereits explorierten und mit Abbaurechten gesicherten Uranlagerstätten addiert. Da die Uran-Bergbau-Unternehmen – wie bei anderen Rohstoffen auch – nur für einen Zeitraum von wenigen Jahrzehnten in die Zukunft Geld in genaue Erkundungen und bergbaurechtliche Lizenzen investieren, beträgt die „statistische Reichweite“ der „bekannten Vorkommen“ im beschriebenen Sinne in der Tat nur 67 Jahre. Die von der OECD und der Internationalen Atomenergie-Agentur veröffentlichte Statistik weist eine Menge der auch bergbaurechtlich gesicherten Vorkommen von 4,6 Mio. Tonnen Uran und einen Jahresbedarf von derzeit etwa 68 000 Tonnen aus. In derselben Statistik sind freilich auch „zusätzliche Vorräte“ aufgeführt, für die es bisher nur Schätzungen oder vorläufige Explorationen gibt und für die in der Regel noch keine bergbaurechtlichen Lizenzen beantragt wurden. Bei einem Teil dieser weiteren Vorkommen lägen die Förderkosten auch über dem gegenwärtigen Weltmarktpreis für Natur-Uran, sodass eine Förderung erst nach einem entsprechenden Anstieg der Uranpreise wirtschaftlich würde. Unter Einbeziehung dieser Vorkommen ergibt sich bereits eine Reserve von 11,3 Mio. Tonnen – und eine rechnerische Reichweite von 166 Jahren auf der Grundlage des gegenwärtigen Bedarfs. Nun sind 166 Jahre zwar lang – aber „nach menschlichem Ermessen unbegrenzt“, wie Areva formuliert? Der Kernenergie-Konzern rechnet nochmals völlig anders: Zusätzlich zu den Natur-Uran-Reserven bezieht Areva ausdrücklich auch die – aus Kostengründen – zurzeit weltweit kaum noch genutzten Möglichkeiten der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennelemente sowie der Brüter-Technologie in die Prognosen ein. Schon allein die Rückgewinnung des rund 96%-Anteils unverbrauchten Urans in den angebrannten Brennelementen könnte die Reichweite des Brennstoffs Uran vervielfachen. Die Nutzung der – wegen des „Brütens“ von Plutonium umstrittenen – Brutreaktor-Technik würde in der Tat zu einem kaum mehr sinnvoll zu berechnenden Versorgungszeitraum mit Kernbrennstoff führen. kw Keine Nachwuchssorgen Kernkraftwerke sind wieder weltweit „in“! Große Erwartungen setzen Kunden und Areva in den Reaktortyp EPR mit wesentlich erweiterten Sicherheitsmerkmalen. Im finnischen Olkiluoto (unser Bild) entsteht derzeit ein Kernkraftwerk, das im Wirkungsgrad – und auch bei der Reduzierung der radioaktiven Reststoffe – Maßstäbe setzt. Der Reaktor – siehe unten stehenden Beitrag – soll vor allem durch seine Sicherheit (unter anderem eine enorme Erdbebensicherheit) die Bedenken gegen die Kernenergie zerstreuen und somit der Technologie zu mehr Akzeptanz verhelfen. Foto: Areva führung der Areva Deutschland GmbH und ein umtriebiger Ingenieur, muss sich keine Sorgen machen, dass seinen 4 300 Mitarbeitern die Arbeit ausgehen könnte. Im Gegenteil: Die weltweite Renaissance der Kernenergie sorgt auch an den deutschen Areva-Standorten für wachsende Beschäftigung. Eine von Gräber mit „Alleinstellungsmerkmal“ umschriebene Besonderheit der Areva-Gruppe tut ein Übriges: Areva-Unternehmen decken praktisch die gesamte Kette der Kernenergietechnik ab – von der Uran-Exploration und dem Uranbergbau über die Urananreicherung und die Herstellung von Brennelementen bis hin zum Bau und der Wartung von Kernkraftwerken, der Entsorgung und Wiederaufbereitung. Gräber: „Langweilig wird es uns bestimmt nie.“ Auf „50 bis 60“ neue Reaktoren schätzt Gräber allein den Areva-Anteil am weltweiten Zubau von Kernkraftwerken bis 2030. Dies wäre etwa ein Drittel der von der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris angenommenen Mindestzahl neuer Kernkraftwerke. Nach Einschätzung der IEA wird sich die Zahl der Kernkraftwerke von derzeit 440 noch in diesem Jahrzehnt auf mindestens 500 erhöhen. Vor allem in China, Indien, den USA, Japan und Südkorea erwartet die IEA einen Kernkraft-Boom: Im Jahr 2030 werden zwei Drittel des Kernenergiestroms in diesen fünf Ländern erzeugt, so die Prognose der IEA. Leiter des Labors für Technologie und Prototypenbau, die große Zahl oft paralleler Versuche mit immer wieder im Detail veränderten Konstruktionen, Fertigungsmethoden und Materialien. Mit jeder konstruktiven Veränderung an vorhandenen oder der Entwicklung neuer Reaktorlinien kämen auch neue Fragen und Herausforderungen auf die Entwickler von Brennstäben und Brennelementen zu. der Kunden und Auftraggeber entsprechend groß und breit gestreut. Die Ergebnisse der Versuche sind häufig die Basis für die Erstellung oder Ergänzung von Betriebshandbüchern, für behördliche Bewertungen sowie für die Schulung von Kraftwerks-Mitarbeitern und Aufsichtspersonal. Auch internationale Organisationen – etwa die OECD – greifen bei Pro- DIE DRITTE GENERATION Volle Auftragsbücher „Ein ständig volles Auftragsbuch“ hat auch Klaus Umminger, Leiter der ebenfalls auf dem Erlanger Siemens-/Areva-Campus untergebrachten Großversuchsanlagen für die Simulation reaktortechnischer Sicherheitstests und Störfalluntersuchungen. In Versuchsanordnungen mit ausreichend realistisch großen Dimensionen, Füllmengen, Original-Komponenten und Materialien, wie sie in Kernkraftwerken verbaut werden, werden denkbare und real eingetretene kritische Betriebssituationen simuliert – und deren Beherrschbarkeit erprobt. Geübt wird freilich ohne nukleares Material – so können gefahrlos auch Undichtigkeiten in Kühlsystemen, der Ausfall von Pumpen und Steuerungsanlagen oder die Folgen von Überdruck und großer Hitze auf Materialien und Systeme simuliert und ausgewertet werden. Die Erlanger Großversuchsanlage ist einzigartig in Europa. So ist auch der Kreis jekten zum Thema Reaktorsicherheit häufig auf die Expertise der Erlanger Areva-Spezialisten zurück. Da die Versuche, deren Abläufe und Ergebnisse akribisch dokumentiert werden, entstand in Erlangen im Laufe der Jahre eine umfassende, weltweit vermutlich einmalige Datenbank über besondere kerntechnische Betriebsabläufe, Störfälle und Trotz des – auch von der großen Koalition nicht in Frage gestellten – deutschen Ausstiegsszenarios: Die Nachwuchssituation hat sich für die Kernenergie-Branche eher wieder entspannt. Hatten noch vor wenigen Jahren insbesondere die Kraftwerksbetreiber große Probleme, im Inland eine ausreichende Zahl qualifizierter Nachwuchskräfte für ihre altershalber ausscheidenden Kernkraft-Spezialisten zu gewinnen, so stellt der Areva-Deutschland-Chef Gräber inzwischen einen „bemerkenswerten Wandel“ in der Einstellung zur Kernenergie insbesondere bei Studenten und jungen Ingenieuren fest: „Die jungen Leute gehen wieder überwiegend völlig rational an ihre Lebens- und Berufsplanung.“ Ideologische Vorbehalte spielten bei Entscheidungen für die Aufnahme einer Tätigkeit lange nicht mehr die Rolle wie vor zehn oder 20 Jahren. Areva profitiere bei der Nachwuchssuche zusätzlich „vom guten Ruf eines interessanten und verlässlichen Unternehmens“. Im Grundkonzept wurde der European Pressurized Water Reactor (EPR) bereits in den 90er-Jahren von den Vorläuferunternehmen Siemens/KWU und Framatome entwickelt. Das 2001 aus beiden Gesellschaften entstandene französischdeutsche Gemeinschaftsunternehmen Areva NP will nun in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weltweit mindestens 50 EPR-Reaktoren errichten. Der erste EPR ist in Finnland bereits im Bau; der zweite entsteht in der Normandie; zwei weitere sind für China bereits vertraglich vereinbart worden. Areva spricht von einem „Reaktor der dritten Generation“. Was sind die Besonderheiten des EPR? Betont werden vor allem weitere Verbesserungen der Sicherheit bei dem neuen Reaktortyp in der 1600-Megawatt-Klasse. So soll der EPR selbst im Extremfall einer „Kernschmelze“ keine Schäden außerhalb der Anlage anrichten: Das aus dem Reaktordruckbehälter austretende Material würde auf einer speziellen Kernschmelz-Ausbreitungsfläche innerhalb des Containments aufgefangen und durch auch für diesen Fall ausreichend vorhandene Mengen Kühlmedien zuverlässig abgekühlt. Die Erdbebensicherheit des EPR soll durch eine sechs Meter dicke, durchgehende Fundamentplatte aus Stahlbeton selbst bei sehr starken Beben gewährleistet sein. Gegen „Einwirkungen von außen“ – erwähnt werden ausdrücklich „Militär- und große Zivilflugzeuge“ – schützen Stahlbetonhüllen sowohl das eigentliche Reaktorgebäude als auch die Kraftwerkswarte, das Brennelementelager und zwei der vier Sicherheitsgebäude. Die für die Beherrschung von „auslegungsüberschreitenden Ereignissen“ relevanten Sicherheitseinrichtungen sind jeweils vierfach vorhanden – und in getrennten Gebäuden untergebracht. Dies gilt beispielsweise für die Notkühlsysteme. Auch die Dieselgeneratoren befinden sich in verschiedenen geschützten Gebäuden. Selbst für die Kraftwerkswarte gibt es beim EPR einen Ersatz in Form einer „Notsteuerstelle“, von der aus der Reaktor sicher abgeschaltet werden kann. Der Wirkungsgrad des EPR soll – im Vergleich zu den bisher in Westeuropa betriebenen Kernkraftwerks-Typen – um 14% steigen, der Bedarf an Uran deshalb um 17% sinken, mit dem Nebeneffekt, dass auch die radioaktiven Reststoffe um rund 15% abnehmen. kw Komponentenfertigung geht an Deutschland vorbei Am Bau der neuen Areva-Reaktoren – überwiegend vom Typ des neuen Europäischen Druckwasserreaktors EPR – ist Areva Deutschland nicht unmittelbar beteiligt, was natürlich auch eine Folge des politisch erzwungenen Plans zur Beendigung der Kernenergienutzung ist. „So geht die Komponentenfertigung völlig an Deutschland vorbei“, bedauert Gräber. Mittelbar bedeutet der Zubau neuer und die Modernisierung bestehender Anlagen freilich trotzdem jede Menge zusätzlicher Aufträge für die Forscher und Entwickler bei Areva in Erlangen und an anderen Standorten: zum Beispiel im Erlanger Areva-„Uranlabor.“ Obwohl seit mehr als 50 Jahren Uran-Pellets zur Befüllung von Brennstäben hergestellt werden, arbeitet hier ein internationales Team von Spezialisten verschiedener Disziplinen an ständigen Verbesserungen dieses Basismaterials der Kernkraftnutzung. Durch Veränderungen von Druck und Temperaturen während der Vorbereitung, Pressung und Oberflächenbehandlung der zylindrischen Tabletten sollen die Herstellung der Pellets, deren Verfüllbarkeit in die Brennstab-Hüllrohre und das Verhalten während der Nutzung im Reaktor-Druckgefäß optimiert werden. Die im Erlanger Areva-Uranlabor entwickelten und in Kleinserien erprobten Veränderungen von Materialbehandlungen und Herstellungsprozessen fließen unmittelbar in die Großserienfertigung der Kernbrennstoffe des Areva-Konzerns ein. Umgekehrt kommen sehr viele Fragestellungen und Ideen, mit denen sich das Erlanger Labor beschäftigt, unmittelbar aus der Praxis der Brennstoff-Fertigung. Auch bei der Entwicklung und dem Bau von Prototypen der metallenen Hüllen und Gerüste der Kernbrennstäbe kommt dem Standort Erlangen eine Schlüsselfunktion im Areva-Konzern zu: „Jeder Hinweis aus der Brennelement-Fertigung oder von Kraftwerksbetreibern kann eine Chance zur Optimierung dieser komplizierten Systeme bedeuten“, begründet Erhard Ortlieb, Maßstab in der CO -freien Energieerzeugung 2 Areva | Weltkonzern mit starker Säule in Erlangen VON GÜNTER SPAHN D ie vom mittelfränkischen Erlangen aus geführte Areva NP GmbH ist eingebunden in die weltweit aktive Gruppe der französischen Areva S.A., Paris. Die gesamte Areva-Gruppe ist im Markt tätig vor allem mit Lösungen für eine CO2freie Energieversorgung. Die zwei Hauptfelder des Konzerns sind die Kerntechnik mit einem Anteil von 64% sowie die Stromübertragung und -verteilung mit 36%. Areva sieht sich als Marktführer insbesondere im Segment Kerntechnik. Die Aktivitäten umfassen den gesamten KernbrennstoffKreislauf. Im Segment Stromübertragung und -verteilung ist Areva nach ABB und Siemens die Nummer drei. Im Geschäftsjahr 2007 erzielte die Gruppe bei einem Konzernumsatz von 11,923 Mrd. Euro (plus 9,8% gegenüber 2006) ein Nettoergebnis von 743 Mio. Euro. Derzeit beträgt der gesamte Auftragsbestand 39,834 Mrd. Euro. Die Areva-Gruppe ist also auch ein wirtschaftlich erfolgreiches Unternehmen. Weltweit werden 65 000 Mitarbeiter in Fertigungsstätten in 43 Ländern beschäftigt. Zwei Drittel des Umsatzes werden außerhalb Frankreichs generiert. Marketing- und Vertriebsaktivitäten bestehen in 100 Ländern. Alles in allem ist Areva ein Global Player. Nachdem insbesondere die bei Areva dominierende Kerntechnik weltweit nicht zuletzt aus Gründen der Klimaproblematik wieder eine hohe Akzeptanz erreichte, geht Areva davon aus, den Marktanteil weiter zu steigern. Der Konzern, der bisher ca. 100 Kernkraftwerke errichtete, will künftig ein gutes Drittel der zu bauenden Kernkraftwerke erstellen. Dabei setzt Areva auf Kunden in aller Welt. Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäftsführung der Areva NP GmbH, Deutschland-Tochter des französischdeutschen Kernenergiekonzerns Areva S.A. Foto: Areva Der Markt der Hersteller von Kernkraftwerken ist überschaubar. Neben Areva ist vor allem der japanische Konzern Toshiba zu nennen, nachdem dieser Aktivitäten von British Nuclear Fuels plc sowie von Westinghouse übernahm. Weiter setzt auf die Kernkraft der amerikanische Konzern GE. Wieder verstärkt auf dem Markt für Kernkraftwerke ist Russland mit dem Hersteller Atomenergomasch. Im Rahmen der gesamten Areva-Gruppe wurde die Areva NP gegründet, bei der neben der Areva (66%) Siemens einen Anteil von 34% hält. Siemens hat verlautbaren lassen, dass es an diesem Anteil ausdrücklich festhalten will, nachdem vor allem der französische Staat im Rahmen seiner Industriepolitik mit dem Gedanken spielte, die Siemens-Anteile zu übernehmen. Areva NP ist in drei Regionen mit den vier Geschäftsbereichen Reaktoren, Service, Kernbrennstoff und Komponenten tätig. Im Rahmen des Gesamtkonzerns Areva erwirtschaften bei der Tochter Areva NP ca. 16 500 Mitarbeiter einen Umsatz (2007) von 3,2 Mrd. Euro. Areva NP entstand 2001 durch die Zusammenlegung der kerntechnischen Aktivitäten von der Areva-Vorgängerfirma Framatome und Siemens. Framatome und Siemens waren bereits vorher mehrere Jahrzehnte im Marktsegment Kernenergie erfolgreich tätig. Innerhalb der Areva NP ist die Areva NP GmbH in Deutschland mit ca. 4 300 Mitarbeitern, die einen Umsatz von 817 Mio. Euro (2007) erwirtschafteten, tätig. Hauptstandort ist Erlangen. An diesem HightechStandort ist Areva NP GmbH mit 2 775 (steigende Tendenz) hoch qualifizierten Arbeitsplätzen der zweitgrößte private Arbeitgeber nach dem Koloss Siemens. Die Tätigkeitsschwerpunkte in Erlangen sind die Wartung und Modernisierung von Kernkraftwerken im In- und Ausland, die Sicherheitserhöhung von Reaktoren in Mittel- und Osteuropa, die Weiterentwicklung von Brennelementen zu höherer Energieeffizienz sowie die Entwicklung neuer Kernkraftwerke mit noch höherer Sicherheit und Wirtschaftlichkeit. Schließlich tragen die Erlanger mit ihrer Beteiligung an internationalen Neubau-Projekten ganz wesentlich zur sicheren, wirtschaftlichen und zuverlässigen Stromversorgung, nicht nur in Deutschland, bei, wie Ulrich Gräber, Sprecher der Geschäftsführung der Areva Deutschland GmbH, bei unserem Redaktionsbesuch in Erlangen erläuterte. Weitere Standorte in Deutschland sind Lingen (Brennelemente-Fertigung), Duisburg (Hüllrohr-Fertigung), Offenbach (Elektro- und Leittechnik, Nuklearservice) und Karlstein (Brennelemente-Komponenten und Service- und Technical Center). Hightech aus Erlangen ist nicht nur beim Projekt in Olkiluoto in Finnland (EPR der dritten Generation) gefragt. So lieferten die Erlanger beispielsweise in China für das Neubauprojekt Tianwan die gesamte Betriebs- und Sicherheitsleittechnik und weitere sicherheitsrelevante Ausrüstungen. In der Slowakei wurde modernste Sicherheitstechnik in die bestehenden Kernkraftwerke Mochovce und Bohunice integriert. In Bulgarien wurden die Blöcke 5 und 6 des Kernkraftwerks Kozloduy modernisiert und in der Schweiz wurde das gesamte Druckhaltesystem im Kernkraftwerk Gösgen sicherheitstechnisch umgerüstet. Für Ulrich Gräber ist klar, dass die weltweite Energiesituation vor dem Hintergrund des deutlichen Anstieges der Weltbevölkerung in den nächsten Jahrzehnten, bei der gleichzeitigen weltweiten Herausforderung der Emissionsreduzierungen, nur durch die wertfreie Beurteilung aller Energieträger (und dazu zählt die Kernkraft) gelöst werden kann. Areva, so Gräber, setze auf eine nachhaltige Entwicklung und natürlich auch auf den fairen Dialog mit der Gesellschaft. Nur so entstehen vertrauensvolle Beziehungen. Der Manager räumte ein, dass es zum Unternehmensnamen Areva in Deutschland noch Defizite gibt. Dies wird aber jetzt geändert. Im Rahmen des gesuchten Dialogs ging nun Areva mit der Fußball-Legende 1. FC Nürnberg eine Partnerschaft ein. Der „Club“ trägt ab der laufenden Saison den Namen Areva auf den Trikots. Damit soll auch der Bekanntheitsgrad in einer breiteren Öffentlichkeit realisiert werden. JOURNAL 22 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Berlin ist mal wieder am Puls der Zeit IFA 2008 | Bayerische Loewe trotzt asiatischem Drachen geräten seit vielen Jahren Marktführer. Metz exportiert 60% seiner Produktion in über 90 Länder. Im November feiert das Zirndorfer Unternehmen seinen 70. Geburtstag. Metz steht gut da, will sich aber nicht in die Karten sehen lassen. „Aus Tradition veröffentlichen wir keine Gewinne“, so Kotzbauer. Während sich auf dem 11 000 Quadratmeter großen Messegelände alles darum drehte, wie man den Endverbraucher mit noch mehr technischen Raffinessen zum Kauf immer neuer Geräte animieren kann, redeten sich die über 2 100 Teilnehmer des Medienkongresses im ICC die Köpfe heiß. So wurde über die Transformation der Medien durch das Internet und die Konsequenzen für Medienordnung und Medienpolitik debattiert. Nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen Gruner + Jahr-Chef Bernd Buchholz und ZDF-Intendant Markus Schächter, bei dem es um den Internetauftritt der öffentlich-rechtlichen Sender und den neuen Rundfunkänderungsstaatsvertrag ging, meinte Schächter: „Lasst uns nicht das falsche Tor bewachen.“ Schächter stellte in den Raum, dass eventuell bald auch Google zu einem großen Player der Fernsehwelt wird und bei den begehrten Rechten für die Olympiaübertragung mitpokert. VON IRENE HELL D er Kronacher Fernsehbauer Loewe und der Zirndorfer Blitzlicht- und TV-Geräte-Produzent Metz ließen auf der IFA die Funken sprühen. Ein Messerundgang mit dem WirtschaftsKurier zeigt die wichtigsten Entwicklungen nicht nur deutscher Unternehmen auf dem Gebiet der Unterhaltungselektronik und – zum ersten Mal auf der IFA vertreten – der Haushaltsgeräteindustrie auf. Mit einem Ordervolumen von über 3 Mrd. Euro übertrifft die diesjährige Internationale Funkausstellung (IFA) alle Erwartungen des Fachhandels. Mehr als 220 000 Besucher aus der ganzen Welt stürmten die Berliner Messehallen, um an den Ständen der 1 245 Aussteller die neueste Technik zu begutachten. Sichtlich zufrieden gab sich auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, die im Rahmen einer Galaveranstaltung die 48. IFA eröffnete. „Weltweit gibt es in der Branche einen Umsatz in Höhe von über 400 Mrd. Euro“, sagte Merkel. Die Funkausstellung in Berlin sei immer „am Puls der Zeit“. In diesem Jahr gab es erstmalig eine Kombination der klassischen Unterhaltungselektronik mit Elektrohaushaltsgeräten, der so genannten Weißen Ware. Das sei ein logischer Schritt, meinte die Kanzlerin. In Zukunft könne man auf dem Handy fernsehen und gleichzeitig seinen Herd oder seine Waschmaschine zu Hause anschalten. „Das Handy wird also sozusagen eine Zentrale sein“, führte die Kanzlerin – und begeisterte Handy-Nutzerin – weiter aus. Man könne in Zukunft einfach im Wohnzimmer sitzen bleiben und von dort am Fernseher sozusagen weitere kleine Fernseher anschalten, die über eine kleine Kamera zum Beispiel im Backofen zeigen, wie der Kuchen gerade aussieht, und über eine andere Kamera in der Waschmaschine, wie es dort aussieht, schwärmte die Kanzlerin. Bildschirme sollen flacher werden, nicht das Programm Wohl kaum in einem anderen Bereich ist die Marktstellung der Asiaten, vor allem auch Japans, so vorherrschend wie in der Unterhaltungselektronik. Das zeigte auch ein Rundgang über die diesjährige IFA, die Internationale Funkausstellung in Berlin (im Bild der Stand von Samsung). Foto: IFA Nischenstrategie gegen die asiatische Dominanz Das Geschäft mit hochmodernen Flachbildschirmen, Computern, Kameras und anderen elektronischen Geräten wird dominiert von den Branchen-Riesen Sony, Philips, Samsung und Panasonic. Doch stolz und selbstbewusst präsentierten sich auch deutsche Hersteller wie Loewe, der Kronacher Hersteller von hochwertigen Fernsehgeräten, und das Zirndorfer Traditionsunternehmen Metz. Der WirtschaftsKurier besuchte die bayerischen Champions auf der IFA und fragte auch Manager von Fujitsu Siemens und Panasonic nach neuen Trends und Erfolgsstrategien. Schneeweiß glitzerte die Messehalle von Loewe. In einer riesigen, gläsernen Vitrine schlummerte hier die interaktive Fernbedienung vor einem überdimensionalen, formvollendeten Flachbildschirm. Fast so wie Schneewittchen, das darauf wartet, durch den Kuss eines Prinzen zum Leben Im Sucher der Kameras: der CEO des Kronacher Loewe-Konzerns Frieder C. Löhrer auf der IFA. LESERBRIEFE Schafft endlich eine Lex Siemens (zur Titelgeschichte der August-Ausgabe) Aus dem Herzen. Mit Ihrem Artikel über den Siemens-Korruptionsskandal sprechen Sie mir aus dem Herzen. Die Art und Weise, in der ein deutsches und erfolgreiches Traditionsunternehmen kaputt geredet wird und auch die Art und Weise, wie darüber berichtet wird, grenzt an Zynismus, bedenkt man, dass Zuwendungen im Ausland bis 1999 noch bei der Steuer geltend gemacht werden konnten. Warum untersucht die US-Börsenaufsicht SEC eigentlich nicht in gleichem Umfang die US-amerikanischen Konkurrenten von Siemens? Die Einholung großer Aufträge ist nicht nur in den von Ihnen benannten Schwellenländern ohne Zuwendungen offenbar nur schwer möglich. Wann begreifen unsere Politiker, die den einst so hoch gelobten Herrn von Pierer eiskalt fallen gelassen haben, dass es hier in Wirklichkeit um die Diffamierung eines der rentabelsten Deutschen Unternehmen geht? Ebenso unverständlich ist im Übrigen, dass die Politik fast tatenlos zusieht, wie Brüssel unter dem Deckmantel des Umweltschutzes Politik gegen deutsche Autobauer macht. Ist noch wirklich niemandem aufgefallen, dass große Autos, wenn sie voll besetzt sind, pro Kopf weniger CO2 ausstoßen als eine einzelne Person in einem Kleinwagen? Wenn es wirklich um Umweltpolitik ginge, dann könnte man eine Regelung vorsehen, die die Kfz-Steuer nicht nur vom Hubraum, sondern auch von der Familiengröße abhängig macht, ähnlich wie es bei der Einkommenssteuer gehandhabt wird. Andernfalls drängt sich der Verdacht auf, es ginge gar nicht um Umweltschutz. Der Vorschlag, Autos nach dem CO2-Ausstoß zu besteuern, schadet der deutschen Wirtschaft und ist im Übrigen im höchsten Maße familienunfreundlich. Ein entsprechendes Gesetz würde möglicherweise sogar gegen Art. 6 GG verstoßen. Aber zurück zu Siemens. Man sollte sich darauf beschränken, Korruption im eigenen Land zu verurteilen. Wenn Zuwendungen an Entscheidungsträger aber internationale Praxis sind, um Großaufträge einzuholen, dann muss man das Spiel mitspielen, will man nicht außen vor bleiben. In diesem Sinne hat der letzten Monat verurteilte Siemens-Manager nicht Gelder veruntreut, wie die Richter es formulierten, sondern Milliarden-Aufträge und damit Arbeitsplätze und Steuergelder reingeholt. Dr. Gerhard Fuders, Fürth * Herr Saubermann. Dem Grundtenor zum Leitartikel Siemens (WirtschaftsKurier August 2008) kann man nur zustimmen! Es geht Herrn Cromme nicht um Recht oder Unrecht, sondern darum, auf Kosten der Siemens-Aktionäre den „Herrn Saubermann“ zu spielen. Mit Debevoise & Plimpton LLP, New York, hat er die teuersten Anwälte der USA engagiert und damit wahrscheinlich der Welt. Diese Anwälte können ohne jede Restriktion im Negativen wühlen und Angestellte belasten. Sie kosten etwa 1 Mio. Euro pro Tag! Ohne sonstige Kosten! Der Schaden am Nimbus der Firma Siemens ist nicht abschätzbar. Dr. Rainer C. Kahr Dr. Norbert Kotzbauer vom Zirndorfer Unternehmen Metz weist auf die Elektronik hinter den blanken und durchgestylten Oberflächen der Hightech-Flachbildschirme hin. Eine Wasser- und Kaffee-resistente Tastatur präsentiert Björn Fehrm von Fujitsu Siemens. Fotos: Hell erweckt zu werden, wartet die riesige Heimkinoanlage auf einen finanziell potenten Kunden. „Das ist unser Modell Loewe Reference“, sagte Loewe-Vorstand Gerhard Schaas stolz. Die märchenhafte Bildqualität, die durch neueste, hochauflösende High Definition (HD)-Technik erreicht wird, ist nicht ganz billig. Die ausgestellte Heimkinoanlage, die sich über fünf Meter erstreckt, kostet 22 000 Euro. Damit sich die Interessenten diesen stolzen Preis auf der Zunge zergehen lassen können, wird zur Produktpräsentation ein feines Trüffelsüppchen gereicht. „Es muss ja passen“, erklärte Schaas dazu. Natürlich gibt es auch preisgünstigere Varianten. Doch die Linie ist klar: schlank, elegant, superteuer. Loewe positioniert sich im Hochpreissegment. Schaas warnte von einer „Kannibalisierung“ der Branche. Einige asiatische Hersteller würden Geräte mit neuester Technologie zu Dumping-Preisen auf den Markt werfen. Aufgrund der Preisschlachten musste Loewe 2003/04 beinahe „in die Röhre“ schauen. Doch dank einer neuen Strategie, die auf Komplettlösungen setzt, ist das mittelständische Unternehmen mit rund 1 000 Beschäftigten heute besser aufgestellt denn je. „Systemkopf Deutschland“ habe die Wende gebracht, erklärte Schaas. Die Projektentwicklung und die Produktion bleiben in Deutschland, aufwändige Elektronik komme aus Fernost. Nachdem die einst geschätzten LoeweBildröhren von LCD-Fernsehern verdrängt wurden, holte sich der fränkische Fernsehbauer den japanischen Hersteller Sharp mit ins Boot. Nachdem Loewe sich im Bereich der LCD (Liquid Crystal Display)-Panels etabliert hat, kommt jetzt eine neue Generation von Blue-ray, von hochauflösenden Bildschirmen auf den Markt. Besonders gute Erfahrungen habe Loewe bei der Zusammenarbeit mit Universitäten gemacht, die zur Verbesserung der Bedienungsfreundlichkeit und des Designs beigetragen hat. Dieser Mix aus Innovation Mittels Vektorenrechnung werden von Metz Zwischenbilder erstellt, die die Bewegungen, zum Beispiel beim Flug einer Ente, noch flüssiger machen. „Mit dem Sirius hat bei Metz eine neue Sternzeit des Fernsehens begonnen“, bewirbt das Unternehmen einen neuen LCD- und Kooperation verhalf Loewe zu einem schwungvollen Aufschwung: Aufgrund der Fußball-Europameisterschaft und der Olympiade erzielte Loewe im ersten Halbjahr ein Ertragsplus von etwa 80%. Anders als bei Schneider, Grundig und Telefunken ging bei Loewe nicht das Licht aus. Doch insgesamt sind asiatische Unternehmen führend im Consumer Electronics-Bereich. In Europa würde kaum mehr in neue Technik investiert, bedauert Schaas. Deshalb seien Länder wie Japan, die Milliardenbeträge in die Entwicklung von Halbleitertechnologien investieren, führend. Qualität made in Germany aus dem Hause Metz Auch das Zirndorfer Traditionsunternehmen Metz, das einige Hallen weiter mit hochwertigen Flachbildschirmen und Blitzlichtgeräten aufwartet, trotzt selbstbewusst den Global Playern. Loewe und Metz manövrieren sich geschickt aus dem Schussfeld der Rabattschlachten der großen Verkaufsketten wie Saturn oder Media Markt. Die beiden bayerischen Elektronikchampions setzen statt auf Masse auf Nischenmärkte und Qualität. „Uns ist es wichtig, auf den Kunden, auf den Menschen einzugehen“, so MetzGeschäftsführer Norbert Kotzbauer. Fernsehgeräte von Metz sind nur im Fachhandel zu haben. Die Händler, die die Seniorchefin Helene Metz fast alle persönlich kennt, sind handverlesen. Auf der IFA feierte die Firmengründerin ihren 84. Geburtstag. Helene Metz setzt auf „Qualität made in Germany“. Der Kunde soll das Beste, besonders den besten Service bekommen für sein Geld. „Wir arbeiten wie bei der Formel 1 – wir holen immer noch ein bisschen mehr raus“, sagte Kotzbauer. Die Mitarbeiter von Metz sind auf Zack. Neueste Technologie, die es ermöglicht, Sendungen aufzuzeichnen, während im Fernseher gerade ein anderes Programm angeschaut wird, ist kinderleicht zu bedienen. Die Bildqualität ist weit besser als im Kino. Bundeskanzlerin Angela Merkel – neben Miss IFA – zeigte sich begeistert von den zukünftigen Nutzungsmöglichkeiten von Handys, auch im Haushalt. Foto: IFA Flachbild-Fernseher. Integrierte TV-, Home Cinema-, DVD-, Audio- und Video-Anlagen sollen vor allen Dingen eines sein: leicht zu bedienen. Eine wirklich gute Beratung und ein guter Service seien nur im Fachhandel möglich. „Dafür ist der Kunde auch bereit, etwas mehr zu bezahlen. Ich sage nur Faktor Mensch“, so Kotzbauer. Service ist das Erfolgsrezept von Metz: „Wir nehmen die Menschen ernst. Das ist unser Vorteil gegenüber dem Internet und den Ketten“, erklärte Kotzbauer. Der Funke soll überspringen, auch bei der Foto-Elektronik. In Deutschland ist Metz mit seinen Blitz- Christiane zu Salm, seit April dieses Jahres Vorstandsmitglied der Hubert Burda Media und für Cross Media zuständig, war als einzige Frau in die Elefantenrunde der Medienmächtigen zum Auftakt der Medienwoche geladen. „Die Gesellschaft verändert sich mehr als die Wirtschaft“, beobachtet zu Salm. Nicht nur die Flachbildschirme werden immer flacher, sondern auch das Programm. Deshalb suchen Millionen von Jugendlichen auf Internetplattformen, auf denen sie sich interaktiv mit anderen Jugendlichen austauschen können, nach Alternativen. „Diese sozialen Medien sind längst zum Massenmedium geworden“, erklärte Mark Goldman, der Chef des US-Senders Current TV. Dieser von Al Gore gegründete Sender arbeitet mit Beiträgen, die von Freiwilligen auf der ganzen Welt zusammengestellt werden. Current TV hat damit eine neue Form des kollektiven Journalismus geschaffen. Doch bemerkenswert ist, dass neben einigen spannenden Berichten aus Kriegs- und Krisengebieten einige Zuschauer sogar eigene Werbespots von Sony produzierten. Demnach haben einige Marken Kultstatus. Dies dürfte wohl auch Fujitsu Siemens Computers dazu animiert haben, den Firmenauftritt zu ändern. „Jetzt sieht man endlich, dass es ein Fujitsu Siemens Computer ist“, sagte Björn Fehrm. „Wir meißeln unser ganz eigenes Profil heraus“, so Fehrm weiter. Der schwedische SiemensManager, der zuständig ist für Computer, Strategie und Innovation, demonstrierte eine weitere Neuheit: Er schüttete ein Glas Wasser über das Keyboard – nichts passiert. Der Computer bleibt dank „Spill Proof“Schutz heil. Fehrm schüttet das Wasser wieder zurück ins Glas. Davor, eventuell auf dem Computer verschütteten Kaffee wieder zu trinken, warnte Fehrm jedoch: Auf dem Keyboard seien zu viele Bakterien. Neuester Renner bei Fujitsu Siemens: ein preisgünstiges Mini-Notebook. IPTV, also die Verschmelzung von Fernsehen und Internet, wird ganz groß geschrieben bei Panasonic. „Wir müssen jedem Kunden etwas bieten“, so PanasonicPressechef Peter Weber. Von der High Definition Videokamera bis hin zur Radarerfassung in neuen Automodellen gibt es bei Panasonic alles, was das elektronische Herz höher schlagen lässt. „Wir bringen dem Zuschauer High Definition ins Haus, ohne dass er ein Signal von den Sendeanstalten braucht“, erklärte Joachim Reinhart, Präsident von Panasonic Europe. Reinhart, der als einziger Deutscher im Vorstand des japanischen Elektronikriesen sitzt, hat den Marktanteil von Panasonic in Europa kontinuierlich ausgebaut. „Blue-ray Disc“ heißt das neue Meisterwerk der Technik, das Filme in 3D-Qualität abspielen kann. „Sony sagt immer, es ist ihre Technologie. Das stimmt nicht. Es ist Panasonic-Technologie. Das ist ein Faktum“, so Reinhart. Mit Blue-ray, einer Technik, die High Definition (HD), also hochauflösendes Fernsehen, ermöglicht, ist Panasonic ein Geniestreich gelungen. Jetzt werden auf der ganzen Welt Millionen von gerade noch angesagten Flachbildschirmen auf den Müll geworfen und durch interaktive Blueray-Fernseher ersetzt. Die Kassen klingeln, doch die Umwelt leidet. „Die Leute wissen nie, was sie wollen. Märkte werden nicht von den Leuten bestimmt, sondern Märkte werden gemacht“, verriet Reinhart. Dennoch beobachtet Loewe-Vorstand Schaas große Unterschiede in der Mentalität: „Der Japaner sieht ein neues Gerät und sagt: Muss ich haben. Der Deutsche schaut ins Schaufenster und fragt: Ist es billiger geworden?“ Ganz anders reagieren die Scheichs am Golf. Die würden fragen: „Kann ich das Gerät auch mit Diamanten versetzt haben?“ JOURNAL SEPTEMBER 2008 WirtschaftsKurier Neue Ära in der Krebstherapie In Kiel wurde mit dem Bau eines Partikeltherapiezentrums begonnen | Größtes PPP-Projekt im deutschen Gesundheitswesen VON DR. WULF-HINRICH MÖLLER W eit ist der medizintechnische Weg von der ersten Röntgenaufnahme einer Hand im Jahre 1896 bis zur Partikeltherapie der Gegenwart. Wilhelm Conrad Röntgen war es, der am 4. November 1895 in Würzburg die unsichtbaren Strahlen entdeckte. Und so soll es im Jahr 2010 einmal aussehen: das Nordeuropäische Radioonkologische Centrum Kiel (NRoCK) an der Feldstraße in einer Visualisierung. Voraussichtlich 2010 können in diesem Gebäude die ersten Patienten behandelt werden. Das Kieler Institut ist in der Tat weltweit dann einzigartig, weil hier die Strahlentherapie komplett mit eingegliedert wird. In unmittelbarer Nähe zur altehrwürdigen Kieler Gelehrtenschule, dem altsprachlichen Gymnasium und der zweitältesten Schule des Landes SchleswigHolstein entsteht gegenwärtig das „Gebäude der Zukunft“: das NRoCK. In der Medizin diente das Röntgen seit über 100 Jahren der Feststellung von Anomalien im Körper, die im Zusammenhang mit Symptomen, Zeichen und eventuell anderen Untersuchungen eine Diagnose ermöglichen. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO wird zum Beispiel allein die Zahl der Krebsneuerkrankungen von heute 10 Mio. weltweit bis zum Jahre 2020 um die Hälfte steigen. Krebs könnte dann die häufigste krankheitsbedingte Todesursache sein. Trotz aller Fortschritte kann heute nur etwa jeder zweite Patient geheilt werden. Etwa 60% aller Patienten werden mit der Strahlentherapie behandelt. Von diesen Patienten würde etwa jeder Zehnte von der Partikeltherapie profitieren. Diese Das geplante neue Nordeuropäische Radioonkologische Centrum Kiel (NRoCK) in einer Visualisierung. Voraussichtlich 2010 können die ersten Patienten behandelt werden. Therapie eignet sich besonders für bestimmte strahlen-resistente Tumore und solche, die nah an Risikoorganen oder HIGHTECH IN HISTORISCHEM AMBIENTE Bevor sich der Richtkranz über das neue Operationszentrum zeigte, machten bereits erste Sprachbilder die Runde: Das PTZ sei „in Beton gegossenes Umdenken“, so formulierte es Klinikum-Chef Prof. Dr. Bernd Kremer. Von daher gab es nicht nur Freude an diesem 1. September 2008 anlässlich des Richtfestes zwischen Chirurgie und Frauenklinik. Denn das OP-Zentrum steht auch für den Beginn einer Reihe künftiger Baumaßnahmen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK SH), die das Klinikum zukunftsfähig machen sollen. Vor allem soll es zunächst Operationskapazitäten bündeln. „Die Belange einer einzelnen Klinik werden dem Interesse des gesamten Uniklinikums untergeordnet“, erklärte Kremer. Im Bereich des UK S-H wird zwar einerseits ein hypermodernes radioonkologisches Zentrum mit allen Schikanen (NRoCK) aus dem Boden gestampft, andererseits müssen Patienten noch in oft historischer Altbausubstanz behandelt werden. Prof. Kremer hofft, dass der mannshohe Richtkranz in Zukunft gleich mehrfach verwendet werden kann, wenn der bauliche Masterplan umgesetzt wird. So wer- den im ersten Stock des gerichteten sechsstöckigen Rohbaus acht Operationssäle geschaffen, so dass man mit den vorhandenen acht OP in der Chirurgie über 16 Operationsräume verfügt. „Und jetzt bietet das Zentrum Platz für 148 Patientenbetten auf vier Etagen“, hieß es bei der Bauherrin GMSH (Gebäudemanagement Schleswig-Holstein). Über den OP-Räumen werden vier Geschosse je eine interdisziplinäre 37 Betten-Station, Aufnahmebereiche, Untersuchungsräume und Büros enthalten. Das OP-Geschoß ist mit einem Zwölf-Betten-Aufwachbereich sowie einem Intermediate-Care-Bereich für Pflege- und überwachungsbedürftige Patienten unterhalb des Intensivstation-Levels ausgestattet. Für den Entwurf des Klinikums zeichnet das Kieler Büro Schnittger Architekten + Partner verantwortlich. Allein die Baukosten bedeuten eine Investition von 34 Mio. Euro, dazu kommen die Kosten für die Erstausstattung. „Man habe sich der Zukunft gestellt“, sagte Hendriks vom Wissenschaftsministerium im Blick auf Forschung und Lehre, „denn an Modernität sei das OP-Zentrum kaum zu überbieten“. Behandlungstisch zur Tumorbestrahlung im Partikeltherapiezentrum. Ein neuer Ansatz zur Krebstherapie: Mit dem Siemens Iontris können Tumore punktgenau behandelt werden. um solche Organe herum liegen. „Stellen Sie sich ein Auto vor, das mit hoher Geschwindigkeit an eine Ampel heranfährt und scharf bremst – an den schwarzen Spuren auf der Straße sehen Sie, wo die Energie geblieben ist.“ Mit diesen Worten erklärte UK SH-Vorstandschef Prof. Dr. Bernd Kremer die Funktionsweise der Partikeltherapie, bei der die Energie zielgenau dort auftritt, wo der Tumor sitzt. „Mit der Realisierung dieses Projekts wird eine neue Ära in der Behandlung von Tumorpatienten eingeleitet.“ Tumore präzise zerstören Das Ziel einer jeden Krebsbehandlung ist es, die Tumorzellen zu zerstören und das umliegende gesunde Gewebe so weit wie möglich zu schonen. Vorteil der Partikeltherapie ist die große Zielgenauigkeit, mit der eine genau vorberechnete Dosis zum Ziel gebracht werden kann. Das davor liegende Gewebe wird wesentlich geringer belastet und das dahinterliegende bleibt weitgehend strahlungsfrei. Für Patienten mit bestimmten Tumoren in der Nähe von empfindlichen Geweben (Gehirn, Wirbelsäule, Nervenbahnen) und für die Behandlung von Kindern eröffnen sich dadurch ganz neue Behandlungschancen. Die Partikeltherapie nutzt nämlich das inverse Tiefendosisprofil von Protonen oder Kohlenstoffionen für die präzise Tumorbehandlung. Im Gegensatz zu herkömmlichen Photonenstrahlen, deren Dosis kurz nach dem Eindringen in das Gewebe am höchsten ist, um dann wieder abzufallen, geben die Partikelstrahlen ihre Hauptdosis erst gegen Ende ihrer Bahn im so genannten „Bragg Peak“ ab. Reichweite, Fokussierung und Intensität des Partikelstrahls sind präzise einstellbar, um das Tumorgewebe millimetergenau zu behandeln. Grundlage für die Behandlungsplanung bildet eine dreidimensionale Rekonstruktion des Tumors, die in einzelne Schichten verschiedener Tiefen aufgeteilt wird. Die Behandlung erfolgt Schicht für Schicht, wobei die Eindringtiefe des Partikelstrahls durch im Synchrotron erzeugte Energie gesteuert wird. Bei der Partikeltherapie werden über ein Beschleunigersystem Protonen oder Kohlenstoffionen auf eine sehr hohe Geschwindigkeit (bis zu 70% der Lichtgeschwindigkeit) gebracht und dann punktgenau auf das Zielgewebe gerichtet. Das PTZ wird als Kompetenz-Zentrum für Tumorerkrankungen ab 2011 neue Behandlungschancen in der Krebstherapie eröffnen. Der Einzugsbereich soll neben Norddeutschland den gesamten südskandinavischen Raum umfassen. Im Endausbau der Anlage sollen in drei Behandlungsräumen jährlich rund 3 000 Patienten mit Partikeln behandelt werden. Und die Kosten? „Nach den jetzigen Planungen bestehen alle Chancen, dass sich das PTZ aus dem laufenden Betrieb selbst finanziert“, so kaufmännischer Vorstand Dr. Schleifer. Von größter Bedeutung seien aber die bereits abgeschlossenen Kooperationsverträge mit Kliniken in Oslo, Odense, Kaunas, Greifswald, Hannover, Rostock und in Minden. Und Versicherte der Angestellten-Krankenkassen (DAK, TK, KKH, HEK, Hamburg Münchener, hhk) können sich künftig bei bestimmten schweren Krebserkrankungen am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel mit Protonen und Schwerionen bestrahlen lassen. Dies wird in einem Vertrag zwischen dem Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. mit dem Universitätsklinikum Schleswig-Holstein geregelt, der in Kürze unterzeichnet wird. An einem Vertrag mit der AOK werde zurzeit gearbeitet. Die alleinige strahlentherapeutische Behandlung von Patienten mit Partikeln werde mit 19 500 Euro je Patient bei einer Zahl von 20 Bestrahlungen vergütet. Die Behandlung eines Patienten mit Partikeln in Kombination mit konventioneller Strahlentherapie wird mit 10 000 Euro je Patient bei fünf Bestrahlungen vergütet. Damit entspreche der Preis durchaus Wirtschaftlichkeitsanforderungen der Krankenkassen. Zum Vergleich: „In Amerika liegt die Kostenbeteiligung bei 150 000 Dollar je Patient“, so Projektleiter Ralf Kampf. Bei der geplanten Anlage handelt es sich um das bislang größte Public-Private-Partnership-Projekt im deutschen Gesundheitswesen. Den Auftrag erhielt am 18. März 2008 ein Bieterkonsortium aus Siemens, Bilfinger Berger und HSG Techni- scher Service. Die Investitionskosten in Höhe von 250 Mio. Euro refinanzieren sich über ein internationales Bankenkonsortium unter der Führung der HSH Nordbank. Siemens wird die Planung und Errichtung der Partikeltherapie-Anlage, die Lieferung der Medizintechnik und den Service übernehmen. Bilfinger Berger Hochbau zeichnet für die schlüsselfertige Erstellung des Zentrums und die HSG garantiert Strom-, Wärme- und Wassermengen für das Gebäude und übernimmt das technische und infrastrukturelle Gebäudemanagement. Lebensqualität deutlich erhöhen Die Behandlung ist meist nicht mit einem stationären Aufenthalt verbunden. Untersuchungen in Japan und Deutschland konnten zudem für bestimmte Krebserkrankungen zeigen, dass sich die Zahl der Behandlungen im Vergleich zur konven- 23 PRESTIGEPROJEKT Im Bereich der Medizintechnik gehört die Siemens AG zu den Weltmarktführern. Allein im Stammsitz Erlangen beschäftigt das Unternehmen etwa 21 900 Mitarbeiter. Für das Projekt in Kiel galt die Devise: Ein solches Projekt stemmt man nicht allein. Es benötigt eine gute Mischung aus innovativer Technik, Fachwissen und Kundenkontakt. Und diese Mischung hat es gemacht: Die Kompetenz aus dem Stammhaus in Erlangen, die Kundenkontakte des Account Management vor Ort und die Zusammenarbeit des gesamten Teams waren ausschlaggebend für den Auftragsgewinn. Zur Realisierung des Projekts gründeten die Sponsoren Siemens Project Ventures und Bilfinger Berger Project Investments eine Projektgesellschaft, die sich über ein internationales Bankenkonsortium refinanziert und die weiteren Mitglieder der Bietergemeinschaft unterbeauftragt. Siemens übernimmt dabei die Planung und Errichtung der Partikeltherapie-Anlage, die Lieferung der Medizintechnik von der Diagnostik bis hin zur Informationstechnologie, den Service sowie den technischen Betrieb der medizintechnischen Systeme. Das Thema Partikeltherapie wurde von der schleswig-holsteinischen Regierung als Leuchtturmprojekt in das Regierungsprogramm aufgenommen. „Wir hatten das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um das Thema Partikeltherapie der Regierung in Kiel vorstellen zu können“, so Cornelia Reddig, Leiterin der SiemensNiederlassung Kiel. Auch das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UK S-H) konnte Siemens mit seinem Konzept und Erfindergeist für eine Partikeltherapie-Einrichtung im Rahmen eines onkologischen Kompetenzzentrums überzeugen. „Mit der Siemens-Anlage entscheidet sich das UK S-H für die zurzeit innovativste Lösung auf dem Markt“, ergänzt Thorsten Reichert, Project Manager des Angebotteams. tionellen Strahlentherapie reduzieren lässt. Für den Patienten bedeutet diese verkürzte Behandlungszeit ein Plus an Lebensqualität. Weltweit wurden bereits mehr als 50 000 Patienten mit der Partikeltherapie behandelt, ca. 3 000 von ihnen mit Kohlenstoffionen. Experten gehen davon aus, dass in den Industrienationen in absehbarer Zeit pro 8 Mio. bis 10 Mio. Einwohner ein Partikeltherapiezentrum wirtschaftlich betrieben werden kann. Therapie und Forschung Partikeltherapiezentrum | Alles unter einem Dach M it dem NRoCK wird in Kiel eine der modernsten Krebstherapieeinrichtungen der Welt entstehen. Angesichts der steigenden Anzahl an Tumorerkrankungen in den nächsten Jahren trägt das Zentrum zu einer Gesundheitsversorgung auf hohem Niveau bei. WiKu-Mitarbeiter Dr. Wulf-Hinrich Möller sprach mit Ralf Kampf, dem Projektleiter des Partikeltherapiezentrums Kiel. WirtschaftsKurier: Was bedeutet die Ansiedlung des PTZs in Kiel für den Wissenschafts-Standort sowie für die Gesundheitsregion Schleswig-Holstein? Ralf Kampf: Mit dem NRoCK in Kiel soll eine der modernsten KrebstherapieEinrichtungen der Welt entstehen. Es hält unter einem Dach das gesamte Spektrum der notwendigen Diagnostik vor und bettet sich hervorragend in den onkologischen Therapie- und Forschungsschwerpunkt des UK S-H ein. Das NRoCK stellt mit seinen besonderen Therapiemöglichkeiten einen wesentlichen Beitrag dar, um den in den nächsten Jahren zunehmenden Krebserkrankungen bei den Menschen begegnen zu können und trägt damit zu einer Gesundheitsversorgung auf höchstem Niveau bei. Zudem bietet Forschung und Lehre auf dem Gebiet der Partikeltherapie ein weiteres Geschäftsfeld, das mit nationalen und internationalen Kooperationspartnern bearbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt wird. WiKu: Welche Bedeutung hat das neue Therapiezentrum speziell für das UK S-H? Kampf: Für Universitätskliniken ist eine Partikeltherapie-Anlage aus folgenden Gründen hoch attraktiv: Die Partikeltherapie wird wegen der hohen Investitions- und Betriebskosten auch längerfristig ein Alleinstellungsmerkmal darstellen. Von der damit verbundenen Sogwirkung für Patienten wird das dem NRoCK angebundene UK S-H vor allem vor dem Hintergrund des zu etablierenden Comprehensive Cancer Ralf Kampf, Projektleiter des Partikeltherapiezentrums Kiel: „Das NRoCK wird für die Weiterentwicklung im Bereich der Medizintechnik eine Schlüsselrolle einnehmen.“ Center Nord (CCC-Nord) wesentlich profitieren: ■ Der onkologische Forschungsschwerpunkt wird durch eine Partikeltherapie erheblich gestärkt. ■ Die Auslastung der Anlage erfordert den Zusammenschluss verschiedener, vor allem universitärer Kliniken zu einem Netzwerk. Damit wird der Aufbau von Forschungsverbünden beschleunigt. ■ Internationale Kooperationen mit anderen speziellen Zentren werden ermöglicht. ■ Das NRoCK wird für die Weiterentwicklung im Bereich der Medizintechnik eine Schlüsselrolle einnehmen. WiKu: Welche Vorteile hat die neue Therapieform? Kampf: Nach den bisherigen Erfahrungen könnte durch die Partikeltherapie ein Quantensprung bei der lokalen Tumortherapie erzielt werden, vergleichbar mit der Einführung der modernen Strahlentherapie, Chemo- und Hormontherapie in den 60er und 70er Jahren. Die Umsetzung des NRoCK in Kiel mit seiner gesamten Behandlungsbreite der Krebstherapie in der universitären Patientenversorgung unter einem Dach ist dabei ein wesentlicher Grundstein in der Behandlung von Tumoren in Deutschland. WiKu: Was geschieht mit anderen KlinikEinrichtungen wie zum Beispiel der Radiologie? Kampf: Es ist noch nicht abschließend geklärt, was mit dem Gebäude der Radiologie passiert, vermutlich wird es aber abgerissen werden. Sicher ist, dass die Strahlentherapie es 2011 räumt. Über den Verbleib der Kliniken Diagnostische Radiologie und Nuklearmedizin habe ich keine Informationen. WiKu: Die Kieler Medizinische Fakultät hatte einen Weltruf. Die Gliederung der Fakultät in den Campus Kiel und Campus Lübeck schadet ganz allgemein dem Ruf. Ist hiervon auch das PTZ betroffen? Kampf: Es ist ja nicht neu, dass wir zwei Fakultäten am UK S-H haben und daran wird sich aus meiner Sicht so schnell auch nichts ändern. Aber die Position der Kieler Medizinischen Fakultät wird jetzt gestärkt. WiKu: Finden in dem gebauten und ab 2010 benutzten Gebäude des PTZ auch andere Abteilungen ihren Platz? Kampf: Ab 2011 wird das Gebäude genutzt und ausschließlich für die Behandlung von onkologischen Patienten. WiKu: Der Kostendruck lastet auf dem hochverschuldeten Klinikum und macht sicher auch nicht vor dem radioonkologischen Zentrum halt? Kampf: Da es sich um ein PPP-Projekt handelt werden keine Mittel vom Klinikum zur Errichtung benötigt. Vereinfacht gesagt, dass UK S-H mietet das Zentrum bei dem privaten Errichter und Betreiber für 25 Jahre. Das UK S-H beziehungsweise die in Gründung befindliche Betriebsführungsgesellschaft, eine 100%ige Tochter, übernimmt den medizinischen Betrieb. Der komplette technische Betrieb obliegt dem Konsortium SBB. JOURNAL 24 WirtschaftsKurier SEPTEMBER 2008 Wunder dauern etwas länger Automobilantriebe | Noch gibt es keine serienreifen Alternativen zu den Verbrennungsmotoren VON KLAUS G. WERTEL U nter dem Druck der KraftstoffpreisExplosion des zu Ende gehenden Sommers haben sich selbst sonst eher nüchterne Automobil-Manager zu mehr von Hoffnungen beflügelten als von Fakten unterlegten Botschaften hinreißen lassen: „Die Zukunft wird den emissionsfreien Elektromotoren gehören – betankt aus der Steckdose“, verkündete etwa Martin Winterkorn, der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG und frühere Chef der VW-Tochter Audi. Winterkorn war freilich vorsichtig genug, nicht zu sagen, wann diese Zukunft beginnt. Auch für viele Medien stand der Spielplan des diesjährigen Sommertheaters ganz im Zeichen des angeblich unmittelbar bevorstehenden Durchbruchs des Elektroautos. Wer sich freilich mit Entwicklern der Automobilunternehmen und deren Zulieferern unterhält, erfährt Ernüchterung: Noch gibt es keine serienreifen Alternativen zu den Verbrennungsmotoren. Frei nach dem Volksmund-Spott „Unmögliches wird sofort erledigt – Wunder dauern etwas länger“ werden wir wohl noch viele Jahre auf die – allerdings verbrauchsoptimierten – Erfindungen von Nicolaus August Otto und Rudolf Diesel angewiesen sein. Einen Ballon laut steigen und später leise platzen zu lassen, hat inzwischen eine gewisse Tradition in der automobilen Welt: Sollten wir – nach den Ankündigungen des Jahres 2000 – nicht schon längst das abgasfreie Brennstoffzellen-Auto fahren? Es ist – bei den Autoherstellern, wie in den Medien – bemerkenswert still geworden um diese Technik. Und der – angeblich von den Europäern „verschlafene“ – HybridAntrieb? Nach Auskunft des KraftfahrtBundesamts hatten von den im ersten Halbjahr 2008 zugelassenen neuen Personenwagen gerade mal 0,2% den Doppelantrieb aus Verbrennungs- und Elektromotor. „Früher wurde religiös geheuchelt – heute wird ökologisch geheuchelt“, beschrieb der ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel einmal das Phänomen dieser Kluft zwischen Umfrage-Bekenntnissen und realen Kaufentscheidungen. Das ungelöste Batterie-Problem Der mobile Einsatz von Brennstoffzellen ist kompliziert – deren sichere Versorgung Sportwagen mit Elektroantrieb: Tesla-Roadster aus Kalifornien. mit Wasserstoff noch ungelöst. Hybrid-Autos sind deutlich teurer als vergleichbare Fahrzeuge, die ausschließlich von einem Benzin- oder Dieselmotor angetrieben werden. Aber warum ist es noch immer nicht möglich, die – im Prinzip – mehr als 100 Jahre alte Technik eines batteriegespeisten Drehstrommotors auf die Räder zu stellen und alltagstauglich zu machen? Freunde von Verschwörungstheorien mögen „die Öl-Lobby“ verdächtigen, den Siegeszug des ökologisch korrekten Elektroautos zu hintertreiben. Es gibt eine viel einfachere und plausible Erklärung: das ungelöste Batterie-Problem. Wird im Londoner Stadtverkehr getestet: Smart Electric Drive. ZEITENWENDE Wer in diesen Wochen die Betrachtungen zur Entwicklung der automobilen Antriebstechnik hört oder liest, kann leicht den Eindruck einer Art Zeitenwende gewinnen: Endlich sind die Ingenieure aufgewacht – versperren dem Fortschritt hin zu Hybrid, Elektroantrieb oder gar Brennstoffzelle nicht länger den Weg. Abgesehen davon, dass noch gar nicht ausgemacht ist, welche der genannten Antriebsarten in welchem Zeitraum welche Anteile der Verbrennungsmotoren ersetzen kann – der Fortschritt der Antriebstechnik geschah und geschieht seit Jahrzehnten in vielen Schritten. Eine „Stunde Null“ gibt es nicht. Wer sich allein die Entwicklung der Motortechnik der zurückliegenden 40 bis 50 Jahre anschaut, stößt auf eine Vielzahl von Veränderungen und Verbesserungen, mit denen die Leistung erhöht, die Lebensdauer der Motoren vervielfacht, der spezifische Verbrauch mehr als halbiert und die Schadstoff-Emissionen dramatisch gesenkt wurden. Hatte schon der Übergang von Einfachzu Mehrfach-Vergasern für eine wesentlich gleichmäßigere Füllung der Verbrennungsräume und damit zu einer Verbesserung des Wirkungsgrads gesorgt, so führte der Siegeszug der Benzin-Einspritzung in den 60er und 70er Jahren zu einer weiteren, erheblichen Optimierung des Kraftstoffmanagements im Motor. Weitere Fortschritte wurden später durch die Schubabschaltung, das elektronische Motormanagement für Zündung und Ventilsteuerung, die verschiedenen Stufen der Vermeidung von Schadstoffen im Abgas – vom Verzicht von Blei im Benzin bis hin zu Katalysatoren, Kaltlaufreglern und Abgasrückführung – erreicht. Der entscheidende Fortschritt zur Verbesserung der Effizienz der Diesel-Motoren kam deutlich später als bei den Benzinern – aber dann mit voller Wucht: Die Einführung des Turboladers hat den Charakter des Dieselmotors total verändert: hin zu Drehmomentriesen, die trotzdem extrem sparsam betrieben werden können und vergleichsweise kultiviert laufen. Dieser Wandel erklärt auch den erfolgreichen Durchmarsch des Dieselmotors bis in die Oberklasse: Wer beispielsweise vor 40 Jahren seinen Mercedes 280 noch mit gut 16 Litern Superbenzin verbleit füttern musste, kann heute mit einem stärkeren Diesel in der schwerer gewordenen SKlasse mit sieben bis acht Litern Diesel flott übers Land reisen. Die Kehrseite dieser langen Entwicklung ist, dass die Möglichkeiten der großen Optimierungsschritte wohl weitgehend ausgereizt sind. Es muss häufig ein immer größerer Aufwand getrieben werden, um immer kleinere Fortschritte zu erzielen. Aber ein Ende der technischen Verbesserungen der Verbrennungsmotoren ist wohl noch lange nicht in Sicht. kw Alle Versuche, eine ausreichende Menge Energie in nicht zu voluminöse und schwere Batteriesysteme zu speichern, haben bisher nicht zu befriedigenden Ergebnissen geführt. Die Batterien waren entweder zu schwach oder nicht zyklenfest – oder beides. Nach mehreren Tiefentladungen waren die Batterien schlicht tot – und Ersatz teuer. Diese betrübliche Eigenschaft ließ schon vor dem Ersten Weltkrieg die ersten Serien von Elektromobilen zu Ladenhütern werden, bereitete den legendären Brauerei-Lastwagen mit ihren heulenden Elektromotoren in den frühen 50er Jahren ein baldiges Ende und vergällte auch in den 70er und 80er Jahren den Besitzern der damaligen Kleinserien-Elektrowägelchen die Freude am Fahren. Der doppelte Boden der Mercedes A-Klasse, einst mit dem Vorhaben eines Elektroantriebs begründet und als Batteriestaufach vorgesehen, blieb dauerhaft leer. Jetzt setzen die Entwickler große Hoffnungen in die – aus Laptops und anderen Kleingeräten bekannten – Lithium-IonenBatterien: Deren Energiedichte ist mit derzeit knapp 200 Wattstunden pro Kilogramm Batterie doppelt so hoch wie bei Nickel-Cadmium-Akkus und sogar mehr als sechsmal höher als bei der klassischen Bleibatterie (30 Wh/kg). Unter Einsatz druckfester Batterieummantelungen und durch Integration der Batterien in Kühlkreisläufe scheint eine weitere Erhöhung der Energiedichte der Lithium-Ionen-Akkus möglich. Freilich: Die hohen Temperatur- und Druckschwankungen im Hochleistungseinsatz bereiten noch erhebliches Kopfzerbrechen. Die von manchen Notebook-Akkus berichteten Überhitzungsund Explosions-Phänomene haben sich auch in Automobileinsätzen der LithiumIonen-Akkus gezeigt. Benzin hat eine 60-fache Energiedichte Geradezu deprimierend bleibt freilich der Vergleich mit der Energiedichte klassischer Flüssigkraftstoffe: In einem Kilogramm handelsüblichen Superbenzins (95 Oktan) stecken 12 000 Wattstunden – das ist das 60-Fache dessen, was derzeit die besten Lithium-Ionen-Akkus leisten. Vor diesem Hintergrund warnt auch Joachim Fetzer, beim Automobilzulieferer Robert Bosch GmbH verantwortlicher Leiter in der Batterieentwicklung, vor der Illusion, mit Batterien auch nur annähernd die Energiedichte von Benzin oder Diesel erreichen zu können. Zwar traut auch Fetzer dem Medium Batterie noch erhebliche Verbesserungen in diesem Punkt zu. Doch die eigentlichen Entwicklungspotenziale sieht er in einer weiteren Verbesserung der Energieeffizienz dieses Antriebskonzepts – also in einer Steigerung des ohnehin schon hohen Wirkungsgrads elektrischer Antriebe. Und: Die elektrisch angetriebenen Autos müssten – wenn sie eine wenigstens für die Kurzstrecke ausreichende Reichweite schaffen sollen – deutlich leichter werden als die gegenwärtig handelsüblichen Kaliber von mehr als einer Tonne selbst in der Kompaktklasse. Fotos: Daimler gels an Energiemenge in den kommenden Elektroautos: Die Ziele der Reichweitenverlängerung durch Gewichtsreduktion und Energieverbrauchseinsparung können nicht allein durch den Einsatz leichterer Materialien erreicht werden. Es wird wohl auch einen Verzicht auf Komfort und Ausstattung geben müssen. Dabei geht es nicht nur um etwas weniger Kniefreiheit auf der Rückbank oder die Rückkehr zur guten alten Fensterkurbel, sondern auch um den Verzicht auf eine Klimaanlage. „Das wird schwierig“, heißt es bei Daimler. Vor dem Hintergrund der geschilderten Entwicklungshürden und physikalischen Limitierungen erscheint es nur folgerichtig, dass es zunächst eher Kleinst- und Kleinwagen sein werden, die in den kommenden Jahren mit elektrischem Antrieb ausgestattet in kleinen Serien auf den Markt kommen sollen: So testet Daimler derzeit im Londoner Stadtverkehr die Alltagstauglichkeit einer kleinen Flotte von Elektro-Smarts. 2010 soll dann eine erste Serie von „ESmarts“ mit Lithium-Ionen-Batterie verkauft werden. Im gleichen Jahr hofft Daimler-Entwicklungschef Thomas Weber auch mit einer Vorserie einer Elektroversion der Mercedes A-Klasse starten zu können. Reichweitenziel: 100 Kilometer. Bereits 2012 sollen rund 10 000 A-Klassen mit Elektromotor in Rastatt vom Band rollen. Daimler verklagt Batterie-Lieferanten Unter welchem Druck die Entwicklungsabteilungen – sicherlich nicht nur im Daimler-Konzern – an den neuen Antriebskonzepten arbeiten, dafür ist die Klage ein Indiz, die Daimler im August 2008 bei einem US-amerikanischen Bezirksgericht in Alabama gegen einen säumigen Batterie-Lieferanten eingereicht hat: Daimler will den Batteriehersteller Cobasys gerichtlich dazu zwingen, mit dem vertraglich zugesagten Start der Lieferung leistungsstarker Akkus für die Hybrid-Version des Mercedes Geländewagens ML 450 unverzüglich zu beginnen. Der Hintergrund: Mit dem für 2009 bereits angekündigten Verkaufsstart des ML 450 Hybrid will Daimler seine Position auf dem amerikani- schen Markt weiter stärken. Cobasys hat offenkundig Schwierigkeiten, die Entwicklung der Batterie in der zugesagten Leistungsklasse und Qualität fristgerecht abzuschließen, woran vermutlich auch ein Gerichtsurteil nichts ändern kann. Auch bei anderen Unternehmen haben Vorstände und Marketingabteilungen mehr beschlossen, als Entwicklungsabteilungen einhalten können: So hat Toyota den Start einer reinen Batterieantriebsversion des bisher nur als Hybrid gelieferten Modells Prius von 2010 auf 2011 verschoben. Begründung: Sicherheitsprobleme mit den Hochleistungs-Lithium-Ionen-Akkus. Audi hat das Vorhaben eines HybridQ7 vorerst aufgegeben – und will nun stattdessen eine Hybrid-Version des kleineren und leichteren Geländewagens Q5 entwickeln. Marktstart: 2010. Porsche hat dagegen die Planung für Hybrid-Antriebe ausgeweitet: Neben dem Geländewagen Cayenne soll auch der im kommenden Jahr in Serie gehende viertürige Sportwagen Panamera in einer Hybrid-Version zu haben sein. Wann genau die Hybrid-Produktion aufgenommen werden kann, lässt Porsche allerdings vorerst offen: „Später“, heißt es in Zuffenhausen. BMW arbeitet an einem „Feldversuch“ mit einer kleinen Testflotte einer Elektroversion des Mini. VW hat einen solchen „Flottenversuch Elektromobilität“ bereits begonnen. General Motors will sein Elektro-Kompaktauto „Volt“ 2010 auf den Markt bringen – und von 2011 an auch in Europa verkaufen. Auf diesem Feld automobiler Angebote tummeln sich auch allerlei Exoten: Für Aufsehen sorgte beispielsweise der Mitte August 2008 auch in Berlin vorgestellte „Elektro-Sportwagen“ des kalifornischen Herstellers Tesla, der 99 000 Euro kosten soll. Apropos: Über Preise ihrer künftigen Elektroautos sprechen die Hersteller öffentlich kein Wort. Billig wird das Vergnügen nicht, zu den Pionieren eines weiteren Evolutionsschritts der Automobiltechnik zu gehören. Auf „mindestens 5 000 Euro“ sollen sich die Mehrkosten – im Vergleich zum klassischen Verbrennungsmotor – belaufen, so die inoffizielle Auskunft. Dabei gibt es wohl in den meisten Unternehmen die Überlegung, zumindest in der Markteinführungsphase die Mehrkosten der Elektroautos durch „Quersubventionen“ aus anderen Marktsegmenten zumindest teilweise aufzufangen. Leichtlaufreifen und Motoren-Optimierung Im Windschatten des öffentlichen Interesses für Elektroautos, Hybrid & Co. gehen natürlich die vielfältigen Anstrengungen um weitere Optimierungen der klassischen Autoantriebe, etwa die Entwicklung von Leichtlaufreifen oder der Ersatz schwerer Metalle durch Kunststoffe, unvermindert weiter. Dabei kommt den Zulieferern eine Schlüsselstellung zu. So schätzt der Getriebespezialist ZF, dass allein durch den Übergang auf optimierte Getriebeautomaten eine weitere Kraftstoffeinsparung von – je nach Typ – 5% bis 10% möglich ist. Um ein Lieblingsthema früherer Jahre – die Brennstoffzelle im Auto – ist es dagegen in der Tat öffentlich ruhig geworden, was den Entwicklern übrigens sehr willkommen ist. Die Programme – etwa bei Daimler und BMW – sind keineswegs eingestellt oder auch nur reduziert worden. Nur die einst unrealistischen Zeitziele sind deutlich gestreckt oder auch ganz gestrichen worden: Eine Aussage, wann erste Serien von Brennstoffzellen-Autos zu kaufen sein werden, will niemand mehr abgeben. So effizient und zuverlässig die Umsetzung einer Reaktion von Wasser und Sauerstoff in elektrische Energie inzwischen funktioniert – die Probleme bei der Herstellung von Wasserstoff, beim Transport und der sicheren Betankung der Brennstoffzellen-Autos gelten nach wie vor als nicht gelöst. Die Brennstoffzellen-Systeme KOMMENTAR. Langer Atem VON KLAUS G. WERTEL Die Sache mit der Entwicklung „alternativer Antriebe“ ist mühsam, dauert sehr lange – und kann in Teilbereichen durchaus auch scheitern. Das spricht weder gegen die Sache noch gegen deren Entwickler. Um zu wissen, ob ein Weg weiterführt oder letztlich eine Sackgasse ist, muss man ihn gehen – ohne Abkürzung, mit langem Atem. Der „Fortschritt“ lässt sich weder auf Parteitagen beschließen noch von Unternehmensvorständen befehlen. „Zahlen kann man nicht anschreien“, hat Franz-Josef Strauß einst die Unbestechlichkeit der Mathematik gelobt. Auch die Physik hat die sympathische Eigenschaft, sich weder Ideologien zu beugen noch von Zeitgeist-Moden korrumpieren zu lassen. Ob nach mehr als 100 Jahren Batterieantrieb jetzt endlich der Durchbruch zu einer vernünftigen Speichertechnik gelingt? Wir können es hoffen und werden sehen. Sicher ist dies nicht. Ob die Brennstoffzelle wirklich auch für den mobilen Einsatz taugt? Es wird vielleicht noch Jahrzehnte dauern, bis diese Frage seriös beantwortet werden kann. Wie weit helfen uns aus Pflanzenresten gewonnene Bio-Treibstoffe der „zweiten Generation“, Erdöl zu substituieren? Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert. Den einen Königsweg gibt es im wirklichen Leben selten.Vieles spricht auch im Bereich der Mobilität für einen Energiemix, dessen Hauptanteil noch sehr lange Verbrennungsmotoren leisten werden. Insofern wäre es unverantwortlich, wegen der Option auf Alternativen in der Weiterentwicklung der vorhandenen Technik nachzulassen. Den Akteuren wäre dringend zu raten, keine unrealistischen Erwartungen auf schnelle Erfolge zu schüren. Marketingsprüche können Entwicklungsfortschritte nicht ersetzen, nicht einmal beschleunigen. Im Gegenteil: Wo mehr versprochen wird als gehalten werden kann, wird kaum mehr Interesse und schon gar kein Vertrauen mehr wachsen. So können auch gute Ideen und positive Entwicklungen zuverlässig ruiniert werden. sind auch immer noch zu groß, um sinnvoll in einem kompakten Personenwagen untergebracht zu werden. Bei Bussen und Lastwagen erscheint eine Verwendung eher möglich. Biokraftstoff aus Pflanzenabfällen Ein weiterer Hoffnungsträger, der Biosprit, ist in diesem Jahr – wegen der Konkurrenz zum Nahrungsmittelanbau – ziemlich in Verruf geraten. Doch mit der unmittelbar vor der Produktionsreife stehenden „zweiten Generation“ der aus Pflanzen gewonnenen Kraftstoffe könnte sich dies wieder ändern. Der Grund: Die neuen Kraftstoffe sollen nicht mehr aus Maisfrüchten oder Getreide gewonnen, sondern aus Pflanzenabfällen, Ernteresten und Restholz hergestellt werden. Die Sorge, der Anbau von Energiepflanzen verdränge und verteure die Nahrungsproduktion, könne damit ausgeräumt werden, so Wolfgang Warnecke, Leiter der Kraftstoffentwicklung bei Shell. Außerdem könne der neue „Sun-Diesel“ – im Gegensatz zum bisherigen Bio-Diesel – ohne Umrüstung und unbesorgt in jedem Dieselmotor eingesetzt werden. Bis zu 20% des Bedarfs an Diesel in Deutschland könnte durch diese neue Kraftstoffart aus heimischen Pflanzenreststoffen gedeckt werden, schätzt auch die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. Verzicht auf die Klimaanlage? Worüber man in den Entwicklungsabteilungen – wohl auch auf Bitten ihrer Marketing-Kollegen – nicht so gerne spricht, sind die Risiken und Nebenwirkungen des beschriebenen und wohl dauerhaften Man- Daimler übergibt die Mercedes-Benz A-Klasse mit Brennstoffzelle an Bundesminister Wolfgang Tiefensee.