Der Landarzt verabschiedet sich

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Der Landarzt verabschiedet sich
REGION
Samstag, 22. Dezember 2012
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Entscheidung zur
Bahnstrecke erst
im nächsten Jahr
Sporthalle in Au bei
Schneefall gesperrt
Senden. Wir wissen nicht, was sich
Ingo Wortmann von der Verkehrstochter der Stadtwerke Ulm/NeuUlm (SWU) alles zu Weihnachten gewünscht hat – fest steht aber schon,
dass ein Wunsch nicht in Erfüllung
gehen wird: Die Regierung von
Oberbayern wird dieses Jahr definitiv nicht mehr den Planfeststellungsbeschluss zur Bahnstrecke
Ulm-Senden-Weißenhorn erlassen.
Das teilt die Pressesprecherin der
Münchner Behörde auf Anfrage
mit: Die Entscheidung werde „voraussichtlich im ersten Quartal
2013“ ergehen, heißt es weiter. Wortmann hatte zuletzt bei einer Infoveranstaltung Anfang des Monats in
Senden gesagt, er rechne damit,
dass die Regierung den Planfeststellungsbeschluss für den Streckenausbau noch vor Weihnachten erlässt.
Das wäre den Stadtwerken, die das
Gleis alsbald der Deutschen Bahn
abkaufen wollen, zupass gekommen. Denn die Zeit drängt: Bereits
zwischen Juli und September sollen
die notwendigen Modernisierungsarbeiten ausgeführt werden. Wie berichtet, müssen die Bahnschienen
stellenweise ausgetauscht werden,
der Schotter wird gereinigt, ein stabilisierendes Geotextil eingebaut.
Zudem müssen die Entwässerungkanäle freigelegt werden. Der Zeitplan sieht vor, dass zum Fahrplanwechsel Mitte Dezember 2013 wieder Personenzüge auf der Strecke
verkehren. Die Suche nach einem
Betreiber läuft bereits per Ausschreinid
bung.
Balken biegen sich – Statik falsch berechnet
Wer die Sporthalle im Illertisser
Ortsteil Au nützen will, muss
hoffen, dass es nicht schneit:
Dann darf niemand rein, weil
sich die Hauptträger biegen.
INGE SÄLZLE-RANZ
Die Dreifachsporthalle in Illertissen-Au muss vorerst bei Schneefall gesperrt werden, weil sich die Balken der Hauptträger durchFoto: Volkmar Könneke
biegen. Die Balken sind nicht stark genug, um die Grenzwerte einzuhalten.
Betrüger wollen
Rentner reinlegen
Der Landarzt verabschiedet sich
Alb-Donau-Kreis. Der Gewinn betrage mehrere zehntausend Euro,
ein Bote werde vorbeikommen und
das Geld abliefern. Zuvor müsse er
lediglich ein paar hundert Euro auf
ein Konto im Ausland überweisen.
Mit dieser vermeintlich frohen Botschaft versuchte ein unbekannter
Anrufer am Donnerstag, einen Rentner aus dem westlichen Alb-Donau-Kreis hinters Licht zu führen.
Doch der Mann war auf der Hut. Einige Wochen zuvor hatte er bereits
ein schriftliches Gewinnversprechen einer angeblichen Notar- und
Anwaltskanzlei erhalten. Doch der
Rentner ignorierte das Schreiben,
schließlich hatte er an gar keinem
Gewinnspiel teilgenommen. Jetzt
fiel ihm der dubiose Brief wieder
ein, und er verständigte die Polizei.
Die Beamten legten sich also auf die
Lauer, warteten allerdings vergeblich auf den angekündigten Geldboten. Die Betrüger hatten wohl Lunte
gerochen, dass dieses Mal sie selbst
reingelegt werden sollten.
Jeder dritte Hausarzt im Alb-Donau-Kreis ist älter als 60 Jahre – Nachfolger nicht in Sicht
31 Prozent der Hausärzte im
Alb-Donau-Kreis sind älter als
60 Jahre. Nur ein Teil der Praxen wird neu besetzt werden
können, sagen Fachleute.
WILLI BÖHMER
Region. „Das ist eine reine PlaceboInformation“, schimpft Norbert Fischer. Die Ankündigung, dass in
Deutschland 3000 Niederlassungsmöglichkeiten für Hausärzte geschaffen werden, beseitigt das Problem nicht, dass in bestimmten Gebieten im ländlichen Raum der
Hausarzt vor Ort bald der Vergangenheit angehören wird, sagt der
Vorsitzende der Kreisärzteschaft
Ulm. Das gelte auch für den Alb-Donau-Kreis. „Wir können schon
heute in einigen Bereichen frei wer-
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der Stadt Ulm sind es 94, im Landkreis Neu-Ulm 120. In Senden verschwindet eine Hausarztpraxis,
weil der Arzt seine Praxis mit einer
in Neu-Ulm zusammenlegt. Das ist
typisch, sagt Anton Koppold, selbst
Arzt und lange Zeit stellvertretender Vorsitzender des Bezirks Schwa-
Die Notdienste
konzentrieren und
Ärzte entlasten
ben des bayerischen Hausärzteverbandes. Wenn in Altenstadt ein Arzt
ausfallen sollte, werde es eng.
Die Bezahlung spielt aus seiner
Sicht schon eine Rolle: „Die Kosten
für die Praxis steigen, wir bekommen aber immer weniger.“ Alter Kollegen, die aufhören wollen, könn-
Stefan Hämmerle aus Illertissen bereitet sich auf eine Reise mit Nomaden in der Türkei vor
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in einer Gemeinschaftspraxis eine
Halbtagsstelle wollten. „Daran
kann man auch mit mehr Geld
nichts ändern.“
Wie sich dieser Trend stoppen
ließe? Die Residenzpflicht des Hausarztes ist bereits gefallen, ein Ulmer
kann auch in Münsingen eine Praxis betreiben. Praxisgemeinschaften würden gefördert, zum Teil
auch solche mit Fachärzten. Derzeit
gibt es Gespräche, die Notdienste
an drei Kliniken im Kreis anzugliedern, um die niedergelassenen
Ärzte zu entlasten, sagt Barczok.
Und notfalls müsse eben ein Fahrdienst dorthin organisiert werden.
„Wir versuchen alles, um zu verhindern, dass der ländliche Raum abgehängt wird.“ Aber den Landarzt vor
Ort, den man morgens um 3 Uhr herausklingeln kann, der werde wohl
bald der Vergangenheit angehören.
Die Auflösung lautet:
Stefan Hämmerle ist ein Schäfer ohne Herde – und ein
Mensch, der den Viehtrieb als
Tradition pflegt. Seine nächste
Reise führt ihn in die Türkei:
Mit Nomaden wandert er zu
Sommerweiden in Anatolien.
MICHAEL JANJANIN
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ten in manchen Regionen schon
heute ihre Praxis nicht mehr verkaufen.
Statistisch gesehen gibt es heute
im Alb-Donau-Kreis und in der
Stadt Ulm immer noch eine Überversorgung und deshalb eine Zulassungssperre, sagt Michael Barczok,
Lungenfacharzt und Vorsitzender
des Bezirksbeirats der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Südwürttemberg. Aber das beruhe auf alten Planungsdaten. Wenn knapp ein Drittel der Hausärzte im Alb-DonauKreis und 21 Prozent in der Stadt
Ulm über 60 Jahre sind, dann sei
heute schon klar, dass diese Stellen
nicht besetzt werden können. „Wir
wissen, wer studiert und wer in den
nächsten Jahren fertig werden
wird.“ Und mehr als 50 Prozent der
Studierenden sind Frauen, die oft
eine Familie gründen und hinterher
Unterwegs auf antiken Hirtenpfaden
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dende Stellen nicht besetzen.“
Kaum ein junger Arzt sei bereit,
eine Landarztpraxis zu übernehmen. Dabei gehe es nicht nur um
Geld, sondern auch um die Arbeitszeit, Hausbesuche und Notdienste.
Deshalb wird es die medizinische
Versorgung durch Hausärzte in einigen Gemeinden im ländlichen Teil
der Region zumindest nach dem
heutigen Vorbild in einigen Jahren
nicht mehr geben, sagt Fischer voraus. In Schelklingen beispielsweise
gibt es derzeit noch zwei Hausarztpraxen. Einer dieser Allgemeinmediziner hat drei Söhne, alle drei sind
Ärzte, aber keiner wolle die Praxis
übernehmen. Deshalb könnte es
sehr gut sein, dass es in drei bis vier
Jahren dort keine Arztpraxis mehr
gibt, sagt Fischer.
Derzeit sind im Alb-Donau-Kreis
noch 127 Hausärzte zugelassen, in
Das DEZEMBER-Rätsel!
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Illertissen. Die Dreifachsporthalle
in Au muss vorerst bei Schneefall gesperrt werden, weil sich die Balken
der Hauptträger „durchbiegen“, verkündete Bürgermeisterin Marita
Kaiser am Ende der letzten Stadtratssitzung des Jahres. Die Grenzwerte der zulässigen Belastung würden überschritten, hätten Gutachter festgestellt.
Vor 14 Jahren war die Halle als
Vorzeigeobjekt gebaut worden. Seither ist die Halle immer gut ausgelastet gewesen, genutzt für den Schulund den Vereinssport. In diesem
Frühjahr, erläuterte der Leiter des
Hochbauamts, Manfred Norrenbrock, seien plötzlich „Durchbiegungen“ an den Hauptträgern, die
zu den Stützen herunterführen, zu
erkennen gewesen.
Der Leiter der Technischen
Dienste, Alexander Pelzl, habe den
Fachmann angefordert, der die Statik der Halle berechnet habe. Der
habe dann die Halle mit hochrotem
Kopf verlassen. Norrenbrock schaltete einen Gutachter der Landesgewerbeanstalt ein. „Auch der meinte
zuerst, das sei nicht so tragisch“,
schilderte der Bauamtsleiter. Er
habe sich aber die Daten zur Statik
mitgenommen und sie rechnerisch
prüfen lassen. Das Ergebnis: Die
Haupttragebalken sind nicht stark
genug, um bei Schneelast die Grenzwerte einzuhalten.
Niemand, auch nicht der Prüfstatiker, habe vor dem Bau der Halle bemerkt, dass die Berechnungen
falsch gewesen seien, sagte Norrenbrock. Kaiser teilte mit, es sei nicht
sehr schwierig, das Problem zu beheben. Mit Stahlspitzen könnten
die Balken stabilisiert werden. Unklar sei, wie lange das dauert. Auf jeden Fall seien sofort die Vereine benachrichtigt worden, damit sie Veranstaltungen absagen können.
Geld für die Sanierung habe er
noch nicht in den Haushalt 2013 einstellen können, sagte Kämmerer
Markus Weiß: Das Zahlenwerk, das
er den Stadträten in der gleichen Sitzung kurz vor der Hiobsbotschaft
vorgestellt hatte, sei schon zusammengestellt gewesen, als er von der
Misere erfuhr. Auch sei unklar, wie
hoch die Kosten ausfallen und wer
sie übernimmt. Ein Rechtsanwaltsbüro wird sich jetzt mit der Frage
der Regresspflicht befassen müssen. Denn es sei nicht so einfach,
nach einer so langen Zeit Fahrlässigkeit oder grobe Fahrlässigkeit festzustellen, gab Manfred Norrenbrock
zu bedenken.
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Der Hauptpreis
Zwei VIP-Tickets für die SWU-Loge in der ratiopharm Arena zum Spiel der
Ulmer Basketballer gegen Trier am Mittwoch, den 26.12.2012 geht an:
Christoph Steck, 16 Jahre, Kl. 10e,
Robert-Bosch Gymnasium Langenau
Weitere Gewinne gehen an:
Patrick Schönthaler, Tom Wegerer, Jacob Wuchenauer, Samira Sauer,
Moritz Pfinder, Jan Rommel, Franziska Förg, Lina Folger, Pascal Ruess
Vielen Dank an alle Teilnehmer.
Kreis Neu-Ulm. Irgendwie hat alles
mit Weihnachten zu tun. Klar: die
Reise von Maria und Josef und die
Geburt Jesu. Diese ist zudem eine
Geschichte des Aufbruchs. Und der
Zuflucht: zu der Wärme der Tiere
im Stall und den Hirten, ihrer Einfachheit und Verbindlichkeit. Der
Christbaum gehört natürlich dazu.
Wie die Heilsbotschaft steht er in
düsterer Winterzeit für neues Leben
und als Hoffnung auf mehr Licht. So
passt der Weihnachtsbaum auch zu
Stefan Hämmerle aus Illertissen, einen Wanderer, Buchautor und Vermittler zwischen Moderne und
Transhumanz. Einem Wort, das die
Pflege Jahrtausende alter ViehtriebPfade der Menschheit umschreibt –
einem Thema, dem sich der Illertisser verschrieben hat.
Zurzeit verkauft Stefan Hämmerle ganz einfach Weihnachtsbäume auf dem Parkplatz bei einem
Supermarkt in Weißenhorn. Wer
Zeit hat, bekommt von ihm einen
Vortrag über die Ruhelosigkeit der
Zeit, die Nachteile des Rennens, die
Stefan Hämmerle bereitet sich auf eine
Reise zu Hirtenfamilien in der Türkei
Foto: Michael Janjanin
vor.
Vorteile des Rastens und die Öde
des Trachtens nach Statussymbolen. „A scheener Baum muss es
sein. Net groß, wär’ doch schade,
wenn er nicht ins Wohnzimmer
passt.“ Wer noch ein wenig mehr
Zeit mitbringt, darf sich mit ihm in
Gedanken auf seine nächste Reise
begeben – auf den Spuren einer alten Kultur in der Türkei. Im März
und April begibt er sich mit den letzten Nomaden eines Turkvolkes auf
den Weg zu den Sommerweiden in
der Nähe von Konya.
„Menschen, Schafe, Ziegen,
Pferde und Hunde ziehen von Izmir
am Mittelmeer auf die anatolische
Hochebene um.“ Die Provinz und
Stadt Konya sind von hohen Bergen
umgeben – die Flüsse münden in
Binnenseen. Dazwischen Grasland
und Steppe, schon vor der hellenischen Namensgebung besiedelt.
Später Heimat von eingewanderten
Turkvölkern. „Ich begebe mich wieder zu Menschen, die versuchen,
ihre 9000 Jahre alte Kultur zu bewahren“, erzählt Hämmerle.
Es handelt sich um die Kultur der
Fernweidewirtschaft, bei der jahreszeitlich die Weidegebiete gewechselt werden – Transhumanz. Der Illertisser hat sie vor sieben Jahren
zum ersten Mal in Spanien kennen
gelernt. Dort heißt Transhumanz
schlicht: auf die Weide bringen.
„Mich hat das einfach auf den richtigen Weg gebracht.“ In der Nähe von
Salamanca in Westspanien hatte er
sich hoffnungslos verirrt – bis er auf
einen Schäfer traf. Dieser nahm ihn
bei sich auf. Der spanische Hirte
war unterwegs auf den „Cañadas
Reales“ – Viehtriebstrecken in Spanien und Portugal, deren Entstehung weit zurückreicht. In späteren
Jahren begab sich Hämmerle gleich
mit den spanischen Schäfern auf
Wanderschaft – vom Süden Spaniens in den Norden, wo die Wiesen
auch im Sommer grün und saftig
sind. Solch ein Fernweidezug beeindruckt: Vorneweg gehen ein Hirtenhund und drei Packpferde mit Rei-
tern, gefolgt von 2000 Ziegen und
12 000 Schafen. Den Abschluss bilden wieder Hütehunde zusammen
mit den Hirtenhelfern – Portugiesen, Argentinier, Bolivier und Stefan
Hämmerle als einziger Deutscher.
„Diese Reise hat mich verändert“, erzählt Stefan Hämmerle. Er
hat darüber ein Buch geschrieben,
hält Diavorträge über diese archaisch anmutende Kultur. Autor
steht als Zusatz auf seiner Visitenkarte – und „Wanderphilosoph“.
Während der Wanderung in der Türkei wird er nicht der einzige Deutsche sein – „mit von der Partie ist
Freier Pfad
von Aalen
bis Kempten
eine Gruppe, zu der auch Wissenschaftler gehören“. Es verbindet sie
die Faszination für ein Handwerk,
das ausstirbt. In der türkischen Region habe es vor einigen Jahren
noch 550 Familien gegeben, die
sich mit Fernweidewirtschaft befassen. Nun seien es noch 170. „Dabei
ist es ist eine Tradition von Wissen
und Weisheit, die es an die nächste
Generation weiterzugeben gilt.“
Kommendes Jahr will sich Hämmerle auch der deutschen Schäferkultur widmen – und der Entstehung eines Viehpfades wie in alten
Zeiten – „ohne Barrieren von Aalen
bis Kempten – für alle zugänglich“.