Praxisorientiertes Üben für Saxophonisten

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Praxisorientiertes Üben für Saxophonisten
JAY-Workshop für Blasmusiker (2): Dirko Juchem, Dozent für Saxophon
Praxisorientiertes Üben für Saxophonisten
Spreu vom Weizen
Willkommen zu unserem Workshop für Saxophon und Saxophonensemble. Ich möchte mich
in diesem Artikel mit einem ganz
wichtigen Thema befassen, das
sowohl den persönlichen Saxophonsound, als auch den Klang
eines Saxophonsatzes innerhalb
eines Blasorchesters oder auch
einer Big Band erheblich verbessern kann: Die Intonation oder
wie es so schön „neudeutsch“
heißt, das richtige Tuning.
Leider wird dieses Thema im Saxophonunterricht oder auch in
manchen Orchestern viel zu wenig
angesprochen und vielleicht hat
der eine oder andere Saxophonist
das Gefühl, sein Klang ist nicht
optimal; aber oft ist dies keine
Frage des Sounds, sondern das
Saxophon ist einfach nicht richtig
gestimmt. Nicht umsonst haben
wir in der englischen Sprache
nicht die Bezeichnung, ein Ton ist
„zu hoch“ oder „zu tief“, sondern
man sagt, das Saxophon ist „flat“
(flach) oder „sharp“ (scharf, spitz),
was ja eindeutig Bezeichnungen
aus dem Bereich des Klanges
sind.
Ganz extrem wird dies natürlich in
einem Ensemble oder Saxophonsatz: wenn womöglich das eine
Saxophon „flat“ und das andere
„sharp“ klingt, dann kann das natürlich keinen schönen und stimmigen Zusammenklang ergeben
und hier trennt sich dann wirklich
die Spreu vom Weizen, wenn es
um den schönen und homogenen
Klang eines Orchesters geht
Einige Facts:
Aber kommen wir erst einmal zu
einigen Besonderheiten mit denen sich Saxophonisten täglich
„herumschlagen“ müssen:
Kein Saxophon stimmt hundertprozentig, dies ist bautechnisch
(bisher) einfach nicht machbar.
Es gibt bei jedem Saxophon, egal
welcher Marke und egal welcher
Preisklasse einzelne Töne, die
womöglich ein klein wenig zu
hoch oder zu tief sind, oder ganze
Lagen, die insgesamt eher etwas
hoch oder tief intonieren.
Dieses bautechnische Problem
hat sich in den letzten ca 20, 30
Jahren erheblich verbessert. Die
Saxophonhersteller waren und
sind ernsthaft bemüht, akzeptabel
intonierende Saxophone anzubieten und dies auch schon im Einsteiger- und Schülerbereich (wenn
man von den oft minderwertigen
Billigangeboten in manchen Internetportalen oder inzwischen sogar mancher Ramschdiscounter
einmal absieht).
Der Saxophonist ist also immer
gezwungen, kleine Intonationsschwächen seines Instruments
mit dem Ansatz auszugleichen.
Ich möchte hier einmal einige typischen Problemtöne und -bereiche aufzeigen:
Einfache Faustregel: Drücken wir stärker mit den Lippen (und dem Unterkiefer), wird der Ton höher, lassen wir die Lippen locker, wird Intonation tiefer.
Intonationsübungen:
Eine saubere Intonation ist immer auch eine Frage des Hörens. Wer sich
selbst beim Spielen genau zuhört und dabei auf sein „Tuning“ achtet,
der wird seine eigenen Ungenauigkeiten immer besser bemerken und
mit einiger Übung irgendwann automatisch korrigieren.
Das genaue Zuhören ist dann auch die beste Kontrolle bei den folgenden Intonationsübungen. Man spielt hier Tonfolgen, die man mit
dem Gehör sehr gut nachvollziehen kann, zum Beispiel Quarten („tatü
tata“), Quinten, Oktaven oder Dreiklänge (Akkorde). Diese Tonfolgen
kann man mit dem Gehör gut mitverfolgen und somit seine ganz persönlichen „Schwachstellen“ herausfinden. In diesem Zusammenhang
gibt es auch den Ausdruck des „Voraushörens“: versuche also in diesen
Übungen den Ton, den du gleich spielen willst, vorher schon in deinem
Kopf zu hören.
- das E in der zweiten Oktave
(manchmal auch das F) ist bei vielen Saxophonen zu hoch
- das darunter liegende Cis ist zuweilen zu tief
- das komplette hohe Register ist
oft zu hoch, (ab ca A2; besonders
ab D3)
- das komplette tiefe Register (ab
D1) ist oft zu tief
Aus dieser Auflistung erklärt sich
auch ein typischer und fataler
Fehler: manche Saxophonisten
hören beim Spiel in der unteren
Lage: „oh, mein Saxophon ist zu
tief“, stimmen es dann mit dem
Mundstück insgesamt höher ein
und merken dann womöglich
beim nächsten Song, dass Sie in
der oberen Lage jetzt viel zu hoch
sind.
Es wäre aber jetzt gefährlich, alle
Intonationsschwächen auf das
geliebte Instrument zu schieben.
Viele Probleme sind „hausgemacht“. Wenn zum Beispiel die Atmung nicht genügend ausgebildet
ist und die notwendige „Zwerchfellstütze“ fehlt, führt dies im hohen Register häufig dazu, dass
man mit den Lippen und mit dem
Unterkiefer zu feste drückt und
schon ist die Intonation zu hoch.
Wir sehen, die Intonation hat also
auch mit einer guten Atmung und
einem kontrollierten Ansatz zu tun.
Die Intonation im Ensemble
Auch im Saxophonsatz ist das
genaue Hören der entscheidende
Faktor für eine gute Intonation und
damit für einen guten Ensembleklang. Natürlich sollte zu Beginn
einer Probe oder eines Konzerts
erst einmal jedes Saxophon gestimmt werden. Dies kann mit
einem Stimmgerät geschehen
oder auch mit einem anderen Instrument, das genau stimmt, zum
Beispiel einem Klavier oder Keyboard.
Danach ist es sehr hilfreich, wenn
einmal der komplette Saxophonsatz den gleichen Ton spielt (zum
Beispiel den Stimmton). Hierbei
sollter Saxophonist einmal auf
den Zusammenklang des Satzes
hören. Jetzt einmal den gleichen
Ton in einer anderen Oktave und
dabei genau hören, ob es jetzt
immer noch stimmt. Oder zum
Beispiel die Tenorsaxophone in
der unteren Lage, die Altisten eine
Oktav höher. Hier kann es schon
leicht passieren, dass die Altsaxophone dazu neigen, etwas zu
hoch zu klingen, die Tenöre evtl
etwas zu tief. Alle Saxophonisten
sollten dabei immer genau darauf
hören, ob ihr Zusammenklang
wirklich homogen ist.
Danach könnte man im Saxophonsatz einmal einige Dreiklänge
und Akkorde ausprobieren. Dies
können zum Beispiel Schlussakkorde oder einzelne langsame
Passagen aus einem Konzertstück sein. Und auch hier sollte
wieder jeder Saxophonist ganz
genau auf den Gesamtklang des
Saxophonsatzes achten.
...
Praxisorientiertes Üben
Dirko Juchem - Dozent für Saxophon, Ensembles und Specials
Der Wetterbericht
Kommen wir aber abschließend
noch zu einem weiteren Problemen: Die Intonation ist sehr stark
Temperaturabhängig!
Das geht soweit, dass ein einfaches Einstimmen vor dem Konzert nicht ausreicht. Haben wir uns
(bzw. das Saxophon) erst einmal
eine Weile warm gespielt (und hier
ist „warm“ wörtlich gemeint), so
hat sich auch das Tuning schon
wieder verändert. Auch hier hilft
wieder nur ständiges Mithören
beim Spiel.
Ein großes Problem, mit dem sich
gerade Orchester aus dem Blasmusikbereich oft herumschlagen
müssen ist die Tatsache, dass
Veranstaltungen zuweilen draußen
und zwar zu jeder Jahreszeit und
bei allen Temperaturen stattfinden. Beim Konzert auf dem Weihnachtsmarkt ist das Saxophon
womöglich so tief, dass man das
Mundstück komplett auf den Kork
drehen muss und erreicht immer
noch nicht die richtige Höhe. Meine höchsten Temperaturen hatte
ich persönlich bei einer Tournee mit dem Circus Roncalli. An
manchen Tagen im Sommer hatten wir mehr bis zu 54 Grad
auf der Musikerbühne, mein Mundstück hing nur noch „labberig“ am Rand des S-Bogens und trotzdem war mein Saxophon gnadenlos zu hoch.
Also mein Tipp: immer die Ohren aufsperren und weiterhin viel
Spaß beim Saxophonspiel.
Infos:
www.jupiter.info/JAY
www.dirko-juchem.de
arbeitet seit vielen Jahren als Live- und Studiomusiker für die
verschiedensten Künstler. Bei mehr als 100 CD- und LP-Produktionen hat er bereits mitgewirkt und seine Tourneen haben
ihn bis nach Los Angeles und Taiwan geführt. Ob mit erfolgreichen deutschen Künstlern wie Rolf Zuckowski, Thomas Anders, Harald Juhnke und dem Circus Roncalli, oder auf internationaler Ebene mit Sara K., Allan Taylor und Thea Austin (SNAP), Dirko Juchem hat sich
mit seinem Saxophon immer wieder einen hervorragenden Ruf erspielt.