Behandlung von Incentives bei der Grundstückswertermittlung

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Behandlung von Incentives bei der Grundstückswertermittlung
Behandlung von Incentives
bei der
Grundstückswertermittlung
www.voeb.de
Behandlung von Incentives
bei der
Grundstückswertermittlung
Vorwort
Vorwort
Bewertungssachverhalte für im Ausland belegene Objekte werden in der Beleihungswertermittlungsverordnung nur sehr allgemein geregelt. Die Kommission für Bewertungsfragen (Immobilien) des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, behandelt deshalb regelmäßig ausgewählte praxisrelevante Fragen der kreditwirtschaftlichen
Wertermittlung, die sich bei der Bewertung von im Ausland belegenen Immobilien stellen.
Die hierzu eingerichtete Arbeitsgruppe engagiert sich auch in der Fortschreibung internationaler Bewertungsstandards und bei der Weiterentwicklung ethischer Berufsgrundsätze
für Sachverständige.
Vielfach wirft der sachgerechte Umgang mit mietfreien Zeiten und Zuschüssen für Mieterausbauten bei der Grundstückswertermittlung von im Ausland belegenen Immobilien
Schwierigkeiten auf. Die Gewährung solcher Incentives ist auf den internationalen gewerblichen Immobilienmärkten weit verbreitete Praxis. Mit der vorliegenden Broschüre
veröffentlicht der VÖB Lösungsvorschläge zur Behandlung von Incentives bei der Grundstückswertermittlung, an denen sich Gutachter orientieren können. Wir liefern einen
Überblick über die rechtlichen und theoretischen Grundlagen der gängigen Wertermittlungsverfahren und zeigen an ausgewählten Fallbeispielen die unterschiedliche Handhabung von Incentives in internationalen Immobilienmärkten auf. Daraus abgeleitet stellen
wir Erkenntnisse für die Plausibilisierung von Marktwerten sowie Schlussfolgerungen für
die kreditwirtschaftliche Wertermittlung vor. Wir wünschen den interessierten Fachkreisen
innerhalb und außerhalb der Kreditwirtschaft eine aufschlussreiche Lektüre.
Berlin, Januar 2015
Lothar Jerzembek
Mitglied der Geschäftsleitung
Thomas-Andreas Ziesenitz MRICS
Abteilungsdirektor
Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands
3
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
3
1.
Einleitung
7
2.
Rechtlicher und theoretischer Hintergrund
Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
Internationale Bewertungsverfahren
Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV)
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9
9
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3.
Praktischer Umgang in der Marktwertermittlung
Frankreich
Polen
Niederlande
Vereinigte Staaten (USA)
Großbritannien
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4.
Erkenntnisse für die Plausibilisierung von Marktwerten
16
5.
Schlussfolgerungen
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6.
Zusammenfassung
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Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands
5
Einleitung
1. Einleitung
Bei Immobilienfinanzierungen durch Banken spielen neben anderen Entscheidungskriterien auf Objektebene sowohl der Markt- als auch der Beleihungswert eine wichtige Rolle.
Der Beleihungswert stellt den Wert dar, der während der Dauer der Beleihung bei einer
Veräußerung voraussichtlich erzielt werden kann. Bei der Beleihungswertermittlung ist
daher auf langfristige, nachhaltige Lage-, Objekt-, Ertrags- und Marktverhältnisse abzustellen. Der Marktwert ist demgegenüber ein stichtagsbezogener Wert, der maßgeblich sowohl von am Stichtag relevanten allgemeinen Marktverhältnissen, als auch von objektspezifischen Ertragsparametern abhängt. Diese objektspezifischen Ertragsverhältnisse können
mitgeprägt sein durch sogenannte Incentives.
Die Gewährung von Incentives ist auf dem gewerblichen Mietmarkt verbreitete Marktpraxis, was insbesondere auf internationale Märkte, zunehmend aber auch auf die Verhältnisse in Deutschland zutrifft. Incentives sind finanzielle Zugeständnisse des Vermieters,
die den (potenziellen) Mieter zum Abschluss eines Mietvertrags oder aber zur Fortführung
eines Mietverhältnisses motivieren sollen. Solche Anreize sind im Wesentlichen die Gewährung mietfreier Zeiten. Vereinzelt sind auch Zuschüsse zu Mieterausbauten, d. h. Um- oder
Einbauten in dem Mietobjekt, die aufgrund von spezifischen Mieterbedürfnissen veranlasst werden, üblich (hier nicht weiter untersucht).
Incentives kommen insbesondere bei Erstvermietungen vor, sind jedoch (meist in geringerem Umfang) auch bei Mietvertragsverlängerungen und Anschlussvermietungen relevant.
Ebenso wie Mieten und Renditen sind Incentives marktabhängig und somit im Zeitverlauf variabel. Darüber hinaus können im Einzelfall Incentives gewährt werden, die von
den marktüblichen Verhältnissen abweichen. Mietnachlässe werden meist zu Beginn der
Mietzeit eingeräumt, können aber auch anteilig während der Vertragslaufzeit vereinbart
sein. Die einzelnen Märkte sind in Bezug auf das Maß und die Volatilitäten der Incentives
unterschiedlich ausgeprägt, was auf differenzierte regionale und nutzungsbezogene Hintergründe zurückzuführen ist.
Nachfolgende Graphik zeigt beispielhaft für die Büromärkte London West End, Paris
CBD und Amsterdam Zuidas die Entwicklung der mietfreien Monate, ausgedrückt in
Prozent der Vertragsmieten für den Zeitraum 2003–2012.
Es stellt sich die Frage, wie Incentives bei Markt- und Beleihungswertermittlungen berücksichtigt werden (können). Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich dabei
auf die Gewährung mietfreier Zeiten. Weder im normierten nationalen Rahmen (ImmoWertV, BelWertV), noch auf internationaler Ebene (Red Book, EVS, IVS) wurden zu
Incentives Bewertungsstandards entwickelt. Vielmehr haben sich differenzierte Lösungs-
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7
30 %
25 %
20 %
15 %
10 %
5%
0%
2003
2004
2005
2006
2007
London West End
2008
Paris CBD
2009
2010
2011
2012
Amsterdam Zuidas
Abbildung 1: Mietfreie Monate in % der Vertragsmiete (2003 bis 2012)
ansätze im Umgang mit Incentives bei Markt- und Beleihungswertermittlungen herausgebildet, die allesamt zu einem nachvollziehbaren Bewertungsergebnis führen.
Bei Anwendung dynamischer Bewertungsverfahren (z. B. DCF) können die Ertragsströme und damit auch mietfreie Zeiten transparenter abgebildet werden. Schwieriger ist
der Sachverhalt, wenn eher statische Verfahren wie das Ertragswertverfahren gem. ImmoWertV / BelWertV oder auch die Investmentmethode zur Wertermittlung herangezogen
werden. Markt- und Beleihungswerte sind gutachterlich ermittelte Größen, die von mehreren Einflussparametern beeinflusst werden: Den größten Einfluss üben die Reinerträge und
die Kapitalisierungszinsen / Renditen auf die Werte aus. Deshalb müssen diese Parameter
besonders intensiv untersucht werden.
Vorliegender Beitrag der Arbeitsgruppe Ausland1, 2 gibt einen Überblick über verschiedene Lösungsvarianten und zeigt die Vor- bzw. Nachteile der unterschiedlichen Verfahren
auf, ohne Präferenzen für eine bestimmte Variante auszusprechen. Der Umgang des Sachverständigen mit Incentives erfolgt immer im Kontext der landesspezifischen Bewertungshistorie und der Besonderheiten im Einzelfall.
1 eingerichtet durch die Kommission für Bewertungsfragen (Immobilien); Mitglieder: Uwe Homberg (BremerLB, Vorsitzender), (Norbert Bickelhaupt, (HIB, stv. Vorsitzender), Dr. Lothar Breitenborn (NRW.BANK), Gerhard Decker (HSH
Nordbank), Anka Ebel (IBB), Roland Falkenstein (L-Bank), Tanja Gumny (WestImmo), Birgit Niemeyer(LBBW), Monika
Preithner (LBImmoWert), Ursula Sahrhage (DekaBank), Dr. Karsten Schröter (NORD/LB), Michael Stumpf (Haspa), Lothar
Jerzembek (VÖB, Betreuer)
2 Mitglieder: Dirk Hühnerbein (HSH Nordbank), Helmut Kolb (LBB), Karell-Rolf Pitsch (NORD/LB), Monika Preithner
(LBImmoWert), Stephan Zerbe (LBBW), Thomas-Andreas Ziesenitz (VÖB, Betreuer)
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Rechtlicher und theoretischer Hintergrund
2. Rechtlicher und theoretischer Hintergrund
Der Ertrag, der dem Eigentümer nach Abzug von Bewirtschaftungskosten verbleibt, stellt
eine der bedeutendsten Einflussgrößen bei der Wertermittlung dar. Für diesen Ertrag haben sich unterschiedliche Begriffe etabliert, u. a. Nettoertrag, Reinertrag (ImmoWertV,
BelWertV), net income, net operating income. Da der Begriff nicht einheitlich definiert
wird, fallen die Bestimmungen zu seiner Ermittlung in den normierten Wertermittlungsverfahren und in den statischen internationalen Verfahren unterschiedlich aus. Nachstehend sei ein Überblick über den Ertragsbegriff der wichtigsten Verfahren gegeben.
Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV)
Im Ertragswertverfahren wird der Ertragswert gem. § 17 ImmoWertV auf der Grundlage
marktüblich erzielbarer Erträge ermittelt. Soweit die Ertragsverhältnisse absehbar wesentlichen Veränderungen unterliegen oder wesentlich von den marktüblich erzielbaren Erträgen abweichen, kann der Ertragswert auch auf der Grundlage periodisch unterschiedlicher
Reinerträge ermittelt werden. Der Reinertrag ergibt sich gem. § 18 ImmoWertV aus dem
jährlichen Rohertrag abzüglich den Bewirtschaftungskosten. Der Rohertrag ergibt sich aus
den bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung marktüblich erzielbaren Erträgen. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens auf der Grundlage periodisch
unterschiedlicher Erträge ergibt sich der Rohertrag insbesondere aus den vertraglichen Vereinbarungen.
Im statischen Ertragswertverfahren können mietfreie Zeiten durch entsprechende Abzüge als Underrents in Abzug gebracht werden. Darüber hinaus bietet die ImmoWertV die
Möglichkeit an, periodisch unterschiedliche Reinerträge zu berücksichtigen.
Hinweise zur konkreten Umsetzung der § 17–20 ImmoWertV liefert die aktuell im Entwurf vorliegende Ertragswertrichtlinie (EW-RL), die perspektivisch allen in der Grundstückswertermittlung Tätigen zur Anwendung empfohlen wird.
Internationale Bewertungsverfahren
Die verbreiteten internationalen Bewertungsmethoden (DCF, investment method wie
term & reversion oder hard core & top slice) basieren nicht auf einem normierten Standard, vielmehr haben sich regional und selbst von Bewertungsunternehmen zu Bewertungsunternehmen unterschiedliche Berechnungsvarianten herausgebildet.
Ausgangspunkt für die Kapitalisierung der „Reinerträge“ (investment method) bzw. deren Diskontierung und Summierung ist die net rent oder das net operating income, also
Nettoerträge, welche nach Abzug von Bewirtschaftungskosten von den Roherträgen verbleiben. Oftmals werden hierbei weniger kalkulatorische, durchschnittliche BewirtschafBundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands
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tungskosten berücksichtigt, sondern es wird (bei der DCF-Methode) möglichst genau
modelliert, wann diese anfallen. Im Detail unterscheiden sich die deutschen und die internationalen Methoden in der Behandlung der Bewirtschaftungskosten. Beispielsweise wird
ein Mietausfallwagnis in der Investmentmethode oftmals nicht explizit, sondern implizit
im Zinssatz (All Risks Yield) berücksichtigt.
Die internationalen Bewertungsverfahren berücksichtigen Incentives dem Grunde nach
wie folgt:
• Im DCF-Verfahren werden die Ertragsausfälle über den Betrachtungszeitraum „zeitscheibengenau“ angerechnet. Zur Ermittlung des Wiederverkaufswertes nach der angenommenen Halteperiode werden Incentives i. d. R. nicht explizit, sondern vielmehr im
herangezogenen Kapitalisierungszinssatz (cap rate) reflektiert.
• In der investment method – term & reversion – werden die „Reinerträge“ (aus Vertragsmiete) während des terms und die „Reinerträge“ (auf Marktniveau) der reversion
kapitalisiert. Hierbei können auch mietfreie Zeiten angerechnet werden.
Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV)
Bei der Ermittlung des Ertragswerts der baulichen Anlage ist gem. § 9 BelWertV vom
nachhaltig erzielbaren jährlichen Rohertrag auszugehen. Der Reinertrag ergibt sich aus
dem Rohertrag abzüglich der Bewirtschaftungskosten. Bei der Ermittlung des Rohertrags
darf gem. § 10 BelWertV nur der Ertrag berücksichtigt werden, den das Objekt bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung jedem Eigentümer nachhaltig gewähren kann.
Bei der Ermittlung des Beleihungswertes sind die Reinerträge zu kapitalisieren. Dabei
entspricht nach § 12 BelWertV der Kapitalisierungszinssatz dem angenommenen Zinssatz,
mit dem die künftig erzielbaren nachhaltigen Reinerträge auf den Zeitraum ihrer angenommenen Zahlung nach vorsichtiger Schätzung erfahrungsgemäß diskontiert werden.
Er muss aus der regional maßgeblichen langfristigen Marktentwicklung abgeleitet werden.
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Praktischer Umgang in der Marktwertermittlung
3. Praktischer Umgang in der Marktwertermittlung
Die Behandlung von Incentives in der Wertermittlung weist eine hohe Bandbreite länderspezifischer und objektspezifischer Besonderheiten auf. Auch innerhalb eines Landes fällt
der Umgang mit Incentives deshalb durchaus unterschiedlich aus. Oft bestehen zwischen
den Gutachterfirmen unterschiedliche methodische Ansätze. Die Analyse einer Vielzahl
externer Gutachten für Büroimmobilien liefert beispielsweise die folgenden Ergebnisse:
Frankreich
Das in der französischen Bewertungspraxis am häufigsten verwendete Wertermittlungsverfahren stellt im internationalen Kontext die Investmentmethode dar. Häufig wird das
DCF-Verfahren zusätzlich zur Wertfindung herangezogen. In der Regel werden in der Investmentmethode der externen Gutachten Nominalmieten angesetzt und die anfänglichen
Incentives auf den Barwert abgezinst in Abzug gebracht. Nach Mietvertragsablauf werden
teilweise erneute Incentives einmalig berücksichtigt, wobei abgeschätzt wird, ob und in
welchem Umfang – gegebenenfalls mit welcher Wahrscheinlichkeit – nach Mietvertragsablauf Incentives relevant sein können.
Die Zinssätze für die Kapitalisierung (All Risks Yield in der Investmentmethode) bzw.
Diskontierungszinssatz bei der DCF-Berechnung werden aus dem Marktgeschehen abgeleitet, so dass das Endergebnis – der Marktwert – mit den jeweiligen Marktrenditen
korreliert.
Nachfolgende Beispiele aus externen Gutachten zeigen, wie in diesen Bewertungsfällen
Incentives berücksichtigt wurden:
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Fall 1 – Investmentmethode
Es wurden die anfänglich gewährten mietfreien Zeiten in Abzug gebracht (bzw. blieben ohne Mietansatz), nicht jedoch eventuelle Incentives nach Mietvertragsablauf im Jahr
2022.
Tenant
Description
9 firm years
Status
Occupied and Let
Lease
9 years from
1. Dez. 2013
Expiring
30. Nov. 2022
Rent Reviews every 0 years
Parent Tenure
Freehold
Current Rent
€0
Rantal Value
€ 674 778 from Area (Unrounded)
Valuation Method
Hardcore (5,800 %)
Notes
Areas
Office
Common
Car Spaces
per m²
450,00 €
400,00 €
0,00 €
m²
1.422
69
0
1.492
*Rental Value using UnRounded ERV
% of ERV
100,0%
100,0%
100,0%
.+/- % adjust
0,0%
0,0%
0,0%
Rent pa
639.900 €
27.788 €
7.000 €
674.778 €
674.778 €
Days
0
0
0
Event
Rent Free
Fixed
Reversion
Rent Paid
0€
686.033 €
674.778 €
Lease History
Date
1. Dez. 2013
1. Jun. 2015
1. Dez. 2022
Years
1
7
0
Months
6
6
0
Abbildung 2: Investmentmethode (hier: Incentives 1 Jahr und 6 Monate „rent free“)
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Praktischer Umgang in der Marktwertermittlung
Fall 2 – DCF-Methode
In diesem Fall werden mögliche Incentives nach Mietvertragsablauf 2021 (18 Monate
mietfrei) modelliert.
Valuation Date:
30. Dez. 2013
Tenancy Schedule
Tenant
Use
Area
Current rent
Current rent
ERV
m²
€ HT HC / an
€ HT HC /m²/an
€ HT HC /m²/an
39.082.583 €
543,41 €/m²
494,41 €/m²
Office
Exceptional income
Next Break
Year 1
Year 2
Year 3
Year 4
Year 8
169.022 €
169.022 €
169.022 €
169.022 €
169.022 €
Refurbishment
Costs
Re-letting costs
Exceptional expenses
Comments
Assumtion end of lease
Probability of tenant
leaving
Void
Rent-Free
Void-Costs
%
mois
mois
€/an/m²
€/m²
% of signed rent
15,00%
18 moins
18 moins
60 €/m²
100 €/m²
15,00%
Year 9
Year 10
169.022 €
169.022 €
Abbildung 3: DCF-Verfahren (hier: Incentives 18 Monate „rent free“ sowie 100 €/m² „refurbishment“)
Polen
Auch in Polen werden Marktwerte häufiger auf der Basis der Investmentmethode als auf
Basis des DCF-Verfahrens ermittelt. In der Regel werden in externen Gutachten Nominalmieten angesetzt. Anfängliche Incentives werden auf den Barwert abgezinst in Abzug gebracht. Nach Mietvertragsablauf werden häufig einmalig erneute marktübliche Incentives
berücksichtigt. Die Zinssätze für die Kapitalisierung / Diskontierung (Investmentmethode
bzw. DCF-Methode) werden aus dem Marktgeschehen abgeleitet, so dass das Endergebnis
mit Marktrenditen korreliert.
Seltener ist auch der Ansatz von Effektivmieten zu beobachten. In diesen Fällen kommt
eine entsprechend reduzierte Rendite zum Tragen.
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Niederlande
In den Niederlanden werden Marktwerte häufiger auf der Basis der Investmentmethode
als auf Basis des DCF-Verfahrens ermittelt. In der Regel werden in externen Marktwertgutachten Nominalmieten angesetzt. Sofern eine Mieteinheit am Bewertungsstichtag keinen
Cash-Flow generiert, werden anfängliche mietfreie Zeiten üblicherweise auf den Barwert
abgezinst in Abzug gebracht. Weitere Abzüge – etwa indem effektive Mieten angesetzt
werden – werden nach Ablauf der mietfreien Zeit nicht explizit berücksichtigt. Dies wird
dadurch begründet, dass der Kapitalisierungszinssatz ggf. angepasst wird (vgl. Investmentmethode).
Im DCF-Verfahren werden mietfreie Zeiten für den Zeitraum der periodischen Betrachtung (projection period) immer in der tatsächlichen bzw. bei Mieterwechsel in der marktüblichen Höhe berücksichtigt. Für die sich anschließende Phase sind die am Bewertungsstichtag üblichen mietfreien Zeiten im Ansatz der „terminal capitalisation rate“ implizit
beinhaltet.
Vereinigte Staaten (USA)
In den USA werden mietfreie Zeiten in der Regel direkt im Bewertungsmodell der
DCF-Methode abgebildet. Das in den USA übliche Bewertungstool ARGUS (DCF) erfordert Annahmen bezüglich der Wiedervermietungswahrscheinlichkeit (renewal probability), Mieterausbauten (tenant improvements), mietfreie Zeiten (rent-free periods) sowie
Leerstandszeiten aufgrund von Mieterwechseln (absorption and turnover vacancy). Diesbezügliche mietvertragliche Vereinbarungen werden ebenfalls explizit in der DCF-Analyse
berücksichtigt. Aufgrund der hohen Transparenz des amerikanischen Immobilienmarktes
können die oben genannten Bewertungsparameter mit hinreichend großer Sicherheit abgeleitet werden.
Im statischen Verfahren (Direct Capitalization Approach) wird üblicherweise die Nominalmiete in Ansatz gebracht. Im Rahmen der Ableitung der Marktmieten wird aber teilweise eine Effektivmietbetrachtung vorgenommen. In den USA muss die Höhe der Nominalmiete im Regelfall in Verbindung mit den gewährten Incentives und hier insbesondere
mit den Mieterausbauten (Tenant Improvements) und der mietfreien Zeit gesehen werden.
Höhere Nominalmieten werden vielfach durch höhere Tenant Improvements kompensiert
und umgekehrt. Durch eine Effektivmietbetrachtung können die zur Ableitung der Marktmieten vorliegenden Vergleichsmieten normiert und damit verglichen werden. Dazu werden die Incentives typischerweise linear auf die Vertragslaufzeit des Mietvertrags verteilt.
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Praktischer Umgang in der Marktwertermittlung
Großbritannien
Die in der Bewertungspraxis in Großbritannien üblicherweise verwendeten Methoden
(DCF-bzw. Investmentmethode) bieten verschiedene Möglichkeiten, Incentives zu berücksichtigen. Wird nicht nach der Art der Incentives unterschieden – handelt es sich also um
eine Kombination von z. B. mietfreien Zeiten und Mieterausbauten –, ist zu beobachten,
dass diese einmalig in Summe der zum Zeitpunkt der Wertermittlung noch bestehenden
Incentives auf ihren Barwert abgezinst in Ansatz gebracht werden. Eine andere Verfahrensvariante besteht darin, die mietfreien Zeiten (Term/Reversion) direkt im Cash Flow zu
berücksichtigen und Mieterausbauten durch Einmalabzug vom Wert darzustellen. Dabei
ist zu bemerken, dass in beiden Varianten die Verzinsung angepasst wird. Bei der Recherche
von Vergleichsmieten und –renditen wird regelmäßig hinterfragt, welche Bezugsgrößen
bestehen. Bei der Immobilienbewertung in UK beziehen sich die Angaben zur Spitzenrendite (Prime Yield) in der Regel auf die nominale Spitzenmiete (Prime Rent). Bei der Wahl
der Verzinsung wird darauf geachtet, dass der aktuelle Umfang von noch bestehenden Incentives sowie die Wahrscheinlichkeit künftiger Incentives und das daraus bestehende Risiko entsprechend reflektiert werden. Zukünftige Incentives können z. B. durch Auslaufen
bzw. nicht weiteres Verlängern von Mietverträgen entstehen.
In der Praxis wurde in der Vergangenheit beobachtet, dass typische mietfreie Zeiten in
GB bei rd. 6 bis 12 Monaten bezogen auf einen Mietvertrag mit einer fünf jährigen Laufzeit lagen. Je nach Objektart- und Lage können in London bzw. im Großraum London
die mietfreien Zeiten auch unter 6 Monaten betragen. In den übrigen Landesregionen sind
auch mehr als 12 Monate nicht unüblich.
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4. Erkenntnisse für die Plausibilisierung von
Marktwerten
• Für den Umgang mit Incentives konnte keine allgemeinverbindliche Vorgehensweise
recherchiert werden, da unterschiedlichste Varianten von Incentives und Berücksichtigungen in Gutachten existieren. Hinzukommen landesspezifische Besonderheiten.
• Incentives spiegeln das aktuelle Marktgeschehen wider. Eine individuelle Recherche der
Marktüblichkeit und betreffend das Bewertungsobjekt selbst ist unumgänglich.
• Effektivmieten werden in ausländischen Gutachten i. d. R. nicht ausgewiesen; sie sind
überwiegend nicht Basis der Wertermittlung.
• Zur Plausibilisierung der Angemessenheit der tatsächlichen bzw. angesetzten Erträge
bietet sich eine Umrechnung auf Effektivmieten an. Damit können unterschiedliche
„Incentive-Packages“ miteinander verglichen werden. Außerdem können ungewöhnliche Vertragskonstellationen aufgedeckt werden.3
• Mietfreie Zeiten werden üblicherweise explizit durch entsprechende auf ihren Barwert
abgezinste Abzüge berücksichtigt, wobei der Betrachtungszeitraum hierfür i. d. R.
10 Jahre nicht übersteigt. Deshalb werden meist (sofern relevant) die anfänglichen Incentives und gegebenenfalls erwartete marktübliche Incentives nach Ablauf der Mietverträge berücksichtigt.
• Vergleichsobjekte können auch atypische Incentivestrukturen enthalten, so dass die entsprechenden Renditen nur nach kritischer Würdigung herangezogen werden dürfen.
• Da sich Vergleichsobjekte von den üblichen Marktbegebenheiten (einschließlich Incentives) nicht abkoppeln können, sind auch bei den Vergleichsobjekten und bei daraus
abgeleiteten Vergleichsrenditen Incentives implizit berücksichtigt.
• Die in Marktberichten der meisten großen internationalen Research- und Bewertungsunternehmen ausgewiesenen Spitzenrenditen berücksichtigen Incentives im Regelfall
nicht, da bei den der Ableitung der Spitzenrenditen zugrunde liegenden Transaktionen
etwaige mietfreie Zeiten i. d. R. durch entsprechende Mietgarantien ausgeglichen werden.
• Bei der Plausibilisierung ist auf die Systemkonformität zu achten: Werden marktübliche
Nominalmieten angesetzt und damit korrelierende Yields, so würde eine Plausibilisierung über Effektivmieten nicht zum korrekten Ergebnis führen, es sei denn, die Yields
3 Ein Beispiel hierfür ist die Vereinbarung eines unüblich hohen Nominalmietniveaus, das durch die Gewährung sehr
hoher Incentives „erkauft“ wird. Solch hohe Nominalmieten können sich dann bereits außerhalb der Marktüblichkeit
bewegen und wären entsprechend kritisch zu würdigen.
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Erkenntnisse für die Plausibilisierung von Marktwerten
würden ergebnisgleich reduziert werden. Auf Effektivmieten basierende Renditen werden jedoch nicht veröffentlicht.
• Um von den internationalen dynamischen Bewertungsmethoden eine Transformation
in statische Bewertungsmethoden darstellen zu können, ist es wichtig, die einzelnen Parameter, die in den jeweiligen Ländern verwendet werden, zu kennen und nicht doppelt
zu berücksichtigen.
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5. Schlussfolgerungen
Incentives haben Einfluss auf die Reinerträge einer Immobilie. Es gibt keine einheitlichen
Regelungen, wie Incentives bei Wertermittlungen zu berücksichtigen sind, weder im Rahmen deutscher Regelungswerke noch auf internationaler Ebene. Auch die Beleihungswertermittlungsverordnung (BelWertV) widmet sich diesem Aspekt nicht näher. Im Abschnitt
der Ertragswertermittlung wird lediglich der Begriff der Nachhaltigkeit betont, ohne auf
Details wie Incentives einzugehen.
Es stellt sich die Frage, wie mietfreie Zeiten im normierten Ertragswertverfahren gemäß
ImmoWertV bzw. BelWertV berücksichtigt werden können. In der Arbeitsgruppe sind die
nachstehenden Modellansätze diskutiert worden:
• Ansatz einer linearen Effektivmiete über die gesamte (Rest-)Nutzungsdauer
• Ansatz der nachhaltigen Nominalmiete und gleichzeitig Abzug des Barwertes aus einoder mehrmaligem Minderertrag
• Ansatz der nachhaltigen Nominalmiete und Risikoaufschläge, bei Zinssätzen und Bewirtschaftungskosten (z. B. erhöhtes Mietausfallwagnis)
Bei der Entscheidung, welche der Varianten geeignet ist, muss stets die Systemkonformität gewahrt werden. Vergleichsrenditen implizieren bereits Incentives.4 Durch Verwendung
von Effektivmieten kommt es u. U. zur Doppelberücksichtigung der Incentives, die nicht
gewollt sein kann. Der Ansatz einer Effektivmiete bei der (Beleihungs-)Wertermittlung
führt auch dazu, dass die marktunübliche anfängliche Vertragskonstellation über die vollständige Restnutzungsdauer des Objektes festgeschrieben wird. Dies ist selbst unter Risikogesichtspunkten unzweckmäßig, es sei denn, dass die marktunüblichen Incentives in einer
unterdurchschnittlichen Objektqualität begründet sind und daher mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhaft zum Tragen kommen.
Recherchen der Arbeitsgruppe zu Folge ist der Ansatz von nachhaltigen Nominalmieten
bei gleichzeitigem Abzug des Barwertes aus ein- oder mehrmaligem Minderertrag in der
Wertermittlungspraxis weit verbreitet. Vorteile dieser Variante sind die Konsistenz der Mietansätze im Gutachten mit Mietvertrag und örtlichen Marktberichten. Für die Berechnung
des anfänglichen Minderertrags werden die noch ausstehenden Incentives herangezogen.
Sich wiederholende Mindererträge können separat durch Abzüge als Barwert oder durch
geeignete Risikoaufschläge erfasst werden.
Die ausschließliche Berücksichtigung von Incentives durch pauschale Risikoaufschläge
im Zinssatz oder in den Bewirtschaftungskosten ist demgegenüber weniger transparent,
obgleich es auch zu risikoadäquaten Bewertungen führen kann.
Im Rahmen der Beleihungswertermittlung nach BelWertV ist zu beachten, dass
4 Ausgenommen sind hiervon die Spitzenrenditen, die häufig anfängliche Incentives nicht berücksichtigen.
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Schlussfolgerungen
• die Höhe eines angemessenen Kapitalisierungszinssatzes abhängig von dem gewählten
Modell zur Bestimmung des nachhaltigen Mietansatzes ist. Es ist zu beachten, dass bei
Ansatz von Effektivmieten, die grundsätzlich niedrigere Kapitalisierungszinssätze rechtfertigen würden, die vorgegebenen aufsichtsrechtlichen Bandbreiten eingehalten werden
müssen.
• das Verhältnis von Markt- und Beleihungswert wegen der Incentives gesonderten
Schwankungen unterliegt. Bei der Beleihungswertermittlung wird der Werteinfluss
der Incentives dauerhaft festgeschrieben. Der Marktwert unterliegt dem Einfluss der
im Zeitverlauf variierenden mietfreien Zeiten. Zu Beginn der mietfreien Zeit ist ihr
Einfluss auf den Marktwert relativ hoch; nach Auslauf der mietfreien Zeiten entfällt
üblicherweise der einhergehende Abschlag, um bei wiedererfolgter Neuvermietung oder
Vertragsverlängerung ggf. wieder zu steigen.
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6. Zusammenfassung
In Auslandsmärkten sind marktübliche Incentives typischer Weise in den Bewertungsparametern, insbesondere der veröffentlichten Marktrendite, bereits eingerechnet. Darüber
hinausgehende Incentives sind sachverständig zu würdigen und entsprechend durch Sonderabschläge oder bei der Wahl der Renditen bzw. Bewirtschaftungskosten zu berücksichtigen.
Der Umgang mit Incentives liegt somit im gutachterlichen Ermessen und ist vom Einzelfall abhängig. Für alle Methoden gilt jedoch, dass die Vorgehensweise plausibel darzulegen
und hinreichend zu begründen ist.
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Herausgeber:
Bundesverband Öffentlicher
Banken Deutschlands, VÖB
Lennéstraße 11, 10785 Berlin
Postfach 11 02 72, 10832 Berlin
Telefon (0 30) 81 92-0
Telefax (0 30) 81 92-2 22
E-Mail: [email protected]
Internet: www.voeb.de
Autor: VÖB-Arbeitsgruppe Ausland
Koordination:
Thomas-Andreas Ziesenitz, VÖB
Veröffentlichung: Februar 2015
Herstellung:
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