Hygiene im Rettungsdienst
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Hygiene im Rettungsdienst
Hygiene im Rettungsdienst Seite 1 von 205 Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz Hygiene im Rettungsdienst Merkblattsammlung 2009 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 2 von 205 Die Merkblattsammlung „Hygiene im Rettungsdienst“ Seit 2001 gibt es im Wetteraukreis eine Arbeitsgruppe, die sich mit allen hygienerelevanten Fragen im Rettungsdienst beschäftigt. Vertreten in der Arbeitsgruppe sind die entsprechend verantwortlichen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, Vertreter des Trägers des Rettungsdienstes und ursprünglich auch Mitarbeiter des ehemaligen Gesundheitsamtes. 2007 wurden im Wetteraukreis die Fachdienste Gesundheit sowie Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz fusioniert und bilden ab da die Gefahrenabwehr Wetteraukreis im Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz. Durch die Zusammenführung der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr sind insbesondere medizinische Themen, wie hier die Hygiene, sehr umfänglich abzubilden. Alle beteiligten Behörden gestalten hier gemeinsam mit denen, die die Konzepte Umsetzen unsere beruflichen Rahmenbedingungen. Name Vorname Funktion Organisation Email Borzakoglu Clausen Demel Goltz Grusdt Hofmann Jeckel Jungkind Vrej Ralf Gregor Markus Jens Hans Lothar Kurt MHD JUH MHD Wetteraukreis ASB Wetteraukreis DRK (Büd.) Wetteraukreis [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] Knau Dennis Wetteraukreis [email protected] Lassmann Merbs, Dr. Marco Reinhold DRK (Fb.) Wetteraukreis [email protected] [email protected] Ochs Pistor Rottmann Rolf Rene Detlef RW Leiter Desinfektor Desinfektor Facharzt Desinfektor FStL Rett. RDL Hygiene Ingenieur Gesundheitsaufseher RDL ÄLRD, Facharzt Desinfektor LRA RDL DRK (Fb.) JUH ASB Schulte Schwalm Weber Jochen Jochen Sven Desinfektor Desinfektor Desinfektor ASB DRK (Büd.) DRK (Fb.) [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] [email protected] (die Mitglieder der Arbeitsgruppe Hygiene im Rettungsdienst 2008) Die jetzt aktuell überarbeitete Merkblattsammlung hat zukünftig ein anderes Papierformat und ist um aktuelle Erkenntnis in der Medizin erweitert und angepasst worden. Damit sind alle früheren Versionen von den Fahrzeugen und aus der Ausbildung zu entfernen. Die Merkblattsammlung ist Bestandteil der Fahrzeugausrüstung im Rettungsdienst und wird auch für den Katastrophen- und Brandschutz empfohlen. Viele der dort zu findenden Erklärungen und Hinweise sind daher bewusst sehr allgemeinverständlich und auch umfänglich gehalten. Die Probleme mit Infektionen und Hygiene nehmen trotz den Fortschritten in der Medizin zu. Oft sind es aber die banalen Irrtümer, Fehler und Unterlassungen, die wirkliche Probleme machen. Ein Thema ist die Händedesinfektion zur Unterbrechung von Infektionsketten. Klingt einfach, ist aber zumindest im stationären Bereich sehr relevant. Dr. R. Merbs Fachdienstleiter ÄLRD, Wetteraukreis GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 3 von 205 Inhaltsverzeichnis: DIE MERKBLATTSAMMLUNG „HYGIENE IM RETTUNGSDIENST“ ........................................2 GRUNDLAGEN EINER FUNKTIONIERENDEN HYGIENE ............................................................6 HÄNDEHYGIENE, HÄNDEDESINFEKTION ....................................................................................12 DURCHFÜHREN EINER NASS-WISCH-SCHEUERDESINFEKTION..........................................15 SCHUTZMAßNAHMEN IM RETTUNGSDIENST.............................................................................19 B MERKBLÄTTER ZU BESTIMMTEN INFEKTIONSKRANKHEITEN.................................20 BRUCELLOSE.........................................................................................................................................21 CAMPYLOBACTER...............................................................................................................................24 CHOLERA................................................................................................................................................27 CLOSTRIDIUM DIFFICILE .................................................................................................................28 DIPHTHERIE ..........................................................................................................................................31 EHEC / HUS .............................................................................................................................................36 FSME.........................................................................................................................................................41 GELBFIEBER ..........................................................................................................................................44 HANTA VIRUS ........................................................................................................................................47 HEPATITIS A ..........................................................................................................................................51 HEPATITIS B...........................................................................................................................................55 HIV UND HEPATIS B & C POSTEXPOSITIONSPROPHYLAXE ..................................................61 INFLUENZA ............................................................................................................................................65 KERATOKONJUNCTIVITIS (ADENOVIREN) .................................................................................68 KOPFLÄUSE............................................................................................................................................72 LEGIONELLEN ......................................................................................................................................82 LYME BORRELIOSE.............................................................................................................................87 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 4 von 205 MALARIA ................................................................................................................................................90 MASERN...................................................................................................................................................95 MAUL- UND KLAUENSEUCHE ........................................................................................................100 MENINGITIS .........................................................................................................................................102 MILZBRAND .........................................................................................................................................104 MRSA ......................................................................................................................................................106 MUMPS...................................................................................................................................................113 NOROVIREN - NOROINFEKTIONEN..............................................................................................116 PERTUSSIS (KEUCHHUSTEN)..........................................................................................................120 PEST........................................................................................................................................................124 POCKEN.................................................................................................................................................126 POLIOMYELITIS (KINDERLÄHMUNG) ........................................................................................129 Q - FIEBER.............................................................................................................................................133 ROTAVIREN..........................................................................................................................................138 RÖTELN .................................................................................................................................................142 RSV RESPIRATORY SYNCYTIAL VIRUS ......................................................................................145 RUHR / SHIGELLENRUHR / SHIGELLEN-DYSENTERIE ..........................................................149 SALMONELLOSEN..............................................................................................................................152 SCHARLACH ........................................................................................................................................156 SCHWERES AKUTES RESPIRATORISCHES SYNDROM (SARS) .............................................160 SKABIES (KRÄTZMILBEN)...............................................................................................................162 SYPHILIS (LUES) .................................................................................................................................169 TOLLWUT (RABIES)...........................................................................................................................175 TUBERKULOSE....................................................................................................................................180 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 5 von 205 TYPHUS ABDOMINALIS, PARATYPHUS.......................................................................................184 VARIZELLEN (WINDPOCKEN), HERPES ZOSTER (GÜRTELROSE) .....................................189 VHF = VIRUSBEDINGTES HÄMORRHAGISCHES FIEBER.......................................................194 BISLANG BEKANNTE VHF-KRANKHEITEN................................................................................194 UMGANG MIT HOCHKONTAGIÖSEN LEBENSBEDROHLICHEN ERKRANKUNGEN ......196 DIFFERENZIERUNG VON VHF-KONTAKTPERSONEN NACH RISIKEN ..............................201 VORLÄUFIGE ISOLIERUNG BEI VERDACHTSFÄLLEN (HKLE)............................................202 C BESONDERE UND „NEUE“ GEFAHREN: ..............................................................................203 EICHENPROZESSIONSSPINNER .....................................................................................................204 LISTE DER ABKÜRZUNGEN ............................................................................................................205 IMPRESSUM..........................................................................................................................................205 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst A Seite 6 von 205 Allgemeine Grundlagen Grundlagen einer funktionierenden Hygiene Einrichtung einer Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz für Infektions-Notfälle und andere amtsärztliche Aufgaben Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet die Ärzte und Labors, bestimmte Krankheiten und Krankheitserreger unverzüglich an das Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt seinerseits muss bei bestimmten Gefahrenlagen unverzüglich auf diese Meldungen in geeigneter Weise reagieren. Ein hierzu vorliegender Erlass aus dem Hessischen Sozialministerium verpflichtet die Gesundheitsämter, eine 24-stündige Bereitschaft an 365 Tagen im Jahr sicherzustellen und sieht vor, dass der Arzt des Gesundheitsamtes binnen 2 Stunden vor Ort sein können muss. Seit 2001 besteht eine geregelte Rufbereitschaft am Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz für die Zeiten außerhalb der üblichen Geschäftszeiten. Eingehende Meldungen werden über eine Faxumleitung an den Arzt in der Rufbereitschaft geschickt. Ein Dienstplan für die teilnehmenden Ärzte und Ärztinnen liegt der Leitstelle vor. Von dort erfolgt die Alarmierung über ein Diensthandy. Der Fachdienst hat sich entsprechend auf die im Infektionsschutzgesetz genannten Infektionsfälle vorbereitet und verfügt über neben der personell / fachlichen Ausstattung auch über eine entsprechende Ausrüstung / Schutzausrüstung. Teile dieser Ausrüstung werden zentral auf der Leitstelle gelagert und von dort zum Einsatz gebracht. Der Rufbereitschaftsdienst des Fachdienstes kann und wird bei Bedarf noch weitere Mitarbeiter mit Fachqualifikationen (z.B. Trinkwasser, Raumlufttechnik, Infektiologie usw.) hinzu ziehen. Der Fachdienst sieht in dieser Rufbereitschaft insbesondere ein wichtiges Bindeglied für Problembereiche, in denen mehrere „Lebensräume“ betroffen sein können. Als Beispiel sei hier eine Meningitis genannt. Die betroffene Person kann auf dem Weg bis zur Feststellung der Diagnose neben dem häuslichen Umfeld, alle Kontaktbereiche, wie Hausärzte, ärztlicher Notdienst, Rettungsdienst bis hin zum Krankenhaus infiziert haben. Bei bekannt werden dieser Möglichkeit müssen umgehend alle Kontaktpersonen ermittelt, kontaktiert und informiert werden. Dafür zu sorgen, dass in allen Bereichen entsprechende Nachforschungen, Untersuchungen, ggf. auch Therapien durchgeführt werden, ist Aufgabe des öffentlichen Gesundheitsdienstes. Keine sonstige Institution in der Medizin kann das leisten oder hat die gesetzliche Aufgabe. Neben dem üblichen kurativen Ansatz der Medizin kommt hier der unmittelbar präventive Gedanke zum tragen. Die Infektionskette ist zu unterbrechen. Darüber hinaus wird der Rufbereitschaftsdienst auch für eine Reihe weiterer Aufgaben in Anspruch genommen, grundsätzlich erfolgt die Alarmierung, wie oben ausgeführt über die Leitstelle Wetterau. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 7 von 205 Ärztinnen und Ärzte im Team der Rufbereitschaft: Dr. Heidrun Benzinger Fachärztin für Kinderheilkunde Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit Markus Goltz Facharzt für innere Medizin Fachstelle Kommunalhygiene Dr. Sibylle Hüls Ärztin Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit Dr. Ulrike Kisbye-Hansen Fachärztin für Allgemeinmedizin Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie Dr. Reinhold Merbs Facharzt für Innere Medizin Leiter des Fachdienstes, ÄRLD Annette Müller Ärztin Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie Renate Rockstroh Kinder- u. Jugendärztin Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit Vera Thiesen-Rath Fachärztin für Psychatrie Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie Sozialpsychatrischer Dienst GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 8 von 205 Persönliche Grundlagen der Infektionshygiene Bevor wir uns mit Krankheitsbildern und Hygienefragen im Detail befassen, sollte jeder Mitarbeiter im Rettungsdienst sich über ein paar Dinge die eigene Person betreffend, Klarheit verschaffen: 1. Impfstatus: Jeder Mitarbeiter sollte wissen, ob und gegen was er geimpft ist und ob der Impfschutz anhält. Dazu hat jeder Mensch normalerweise einen Impfpass. Diese Dinge sind durchaus nicht banal, wie aktuelle Probleme aus dem täglichen Einsatzgeschehen zeigen. Beispiel: Ein RTW transportiert einen Patienten mit Mumps in eine Klinik. Der Kliniksarzt gibt der Besatzung den Tip „das ist ansteckend“. Und nun? Anfrage an die Leitstelle, die kontaktiert unsere Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit: Erste Frage: wurden die Mitarbeiter gegen Mumps geimpft? Bereits hier gibt es Probleme, da diese Frage nicht beantwortet werden kann. Können die Mitarbeiter nach der Schicht einfach so nach Hause? Man kann diese Kasuistik hier bereits beenden, denn die Frage nach dem Impfstatus ist relevant. Sind die Mitarbeiter geimpft besteht kein Problem. Sind sie es nicht, könnten sie die Krankheit jetzt bekommen, ggf. sogar an Dritte weitergeben. Nach Klärung des Impfstatus kann man abgestuft vorgehen. Resümee: Jeder Mitarbeiter muss seinen Impfstatus kennen. 2. Empfohlene Impfungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst: Impfen schützt und gehört zu den wichtigsten Präventivmaßnahmen in der Medizin. Besonders beruflich exponierte Personen wie im Gesundheitsdienst Tätige sollten sich schützen: Jeder sollte seinen Impfstatus kennen, denn jede Impfung zählt – auch wenn sie lange zurückliegt. Im Folgenden wird Impfstatus, Impfempfehlung und Vorgehen bei fehlendem/teilweisen Impfschutz vorgestellt. Impfstatus: Grundsätzlich gilt: Jeder Arztbesuch sollte genutzt werden, um Impflücken zu erkennen und zu schließen. Bei Auffrischungsimpfungen – z.B. Tetanus im Verletzungsfall – sollte auch an die Möglichkeit/Notwendigkeit der Mehrfachimpfung z.B. gegen Diphterie, Tetanus und Keuchhusten (ggf. Polio) gedacht werden. Falls der Impfpass nicht auffindbar ist, sollte zuerst der Hausarzt bzw. Impfarzt kontaktiert werden, um den Impfstatus zu dokumentieren. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, gilt man als ungeimpft. In diesem Fall muss mit der Grundimmunisierung neu begonnen werden. Impfempfehlung: Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sind speziell folgende Impfungen für den Gesundheitsdienst relevant: • Tetanus: Grundimmunisierung mit 3 Impfungen Auffrischung: alle 10 Jahre sowie im Verletzungsfall, am besten mit Kombinationsimpfstoff (Diphterie/Pertussis/ggf. Polio) GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 9 von 205 • Diphterie: Grundimmunisierung mit 3 Impfungen Auffrischung: alle 10 Jahre, am besten mit Kombinationsimpfstoff (Tetanus/Pertussis/ggf.Polio) Bei engem Kontakt zu Erkrankten: Auffrischung nach 5 Jahren, Chemoprophylaxe • Keuchhusten (Pertussis): Einmalige Impfung (Erwachsene) mit einem Kombinationsimpfstoff (Tet./Dipht./ggf. Polio) Auffrischung mit Kombinationsimpfstoff (Tetanus/Diphterie/ggf.Polio) alle 10 Jahre • Polio (Kinderlähmung): Grundimmunisierung mit 4 Impfungen, danach Auffrischung bei erhöhtem Infektionsrisiko • Heptitis B: Grundimmunisierung mit 3 Impfungen Auffrischung Bei erfolgreicher Impfung (Anti-HBs > 100 iE/l), nach 10 Jahren (1 Dosis) Andernfalls (Anti-HBs < 100 iE/l) sofort erneute Impfung mit erneuter Kontrolle Im Verletzungsfall/Exposition mit infektiösem Material (z.B. Nadelstich, o.ä.) Arzt konsultieren − − − • Hepatitis A: Grundimmunisierung mit 3 Impfungen Auffrischung alle 10 Jahre Ev. serologische Vortestung ab Jahrgang 1950 oder älter. Die Impfung gegen Hepatitis A und B kann auch als Kombinationsimpfung erfolgen (3X). • Influenza: Jährliche Impfung vor Grippesaison mit aktuell empfohlenem Impfstoff • Pneumokokken: Einmalige Impfung empfohlen für Personen über 60 Jahre sowie Personen mit chronischen Erkrankungen wie z. B. Asthma Auffrischung alle 6 Jahre (Erwachsene) • Masern / Mumps / Röteln: Einmalige Impfung empfohlen für Erwachsene (Kinder 2-mal) mit Kombinationsimpfstoff (MMR) • Varicellen (Windpocken): Zwei Impfungen bei Erwachsenen (bzw. ab dem 13. Lebensjahr) • Meningokokkeninfektionen (Gruppen A,C,W135,Y): Erstimpfung Erstmalig gegen Meningokokken Gruppe C Nach 6 Monate ergänzt durch Impfung gegen Meningokokken Gruppen A,C,W135,Y Folgeimpfung alle 3 Jahre für Kombinationsimpfung A,C,W135,Y In Europa sind die Serogruppen B und C vorherrschend. Eine Impfung gegen Meningokokken Gruppe B existiert noch nicht. Bei engem Kontakt zu Erkranktem: Chemoprophylaxe − − • Haemophilus influenza Typ b: Ab einem Alter von 5 Jahren Impfung nur in Ausnahmefällen. Bei Kontakt zu Patienten mit invasiver Haemophilus influenza b-Infektion (z.B. Meningitis, Epiglottitis): Chemoprophylaxe. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 10 von 205 Fehlender/teilweiser Impfschutz: Bei einigen Krankheiten besteht die Möglichkeit, sich bei fehlendem bzw. teilweisem Impfschutz im Expositionsfall trotzdem noch zu schützen; sog. Inkubationsimpfungen. Sie werden in der Inkubationszeit einer Erkrankung verabreicht mit dem Ziel, den Ausbruch der Krankheit zu verhindern oder zumindest abzumildern. Dies betrifft u.a.: • Masern: Bei nicht oder teilweise geimpften Personen wird eine aktive Immunisierung (Impfung) nach Masernexposition – bevorzugt mit MMR (Masern/Mumps/Röteln)-Impfstoff (1 Impfdosis)– innerhalb von 3 Tagen nach Kontakt empfohlen. Eine passive Immunisierung mittels Immunglobulinen sollte nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden. • Mumps: Eine Mumpsinkubationsimpfung ist spätestens bis zum 5. Tag nach Exposition durchzuführen; einmalige Impfung, bevorzugt mit MMR-Impfstoff. Dies gilt insbesondere, da für Mumps kein spezielles Mumpsimmunglobulin verfügbar ist und Standardimmunglobuline nur unzureichend effektiv sind. • Varizellen (Windpocken): Bei immunkompetenten, nicht geimpften Personen kann durch frühzeitige Inkubationsimpfung (innerhalb von 3 Tagen nach Beginn des Ausschlags bei der Kontaktperson) ein Ausbruch der Erkrankung verhindert oder abgeschwächt werden. Bei Schwangeren oder immundefizienten Personen ist die postexpositionelle Impfung kontraindiziert. Sie erhalten spezielles Immunglobulin. • Röteln: Eine postexpositionelle Prophylaxe ist in erster Linie durch Kontakt zu nichtgeimpften Schwangeren relevant. Die Impfung sollte vorzugsweise mit MMR-Impfstoff möglichst innerhalb von 3 Tagen erfolgen. Die Anwendung des Rötelnimpfstoffes ist in der Schwangerschaft kontraindiziert; als einzige Maßnahme kann postexpositionell spezifisches Immunglobulin verabreicht werden. • Hepatitis A: Es besteht die Möglichkeit einer Inkubationsimpfung innerhalb einer Woche nach Exposition; alternativ ist auch eine postexpositionelle Immunglobulingabe möglich. Empfehlenswert ist die aktive Immunisierung. • Hepatitis B: Empfohlen wird eine Simultanimpfung mit Anti-Hepatitis-B-Immunglobulin und der ersten von drei aktiven Impfungen und innerhalb einer Woche nach Exposition. Weitere Informationen: Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) werden im Epidemiologischen Bulletin des Robert-Koch-Instituts veröffentlicht und sind unter www.rki.de abrufbar. - Quellen: Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, Stand Juli/2007, RKI/Epid. Bull. 30/2007 Monatsschrift Kinderheilkunde 2000,148:274-283, Springer Verlag 2000 3. Qualifikation und Pflichten der Mitarbeiter: Den Leistungserbringern muss eine ausreichende Zahl von Desinfektoren zur Verfügung stehen. Die Ausbildung und Fortbildung der Mitarbeiter, sowie die Hygiene Unterweisungen werden von den Leistungserbringern in eigener Verantwortung durchgeführt. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 11 von 205 (TRBA 250, Abs. 5.3; § 15 Arbeitsschutzgesetz) „Die Beschäftigten haben die Arbeiten so auszuführen, dass sie, entsprechend den durch den Arbeitgeber erteilten Unterweisungen und erstellten Arbeitsanweisungen (Hygieneplan, Betriebsanweisungen, Verfahrensanweisungen), durch die Anwendung technischer, organisatorischer und persönlicher Maßnahmen eine Gefährdung ihrer Person und Dritter durch biologische Arbeitsstoffe möglichst verhindern.“ GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 12 von 205 Händehygiene, Händedesinfektion Die Hände stehen als Überträger von Krankheitserregern an erster Stelle. Deshalb sind die Händehygiene und Händedesinfektion die wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von nosokomialen Infektionen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur in der Klinik, sondern insbesondere auch für den Rettungsdienst. Voraussetzung sind saubere, gepflegte Hände mit kurzen Nägeln. Problematisch sind abgeplatzer Nagellack, sowie künstliche Fingernägel. Nagelbettverletzungen und Läsionen der Hände sind mit einem Pflaster oder Verband abzudecken. Eine hygienische Händedesinfektion ist durchzuführen: - bei einer tatsächlichen oder auch fraglichen Kontamination der Hände mit Sekreten, Exkrementen, Blut oder Krankheitserregern vor Arbeiten am Patienten vor invasiven Maßnahmen; dann auch Handschuhe tragen nach Arbeiten am Patienten immer bei Transportende nach Toilettenbesuch bei Dienstende Wichtig ist die Beachtung des Hauptschutzes in Bezug auf die Desinfektionsmaßnahmen. Hauptpflege sei hier angesprochen und auf entsprechende pflegerische Maßnahme hingewiesen. Der Fachdienst unterstützt die Aktion Saubere Hände, an der alle Akut-Kliniken im Wetteraukreis teilnehmen. Der Rettungsdienst im Wetteraukreis wird eine eigene Kampagne zur Umsetzung dieses Themas in der täglichen Arbeit durchführen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 13 von 205 Meldung eines Infektionstransports Wenn die Leitstelle einen Transport für einen infektiösen oder potentiell infektiösen Patienten entgegen nimmt, werden erste Daten zur Erkrankung abgefragt und an die Besatzung, die mit dem Transport beauftragt wird, weitergegeben. Dadurch können mögliche Missverständnisse schon im Vorfeld umgangen werden. Insbesondere ist gerade beim anstehenden Transport eines MSRA Patienten auf die Art der Infektion zu achten. Sollte der Patient MRSA Träger sein und z.B. eine infizierte Wunde haben, die darüber hinaus noch verbunden ist, ist ein weniger aufwendiges Transportverfahren erforderlich, als bei einer Kolonisation der Atemwege mit MRSA z.B: bei Tracheostoma-Trägern. Dieses abgestufte Vorgehen ist anhand der vorhandenen Informationen zu entscheiden, ggf. ist aber bei Unklarheiten die sichere Vorgehensweise zu wählen. Sollten Probleme bei der Patientenübernahme entstehen, insbesondere wenn es offenbar vorenthaltene Informationen über den Krankheitszustand des Patienten betrifft, ist dieses dem ÄLRD oder einem Mitglied der Hygiene-Kommission (vorzugsweise dem Vertreter der eigenen Organisation) mitzuteilen, damit über den Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz, entsprechend eingegriffen werden kann. Ablauf eines geplanten Infektionstransportes Es ist weiterhin von großer Wichtigkeit, alle geplanten Infektionstransporte von den jeweiligen Rettungswachen zu beginnen, da Praktikanten an der Durchführung dieser Transporte nicht teilnehmen. Die Fahrzeuge bleiben grundsätzlich voll ausgestattet. Von der Leitstelle sind Infektionskrankheit, Transportziel und besondere Transporthinweise zu erfragen. Basierend auf diesen Auskünften muss sich die Besatzung vor Fahrtantritt über die Übertragungswege und Desinfektionsmaßnahmen informieren. Während der Durchführung des Transportes bis zum Abschluss der anschließenden Desinfektionsmaßnahmen ist das Essen, Trinken und Rauchen verboten. Vor dem ersten Patientenkontakt ist an der Einsatzstelle ggf. die Schutzkleidung (Einmalschutzanzug, Mundschutz, Einmalhandschuhe und Überschuhe) anzulegen. Ein weiteres Set der Schutzkleidung wird im Fahrerraum deponiert. Die entsprechenden Transporthinweise auf den Einweisungspapieren sind zwingend zu berücksichtigen. Patienten mit Tröpfcheninfektionen ist zusätzlich ein Mundschutz anzulegen, soweit es der respiratorische Zustand zulässt. Die Trennscheibe zum Fahrerraum im Rettungswagen / Mehrzweckfahrzeug wird während des kompletten Transportes bis zum Abschluss der Desinfektionsmaßnahmen geschlossen gehalten. Der Beifahrer übernimmt mit Schutzkleidung die Betreuung des Patienten bis zum Transportziel, sofern keine anderen Pflegekräfte, die in die Versorgung des Patienten involviert waren, diese Aufgabe übernehmen. Der Fahrer zieht nach Herstellung der Transportfähigkeit die Schutzkleidung aus. Diese verbleibt im Patientenraum des Fahrzeuges. Nach einer hygienischen Händedesinfektion besetzt er den Fahrerraum. Der Fahrer ist alleine für die transportlogistischen Komponenten des Einsatzes zuständig. Er organisiert die Übergabestelle am Transportziel und erkundet den Weg dorthin. Vor dem Ausladen des Patienten zieht der Fahrer die im Fahrerraum hinterlegte Schutzkleidung an. Das Fahrzeug ist nach dem Ausladen unverzüglich zu schließen. Nach Übergabe des Patienten am Transportziel werden alle Teile der Schutzkleidungen als infektiöser Abfall dort entsorgt. Anschließend erfolgt die Rückfahrt auf direktem Wege zur Wache oder einer anderen Desinfektionseinrichtung. Es darf kein weiterer Patient vor Abschluss der Desinfektionsmaßnahmen transportiert werden. Ereignet sich während des Transportes oder während der Rückfahrt ein weiterer externer GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 14 von 205 Notfall, so ist durch den Fahrer bzw. die Besatzung zunächst Hilfe zu leisten und ein weiteres Fahrzeug zur Durchführung des Transportes zu ordern. Die Schlussdesinfektion des Fahrzeugs und der Wäsche erfolgt auf der jeweiligen Rettungswache oder einer anderen Desinfektionseinrichtung gem. der jeweils geltenden Hygienepläne. Die von den Leistungserbringern verwendeten Desinfektionsmittel erlauben nach Abgabe des Patienten am Transportziel und Eintreffen in der jeweiligen Desinfektionseinrichtung die Einsatzbereitschaft des Fahrzeuges nach maximal 6 Stunden, sofern das Transportziel im Wetteraukreis liegt. Bei Zielen außerhalb des Wetteraukreises ist die jeweilige Rückfahrzeit zur Wache / Desinfektionseinrichtung zu addieren. Die von den Erregern abhängige Einwirkzeiten sind den Empfehlungen des Robert-KochInstitutes bzw. den Gebrauchshinweisen der Desinfektionsmittel zu entnehmen. Mitgeltende Unterlagen: - Hygiene- und Desinfektionspläne der Organisationen Infektionsschutzgesetz Rettungsdienstbetriebsverordnung des Landes Hessen Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes Empfehlungen des Hessischen Sozialministeriums Hessisches Rettungsdienstgesetz Unfallverhütungsvorschriften Warn- und Gebrauchshinweise der Desinfektionsmittel Besonderes Verfahren bei Patienten mit MRSA- Infektionen MRSA ist die häufigste Infektion im Rettungsdienst. Da hier durch das Ergreifen spezieller Schutzmaßnahmen die Wiedereinsatzbereitschaft des Fahrzeugs erheblich beschleunigt werden kann, wurde in der Arbeitsgruppe eine spezielle Vorgehensweise als sinnvoll angesehen. Ablauf eines Infektionstransportes mit gesicherter MRSA- Infektion Gegenüber dem normalen Infektionstransport sind transportvorbereitende Maßnahmen auf der Rettungswache nicht notwendig. Vor dem Transport führt der Patient eine hygienische Händedesinfektion durch. Und zieht einen frischen Einwegkittel an. Bei nasopharyngealer Keimbesiedlung ist dem Patienten zusätzlich ein Mund- / Nasenschutz anzulegen, sofern dies die respiratorische Situation zulässt. Bei Patienten, die nicht selbstständig zur Durchführung dieser Maßnahmen in der Lage sind, müssen diese von der Besatzung übernommen werde. Die hygienische Händedesinfektion ist ggf. durch das Anlegen von Einmalhandschuhen beim Patienten zu ersetzen. Ist ein enger Kontakt zum Patienten nicht auszuschließen, legt die Besatzung zusätzlich geeignete Schutzkittel an. Nach jedem ungeschützten (Einmalhandschuhe) Patientenkontakt oder dem Kontakt mit kontaminierten Flächen sind unverzüglich die Hände zu desinfizieren. Liegende und sitzende Patienten werden auf einer hygienisch einwandfreien Unterlage (z.B. Tragelaken) transportiert. Es muss darauf geachtet werden, dass der Patient möglichst keine zusätzlichen Flächen außer im Sitz- /Liegebereich berührt. Die Aufnehmende Abteilung ist am Transportziel über die Infektion zu informieren. Nach Abschluss des Transportes ist eine Teildesinfektion (Kontaktflächen) des Fahrzeugs und eine Desinfektion der Wäsche erforderlich. Alle in der Arbeitsgruppe vertretene Leistungserbringer verwenden Desinfektionsmittel, bei denen nach Transport eines Patienten mit MRSA-Infektion eine Einwirkzeit von 30 Minuten ausreicht. Damit kann ein Fahrzeug nach maximal 1 Stunde wieder voll einsatzbereit sein. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 15 von 205 Bei Problemen, insbesondere mit den Schnittstellen in den Krankenhäusern und Heimen, bitte umgehend Info an die Rettungsdienstleiter der Hilfsorganisationen. Durchführen einer Nass-Wisch-Scheuerdesinfektion Zu desinfizieren sind alle Oberflächen, Geräte außerhalb von Schränken, Schubladen, wenn benutzt auch Innen. Grobe Verunreinigungen sind mit einem in Desinfektionsmittel getränktem Zellstofftuch zu beseitigen. Es wird die Zwei – Eimer Methode angewendet: In beiden Eimern befindet sich kalt angesetzte Desinfektionslösung in der laut Hygieneplan angegebenen Konzentration. In Eimer #1 befindet sich die saubere Lösung zum tränken der Einmalputztücher. In Eimer #2 werden die Tücher nach Nutzung ausgewrungen – bei grober Verunreinigung ist die Lösung zu erneuern. Die zu desinfizierenden Flächen werden in einem in Eimer #1 getränkten Tuch unter leichtem Druck abgerieben. – auf der behandelten Fläche muss ein Flüssigkeitsfilm zurückbleiben. Danach wird das Tuch in Eimer #2 ausgewrungen, der Vorgang wird wiederholt bis alle zu desinfizierenden Flächen behandelt sind. Die zur Scheuerdesinfektion gebrauchten Tücher sind danach in den Müll zu geben. Die vom Hersteller vorgegebene Einwirkzeit bei der jeweils gewählten Konzentration ist unbedingt einzuhalten – erst dann gilt die behandelte Fläche als desinfiziert. Nach dem Ablauf der Einwirkzeit kann das Fahrzeug – wo notwendig – entsprechend gereinigt werden (Putzstreifen und Schlieren). Bei der Desinfektion sind Gummihandschuhe zu tragen (Latexhandschuhe sind nicht geeignet). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 16 von 205 Hygieneplan MRSA für Rettungs- und Krankentransportdienste Allgemeine Maßnahmen Alle Einsatzkräfte müssen über MRSA informiert sein. Nur eingewiesenes, informiertes Einsatzpersonal soll MRSA-positive Patienten transportieren und betreuen. Information über MRSA-Trägerschaft Das Einsatzpersonal ist rechtzeitig vorab von den behandelnden Ärztinnen/Ärzten bzw. vom Krankenhaus über die MRSA-Besiedlung / Infektion des Patienten zu informieren. Patientenvorbereitung und Transport Der Patient sollte für den Transport vorbereitet sein: • • • • Der Patient trägt frische Körperwäsche. Hautläsionen und Wunden sind frisch verbunden und abgedeckt. Bei Besiedlung der Atemwege trägt der Patient einen Mund-Nasenschutz. Vor dem Transport führt der Patient eine hygienische Händedesinfektion durch. Der Transport sollte möglichst als Einzeltransport mit frischer Bettwäsche oder Abdeckung durchgeführt werden. Der Mund Nasenschutz sollte dicht sitzen. Sofern der Patient wegen Atembehinderung oder Tracheostoma keinen Mund Nasenschutz tragen kann, sollte versucht werden mit einem Tuch o. ä. eine Tröpfchenübertragung zu vermeiden. Ziel ist es eine Aerosolbildung (Tröpfcheninfektion) möglichst zu verhindern. Schutzkleidung bei MRSA Transport: Die Schutzkleidung ist je nach der Besiedlung und der Transportart einzusetzen. Das Prinzip des Eigenschutzes lautet: Alle Körperteile des Personals, die Kontakt mit dem Patienten oder infektiösem Material haben, müssen geschützt werden. Allgemeine Hygienemaßnahmen Bei allen Versorgungsmaßnahmen mit direktem Patientenkontakt, wie z. B. beim aktiven Umlagern, werden vom Einsatzpersonal Einmalhandschuhe und Schutzkittel getragen. Bei intubierten/tracheotomierten oder maschinell beatmeten Patienten mit MRSA legt das Einsatzpersonal beim endotrachealen Absaugen einen Mund-Nasenschutz an. Sofern ein Verbandswechsel durchgeführt werden muß, ist personalseitig ebenfalls ein Mund-Nasenschutz zu tragen. Einmalhandschuhe, Schutzkittel und Mund-Nasenschutz sind nach dem Gebrauch sachgerecht zu entsorgen. Nach dem Ablegen ist sofort eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. Waschbare Schutzkittel können nach dem Gebrauch maschinell bei Temperaturen über 60°C aufbereitet werden. Hat das Einsatzpersonal keinen direkten Patientenkontakt, ist das Tragen von Einmalhandschuhen, Schutzkitteln und Mund-Nasenschutz nicht erforderlich. Desinfektion, Materialentsorgung Nach Abschluß des Patiententransportes sind alle Materialien, Geräte, Instrumente und Flächen, welche direkten Kontakt mit dem Patienten hatten, gemäß dem bestehenden Hygieneplan zu desinfizieren. Einmalartikel sind entsprechend sachgerecht zu entsorgen. Wäsche, Bezüge und Abdeckungen sind auszuwechseln. Alle waagerechten Oberflächen des Fahrtzeuginnenraumes sind mit einem VAH -gelisteten Mittel zur Flächendesinfektion gemäß angegebener Konzentration und Einwirkzeit einer Scheuer-Wischdesinfektion zu unterziehen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 17 von 205 Danach ist vom Einsatzpersonal eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen. Das Einsatzfahrzeug (einschließlich dessen Innenausstattung) sowie das Rettungsdienst/ Krankentransportpersonal ist danach wieder uneingeschränkt einsetzbar. Memo: Laut RKI Empfehlung: „Der Erreger besitzt gegenüber Trockenheit und Wärme eine hohe Widerstandsfähigkeit und ist in der unbelebten Umgebung (z.B. Kittel, Luft, Oberflächen und Geräten, Instrumenten, Pflegeartikel, Krankenhausinventar etc.) bis zu Monaten lebensfähig.“ Erregerhaltiges Material: - Sekrete des Nasen Rachenraumes - Wundsekrete, Eiter - Blut, Liquor, Stuhl (Fäzes) - Körperoberfläche des Erkrankten, Hautschuppen Übertragung: - Kontakt mit dem Erkrankten (Personalhände, Dienstkleidung) - Kontakt mit kontaminierten Gegenständen - Kontakt mit unzureichend desinfizierten Händen Mund-Nasenschutz: Trägt der Patient mit MRSA im Nasen-Rachenraum einen Mund-Nasenschutz oder ist durch anderes geeignetes Material/Maßnahmen die Aerosolbildung (Tröpfcheninfektion) verhindert, so ist für das Personal kein Mund-Nasenschutz erforderlich. Kann eine Aerosolbildung nicht vermieden werden ist als Eigenschutz eine Mund-Nasenschutz einzusetzen. Damit ist nicht eine FFP3 gemeint. Auf den dichten Sitz der Maske ist zu achten! Kittel: Beim Heben / Umlagern von Patienten sind Handschuhe und ein Schutz-Kittel zu tragen, um damit die Unterarme und die Körpervorderseite zu schützen. Die ist auch ausreichend bei Besiedlung des Nasen-Rachenraumes, wenn der Patient einen Mund-Nasenschutz trägt (keine aerogene Übertragung). Overall: Ein Overall mit Kopfhaube ist nur bei aerogener Übertragung erforderlich: - Patient kann keinen Mund-Nasenschutz tragen (Tracheostoma, Atembehinderung) - Auch weitere Maßnahmen können die aerogene Übertragung nicht verhindern. Als besonderes Anliegen ist bitte zu begreifen, das die Patienten insbesondere mit einer MRSA Kolonisation nicht durch unsere Maßnahmen einer weiteren Stigmatisierung anheim fallen. Hier ist auf ein ausgewogenes Auftreten zu achten. Was muss beim Transport im Taxi bezüglich MRSA beachtet werden? Bei Transporten von MRSA Trägern in öffentlichen Verkehrsmitteln besteht für das Personal im Wagen in der Regel keine Infektionsgefahr, sondern bestenfalls das Risiko dafür, dass MRSA durch Kontamination von Oberflächen auf Dritte übertragen werden können. Dies muss aber nur dann befürchtet werden, wenn die Möglichkeit einer Keimstreuung besteht, wie sie z.B., bei offenen, nicht abgedeckten Wunden oder im Falle einer Erkältung bei Besiedlung des NasenRachenraumes auftreten kann. Da es sich bei Taxifahrten von der Ausstattung und Funktion her nicht um betreute Krankentransporte, sondern ausschließlich um Personentransporte handelt, sind hier auch keine dem Rettungswagen entsprechenden Maßnahmen nötig. Vom Betreiber oder Fahrer des Taxis wird keine besondere medizinische Qualifikation oder das Vorhalten medizinischer Geräte im Taxi erwartet. Keimträgerschaft – auch mit MRSA- spielt bei dieser Art des Transports keine Rolle, da Keimträger ja auch andere öffentliche Verkehrsmittel benutzen GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 18 von 205 dürfen. Für den Fahrer sowie auch die Inneneinrichtung eines Taxis sind keine „dekontaminierenden“ Maßnahmen erforderlich. Zur Einstufung Krankentransport (KTW) und Krankenfahrt (z.B: Liegend-Mietwagen): Für die Abgrenzung von Krankentransport und Krankenfahrt ist es entscheidend, ob medizinisch-fachliche Maßnahmen anfallen, die nicht von medizinischen Laien sondern nur von medizinischem Fachpersonal auf entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen (KTW) erbracht werden können. Indikationen für die Verordnung eines Krankentransportes: - Stichwort: Fachgerechtes Umlagern, Heben und Tragen, wenn bereits vor oder während des Verbringens in das Fahrzeug eine besondere fachliche Betreuung erforderlich ist. - Stichwort: Schweigepflicht, Kenntnis der lokalen medizinischen Infrastruktur, wenn organisatorische Unwägbarkeiten oder Besonderheiten die Transportdurchführung beeinflussen. - Stichwort: pflegerische Maßnahmen, wenn bei der Übernahme oder während des Transportes über allgemeinmenschliche Zuwendung hinausgehende spezielle fachlichmedizinische Maßnahmen erforderlich werden. - Stichwort: Infektionsprophylaxe, wenn beim Transport infektiöser Patienten besondere Hygienemaßnahmen zu beachten sind. Stichworte: Soziale Kompetenz, notfallmedizinische Sofortmaßnahmen, wenn bei instabilen Patienten während des Transportes wegen plötzlicher Zustandsverschlechterungen Interventionen erforderlich werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 19 von 205 Schutzmaßnahmen im Rettungsdienst Infektion Erregerhaltiges Material Offene LungenTuberkulose Respiratorische Sekrete Schutz vor Kontamination Maßnahmen • • Desinfektion und Reinigung • • Pest Virushämorrhagisches Fieber Scheuer-Wisch-Desinfektion der Liege und der ggf. sichtbar mit Sputum oder Blut kontaminierten Flächen (Mittel mit Wirkungsbereich A) Decken und textile Unterlagen wechseln und wie Infektionswäsche behandeln Je nach Lokalisation: respiratorische Sekrete, Sekrete von Infektionsherden, Eiter Schutz vor Kontamination • • • • Schutzkittel Handschuhe Mund- und Nasenschutz Schutzbrille zusätzlich bei Lungenpest Desinfektion und Reinigung • Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung Blut, Urin, respiratorische Sekrete Schutz vor Kontamination • • • Transport nur durch Feuerwehr Frankfurt Schutzanzug (CE Kategorie III Typ4) Mund- und Augenschutz (Halbmaske mit Filter FFP3 S) Handschuhe • Milzbrand Mund-Nasen-Schutz (partikelfiltrierende Halbmaske EN 149, Schutzstufe FFP2 S) für den Patienten Umluft ausschalten Je nach Lokalisation: respiratorische Sekrete, Sekrete von Infektionsherden, Faezes Desinfektion und Reinigung • Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung in der Feuerwache 3 Dürkheimer Str. 1-5 in 65934 Frankfurt Schutz vor Kontamination • • • Schutzkittel Handschuhe Mund- und Nasenschutz Desinfektion und Reinigung • Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst B Seite 20 von 205 Merkblätter zu bestimmten Infektionskrankheiten Im Folgenden sind verschiedene infektionsrelevante Krankheiten in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Die Inhalte zu diesen Krankheiten entstammen den aktuellen Informationen des Robert Koch Institutes (RKI). Die Texte sind mitunter modifiziert und um rettungsdienstlich relevante Beiträge ergänzt. Es kann immer wieder kleinere Änderungen geben, die zukünftig dann in den UpDates der Merkblattsammlung eingearbeitet werden. Grundsätzlich sind die Inhalte zu den meisten Erkrankungen sehr lange bekannt. Bedrohlicher ist vielmehr, das viele Erkrankungen für uns heute kaum noch Relevanz haben. Dies ist Folge der guten Impferfolge, macht aber auch für Ärzte die Diagnostik nicht leichter, da die Krankheitsbilder nicht mehr vertraut sind. Dazu kommen nicht unerhebliche Risiken durch die Reisegewohnheiten vieler Mitmenschen. Hier sollte man sich insbesondere bei Fernreisen entsprechend reisemedizinisch beraten, ggf. auch Impfen lassen. Die Merkblätter werden vom Fachdienst regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. Es ist darauf zu achten, dass die neuesten Versionen dieser Merkblattsammlung auf den Einsatzfahrzeugen vorgehalten werden. Anregungen können gerne an den Fachdienst unter der unten angegebenen Email Adresse gerichtet werden. Zeitnahe weitere Informationen, die auch diesen Teil unseres Rettungsdienstes betreffen, bekommt man über den Verteiler unseres Newsletters Rettungsdienst, der ebenfalls über diese Email Adresse abonniert werden kann. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 21 von 205 Brucellose Erreger Bei der Brucellose handelt es sich um eine Zoonose, die durch Infektion mit Bakterien der Gattung Brucella (B.) erworben wird. Humanpathogen sind B. melitensis (Maltafieber), B. suis, B. abortus (M. Bang) und in geringem Maße B. canis. Infektionen mit B. ovis und B. neotomae sind beim Menschen bisher nicht bekannt. Für B. melitensis werden derzeit drei Biovare, für B. suis fünf Biovare und für B. abortus sieben Biovare beschrieben. Brucellen sind kleine, unbewegliche, nicht sporenbildende, aerob und z.T. mikroaerophil wachsende, gramnegative kokkoide Stäbchen. Sie sind empfindlich gegenüber der Einwirkung von Hitze und Desinfektionsmitteln und werden in wässriger Suspension durch Temperaturen von mehr als 60 °C innerhalb von 10 Minuten abgetötet. Bei Umgebungstemperaturen können sie in Urin, Staub, Wasser oder Erde und insbesondere auch in Milch und Milchprodukten mehrere Tage bis zu einigen Wochen überleben. Vorkommen Die Krankheit ist bei Haus- und Nutztieren mit größeren regionalen Unterschieden weltweit verbreitet; der Mensch ist durch infizierte Nutztiere gefährdet. Endemiegebiete sind der Mittelmeerraum, die Arabische Halbinsel, Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika. In Deutschland gelten die Rinderbestände sowie die Schaf- und Ziegenbestände als amtlich frei von B. abortus bzw. B. melitensis. Auftretende Erkrankungsfälle bei Tieren sind daher durch Tierhandel importiert oder von Wildtieren auf Nutztiere übertragen. Bei den im Rahmen der Meldepflicht gemäß IfSG an das Robert Koch-Institut übermittelten Fällen handelt es sich überwiegend um importierte Fälle. In den letzten Jahren wurden 24-37 Fälle pro Jahr registriert. Unter den Angaben zum möglichen Infektionsland wurde am häufigsten die Türkei angegeben, andere Länder (vor allem Länder im Mittelmeerraum) wurden nur in Einzelfällen genannt. Reservoir Das für den Menschen relevante Reservoir der Erreger ist Nutzvieh. B. abortus kommt bei Rindern vor, B. melitensis vorwiegend bei Ziegen und Schafen, B. suis bei Schweinen. Das Wildschwein ist unter einheimischen Bedingungen ein Reservoir für Brucella suis, Biotyp 2, wobei es gelegentlich zu Ausbrüchen in Schweinebeständen mit Freilandhaltung kommt. Infektionsweg Erkrankungen bei Menschen gehen in der Regel auf den Verzehr kontaminierter Lebensmittel oder direkten Kontakt zu infizierten Tieren zurück. Wichtigste Infektionsquellen für den Menschen sind kontaminierte, nicht pasteurisierte Milch bzw. aus ihr hergestellte Produkte. Die Aufnahme des Erregers in den Körper kann aber außer über den Magen-Darm-Trakt auch auf mehreren anderen Wegen erfolgen, so über die Konjunktiven, die Atemwege und die verletzte Haut. Die Brucellose ist eine der häufigsten durch Bakterien verursachten im Labor erworbenen Infektionen. Brucellen sind fakultativ intrazelluläre Erreger. Nach Eindringen in den Körper werden sie von Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems aufgenommen und zu den nächstgelegenen Lymphknoten transportiert. Von dort können Brucellen über die Lymphe in die Blutbahn gelangen und sich hämatogen in nahezu allen Organen ansiedeln. Besonders häufig betroffen sind lympho-retikuläre Organe wie Milz, Leber und Knochenmark. In den befallenen Organen können sich durch Aktivierung spezifischer T-Zellen entzündliche Granulome aus Makrophagen und Lymphozyten bilden. Inkubationszeit 5-60 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten und wurde bisher fast ausschließlich durch Stillen beschrieben. Nur in Einzelfällen kam es durch Knochenmarktransplantationen, Bluttransfusionen sowie Geschlechtsverkehr zur Übertragung. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 22 von 205 Klinische Symptomatik Die Brucellosen sind zyklische Allgemeininfektionen. Die Manifestationen der Erkrankung sind ausgesprochen vielfältig und variabel. Folgende Hauptformen lassen sich unterscheiden: Subklinisch verlaufende Brucellose: Bis zu 90 % aller Infektionen verlaufen subklinisch. Sie lassen sich nur über den Nachweis spezifischer Antikörper beim Patienten erkennen und sind Ausdruck effektiver humoraler und zellulärer Abwehrreaktionen des Wirtsorganismus. Akute bis subakute Brucellose: Der Beginn ist entweder schleichend (meist bei B. abortus) oder plötzlich (häufiger bei B. melitensis) mit Fieber, Übelkeit, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Nachtschweiß. Der Fieberverlauf erstreckt sich über 7-21 Tage und kann von 2- bis 5-tägigen fieberfreien Intervallen unterbrochen sein (undulierendes Fieber). Chronische Brucellose: Bei nicht erkannten oder nicht korrekt behandelten Infektionen sind längere Erkrankungsverläufe möglich und nicht ungewöhnlich. Als chronisch gelten Erkrankungen, deren Verlauf über ein Jahr hinausgeht. Bei etwa 5 % aller Patienten kann es nach Abklingen der akuten Symptome zu chronischen Verläufen kommen. Die Erkrankung manifestiert sich mit unspezifischen Allgemeinsymptomen wie Leistungsminderung, Schweißausbrüchen und depressiven Episoden. Während Fieber, Hepatosplenomegalie und hämatologische Komplikationen selten zu beobachten sind, fallen relativ häufig Spondylitiden und Uveitiden auf. Die Rezidivhäufigkeit ist bei nicht adäquater Antibiotikatherapie sehr hoch. Lokalisierte Infektion: Chronische Verläufe werden meist durch persistierende Infektionsfoki in Knochen, Leber oder Milz unterhalten. Häufig ist der Befall von Knochen und Gelenken, insbesondere in Form einer Sacroiliitis, Arthritis und Bursitis. Auch das Auftreten einer Meningitis, Endokarditis und Epididymo-Orchitis ist möglich. In seltenen Fällen kommt es zur Cholezystitis, Pankreatitis oder Peritonitis. Bei Befall des Knochenmarks resultieren Anämie, Leukopenie und Thrombopenie. Der Befall der Lunge kann mit Vergrößerung der hilären und paratrachealen Lymphknoten sowie einer interstitiellen Pneumonie einhergehen. Die Letalität ist insgesamt niedrig und beträgt bei unbehandelten Brucellosen 2 % oder weniger. Betroffen sind vor allem Patienten mit einer durch B. melitensis verursachten Endokarditis. Diagnostik Die klinische Diagnose ist angesichts der Mannigfaltigkeit der Krankheitserscheinungen sehr schwierig. Eine gezielte Anamnese kann wichtige Hinweise geben. Für die sichere Diagnose ist daher ein labordiagnostischer Nachweis Bedingung. Therapie Als Therapie wird in der Regel eine Kombination aus Rifampicin und Doxycyclin (6-12 Wochen) empfohlen. Insbesondere beim Befall von Gelenken, neurologischen Manifestationen oder ausgeprägter Organbeteiligung - speziell bei Vorliegen einer Neurobrucellose oder Endokarditis - sind ggf. auch weitere Kombinationen von Medikamenten sowie deutlich längere Behandlungszeiträume indiziert. Bei Kontraindikationen gegen Doxycyclin (z.B. in der Kindheit und Schwangerschaft) kann eine Therapie mit Cotrimoxazol in Kombination mit Rifampicin durchgeführt werden. Monotherapien sind aufgrund hoher Rezidivraten in jedem Fall kontraindiziert. Der Befall von Knochen oder Herzklappen kann eine chirurgische Intervention erfordern. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Im Vordergrund steht die wirksame Bekämpfung der Brucellose bei Rindern, Schafen und Ziegen. Weitere Maßnahmen müssen darauf abzielen, Infektionsquellen zu meiden bzw. zu eliminieren (Expositionsprophylaxe). Dazu ist vorrangig das Abkochen oder Pasteurisieren von Milch und Milchprodukten erforderlich. In Ländern mit endemischem Vorkommen (s.o.) GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 23 von 205 sollte auf den Verzehr von Rohmilch und daraus hergestellten Produkten (z.B. Schafs- und Ziegenkäse) verzichtet werden. Berufliche Exposition: Für Tierärzte, Tierzüchter, Fleischer u.a. gilt, dass ein direkter Kontakt zu potenziell infizierten Tieren vermieden werden sollte. Neben dem Einsatz von Schutzhandschuhen, insbesondere in der Geburtshilfe, ist eine gründliche Händedesinfektion mit einem zugelassenen Händedesinfektionsmittel sowie die Reinigung der Hände mit Wasser und Seife erforderlich. Durch Anwendung eines geeigneten Salbenschutzes wird ein zusätzlicher Schutz vor transdermalen Infektionen erreicht. Kleidung und Schuhe sind nach der Stallarbeit zu wechseln. Zur Flächendesinfektion in Tierställen sind ggf. Mittel der Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft für die Tierhaltung anzuwenden. In Laboratorien erfordern Arbeiten mit Brucellen Sicherheitsvorkehrungen nach Risikogruppe 3 gemäß Biostoffverordnung, TRBA 100 bzw. Richtlinie 2000/54/EG. Bereits beim Umgang mit potenziell erregerhaltigem Material sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich. Ein Impfstoff für Personen in exponierten Berufen ist in Deutschland nicht zugelassen, ein Impfstoff für Tiere kann ggf. eingesetzt werden. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine Übertragung des Erregers der Brucellose von Mensch zu Mensch ist im Wesentlichen nur bei Säuglingen durch die Milch infizierter Mütter beobachtet worden. An Brucellose erkrankte Frauen dürfen daher nicht stillen. Ihre Milch darf nur abgekocht verabreicht werden. Auch Blut, Urin, Sperma, Fruchtwasser, Nachgeburt und Lochialsekret erkrankter Personen sind als infektiös zu betrachten. Eine Isolierung ist jedoch bei Beachtung der Standardhygienemaßnahmen nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind spezifische Maßnahmen nicht erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Ausbrüche durch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung kommen nicht vor, weil eine Übertragung von Mensch zu Mensch nur in extrem seltenen Ausnahmefällen und unter besonderen Bedingungen stattfindet. Durch kontaminierte Lebensmittel könnten u.U. regional vermehrt Erkrankungsfälle auftreten. In diesem Falle muss das ursächlich beteiligte Lebensmittel möglichst rasch ermittelt werden, um weitere Erkrankungen zu verhindern. Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Brucella spp., soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 38 der Anlage 1 der 7. Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 hat jeder Arzt bei begründetem Verdacht auf eine Brucellose als Berufskrankheit diese dem Träger der Unfallversicherung oder der für den Beschäftigungsort des Versicherten zuständigen Stelle des medizinischen Arbeitsschutzes unverzüglich anzuzeigen. Modifiziert nach RKI, Stand: 27.02.2008 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 24 von 205 Campylobacter Erreger Die bakteriellen Erreger der Gattung Campylobacter (C.) sind gramnegative Stäbchen mit spiral- oder S-förmiger Gestalt. Bisher wurden mehr als 20 Spezies identifiziert, von denen C. jejuni, C. coli und C. lari die wichtigsten humanpathogenen Spezies sind. Vorkommen Infektionen durch Bakterien der Gattung Campylobacter sind weltweit verbreitet. In der warmen Jahreszeit treten diese Erkrankungen in Europa vermehrt auf. Wie bei vielen Enteritiden anderer Genese sind auch bei Campylobacter-Infektionen Kinder unter 6 Jahren besonders häufig von der Erkrankung betroffen. Als Besonderheit findet man aber bei Infektionen durch C. jejuni und C. coli in Deutschland und anderen Industrieländern eine weitere Häufung bei jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren. In Deutschland waren Campylobacter bis zum Jahre 2003 (47.876 übermittelte CampylobacterFälle) sowohl die zweithäufigsten gemeldeten Erreger in der Gesamtstatistik als auch nach Salmonellen die zweithäufigsten gemeldeten bakteriellen Enteritiserreger. Für 2002 betrug die Inzidenz im Bundesdurchschnitt 68,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner, im Jahr 2003 lag sie bei 58,0 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Reservoir C. jejuni und C. coli sind in der Natur nahezu ubiquitär verbreitet. Sie kolonisieren als enterale Kommensalen ein breites Spektrum von Wild- und Haustieren wie freilebende Vögel und Säugetiere, aber auch Nutztiere, vor allem Geflügel und mit geringerer Prävalenz Milchrinder und Schweine. Haushunde und Katzen sind ebenfalls betroffen. Geflügel ist überwiegend mit C. jejuni kolonisiert bzw. kontaminiert. C. coli kommt überwiegend bei Schweinen vor. 6 Die Kolonisationsdichte kann sehr hoch sein und über 10 KBE/g Kot (KBE = Kolonie bildende Einheit) betragen. Die Erreger können, vor allem bei niedrigen Umgebungstemperaturen, einige Zeit in der Umwelt oder in Lebensmitteln überleben, sich aber nicht außerhalb des Wirtsorganismus, also z. B. in Lebensmitteln, vermehren. Darin unterscheiden sie sich z. B. von Salmonellen und pathogenen E. coli. Infektionsweg Campylobacter-Infektionen des Menschen sind vorzugsweise lebensmittelbedingt. Nach FallKontroll-Studien in England und Wales, den Niederlanden und den USA bilden unzureichend erhitztes oder kontaminiertes Geflügelfleisch und produkte (nicht aber Eier) die Hauptinfektionsquelle. Weitere Infektionsquellen sind nicht pasteurisierte Milch, kontaminiertes, nicht aufbereitetes Trinkwasser und Heimtiere (besonders durchfallkranke Welpen und Katzen) sowie rohes Hackfleisch. Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist wegen der geringen krankheitsauslösenden Infektionsdosis von ≥ 500 Keimen insbesondere bei Kindern möglich. Auch Infektionen beim Baden in kontaminierten Oberflächengewässern kommen vor. Krankheitsübertragende Lebensmittel und Wasser sind primär von ausscheidenden Tieren kontaminiert. Inkubationszeit In der Regel 2–5 Tage, in Einzelfällen 1–10 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Patienten sind potenziell infektiös, solange Erreger im Stuhl ausgeschieden werden. Die mittlere Ausscheidungsdauer beträgt 2–4 Wochen. Falls klinisch oder epidemiologisch indiziert, kann die Ausscheidung mit Antibiotika verkürzt werden, soweit keine Resistenz besteht. Bei immungeschwächten Personen, z. B. bei AIDS-Patienten, ist mit einer Langzeitausscheidung zu rechnen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 25 von 205 Klinische Symptomatik Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Manifeste Erscheinungen einer Infektion mit C. jejuni bieten gewöhnlich das Bild einer akuten Enteritis, die nicht von Enteritiden anderer Genese zu unterscheiden ist. Häufig bestehen 12–24 Stunden vor Auftreten der enteritischen Symptome Prodromi mit Fieber (38–40 C), Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien und Müdigkeit. Die häufigsten Symptome sind Diarrhoen, Abdominalschmerzen bzw. -krämpfe, Fieber, Müdigkeit. Die Diarrhoe kann breiig bis massiv wässrig, nicht selten auch blutig sein. Die Krankheit dauert in der Regel bis zu einer Woche, mitunter auch länger. Die seltenen protrahierten oder chronischen Verläufe betreffen meist resistenzgeminderte und immungeschwächte Personen. Als seltene Komplikation können das Guillain-Barré-Syndrom sowie reaktive Arthritiden auftreten. Ob eine antibiotische Therapie geeignet ist, die Häufigkeit solcher Komplikationen zu beeinflussen, ist nicht bekannt. Die Infektionen sind gewöhnlich selbstlimitierend, aber bei 5–10% der unbehandelten Patienten können Rezidive entstehen. Die sehr selten beschriebenen Infektionen durch C. fetus subspezies fetus verursachen oft systemische Manifestationen, vor allem bei Abwehrgeschwächten und Neugeborenen. Initial können intermittierende Diarrhoe oder unspezifische Abdominalschmerzen auftreten. Nach vorübergehender Symptomfreiheit kann die Krankheit erneut mit Fieber, Schüttelfrost und Myalgien rezidivieren. Komplikationen bzw. Spätfolgen sind in seltenen Fällen Endocarditis lenta, eine septische Arthritis, eine septische Phlebitis, Meningitis sowie das Guillain-BarréSyndrom. Diagnostik Die Sicherung der Diagnose durch Nachweis des Erregers erfolgt in der Regel durch Anzucht aus möglichst frischem Stuhl. Therapie In der Regel ist die Krankheit selbstlimitierend. Eine symptomatische Therapie mit Volumenund Elektrolytsubstitution ist in fast allen Fällen ausreichend. Eine antibiotische Therapie ist indiziert bei Patienten mit hohem Fieber, bei Verdacht auf septische Streuung und schweren klinischen Verläufen (z. B. bei immunsupprimierten Patienten und Persistenz der Symptome für länger als eine Woche). Mittel der Wahl sind in erster Linie Erythromycin und in zweiter Linie Chinolone (Gyrasehemmer). Bei letzteren wird eine zunehmende Resistenzentwicklung beobachtet. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Derzeit sind die Möglichkeiten zur Prophylaxe von Campylobacter-Infektionen des Menschen unbefriedigend. Am wichtigsten ist zum Schutz vor Campylobacter-Infektionen eine konsequente Einhaltung der Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung, insbesondere bei frischem oder tiefgefrorenem Geflügel. Weitere wichtige Faktoren sind das gründliche Durchgaren von Fleisch, vor allem Geflügelfleisch, und das Abkochen von Rohmilch, die direkt vom Erzeuger abgegeben wird. Auf den Verzehr von rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft (einschließlich Rohmilch als Hof- oder Vorzugsmilch) durch Säuglinge, Kleinkinder sowie alte und abwehrgeschwächte Menschen sollte verzichtet werden. Ebenso sollte, wenn möglich, kein unbehandeltes Oberflächenwasser getrunken werden. Die Sanierung oder Reduktion der Durchseuchung der Schlachtgeflügelbestände sowie die Verbesserung und strikte Einhaltung der Schlachthygiene, vor allem bei Geflügel und Schweinen, sind unbedingt erforderlich. Allgemeine Maßnahmen zur Prophylaxe der Übertragung von Campylobacter-Infektionen sind das Waschen der Hände mit seifenhaltigen Mitteln nach jedem Toilettenbesuch, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten Gegenständen (z. B. Windeln), Arbeitsgeräten und -flächen in der Küche und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur sicheren vollständigen Beseitigung, aber zur deutlichen Reduzierung der bakteriellen Keimkonzentration an den Händen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 26 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Während der Dauer ihrer Erkrankung sollten Patienten zu Hause bleiben und die aufgeführten Hygienemaßnahmen beachten. Nach Abklingen des Durchfalls können Gemeinschaftseinrichtungen wieder besucht werden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Bei Kleinkindern in Kindertagesstätten ist wegen der Möglichkeit einer direkten Übertragung von Mensch zu Mensch jedoch weiterhin Vorsicht geboten und die Durchführung der aufgeführten Hygienemaßnahmen sollte durch die Einrichtung selbst überwacht werden. Für Kontaktpersonen sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich, solange keine enteritischen Symptome auftreten. Personen, die an einer Campylobacter-Infektion erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 IfSG nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein. Diese Personen dürfen beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht tätig sein, wenn sie mit Lebensmitteln in Berührung kommen. Das gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung. Lebensmittel gemäß § 42 IfSG sind: Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus Eiprodukte Säuglings- und Kleinkindernahrung Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist es wichtig, die Infektionsquelle bzw. das übertragende Vehikel schnell zu erkennen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Dies erfordert eine enge Kooperation human- und veterinärmedizinischer Einrichtungen. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung durch bestimmte Lebensmittel oder infizierte Tiere, sollte das Gesundheitsamt die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde und das zuständige Veterinäramt unverzüglich informieren. In gleicher Weise sollten auch Veterinär- und Lebensmittelbehörden bei Kenntnis von Krankheiten, die im Zusammenhang mit Lebensmittelverzehr oder Tierkontakt stehen, das zuständige Gesundheitsamt informieren. Meldepflicht Nach § 7 IfSG ist der Nachweis von darmpathogenen Campylobacter-Spezies meldepflichtig, sofern eine akute Infektion anzunehmen ist. Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht und Erkrankung meldepflichtig, wenn die entsprechende Person eine Tätigkeit nach § 42 IfSG ausübt. Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 27 von 205 Cholera Definition Die Cholera ist eine durch Bakterien (Vibrio cholerae bzw. heute Vibrio el Tor) verursachte Infektionskrankheit. Da es sich um eine Darm-Erkrankung handelt werden die Erreger nur durch Stuhl und Erbrochenem ausgeschieden. Sie ist weit verbreitet in Ländern mit mangelnder Hygiene z.B.: Fernost, Afrika, Süd- und Mittelamerika. Das Erkrankungsrisiko ist für Touristen äußerst gering, weshalb die Krankheit auch selten nach Deutschland importiert wird. Einhaltung der Lebensmittel-, Trinkwasser- und Körperhygiene sind die wichtigsten Vorbeugemaßnahmen. Infektion Die Infektion erfolgt über Essen und Trinken und anderes Verhalten, bei den Bakterien über den Mund in den Verdauungstrakt gelangen. Die Erreger stammen von einem chronisch (aber subjektiv gesunden) Infizierten (Dauerausscheider), oder von kontaminierten Lebensmitteln bzw. Wasser, oder infizierten Stuhl von Erkrankten. Die Erreger können ebenfalls von Fliegen übertragen werden. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt 2 – 5 Tagen. Nach anderen Angaben auch wenige Stunden. Krankheitszeichen Übelkeit, Brechdurchfall, Bauchschmerzen, Heiserkeit, Muskel-Krämpfe, Nierenversagen. Die volumenreichen, häufigen, unkontrollierbar abgehenden Stühle sind durch Schleimbeimengungen „reis-wasserfarben“ und geruchlos. Vereinzelt tritt ein heftiger Brechreiz auf. Der Patient ist durch den rasanten Flüssigkeits- und Salzverlust gefährdet (Flüssigkeitsverlust bis zu 25 Liter pro Tag). Diagnose Sie wird durch ärztliche Untersuchung gestellt und den Nachweis der Erreger im Stuhl bewiesen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 28 von 205 Clostridium difficile Erreger: • Clostridium difficile ist ein sporenbildendes grampositives Stäbchen mit hoher Umweltresistenz. Die Pathogenität beruht auf der Wirkung von mindestens zwei spezifischen Toxinen. Epidemiologie: • Clostridium difficile ist der bedeutendste Erreger nosokomialer Diarrhoen. • 3% der Normalbevölkerung und 20-40% der Krankenhauspatienten sind kolonisiert. • Unter Antibiotikatherapie kann es zur massiven Vermehrung von Clostridium difficile und zur Toxinbildung kommen. • Nosokomiale Diarrhoen stehen an 5. Stelle der häufigsten Hospitalinfektionen. • Ein starker Anstieg der Inzidenz von Clostridium difficile-assoziierter Diarrhoe ist in den letzten zwei Jahren in Deutschland zu beobachten. • Ein neuer Stamm (Ribotyp O27) mit vermehrter Toxinbildung und dadurch bedingter höherer Virulenz und Letalität (bis zu 30%) ist in den USA, Kanada, Belgien, Frankreich und den Niederlanden aufgetreten. Auch in Deutschland ist dieser Stamm inzwischen nachgewiesen und hat zu schweren, in einigen Fällen tödlich verlaufenden Infektionen geführt. Risikofaktoren: • Antibiotikatherapie; insb. Clindamycin, Cephalosporine, Fluorchinolone • Verlängerter Krankenhausaufenthalt • Alter > 65 Jahre (80% der Fälle hospitalisierte Patienten > 65 Jahre) • Ernährung durch Sonde • Unterbringung im gleichen Zimmer wie ein Patient mit manifester Clostridium difficile-Infektion (CDI) • Immunsuppression Klinische Symptomatik • Von milder Diarrhoe bis zur Pseudomembranösen Kolitis mit Komplikationen wie dem toxischen Megakolon, Perforation, Sepsis. • Abdominale Schmerzen, erhöhte Leukozytenzahl • Manchmal Fieber Infektionsweg • Der Erreger wird über den Stuhl des Menschen ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt als Kontaktübertragung von Mensch zu Mensch bzw. fäkal-oral. • Die Infektiösität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis sehr gering. • Die größte Rolle spielt die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch. Hände des Krankenhauspersonals !! GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 29 von 205 • Ebenso kann es durch den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen (Sporen) zur Übertragung kommen. Inkubationszeit • Die Inkubationszeit umfasst einen Zeitraum von 1- 3 Tagen. Die Symptomatik kann auch erst 1-2 Wochen nach Absetzen des Antibiotikums einsetzen. Dauer der Ansteckungsfähigkeit • Personen sind insbesondere während der akuten Erkrankung ansteckungsfähig. Die Maßnahmen der Händehygiene sollten auch nach Sistieren der Durchfälle für ca. 2 Wochen fortgeführt werden. • Es sind hohe Rezidivraten (ca. 30%) trotz sachgerechter Therapie beobachtet worden. Diagnostik • Toxinnachweis im Stuhl, sehr labiles Toxin, Stuhl möglichst gekühlt und frisch in das Labor. • Bei Ausbrüchen Erregeranzucht mit Antibiogramm und anschließender Typisierung. Hygienemaßnahmen Von grundsätzlicher Bedeutung ist die strenge Einhaltung der Standardhygiene, insbesondere der Händehygiene. Aufgrund der Umweltresistenz der Sporen sind ein gründliches Händewaschen zusätzlich zur hygienischen Händedesinfektion und das konsequente Tragen von Handschuhen unbedingt nötig. Unterbringung • Patienten mit massiven Durchfällen im Einzelzimmer mit eigener Toilette isolieren. Bei Patienten mit leichterer Symptomatik mindestens Kontaktisolierung mit eigenem Toilettenstuhl. • Verwendung von Matratzenschutzbezügen ist zu empfehlen. • Patient darf sein Zimmer nur nach vorherigem Händewaschen und nach Anlegen eines Schutzkittels verlassen. • Kohortenisolierung ist möglich. – Die Isolierung kann nach Abklingen der klinischen Symptome aufgehoben werden. Fortsetzung der konsequenten Händehygiene für weitere 2 Wochen! Schutzmaßnahmen • Kittel- und Handschuhpflege • Bettenmachen und Reinigungsarbeiten mit Schutzkittel durchführen. • Schutzkittel für Besucher bei direktem Patientenkontakt. • Konsequente Händehygiene für Erkrankte, Personal und Besucher • Händedesinfektion und zusätzliches häufiges Händewaschen (Sporenreduktion durch bschwemmen). Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind gegen Clostridien-Sporen unzureichend wirksam. • Mit kontaminierten Handschuhen keine weiteren Gegenstände anfassen! • Handschuhe vor Verlassen des Zimmers in einem geschlossenen Behältnis entsorgen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 30 von 205 Aufbereitung • 1-2 mal tägliche Wischdesinfektion der patientennahen Flächen, vor allem alle Flächen mit häufigem Handkontakt (z. B. Nachttisch, Bettgestell, Nassbereich, Toiletten, Türgriffe). Bei Bedarf müssen auch weitere Flächen in die tägliche Desinfektion einbezogen werden. Die Keimreduktion durch verstärkte mechanische Reinigung trägt zur Entfernung der Sporen bei. Zur Flächendesinfektion sind vorzugsweise Mittel auf der Basis von Oxidantien einzusetzen. • Nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen gründliche desinfizierende Reinigung des Patientenzimmers. • Medizinprodukte mit direktem Patientenkontakt (z.B. Thermometer, Stethoskop, etc.) patientenbezogen oder als Einmalmaterial verwenden. • Nach Gebrauch müssen die Medizinprodukte desinfiziert werden, wenn möglich sind thermische Desinfektionsverfahren anzuwenden. • Geschirr wird in geschlossenen Behältnissen zur Spülmaschine transportiert wie üblich aufbereitet. • Wäsche und Textilien werden desinfizierend gewaschen. • Mit infektiösem Material kontaminierte Abfälle werden nach Abfallschlüssel 18 01 04 der LAGA-Richtlinie entsorgt. Für den Krankentransport gilt analog gleiches Vorgehen. Insbesondere sollte aber durch entsprechende Vorbereitung eine Kontamination von Flächen weitestgehend ausgeschlossen werden. Hygienische Maßnahmen wie für das Krankenhaus empfohlen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 31 von 205 Diphtherie Erreger Der Erreger der Diphtherie ist Corynebacterium (C.) diphtheriae (Familie Actinomycetales, Genus Corynebacterium) verursacht. Dabei handelt es sich um aerobe, unbewegliche, nicht sporulierende, grampositive unbekapselte Stäbchen. Bei mikroskopischer Betrachtung sind sie oft in Gruppen oder in paralleler Ausrichtung angeordnet. Auf selektiven Medien, die Kaliumtellurit enthalten, bilden sie graue bis schwarze Kolonien. Vier Biotypen (gravis, mitis, belfanti, intermedius) können anhand verschiedener Kriterien, z. B. der Morphologie der Kolonien, der hämolytischen Aktivität, der Zuckerfermentations-Reaktionen unterschieden werden. Allerdings ist diese Biotypisierung für die Epidemiologie von begrenztem Wert. Die Virulenz des Diphtherie-Erregers entsteht durch das Diphtherietoxin. Das Gen für das Toxinbildungsvermögen ist in spezifischen Corynephagen vorhanden; nichttoxigene C. diphtheriae erwerben die Fähigkeit, Diphtherietoxin zu erzeugen, durch Infektion mit tox+Phagen (Phagenkonversion). Nichttoxigene C. diphtheriae verursachen nur äußerst selten lokale Läsionen, sie werden jedoch zunehmend als Ursache für infektiöse Endokarditiden beobachtet. Gelegentlich können Stämme von zwei eng mit C. diphtheriae verwandten Corynebacterium Spezies, C. ulcerans und C. pseudotuberculosis, das Diphtherietoxin produzieren. Das klinische Bild einer Diphtherie wurde nach Infektionen mit toxinogenen C. ulcerans mehrfach beschrieben. Vorkommen Infektionen durch C. diphtheriae werden weltweit beobachtet. Die meisten Erkrankungen treten in gemäßigten Klimazonen mit einem saisonalen Morbiditätsgipfel im Herbst und Winter auf. Die Inzidenz und das Muster des Auftretens haben sich in den letzten 50–75 Jahren verändert. In den westlichen Industrieländern ist die Zahl der Erkrankungen erheblich zurückgegangen. In anderen Teilen der Welt ist die Diphtherie trotz eines auch dort beobachteten Rückganges noch immer endemisch (z. B. Russische Föderation, Afghanistan, Indischer Subkontinent, Indonesien, Philippinen, einige afrikanische Länder). Die im letzten Jahrzehnt erheblich erhöhte Diphtherie-Morbidität in der WHO-Region Europa entstand durch ausgedehnte regionale Epidemien in den GUS-Staaten. Im Mittelpunkt der Bekämpfungsmaßnahmen standen umfangreiche Impfaktionen, die eine Abnahme dieser Epidemien und damit der Erkrankungshäufigkeit in der WHO-Region Europa seit 1995 bewirkten. In Deutschland klang eine große Diphtherie-Epidemie, die 1942–1945 ihren Höhepunkt erreicht hatte, bis in die 60er Jahre hinein aus (1958 sank die Erkrankungszahl unter 10.000, erst 1964 unter 1.000). In den 50er Jahren starben noch 4.302, in den 60er Jahren noch 273 Menschen an Diphtherie. Seit 1984 werden – bei hohen Impfquoten im Kindesalter – nur noch Einzelfälle durch Meldung erfasst. Reservoir Der Mensch ist das einzige Reservoir für C. diphtheriae. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt bei pharygealem Befall durch Tröpfcheninfektion (face-to-face-Kontakt), bei der Hautdiphtherie durch Kontakt. Das Risiko einer Übertragung durch Erkrankte ist höher als das durch asymptomatische Träger (Ausscheider). Von 100 nicht immunen Exponierten kommt es bei etwa 10–20 zu einer Infektion (Kontagionsindex 0,1–0,2). Eine indirekte Übertragung durch kontaminiertes Material ist prinzipiell möglich, aber selten. Auch berufsbedingte Infektionsrisiken sind möglich, die letzte in Deutschland beobachtete Laborinfektion trat im Jahre 1996 auf. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2–5 Tage, selten bis zu 8 Tagen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 32 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange der Erreger in Sekreten und Wunden nachweisbar ist. In der Regel betrifft dies bei Unbehandelten einen Zeitraum von 2 Wochen, selten mehr als 4 Wochen, bei antibakterieller Behandlung nur 2–4 Tage. Klinische Symptomatik Bei Diphtherie-Erkrankungen in gemäßigten Klimazonen ist primär überwiegend der Respirationstrakt betroffen. Die Primärinfektion des Respirationstraktes betrifft hauptsächlich die Tonsillopharyngeal-Region, es kann aber (in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit) auch eine laryngeale, nasale oder tracheobronchiale Primärinfektion vorliegen. Die Krankheit beginnt meist allmählich mit Halsschmerzen, Temperaturen bis zu 39 °C und Schluckbeschwerden. Später kommt es zu Heiserkeit, Stridor, Gaumensegellähmungen, Lymphknotenschwellungen. Es entsteht eine Tonsillitis/Pharyngitis mit grau-weißen Pseudomembranen, die oft die Tonsillen überschreiten und sich auf Gaumen und Uvula, gegebenenfalls auch bis zum Kehlkopf, ausbreiten. Bei dem Versuch, die Membranen zu entfernen, kommt es meist zu Blutungen. Als charakteristisch gilt ein süßlicher Geruch, der vom erfahrenen Arzt bereits in einigem Abstand wahrgenommen werden kann. Die Schwellung im Bereich des Halses kann unter Umständen so massiv sein, dass es zur Obstruktion der Atemwege (Krupp) und zum Ersticken kommen kann. Bei Kehlkopfdiphtherie dominieren zunächst Husten und Heiserkeit. Bei Patienten mit nasaler Diphtherie zeigt sich oft ein serosanguinöser ein- oder beidseitiger Ausfluss aus der Nase. Die Haut-/Wunddiphtherie kommt vor allem in den Tropen vor. In westlichen Ländern sind vornehmlich bestimmte Risikogruppen betroffen, z. B. Obdachlose, Alkoholiker und Drogengebraucher. Die Infektion mit C. diphtheriae findet i.d.R. auf dem Boden einer präexistierenden Dermatose/Verletzung statt. Das klinische Bild gleicht dem anderer sekundärer bakterieller Hautinfektionen. Systemische Manifestationen (z. B. Tachykardie, Kreislaufkollaps) sind hauptsächlich auf die Wirkung des Diphtherietoxins zurückzuführen. Die wichtigsten Komplikationen sind neben der Obstruktion des Respirationstraktes die Myokarditis und Polyneuritis. Letztere können als Spätkomplikationen noch Wochen nach der akuten Erkrankung auftreten. Zu den selteneren Komplikationen gehören Nierenversagen, Enzephalitis, Hirninfarkt, Lungenembolie und Endokarditis. Der Tod tritt als Folge einer Atemwegsobstruktion oder eines Herzversagens ein. Die Letalität der Diphtherie liegt heute bei 5–10%, bei verzögerter oder suboptimaler medizinischer Versorgung steigt sie auf bis zu 25%. Diagnostik Bei klinischem Verdacht auf eine Diphtherie (s. Falldefinition) ist sofort eine Labordiagnostik einzuleiten: Der Nachweis des Erregers aus Rachenabstrichen (unter der Pseudomembran!), Nasen- oder Wundabstrichen sollte angestrebt werden. Die Abstriche sind vor Beginn der spezifischen Therapie zu entnehmen. Therapie Eine rasche klinische Verdachtsdiagnose ist als Indikation für eine sofortige spezifische Therapie (Gabe von Antitoxin als Immunserum vom Pferd und Antibiotikatherapie) von großer Bedeutung. Das noch nicht zellgebundene Toxin muss durch die sofortige Gabe von Antitoxin neutralisiert werden. Durch eine gleichzeitig begonnene antibiotische Therapie werden die toxinproduzierenden Keime eliminiert. Als Mittel der Wahl werden Penicillin oder Erythromycin empfohlen; andere Antibiotika, z. B. Tetrazykline, Rifampicin und Clindamycin, sind ebenfalls wirksam. Eine frühzeitig (bereits beim klinischen Verdachtsfall!) einsetzende Behandlung beeinflusst den Krankheitsverlauf entscheidend. Komplikationen können eine intensivmedizinische Behandlung erfordern, z. B. Intubation und Behandlung von Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen, Dialyse. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 33 von 205 Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Die Prophylaxe besteht in der aktiven Immunisierung mit einem Toxoid-Impfstoff. Die erzeugte antitoxische Immunität verhindert Erkrankungen weitgehend, nicht aber eine Infektion bzw. Kolonisation, so dass auch unter Geimpften Keimträger vorkommen können. Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert KochInstitut sollte die Diphtherie-Impfung bei allen Personen ohne ausreichenden Impfschutz (d. h. bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder wenn die letzte Auffrischimpfung länger als 10 Jahre zurückliegt) durchgeführt werden. Bei Angehörigen folgender Gruppen ist nach Meinung des RKI das ständige Aufrechterhalten eines ausreichenden Impfschutzes besonders indiziert: medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Erkrankten haben kann, Personal in Laboratorien mit Diphtherie-Risiko, Aussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber aus Gebieten mit Diphtherie-Risiko, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, sowie das Personal dieser Einrichtungen, Bedienstete des Bundesgrenzschutzes und der Zollverwaltung, Reisende in Regionen mit Diphtherie-Risiko (eine Reise von Ungeimpften in ein Infektionsgebiet sollte frühestens nach der 2. Impfung angetreten werden). Die Impfung gegen Diphtherie sollte in der Regel in Kombination mit der gegen Tetanus sowie, bei vorliegender Indikation, mit Pertussis durchgeführt werden. Bei bestehender DiphtherieImpfindikation und ausreichendem Tetanus- bzw. Pertussis-Impfschutz sollte monovalent gegen Diphtherie geimpft werden. Nichtgeimpfte Erwachsene oder Personen mit fehlendem Impfnachweis sollten 2 Impfungen im Abstand von 4–8 Wochen und eine 3. Impfung 6–12 Monate nach der 2. Impfung erhalten. Der Diphtherie-Impfschutz bei den Klein- und Vorschulkindern ist in Deutschland mit über 97% ähnlich gut wie der gegen Tetanus und Poliomyelitis. Die von der STIKO empfohlenen Auffrischimpfungen im Alter von 5 bis 6 Jahren, vor allem auch im Alter von 9 bis 17 Jahren, werden jedoch häufig nicht mehr verabfolgt. So sind bereits bei jüngeren Erwachsenen Defizite der Impfimmunität sichtbar, z. B. sind unter Rekruten der Bundeswehr meist nur noch etwa die Hälfte altersgerecht geimpft, obwohl über 95% von ihnen als Kinder eine Grundimmunisierung erhalten haben. Die empfohlenen Auffrischimpfungen bei den Erwachsenen in 10-jährigem Abstand werden überwiegend nicht realisiert, daher verfügt gegenwärtig nur etwa ein Drittel der Erwachsenen über sicher schützende Antikörper. Die Erwachsenen profitieren aber von einem guten, durch die hohen Impfraten der Kinder bedingten „Herdenschutz“. Bei Auslandsreisen entfällt dieser „Schutz“, so dass der Impfschutz zumindest vor Reisen in eines der zahlreichen Endemiegebiete unbedingt aktualisiert werden sollte. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Erkrankte Personen sollten stationär behandelt, in der Einrichtung isoliert und nur von Personal mit aktuellem Impfschutz betreut werden. Die Isolierung einschließlich der Schutzmaßnahmen gegenüber Tröpfchen- und Kontaktübertragungen darf erst aufgehoben werden, wenn nach Beendigung der Therapie bei drei Nasen- und Rachenabstrichen, die frühestens 24 Stunden nach Absetzen der Antibiotika im Abstand von jeweils mindestens 24 Stunden entnommen wurden, ein negatives Untersuchungsergebnis vorliegt. Eine weitere Kontrolle im Abstand von 2 Wochen soll das negative Ergebnis sichern. Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Diphtherie erkrankt oder dessen verdächtigt sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsicht- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit DiphtherieInfektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen (dies gilt entsprechend auch für Kontaktpersonen, s. u.). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 34 von 205 Maßnahmen in der Umgebung erkrankter Personen: Zur Verhütung der Übertragung des Erregers sind adäquate Desinfektionsmaßnahmen in der Umgebung eines Erkrankten erforderlich (Wohnung, Gesundheitseinrichtung – alle Gegenstände die Kontakt mit dem Patienten oder seinen Ausscheidungen hatten, sollten mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen Bakterien desinfiziert werden). Weiterhin sollte eine korrekte Händedesinfektion erfolgen. Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf Diphtherie aufgetreten ist, dürfen in einer Gemeinschaftseinrichtung nicht tätig sein bzw. diese nicht besuchen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist (§ 34 IfSG). Epidemiologisch wichtig sind sog. „enge Kontaktpersonen“. Dies sind Personen, die während der Ansteckungsfähigkeit eines an bestätigter Diphtherie Erkrankten engen Kontakt zu diesem hatten (d. h. der Atemluft des Erkrankten ausgesetzt waren oder Körperkontakt hatten). Zum Personenkreis der engen Kontaktpersonen können gehören: im Haushalt des Patienten lebende Personen, Mitschüler, Kinder der gleichen Gruppe einer Kindereinrichtung, Erzieher und Betreuer, medizinische Pflegekräfte, Arbeitskollegen, Freunde. Bei allen engen Kontaktpersonen sollten Nasen- und Rachenabstriche durchgeführt werden, sollte für einen Zeitraum von 7 Tagen eine Beobachtung der Gesundheit bezüglich des Auftretens klinischer Symptome erfolgen (Gesundheitskontrolle), sollte – unabhängig vom Impfstatus – eine präventive antibiotische Therapie, z. B. mit Penicillin (i.m.) oder Erythromycin (oral) durchgeführt werden. Ebenso müssen symptomlose Keimträger (Carrier) toxinbildender Stämme, die in der Umgebung eines Patienten entdeckt wurden, antibiotisch behandelt werden. Falls die letzte Diphtherie-Auffrischimpfung >5 Jahre zurückliegt, sollte eine Dosis Diphtherie-Toxoid geimpft werden. Im Falle einer unvollständigen oder fehlenden Grundimmunisierung sollte diese vervollständigt bzw. vorgenommen werden. Indikationen für weitere Impfungen, die ggf. (nur) in Kombination mit Diphtherie geimpft werden können, sollten berücksichtigt werden (z.B. Tetanus, Pertussis). Die Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung kann erfolgen bei behandelten Kontaktpersonen, bei denen kein Abstrich vorgenommen wurde, am 3. Tag nach Beginn der antimikrobiellen Therapie, bei Kontaktpersonen ohne antimikrobielle Therapie, wenn bei drei Nasen- und Rachenabstrichen (Abstand von 24 Stunden) ein negatives Untersuchungsergebnis vorliegt bei behandelten Keimträgern sind ebenfalls drei negative Befunde erforderlich, wobei die Abstriche frühestens 24 Stunden nach Abschluss der antimikrobiellen Therapie abgenommen werden sollten, im Ausnahmefall 7 Tage nach dem letzten Kontakt. Zum Nachweis der durchgeführten Behandlung und des Ergebnisses der mikrobiologischen Befunde ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist die Diagnose bei den ersten Erkrankungsfällen schnellstmöglich zu sichern. Das zuständige Gesundheitsamt berät, trifft die zur Verhütung der Weiterverbreitung erforderlichen Maßnahmen und kontrolliert deren Durchführung. Bei Epidemien oder regional erhöhter Morbidität geben die Gesundheitsbehörden, falls erforderlich, situationsgerechte Empfehlungen zur Durchführung von Impfungen. Im Rahmen eines Ausbruches sollte eine Auffrischung der Impfung bei allen Kontaktpersonen vorgenommen werden, die die letzte Impfdosis vor mehr als 5 Jahren erhalten haben. Bei der Indikation einer Diphtherie-Impfung sollten immer auch Indikationen für weitere Impfungen, z.B. gegen Tetanus und Pertussis geprüft werden. Meldepflicht Entsprechend § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Diphtherie namentlich durch den Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 35 von 205 Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für den Nachweis von toxinbildenden C. diphtheriae. Diese Meldungen werden gemäß § 11 IfSG über die zuständigen Landesbehörden an das RKI übermittelt. Für die Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Zusätzlich ist das Auftreten einer Erkrankung auch nach § 12 IfSG übermittlungspflichtig. Dies bedeutet, dass – zusätzlich zum Übermittlungsweg nach § 6 und 7 – Fälle von Diphtherie vom Gesundheitsamt aus unverzüglich an die zuständige oberste Gesundheitsbehörde und von dort unverzüglich an das Robert Koch-Institut zu übermitteln sind, welches dann die Informationen an die WHO weitergibt. Modifiziert nach RKI, Stand: 30.03.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 36 von 205 EHEC / HUS Erreger Enterohämorrhagische Escherichia (E.) coli sind Bakterien (gramnegative Stäbchen), welche die grundsätzliche Eigenschaft zur Bildung bestimmter Zytotoxine, der Shigatoxine – Stx (Synonyme: Shiga-like-Toxine – SLT, Verotoxine – VT) besitzen. Sie werden unter dem Begriff Shigatoxin- bzw. Verotoxin-produzierende E. coli (STEC bzw. VTEC) zusammengefasst. Historisch wurden diejenigen STEC als EHEC bezeichnet, die in der Lage waren, schwere Erkrankungen (hämorrhagische Kolitis und hämolytisch-urämisches Syndrom – HUS) hervorzurufen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher STEC-Stämme auch von Patienten mit milden gastroenteritischen Symptomen isoliert, so dass im Infektionsschutzgesetz (IfSG) unter dem Begriff EHEC diejenigen STEC verstanden werden, die fähig sind, beim Menschen Krankheitserscheinungen auszulösen und damit humanpathogen sind. Aufgrund ihrer Antigenstruktur gehören sie verschiedenen Serogruppen (Einteilung nach Oberflächen-O-Antigenen) an. Die weltweit am häufigsten isolierte EHECSerogruppe ist O157. Dies trifft auch auf Deutschland zu, wobei ihr Anteil an den an das RKI übermittelten gastroenteritischen EHEC-Erkrankungen weniger als 20% beträgt. Pathogenese Shigatoxine binden sich an spezielle Zellwandrezeptoren, vor allem im kapillaren Endothel, blockieren dort die Proteinsynthese und führen zum schnellen Zelltod. Zusätzlich besitzen viele EHEC eine sog. Pathogenitätsinsel (LEE – locus of enterocyte effacement), die für einen TypIII-Sekretionsapparat verantwortlich ist. Mit dessen Hilfe können EHEC zelltoxische bzw. inhibierende oder modulierende Proteine – in der Art einer Injektionsnadel – direkt in die Zielzelle applizieren. Das kann zu weiteren klinisch-pathogenen Effekten führen und dadurch die Virulenz der EHEC erhöhen. Leitmerkmal für diesen Typ-III-Sekretionsapparat ist das eaeGen. Dessen Genprodukt, das Protein Intimin, befähigt den Erreger u.a., sich eng an Darmepithelzellen anzuheften. EHEC, die kein eae-Gen besitzen, bilden andere Adhärenzsysteme aus, sind aber seltener in der Lage, ein HUS auszulösen. Neben ihrer besonderen Virulenz besitzen EHEC eine relativ große Umweltstabilität und eine gute Überlebensfähigkeit in saurem Milieu. Vorkommen EHEC-Infektionen treten weltweit auf. Die nach IfSG registrierte Häufigkeit in Deutschland ist gegenwärtig sehr von der Inanspruchnahme labordiagnostischer Möglichkeiten abhängig. Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 wurden jährlich zwischen 925 und 1.183 EHEC-Erkrankungen an das RKI übermittelt. Der Altersmedian der übermittelten EHECErkrankungen liegt bei 4 Jahren und beide Geschlechter sind annähernd gleich stark betroffen. Reservoir Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer (z.B. Rehe und Hirsche), werden als wichtiges Reservoir und Hauptinfektionsquelle für EHEC beim Menschen angesehen. Vereinzelt wurde nachgewiesen, dass auch andere landwirtschaftliche Nutztiere sowie Heimtiere EHEC ausscheiden. Die Bedeutung von Nichtwiederkäuern für die Verbreitung des Erregers und für Infektionen beim Menschen wird aber als gering eingeschätzt. Infektionsweg EHEC-Infektionen können auf vielfältige Art und Weise übertragen werden. Dabei handelt es sich stets um die unbeabsichtigte orale Aufnahme von Fäkalspuren, wie z.B. bei Kontakt zu Wiederkäuern oder beim Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Darüber hinaus können EHEC durch kontaminiertes Wasser (z.B. beim Baden) übertragen werden. Auch Mensch-zuMensch-Übertragungen sind im Gegensatz zu anderen bakteriellen Gastroenteritis-Erregern ein bedeutender Übertragungsweg – wahrscheinlich begünstigt durch die sehr geringe Infektionsdosis von EHEC (<100 Erreger für EHEC O157). In Deutschland sind gemäß einer vom RKI durchgeführten Fall-Kontroll-Studie die Übertragungswege für sporadische EHEC-Erkrankungen altersabhängig. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 37 von 205 Demnach birgt bei Kindern unter drei Jahren – der Altersgruppe mit der höchsten Meldeinzidenz für EHEC- und HUS-Erkrankungen – der direkte Kontakt zu einem Wiederkäuer (Rind, Schaf oder Ziege) das höchste Erkrankungsrisiko. Weitere Risikofaktoren sind der Konsum von Rohmilch und das Vorkommen von Durchfall bei Familienmitgliedern. Bei Kindern über neun Jahren und Erwachsenen hingegen handelt es sich wahrscheinlich in erster Linie um eine lebensmittelbedingte Erkrankung, wobei insbesondere der Verzehr von Lammfleisch und von streichfähigen Rohwürsten (Zwiebelmettwurst, Streichmettwurst, Teewurst) mit einem erhöhten Erkrankungsrisiko behaftet ist. Ungefähr die Hälfte aller EHEC-Isolate aus Lebensmitteln in Deutschland tragen die mit erhöhter Virulenz für den Menschen assoziierten Toxine Stx 2, Stx 2c und/oder Stx 2d. Unter diesen sind die häufigsten Serogruppen O113 und O91. International wurden seit der Erstbeschreibung der Erreger im Jahr 1977 insbesondere durch Ausbruchsuntersuchungen eine Vielzahl von Vehikeln bzw. Übertragungswegen für menschliche EHEC-Erkrankungen nachgewiesen. In den USA beispielsweise waren über 50% der Ausbrüche lebensmittelbedingt, und Rinderhackfleisch (z.B. in Hamburgern) war das am häufigsten identifizierte Lebensmittel. Aber auch andere Lebensmittel wie Salami, Mettwurst, Rohmilch, nicht pasteurisierter Apfelsaft und roh verzehrtes grünes Blattgemüse (z.B. Sprossen, Spinat) waren für Ausbrüche verantwortlich, wie epidemiologische und mikrobiologische Untersuchungen gezeigt haben. In Deutschland ereigneten sich in den letzten Jahren mehrfach größere Häufungen von HUSErkrankungen, sämtlich verursacht durch eine sorbitol-fermentierende Variante von EHEC der Serogruppe O157, ohne dass bislang eine Infektionsursache ermittelt werden konnte. Hingegen sind hierzulande traditionelle EHEC-Ausbrüche (bei denen nicht überwiegend HUS Erkrankungen beobachtetet werden) nach aktueller Datenlage selten. Zudem konnte die Infektionsquelle nur in den wenigsten Fällen aufgeklärt werden. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt ca. 2 bis 10 Tage (durchschnittlich 3 bis 4 Tage). Diese Erkenntnisse beruhen im Wesentlichen auf Untersuchungen zu EHEC der Serogruppe O157. Symptome EHEC-assoziierter HUS-Erkrankungen beginnen ungefähr 7 Tage (5 bis 12 Tage) nach Beginn des Durchfalls. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange EHEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden. Angaben zur durchschnittlichen Dauer der Keimausscheidung liegen nur für die Serogruppe O157 vor und variieren deutlich von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Allgemein gilt, dass der Erreger bei Kindern länger im Stuhl nachgewiesen werden kann als bei Erwachsenen. Mit einer Ausscheidungsdauer von über einem Monat bei klinisch unauffälligem Bild muss daher gerechnet werden. Klinische Symptomatik EHEC-Infektionen können klinisch inapparent verlaufen und somit unerkannt bleiben. Die Mehrzahl der manifesten Erkrankungen tritt als unblutiger, meistens wässriger Durchfall in Erscheinung. Begleitsymptome sind Übelkeit, Erbrechen und zunehmende Abdominalschmerzen, seltener Fieber. Bei 10–20% der Erkrankten entwickelt sich als schwere Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit krampfartigen Abdominalschmerzen, blutigem Stuhl und teilweise Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und abwehrgeschwächte Personen erkranken häufiger schwer. Gefürchtet ist das vor allem bei Kindern vorkommende HUS, das durch die Trias hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Nierenversagen bis zur Anurie charakterisiert ist. Diese schwere Komplikation tritt in etwa 5–10% der symptomatischen EHEC-Infektionen auf und ist der häufigste Grund für akutes Nierenversagen im Kindesalter. Hierbei kommt es häufig zur kurzzeitigen Dialysepflicht, seltener zum irreversiblen Nierenfunktionsverlust mit chronischer Dialyse. In der Akutphase liegt die Letalität des HUS bei ungefähr 2%. Diagnostik Eine EHEC-Infektion sollte bei jeder differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden. akuten Gastroenteritis im GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Kindesalter Hygiene im Rettungsdienst Seite 38 von 205 Dies gilt, unabhängig vom Alter, auch für Ausbrüche von Gastroenteritis (zwei oder mehr Erkrankungen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird). In folgenden Situationen besteht stets die Indikation zur mikrobiologischen Untersuchung einer Stuhlprobe auf EHEC: Diarrhoe und eine der folgenden Bedingungen: a) wegen Diarrhoe hospitalisierte Kinder bis zum 6. Lebensjahr b) sichtbares Blut im Stuhl c) endoskopisch nachgewiesene hämorrhagische Kolitis d) Patient ist direkt mit Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln befasst oder arbeitet in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit/ zur Gemeinschaftsverpflegung (§ 42 Abs. 1 Nr.3 lit. a und b IfSG) HUS Kontaktpersonen von Patienten mit HUS Pädiatrische Patienten mit akutem Nierenversagen Empfehlungen zur Labordiagnostik von EHEC-Infektionen Das wichtigste diagnostische Merkmal ist der Toxingen- bzw. Toxinnachweis. Daher ist das Ziel der Labordiagnostik die Erregerisolierung mit Toxingen- bzw. Toxinnachweis. Der Toxingennachweis soll mittels PCR (konventionell oder im Light-Cycler) aus Kolonieabschwemmung oder Stuhlanreicherung erfolgen; der Toxinnachweis soll mittels ELISA (EIA) aus der E.-coli-Kultur erfolgen (der Nachweis von Stx mittels ELISA direkt aus dem Stuhl ist zu unspezifisch). Die weitergehende Charakterisierung der Erreger, insbesondere für epidemiologische Fragestellungen, sollte in Abhängigkeit von der Herkunft der Isolate in einem der unten aufgeführten spezialisierten Laboratorien erfolgen. Bei HUS sollte zusätzlich eine Untersuchung des Serums auf LPS-Antikörper gegen E. coli O157 u. a. erfolgen. Therapie Die Behandlung der Krankheitssymptome kann nur symptomatisch erfolgen. Eine antibakterielle Therapie ist nicht angezeigt. Sie kann die Bakterienausscheidung verlängern und zur Stimulierung der Toxinbildung führen. Bei Vorliegen eines HUS werden in der Regel forcierte Diurese und bei globaler Niereninsuffizienz Hämo- oder Peritonealdialyse angewendet. Bei atypischen Verlaufsformen (insbesondere bei extrarenaler Manifestation des HUS) wird eine Plasmatherapie empfohlen. Der Nutzen dieser Therapieform müsste noch durch Studien untermauert werden. Bei Patienten, bei denen die von-Willebrand-Faktor-spaltende Protease ADAMTS13 (VWF-CP) erniedrigt ist bzw. bei denen Antikörper gegen die VWF-CP vorliegen, ist eine immunsuppressive Therapie empfohlen. Die Behandlung sollte in spezialisierten Zentren erfolgen. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Besonderes Augenmerk sollte auf Maßnahmen zur Vermeidung von EHEC-Infektionen durch Tierkontakt gelegt werden. Für Streichelzoos oder Bauernhöfe mit Publikumsverkehr gelten spezielle Empfehlungen (Epid. Bull. 1/2005). Der wesentliche Aspekt hierbei ist die enge Supervision von Kindern; Finger sollten nach Tier- oder Bodenkontakt nicht in den Mund gesteckt, sondern gründlich mit warmem Wasser und Seife gereinigt werden. Speisen und Getränke sollten nur außerhalb der Tierkontaktzonen eingenommen werden. Weitere Präventionsmaßnahmen betreffen die Vermeidung von Mensch-zu-Mensch Übertragungen (siehe unter 2.) und den sicheren Umgang mit Lebensmitteln. Im Besonderen sollten rohe Lebensmittel tierischer Herkunft und andere leicht verderbliche Lebensmittel (z.B. Fleisch, Mettwurst, Wurstaufschnitt, Milch und Milcherzeugnisse, Feinkostsalate) stets bei Kühlschranktemperatur gelagert werden. Bei der Zubereitung von Lebensmitteln (insbesondere Fleisch) sollte beachtet werden, dass die Speisen gut durchgegart sind (Kerntemperatur mindestens 70°C für 10 min). Zudem sollte Fleisch zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen möglichst nicht zeitgleich mit anderen, unmittelbar zum Verzehr bestimmten Lebensmitteln, auf keinen Fall jedoch unter Verwendung derselben Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen zubereitet werden, solange letztere nicht vor Weiterverwendung gründlich gereinigt wurden. Die Hände sollten zwischenzeitlich ebenfalls gewaschen werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 39 von 205 Milch sollte nicht in rohem Zustand, sondern nur nach Wärmebehandlung verzehrt werden. Die Abgabe von Rohmilch, Rohrahm oder nicht ausreichend erhitzter Milch an Verbraucher ist in Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung rechtlich untersagt. Deren Verarbeitung (z. B. zu Milcherzeugnissen) ist in diesen Einrichtungen zwar rechtlich zulässig, aus Gründen des vorbeugenden Gesundheitsschutzes wird jedoch davon abgeraten. Insbesondere Kinder und ältere Menschen sollten Lebensmittel tierischer Herkunft grundsätzlich nur durchgegart oder nach Anwendung eines anderen Bakterien abtötenden Verfahrens zu sich nehmen. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass sich auch Schwangere und immunsupprimierte Personen daran halten sollen. Auf den Genuss von Lebensmitteln tierischer Herkunft, die weder bei der Herstellung noch vor dem Verzehr erhitzt oder einem anderen Bakterien abtötenden Verfahren unterzogen werden können, z.B. frische Mettwurst oder Rohmilchkäse, sollten diese Personen (auch wegen der Möglichkeit anderer bakterieller Kontaminanten) verzichten. Wenn nicht bekannt ist, ob es sich im konkreten Fall um ein Rohfleischerzeugnis bzw. um ein Rohmilchprodukt handelt, sollten entsprechende Informationen eingeholt werden. 2. Vermeidung der Weiterverbreitung – Maßnahmen für Patienten, Ausscheider und Kontaktpersonen Die Übertragung von EHEC-Bakterien von Erkrankten auf Gesunde im Rahmen einer fäkaloralen Schmierinfektionen muss durch eine effektive Händehygiene (s. Mitteilung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut) verhütet werden. Während der Erkrankungsdauer ist eine regelmäßige Desinfektion von Handkontaktflächen (z. B. Gegenstände, Flächen, Sanitäranlagen) durchzuführen, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein könnten (s. hierzu auch die Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion von Flächen“). Abhängig von der Schwere der Symptomatik und dem Alter des Patienten ist eine Kontaktisolierung bei stationärer Versorgung und Personalschutz empfehlenswert. Im Haushalt Übertragungen von gastroenteritischen Infektionen im Haushalt betreffen häufig (Geschwister-) Kinder. Da sie zudem das höchste Risiko zur Ausbildung eines HUS tragen, sollte der primäre Fokus der Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung im Haushalt auf Kinder ausgerichtet sein. Eine effektive Händehygiene und die Desinfektion von Handkontaktflächen bilden die zentralen Maßnahmen (s. oben). Hierbei spielt insbesondere die Zeitnähe der Maßnahmen eine wichtige Rolle. Mit Stuhl oder Erbrochenem kontaminierte Gegenstände, Kleidungsstücke oder Flächen sollten umgehend gereinigt und desinfiziert werden. Betrifft die EHEC-Infektion einen Erwachsenen, sollte eine effektive Händehygiene auch vor jeder Zubereitung von Speisen erfolgen. In Schulen und ähnliche Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und Kindergärten Gemäß § 34 Abs. 1 des IfSG dürfen Personen, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. In Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Diese Vorschriften gelten auch für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf EHEC aufgetreten ist. Auch Ausscheider von EHEC dürfen nach § 34 Abs. 2 IfSG Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach klinischer Genesung ist im Regelfall möglich, wenn bei drei im Abstand von 1 bis 2 Tagen untersuchten Stuhlproben negative Befunde vorliegen. Ein schriftliches Attest ist erforderlich. Diese Empfehlung zur Wiederzulassung gilt auch für Ausscheider, da anschließend eine Weiterverbreitung der Infektion im Allgemeinen nicht zu befürchten ist. Ausnahmen sind mit Zustimmung des Gesundheitsamtes und unter Beachtung der gegenüber der Gemeinschaftseinrichtung GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 40 von 205 verfügten Schutzmaßnahmen möglich. Bei Langzeitausscheidern sollte das Virulenzprofil des EHEC-Stammes (einschließlich Serotyp, Toxintyp und Vorhandensein des eae-Gens) in die Risikoabwägung einbezogen werden. In Krankenhäusern u. a. Gemeinschaftseinrichtungen Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von EHEC beruhen auf drei Säulen: Die strikte Einhaltung der Händehygiene, die Isolierung der Patienten und eine gezielte Desinfektion aller Handkontaktflächen. Dazu enthalten die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention alle wichtigen Aussagen zur: Händehygiene Flächendesinfektion. Die Dokumente sind unter www.rki.de, Rubrik Infektionsschutz, Stichwort Krankenhaushygiene, Unterverzeichnis Empfehlungen der Kommission einzusehen. In Lebensmittelbetrieben und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die EHEC ausscheiden, beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in Abs. 2 aufgelisteten Lebensmittel (s.u.) nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen. Dies gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung. Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs. 2 IfSG sind: 1. Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus 2. Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis 3. Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus 4. Eiprodukte 5. Säuglings- und Kleinkindernahrung 6. Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse 7. Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage 8. Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei EHEC-Ausbrüchen ist eine schnelle Identifizierung und Eliminierung der Infektionsquelle erforderlich. Bei Verdachts-, Krankheits- oder Todesfällen muss daher das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich informiert werden und auf schnellstem Weg die Meldung erfolgen. Wenn der Verdacht auf eine Infektion durch bestimmte Lebensmittel oder Tiere besteht, sollte das Gesundheitsamt die zuständige Lebensmittelbehörde und das zuständige Veterinäramt unverzüglich informieren. Umgekehrt ist es erforderlich, dass Veterinär- und Lebensmittelbehörde auch das Gesundheitsamt unverzüglich informieren, wenn sie Kenntnis von Erkrankungen bei Menschen erhalten, die im Zusammenhang mit Lebensmittelverzehr oder Tierkontakt stehen bzw. wenn Befunde aus Lebensmittel- oder Tieruntersuchungen vorliegen, die Erkrankungen beim Menschen befürchten lassen. Meldepflicht Nach § 6 IfSG ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an enteropathischem hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) namentlich meldepflichtig. Weiterhin ist nach § 6 IfSG der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die eine Tätigkeit im Sinne des § 42 IfSG ausübt oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis enterohämorrhagischer Stämme von E. coli (EHEC) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion hinweisen. Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 Abs. 6 IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Modifiziert nach RKI, Stand: 11.01.2008 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 41 von 205 FSME Erreger Das die Frühsommer-Menningoenzephalitis (FSME) verursachende Virus gehört zum Genus Flavivirus in der Familie der Flaviviridae, der weitere humanpathogene Viren wie das Dengue-, das Gelbfieber- sowie das West-Nil-Virus angehören. Neben dem in Deutschland vorkommenden zentraleuropäischen Subtyp, der vor allem durch die Zecke Ixodes ricinus übertragen wird, gibt es auch einen fernöstlichen und einen sibirischen Subtyp, die im asiatischen Raum vorkommen und dort von der Zecke I. persulcatus übertragen werden. Zecken halten sich bevorzugt in Wäldern in nicht zu trockenen Lagen in hohem Gras und Gebüsch sowie in losem Laub auf. Damit sich der Erreger vermehren kann, ist eine Mindesttemperatur von etwa 8°C erforderlich. In Höhen oberhalb von 1.000-1.200 m halten sich keine Zecken auf. Durch einen Zeckenstich gelangen die Viren in die Blutbahn des Menschen und können dort die Krankheit auslösen. In den FSME-Endemiegebieten Deutschlands (s.u.) sind ca. 0,1–5% der Zecken mit dem Virus infiziert. Eine höhere Durchseuchung wurde gelegentlich bei Zecken bestimmt, die bereits am Menschen Blut gesogen hatten. Die o.a. Zecken können auch das Bakterium Borrelia burgdorferi übertragen, das zur LymeBorreliose führen kann. Hierbei handelt es sich um eine andere Krankheit, die wesentlich häufiger als die FSME auftritt (10–35% der Zecken können mit Borrelien befallen sein). Während die FSME in Deutschland nur in bestimmten Regionen auftritt, ist bei der Borreliose von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen. Vorkommen FSME-Virus übertragende Zecken kommen in vielen europäischen Ländern, Russland und in Asien vor. Wesentliche Verbreitungsgebiete in Deutschland liegen in Baden-Württemberg und Bayern. Endemiegebiete liegen ebenfalls im südlichen Hessen (Odenwald), im LK Birkenfeld in Rheinland-Pfalz und in vereinzelten Landkreisen in Thüringen (s. Epid Bull 17/2008). FSME-Endemiegebiete in Europa befinden sich auch in Österreich, den baltischen Ländern, in Russland, Polen, in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, in Ungarn, Südschweden, Finnland, Kroatien, Slowenien und Albanien. Von marginaler Bedeutung sind Frankreich, Italien, Griechenland (Einzelfälle). Kein FSME-Risiko besteht auf der Iberischen Halbinsel, in dem Vereinigten Königreich, den Benelux-Ländern und in Dänemark (mit Ausnahme von Bornholm, wo Einzelfälle beschrieben wurden). Die Krankheit tritt in Abhängigkeit von der Aktivität der virustragenden Zecken bevorzugt im Frühjahr und Sommer auf, häufig jedoch auch im Herbst. Bei warmer Witterung können Infektionen vereinzelt auch im Winter auftreten. Detaillierte, flächendeckende Zahlen über die Erkrankungshäufigkeit liegen in Deutschland seit der im Jahr 2001 eingeführten Meldepflicht nach dem IfSG vor. Reservoir Das primäre Erregerreservoir sind Kleinsäugerpopulationen, insbesondere Mäuse, aber auch Vögel, Rehe und Rotwild. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt durch Zeckenstich, sehr selten durch virusinfizierte Milch von Ziegen und Schafen, in Ausnahmefällen auch von Kühen. Eine Infektion von Mensch zu Mensch gibt es nicht. Inkubationszeit Gewöhnlich 7–14 Tage, in Einzelfällen bis zu 28 Tagen. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Erkrankte sind nicht ansteckend. Klinische Symptomatik Nicht jeder Stich einer infizierten Zecke führt zu einer symptomatischen Infektion. Nach erfolgter Infektion treten bei ca. 30% der Infizierten Krankheitserscheinungen auf. Der Krankheitsverlauf GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 42 von 205 ist biphasisch. Es kommt zunächst zu grippeähnlichen Symptomen mit mäßigem Fieber, Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindelgefühl. Nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer Woche (bis zu 20 Tagen) entsteht bei etwa 10% der Infizierten eine Meningoenzephalitis mit Fieber, Erbrechen, meningealen Reizerscheinungen, vereinzeltem Auftreten von Stupor oder Koma. Vor allem bei älteren Patienten kann sich zusätzlich eine Myelitis entwickeln. In diesen Fällen besteht die Gefahr von bleibenden neurologischen Ausfällen, in der Regel in Form von Paresen, aber auch von Anfallsleiden oder lange andauernden Kopfschmerzen. Diese Symptome können oft Monate nach der Erkrankung persistieren. Häufig kommt es jedoch selbst nach schweren Verläufen zur völligen Heilung. Schwere Krankheitsverläufe werden fast nur bei Erwachsenen beobachtet. Bei ca. 1% der Erkrankten mit ZNS-Beteiligung führt die Erkrankung zum Tode. Diagnostik Diagnostische Methode der Wahl ist der simultane FSME-Virus-spezifische IgM- und IgGAntikörper-Nachweis in Serum oder Liquor oder ein signifikanter Anstieg der Antikörperkonzentration zwischen 2 Proben im zeitlichen Abstand von 2-4 Wochen mittels des ELISA-Verfahrens. Weiterhin kann eine FSME durch den Nachweis intrathekal gebildeter FSME-spezifischer Antikörper (erhöhter Liquorserum-Index) diagnostiziert werden. Antikörper können mit Beginn der zweiten Krankheitsphase nachgewiesen werden. Zu beachten ist jedoch, dass FSME-Impfungen über längere Zeit zu nachweisbaren Spiegeln von FSMEspezifischen IgM-Antikörpern führen können. Zu Beginn der Erkrankung ist eine Virusisolierung aus Blut und Liquor möglich. Dies kann mittels Zellkultur-Verfahren oder einer nRT-PCR (nested reverse transcriptase polymerase chain reaction) erfolgen. Außerdem steht in Speziallaboratorien (z.B. Konsiliarlaboratorium) ein Westernblot (Dade Behring Marburg) zur Verfügung. Therapie Die Therapie erfolgt symptomatisch. Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht verfügbar. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Immunprophylaxe: Die aktive Immunisierung stellt einen wirksamen Schutz für potenziell gefährdete Einwohner und Besucher von Risikogebieten dar. Als Risikogebiete werden diejenigen FSME-Endemiegebiete definiert und bekannt gemacht, in denen bei Zeckenexposition ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko durch periodische Erkrankungsfälle belegt ist. Eine Indikation für eine Impfung besteht für Personen, die sich in FSME-Risikogebieten aufhalten und verhaltensbedingt – Berufsausübung, Freizeitaktivitäten – gegenüber Zecken exponiert sind (s.a. Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, STIKO, am Robert Koch-Institut). Das RKI veröffentlicht auf der Basis dokumentierter FSME-Erkrankungsfälle jährlich Karten zu FSME-Risikogebieten in Deutschland (s. Epid Bull 17/2008). Risikogebiete in Deutschland sind zur Zeit (Stand Frühjahr 2007) insbesondere BadenWürttemberg, Bayern (außer dem größten Teil Schwabens und dem westlichen Teil Oberbayerns), in Hessen die Kreise: Landkreis (LK) Odenwaldkreis, LK Bergstraße, LK Darmstadt-Dieburg, Stadtkreis (SK) Darmstadt, LK Groß-Gerau, LK Offenbach, LK Main-KinzigKreis, LK Marburg-Biedenkopf; in Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld); in Thüringen (SK Jena, SK Gera, LK Saale-Holzland-Kreis, LK Saale-Orla-Kreis, LK Saalfeld-Rudolstadt, LK Hildburghausen, LK Sonneberg). Zur Frage nach dem FSME-Risiko bei einer Auslandsreise sollte ggf. eine reisemedizinische Beratung erfolgen. Falls ein Aufenthalt in einem FSME-Endemiegebiet vorgesehen ist und sich ein Expositionsrisiko abzeichnet, ergibt sich eine Impfindikation (s. Epid Bull 16/2005). Für einen kompletten Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich – eine Grundimmunisierung, bestehend aus zwei Teilimmunisierungen sowie einer Boosterung (Angaben des Herstellers beachten). Auffrischimpfungen sind in Abständen zwischen 3 und 5 Jahren erforderlich. Eine postexpositionelle Immunprophylaxe ist nicht möglich. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 43 von 205 Expositionsprophylaxe: Ein wichtiger Grundsatz der Prävention der FSME und der Borreliose ist, Zeckenstiche nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei Wanderungen, die durch Strauchwerk oder hohes Gras führen, beim Beerensuchen usw. empfiehlt sich zur leichteren Erkennung der Zecken eine helle Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt. Die Anwendung von Repellents bietet nur einen zeitlich begrenzten Schutz. Nach naturnahem Aufenthalt in zeckengefährdeten Gebieten wird ein sorgfältiges Absuchen des Körpers nach Zecken empfohlen. Bei Zeckenbefall muss die Zecke umgehend, möglichst mit einer Zeckenpinzette, entfernt werden. Ein Quetschen sollte vermieden werden, da dann vermehrt Viren in den Wirtsorganismus gelangen. Aus dem gleichen Grund darf keinesfalls Öl oder Klebstoff angewandt werden. Nach Entfernung der Zecke ist eine sorgfältige Desinfektion der Wunde erforderlich. Für Haustiere bietet ein Zeckenhalsband einen zeitlich begrenzten Schutz. Auch andere Zeckenschutzmittel stehen für Haustiere zur Verfügung. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Da das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird, ist eine gesonderte Unterbringung von erkrankten Personen nicht erforderlich. Auch Maßnahmen für Kontaktpersonen, z.B. klinische Untersuchungen oder Impfungen, sind nicht notwendig. Wichtig ist jedoch eine genaue Befragung der erkrankten Personen zum vermutlichen Ort und den Umständen der Infektion, um die Aussagen zu den Risikogebieten präzisieren und damit die Prävention optimieren zu können. 3. Maßnahmen bei erstmaligem Auftreten von FSME-Erkrankungen in einem Gebiet Bei erstmaligem Auftreten von FSME in bislang nicht als Risikogebiet eingestuften Regionen sollte eine weiterführende Diagnostik zum Ausschluss von Kreuzreaktionen durch andere Flaviviren (Hinweise in der Anamnese: Reisen in Endemiegebiete der West-Nil-, Gelbfieber-, Japanische Enzephalitis-Viren, Impfungen gegen die beiden letzteren) durch einen Neutralisationstest erfolgen. Bei Verdacht auf Antikörper durch eine frühere Infektion oder Impfung können Aviditätstests hilfreich sein. Weiterhin sollten weiterführende epidemiologische Untersuchungen, z.B. an Zecken und Kleinsäugern, veranlasst werden. Außerdem sollten die Ärzte solcher Regionen ausführliche Informationen zum Befall der Zecken mit dem FSME-Virus erhalten. Weiterhin ist es erforderlich, dass für Ärzte Weiterbildungen zu diesem Thema organisiert werden. Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 14 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von FSME Virus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an. Übermittlung Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise die der Falldefinition gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a IfSG entsprechen. Modifiziert nach RKI, Stand: 25.04.2008 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 44 von 205 Gelbfieber Erreger Das Gelbfieber-Virus gehört zur Familie der Flaviviridae. Das Virion besitzt einen Durchmesser von 40-50 nm und ist von einer Lipidhülle umgeben. Die Replikation des Virus findet im Zytoplasma der Wirtszellen statt und ist eng mit dem endoplasmatischen Retikulum assoziiert. Die reifen Virionen gelangen an die Zelloberfläche und werden dort durch Exozytose oder Lyse der Zelle ausgeschleust. In Ost- und Westafrika werden zwei genetisch unterschiedliche Typen (sog. Topotypen), in den Endemiegebieten Amerikas ebenfalls zwei Typen unterschieden, von denen aber seit 1974 nur einer als Verursacher von Ausbrüchen in Erscheinung trat. Vorkommen Gelbfieber tritt in tropischen Gebieten auf beiden Seiten des Atlantiks auf. Die Gelbfieberzone Afrikas erstreckt sich etwa von 15° nördlicher bis 10° südlicher Breite. Dort leben etwa 468 Millionen Menschen. In Südamerika reicht der Gelbfiebergürtel von 20° nördlicher bis 40° südlicher Breite, umfasst neun Länder und einzelne Inseln in der Karibik. Besonders gefährdet sind in dieser Region Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru. Weltweit werden pro Jahr etwa 200.000 Erkrankungsfälle und 30.000 Sterbefälle innerhalb der einheimischen Bevölkerung der Endemiegebiete geschätzt. Erkrankungen bei Reisenden sind dank der verfügbaren und für die Endemiegebiete vorgeschriebenen Impfung seltene Ereignisse. In Deutschland trat 1999 eine Gelbfiebererkrankung auf, die tödlich verlief und einen nicht gegen Gelbfieber geimpften Mann betraf, der die Republik Elfenbeinküste bereist hatte. Reservoir Erregerreservoir sind Primaten und Stechmücken, die sich wechselnd infizieren. Nach Infektion einer Mücke bleibt diese infektiös und kann den Erreger über die Eier auf die Nachkommen weitergeben (Stechmückenzyklus). Durch diesen Vorgang kann es zum Überleben der Erreger in Trockenperioden bis zur nächsten Regenzeit kommen. Infektionsweg Eine Übertragung ist nur über Stechmücken der Gattungen Aedes und Haemagogus (letztere nur in Amerika) möglich. Es werden drei Übertragungszyklen unterschieden: Sylvatischer Zyklus (Busch- oder Dschungelgelbfieber) Die Infektionen spielen sich zwischen Affen und Mücken ab, Menschen werden bei entsprechender Exposition nur sporadisch infiziert. 2. Urbaner Zyklus (klassisches oder urbanes Gelbfieber, Stadtgelbfieber) Er wird in einer menschlichen Population durch infizierte Mücken und als Infektionsquellen dienende Menschen unterhalten und kann in einer empfänglichen Population zu Epidemien führen. 3. Intermediärer Zyklus Er stellt die aus epidemiologischer Sicht gefährliche Verbindung zwischen beiden Zyklen dar und kommt in waldnahen kleinen Siedlungen zustande, in denen Vektoren und Wirte (Menschen und Affen) eng nebeneinander leben. 1. Inkubationszeit Die Dauer der Inkubation beträgt 3-6 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur im Ausnahmefall durch Blutspenden möglich. Klinische Symptomatik Der klinische Verlauf kann sehr unterschiedlich sein. Bei einem Teil der Infizierten kommt es zu asymptomatischen Verläufen oder auch zu Erkrankungen mit einer relativ milden GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 45 von 205 Symptomatik (besonders bei Kindern). Die Erkrankung verläuft üblicherweise in zwei Phasen: Nach einem akuten Beginn mit Fieber (39-40 °C) Schüttelfrost, Myalgien, Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Nasenbluten und einer relativen Bradykardie kommt es innerhalb von 3-4 Tagen zu einem Rückgang der klinischen Symptome. Bei der Mehrzahl der Patienten tritt eine Genesung ein. Bei etwa 15 % der Erkrankten entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit eine sog. toxische Phase. Das Fieber steigt bei fallendem Puls (bis 40/min) erneut an und es treten kaffeesatzartiges Bluterbrechen, blutige Durchfälle und Blutungen aus verschiedenen Körperöffnungen, in Organe und in die Haut auf. Durch die Beteiligung der Leber kommt es zum Ikterus, der jedoch meist weniger intensiv ist, als es der Name der Krankheit vermuten lässt. Störungen der Nierenfunktion können von einer Albuminurie bis zur kompletten Anurie reichen. In manchen Fällen treten zentralnervöse Störungen auf, die sich u.a. in Sprachschwierigkeiten, Nystagmus, Bewegungsstörungen, Tremor und Krämpfen äußern können und Ausdruck einer metabolischen Enzephalopathie und eines zerebralen Ödems sind. Etwa die Hälfte der Patienten mit einer toxischen Phase stirbt, die Gesamtletalität des Gelbfiebers beträgt 10-20 %. Ein Überstehen der Krankheit, aber auch eine inapparente Infektion führen zu einer lebenslangen Immunität. Diagnostik Zur Diagnose eines Gelbfiebers ist heute die RT-PCR die Methode der Wahl (sie ist in der Regel bereits am ersten Krankheitstag positiv). Ein direkter Virusnachweis (am besten aus dem Blut) gelingt meist erst im Verlauf der Erkrankung (3.-8. Fiebertag). Antikörper der IgM- und IgGKlassen können erst 5-10 Tage nach Krankheitsbeginn mit konventionellen immunologischen Verfahren (Immunfluoreszenz, ELISA, HHT, Neutralisationstest) im Serum nach- gewiesen werden. Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen andere Flaviviren (Dengueviren, Japanische Enzephalitis, West-Nil-Fieber, FSME) müssen beachtet werden. - Nach 6 bis 12 Monaten verschwinden die IgM-Antikörper wieder. Neutralisierende IgG-Antikörper persistieren lebenslang und schützen vor Reinfektionen. Im Blutbild sind virustypische Veränderungen mit Granulozytopenie, Thrombozytopenie sowie Lympho- und Monozytose nachweisbar. Ab dem 4. Krankheitstag ist eine deutliche Proteinurie typisch. In der 2. Krankheitswoche können die Leberenzymwerte teilweise stark erhöht sein. Gerinnungsstörungen und hohe Konzentrationen von harnpflichtigen Substanzen können auf ein Multiorganversagen hinweisen. Therapie Eine spezifische Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung, so dass nur symptomatisch behandelt werden kann. Bei schweren Verläufen ist eine intensivmedizinische Betreuung erforderlich. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Zur Prophylaxe des Gelbfiebers steht ein sicherer, hoch immunogener und gut verträglicher Impfstoff zur Verfügung. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der auf der Basis abgeschwächter und auf Hühnerembryonen vermehrter Viren des 17D-Stammes hergestellt wird, daher sind Kontraindikationen zu beachten (z.B. Lebendimpfstoff nicht bei Immungeschwächten und Schwangeren anwenden, Hühnereiweißallergie beachten). Nach Gabe einer einmaligen Dosis setzt der Impfschutz 7-10 Tage später ein und hält mindestens 10 Jahre an. Ernste Nebenwirkungen sind extrem selten. Bei über 90% der Geimpften lassen sich nach erfolgter Impfung protektive Antikörper nachweisen. Nach den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut wird die Impfung für Reisende in Gelbfieberinfektionsgebiete empfohlen. Weiterhin müssen die Impfanforderungen der Ziel- oder Transitländer (tropisches Afrika und Südamerika) beachtet werden. Erforderlich ist eine einmalige Impfung, die in einer gesundheitsbehördlich zugelassenen Gelbfieber-Impfstelle erfolgen muss, das Impfzertifikat erlangt am 10. Tag nach GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 46 von 205 Applikation Gültigkeit. Eine Auffrischimpfung wird in 10-jährigen Intervallen empfohlen. Allgemeine präventive Maßnahmen bestehen in dem Schutz vor Mückenstichen, z.B. durch geeignete Kleidung, Moskitonetze und Repellents. Zu beachten ist, dass die übertragenden Spezies der Gattung Aedes sowohl tag- als auch nachtaktiv sind. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Wichtig ist es, bei fieberhaften Erkrankungen und entsprechender Reiseanamnese dieses Krankheitsbild rechtzeitig in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen, um frühzeitig die Diagnose zu stellen. Bei entsprechendem Krankheitsverdacht sollte sofort eine stationäre Einweisung in eine Klinik mit tropenmedizinischen Erfahrungen und der Möglichkeit einer intensivmedizinischen Betreuung erfolgen. Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Die Bekämpfung von Ausbrüchen in Endemiegebieten erfolgt in erster Linie durch Impfungen ungeschützter Personen (Riegelungsimpfungen). Sinnvoll sind ausgedehnte Mückenbekämpfungsmaßnahmen durch Einsatz von Insektiziden zur Vernichtung vorhandener Mückenpopulationen. Sehr wichtig ist eine möglichst rasche Erfassung der ersten Fälle eines Ausbruchs, um mit Impfungen und Mückenbekämpfungsmaßnahmen reagieren zu können. Meldepflicht Entsprechend § 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an virusbedingtem hämorrhagischem Fieber namentlich durch den Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Nach § 7 des IfSG besteht eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis des Gelbfiebervirus. Diese Meldungen werden gemäß § 11 über die zuständigen Landesbehörden an das RKI übermittelt. Zusätzlich ist das Auftreten einer Erkrankung auch nach § 12 IfSG übermittlungspflichtig. Dies bedeutet, dass - zusätzlich zum Übermittlungsweg nach § 6 und 7 - bestätigte Gelbfiebererkrankungen vom Gesundheitsamt aus unverzüglich an die zuständige oberste Gesundheitsbehörde und von dort unverzüglich an das Robert Koch-Institut zu übermitteln sind, welches dann die Informationen an die WHO weitergibt. Modifiziert nach RKI, Stand: 06.06.2001 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 47 von 205 Hanta Virus Erreger Hantaviren gehören zur Familie der Bunyaviridae, Genus Hantavirus. Der Name leitet sich vom innerkoreanischen Grenzfluss Hantaan ab. Während des Koreakrieges Anfang der 50er Jahre erkrankten mehr als 3.000 Soldaten an einem schwer verlaufenden hämorrhagischen Fieber. Das erst 1977 isolierte Virus erhielt später den Namen „Hantaan“. Bunyaviren sind umhüllte sphärische RNA-Viren mit einem Durchmesser von ca. 90–100 nm. Die Viren enthalten drei ringförmige Nukleokapside, die aus dem viralen Nukleokapsidprotein, drei unterschiedlich großen Segmenten des Minusstrang-RNA-Genoms sowie einer RNAPolymerase bestehen. Das kleinste Segment kodiert das Nukleokapsidprotein, das mittlere Segment die Glykoproteine für die Virushülle und das größte Segment die RNA-Polymerase. In die Hülle sind zwei Glykoproteine (G1, G2) integriert, die typspezifische antigene Determinanten tragen. Unterhalb der Genus-Ebene unterscheidet man eine größere Zahl von humanpathogenen Virustypen (synonym: Virusspezies), die mit jeweils spezifischen Nagerspezies als Reservoirwirten assoziiert sind. Die bekanntesten Virustypen sind Hantaan-, Puumala-, Dobrava-, Seoul-, Sin-Nombre- und das Andesvirus. Vorkommen Hantaviren sind weltweit verbreitet. Entsprechend der Verbreitung der Reservoirwirte sind die verschiedenen Hantavirus-Spezies geografisch unterschiedlich verteilt. In Südostasien, dem östlichen Russland und Südeuropa ist das Hantaanvirus (HTNV) endemisch, in den Balkanländern und Mitteleuropa findet man das Puumalavirus (PUUV) und das Dobravavirus (DOBV), während PUUV in Nord- und Westeuropa fast ausschließlich vorkommt. Das Seoulvirus (SEOV) soll weltweit vorkommen, jedoch ist seine wirkliche Verbreitung unbekannt. Hantaviren, die auf den amerikanischen Kontinenten vorkommen, werden entsprechend den Reservoirwirten als „Neuwelt“-Hantaviren bezeichnet. Darunter fallen die Virustypen Sin Nombre (SNV), New York (NYV), Black Creek Canal (BCCV) und Bayou (BAYV) und das in Südamerika vorkommende Andesvirus (ANDV). In Deutschland sind nach neuesten Studien des Konsiliarlaboratoriums für Hantaviren und des RKI Infektionen mit Puumalavirus (vor allem im Süden und Westen des Landes) und Dobravavirus (vor allem im Osten und Norden) vorherrschend. Infektionen mit Puumalavirus haben unter den gemeldeten Infektionen mit Angaben zum Virustyp den größten Anteil (2005: 98%). Die Hantavirus-Infektion ist in Deutschland gemäß IfSG seit dem 01.01.2001 meldepflichtig. In den Jahren 2001 bis 2005 wurden jährlich zwischen 150 und 450 klinischlabordiagnostisch bestätigte Hantavirus-Erkrankungen an das Robert Koch-Institut übermittelt, wobei aufgrund der unspezifischen Symptomatik von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist. Datenstände des laufenden Jahres können mit 3-wöchigem Meldeverzug dem Epidemiologischen Bulletin und SurvStat@RKI auf den Seiten des RKI (www.rki.de > Infektionsschutz) entnommen werden. Zudem finden sich in den Infektionsepidemiologischen Jahrbüchern die Daten der vergangenen Jahre. Hantavirus-Infektionen treten regelmäßig gehäuft in Baden-Württemberg auf, wo auf der Schwäbischen Alb ein bekanntes Hantavirus-Endemiegebiet liegt. Etwa drei Viertel der Erkrankten sind Männer, davon gehört mehr als die Hälfte der Altersgruppe der 30- bis 49Jährigen an. Die durchschnittliche Seroprävalenz in der Bevölkerung beträgt in Deutschland 1%. Je nach den beiden genannten geographischen Regionen überwiegen mit DobravavirusAntigen bzw. mit Puumalavirus-Antigen reaktive Seren. Diese unterschiedliche epidemiologische Situation kann auf die natürliche Ausbreitung der Brandmaus (Apodemus agrarius) als Träger des Dobravavirus zurückgeführt werden, welche im Süden und Westen des Landes nicht vorkommt. Die Rötelmaus (Myodes glareolus) als Träger des Puumalavirus ist in ganz Deutschland verbreitet. In Deutschland konnte bisher nur ein einziger HFRS-Fall durch eine Tulavirus-Infektion nachgewiesen werden. Seroepidemiologische Studien beim Menschen konnten einzelne Tulavirus-reaktive Seren nachweisen. Die Feldmaus (Microtus arvalis) als Reservoir des Tulavirus ist in ganz Deutschland verbreitet. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 48 von 205 Reservoir Im Unterschied zu den übrigen Bunyaviren (Orthobunya-, Nairo-, Phlebovirus) erfolgt die Infektion mit Hantaviren nicht durch Arthropoden (Sandflöhe, Zecken und Mücken), sondern der Erreger wird über Tierausscheidungen von asymptomatisch lebenslang infizierten Nagetieren (vor allem Mäusen und Ratten) auf den Menschen übertragen. Das Auftreten von Hantaviren ist an die Verbreitungsgebiete der entsprechenden Nagetierwirte gebunden. So findet man in Amerika humanpathogene Hantaviren, die von Vertretern der Unterfamilie „Neuweltmäuse“ (Sigmodontinae) übertragen werden. In Europa und Asien bilden Vertreter der „Echten Mäuse“ (Murinae), die auch als „Altweltmäuse“ bezeichnet werden, und „Wühlmäuse“ (Arvicolinae) das Reservoir für Hantaviren. Jede Hantavirus-Spezies hat ihren eigenen spezifischen Reservoirwirt, der nur eine oder mehrere eng verwandte Nagerspezies umfasst. Das Reservoir von Puumalavirus ist die Rötelmaus, von Dobravavirus die Brandmaus, die Gelbhalsmaus (Apodemus flavicollis) und wahrscheinlich auch die Schwarzmeerwaldmaus (Apodemus ponticus), von Hantaanvirus die Brandmaus, von Seoulvirus verschiedene Rattenarten (Rattus norvegicus, Rattus rattus), von Sin-Nombre-Virus die Hirschmaus (Peromyscus maniculatus) und von Andesvirus die Reisratte (Oligoryzomys longicaudatus). Infektionsweg Die Viren werden von infizierten Nagetieren über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden und können darin einige Zeit infektiös bleiben. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch die Inhalation virushaltiger Aerosole, durch den Kontakt der verletzten Haut mit kontaminiertem Staub oder durch Bisse. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt üblicherweise 2–4 Wochen, in Ausnahmefällen kann sie 5–60 Tage betragen. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Übertragung von Hantaviren von Mensch zu Mensch findet bei den in Europa und Asien prävalenten Virustypen nicht statt. Bisher gibt es nur bei dem hochvirulenten, in Südamerika vorkommenden Andesvirus einen Hinweis auf eine mögliche Übertragung von Mensch zu Mensch. Klinische Symptomatik In Abhängigkeit vom verursachenden Virustyp können Hantaviren verschieden schwere Krankheitsbilder hervorrufen. Die Erkrankung beginnt meist mit abrupt einsetzendem Fieber, das über 3–4 Tage anhält. Begleitend treten unspezifische grippeähnliche Symptome wie Kopfschmerzen und Myalgien auf. Virustypen, die in Europa und Asien prävalent sind, rufen ein hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) hervor. Die eher milde Verlaufsform des HFRS wird auch als Nephropathia epidemica (NE) bezeichnet, die vom Virustyp Puumala und Vertretern des Dobravavirus verursacht wird. Hantaviren aus Nord- und Südamerika verursachen das Hantavirus Cardiopulmonary Syndrome (HCPS). Eine überstandene Infektion führt wahrscheinlich zu einer Virustyp-spezifischen Immunität. Das gemeinsame Auftreten mehrerer der folgenden Symptome kann auf eine mögliche Hantavirus-Infektion (HFRS) hinweisen: Akuter Krankheitsbeginn mit Fieber > 38,5 °C Rücken- und/oder Kopf- und/oder Abdominalschmerz Proteinurie und/oder Hämaturie Serumkreatinin-Erhöhung Thrombozytopenie Oligurie beziehungsweise nachfolgend Polyurie Der Verdacht sollte serologisch abgeklärt werden. Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) Die Erkrankung beginnt meist abrupt mit hohem Fieber, das über 3–4 Tage anhält. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 49 von 205 Zunächst stehen unspezifische Allgemeinsymptome wie Schüttelfrost, Glieder- und Kopfschmerzen, Lichtscheue, Sehstörungen, Rachenrötung und Husten im Vordergrund. Nach wenigen Tagen treten bei den meisten Patienten ausgeprägte Lumbalgien, abdominale Schmerzen, Schwindel und Erbrechen auf. Diese Phase ist durch eine Hypotension bis hin zum Schock und weitere hämostatische Störungen gekennzeichnet, die sich beispielsweise im Auftreten von konjunktivalen Einblutungen und Petechien der Haut manifestieren können. Im weiteren Verlauf kommt es zum Anstieg der Nierenretentionswerte bis hin zur dialysepflichtigen Niereninsuffizienz. Die polyurische Phase leitet die Rekonvaleszenz ein. Diese kann mehrere Wochen anhalten und von einer renalen Hypertonie begleitet sein. Die Letalität der moderaten bis schweren Formen des HFRS beträgt 5–15%. In einigen Fällen lassen sich bei HFRS-Patienten auch extrarenale Manifestationen beobachten, z.B. eine Begleithepatitis sowie vereinzelt Myokarditis, Thyreoiditis oder ZNSBeteiligung. Auch pulmonale Symptome können beim HFRS auftreten. Die mildere Verlaufsform des HFRS, Nephropathia epidemica, zeigt die oben genannten klassischen HFRS-Stadien weniger ausgeprägt. Sie verläuft eher als grippeähnliche Erkrankung mit Nierenbeteiligung. Die Nierenfunktionsstörung präsentiert sich mit Hämaturie, Proteinurie und Nierenversagen. Hämorrhagien treten nur sehr selten auf, die zum Schock führende schwere Hypotension fehlt meist. Die Letalität liegt unter 1%. Hantavirus-induziertes kardiopulmonales Syndrom (HCPS) Das HCPS zeichnet sich aus durch einen abrupten, hoch fieberhaften Beginn mit unspezifischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Myalgien, Schwäche, Schwindel, abdominale Schmerzen. In einer späteren Phase 4–10 Tage nach Symptombeginn treten Husten, Tachy- und Dyspnoe auf. Es kommt zur kardiopulmonalen Dekompensation mit Lungeninfiltration (pulmonales Ödem) und Entwicklung eines rapid progredienten Atemnotsyndroms (ARDS). Die Letalität liegt bei diesen Verlaufsformen zwischen 40 und 50%. Diagnostik Die Diagnose einer Hantavirus-Infektion wird in der Regel anhand des klinischen Bildes und der serologischen Untersuchungsergebnisse gestellt, die bereits einen Hinweis auf den Serotyp geben. Therapie Die Hantavirus-Erkrankung wird in erster Linie rein symptomatisch behandelt. Dies umfasst eine intensivmedizinische Betreuung zur Beherrschung von Blutungen und zur Stabilisierung des Kreislaufs sowie die Therapie der akuten Niereninsuffizienz mittels Dialyse oder die Intubation und maschinelle Beatmung zur Therapie des ARDS. In einzelnen Fällen erwies sich die frühzeitige antivirale Chemotherapie mit Ribavirin als erfolgreich. Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Aktuell stehen weder ein zugelassener Impfstoff noch eine spezifisch gegen den Erreger gerichtete Therapie zur Verfügung. Daher ist die Expositionsprophylaxe die wichtigste Maßnahme zur Verhütung von Hantavirus-Infektionen. Der wirksamste Schutz vor Infektionen besteht im Vermeiden von Kontakten mit den Ausscheidungen von Nagetieren. Im Umfeld menschlicher Wohnbereiche (insbesondere Keller, Dachböden, Schuppen etc.) sollten Mäuse und Ratten intensiv bekämpft werden und die allgemeinen Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Wichtig ist vor allem die sichere Aufbewahrung von Lebensmitteln, damit Nagetiere sich nicht im Umfeld von Häusern oder Wohnungen aufhalten. Beim Umgang mit toten Nagetieren oder dem Aufenthalt in von Mäusen verunreinigten Räumen sollen bestimmte Schutzmaßnahmen eingehalten werden, z.B. kann eine mögliche Staubentwicklung in kontaminierten Bereichen durch Befeuchten vermieden werden. Bei zu erwartender Staubentwicklung sollten Atemschutzmasken und Handschuhe getragen werden. Mäusekadaver und Exkremente sollten vor der Entsorgung mit Desinfektionsmittel benetzt werden. Infektionsgefährdet sind insbesondere Personen, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen einen Kontakt zu infizierten Nagern und deren Exkrementen begünstigen oder die in direktem Kontakt mit dem Virus stehen, z.B. Waldarbeiter, Beschäftigte in der Landwirtschaft und GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 50 von 205 Laborpersonal. Sie sollten besonders über Übertragungswege und Schutzmaßnahmen informiert sein. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine Absonderung von erkrankten Personen ist nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind ebenfalls keine besonderen Maßnahmen erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Die Erkrankung mehrerer Personen aus dem gleichen Wohn- oder Arbeitsumfeld lässt auf eine gemeinsame Infektionsquelle, insbesondere Mäuseexposition, schließen, die intensiv bekämpft werden sollte. Meldepflicht Entsprechend § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an virusbedingtem hämorrhagischem Fieber namentlich durch den Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis des Hantavirus. Diese Meldungen werden gemäß § 11 über die zuständigen Landesbehörden an das Robert Koch-Institut übermittelt. Zusätzlich ist das Auftreten der Verlaufsform eines hämorrhagischen Fiebers auch nach § 12 IfSG übermittlungspflichtig: Das Gesundheitsamt hat unverzüglich die zuständige oberste Landesgesundheitsbehörde und diese unverzüglich das RKI zu informieren. Vom RKI wird die Information an die WHO weitergegeben. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.09.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 51 von 205 Hepatitis A Erreger Die Hepatitis A (HA), früher auch als Hepatitis infectiosa oder Hepatitis epidemica bezeichnet, wird durch das Hepatitis-A-Virus (HAV) verursacht. Es handelt sich um ein einzelsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Picornaviridae (Genus Hepatovirus). Der Erreger wird über den Darm ausgeschieden. Charakteristisch für das HAV sind seine ausgeprägte Umweltstabilität, hohe Thermostabilität und hohe Desinfektionsmittelresistenz. Vorkommen Das HAV ist weltweit verbreitet. Die Infektionen treten sporadisch, endemisch oder in Form von Epidemien auf. In Entwicklungsländern machen nahezu alle Menschen die Infektion bereits im Kindes- und Jugendalter durch. In den industriell entwickelten Ländern Europas und Nordamerikas mit hohem Hygienestandard kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem erheblichen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit. Dies hat dazu geführt, dass immer mehr Jugendliche und Erwachsene keine Immunität gegen HAV aufweisen und beispielsweise Personen, die in Deutschland aufgewachsen sind, durch Reisen in Länder mit starker HAVVerbreitung infektionsgefährdet sind. Der Anteil der „Reisehepatitis“ lag in den letzten Jahren bei etwa 40–50 % aller in Deutschland gemeldeten Hepatitis-A-Fälle. In Deutschland werden die Daten entsprechend der Meldepflicht gemäß IfSG erfasst. Reservoir Der Mensch ist der Hauptwirt und das epidemiologisch einzig relevante Reservoir von HepatitisA-Viren. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Kontakt- oder Schmierinfektion, entweder im Rahmen enger Personenkontakte, z. B. im Kindergarten oder im gemeinsamen Haushalt, oder von Sexualkontakten, vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sowie durch kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder Gebrauchsgegenstände. Epidemische Ausbrüche in verschiedenen Ländern wurden meist durch kontaminiertes Trinkwasser, Badewasser oder kontaminierte Lebensmittel, besonders häufig Muscheln oder Austern, sowie mit Fäkalien gedüngtes Gemüse und Salate hervorgerufen. Eine Übertragung durch Blut und Blutprodukte (auch mehrmalig genutzte Spritzenbestecke bei Drogenabhängigen) in der Virämiephase, die mehrere Wochen andauern kann, wurde beschrieben. Inkubationszeit Ca. 15–50 Tage (im Allgemeinen 25–30 Tage). Dauer der Ansteckungsfähigkeit Erkrankte Personen sind 1–2 Wochen vor und bis zu 1 Woche nach Auftreten des Ikterus oder der Transaminasenerhöhung ansteckend. Infizierte Säuglinge können das Virus u. U. über mehrere Wochen im Stuhl ausscheiden. Klinische Symptomatik Der Verlauf einer HAV-Infektion ist vor allem bei Kindern häufig subklinisch oder asymptomatisch. Prodromalerscheinungen treten in Form von unspezifischen gastrointestinalen Symptomen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl auf. Gelegentlich können Temperaturerhöhungen bestehen. Es kann sich die ikterische Phase anschließen, die wenige Tage bis mehrere Wochen dauert. Es besteht eine Lebervergrößerung und bei etwa 25 % der Patienten auch eine Milzvergrößerung. Es können sich Zeichen einer Cholestase entwickeln. Häufig besteht Hautjucken, gelegentlich können auch flüchtige scarlatiniforme Exantheme auftreten. In der folgenden 2- bis 4-wöchigen Genesungsphase kommt es zur Normalisierung des subjektiven Befindens und der labordiagnostischen Befunde. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 52 von 205 In bis zu 10 % der Erkrankungen mit manifester Hepatitis A können protrahierte Verlaufsformen auftreten, die unter Umständen mehrere Monate lang andauern, aber komplikationslos ausheilen. Bei insgesamt 0,01–0,1 % der Patienten kommt es zu fulminanten und dann meist letalen Verläufen, deren Häufigkeit mit dem Alter ansteigt und die insbesondere bei Vorgeschädigten (z. B. Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C) zu beobachten sind. Die Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität. Therapie Eine spezifische Therapie gegen die Hepatitis A existiert nicht. Symptomatische Maßnahmen bestehen in Bettruhe und Behandlung der Allgemeinsymptome (Erbrechen, grippeähnliche Symptome). Potenziell lebertoxische Medikamente dürfen nicht verabfolgt werden. Wichtig ist eine absolute Alkoholkarenz. In der ersten Zeit sollte eine kohlenhydratreiche und fettarme Kost verabfolgt werden. Strenge diätetische Maßnahmen sind nicht erforderlich. Bei den meisten Patienten mit Hepatitis A ist eine Krankenhauseinweisung nicht notwendig, sofern sie zu Hause ausreichend versorgt werden. Inwieweit Bettruhe eingehalten werden muss, ist vom Zustand des Patienten abhängig; strikte Bettruhe ist meist nicht nötig. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Eine Indikation für eine Hepatitis A-Impfung besteht in erster Linie für Reisende in Gebiete mit hoher Hepatitis-A-Prävalenz; dazu gehören neben den meisten tropischen Gebieten bereits der gesamte Mittelmeerraum und Osteuropa. Darüber hinaus wird die Impfung gemäß den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, STIKO, am Robert Koch-Institut (www.rki.de > Infektionsschutz > Impfen > Empfehlungen der STIKO) für folgenden Personenkreis empfohlen: Indikationsimpfung: 1. Homosexuell aktive Männer 2. Personen mit substitutionspflichtiger Hämophilie 3. Personen in psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte. 4. Personen, die an einer chronischen Leberkrankheit einschließlich chronischer Krankheiten mit Leberbeteiligung leiden und keine HAV-Antikörper besitzen. Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos, z. B. nach Gefährdungsbeurteilung entsprechend Biostoffverordnung und G 42 sowie aus hygienischer Indikation: 1. HA-gefährdetes Personal* im Gesundheitsdienst, z. B. in der Pädiatrie und Infektionsmedizin. 2. HA-gefährdetes Personal in Laboratorien (z. B. Stuhluntersuchungen) 3. Personal* in Kindertagesstätten, Kinderheimen u. ä. 4. Personal* in psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte. 5. Kanalisations- und Klärwerksarbeiter mit direktem Kontakt zu Abwasser * Unter „Personal“ ist hier medizinisches und anderes Fach- und Pflegepersonal sowie Küchen- und Reinigungskräfte zu verstehen. Postexpositionelle Prophylaxe/Riegelungsimpfungen: Personen mit Kontakt zu an Hepatitis A Erkrankten (Riegelungsimpfung: vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen und Schulen). Bei einer aktuellen Exposition von Personen, für die eine Hepatitis A ein besonderes Risiko darstellt, kann zeitgleich mit der ersten Impfung ein Immunglobulinpräparat gegeben werden. Wichtig ist dabei, die Geimpften darauf hinzuweisen, dass weder die aktive noch die passive postexpositionelle Immunisierung den Ausbruch der Erkrankung in allen Fällen verhindern können. Die Betroffenen sollten aufgefordert werden, für einen Zeitraum von mindestens 2 Wochen besondere hygienische Maßnahmen einzuhalten. Neben den von der STIKO empfohlenen sind auf der Basis der existierenden Impfstoffzulassungen weitere „Impfindikationen“ möglich, auf die hier nicht weiter eingegangen GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 53 von 205 wird, die aber für den Einzelnen seiner individuellen (gesundheitlichen) Situation entsprechend sinnvoll sein können. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, seine Patienten auf diese weiteren Schutzmöglichkeiten hinzuweisen. Insofern hindert auch eine fehlende STIKOEmpfehlung den Arzt nicht an einer begründeten Impfung. Bei der Grundimmunisierung und eventuellen Auffrischimpfungen sind die Angaben der Hersteller zu beachten. Nach der ersten Impfdosis mit monovalentem Impfstoff sind bei mindestens 95 % der Geimpften HAV-Antikörper nachweisbar. Schützende Antikörper entstehen bei den meisten Geimpften 12– 15 Tage nach der ersten Impfdosis. In Anbetracht der langen Inkubationszeit kann die Impfung daher auch noch kurz vor der Reise und sogar kurz nach einer Exposition sinnvoll sein. Eine Vortestung auf anti-HAV ist bei vor 1950 Geborenen sinnvoll sowie bei Personen, die in der Anamnese eine mögliche HA aufweisen bzw. längere Zeit in Endemiegebieten gelebt haben. Kombinationsimpfstoffe gegen Hepatitis A und Hepatitis B sind verfügbar. Eine Schutzwirkung ist dann in der Regel allerdings erst nach der zweiten Impfdosis vorhanden. Weiterhin ist ein Kombinationsimpfstoff des Hepatitis-A-Impfstoffs mit einem Impfstoff gegen Typhus verfügbar. Die Immunität nach vollendeter Grundimmunisierung (2 Dosen Impfstoff, bei dem Hepatitis-Aund -B-Kombinationsimpfstoff 3 Dosen) dauert bei Erwachsenen mindestens 12 Jahre an; Modellrechnungen gehen von einer Immunitätsdauer von 20 bis 25 Jahren aus. Derzeit wird bei immunkompetenten Personen eine Auffrischimpfung nach vollendeter Grundimmunisierung nicht für notwendig angesehen; unklar ist noch, ob sie für spezielle Risikogruppen notwendig ist. Es ist zu beachten, dass für die in den 1990er Jahren verfügbaren schwächer dosierten monovalenten Impfstoffe (Havrix 720 für Erwachsene, Havrix 360 für Kinder) ein 3-DosenSchema zum Erreichen eines länger andauernden Impfschutzes empfohlen war. Aufgrund des fäkal-oralen Übertragungsweges kann vor allem durch eine konsequente Händehygiene, das Tragen von Handschuhen bei potenziell möglichem Kontakt mit Ausscheidungen des Patienten sowie eine wirksame Händedesinfektion mit einem Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener „viruzider“(1) Wirksamkeit eine Übertragung des Erregers vermieden werden. Das Virus kann außerhalb des Wirts u. U. monatelang stabil bleiben, daher sind kontaminierte Oberflächen mit einem Desinfektionsmittel mit nachgewiesener „viruzider“ Wirksamkeit durch Wischen zu desinfizieren. (1) Siehe Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren, Stellungnahme des Arbeitskreises Viruzidie am Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2004; 47(1): 62–66 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Beim Umgang mit an Hepatitis A Erkrankten und ihren Kontaktpersonen ist zu berücksichtigen, dass der Höhepunkt der Virusausscheidung und damit der Gipfel der Infektiosität in der späten Inkubationsphase, d. h. 1–2 Wochen vor Beginn des Ikterus, liegt. Im Krankenhaus ist die Benutzung einer eigenen Toilette sowie die Belehrung über eine sorgfältige Händehygiene notwendig. Eine Isolierung ist bis zu 2 Wochen nach Auftreten der ersten klinischen Symptome bzw. eine Woche nach Auftreten des Ikterus angezeigt. Im Übrigen gelten die Regeln der Standardhygiene. Entsprechend § 34 Abs. 1 Nr. 19 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Für die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten gilt, dass sie, falls sie an Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen. Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 getroffenen Regelungen gelten entsprechend für Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf Hepatitis A aufgetreten ist. Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die an Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, nicht tätig sein oder beschäftigt werden GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 54 von 205 a) beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in § 42 (2) genannten Lebensmittel, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen oder b) in Küchen von Gaststätten Gemeinschaftsverpflegung. und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Lebensmittel gemäß § 42 (2) sind Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus Eiprodukte Säuglings- und Kleinkindernahrung Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen Kontaktpersonen sind über Übertragungswege, Symptome und präventive Maßnahmen zu informieren. Eine Isolierung von Kontaktpersonen ist bei bestehendem Impfschutz und/oder nach früher durchgemachter Erkrankung nicht erforderlich. Eine postexpositionelle Schutzimpfung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Mit einem Impfschutz ist im Allgemeinen nach 12–15 Tagen zu rechnen. Wichtig ist dabei, die Geimpften darauf hinzuweisen, dass weder die aktive noch die passive postexpositionelle Immunisierung den Ausbruch der Erkrankung in allen Fällen verhindern können. Alle Kontaktpersonen sollten für 1–2 Wochen nach einer postexpositionellen Impfung aus Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen werden. Außerdem sollten für mindestens 4 Wochen strikte hygienische Bedingungen eingehalten werden. Ansonsten sind Kontaktpersonen 4 Wochen nach dem letzten Kontakt zu einer infektiösen Person vom Besuch von Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen auszuschließen, sofern nicht die strikte Einhaltung von hygienischen Maßnahmen zur Verhütung einer Übertragung gewährleistet ist (§ 34 Abs. 7 IfSG). Dazu gehört vor allem eine wirksame Händehygiene. Bei Auftreten unklarer klinischer Symptome innerhalb der Inkubationszeit sollten Kontaktpersonen umgehend einen Arzt aufsuchen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Da Ausbrüche überwiegend von kontaminiertem Trinkwasser oder kontaminierten Lebensmitteln ausgehen, ist es wichtig, die Ursache des Ausbruches schnell zu finden und durch effiziente Maßnahmen zur Sanierung der Infektionsquelle und Unterbrechung von Infektketten eine weitere Verbreitung zu verhindern. Alle Beteiligten sind gründlich über die Übertragungswege, Symptome und präventive Maßnahmen (s.o.) zu informieren. Bei infektionsgefährdeten Personen im Umfeld eines Ausbruches werden Impfungen mit einem Impfstoff, der ein 2-Dosen-Schema zulässt, empfohlen (sog. Riegelungsimpfungen). In ausgewählten Fällen kann bei individuell besonders gefährdeten Personen eine passive Immunisierung entsprechend der individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung mit Immunglobulinen sinnvoll sein. Wird sie innerhalb von 10 Tagen nach der HAV-Exposition verabfolgt, ist es in 80– 90 % der Fälle möglich, eine Infektion zu verhindern. Die Gabe sollte spätestens bis zum 14. Tag erfolgt sein. Meldepflicht Gemäß dem IfSG ist laut § 6 Abs. 1 der feststellende Arzt verpflichtet, sowohl den Verdacht als auch Erkrankung und Tod an akuter Virushepatitis an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Leiter von Untersuchungsstellen (Laboratorien) sind verpflichtet (§ 7), den direkten oder indirekten Nachweis des Hepatitis-A-Virus zu melden, soweit dieser auf eine akute Infektion hinweist. Modifiziert nach RKI, Stand: 11.03.2008 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 55 von 205 Hepatitis B Erreger Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein kleines, umhülltes DNA-Virus, das zur Familie der Hepadnaviridae gehört. Das Genom besteht aus einer zirkulären, teilweise doppelsträngigen DNA, die über ein RNA-Intermediat mit Hilfe einer Reversen Transkriptase synthetisiert wird. Die Virushülle besteht aus dem lipidhaltigen Hepatitis-B-Oberflächenantigen (Hepatitis B surface antigen, HBsAg), das für den serologischen Nachweis einer akuten bzw. chronischen Infektion von Bedeutung ist. Die Hülle umschließt das Viruskapsid, das aus dem Core-Antigen (HBcAg) aufgebaut ist. Es sind acht verschiedene Genotypen (A–H) und acht HBsAg-Subtypen bekannt, deren Verbreitung in verschiedenen geographischen Regionen unterschiedlich ist. Die Feindifferenzierung mit molekularen bzw. serologischen Methoden kann für die Aufdeckung von Infektionswegen bzw. -ursachen von großem Nutzen sein. Das Virus verfügt über eine für ein umhülltes Virus vergleichsweise hohe Stabilität gegenüber Umwelteinflüssen sowie über eine hohe Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln. Schutz- und Hygienemaßnahmen müssen dem Rechnung tragen. Vorkommen Die Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt. Weltweit haben nach Angaben der WHO etwa 2 Milliarden Menschen eine HBV-Infektion durchgemacht und 5 bis 7 % der Weltbevölkerung, also 300 bis 420 Millionen Menschen, sind chronisch mit HBV infiziert. Nach wie vor ist eine hohe Zahl von neu Infizierten zu verzeichnen, obwohl seit Anfang der 80er Jahre für die Hepatitis B ein Impfstoff mit hoher Wirksamkeit und guter Verträglichkeit zur Verfügung steht. Die erhebliche gesundheitspolitische Bedeutung der Hepatitis B ergibt sich in erster Linie aus den Folgen chronischer Infektionen, insbesondere der Entwicklung einer Leberzirrhose bzw. eines Leberzellkarzinoms. Pro Jahr wird weltweit mit bis zu einer Million Todesfällen infolge von HBV-bedingten Leberzirrhosen oder Leberzellkarzinomen gerechnet. In Europa beobachtet man ausgeprägte Unterschiede in der regionalen Verbreitung. Zwischen < 0,1 % der Bevölkerung in Nordwesteuropa (Skandinavien, Vereinigtes Königreich) und bis zu 8 % der Bevölkerung in Ost- bzw. Südeuropa sind chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert. In der Bundesrepublik Deutschland ist bei ca. 7 % der Gesamtbevölkerung anti-HBc als Merkmal einer durchgemachten HBV-Infektion nachweisbar. 0,6 % (95 % Vertrauensbereich 0,4 bis 0,8 %) sind chronische HBsAg-Träger. Dies entspricht 300.000 bis 650.000 Personen. Auf Grund der Impfung der jüngeren Alterskohorten wird die Verbreitung von Hepatitis B voraussichtlich innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre deutlich zurückgehen. Seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 wurden in Deutschland 2.371 Fälle für das Jahr 2001, 1.425 Fälle für das Jahr 2002 und 1.304 Fälle für das Jahr 2003 gemäß der Referenzdefinition übermittelt. Reservoir Das Reservoir für Hepatitis-B-Viren bilden insbesondere chronisch HBV-infizierte Personen (HBsAg-Positive). Vor allem symptomarm oder symptomlos chronisch Infizierte (s. auch klinische Symptomatik) stellen eine Infektionsquelle dar. Infektionsweg 11 HBV erreicht insbesondere im Blut eine hohe Konzentration bis zu 10 Viruspartikel/ml Plasma 8 bzw. Serum und über 10 Viruspartikel /ml infektiöse Einheiten. Das bedeutet, dass bereits kleinste Mengen Blut das Virus übertragen können, wenn es über – auch geringfügige – Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den Körper gelangt. Es ist zudem in Speichel, Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Colostrum enthalten, wenngleich in wesentlich geringeren Konzentrationen. Schätzungen zufolge hat die sexuelle Übertragung hierzulande einen Anteil von 60 bis 70% an den Neuinfektionen. Hierfür spricht die Altersverteilung der akut Erkrankten: Ein Großteil der akuten Hepatitis-B-Fälle wird in der Gruppe der jungen Erwachsenen beobachtet. Darüber hinaus ergab die Analyse der Risikofaktoren, dass sexuelle Expositionen an erster Stelle GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 56 von 205 genannt wurden. In den westlichen Industriestaaten gelten darüber hinaus Angehörige bestimmter Risikogruppen als besonders gefährdet (z.B. i.v. Drogengebraucher, homosexuell aktive Männer, Prostituierte; s.a. STIKO-Empfehlungen). Von Bedeutung für die HBV-Morbidität werden auch künftig aus Hochprävalenz-Ländern einreisende Personen sein, ebenso wie Urlaubsreisende, die HBV durch sexuelle Kontakte im Ausland erworben haben. Das Risiko, bei der Übertragung von Blut oder Blutprodukten mit HBV infiziert zu werden, war bis zur Einführung der HBsAg-Testung aller Blutspenden Anfang der siebziger Jahre hoch, hat dann aber durch die zunehmend verbesserte Spenderauswahl und insbesondere durch die immer spezifischere HBsAg-Testung der Spender stark abgenommen. Heute wird das Restrisiko, dass eine unerkannt infektiöse Spende geleistet wird, auf 1 : 250 000 bis zu 1 : 500 000 geschätzt. Plasmaderivate, insbesondere Faktor XIII, IX oder PPSB konnten bis zur Einführung sicherer Inaktivierungsverfahren und der Testung der Plasmapools auf HBV-DNA mit HBV kontaminiert sein. Heute sind sie als virussicher zu betrachten. Die Hepatitis B ist – trotz der seit Jahren verfügbaren Schutzimpfung – wie die Tuberkulose, Hepatitis A und C eine wichtige berufsbedingte Infektionskrankheit im Gesundheitswesen. In Bereichen mit der Möglichkeit des direkten Kontaktes zu Blut und Körperflüssigkeiten wurden in Abhängigkeit von den Merkmalen und der Dauer der Tätigkeit HBV-Marker bei 15 bis 25 % (und mehr) der ungeimpften Mitarbeiter festgestellt. Genaue Angaben zur Gesamtzahl der jährlich berufsbedingt erworbenen Hepatitis-B-Erkrankungen liegen wegen der Bearbeitung durch verschiedene gesetzliche Unfallversicherer z.Z. nicht vor. Bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege (BGW), bei der etwa 40 % der im medizinischen Bereich Beschäftigten versichert sind, wurden in den vergangenen Jahren jährlich mehr als 100 Verdachtsmeldungen berufsbedingter Hepatitis-B-Erkrankungen bearbeitet. Neben Ärzten und Pflegepersonal in Kliniken zählen bestimmte Patientengruppen, beispielsweise Dialysepflichtige, zu dem besonders gefährdeten Personenkreis. Obwohl strenge Regeln für die Infektionsverhütung gerade für den medizinischen Bereich vorliegen, sind noch immer Hepatitis-B-Übertragungen bei nicht geimpften Personen von Patient zu Patient, von Patient zu Personal und im Rahmen von Operationen auch von Personal auf Patient zu verzeichnen. HBV-Ausbrüche kamen bei immundefizienten Patienten (Transplantation, Onkologie, Dialyse) häufiger vor, da die Infizierten eine sehr hohe Virämie bei Fehlen von klinischen Symptomen aufweisen können. Hygienefehler bei invasiven Therapien (z.B. Eigenblutinjektionen) werden mitunter in der "Alternativmedizin" begangen. Eine sehr wichtige Gruppe mit Risikoverhalten stellen i.v. Drogengebraucher dar. Für das hohe HBV-Übertragungsrisiko unter Drogengebrauchern ist in besonderem Maße der Spritzen- und Kanülentausch, deren Mehrfachnutzung sowie gemeinsame Nutzung anderen Zubehörs ohne ausreichende Desinfektion/Sterilisation von ausschlaggebender Bedeutung. Die zu dieser Gruppe gehörenden Personen weisen, wie die Angehörigen bestimmter Gruppen mit Risikoverhalten, auch ein erhöhtes Risiko für andere übertragbare Krankheiten (Hepatitis C, HIV/AIDS-Virus, Tuberkulose) auf. Häufig liegen bei diesen Personen gleichzeitig Infektionen mit mehreren Erregern vor. Zu Gruppen mit erhöhtem Risiko zählen auch Straf- und Untersuchungsgefangene, unter denen sich ein erheblicher Anteil von i.v. Drogengebrauchern befindet. Infektionsrisiken beruhen in dieser Gruppe im wesentlichen ebenfalls auf Spritzenund Kanülentausch, aber auch ungeschützte sexuelle Kontakte können eine Rolle spielen. Andere Übertragungswege, die durch den Kontakt infizierter Körperflüssigkeiten mit Schleimhäuten bzw. Bagatellverletzungen oder anderweitig geschädigter Haut zustande kommen (z.B. in Familien oder in Einrichtungen für Kinder oder Behinderte), sind möglich. Unklar ist, welche Rolle beispielsweise Tätowierungen, Piercing oder Ohrlochstechen, die in der Regel von nichtmedizinischem Personal durchgeführt werden, bei der HBV-Übertragung zukommt. Bei nicht sachgemäßem Vorgehen besonders unter unhygienischen Verhältnissen stellen sie einen potenziellen Übertragungsweg dar. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich der Übertragungsweg anamnestisch bei mehr als einem Drittel aller HBV-Infektionen nicht eindeutig nachvollziehen. Ein zu beachtender Übertragungsweg des HBV ist nach wie vor die Infektion Neugeborener von HBsAg-positiven Müttern. HBV-infizierte Frauen können die Infektion durch prä- bzw. perinatale Übertragung zu einem hohen Prozentsatz (bei HBeAg-Positivität bis zu 95 %) an ihr Kind weitergeben, GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 57 von 205 sofern das Neugeborene keine Prophylaxe, bestehend aus aktiver und passiver Impfung, erhält. Ausgehend von der Häufigkeit der HBV-infizierten Personen in Deutschland (0,4 bis 0,8 %), ist bei einer Zahl von 750.000 Geburten pro Jahr davon auszugehen, dass zwischen 3.000 und 6.000 Kinder von HBV-infizierten Müttern geboren werden. Dabei sind die Neugeborenen von Müttern aus Ländern mit hoher Prävalenz besonders gefährdet (siehe auch unten: Präventive Maßnahmen). Inkubationszeit Die Zeit bis zur Manifestation der Krankheit kann 40–200 Tage betragen (im Durchschnitt etwa 60–90 Tage), die Dauer ist vor allem von der Erregerdosis abhängig. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht unabhängig von den Symptomen der Krankheit, solange HBV-DNA, HBsAg oder HBeAg als Merkmale der Virusvermehrung nachweisbar sind. Die Ansteckungsgefahr hängt vom Ausmaß der Virämie und der Art des Kontaktes ab. Von chronisch infizierten HBV-Trägern kann, unterschiedlich ausgeprägt, jahrelang eine Ansteckungsgefahr ausgehen. Prinzipiell muss jeder HBsAg-Positive als potenziell infektiös angesehen werden. Klinische Symptomatik Die HBV-Infektion kann sehr unterschiedlich verlaufen. Für das Verständnis der vielfältigen Verlaufsformen ist es wesentlich, dass die Krankheitssymptome durch die Immunabwehr des Infizierten, nicht durch das Virus selbst, hervorgerufen werden. Bei fehlender oder schwacher Immunabwehr vermehrt sich das Virus sehr stark. Bis zur Entwicklung einer Immunantwort dauert es auch bei Immunkompetenten 1 bis 6 Monate, so dass eine hohe Infektiosität i.d.R. einige Wochen vor Krankheitsausbruch besteht. Die HBV-Infektion führt bei Erwachsenen bei ca. einem Drittel der Infizierten zum klinischen Bild einer akuten ikterischen Hepatitis. Bei einem weiteren Drittel der Infizierten sind anikterisch verlaufende Erkrankungen zu erwarten. Ein Drittel der Infektionen verläuft asymptomatisch. Die Frühphase (Prodromalstadium) der akuten Hepatitis B beginnt mit unspezifischen Symptomen (Appetitlosigkeit, Gelenkschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen und Fieber). Drei bis 10 Tage später beginnt ggf. die ikterische Phase, der Urin verfärbt sich dunkel, ein Ikterus tritt auf. Dieser erreicht seinen Höhepunkt nach 1 bis 2 Wochen und blasst dann innerhalb von 2 bis 4 Wochen wieder ab. Ein fulminantes Leberversagen tritt in weniger als 1 % der akuten Fälle auf. HBeAg-negative HBV-Varianten sollen gehäuft zu schweren akuten Verläufen führen. Die meisten akuten Hepatitis-B-Erkrankungen bei Erwachsenen (> 90 %) heilen vollständig aus und führen zu einer lebenslangen Immunität. Bei ca. 5 bis 10 % der HBV-infizierten Erwachsenen entwickelt sich eine chronische Verlaufsform. Von einer chronischen Infektion spricht man, wenn HBsAg länger als 6 Monate nach Infektion nachweisbar bleibt. Häufig entwickelt sich eine chronische Infektion, ohne dass eine akute Erkrankung bemerkt wurde. Eine chronische Hepatitis B geht in aller Regel mit dem Vorhandensein des HBs-Ag einher, in seltenen Fällen allerdings findet sich eine chronische Hepatitis B ohne Vorhandensein des HBs-Ag. Infolge einer chronischen Hepatitis B können eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom entstehen. Bei HBe-Ag-Positiven wird das Risiko einer Leberzirrhose auf 8 bis 10 % pro Jahr, bei HBe-Negativen auf 2 bis 5,5 % pro Jahr geschätzt. Die chronische HBV-Infektion erhöht das Risiko für die Entwicklung eines Leberzellkarzinoms gegenüber der Normalbevölkerung um den Faktor 100. Besteht eine Zirrhose, so beträgt das Risiko eines Leberzellkarzinoms 2 bis 7 % pro Jahr, während dieses ohne zugrundeliegende Zirrhose wesentlich seltener auftritt (0,1 bis 0,6 % pro Jahr). In Einzelfällen kann bei asymptomatischen HBsAg-Trägern eine Reaktivierung der HBVReplikation mit einem entzündlichen Schub eintreten. Besonders kritisch ist die Reaktivierung unter Immunsuppression. Bei Rekonstitution des Immunsystems (z.B. im Rahmen von Stammzell-Transplantationen) kann es dann zur fulminanten Hepatitis kommen. Gleichzeitig mit dem Auftreten einer akuten, aber auch bei einer chronischen Hepatitis B kann es zu einer Ko- bzw. Superinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV) kommen. Das HDV kann sich als defektes Virus nur dann vermehren, wenn sich HBV ebenfalls vermehrt. In Deutschland sind Infektionen mit HDV selten. Die Übertragung von HDV erfolgt meist GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 58 von 205 parenteral, insbesondere durch i.v. Drogengebrauch, teilweise auch sexuell. Eine HDV-Superinfektion eines HBV-Trägers führt zu einer schwerer verlaufenden Lebererkrankung als eine alleinige HBV-Infektion. Die HDV-Superinfektion nimmt bei über 90 % der Infizierten einen chronischen Verlauf. Sie führt zu einer erhöhten Leberzirrhose-Inzidenz und zu einem früheren Auftreten von Leberzellkarzinomen. Diagnostik Die Diagnostik einer Hepatitis-B-Erkrankung basiert auf dem Vorliegen von klinischen Symptomen, auf der Bestimmung erhöhter Serumwerte bestimmter Enzyme (z.B. Transaminasen, GPT bzw. ALT und GOT bzw. AST) und insbesondere auf den Ergebnissen spezifischer serologischer Methoden. Therapie Die akute Hepatitis B stellt in der Regel keine Indikation für eine antivirale Therapie dar. Lediglich bei einem Abfall des Quick-Wertes unter 35 % im Rahmen einer fulminanten Hepatitis ist eine Therapie mit Lamivudin angezeigt. In der akuten Phase werden Bettruhe sowie eine kohlenhydratreiche und fettarme Kost von den Patienten als angenehm empfunden. Spezielle Diäten haben jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Eine Krankenhausbehandlung ist bei leichteren Krankheitsbildern nicht zwingend erforderlich, bei schwereren Verläufen jedoch empfehlenswert. Interferon-α (IFN-α) war lange Zeit das einzige in Deutschland zugelassene Medikament, das nachgewiesenermaßen einen anhaltend günstigen Effekt auf den Verlauf der chronischen Hepatitis B hat. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Die gegenwärtige Prävalenz und Mortalität der chronischen Hepatitis B resultieren vorwiegend aus früher erworbenen Infektionen. Da es für einen Großteil der Patienten auch heute noch auf Dauer keine wirkungsvolle Therapie im Sinne einer Heilung gibt, ist es besonders wichtig, eine Infektion zu verhindern. Eine gezielte Prophylaxe der Hepatitis B ist nur durch die aktive Immunisierung effektiv möglich. In Deutschland wurde 1982 mit der Schutzimpfung gegen Hepatitis B bei bestimmten Personen mit erhöhtem HBV-Infektionsrisiko (z.B. medizinisches Personal) begonnen. Da eine ausschließlich auf bestimmte Personengruppen beschränkte Impfstrategie nur einen Teil (ca. 30 %) aller Hepatitis-B-gefährdeten Personen erfassen kann, kam es ab 1992 zu einer Änderung der Impfempfehlungen durch die WHO. Die Impfempfehlungen der STIKO beinhalten seit Oktober 1995 neben den Impfungen für Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko eine Hepatitis-B-Grundimmunisierung im Säuglings- und Kleinkindalter und das Nachholen der Grundimmunisierung bis dahin noch ungeimpfter Kinder und Jugendlicher möglichst vor der Pubertät, spätestens aber bis zum 18. Lebensjahr. Eine Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor einer Hepatitis-D-Virus-Infektion. Der durch eine Grundimmunisierung erreichte Schutz garantiert möglicherweise keine lebenslange Immunität. Boosterungen – in Abhängigkeit vom primär erreichten Antikörpertiter (Anti-HBs) und dem bestehenden Infektionsrisiko – sind deshalb für spezielle Personengruppen empfohlen. Die gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen allerdings für ein sehr lang anhaltendes immunologisches Gedächtnis, auch nach Abfall der Antikörperkonzentration unter den Schwellenwert (10 IE/l). Eine postexpositionelle Prophylaxe bei nichtimmunen Personen – beispielsweise nach Nadelstichverletzung – mit Impfstoff und spezifischem Hyperimmunglobulin sollte möglichst unmittelbar nach dem Expositionsereignis erfolgen. Das Vorgehen wird in den jeweils aktuellen Impfempfehlungen der STIKO am RKI beschrieben (www.rki.de). Unabhängig von dem Ziel einer möglichst vollständigen Schutzimpfung der nachwachsenden Generationen sowie aller definierten Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko muss auch der Expositionsprophylaxe weiterhin eine hohe Priorität bei den Präventionsmaßnahmen eingeräumt werden. Besondere Aufmerksamkeit muss der Gruppe der i.v. Drogengebraucher gelten. Bemühungen, das gemeinsame Benutzen von Nadeln und Spritzen unter i.v. Drogengebrauchern zu verhindern, sollten intensiviert werden. Ebenso sollte der GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 59 von 205 Kondomgebrauch bei wechselnden Partnern auch wegen HBV weiter propagiert werden. Eine wichtige präventive Aufgabe ist die Verhinderung einer perinatalen Übertragung bzw. einer Infektion im frühen Kindesalter. Durch HBsAg-Screening der Schwangeren (laut Mutterschaftsrichtlinie) und eine HB-Simultanprophylaxe (aktive und passive Immunisierung) für die Neugeborenen von chronisch infizierten Frauen unmittelbar nach der Geburt können mehr als 90 % der Infektionen bei Neugeborenen verhindert werden. Die Sicherheit von Blutprodukten hinsichtlich HBV wird durch die sorgfältige Spenderauswahl nach den Kriterien, die in den von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut aufgestellten Richtlinien festgelegt werden, und der obligaten Testung jeder Spende auf HbsAg gewährleistet. Medizinisches Personal sollte entsprechend den Empfehlungen der „Richtlinie für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“, Anlage zu Ziffer 5.1 „Anforderungen der Hygiene an die Infektionsprävention bei übertragbaren Krankheiten“ Vorsorge für eine Vermeidung der HBV-Übertragung bei der Behandlung und Pflege von Patienten treffen. Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, bei denen HBV am Arbeitsplatz vorkommen kann, sollten eine erfolgreiche HBV-Impfung nachweisen. Als erfolgreich gilt eine Immunisierung, wenn 4 bis 8 Wochen nach der dritten Impfung ein Anti-HBs-Wert von 100 IU/l oder höher erreicht wurde. Diese Personen sind für wenigstens 10 Jahre geschützt. Fällt die Anti-HBsBestimmung niedriger aus, sollte eine weitere Impfung durchgeführt und erneut eine Testung vorgenommen werden. Invasive Tätigkeiten, bei denen eine Verletzungsgefahr für den Arzt besteht (z.B. bei Operationen in beengtem Operationsfeld, bei unterbrochener Sichtkontrolle, bei Operationen mit langer Dauer, bei Operationen, bei denen mit den Fingern in der Nähe scharfer/spitzer Instrumente gearbeitet wird, bei Operationen mit manueller Führung bzw. Tasten der Nadel oder beim Verschließen einer Sternotomie) sollten nur von Personen durchgeführt werden, die nachweislich eine Immunität gegen Hepatitis-B-Virus besitzen, entweder als Folge einer 13 ausgeheilten Infektion oder nach erfolgreicher Hepatitis-B-Schutzimpfung (siehe auch „Empfehlungen zur Verhütung der Übertragung von Hepatitis-B-Virus durch infiziertes Personal im Gesundheitsdienst“, Epid Bull 1999; 30: 221–223). Generell sollte angestrebt werden, medizinisches Personal, das in der unmittelbaren Krankenversorgung tätig ist, frühzeitig zu testen, damit HBV-Träger identifiziert werden können und so vermieden wird, dass der Beruf u.U. nicht in vollem Umfang ausgeübt werden kann. Zudem sollte eine Hepatitis-B-Impfung bei Hepatitis B-gefährdeten Personen im Gesundheitsdienst bereits in der Ausbildung bzw. im Studium durchgeführt werden. Bei möglichem Kontakt zu virushaltigen Körperflüssigkeiten müssen Schutzhandschuhe getragen werden. Mundschutz und Schutzbrille sind zu benutzen, wenn virushaltige Aerosole entstehen können. Scharfe oder spitze Gegenstände, die mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten in Berührung gekommen sind, sind sicher zu entsorgen. Chronische HBV-Träger in nichtmedizinischen Berufen, die ebenfalls Tätigkeiten mit Verletzungsgefahr durchführen (Maniküre, Pediküre, Tätowierungen) müssen in gleicher Weise wie medizinisches Personal die Regeln der Infektionsprävention beachten und sich regelmäßig durch Fachkräfte darin schulen lassen. Eine effektive Desinfektion ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil einer Prävention. Die sicherste Methode, um HBV zu inaktivieren, ist das Erhitzen (Einwirken feuchter Wärme) auf > 90 °C für mindestens 5 Minuten. Daher sind zur Desinfektion von Instrumenten möglichst thermische Verfahren anzuwenden. Für die Desinfektion von Oberflächen sind Mittel mit nachgewiesener „begrenzt viruzider“ Wirksamkeit (nur gegen behüllte Viren wirksam), z.B. auf der Wirkstoffbasis Aktivchlor, Perverbindungen bzw. Aldehyde, einzusetzen. Zur Händedesinfektion sollten als Arzneimittel zugelassene Mittel mit nachgewiesener „begrenzt viruzider“ Wirksamkeit (s.o.), z.B. auf der Wirkstoffbasis Alkohol bzw. Aktivchlor, verwendet werden. Auf eine genügend lange Einwirkungszeit ist zu achten. Ausführliche Informationen über geeignete Mittel und Verfahren zur Inaktivierung von Viren können der „Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren“ entnommen werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 60 von 205 Information und Aufklärung der Bevölkerung sollten weiter darauf ausgerichtet sein, Personen mit wechselnden Sexualpartnern auf den Nutzen des Gebrauchs von Kondomen hinzuweisen und i.v. Drogengebrauchern die großen Gefahren des gemeinsamen Benutzens von Nadeln und Spritzen bewusst zu machen. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen HBV-Infizierte sollten sich stets so verhalten, dass andere Personen nicht gefährdet werden. Das Übertragungsrisiko innerhalb der Familie oder im Freundeskreis kann bei Einhaltung allgemein üblicher häuslicher Hygiene selbst dann als gering eingeschätzt werden, wenn eine hohe Virämie vorliegt. Das gemeinsame Benutzen von z.B. Nagelscheren, Zahnbürsten oder Rasierapparaten sollte unterbleiben. Unbedingt ist das Eindringen von Blut einer infizierten Person in die Blutbahn oder das Gewebe einer anderen Person zu vermeiden. Familienangehörige und Partner HBsAg-positiver Personen sollten unbedingt geimpft sein und der Impferfolg sollte überprüft werden. HBV-Träger dürfen Gemeinschaftseinrichtungen besuchen bzw. ihrer Tätigkeit in diesen nachgehen. Bei HBV-infizierten Kindern mit ungewöhnlich aggressivem Verhalten, mit Blutungen oder akuten, generalisierten Dermatitiden muss eine individuelle Entscheidung durch das Gesundheitsamt getroffen werden. Eltern und Betreuer sollten über ein bekanntes Infektionsrisiko informiert und auf die Wichtigkeit der Impfung besonders hingewiesen werden. Bei der Pflege der Patienten sind die angeführten Hygienemaßnahmen zu gewährleisten. Es muss vermieden werden, dass das Blut von HBV-infizierten Personen, z. B. bei Verletzungen von Haut oder Schleimhäuten, in die Blutbahn oder das Gewebe einer anderen Person gelangt. Bei Verdacht auf eine Übertragung des Hepatitis-B-Virus durch Blutkontakte oder Verletzungen, z. B. Kanülenstichverletzungen, sollte bei Nichtimmunen möglichst rasch eine postexpositionelle Prophylaxe mittels simultaner Gabe von Hepatitis-B-Immunglobulin und Hepatitis-B-Impfstoff erfolgen (s.a. Epid Bull.01/2000). Bei Neufeststellung eines HBV-Trägerstatus bei medizinischem Personal (z.B. Chirurgen) muss in jedem Einzelfall geprüft werden, inwieweit bei in Frage kommenden Patienten/innen Rückverfolgungsuntersuchungen (look back) einzuleiten sind, um HBV-Übertragungen zu erkennen. Über eine bekannt gewordene nosokomiale HBV-Infektion sollte das zuständige Gesundheitsamt informiert werden. Alle HBV-Träger müssen über die von ihnen ausgehenden Infektionsgefahren angemessen aufgeklärt und zu den heutigen Möglichkeiten einer antiviralen Behandlung der chronischen HBV-Infektion beraten werden. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Ausbrüche von Hepatitis-B-Erkrankungen erfordern die sofortige Intervention des zuständigen Gesundheitsamtes. Dazu gehört die schnellstmögliche Ermittlung der Ursachen, damit entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Verbreitung eingeleitet werden können. Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an akuter Virushepatitis sowie gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 20 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Hepatitis-B-Virus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.08.2004 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 61 von 205 HIV und Hepatis B & C Postexpositionsprophylaxe Allgemein Ein Expositionsrisiko für eine Infektion mit dem Hepatitis-B-, Hepatitis-C- oder dem humanen Immundefizienz-Virus (HBV, HCV, HIV) besteht, wenn es zu einer Verletzung der Haut, zum mukokutanen Kontakt oder zu einer Berührung von nichtintakter Haut (Verletzungen, Dermatitis) mit einem Gegenstand gekommen ist, der mit Blut oder einer anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeit oder Gewebe kontaminiert war. Die Zahl der Nadelstichverletzungen bei Personen, die in Deutschland im Gesundheitswesen arbeiten, wird auf 500 000 pro Jahr geschätzt. Infektionsrisiko Das Infektionsrisiko ist abhängig von der Infektiösität der übertragenen Körperflüssigkeit und der Empfindlichkeit der Infektionsstelle. Das Risiko der Übertragung einer HCV- oder HIVInfektion scheint nach einer Verletzung mit blutgefüllten Hohlnadeln höher zu sein als nach einer Verletzung mit Hohlnadeln, die zu Injektionen verwendet wurden oder mit Nadeln ohne Hohlraum. Infektiösität der Viren außerhalb des menschlichen Körpers Das HBV ist stabil gegenüber Austrocknen, einfachen Detergenzien, Alkohol und Temperaturschwankungen und nach mehr als sieben Tagen auf Oberflächen noch infektiös. Durch Erhitzen auf 98 ° C sowie durch intermediäre Detergenzien kann das HBV inaktiviert werden. Das Hepatitis-C-Virus verliert bei Raumtemperatur rasch an Aktivität, daher ist eine Übertragung über Kontaminationen der Umwelt selten. Die Infektiösität des HI-Virus sinkt innerhalb weniger Stunden in der Trockenheit um 90 bis 99 Prozent, infektiöse Partikel können jedoch über mehrere Tage nachgewiesen werden. Das HI-Virus ist empfindlich gegenüber zahlreichen Desinfektionsmitteln. Ein Übertragungsrisiko von HIV über kontaminierte Oberflächen scheint gering zu sein. Vorgehen nach der Exposition Nach dem Kontakt mit Blut oder einer anderen möglicherweise kontaminierten Flüssigkeit sollte die betroffene Haut- oder Schleimhautpartie gründlich mit Wasser und gegebenenfalls Seife gewaschen werden. Es gibt keine Beweise dafür, dass eine lokale Behandlung mit Antiseptika oder das Auspressen von Flüssigkeit aus einer Wunde die Infektionsgefahr verringert. Eine Injektion von Antiseptika oder Desinfektionsmitteln beziehungsweise eine Kauterisierung der betroffenen Hautpartie wird nicht empfohlen. Nach beruflichem Kontakt mit einer potenziell infektiösen Flüssigkeit sollte in jedem Fall ein Durchgangsarzt-Verfahren eingeleitet werden. Untersuchungen der Infektionsquelle Bei bekannter Infektionsquelle sollte bei der entsprechenden Indexperson ein Test auf HBsAg, Anti-HCV und Anti-HIV vorgenommen werden. Bei positiven serologischen Testergebnissen muss eine weitere Diagnostik sowohl der Infektionsquelle als auch des Exponierten erfolgen. Besteht der begründete Verdacht auf eine kurz zurückliegende (akute) Infektion der Infektionsquelle, kann unter Umständen nur eine molekulare Diagnostik ein Infektionsrisiko ausschließen. Untersuchung des Exponierten Zur Feststellung des Infektionsstatus des Exponierten sollte möglichst bald nach einer Exposition eine serologische Untersuchung auf HBsAg, Anti-HBs und Anti-HBc, Anti-HCV und Anti-HIV veranlasst werden. Negative Ergebnisse schließen eine vorbestehende Erkrankung weitgehend aus. Ein positives serologisches Ergebnis erfordert eine weiterführende Diagnostik. Insbesondere bei positivem Anti-HCV sollte zur Unterscheidung einer bestehenden von einer ausgeheilten Infektion eine molekulare Testung auf HCV-RNA erfolgen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 62 von 205 Exposition gegenüber HBV Potenzielle Infektionsquellen für eine Übertragung des Hepatitis-B-Virus sind HBsAg-Träger. Bei Personen mit einer hochreplikativen Hepatitis-B-Virus-Infektion (HBV-DNA > 100 000 Kopien/ mL) sind Hepatitis-B-Viren auch in Speichel, Samenflüssigkeit und Vaginalsekret nachweisbar (circa 1 000- bis 10 000fach geringere Viruskonzentrationen). Im Stuhl und Urin kann das HBV in nur geringen Konzentrationen detektiert werden. Das Risiko, an einer akuten Hepatitis B zu erkranken, ist abhängig von der Viruslast der Infektionsquelle und liegt nach der Verletzung mit einer Hohlnadel bei bis zu 30 Prozent (Serokonversion bis 62 Prozent). Deshalb sollten alle Personen, die mit Patienten oder infektiösen Materialien in Kontakt kommen, aktiv immunisiert werden. Vorgehen nach Exposition mit HBV-positivem Blut oder anderen infektiösen Körperflüssigkeiten Die Vorgehensweise nach einer beruflichen Exposition mit HBV-positivem Blut ist abhängig von der serologischen Konstellation des Exponierten. Eine Bestimmung des Anti-HBs-Titers sollte bei nicht oder nicht vollständig geimpften Personen, bei „Low-Respondern“ (Anti-HBs nach der Grundimmunisierung < 100 IE/L), bei nie kontrolliertem Impferfolg sowie bei Personen mit unbekanntem Serostatus erfolgen. Bei Exponierten mit unbekanntem Serostatus sollte zum Ausschluss einer chronischen beziehungsweise abgelaufenen Infektion eine Untersuchung auf HBsAg und Anti-HBc erfolgen sowie die Transaminasen bestimmt werden. Außerdem ist eine weitere Untersuchung der Infektionsquelle (HBeAg, HBV-DNA quantitativ) angezeigt. Die Ergebnisse sollten innerhalb von 48 h vorliegen. Prophylaxe der Hepatitis-B-Infektion Wenn bei der exponierten Person das Anti-HBs nach der Grundimmunisierung 100 IE/L betrug und die letzte Impfung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt oder wenn bei der exponierten Person innerhalb der letzten zwölf Monate ein Anti-HBs-Titer von 100 IE/L gemessen wurde, muss keine Postexpositionsprophylaxe (PEP) vorgenommen werden. Liegt die Impfung fünf bis zehn Jahre zurück, sollte eine einmalige Boosterung erfolgen. Bei einer nicht oder nicht vollständig geimpften Person, bei „Low-Respondern“, bei nie kontrolliertem Impferfolg sowie bei Personen mit unbekanntem Serostatus ist das weitere Vorgehen vom Anti-HBs-Titer abhängig. Personen, bei denen gerade ein Impfzyklus durchgeführt wird, sollten wie geplant weitergeimpft und gegebenenfalls mit spezifischen Hepatitis-B-Immunglobulinpräparationen (HBIg) behandelt werden. Bei nicht geimpften Personen und Impf-Nonrespondern (Personen, bei denen sich nach mindestens sechs Impfungen kein nachweisbarer HBs-Antikörpertiter gebildet hat) ist eine Postexpositionsprophylaxe nach Kontakt mit dem Hepatitis-B-Virus hinsichtlich der Infektionsprävention sehr effektiv. Eine passive Immunprophylaxe mittels spezifischer HepatitisB-Immunglobulinpräparationen (HBIg) sollte möglichst innerhalb von 24 Stunden nach Exposition erfolgen. Eine aktive postexpositionelle Prophylaxe (Impfung) sollte ebenfalls möglichst rasch (innerhalb von 24 h) nach der Exposition parallel zur passiven Prophylaxe (Immunglobuline) vorgenommen werden. Bei sicher HBsAg-negativer Infektionsquelle ist eine Postexpositionsprophylaxe nicht erforderlich. Exposition gegenüber HCV HCV-RNA kann in Blut und anderen serösen Flüssigkeiten nachgewiesen werden. In sehr viel niedrigeren Konzentrationen liegt das Virus im Speichel vor. Die Daten zum Nachweis von HCV-RNA in Urin, Stuhl oder Vaginalsekret sind widersprüchlich. Das Risiko einer HCVInfektion nach einer Nadelstichverletzung mit HCV-positivem Blut liegt zwischen null und zehn Prozent, wobei in den meisten Untersuchungen Infektionsraten um 1,5 bis 3 Prozent beobachtet wurden. Bei Kontamination von Schleimhäuten mit HCV-RNA-positiven Flüssigkeiten ist das Infektionsrisiko wesentlich geringer (< 0,1 Prozent). Vorgehen nach Exposition mit HCV-positivem Blut oder anderen infektiösen Körperflüssigkeiten Eine Diagnostik auf eine HCV-Infektion nach beruflicher Exposition sollte nach perkutanem oder mukosalem sowie nach Kontakt von nichtintakter Haut mit HCV-RNA-positivem Blut oder GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 63 von 205 anderen infektiösen Körperflüssigkeiten erfolgen oder wenn der Infektionsstatus des Indexpatienten unklar ist. Möglichst bald nach der Exposition sollte zur Dokumentation einer nicht vorbestehenden Infektion des Exponierten eine Untersuchung von Anti-HCV, der Transaminasen (GPT) und, bei positivem Ergebnis für Anti-HCV, ein Test auf HCV-RNA vorgenommen werden. Bei negativem Anti-HCV-Test ist bei immunkompetenten Personen eine vorbestehende Infektion nahezu ausgeschlossen. Nachweisbares Anti-HCV bei negativem HCV-RNA-Test charakterisiert eine (spontan oder therapeutisch) ausgeheilte Hepatitis C. Diese Personen sollten ebenfalls nachbeobachtet werden, weil Anti-HCV-Antikörper nicht protektiv sind und eine HCV-Re-Infektion möglich ist. Prophylaxe der Hepatitis-C-Infektion Bislang stehen weder ein aktiver Impfstoff noch ein Anti-HCV-Immunglobulin zur passiven Prophylaxe zur Verfügung. Die prophylaktische Gabe von Interferon-a nach einer Nadelstichverletzung scheint eine HCV-Infektion nicht zu verhindern. Die prophylaktische Gabe von Interferon-a und/oder Ribavirin nach einem Expositionsrisiko kann daher nicht empfohlen werden. Die Initiierung einer Interferon-Monotherapie innerhalb der ersten drei Monate nach der Infektion kann eine Chronifizierung der HCV-Infektion in den meisten Fällen verhindern. Da die spontane Ausheilungsrate bei Patienten mit einer symptomatischen akuten Hepatitis C bei circa 50 Prozent liegt, ist ein Abwarten für drei Monate vertretbar. Patienten mit einer asymptomatischen Hepatitis-C-Infektion sollten aufgrund einer Chronifizierungsrate von mehr als 80 Prozent möglichst frühzeitig behandelt werden. Exposition gegenüber HIV Das Risiko einer HIV-Infektion nach perkutaner Exposition mit Blut von HIV-Infizierten liegt bei etwa 0,3 Prozent. Eine Differenzierung der Risiken ist Abhängigkeit von der Art der Exposition. Eine medikamentöse Prophylaxe senkt zwar statistisch das Infektionsrisiko, schließt aber eine Infektion der exponierten Person nicht aus. Vorgehen nach Exposition mit HIV-positivem Blut oder anderen infektiösen Körperflüssigkeiten Nach den Empfehlungen der Deutschen Aids-Gesellschaft sollte bei Stich- und Schnittverletzungen der Blutfluss durch Druck auf das umliegende Gewebe verstärkt werden, gleichzeitig eine intensive antiseptische Spülung (gegebenenfalls nur mit Leitungswasser) erfolgen und ein antiseptisches Wirkstoffdepot auf der Basis von PVP-Jod/Alkohol angelegt werden. Bei Kontamination von geschädigter Haut oder der Augen wird ebenfalls eine intensive Spülung mit nächstmöglich Erreichbarem wie zum Beispiel Wasser oder isotoner Kochsalzlösung, eventuell PVP-Jodlösung (für das Auge: beispielsweise isotone wässrige PVP-Jodlösung 2,5prozentig) empfohlen. Bei diesen Empfehlungen ist zu berücksichtigen, dass weder aussagekräftige retrospektive, noch prospektive Studien zur Effizienz dieser Verhütungsmaßnahmen vorliegen, noch in der Regel akut die PVP-Jodlösungen verfügbar sind. Nach einer Exposition mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten eines bekannt HIV-positiven Patienten sollten Informationen zu dessen Infektionsstatus, Viruslast und CD4-Zahlen sowie zu aktuellen und vorhergegangenen antiviralen Therapien und Virusresistenzen eingeholt werden. Indikation zur Prophylaxe der HIV-Infektion nach Exposition Eine Postexpositionsprophylaxe sollte in jedem Fall bei HIV-Kontakten mit erhöhtem Infektionsrisiko empfohlen werden. Im klinischen Alltag ist es oftmals eine Ermessensfrage, ob eine HIV-Exposition wahrscheinlich ist und eine HIV-Prophylaxe begonnen werden sollte. In Fällen, in denen die HIV-Infektion einer Indexperson unbekannt ist, sollte ein HIV-Schnelltest erfolgen (Aufklärung, Einwilligung erforderlich!). Nur bei Nachweis oder hoher Wahrscheinlichkeit (zum Beispiel Aids-definierende opportunistische Infektion) sollte eine medikamentöse Postexpositionsprophylaxe unverzüglich begonnen werden. Die Indikation zur PEP muss nach Vorliegen zusätzlicher Informationen (beispielsweise Resistenz) erneut, gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Experten, überprüft werden. Ein aktiver Impfstoff sowie eine Anti-HIV-Immunglobulinpräparation sind nicht verfügbar. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 64 von 205 Durchführung der HIV-Postexpositionsprophylaxe Eine medikamentöse Prophylaxe sollte so früh wie möglich nach einer HIV-Exposition begonnen werden. Die besten Ergebnisse sind bei einem Prophylaxebeginn innerhalb von 24 Stunden, besser noch innerhalb von zwei Stunden zu erwarten. Liegen bereits mehr als 72 Stunden zwischen der Exposition und dem möglichen Prophylaxebeginn, so kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden. Die Postexpositionsprophylaxe sollte vier Wochen lang durchgeführt werden. Längere Behandlungszeiträume sind insbesondere dann zu erwägen, wenn es zu einer Übertragung großer Virusmengen gekommen ist und/oder der Zeitraum zwischen Exposition und Prophylaxebeginn länger als 36 bis 48 Stunden war. Modifiziert nach Dtsch Arztebl 2005; 102(33): A-2234 / B-1884 / C-1784 Die Postexpositionsprophylaxe unterliegt einem ständigen Wechsel der Behandlungsempfehlungen angepasst an den jeweils letzten Stand der HIV Forschung. Damit ist die Bevorratung der Medikamente und das erreicht einen fachkompetenten Arzt in den regulären Krankenhäusern des Kreises nicht gewährleistet und nicht sinnvoll. Aus diesem Grund wurde nach Rücksprache mit der HIV Ambulanz der Universitäts- Kliniken in Frankfurt oder Gießen vereinbart, dass alle “PEP-Fälle“ sich direkt an diese Ambulanz wenden können. Hier gibt es erfahrene Ärzte und die entsprechenden Medikamente: KLINIKUM DER JOHANN WOLFGANG GOETHE - UNIVERSITÄT Medizinische Klinik II: Infektiologie, Therapie der HIV-Erkrankung Direktor: Prof. Dr. H. Serve Theodor-Stern-Kai 7, Haus 68 60590 Frankfurt am Main Tel.: 069 / 6301-5194 Fax: 069 / 6301-7326 HIV-Ambulanz Tel.: 069 / 6301-7680 Fax: 069 / 6301-5712 http://www.hivcenter.de/ JUSTUS LIEBIG UNIVERSITÄT GIESSEN Medizinische Klinik und Poliklinik II Infektiologie, Schwerpunkt HIV Direktor: Professor Dr. Werner Seeger Paul-Meimberg-Str. 5 35392 Giessen Tel.: 0641 99 42351 Fax: 0641 99 42359 Infektionsstation / Station 15 Tel.: 0641 / 99-42674 / -42677 FAX: 0641/99 42679 Infektiologie - Ambulanz Klinikstraße 36 35392 Giessen Tel.: 0641/99 42376 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 65 von 205 Influenza Die Grippe ist eine akute, meist in Epidemien während der kalten Jahreszeit auftretende schwere Erkrankung, die von der gewöhnlichen Erkältung bzw. dem grippalen Infekt zu unterscheiden ist. Sie wird durch Influenza-Viren mit großer genetischer Variabilität ausgelöst und kann tödlich enden, vor allem bei alten Personen und Personen mit Vorerkrankungen der Lunge oder des Herzens. Die Symptome sind hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen. Häufig kommt es zusätzlich zur bakteriellen Infektion der angegriffenen Schleimhäute. Die Folgen sind z.B. eine Lungenentzündung oder eine Entzündung des Herzmuskels. Die eindeutige Diagnose ist vor allem im Anfangsstadium schwierig, da die Symptome einer einfachen Erkältungskrankheit ähnlich sein können. Für eine Influenza sprechen aber ein plötzlicher Krankheitsbeginn und ein schweres allgemeines Krankheitsgefühl. Heutzutage existiert eine Reihe von Medikamenten, die eine über die symptomatische hinausgehende Grippetherapie ermöglichen. Eine neue spezifische Therapiemöglichkeit stellen die sog. Neuraminidasehemmer (z.B. Tamiflu) dar. Diese Wirkstoffe blockieren die Wirkung des viralen Enzyms Neuraminidase, welches für die Freisetzung neuer Viruspartikel aus infizierten Zellen und damit für die Ausbreitung des Virus nötig ist. Eine Therapie sollte so früh wie möglich innerhalb von zwei Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen. Definition/Allgemeines Die Bezeichnung Grippe stammt aus dem Französischen und hat eigentlich die Bedeutung von "Grille" oder "Laune". Sie ist wahrscheinlich auf das plötzliche, sprunghafte Auftreten der Erkrankung zurückzuführen. Der Begriff Influenza ist vom lateinischen influere abgeleitet und bedeutet "sich einschleichen", "einfließen". Eine Grippe bzw. Influenza ist eine akut auftretende, fieberhafte, durch Viren hervorgerufene schwere Infektionskrankheit. Im Gegensatz zum grippalen Infekt, einer Erkältungskrankheit, handelt es sich bei der Influenza um eine ernste Erkrankung, die häufig mit Komplikationen verbunden ist und zum Tode führen kann. Sie tritt vor allem epidemisch auf, d.h. gehäuft zu einer bestimmten Zeit an bestimmten Orten, und bevorzugt die kalte Jahreszeit. In größeren Zeitabständen von ca. 15 bis 20 Jahren werden weltweite Ausbreitungen, so genannte Pandemien, beobachtet. Die schwerste heute bekannte Pandemie war die von Spanien ausgehende Spanische Grippe von 1918/1919. Damals erkrankten weltweit etwa 500 Millionen Menschen. Man nimmt an, dass etwa 22 Millionen Menschen an der Influenza verstarben. Die nächste verheerende Pandemie nahm 1957 ihren Ausgang in Asien (Asiatische Grippe). Die Hongkong-Grippe (1968/1969) forderte zusammen mit der Russischen Grippe von 1977 etwa 1,5 Millionen Tote (Zahlen nach WHO). Die letzte größere Pandemie wurde 1989 in Großbritannien und Frankreich beobachtet. Als 1997 in Hongkong innerhalb kürzester Zeit sechs Menschen an einer Grippe, verursacht durch ein von Geflügel auf den Menschen übergesprungenes Virus, verstarben, konnte der Ausbruch einer Pandemie nur durch eine Notschlachtung des Geflügels verhindert werden. Das Auftreten der Pandemien ist auf die Besonderheiten der Influenzaviren zurückzuführen. Diese können bevorzugt in Geflügel (Hühner und Enten) aber auch in Schweinen überleben, ohne allerdings eine Erkrankung der Tiere hervorzurufen. Gerade in asiatischen Ländern, wo Mensch und Tier häufig auf engstem Raum zusammenleben, können diese Viren sehr leicht auf den Menschen übergreifen. Erreger Die Grippe wird durch Influenza-Viren der Typen A, Die hohe genetische Variabilität der Influenza Abzw. pandemische Auftreten der Influenza Viren der Typen B und C eher einzelne bedingen. Treten neue Antigenvarianten der Viren Immunität in der Bevölkerung durch früher Grippeerkrankungen. Umso wichtiger sind B und C hervorgerufen. Viren ist für das epiverantwortlich, während Erkrankungen auf, besteht keine durchgemachte Schutzimpfungen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 66 von 205 Infektionsweg Die Influenza wird durch Tröpfcheninfektion, d.h. durch Niesen, Husten, Sprechen, sowie direkten Kontakt, z.B. Händegeben oder Küssen, übertragen. Die Viren besiedeln die Schleimhäute der oberen Luftwege. Es handelt sich um eine Oberflächeninfektion, da sich die Viren in den Zellen der Schleimhäute vermehren und diese bevorzugt schädigen. Influenzaviren vom Typ A kommen auch bei Säugern (z.B. Schweine) und Vögeln vor. Typ B tritt nur beim Menschen auf. Inkubationszeit Die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome beträgt wenige Stunden bis drei Tage. Ansteckungsmöglichkeit Ein Mensch, der sich mit dem Influenzavirus infiziert hat, ist bereits in der Inkubationszeit, wenn also bei ihm selbst noch keine Symptome aufgetreten sind, ansteckend. Diese Ansteckungsgefahr besteht in der Regel drei bis fünf Tage nach dem Auftreten der Symptome, Kinder können den Virus sogar bis etwa sieben Tage nach Eintritt der Symptomatik weitergeben. Symptome Die Erkrankung beginnt plötzlich mit einem steilen Fieberanstieg, oft von Frösteln und Schweißausbrüchen begleitet. Zusätzlich treten schwere Kopf- und Gliederschmerzen auf; die Patienten fühlen sich schwer krank. Durch die Virusvermehrung in den oberen Luftwegen kommt es zu Reizhusten, Heiserkeit, Halsschmerzen, häufig auch zu Schmerzen hinter dem Brustbein. Infolge der Schleimhautschädigung besteht die Gefahr bakterieller Superinfektionen. Können diese vermieden werden, ist eine unkomplizierte Grippe nach etwa einer Woche ausgestanden. Zusätzlich treten häufig bakterielle Superinfektionen auf, bevorzugt durch Haemophilus Influenzae, Staphylo-, Strepto- und Pneumokokken. Als Folge davon kommt es zu Lungenentzündungen, Mittelohrentzündungen oder Entzündungen des Herzmuskels. Seltener werden Übergriffe der Erkrankung auf den Magen-Darm-Trakt und das Zentralnervensystem beobachtet. Diagnose Im Gegensatz zu einer einfachen Erkältung oder einem grippalen Infekt, beginnt die echte Grippe sehr plötzlich, meist aus dem vollen Wohlbefinden heraus. Weitere Symptome sind hohes Fieber, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, trockener Husten und Schüttelfrost. Ist dem Arzt bekannt, dass sich Influenza-Viren in der Region ausbreiten, erhöht dies die Sicherheit der Diagnose. Bei unkompliziertem Verlauf der Grippe ist eine Labordiagnostik nicht notwendig. Liegt eine schwere Erkrankung vor oder treten Komplikationen auf, werden Laboruntersuchungen notwendig. Komplikationen Die Komplikationen der Grippe entwickeln sich größtenteils aus den bakteriellen Superinfektionen. So können als Folge einer Lungenentzündung Abszesse in der Lunge entstehen. Zu den Lungenkomplikationen können Komplikationen am Herz-Kreislauf-System, wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Lungenödem oder ein Kreislaufschock, hinzukommen, die ihrerseits zum Tod des Patienten führen können. Nicht zu vergessen ist die lebensbedrohliche Gehirnentzündung. Die Auswirkungen der Komplikationen hängen in starkem Ausmaß vom Gesundheitszustand jedes Einzelnen ab. Alte Menschen, Schwangere sowie Menschen mit Vorerkrankungen der Atemwege oder des Herzens sind besonders gefährdet. Allerdings wurden auch Epidemien beobachtet, die insbesondere bei jüngeren Menschen mit einer hohen Sterblichkeit einhergingen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 67 von 205 Therapie Mit den Neuraminidasehemmern existieren heutzutage Medikamente, die eine kausale Grippetherapie ermöglichen. Diese Wirkstoffe blockieren die Wirkung des viralen Enzyms Neuraminidase, welches für die Freisetzung neuer Viruspartikel aus infizierten Zellen und damit für die Ausbreitung des Virus nötig ist. Neuraminidasehemmer wirken gegen Influenza A und B, nicht gegen C. Die kausale Therapie der Grippe sollte so früh wie möglich innerhalb von zwei Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen. zentralnervöse Nebenwirkungen hervorrufen, darüber hinaus kann es zur Resistenzentwicklung kommen. Liegt bei einem Grippepatienten zusätzlich eine bakterielle Superinfektion vor, ist der Einsatz entsprechender Antibiotika indiziert, insbesondere Komplikationen, wie eine aufgepfropfte bakterielle Lungenentzündung, erfordert eine unverzügliche spezifische Antibiotikatherapie. Zusätzlich kann die Virusgrippe bei Bedarf symptomatisch behandelt werden. In der Regel wird ein schmerzlinderndes und fiebersenkendes Präparat verordnet z.B. ein acetylsalicylsäurehaltiges Präparat (ASS). Neben Schmerzmitteln können je nach Symptomatik Hustensäfte, Nasentropfen oder andere Medikamente rezeptfrei in Apotheken erworben werden. Vorsicht: Bei Kindern mit viralen Infekten dürfen keinesfalls Salicylate gegeben werden, da hier die Gefahr eines Reye-Syndroms besteht. Das Reye-Syndrom ist eine lebensgefährliche Erkrankung in deren Verlauf es zu diffusen Hirnschäden in Kombination mit einer fettigen Degeneration der Leber kommt. Während im Frühstadium eine Heilung noch möglich ist, hat das Vollbild der Erkrankung eine Sterblichkeit von 70 %! Kinder, die eine dauerhafte Salicylatmedikation erhalten, sollen deshalb in jedem Falle gegen Grippe geimpft werden. Zusätzlich zur medikamentösen Therapie sollten einige allgemeine Regeln beachtet werden. Sehr wichtig sind einige Tage Bettruhe in der akuten Phase und körperliche Schonung im Anschluss daran. Inhalationen mit Kamille oder Salzlösungen sind gut für die Atemwege, Gurgeln und heiße Getränke lindern eine mögliche Rachenentzündung. Bei Entzündungen und insbesondere Fieber ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, da der Körper viel Flüssigkeit verliert, es sollte also besonders viel getrunken werden. Ungeeignet sind Getränke, die den Körper zusätzlich entwässern wie Alkohol, Kaffee und schwarzer Tee. Letalität Die Letalität bei der Grippeerkrankung ist zu einem guten Teil durch die bakteriellen Superinfektionen und die daraus resultierenden Komplikationen bedingt. Genaue Zahlen existieren nicht. Die Letalität ist jedoch bei Risikopatienten besonders hoch. Prophylaxe Die Prophylaxe besteht in einer Schutzimpfung. Diese ist jährlich zu erneuern, da ständig neue Antigenstrukturen auftreten können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dazu ein zentrales Meldesystem aufgebaut, um sofort mit der Entwicklung eines neuen Impfstoffes reagieren zu können, wenn ein "neues" Virus auftaucht. Die empfohlenen Impfstoffe stellen eine Mischung dar, die gegen verschiedene Influenza-Viren wirksam sind. Die Impfung sollte vor Beginn der Grippesaison im Oktober erfolgen. Mit der Impfung gelingt es, ca. 80 bis 90 % der Geimpften vor einer Erkrankung zu schützen oder aber zumindest einen milden, komplikationslosen Verlauf zu erreichen. Eine solche Grippe-Schutzimpfung schützt allerdings nicht vor einem grippalen Infekt (Erkältung). Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten sich folgende Personengruppen impfen lassen (Stand 2003): • • • • Alle Menschen über 60 Jahre Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung infolge eines Grundleidens: z. B. chronische Lungen-, Herz-Kreislauf-, Leber- und Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, Immunschwäche, HIV-Infektion Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen Personen mit erhöhter Gefährdung, z.B. medizinisches Personal, Personen in Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 68 von 205 Keratokonjunctivitis (Adenoviren) Erreger Adenoviren gehören zur Familie der Adenoviridae. Es handelt sich um unbehüllte DoppelstrangDNA-Viren mit einem Durchmesser von 90–100 nm. Sie bestehen aus einem Proteinkapsid, das gruppen- und typspezifische Antigene enthält. Adenoviren sind sehr umweltresistent und bei Zimmertemperatur u.U. über Wochen infektiös. Adenoviren sind für eine Vielzahl von Krankheitsbildern verantwortlich. In den meisten Fällen handelt es sich um okuläre, respiratorische und gastrointestinale Infektionen (auch Harnwegsinfektionen, Hepatitiden und Meningoenzephalitiden sind möglich). Typische, durch humanpathogene Adenoviren verursachte Krankheitsbilder: Keratoconjunctivitis epidemica (Typen 8, 19, 37) Akute respiratorische Erkrankungen (Typen 1–3, 4, 6, 7, 14, 21) Pharyngokonjunktivalfieber (Typen 3, 7, 14) Follikuläre Konjunktivitis (Typen 3, 4, 7) Gastroenteritiden (Typen 40, 41, 31) Gastroenteritiden mit mesenterialer Lymphadenopathie (Typen 1, 2, 5, 6) Pneumonien (Typen 1–4, 7) Pharyngitis, akut, febril (Typen 1–3, 5–7) Unter den Manifestationen am Auge besitzt die epidemische Keratokonjunktivitis eine erhebliche praktische Bedeutung als nosokomiale Infektion, dies gab Veranlassung zur Einführung der Meldepflicht gemäß § 7 (1) IfSG. Vorkommen Adenovirus-Infektionen sind weltweit verbreitet. Jahreszeitliche Häufungen sind nicht erkennbar. Nicht selten kommt es insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen zu örtlich gehäuftem Auftreten bis hin zu Kleinepidemien. Die auf dem Meldeweg erfassten, labordiagnostisch bestätigten Fälle geben nur einen Bruchteil der tatsächlichen Morbidität wieder, weil die Diagnose häufig nur klinisch gestellt wird. Seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 wurden an das Robert Koch-Institut für Deutschland 132 Fälle für das Jahr 2001, 82 Fälle für das Jahr 2002 und 397 Fälle für das Jahr 2003 übermittelt. Der Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2003 ist auf mehrere Ausbrüche zurückzuführen, wobei besonders hohe Erkrankungszahlen durch einen Ausbruch, der von zwei Augenarztpraxen ausging, aufgetreten sind. Reservoir Der Mensch ist das einzige Reservoir. Infektionsweg Die Keratoconjunctivitis epidemica wird überwiegend durch Schmier- (gelegentlich auch Tröpfchen)infektion übertragen. Praktisch wichtige Übertragungsfaktoren sind die kontaminierten Hände sowie kontaminierte Gegenstände wie z.B. Handtücher in Gemeinschaftswaschräumen und in Praxen und Kliniken bei der Betreuung Erkrankter, kontaminierte Instrumente, kontaminierte Tropfpipetten und Augentropfen. Eine Ansteckung kann auch direkt von Mensch zu Mensch durch eine Übertragung von Augensekreten erfolgen. Die follikuläre Konjunktivitis und das Pharyngokonjunktivalfieber können auch durch kontaminiertes Schwimmbadwasser übertragen werden. Es besteht eine allgemeine Empfänglichkeit. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt 5–12 Tage. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 69 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckung ist möglich, solange das Virus in Sekreten nachweisbar ist, in der Regel während der ersten 2 Wochen der Erkrankung (in der Literatur werden auch Zeiten bis zu 3 Wochen beschrieben). Klinische Symptomatik Die durch Adenoviren verursachten Konjunktivitiden werden in Abhängigkeit von dem verursachenden Serotyp in folgende Krankheitsbilder unterteilt: Die hoch kontagiöse epidemische Adenovirus-Keratokonjunktivitis wird am häufigsten im Rahmen nosokomialer Infektionen durch verunreinigte Instrumente (z.B. Tonometer in der Augenklinik) verursacht. Sie tritt in allen Altersgruppen auf. Das klinische Bild ist durch einen plötzlichen Beginn mit Rötung, ringförmiger Bindehautschwellung sowie präaurikulärer Lymphknotenschwellung gekennzeichnet. Subjektive Beschwerden sind Fremdkörpergefühl, Lichtscheu, Juckreiz und Tränenfluss. Die ödematöse Schwellung der Lider führt zu einer entzündlichen Ptosis. Nach etwa einwöchigem Krankheitsverlauf kann es in wechselnder Häufigkeit (zwischen 20 und 90 %) zu einer Beteiligung der Kornea in Form einer Keratoconjunctivitis superficialis punctata mit Epitheldefekten kommen. Des Weiteren können feine Hornhautinfiltrate subepithelial in den obersten Stromaschichten auftreten. Die Konjunktivitis klingt in der Regel in der 2. bis 4. Woche ab, während die zarten Hornhauttrübungen noch längere Zeit nachweisbar bleiben. Es kommt jedoch fast immer zur vollständigen Ausheilung, nur gelegentlich kann sich eine Visusminderung entwickeln. Das Pharyngokonjunktivalfieber tritt epidemisch bei Vorschul- und Schulkindern auf und nur vereinzelt bei Erwachsenen. Es ist durch Pharyngitis, Rhinitis, zervikale Lymphadenopathie, Fieber sowie eine – im Vergleich zur Keratoconjunctivitis epidemica – milder verlaufende uni- oder bilateral auftretende follikuläre Konjunktivitis gekennzeichnet. In schweren Fällen kann es zur Pneumonie kommen. Die follikuläre Konjunktivitis tritt sporadisch oder epidemisch bei Kindern und jungen Erwachsenen auf und hat in der Regel einen milden Verlauf. Es kann zur Konjunktivitis beider Augen, verbunden mit präaurikulärer Lymphknotenschwellung kommen. Kleinkinder und Kinder erkranken häufiger und schwerer. Im Anschluss an eine Adenovirus-Infektion bildet sich eine serotypspezifische Immunität unter Bildung neutralisierender Antikörper. Wegen der Typenvielfalt sind aber wiederholte Adenovirus-Infektionen möglich. Im Rahmen immunsuppressiver Maßnahmen können Adenovirus-Infektionen reaktiviert werden. Bei schwerer Immunsuppression sind sehr selten lebensbedrohliche disseminierte Infektionen mit multiplen Organbeteiligungen möglich. Diagnostik Der direkte Virusnachweis kann mittels Nukleinsäurenachweis, Antigennachweis aus dem Konjunktivalabstrich oder Virusisolierung in Zellkulturen erfolgen. Therapie Eine spezifische Therapie steht nicht zur Verfügung, so dass ausschließlich symptomatisch behandelt werden kann. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Eine aktive oder passive Immunisierung ist nicht möglich. Zur Prävention eignen sich in erster Linie Hygienemaßnahmen, um Schmierinfektionen zu vermeiden. Dabei ist die ordnungsgemäße Desinfektion der Hände und Instrumente sowie der sachgerechte Umgang mit augenärztlich verordneten Medikamenten (z.B. Tropfflaschen, Augensalben) von wesentlicher Bedeutung. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 70 von 205 Desinfektion Hände- und Flächendesinfektion: Ärzte und Personal in Arztpraxen, Ambulanzen, Polikliniken und Krankenhäusern müssen vor jeder Untersuchung oder Behandlung am Auge die Hände ordnungsgemäß desinfizieren (s. Empfehlungen zur Händehygiene der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention). Es ist zu bedenken, dass das Virus auch über Türgriffe, Handläufe, Lichtschalter, Wasserarmaturen etc. übertragen werden kann. Für Räume, in denen Patienten mit einer übertragbaren Konjunktivitis behandelt werden, sind deshalb im Hygieneplan besondere Hinweise erforderlich. Bei der Untersuchung von Patienten mit dieser Erkrankung oder dem Verdacht auf die Erkrankung sind Schutzhandschuhe zu tragen. Zur Hände- bzw. Flächendesinfektion werden als „viruzid“ * gekennzeichnete Mittel empfohlen (z.B. aus der Desinfektionsmittel-Liste des Robert Koch-Institutes (RKI) wie Chloramin T oder das Präparat Sterillium Virugard für die Händedesinfektion). Instrumentendesinfektion: Hierzu s.a. die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zur Aufbereitung von Medizinprodukten. Die Tatsache, dass die Erreger dieser Erkrankung durch augenärztliche Instrumente übertragen werden können, unterstreicht die Bedeutung einer sachgerechten Aufbereitung und des Einsatzes berührungslos arbeitender Geräte (z.B. Tonometer), denen, wo immer möglich, der Vorzug gegeben werden sollte. Bei der Aufbereitung der Instrumente sind die Hinweise der Hersteller zu beachten. So können auch Beschädigungen der Instrumente vermieden werden. Die Instrumente sind unmittelbar nach Gebrauch zu desinfizieren und sollten möglichst so zerlegt werden, dass alle kontaminierten Oberflächen für das Desinfektionsmittel zugänglich sind. Thermische Verfahren sollten, soweit anwendbar, bevorzugt werden. Empfohlene Desinfektionsmaßnahmen: - Anwendung eines thermischen Desinfektionsverfahren in Desinfektions- und Reinigungsgeräten (93°C/5 Minuten). - Einlegen in ein als „viruzid“* gekennzeichnetes Instrumentendesinfektionsmittel (z.B. aus der Desinfektionsmittelliste des RKI). - Gründliches Abreiben mit 80%igem Äthanol, der mindestens 5 Minuten auf die kontaminierte Oberfläche einwirken soll. Bei den beiden letztgenannten Maßnahmen sind die Angaben der Hersteller zur Materialverträglichkeit zu beachten. Auch die Teile von fest installierten Geräten, mit denen der Patient in Berührung gekommen ist (z.B. Kinnstützen und Stirnstützen von Spaltlampen und die dazugehörigen Griffe), müssen mit einem als „viruzid“* deklarierten Desinfektionsmittel desinfiziert werden. Möglicherweise kontaminierte Wäsche (z.B. Handtücher) soll mit einem thermischen Waschverfahren (90°C, 10 Min.) bzw. mit einem chemothermischen Waschverfahren mit dem Wirkungsbereich AB (z.B. aus der Liste der geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren des RKI gemäß § 18 IfSG) behandelt werden. * Liegt die Deklaration eines Desinfektionsmittels als „viruzid“ wirksam noch nicht vor, muss mindestens die Wirksamkeit gegen Adenoviren nachgewiesen sein (s. Deklaration des Herstellers). Umgang mit Medikamenten Besondere Beachtung verdienen Tropfflaschen und Augensalben, welche nur für einen Patienten bestimmt sind; sie dürfen keinesfalls von anderen benutzt werden. Werden mehrere Patienten mit Präparaten aus ein und demselben Vorratsgefäß behandelt, so ist für jeden Patienten eine eigene Tropfpipette bzw. ein eigener Applikator zu verwenden. Die benutzten Pipetten und Applikatoren dürfen nicht wieder mit dem Inhalt des Vorratsgefäßes in Berührung kommen; sie sind nach Gebrauch zu desinfizieren und zu reinigen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 71 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Es sollte streng darauf geachtet werden, dass erkrankte Personen Handtücher und andere Hygieneartikel, wie z.B. Waschlappen usw., separat benutzen. Die Patienten sollten insbesondere angewiesen werden, jeglichen Hand-Augenkontakt (im Alltag etwa 14-mal pro Tag!) zu vermeiden und eine sorgfältige Händehygiene zu betreiben. Erkranktes medizinisches Personal ist infektiös und während bestehender klinischer Symptome im Umgang mit Patienten nicht arbeitsfähig. In Gesundheitseinrichtungen können in der Regel nach kurzer Zeit weitere Infektionen durch ein geeignetes Hygieneregime verhütet werden. Im Falle übertragbarer Konjunktivitiden sind die sachdienliche Information und Aufklärung der Patienten mit dem Ziel einer Prävention von Infektionen im häuslichen Milieu besonders wichtig. Patienten mit Verdacht auf eine übertragbare Konjunktivitis und solche, bei denen diese Erkrankung diagnostiziert wurde, müssen in der ambulanten Praxis möglichst von den übrigen Patienten getrennt und bei stationärem Aufenthalt isoliert werden. Bei häuslichen Kontakten kann es in Abhängigkeit von den hygienischen Bedingungen zur Übertragung der Erkrankung kommen. Kontaktpersonen sollen daher über das Krankheitsbild und die präventiven hygienischen Maßnahmen informiert und beobachtet werden. Bei Auftreten von Symptomen gelten die für manifeste Erkrankungen gemachten Angaben. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Werden in Kliniken oder anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens gehäuft Erkrankungen beobachtet, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, sollte der Krankenhaushygieniker (oder ein anderer in Hygienefragen kompetenter Arzt) informiert werden; mit ihm gemeinsam sollten Ermittlungen zur Infektionsquelle und zu Übertragungsfaktoren durchgeführt und Maßnahmen zur Infektionsprävention eingeleitet werden. Das Geschehen ist dem Gesundheitsamt nach § 6 (3) IfSG als Ausbruch (nichtnamentlich) zu melden. Die frühzeitige Einbindung des Gesundheitsamtes erleichtert vielfach, Zusammenhänge über die betroffene Einrichtung hinaus zu erkennen, eine Klärung des Ausbruchs herbeizuführen und auch die Betroffenen sachgerecht zu informieren. Auch Leiter von Kindergemeinschaftseinrichtungen i. S. des § 33 IfSG sind gemäß § 34 IfSG Abs. 6 verpflichtet, dem Gesundheitsamt Ausbrüche mit entsprechenden Konjunktivitiden anzuzeigen. Da wirksame Hygienemaßnahmen (s. oben) eine lückenlose Befolgung durch alle Betroffenen voraussetzen, ist ihre Einhaltung in Kindergärten und Schulen in der Regel nicht sicher zu gewährleisten. Als wirksame Präventionsmaßnahme kommt daher lediglich der Ausschluss aller manifest Erkrankten in Betracht. Wegen der hohen Kontagiosität und der variablen Dauer der Ausscheidung der Erreger (in der Regel 2 bis 3 Wochen ; s. oben Dauer der Ansteckungsfähigkeit), sollte die Wiederzulassung von der Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Attestes abhängig gemacht werden (Augenarzt möglichst vorab telefon. informieren). Meldepflicht Nach § 7 (1) IfSG ist nur der direkte Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich meldepflichtig. (In einigen Bundesländern ist die epidemische Keratokonjunktivitis als klinisches Bild meldepflichtig.) Nach § 6 (3) IfSG ist dem Gesundheitsamt unverzüglich das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.03.2004 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 72 von 205 Kopfläuse Erreger Kopfläuse sind stationäre Ektoparasiten des Menschen. Die Kopflaus (Pediculus humanus capitis) ist ein flügelloses, ausgewachsen etwa 2,1– 3,3 mm großes, dorsoventral abgeplattetes Insekt. Sie lebt in der Regel permanent auf ihrem Wirt im Kopfhaar. Bei massivem Befall können gelegentlich auch andere behaarte Stellen des Oberkörpers (Bart, Augenbrauen, Achselhaare) betroffen sein. Läuse haben drei Paar mit klauenartigen Fortsätzen versehene Beine, mit denen sie sich gut an den Haaren festhalten und fortbewegen können, sowie Mundwerkzeuge, mit denen sie stechen und saugen können. Sie nehmen mehrmals täglich Blut als Nahrung auf. Zugleich bringen sie Speicheldrüsensekrete in die Wunde ein, die Fremdkörperreaktionen und häufig Juckreiz hervorrufen. Kopfläuse übertragen in unseren Breiten keine Krankheitserreger. Sie verbreiten sich leicht weiter, falls dies nicht verhindert wird. Der Lebenszyklus der Kopflaus verläuft in mehreren Stadien vom Ei über drei Larven- bzw. Nymphenstadien (0,8–2,1 mm groß) bis zur adulten Laus (Imago). Aus entwicklungsfähigen Eiern, die in der Regel bis höchstens 1 cm von der Kopfhaut entfernt an den Haaren haften, schlüpfen etwa 7–8 (6–10) Tage nach der Eiablage Larven. Diese werden nach etwa 9–11 Tagen geschlechtsreif. Vom Ei bis zur ersten Eiablage der Weibchen dauert es etwa 17–22 Tage. Befruchtete Weibchen heften ihre ovalen, 0,8 mm langen gedeckelten Eier (deren sichtbare Chitinhüllen auch als Nissen bezeichnet werden) in der Regel nah der Kopfhaut wasserunlöslich an die Haare. Im Laufe ihres etwa 4 Wochen währenden Lebens können sie 90–140 Eier produzieren. Da Kopfläuse sich sehr gut an die gleich bleibenden Bedingungen am menschlichen Kopf angepasst haben (Temperaturoptimum um 28–29°C), werden sie getrennt vom Wirt durch fehlende Blutmahlzeiten relativ schnell geschwächt und überleben bei Zimmertemperatur in der Regel nicht mehr als 2 Tage, im Ausnahmefall 3 Tage. Vorkommen Kopfläuse sind weltweit verbreitet. Kopflausbefall hat nichts mit fehlender Sauberkeit zu tun, da Kopfläuse durch das Waschen der Haare mit gewöhnlichem Shampoo nicht beseitigt werden. Enge zwischenmenschliche Kontakte, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche, begünstigen die Verbreitung von Kopfläusen. Kopfläuse können während aller Jahreszeiten gehäuft auftreten, wenn ihre Verbreitung durch mangelnde Kooperation oder unzureichende Behandlung begünstigt wird. Reservoir Weil der Mensch die einzige Wirtsspezies ist, stellen Personen mit Kopflausbefall das Reservoir für weitere Infestationen dar. Infektionsweg Läuse neigen von ihrer Natur her nicht dazu, ihren Lebensraum, den behaarten Kopf, zu verlassen! Wenn eine Übertragung erfolgt, so hauptsächlich direkt von Mensch zu Mensch bei engem Kontakt durch Überwandern der Parasiten von Haar zu Haar („Haar-zu-Haar-Kontakt“). Gelegentlich ist die Übertragung aber auch indirekt möglich über Gegenstände, die mit dem Haupthaar in Berührung kommen und die innerhalb einer kurzen Zeitspanne gemeinsam benutzt werden (Kämme, Haarbürsten, Schals, Kopfbedeckungen – u.U. bis hin zum Fahrradhelm, Kopfunterlagen u.a.). Läuse können mit ihren Klammerbeinen nicht springen oder größere Strecken außerhalb des Wirtes zurücklegen. – Haustiere sind keine Überträger von Kopfläusen. Inkubationszeit Eine Inkubationszeit im üblichen Sinn existiert nicht. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 73 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Ansteckungsfähigkeit ist gegeben, solange die Betroffenen mit mobilen Läusen befallen und noch nicht adäquat behandelt sind. Von einzelnen Erstlarven, die an Tagen nach einer spezifischen Kopflausbehandlung u.U. noch aus den Eiern schlüpfen können, geht zunächst keine akute Ansteckungsgefahr aus, sie sollten jedoch innerhalb der folgenden Tage durch nasses Auskämmen mit einem Läusekamm entfernt und durch eine obligate Wiederholungsbehandlung (s. Therapie) abgetötet werden. Klinische Symptomatik Die Stiche der Kopfläuse (in der Regel alle 4–6 Std.) können zu hochroten urtikariellen Papeln und zum Leitsymptom Juckreiz mit entsprechenden Kratzeffekten (Exkoriationen und Krustenbildung) führen. Durch bakterielle Superinfektionen kann das klinische Bild eines (sekundär impetigenisierten) Ekzems (bevorzugt hinter den Ohren, am Hinterkopf und im Nacken) entstehen. Weiterhin kann es zu regionalen Lymphknotenschwellungen kommen (okzipitale und/oder zervikale Lymphadenitis). Diagnostik Die Diagnose wird bei einer systematischen Untersuchung des behaarten Kopfes durch den Nachweis von lebenden Läusen, Larven oder entwicklungsfähigen – d.h. von der Kopfhaut weniger als 1 cm entfernten – Eiern gestellt. Es wird empfohlen, das mit Wasser und einer Haarpflegespülung angefeuchtete Haar mittels eines Läusekamms zu untersuchen. Dies sind spezielle Kämme, deren Zinken nicht mehr als 0,2 mm voneinander entfernt und wenig elastisch sind, so dass die Läuse oder Nissen besser erfasst werden. Zum Auffinden der Läuse muss das Haar systematisch Strähne für Strähne gekämmt werden, bis die Haarpflegespülung ausgekämmt ist (Reste werden ausgespült). Der Kamm sollte so geführt werden, dass er von der Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Nach jedem Kämmen sollte der Kamm sorgfältig auf Läuse untersucht werden (Abstreifen auf einem hellen Handtuch ist günstig), evtl. gefundene Läuse müssen beseitigt werden. Um Larven zu entdecken, kann eine Lupe hilfreich sein. Adulte Läuse können dem Nachweis entgehen, wenn sich nur wenige Exemplare auf dem Kopf befinden. Eier werden häufiger nachgewiesen, hier muss jedoch zwischen entwicklungsfähigen und abgestorbenen Eiern bzw. leeren Eihüllen unterschieden werden. Entwicklungsfähige Eier sind im Haar durch ihre gelbliche bis mittelbräunliche, ggf. leicht gräuliche Färbung, schwerer zu finden. Sie haften am Haar meist nahe der Kopfhaut. Besonders gut sind die Eier der Läuse hinter den Ohren sowie in der Schläfen- und Nackengegend zu entdecken. Sie unterscheiden sich von Kopfschuppen oder Haarspraypartikeln dadurch, dass sie sehr fest am Haar haften und nicht abgestreift werden können. Die auffälligeren weißlichen bis perlmuttartig schimmernden leeren Eihüllen sind leichter zu entdecken. Da Kopfläuse ihre Eier 1–2 mm entfernt von der Kopfhaut ablegen, die Larven nach 6–10 Tagen schlüpfen und das Haar etwa 10 mm im Monat wächst, sind Eihüllen, die weiter als 1 cm von der Kopfhaut entfernt sind, in der Regel leer. Therapie Eine optimale Behandlung besteht nach heutiger Auffassung in der Kombination chemischer, mechanischer und physikalischer Wirkprinzipien, so dass synergistische Effekte genutzt werden können: 1. Topische Behandlung mit pedikuloziden Substanzen Am Tag der Diagnose (Tag 1) soll unter genauer Beachtung aller Hinweise der Hersteller mit einem Insektizid behandelt werden. Mit pedikuloziden Substanzen wurden bei Kopflausbefall in verschiedenen Studien Erfolgsraten von über 90% erzielt. Da Kopflausmittel nicht zuverlässig alle Eier abtöten und in Abhängigkeit vom Mittel und dessen Anwendung Larven nach der Erstbehandlung nachschlüpfen können, muss innerhalb eines engen Zeitfensters unbedingt eine Wiederholungsbehandlung mit dem Kopflausmittel durchgeführt werden (am Tag 8, 9 oder 10, optimal: Tag 9 oder 10). Dieser enge zeitliche Rahmen ergibt sich, weil bis zum 7. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 74 von 205 bzw. 8. Tag noch Larven nachschlüpfen und ab dem 11. Tag junge Weibchen bereits neue Eier ablegen können. Gegenwärtig sind Präparate mit den Wirkstoffen Allethrin, Lindan, Permethrin bzw. Pyrethrum als Arzneimittel für eine Kopflausbehandlung zugelassen. Lindan darf allerdings nach einer Entscheidung der EU-Kommission ab 2008 in Medikamenten nicht mehr verwendet werden. Die Bekanntmachung von Mitteln und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen gemäß § 18 IfSG, die bei behördlich angeordneten Entwesungen anzuwenden sind, enthält u.a. geprüfte, bei sachgerechter Anwendung zur Tilgung von Kopflausbefall geeignete Mittel. Gegenwärtig sind Arzneimittel mit den pedikuloziden Wirkstoffen Pyrethrum, Allethrin, Lindan bzw. Permethrin sowie ein Medizinprodukt („MOSQUITO Läuse-Shampoo“) in der Liste aufgeführt (s. www.bvl.bund.de > Bedarfsgegenstände > Mittel zur Schädlingsbekämpfung). Daneben gibt es weitere Arzneimittel und Medizinprodukte, über deren Wirksamkeit hier keine Aussagen gemacht werden können, da sie bisher nicht ausreichend geprüft wurden. Mögliche Fehler in der Behandlung, die das Überleben nicht nur von Eiern, sondern auch von Larven oder Läusen begünstigen, sind zu kurze Einwirkzeiten, zu sparsames Ausbringen des Mittels, eine ungleichmäßige Verteilung des Mittels, eine zu starke Verdünnung des Mittels in triefend nassem Haar, das Unterlassen der Wiederholungsbehandlung! Resistenzen von Kopfläusen gegenüber Pyrethroiden wurden in Deutschland bisher nur vereinzelt vermutet; repräsentative wissenschaftliche Untersuchungen zur Erfassung von Resistenzen bei Kopfläusen gegenüber Insektiziden wurden hier jedoch bisher nicht durchgeführt. Allerdings verpflichten die in anderen europäischen Ländern (z.B. Dänemark, Großbritannien) und auch weltweit beobachteten Resistenzen, insbesondere 1gegen Permethrin und Malathion (in Deutschland nicht als Läusemittel zugelassen), zu erhöhter Aufmerksamkeit. 2. Nasses Auskämmen „Nasses“ Auskämmen mit Haarpflegespülung und Läusekamm in 4 Sitzungen an den Tagen 1, 5, 9 und 13 führte bei 57% der behandelten Kinder zur Entlausung (Hill et al., 2005) und hat somit nicht nur einen diagnostischen, sondern auch einen therapeutischen Wert. Während die erste Sitzung die Entfernung adulter Läuse zum Ziel hat, sollen die folgenden dazu dienen, nachgeschlüpfte Larven zu entfernen. Am Tag 17 sollte der Behandlungserfolg nochmals überprüft werden (detaillierte Informationen zu dieser Vorgehensweise finden sich z.B. unter www.pediculosis.de). Das Verfahren ist zeitaufwändig und erfordert viel Geduld von „Behandlern“ und Betroffenen, in Kombination mit einer topischen Behandlung sichert es aber eine hohe Erfolgsquote. Empfohlenes Behandlungsschema bei Kombination beider Verfahren: Tag 1: Mit einem Insektizid behandeln und anschließend nass auskämmen, Tag 5: nass auszukämmen, um früh nachgeschlüpfte Larven zu entfernen, bevor sie mobil sind, Tag 8, 9 oder 10: erneut mit dem Insektizid behandeln, um spät geschlüpfte Larven abzutöten, Tag 13: Kontrolluntersuchung durch nasses Auskämmen, Tag 17: evtl. letzte Kontrolle durch nasses Auskämmen. Weitere Hinweise zur Therapie: Bezüglich der Anwendung und der möglichen Nebenwirkungen sind die Angaben der Hersteller sorgfältig zu beachten. Bei fehlender Erfahrung sollte ganz besonders bei der Behandlung von Kleinkindern ärztlicher Rat eingeholt werden. Während der Schwangerschaft und in der Stillzeit, bei MCS-Syndrom (multiple Überempfindlichkeit gegen chemische Substanzen) und Chrysantemenallergie wird empfohlen, Kopfläuse rein mechanisch durch nasses Auskämmen mit dem Läusekamm zu entfernen. Das mitunter empfohlene Abtöten von Läusen und Nissen durch die Anwendung von Heißluft, z.B. mittels eines Föhns, ist unzuverlässig und kann zu erheblichen Kopfhautschädigungen führen, so dass grundsätzlich davon abzuraten ist. Ebenso ist ein Saunaaufenthalt zur GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 75 von 205 Abtötung der Läuse ungeeignet. – Bakterielle Superinfektionen bedürfen der ärztlichen Behandlung. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Besonders in Gemeinschaftseinrichtungen und im Kindes- und Jugendalter muss immer mit dem Auftreten von Kopfläusen gerechnet werden. Ihrer Ausbreitung kann dann durch entsprechende Aufmerksamkeit und geeignete Maßnahmen verlässlich entgegengewirkt werden. Erzieher und Betreuer sollten über ein Grundwissen bezüglich der notwendigen Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung verfügen. Informationsmaterial sollte vorrätig sein. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Festgestellter Kopflausbefall erfordert ohne Zeitverzug (möglichst noch am Tage der Feststellung – Tag 1): bei den Personen mit dem Befall eine sachgerecht durchgeführte Behandlung mit einem zugelassenen Arzneimittel oder einem Medizinprodukt, das zur Tilgung von Kopflausbefall nachweislich geeignet ist, ergänzt durch sorgfältiges Auskämmen des mit Wasser und Haarpflegespülung angefeuchteten Haars (s. Abschnitt Therapie); bei den betroffenen Kontaktpersonen in Familie, Kindereinrichtungen, Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen (gleiche Gruppe oder Klasse) eine Information mit dem Ziel, eine Untersuchung und ggf. Behandlung zu veranlassen; im Haushalt und Kindergarten/Kinderhort ergänzende Hygienemaßnahmen. Nach der sachgerechten Anwendung eines zur Tilgung des Kopflausbefalls geeigneten Mittels, ergänzt durch sorgfältiges Auskämmen des mit Wasser und Pflegespülung angefeuchteten Haars mit einem Läusekamm, ist eine Weiterverbreitung auch bei noch vorhandenen vitalen Eiern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu befürchten. Zur Verantwortung der Eltern: Wird bei einem Kind oder Jugendlichen Kopflausbefall festgestellt, obliegt den Erziehungsberechtigten die Durchführung der genannten Maßnahmen. Eltern sind gemäß § 34 Abs. 5 IfSG verpflichtet, der Gemeinschaftseinrichtung, die ihr Kind besucht, Mitteilung über einen beobachteten Kopflausbefall, auch nach dessen Behandlung, zu machen. Den Eltern sollte bewusst sein, dass das rasche Erkennen und Behandeln eines Kopflausbefalls und die pflichtgemäße Mitteilung darüber eine Voraussetzung für die erfolgreiche Verhütung und Bekämpfung in der Einrichtung sind. Die Erziehungsberechtigten sollten auch die Durchführung der Behandlung bestätigen (ob diese elterliche Rückmeldung mündlich oder schriftlich erfolgen soll, richtet sich nach den örtlichen Regelungen). Eine „prophylaktische“ Mitbehandlung von Kontaktpersonen im häuslichen Milieu wird nicht grundsätzlich empfohlen, sollte aber erwogen werden. Die Übertragungswahrscheinlichkeit bei vorherigem engen Kontakt, aber auch die Kosten und potenzielle Nebenwirkungen sind zu bedenken. Wenn Kontaktpersonen mitbehandelt werden, muss die Behandlung – wie vorgeschrieben – wiederholt werden. Nach § 34 Abs. 1 IfSG schließt festgestellter Kopflausbefall eine Betreuung oder eine Tätigkeit in einer Gemeinschaftseinrichtung, bei der Kontakt zu den Betreuten besteht, zunächst aus. Grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass Schulen und andere Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder und Jugendliche wieder besucht werden können, ist, dass Maßnahmen durchgeführt wurden, die eine Weiterverbreitung mit hoher Sicherheit ausschließen, d. h. dass mit einem zur Tilgung des Kopflausbefalls geeigneten Mittel korrekt behandelt wurde (Erstbehandlung). Näheres zur Wiederzulassung siehe unter „Aufgaben in Gemeinschaftseinrichtungen“. – Das Komplettieren der empfohlenen Behandlung an den Folgetagen wird auch nachdem die Einrichtung wieder besucht werden darf vorausgesetzt. Aufgaben in Gemeinschaftseinrichtungen: Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen sind verpflichtet, das Gesundheitsamt über einen mitgeteilten oder selbst festgestellten Kopflausbefall namentlich zu benachrichtigen (s.a. Melde- und Informationspflichten). Sie leiten eigenverantwortlich die Maßnahmen ein, die geeignet sind, eine Weiterverbreitung des Kopflausbefalls in der Einrichtung zu verhindern. Empfohlen wird eine Abstimmung des Vorgehens mit der zuständigen Gesundheitsbehörde. Wenn der Kopflausbefall während des Aufenthalts in einer Kindereinrichtung oder Schule festgestellt wird und das betroffene Kind nicht anderweitig betreut werden kann, kann dem GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 76 von 205 Verbleiben in der Einrichtung bis zum Ende des regulären Aufenthalts zugestimmt werden, wenn enge Kontakte in den folgenden Stunden vermieden werden können. Zur Wiederzulassung nach festgestelltem Kopflausbefall: In welcher Form der Nachweis, dass eine Weiterverbreitung nicht mehr zu befürchten ist, erbracht werden muss, regeln die für die Einrichtung zuständigen Behörden im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt. Mögliche Bedingungen der Wiederzulassung sind das Einholen eines „ärztlichen Urteils“ auf der Grundlage des § 34 Abs. 1 IfSG (in der Regel als ärztliches Attest) oder – sofern das Gesundheitsamt die eine Ausnahme vom gesetzlich normierten, „automatischen“ Besuchsverbot (gemäß § 34 Abs. 7) grundsätzlich eingeräumt hat und die Leitung der Einrichtung dies ebenfalls für ausreichend hält – eine Bestätigung der Sorgeberechtigten, dass eine Behandlung korrekt durchgeführt wurde. Dazu wird angemerkt: Der § 34 IfSG bezieht sich auf 21 verschiedene Infektionskrankheiten und die „Verlausung“. Gegenüber diesen anderen Krankheiten, für die das IfSG ein Instrumentarium verschiedener Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung vorsieht, nimmt der Kopflausbefall eine Sonderstellung ein. Absicht des Gesetzgebers war es aber offensichtlich, hier die ärztliche Kompetenz und Verantwortung einzubeziehen. Das gesetzlich geforderte „ärztliche Urteil“ kann der Einrichtung dabei in verschiedener Form (z. B. als ärztliches Attest, persönlich oder auch fernmündlich) und sowohl von niedergelassenen Ärzten als auch von Ärzten im ÖGD übermittelt werden. Es sind allerdings auch folgende Erfahrungen zu berücksichtigen: Der Nachweis von Kopfläusen erfordert zwar einige Grundkenntnisse, aber keine spezielle medizinische Sachkunde. Die Mehrzahl der Diagnosen wird von Eltern gestellt, die Mehrzahl der Behandlungen geschieht ohne ärztliche Konsultation, die zugelassenen Mittel wirken bei korrekter Anwendung zuverlässig. Eine sorgfältige Untersuchung des nassen Haares mit einem Läusekamm stellt zudem einen erheblichen Aufwand für eine Arztpraxis dar und Kosten hierfür werden von den Krankenversicherungen zur Zeit nicht übernommen. Da als sicher gilt, dass durch eine korrekt durchgeführte Behandlung mit einem zur Tilgung des Kopflausbefalls geeigneten Mittels Kopfläuse in allen übertragbaren Entwicklungsstadien abgetötet werden, besteht fachlicher Konsens, dass dann eine Weiterverbreitung der Kopfläuse durch das betroffene Kind nicht mehr zu befürchten ist und der weitere Besuch von Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen direkt nach einer solchen Behandlung, u. U. auch ohne ärztliches Attest, gestattet werden könnte. So hat es sich als ein gangbarer Weg erwiesen, dass das Gesundheitsamt diese Ausnahme als vertretbar zulässt und sie u. U. den für die Kindergemeinschaftseinrichtungen Verantwortlichen als regelhafte Verfahrensweise empfiehlt. Falls die Weiterverbreitung von Kopfläusen in einer Gemeinschaftseinrichtung zu einem Problem wird, gewinnt das „ärztliche Urteil“ im Sinne des § 34 Abs. 1 IfSG an Bedeutung. Wichtig ist, dass seitens einer Gemeinschaftseinrichtung, in der Kopflausbefall festgestellt wurde, die Eltern der gleichen Gruppe oder Klasse, selbstverständlich anonym, über diese Feststellung unterrichtet und zur Untersuchung ihrer eigenen Kinder aufgefordert werden. In einer betroffenen Einrichtung sollten elterliche Rückmeldungen über durchgeführte Kopflausuntersuchungen und ggf. Behandlungen registriert werden, um Untersuchungslücken zu erkennen und schließen zu können. Je geringer die Kooperation der Eltern ist, desto größere Aufgaben kommen auf die pädagogischen Kräfte der Einrichtung und auf die Mitarbeiter/-innen des Gesundheitsamtes zu. Ziel sollte sein, alle mit Kopfläusen befallenen Kinder oder Jugendlichen innerhalb der betroffenen Gruppen möglichst kurzzeitig zu finden und die Kopflaustilgung bei allen betroffenen Personen zeitnah zu veranlassen. Kinder, die in den ersten 3 Tagen nach Bekanntwerden des Kopflausbefalls keine elterliche Rückmeldung vorgelegt haben, sollten möglichst ab dem 4. Werktag nach Bekanntwerden des Kopflausbefalls untersucht werden. Es können auch Kontrolluntersuchungen innerhalb der gesamten Gruppe sinnvoll sein. Die Besonderheiten und das relativ häufige Auftreten des Kopflausbefalls bringen es nach den vorliegenden Erfahrungen mit sich, dass Personal einer Einrichtung oft über die Sachkunde und auch die Bereitschaft verfügt, Kontrolluntersuchungen bei einzelnen Kindern oder Gruppen zu übernehmen und damit die Gesamtheit der Maßnahmen wirksam zu unterstützen. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, wären mit dem Gesundheitsamt die Möglichkeiten einer Unterstützung durch sachkundiges Personal zu erörtern. Die Eltern müssen durch Aufklärung und Anleitung zur Feststellung und Beseitigung eines Kopflausbefalls in den gesamten Prozess der Verhütung und Bekämpfung in der Einrichtung GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 77 von 205 intensiv einbezogen werden. Insbesondere sind sie über eventuelle Kontrolluntersuchungen in der Einrichtung zu unterrichten und ist ihre Zustimmung einzuholen. Aufgaben des Gesundheitsamtes: Das Gesundheitsamt wird durch die Benachrichtigung über einen Kopflausbefall gemäß § 34 Abs. 6 IfSG in die Lage versetzt, seinen Beitrag zur raschen Beendigung des Befalls zu leisten. Wenn anzunehmen ist, dass die Schule oder die Kinderbetreuungseinrichtung der Übertragungsort war, ergibt sich für das Gesundheitsamt die Aufgabe, sich um die betroffene Einrichtung zu kümmern – von der Beratung und der Empfehlung von Maßnahmen über die Kontrolle der Durchführung der empfohlenen Maßnahmen in der Einrichtung, u. U. bis hin zur Veranlassung der Untersuchung von Kindern. Gerade beim Kopflausbefall erweist sich die Einbindung des Gesundheitsamtes als nützlich, um eine sachlich richtige Information der Eltern und der pädagogischen Kräfte zu gewährleisten und ihre wirkungsvolle Zusammenarbeit zu fördern. Bei Bedarf sollte geeignetes Informationsmaterial bereitgestellt werden. Es kommt vor allem darauf an, über die Einrichtung die aktive und sachgerechte Mitwirkung aller Eltern zu erreichen! Auf Ersuchen der Einrichtung kann es auch sinnvoll sein, Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in die direkte Kommunikation mit den Erziehungsberechtigten aller Kinder der betroffenen Klasse/Kindergartengruppe einzubeziehen (z. B. im Rahmen von Elternabenden). Die Erfahrungen zeigen, dass es bei nicht sachgerechter und konsequenter Durchführung der empfohlenen Maßnahmen zu einer weiteren Ausbreitung der Kopfläuse in einer Gemeinschaftseinrichtung kommen kann. Eine derartige Situation sollte das Gesundheitsamt rechtzeitig erkennen und die nötige Unterstützung z. B. durch bedarfsgerechte Hilfsangebote sicherstellen. Hygienemaßnahmen in Haushalt, Kindergarten und Kinderhort: Da Kopfläuse sich nur auf dem menschlichen Kopf ernähren und vermehren können, sind Reinigungs- und andere Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung und dienen vorsorglich der Unterbrechung eventuell möglicher Übertragungsvorgänge: Kämme, Haarbürsten, Haarspangen und -gummis sollen in heißer Seifenlösung gereinigt werden, Schlafanzüge und Bettwäsche, Handtücher und Leibwäsche sollen gewechselt werden, Kopfbedeckungen, Schals und weitere Gegenstände, auf die Kopfläuse gelangt sein könnten, sollen für 3 Tage in einer Plastiktüte verpackt aufbewahrt werden. InsektizidSprays sind nicht nötig. Dass diese Maßnahmen das Untersuchen und Behandeln der Personen im näheren Umfeld des zuerst erkannten Trägers von Kopfläusen lediglich ergänzen, ergibt sich aus der Tatsache, dass Kopfläuse mehrfach täglich Blut saugen müssen, um nicht auszutrocknen, und dass sie ohne Nahrung nach spätestens 55 Stunden abgestorben sind. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Gehäuftes Auftreten von Kopflausbefall in einer Gemeinschaftseinrichtung ist ein gesundheitliches Problem, dessen Lösung in besonderer Weise den medizinischen Sachverstand des zuständigen Gesundheitsamtes erfordert. Prinzipiell sind die gleichen Maßnahmen wie bei einem einzelnen Fall erforderlich, jedoch in größerem Umfang und mit besonders zuverlässigen Kontrollmechanismen. Alle Eltern oder Angehörigen sollten umfassend informiert werden. Das Gesundheitsamt legt in Abhängigkeit von der Situation und im Einvernehmen mit der betroffenen Einrichtung und den Eltern die notwendigen Maßnahmen fest; es unterstützt die Einrichtung ggf. bei deren Durchführung. In Kindereinrichtungen oder Schulen können zusätzlich zur Ausgabe von Informationsmaterial Elternabende dazu beitragen, die Mitwirkung vieler Eltern in kurzer Zeit zu gewährleisten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 78 von 205 Melde- und Informationspflichten Es besteht keine ärztliche Meldepflicht gemäß § 6 IfSG. Leiterinnen und Leiter von Kinderkrippen, -gärten, -tagesstätten, -horten, Schulen oder sonstigen Ausbildungseinrichtungen sowie von Heimen und Ferienlagern sind nach § 34 Abs. 6 IfSG verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über einen festgestellten Kopflausbefall zu benachrichtigen und personenbezogene Angaben zu machen. Modifiziert nach RKI, Stand: 13.07.2007 Fazit: Läuse kann man durch konsequente Behandlung loswerden. Bei Fragen bitten an den Fachdienst wenden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 79 von 205 Kryptosporidiosen Erreger Erreger der Kryptosporidiose ist Cryptosporidium parvum (Protozoa, Sporozoa), ein obligat intrazellulärer Erreger, der den Kokzidien zugeordnet wird. Von den vier bekannten Spezies führen zwei (C. muris und C. parvum) zu Erkrankungen bei Säugetieren. Cryptosporidium sp. wurde im Jahr 1976 erstmals als humanpathogen beschrieben. Die Erreger der Kryptosporidiose bilden Oozysten, welche die infektiöse Form darstellen und eine Größe von etwa 4 x 20 µm besitzen. Die in ihnen liegenden Sporozoiten, die die Infektion hervorrufen (s. Infektionsweg), sind mit etwa 5 µm sehr klein. Durch das gehäufte Auftreten bei AIDS-Patienten und die verbesserte Diagnostik wurden Kryptosporidien als Auslöser von Infektionen des Intestinaltraktes auch bei immunkompetenten Personen erkannt. Vorkommen Kryptosporidien sind weltweit verbreitet. Verschiedene Studien haben in Industriestaaten bei gesunden Individuen in bis zu 0,2 % der Fälle Kryptosporidien im Stuhl nachgewiesen und bei etwa 2 % der Patienten mit Durchfällen. Bei HIV-infizierten Personen mit Durchfällen wurden in 14 % bis 24 % Kryptosporidien nachgewiesen, bei asymptomatischen HIV-Infizierten in bis zu 5 %. In Entwicklungsländern liegt die Prävalenz der Kryptosporidien sehr viel höher, sie kann in bestimmten ländlichen Gegenden über 9 % liegen. Die Seroprävalenz beträgt in den USA 17 % bis 32 %, in Entwicklungsländern 5 0% bis über 90 %. Kinder im Alter von 6 bis 24 Monaten erkranken besonders häufig. Bei einem Ausbruch durch infiziertes Trinkwasser in Milwaukee im Jahr 1993 erkrankten 400.000 Menschen. In Deutschland besteht seit Einführung des IfSG im Jahr 2001 eine Meldepflicht. So wurden 1.481 Kryptosporidiosen im Jahr 2001, 817 Erkrankungsfälle im Jahr 2002 und 885 Erkrankungsfälle im Jahr 2003 übermittelt. Reservoir Kryptosporidien wurden bei mehr als 40 Wirbeltierarten festgestellt, das Reservoir stellen insbesondere Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe, aber auch Hunde, Katzen und Vögel dar. Infektionsweg Sporozoiten enthaltende Oozysten werden vom infizierten Wirt fäkal ausgeschieden. Die Infektion erfolgt überwiegend durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser (z.B. Trinkwasser, Eiswürfel, Badewasser). Aber auch fäkal-orale Schmierinfektionen von Mensch zu Mensch, Tier zu Mensch oder Infektionen durch kontaminierte Nahrung (z.B. mit Oozysten kontaminiertes Fleisch) sind möglich. Die ID50, die Infektionsdosis, bei der 50 % der Exponierten infiziert werden, liegt bei 10–1.000 Oozysten. Nach der Aufnahme von Oozysten kommt es im Dünndarm zur Freisetzung der Sporozoiten. Sie adhärieren an die Oberfläche der Microvilli der Darmepithelzellen, drängen diese Villi auseinander und induzieren die Bildung einer parasitophoren Vakuole direkt unterhalb der Wirtszellmembran. Diese Lage wird als intrazellulär, aber extrazytoplasmatisch bezeichnet. Im weiteren Verlauf der Infektion werden mehrere Merozoiten gebildet, die nach Ruptur der Vakuole wieder in die Darmepithelzellen eindringen und so einen ungeschlechtlichen Zyklus bilden. In einem geschlechtlichen Zyklus gehen aus Merozoiten Mikro- und Makrogameten hervor, die durch Verschmelzung eine Oozyste bilden. Es entstehen zwei Arten von Oozysten: dickwandige (etwa 80 %), deren Wandung aus drei Membran- und zwei Chitinschichten besteht, und dünnwandige (etwa 20 %), die nur von einer Membran umgeben sind. Zwischen 5 bis 21 Tage nach Infektion beginnt die Ausscheidung der Oozysten im Stuhl. Dickwandige Oozysten werden mit dem Kot ausgeschieden; sie sind sehr widerstandsfähig gegen Umwelteinflüsse und Chemikalien, im feuchten Milieu können sie über Monate, in Einzelfällen bis zu 2 Jahre infektiös bleiben. Dünnwandige Oozysten können bereits im Darm rupturieren, Sporozoiten freisetzen und insbesondere bei Abwehrgeschwächten Autoinfektionen bewirken. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 80 von 205 Inkubationszeit Sie beträgt 1 bis 12 Tage, in der Regel 7 bis 10 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Mit Ausscheidung von Oozysten im Stuhl besteht Ansteckungsfähigkeit. Sie können noch etliche Wochen nach Rückgang der Symptome im Stuhl ausgeschieden werden. Klinische Symptomatik Das klinische Bild variiert von asymptomatischen Infektionen bis zu erheblichen wässrigen Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können und manchmal in Verbindung mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und/oder Gewichtsverlust auftreten. Beim immunkompetenten Menschen verschwinden die Symptome nach 1 bis 2 Wochen, während der Durchfall bei Säuglingen und immunsupprimierten Patienten – insbesondere bei AIDS-Patienten – chronisch werden kann. Dieser persistierende Durchfall führt zu massiven Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten, Gewichtsabnahme und Malabsorption. Die Schwere und Dauer der Erkrankung hängt vom Grad der Immunschwäche ab, sie kann im Extremfall zum Tode führen. – Durch die mögliche intraintestinale Autoinfektion wird die chronische Infektion bei immundefizienten Patienten unterhalten. Extraintestinale Manifestationen kommen vor allem bei AIDS-Patienten vor. Am häufigsten erfolgt eine Beteiligung des Gallengangsystems, die an einem Anstieg der Cholestaseanzeigenden Parameter (Gamma-GT, AP) erkennbar ist und bis zur sklerosierenden Cholezystitis führen kann. Seltener sind Pankreatitis, Appendizitis, Otitis und ein Befall der Lunge mit respiratorischen Symptomen. Diagnostik Methode der Wahl ist der mikroskopische Nachweis von Oozysten im Stuhl nach einer modifizierten Ziehl-Neelsen-Färbung. Es existieren aber auch Immunfluoreszenztests und ELISA-Kits zum Nachweis von Antigen im Stuhl. Da die Ausscheidung der Oozysten intermittierend sein kann, sollten drei verschiedene Proben untersucht werden, bevor die Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Weiterhin kann die Diagnose histologisch aus endoskopisch gewonnenen Gewebeproben gestellt werden. Differenzialdiagnostisch müssen die (größeren und unsporulierten) Zysten von Cyclospora cayetanensis ausgeschlossen werden. Therapie Es gibt bisher keine spezifische Therapie, die die Parasiten zuverlässig eradiziert. Die Therapie erfolgt daher im Allgemeinen symptomatisch durch Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Bei AIDS-Patienten kann vor allem die Verbesserung der Immunabwehr durch die hochaktive antiretrovirale Therapie (HAART) die Erkrankung positiv beeinflussen. Nitazoxanid (Breitspektrum-Antibiotikum mit antiparasitärer Wirkung, das bisher nur in den USA für die Therapie von Kryptosporidiosen bei Kindern im Alter von 1 bis 11 Jahren zugelassen ist) führt zur klinischen Besserung. Zusätzlich erwies sich die Gabe von Paromomycin in einigen Studien als partiell effektiv. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Oozysten sind widerstandsfähig gegenüber allen Desinfektionsmitteln, auch gegen Chlor. Durch Erhitzen auf über 60 °C für mindestens 30 Minuten werden sie jedoch sicher abgetötet. Gefährdete Personen, z.B. HIV-Infizierte, sollten über die Ansteckungswege aufgeklärt sein: Vorsicht ist angeraten bei Kontakt mit infizierten Menschen und Tieren, Trinken bzw. Verschlucken von kontaminiertem Leitungswasser oder Wasser aus Seen, Flüssen, Swimmingpools. Möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser muss abgekocht werden. Weitere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Ansteckung sind eine gute sanitäre Hygiene (regelmäßiges Händewaschen nach Toilettenbenutzung, Kontakt mit Windeln sowie Abwasser, Gartenerde und Haustieren, ebenso vor der Nahrungszubereitung und dem Essen). Bei Aufnahme von neuen Haustieren (s. Reservoir), insbesondere Welpen, sollte ggf. eine tierärztliche Untersuchung auf Kryptosporidien durchgeführt werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 81 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Ausscheider von Kryptosporidien-Oozysten sind eine Quelle für fäkal-orale Ansteckung. Sie sind auf eine effektive Händehygiene hinzuweisen und müssen Schwimmbäder strikt meiden. Bei stationärer Unterbringung sollte eine eigene Toilette gewährleistet sein. Infizierte sollen nicht gemeinsam mit immunsupprimierten Patienten untergebracht werden. Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Personen, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 IfSG nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein. Diese Personen dürfen gemäß § 42 IfSG beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht tätig sein, wenn sie mit dem Lebensmittel in Berührung kommen. Das gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung. Lebensmittel gemäß § 42 Abs. 1 IfSG sind: Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus Eiprodukte Säuglings- und Kleinkindernahrung Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Die Maßnahmen entsprechen denen, die allgemein bei Gastroenteritisausbrüchen erforderlich sind. So ist eine unverzügliche labordiagnostische Klärung zur Absicherung der Diagnose erforderlich. Weiterhin müssen Infektionsquellen und mögliche Übertragungsfaktoren ermittelt werden, um baldmöglichst effiziente Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einzuleiten. Dazu ist das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu informieren. Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 10 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von Cryptosporidium parvum, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an. Weitergehende Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG ggf. auch der Verdacht auf und die Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne epidemiologische Bestätigung gemeldet. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2004 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 82 von 205 Legionellen Erreger Legionellen sind gramnegative, nicht sporenbildende aerobe Bakterien, die zur Familie der Legionellaceae, Genus Legionella, gehören. Derzeit sind etwa 48 Arten bekannt, die 70 verschiedene Serogruppen umfassen. Alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen einzustufen. Die für Erkrankungen des Menschen bedeutsamste Art ist Legionella pneumophila, die für etwa 90 % aller Erkrankungen verantwortlich ist. Für Legionella pneumophila sind 16 Serogruppen bekannt, von denen die Serogruppe 1 die größte Bedeutung besitzt. Vorkommen Erkrankungen des Menschen treten weltweit sporadisch oder im Rahmen von Ausbrüchen auf. Nach dem Infektionsort unterscheidet man nosokomiale und ambulant erworbene Legionellosen. Eine besondere Bedeutung kommt reiseassoziierten Erkrankungen zu, da nicht selten Infektionen während einer Reise und den damit verbundenen Aufenthalten in Hotels und anderen Unterkünften erworben werden. In Deutschland besteht seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 erstmals eine Meldepflicht. Im Jahre 2004 wurden 475 Legionellosen an das RKI übermittelt (2003: 395 Erkrankungen; 2002: 414 Erkrankungen; 2001: 331 Erkrankungen). Dies entspricht einer Inzidenz von ca. 6 Fällen pro Million Einwohner. In anderen europäischen Ländern liegt die Inzidenz mit 34,1 (Spanien), 19,2 (Dänemark), 17,9 (Niederlande), 16,9 (Frankreich) deutlich höher. Da nicht alle Legionellosen erkannt werden, insbesondere bei leichter Symptomatik, ist von einer hohen Untererfassung auszugehen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass bei Pneumonien in Deutschland noch zu selten eine spezifische Erregerdiagnostik durchgeführt wird und somit zu wenige Fälle als Legionellose diagnostiziert werden. Daher ist es trotz Meldepflicht schwierig, verlässliche Daten zu erhalten. Nach neuesten Schätzungen des Kompetenznetzwerkes für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNETZ) geht man davon aus, dass in Deutschland etwa 4,2% aller auftretenden Pneumonien durch Legionellen verursacht werden. Bei jährlich etwa 500.000 Pneumonien wären somit etwa 21.000 davon auf Legionellosen zurückzuführen. Dies sind etwa doppelt so viele wie bisher angenommen wurde. Reservoir Legionellen sind Umweltkeime, die in natürlichen, aber auch künstlichen wasserführenden Systemen vorkommen. Ihr primäres Reservoir ist das Wasser (Süßwasser, kein Meereswasser), wo sie in geringer Zahl natürlicher Bestandteil von Oberflächengewässern und Grundwasser sind. Ihr Vorkommen wird entscheidend von der Wassertemperatur beeinflusst. Ideale Bedingungen für ihre Vermehrung finden Legionellen bei Temperaturen zwischen 25 und 45 °C (Temperaturoptimum 37 °C). Bei Wassertemperaturen oberhalb von 60 °C sterben sie relativ schnell ab. Legionellen können auch in kaltem Wasser vorkommen, sich dort jedoch bei Temperaturen unter 20 °C nicht mehr nennenswert vermehren. Legionellen haben die Fähigkeit, sich intrazellulär in Amöben und anderen Protozoen zu vermehren. Günstige Bedingungen finden Legionellen in künstlichen Wasseranlagen, vor allem in großen Warmwasseranlagen mit umfangreichen Rohrsystemen. Das Vorhandensein von Biofilm und Ablagerungen (z.B. Sedimente in Warmwasserbehältern) bietet ihnen eine optimale Lebensgrundlage. Ebenso kann eine Stagnation zu erhöhten Keimzahlen im Wasser führen. Besonders ältere und schlecht gewartete Wassersysteme sind daher anfällig für Legionellenkontaminationen. Infektionsweg Im Wasser vorhandene Legionellen stellen keine direkte Gesundheitsgefährdung dar. Erst die Aufnahme von Erregern durch Inhalation bakterienhaltigen Wassers als Aerosol oder durch Aspiration von legionellenhaltigem Wasser kann zur Infektion führen. Legionellenhaltige Amöbenpartikel sind für die Übertragung wichtig, da Legionellen ihre Virulenzgene intrazellulär aktivieren. Die Infektion durch legionellenhaltige Amöben erklärt auch das Dosis-WirkungsParadox beim Auftreten von Legionellosen (fehlende Infektionen trotz kontaminierter Wassersysteme bzw. Infektionen trotz minimaler Kontamination). Bisher konnten keine Pathogenitätsfaktoren identifiziert werden, die dafür verantwortlich sind, dass sich eine GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 83 von 205 Infektion entwickelt. Daraus folgt, dass z.Z. noch keine Möglichkeit existiert, virulente von nicht so stark virulenten Stämmen zu unterscheiden. Genotypische Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass es bestimmte Klone mit erhöhter Virulenz gibt, die für einen Großteil der Erkrankungen verantwortlich sind. Hierbei sind vor allem Stämme von Legionella pneumophila Serogruppe 1, die mit dem monoklonalen Antikörper 3–1 reagieren, zu nennen. Eine Übertragung von Legionellosen wird insbesondere mit folgenden technischen Systemen in Verbindung gebracht bzw. als möglich angesehen: Warm-; aber auch Kaltwasserversorgungen (insbesondere bei Stagnation z.B. in Wohnhäusern, Krankenhäusern, Heimen, Hotels oder nach Bezug eines Neubaus), raumlufttechnische Anlagen (Rückkühlwerke von RLT-Anlagen, Klimaanlagen), Badebecken, insbesondere Warmsprudelbecken (Whirlpools), sonstige Anlagen, die einen Spray von Wassertröpfchen erzeugen können (z.B. Hydrotherapie, Dentaleinheiten, bestimmte Luftbefeuchter im häuslichen Bereich). Entscheidende Faktoren für die Vermehrung von Legionellen sind die Temperatur des Wassers und seine Verweildauer im Leitungssystem. Eine Verbreitung wird durch das Entstehen von Aerosolen begünstigt. Eine der wichtigsten Ursachen für die Entstehung von Legionellosen scheint derzeit die Übertragung durch Warmwasserquellen (aus sanitären Einrichtungen) zu sein. In diesem Zusammenhang werden oft Duschen genannt. Bei Umgebungsuntersuchungen wurden Legionellen auch an Duschköpfen gefunden. Beim Duschen findet jedoch nur eine geringe Aerosolbildung statt, so dass es wahrscheinlich nicht mit einem höheren Risiko verbunden ist als der Kontakt mit Leitungswasser aus einem Wasserhahn. Eine Gesundheitsgefährdung durch Trinken von Wasser, in dem sich Legionellen befinden, kann bei immunkompetenten Personen ohne Schluckstörungen weitgehend ausgeschlossen werden. Bei abwehrgeschwächten Patienten und bei Schluckstörungen (z.B. nach Operation im Kopf- und Nackenbereich) ist eine Infektion nach Aspiration möglich. Zur Analyse einer Übertragung aus einem verdächtigen Wassersystem auf den Patienten ist eine genetische Feintypisierung von Patienten- und Umweltisolaten erforderlich. Inkubationszeit Legionellose mit Pneumonie (Legionärskrankheit): ca. 2–10 Tage Legionellose ohne Pneumonie (Pontiac-Fieber): ca. (im Durchschnitt 24–48 Stunden) 5–66 Stunden Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt. Klinische Symptomatik Das Spektrum der klinischen Manifestationen reicht von asymptomatischen Infektionen bis zu schwerwiegenden Pneumonien mit tödlichem Verlauf. Eine Erkrankung entwickelt sich nach Einbringen von Legionellen in die unteren Atemwege. Ein großer Anteil der klinisch Erkrankten sind Risikopatienten mit Immunsuppression, z.B. bei Organtransplantationen, Knochenmarktransplantationen, zytostatischer Behandlung von Leukämien. Weitere Risikofaktoren sind Dauermedikation mit Kortikoiden, Zustand nach großen chirurgischen Eingriffen sowie ein hohes Lebensalter. Auch Nikotin- und Alkoholabusus können disponierende Faktoren darstellen. Männer erkranken häufiger. Eine Legionelleninfektion kann zu den beiden nachfolgend aufgeführten Krankheitsbildern führen: Die Legionellose mit Pneumonie (Legionärskrankheit) beginnt mit uncharakteristischen Prodromalerscheinungen wie allgemeinem Unwohlsein, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen, unproduktivem Reizhusten. Innerhalb weniger Stunden kommt es zu Thoraxschmerzen, Schüttelfrost, Temperaturanstieg auf 39–40,5 °C, gelegentlich auch Abdominalschmerzen mit Durchfällen und Erbrechen. Infolge einer ZNS-Beteiligung kann es zur Benommenheit kommen, die bis zu schweren Verwirrtheitszuständen führen kann. Die Röntgenuntersuchung des Thorax zeigt eine Pneumonie mit zunächst fleckiger Infiltration, später mit zunehmender Verdichtung ganzer Lungenlappen. Die Rekonvaleszenz ist meist langwierig. In einigen Fällen kann als GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 84 von 205 Folge der Erkrankung eine eingeschränkte Lungenfunktion zurückbleiben oder eine Lungenfibrose entstehen. Die Legionellose ohne Pneumonie (Pontiac-Fieber) ist durch einen leichteren Verlauf gekennzeichnet. Die Krankheit führt zu einem grippeähnlichen Krankheitsbild mit Kopf-, Glieder-, Thoraxschmerzen, Husten und Fieber sowie gelegentlichen Verwirrtheitszuständen. Eine Pneumonie tritt nicht auf. Trotz erheblichen Krankheitsgefühls erholen sich die Patienten in der Regel ohne antibiotische Therapie innerhalb weniger Tage ohne bleibende Spätschäden. Todesfälle sind nicht bekannt. Diagnostik Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis der Legionellen auf einem Spezial-Agar, das Ergebnis liegt aber erst nach mehreren Tagen vor. Hierfür geeignet sind respiratorische Materialien (insbesondere bronchoalveoläre Lavage, Trachealsekret, ggf. auch Sputum) oder Lungengewebe bzw. Pleuraflüssigkeit. Ein kultureller Nachweis sollte vor allem zur Identifikation möglicher Infektionsquellen (durch den molekularbiologischen Vergleich der klinischen Isolate mit denen aus der Umwelt) angestrebt werden. Patientenstämme und Umweltisolate werden kostenlos im Konsiliarlaboratorium für Legionellen typisiert. Beweisend ist auch der Nachweis des Legionella-Antigens im Urin mittels ELISA. Damit werden in der Regel aber nur Antigene von Legionella pneumophila der Serogruppe 1 und gelegentlich einige kreuzreagierende andere Serogruppen angezeigt. Damit ist der Test zur Überwachung nosokomialer Infektionen bei Kontamination des Wassersystems durch Stämme anderer Serogruppen nur bedingt geeignet. Die Antigenausscheidung setzt bereits nach 24 Stunden ein und persistiert meist einige Wochen, selten über Monate. Diese Methode erlaubt eine frühzeitige und vor allem schnelle Diagnose und ist zudem nicht invasiv. Eine persistierende Ausscheidung von Antigen im Urin ist kein Hinweis auf ein Nichtansprechen der antibiotischen Therapie. Therapie Nur Antibiotika mit einer guten intrazellulären Aufnahme sind gegen Legionellen wirksam. Bei der Behandlung der Legionella-Pneumonie gilt Erythromycin seit der Epidemie in Philadelphia im Jahre 1976 als das Mittel der Wahl. Bei schweren Fällen wird die zusätzliche Gabe von Rifampicin empfohlen. Die Dauer der Therapie sollte bei immunkompetenten Patienten mindestens 14 Tage, bei abwehrgeschwächten Patienten 3 Wochen betragen. Neuere Makrolidantibiotika (z.B. Azithromyzin, Clarithromyzin) und Fluorchinolone (z.B. Ciprofloxacin, Moxifloxacin) besitzen nach neueren In-vitro-Daten und Tierversuchen eine schnellere und bakterizide Wirkung. Ihr Einsatz wird besonders bei immunsupprimierten Patienten empfohlen. Das Pontiac-Fieber erfordert keine antibiotische Therapie. Hier wird in der Regel nur eine symptomatische Behandlung durchgeführt. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen Maßnahmen gegen Kontamination von wasserführenden Systemen Die Prävention von Legionellosen ist im wesentlichen auf zwei Wegen möglich: Verminderung einer Verkeimung warmwasserführender, aerosolbildender Systeme Limitierung/Verminderung von Aerosolkontakten Gefahren können prinzipiell von Warmwasserversorgungen mit einer Dauertemperatur im Risikobereich (25–50 °C) ausgehen. Hygienische Probleme bereiten in erster Linie große Warmwassersysteme und Systeme mit ungenügendem Durchfluss (Stagnation). Eine gezielte Prävention erfolgt auf der Basis sanitärtechnischer Regelungen und Maßnahmen, auf die hier hingewiesen wird: Bei neu zu planenden Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen gibt die technische Regel DVGW W 551 Hinweise zur Vermeidung von Legionellenkontaminationen. Das Arbeitsblatt bezieht sich auf Großanlagen (mit mehr als 3 Litern Warmwasser in den Leitungen bzw. Speichern mit mehr als 400 Litern). Es wird nicht unterschieden nach den verschiedenen Nutzungsbedingungen z.B. in Krankenhäusern, Hotels oder anderen öffentlichen Gebäuden sowie Wohnhäusern. Über die Anforderungen dieses Arbeitsblattes hinausgehende Forderungen wurden z.B. für Intensivstationen und Bereiche zur Behandlung von Immunsupprimierten (Risikopatienten) formuliert. Ergänzend wird die Etablierung geeigneter GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 85 von 205 diagnostischer Voraussetzungen empfohlen, um bei hoher Aufmerksamkeit für Legionellosen Häufungen rasch zu erkennen. Anlagen gemäß DVGW W 551 dürfen beispielsweise an keiner Stelle im Verteilungssystem Wassertemperaturen geringer als 55 °C aufweisen. Das Arbeitsblatt enthält auch Informationen zur Überwachung von Warmwassersystemen. Diese Überwachung kann nur durch ein Untersuchungsinstitut erfolgen, bei dem eine Zulassung gemäß §§ 44–53 IfSG vorliegt. Zur Nachweismethode von Legionellen aus Trinkund Badebeckenwasser ist eine Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der Trinkwasserkommission und der Badewasserkommission des Umweltbundesamtes erschienen. Das Arbeitsblatt DVGW W 551 gibt darüber hinaus auch Hinweise zur möglichen technischen Dekontamination von Trinkwasserverteilungsanlagen, bei denen ein Legionellenwachstum festgestellt worden ist. Neben kurzfristig wirksamen Sanierungsverfahren wie der thermischen oder chemischen Desinfektion wird auch auf den Einsatz von UV-Strahlern und bautechnische Maßnahmen eingegangen. Alle Sanierungsverfahren müssen zum Abschluss durch hygienischmikrobiologische Untersuchungen auf ihren Erfolg kontrolliert werden. Erfahrungsgemäß ist häufig eine Kombination verschiedener Sanierungsverfahren notwendig, um einen langfristigen Erfolg sicherzustellen. Zusammengefasst werden folgende Maßnahmen empfohlen: technische Planung und technischer Betrieb von Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen unter Berücksichtigung von DVGW W 551, orientierende Untersuchungen bei Anlagen mit mehr als 3 Litern Warmwasser in den Leitungen oder Speichern mit mehr als 400 Litern Inhalt, bei festgestellter Kontamination Sanierung, Kontrolle des Sanierungserfolges (Nachuntersuchungen). Bei raumlufttechnischen Anlagen sollte den offenen Wasserkühlsystemen besondere Beachtung gewidmet werden, da sie in der Regel Dauertemperaturen um etwa 30 °C aufweisen. Bei Umluftsprühbefeuchtern ist eine regelmäßige Reinigung und Wartung der Befeuchtungskammern erforderlich. Da diese Systeme jedoch bei vielen kontaminierten RLTAnlagen die Quelle der Verunreinigung waren, wird von ihrem Betrieb abgeraten. Als hygienisch sicher gelten hingegen Systeme mit Dampfbefeuchtung. Wartung und Reinigung von RLTAnlagen erfolgen gemäß DIN 1946. Insbesondere bei Reinigungsarbeiten in Wäscherkammern ist auf geeignete Arbeitsschutzausrüstung des Personals zu achten. Der Betrieb von Badebecken inklusive Warmsprudelbecken (Whirlpools) erfolgt gemäß DIN 19643. Danach besteht bei Becken mit einer Temperatur höher 23 °C, bei denen mit Aerosolbildung zu rechnen ist, ein Grenzwert für Legionella pneumophila (darf in 1 ml nicht enthalten sein). In 100 ml Filtrat darf ebenfalls Legionella pneumophila nicht nachweisbar sein. Nach dem offiziellen Kommentar zur DIN 19643 sind die in der DIN angegebenen Werte für die gesamte Gattung Legionella einzuhalten, nicht nur für die Legionella pneumophila. Die genauen Vorschriften für die Untersuchung werden in einer Mitteilung der Badewasserkommission des Umweltbundesamtes erläutert. Bei Hydrotherapie sowie Wannenbädern mit Aerosolbildung ist zu beachten, dass die erforderlichen Temperaturen durch Mischen von kaltem und heißem Wasser erst unmittelbar vor dem Ausfluss durch die Zapfarmatur einzustellen sind. Auch bei Dentaleinheiten ist das Problem der Verkeimung ebenso wie bei Warmsprudelbecken bereits seit längerem bekannt. Auch hier sind einwandfreie hygienetechnische Vorkehrungen erforderlich, z.B. optimale Materialauswahl, Temperatursteuerung, ggf. Zusatz von mikrobiozid wirkenden geprüften Substanzen. Bei Geräten im häuslichen Bereich, die ein wässriges Aerosol erzeugen (z.B. Luftbefeuchter, Inhalatoren) ist ebenfalls eine regelmäßige und gründliche Reinigung erforderlich. Bei Nichtbenutzung müssen die Geräte gereinigt und in trockenem Zustand aufbewahrt werden. (Für die Zusammenstellung der vorstehenden Hinweise danken wir dem Umweltbundesamt). Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Bei ätiologisch ungeklärten Lungenentzündungen im Erwachsenenalter besteht immer die Möglichkeit einer Legionellose, so dass diese in die Differenzialdiagnostik eingeschlossen und ggf. ein entsprechender labordiagnostischer Nachweis veranlasst werden sollte. Bei schweren klinischen Verläufen ist eine stationäre Behandlung angezeigt. Da eine Mensch-zu-MenschÜbertragung nicht bekannt ist, sind Maßnahmen zur Absonderung der Patienten nicht GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 86 von 205 erforderlich. Auch für Kontaktpersonen sind keine speziellen Maßnahmen notwendig. Bei einer laborbestätigten Legionellose sollte prinzipiell immer versucht werden, den Infektionsweg aufzuklären und die Infektionsquelle zu bestimmen; dabei ist eine Inkubationszeit von 2– 10 Tagen vor Erkrankungsbeginn zu berücksichtigen. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist es wichtig, die Infektionsquelle schnell zu erkennen und zu sanieren, um weitere Infektionen zu verhindern. Zur Dekontamination von Wassersystemen können eine Chlorung oder vorübergehende Erhitzung des Wassers auf über 70 °C eingesetzt werden (Schutz vor Verbrühung beachten). Die Durchführung dieser Maßnahmen ist sehr aufwändig und bedarf einer gründlichen Planung. Insbesondere ist die Beständigkeit aller in der Hausinstallation verbauten Materialien gegen das vorgesehene Desinfektionsmittel zu prüfen. Meldepflicht Nach § 7 Abs. 1 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis einer akuten Infektion durch Legionella sp. meldepflichtig. Zur Meldung verpflichtet ist der Leiter der Untersuchungsstelle, in der der Nachweis geführt wurde. Modifiziert nach RKI, Stand: 24.01.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 87 von 205 Lyme Borreliose Erreger Die Lyme-Borreliose wird durch verschiedene Spezies des Genus Borrelia verursacht, die zum sogenannten Komplex Borrelia burgdorferi sensu lato (Bbsl) gehören. Vier der insgesamt 12 bisher beschriebenen Spezies des Bbsl-Komplexes Borrelia, (B.) burgdorferi sensu stricto, Borrelia (B.) garinii und Borrelia (B.) afzelii und die erst vor kurzem beschriebene Spezies B. spielmanii, sind humanpathogen. Alle vier Spezies kommen in Europa vor, während humanpathogene Stämme in den USA ausschließlich der Spezies B. burgdorferi sensu stricto angehören. Von B. afzelii werden vorwiegend Hautmanifestationen hervorgerufen, während die mit Neuroborreliose und Arthritis assoziierten Stämme deutlich heterogener sind, wobei bei der Neuroborreliose B. garinii überwiegt. Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa. Etwa 5– 35 % der Zecken sind mit Borrelien befallen, wobei adulte Zecken im Durchschnitt zu 20 %, Nymphen zu 10 % und Larven nur zu etwa 1 % infiziert sind. In Deutschland ist nach bisherigen Erkenntnissen nach einem Zeckenstich bei 1,5–6 % der Betroffenen mit einer Infektion (einschließlich der klinisch inapparenten Fälle) und bei 0,3–1,4 % mit einer manifesten Erkrankung zu rechnen. Die Infektion kann von März bis Oktober erfolgen (bei entsprechenden Witterungsbedingungen evtl. auch früher oder später), ein Gipfel besteht in den Monaten Juni und Juli für das Erythema migrans und Juli und August für die akute Neuroborreliose. Die Frühmanifestationen (wie Erythema migrans und frühe Neuroborreliose Stadium II) treten also wegen der kurzen Inkubationszeit saisonal gehäuft auf. Die Lyme-Krankheit bzw. Lyme-Borreliose wurde nach dem Ort Lyme (Connecticut, USA), in dem gehäuft Gelenkentzündungen nach Zeckenstichen auftraten, benannt. Die Hautmanifestationen der Lyme-Borreliose wurden in Europa bereits um die Jahrhundertwende beschrieben, aber erst 1981 wurde der Erreger von W. Burgdorfer entdeckt. Vorkommen Die Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre (Nordamerika, Europa und Asien) verbreitet. Es ist von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen, allerdings fehlen flächendeckende epidemiologische Untersuchungen. Reservoir Als Erregerreservoir werden kleine Nagetiere und Vögel angesehen. Andere Tiere wie Rehe und Hirsche spielen eine wichtige Rolle als Wirtstiere für Zecken. Mehrere hundert Wirbeltierspezies können von der Schildzecke Ixodes (I.) ricinus befallen werden. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt in Mitteleuropa durch den Stich der Schildzecke I. ricinus (Holzbock). Das Erkrankungsrisiko steigt deutlich mit der Dauer des Saugaktes. Inkubationszeit Je nach klinischer Symptomatik der Erstmanifestation kann die Inkubationszeit nach dem Zeckenstich stark variieren: Tage bis Wochen für Stadium I, Wochen bis Monate für Stadium II und schließlich Monate bis Jahre für Stadium III. Zu beachten ist, dass jede klinische Manifestation isoliert, aber auch in unterschiedlichen Kombinationen auftreten kann. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Entfällt, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch nicht erfolgt. Klinische Symptomatik Die klinische Symptomatik der Multisystemerkrankung Lyme-Borreliose kann sehr vielgestaltig sein und umfasst insbesondere Symptome an Haut, Nervensystem, Gelenken und Herz. In einer großen prospektiven, populationsbasierten Studie, die den Raum Würzburg mit etwa 279.000 Einwohnern umfasste, fanden sich für die verschiedenen Manifestationen folgende Häufigkeiten: Erythema migrans als einziges Symptom in 89%, eine frühe Neuroborreliose in 3%, ein Lymphozytom in 2%, eine kardiale Beteiligung in <1%, eine Lyme-Arthritis in 5% und GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 88 von 205 eine Acrodermatitis in 1%. Die sehr seltene chronische Neuroborreliose wurde bei dieser Studie nicht nachgewiesen. Stadium I: Die typische Manifestation ist das Erythema (chronicum) migrans. Tage bis Wochen nach einem Zeckenstich entsteht an der Stelle des Zeckenstichs aus einer initialen Papel ein scharf abgegrenztes schmerzloses, sich zentrifugal ausbreitendes Erythem, das im Zentrum oft eine Aufhellung aufweist. Dieses Stadium kann von unspezifischen Allgemeinerscheinungen wie Fieber, Konjunktivitis, Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien und Lymphknotenschwellungen begleitet sein. Stadium II: Leitsymptom des Stadiums II ist die Meningopolyneuritis Garin-BujadouxBannwarth. Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich treten brennende radikuläre Schmerzen auf, die häufig in lokaler Beziehung zur Zeckenstichstelle bzw. zum vorangegangenen Erythema migrans stehen. Während des initialen Schmerzsyndroms werden in über 90 % der Fälle asymmetrische und unsystematisch verteilte schlaffe Lähmungen beobachtet. In über 60 % der Fälle treten zusätzlich sensible Ausfälle auf. Die neurologischen Ausfälle betreffen in etwa 60 % der Fälle Hirnnerven, vorwiegend als ein- oder beidseitige Fazialisparese. Meningitische und enzephalitische Krankheitsbilder sind bei Erwachsenen in Europa relativ selten. Bei Kindern werden vorwiegend meningitische Verläufe oder auch isolierte Fazialisparesen beobachtet. Relativ selten kommt es zu einer Manifestation am Herzen in Form einer Myo-, Peri- oder Pankarditis. Diese ist gekennzeichnet durch atrioventrikuläre Überleitungsstörungen bis zum kompletten AV-Block, Veränderungen des ST-T-Segments, Vorhofflimmern, ventrikuläre Extrasystolen, Tachykardien, evtl. Kardiomegalie, eingeschränkte linksventrikuläre Funktion, manifeste Herzinsuffizienz, Synkopen. Als seltene Hautmanifestation gilt die Lymphadenosis cutis benigna Bäfverstedt (Borrelien-Lymphozytom). Es handelt sich dabei um einen rötlich-lividen Tumor, der bevorzugt an Ohrläppchen (vor allem bei Kindern), Mamillen oder Skrotum auftritt. Stadium III: Manifestationen dieses Stadiums sind die Lyme-Arthritis und die Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer. Sie treten Monate bis Jahre nach der Infektion auf. Die LymeArthritis ist eine schubweise oder chronisch verlaufende mono- oder oligoartikuläre Arthritis. Am häufigsten sind die Kniegelenke betroffen, dann in abnehmender Häufigkeit Sprunggelenke, Ellenbogen-, Finger-, Zehen- und Handwurzelgelenke sowie Kiefergelenke. Die Acrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer ist gekennzeichnet durch ein initial infiltratives Stadium, das zur Atrophie der Haut (zigarettenpapierdünn) mit livider Verfärbung führt. Die Veränderungen treten bevorzugt an den Akren und Streckseiten der Extremitäten auf. Im weiteren Verlauf können Arthropathien und Polyneuropathien an den betroffenen Extremitätenabschnitten entstehen. Eine weitere, jedoch sehr seltene Spätmanifestation der Lyme-Borreliose ist die chronische Enzephalomyelitis mit Para- und Tetraparesen. Grundsätzlich gilt: Differentialdiagnostisch ist auch an andere zeckenübertragene Erreger zu denken. Dies gilt vor allem bei ungewöhnlicher Symptomatik. Bei akut fieberhafter Erkrankung mit Blutbildveränderungen (Leukozytopenie, Thrombozytopenie) und Transaminasenerhöhung sollte z. B. an eine Ehrlichiose gedacht werden und Kontakt mit einem Speziallabor (z. B. Konsiliarlabor für Ehrlichia) aufgenommen werden. Die Stadieneinteilung wird zunehmend als zu artifiziell empfunden. Für die klinische Klassifizierung wird die Einteilung in Frühmanifestationen (lokalisiert: E. migrans; disseminiert: z.B. akute Neuroborreliose) und Spätmanifestationen (Arthritis, Acrodermatitis und chronische Neuroborreliose) vorgezogen. Diagnostik Die Lyme-Borreliose ist primär eine klinische Verdachtsdiagnose, die durch die Anamnese und die Labordiagnostik gestützt wird. In der Labordiagnostik steht der Nachweis spezifischer Antikörper im Serum und im Liquor an erster Stelle. Der Nachweis von Borrelien in der Zecke kann mittels PCR, indirekter Immunfluoreszenz, Dunkelfeldmikroskopie, in Einzelfällen auch Kultur erfolgen. Dieser ist im Wesentlichen auf epidemiologische Fragestellungen beschränkt. Allein aus positiven Ergebnissen von Zeckenuntersuchungen sollte keine Indikation zur Antibiotika-Prophylaxe abgeleitet werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 89 von 205 Therapie Eine Therapie ist in der Frühphase in der Regel am erfolgreichsten. Eine generelle prophylaktische Antibiotikagabe nach Zeckenstich wird jedoch nicht empfohlen. Mittel der Wahl für die Behandlung des Erythema migrans sind gegenwärtig Tetracycline, z. B. Doxycyclin. Bei Kindern und Schwangeren ist Doxycyclin kontraindiziert, stattdessen gibt man Amoxicillin oder Cefuroxim. Bei Unverträglichkeiten wird die Gabe von Azithromycin empfohlen. Bei Neuroborreliose, Karditis und Arthritis werden vor allem Cephalosporine der III. Generation (i.v.Therapie) Empfehlungen für die Therapiedauer variieren zwischen 2 Wochen (Erythema migrans) und 3–4 Wochen (Spätmanifestationen). Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Allgemeine präventive Maßnahmen Grundlage der Prävention sind Information und Aufklärung über die Risiken der Übertragung und vorbeugende Maßnahmen. Die Gefahr, Zecken zu akquirieren, besteht bei Freilandaufenthalten mit Kontakt zu bodennahen Pflanzen (hohes Gras, Kraut, Farne, Strauchwerk). Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt (z. B. lange Hosen, langärmelige Hemden und festes Schuhwerk), reduziert das Risiko eines Zeckenbefalls. Repellentien wirken in gewissem Umfang auch gegen Zecken; nach etwa zwei Stunden lässt ihre Wirkung allerdings nach. Nach Aufenthalten in Gebieten mit potenziellem Zeckenvorkommen sollte der Körper (vor allem auch bei Kindern) sorgfältig nach Zecken abgesucht werden. Insbesondere bei Kindern können die Zecken am Haaransatz sitzen. Bei Zeckenbefall muss die Zecke umgehend entfernt und die Wunde sorgfältig desinfiziert werden. Bei der Entfernung der Zecke sind alle überflüssigen Manipulationen zu unterlassen; der Zeckenkörper darf nicht gequetscht werden, da sonst der borrelienhaltige Inhalt in den Organismus gelangen kann. Aktive und passive Immunisierungen stehen bisher für Europa nicht zur Verfügung. In den USA war für wenige Jahre ein wirksamer rekombinanter Impfstoff auf der Basis von OspA (äußeres Membranprotein von Bbsl) zugelassen, der aus kommerziellen Gründen vom Hersteller vom Markt genommen wurde. Wegen der Heterogenität der Stämme (mindestens 7 OspASerotypen) ist die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa schwierig. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Da erkrankte Personen nicht ansteckend sind, ist eine Absonderung von Patienten nicht erforderlich. Wichtig ist eine frühzeitig einsetzende Therapie, um Komplikationen und das Auftreten späterer Manifestationen zu vermeiden. Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht erforderlich. Meldepflicht Eine Meldepflicht besteht nach dem Infektionsschutzgesetz nicht. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen besteht eine Meldepflicht für die Lyme-Borreliose auf der Basis von Länderverordnungen. Modifiziert nach RKI, Stand: 30.04.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 90 von 205 Malaria Erreger Malaria wird durch Protozoen der Gattung Plasmodium verursacht (Klasse Haematozoea, Ordnung Haemosporida , Familie Plasmodiidae). Es existieren verschiedene Plasmodienarten, humanpathogen sind: Plasmodium (P.) falciparum (Erreger der Malaria tropica), Plasmodium ovale und Plasmodium vivax (Erreger der Malaria tertiana), Plasmodium malariae (Erreger der Malaria quartana). Die Morphologie der Parasiten ist für jede Art und jedes Entwicklungsstadium charakteristisch. Plasmodien sind intrazelluläre Parasiten, ihr Entwicklungszyklus verläuft in zwei Teilen: ein Zyklus im menschlichen Wirt und einer in der Überträgermücke. Einzelheiten des Entwicklungszyklus des Parasiten zu kennen, ist wichtig, um die Pathogenese, die Klinik, die Diagnostik und die Therapie zu verstehen. Entwicklungszyklus im Menschen: Die ungeschlechtliche Vermehrung findet im Menschen statt. Die im Laufe der „Blutmahlzeit“ der Anophelesmücke (Überträgermücke) aufgenommenen Sporozoiten dringen aus der Blutbahn rasch in die Leberparenchymzellen ein. Dort entwickeln sie sich durch die Teilung zu einem die Leberzelle ausfüllenden Gewebeschizonten (präerythrozytäre Phase). Dieser Zyklus dauert je nach Plasmodienart zwischen 5 bis 7 Tagen bei P. falciparum und 6 bis 18 Tagen bei den übrigen Arten. Die Zahl der pro Gewebeschizonten gebildeten Merozoiten schwankt mit der Plasmodienart. Bei P. falciparum ist die Zahl am höchsten. Bei P. vivax und P. ovale entwickelt sich nur ein Teil der Schizonten zu reifen Formen mit Merozoiten, die dann periodisch ins Blut gelangen. Ein anderer Teil der Schizonten verbleibt in einer Art Ruhephase in einzelliger Form über Monate oder Jahre. Durch bisher noch wenig bekannte Stimulation (Stress, Infektionen) reifen diese Hypnozoiten zu merozoitenhaltigen Schizonten und führen dann zu den für die Malaria tertiana charakteristischen Rückfällen (relapse). Nach abgeschlossener Schizogonie kommt es zur Ruptur der Leberparenchymzelle, die frei werdenden Merozoiten treten in die Blutbahn ein, heften sich an die Membran der Erythrozyten an, entwickeln sich in einer so geschaffenen Vakuole über ein „Ringstadium“ zum reifen erythrozytären Schizonten (erythrozytäre Phase). Aus diesem werden beim Zerfall des Erythrozyten wieder Merozoiten freigesetzt, die weitere Erythrozyten befallen. Einige von ihnen differenzieren sich in den Erythrozyten zu geschlechtlichen Formen (Gamogonie). Es entstehen Makro-und Mikrogametozyten. Entwicklungszyklus in der Anophelesmücke: Von Mücken aufgenommene Makro-und Mikrogameten vereinigen sich und bilden eine Oozyste, aus der Sporozoiten hervorgehen (Sporogonie), die über den Speichel einen neuen Wirt infizieren können. Vorkommen Die Malaria ist eine tropentypische Krankheit und weltweit eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten. Sie tritt in tropischen und subtropischen Regionen aller Kontinente – außer Australien – in etwa 100 Ländern endemisch auf. Etwa 40% der Weltbevölkerung lebt in Malaria-Endemiegebieten. Dort erkranken schätzungsweise 300 bis 500 Millionen Menschen pro Jahr. Weltweit sterben jährlich 1,5 bis 2,7 Millionen Menschen an Malaria, etwa die Hälfte von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. Malaria wird überwiegend in Ländern Afrikas, Asiens und Südamerikas erworben, wobei Afrika mit etwa 90% der Fälle am meisten betroffen ist. Seltene, mitunter praktisch wichtige Sonderformen einer Infektion außerhalb eines Endemiegebietes sind die sog. Flughafenmalaria, bei der die Infektion durch importierte infektiöse Mücken entweder im Flugzeug, auf einem Flughafen oder in dessen unmittelbarer Umgebung erfolgt, bzw. die sogenannte „Baggage-Malaria“, bei der die infizierenden Mücken im Gepäck von Flugreisenden importiert werden. Importierte Fälle in Deutschland In Deutschland wurden im Jahr 2004 entsprechend der Meldepflicht nach IfSG mit 707 Fällen weniger Malaria-Erkrankungen gemeldet als in den Vorjahren. Die Meldezahlen lagen 2003 bei 820 Fällen, 2002 bei 859 Fällen und 2001 bei 1.045 Fällen. Im Jahre 2004 wurde für 576 Fälle (81,5%) das Infektionsland angegeben. Der größte Teil (87%) der Malaria-Erkrankungen wurde, wie auch in den Vorjahren, aus afrikanischen Ländern importiert. Besonders viele Fälle traten bei Reisen in westafrikanische Länder und nach Kenia auf. Papua-Neuguinea und Indien GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 91 von 205 waren mit 11 bzw. 8 Fällen die wichtigsten Infektionsländer außerhalb Afrikas. In Europa wurde keine Malaria erworben. Bei 666 der im Jahre 2004 gemeldeten Fälle (94%) lagen Angaben zur Erregerspezies vor. Dabei wurde P. falciparum mit 77% am häufigsten diagnostiziert. Dies steht im Einklang damit, dass die meisten Erkrankungen in Afrika erworben wurden. An zweiter Stelle lag P. vivax mit 12%, gefolgt von P. ovale (3%) und P. malariae (2%). Malaria tertiana (P. vivax oder P. ovale) ohne weitere Differenzierung des Erregers machte 2% aus. Mischinfektionen hatten einen Anteil von 4%. Reservoir Für humanpathogene Plasmodien ist der Mensch der einzige Wirt. Eine Vielzahl weiterer Plasmodienarten ist unter natürlichen Bedingungen nicht auf den Menschen übertragbar. Infektionsweg In der Regel erfolgt die Übertragung der Plasmodien durch den Stich einer blutsaugenden weiblichen Stechmücke der Gattung Anopheles, bei dem mit dem Speichel der Mücke Sporozoiten in die menschliche Blutbahn gelangen. Mögliche, aber seltene Übertragungswege – für Deutschland überwiegend von theoretischem Interesse – sind die Übertragung von Plasmodien durch Bluttransfusionen, durch den gemeinsamen Gebrauch nicht ausreichend sterilisierter Spritzen und Kanülen (Drogenbenutzer!), durch Nadelstichverletzungen oder den mehrmaligen Gebrauch von Infusionssystemen sowie eine diaplazentare Übertragung von der Mutter auf das Ungeborene. Inkubationszeit Infektionen durch P. falciparum: ab 7–15 Tage, P. vivax und P. ovale: 12–18 Tage, P. malariae: 18– 40 Tage. Längere Inkubationszeiten sind (z.B. bei ineffektiver Prophylaxe) bei allen Formen möglich. Die Bildung von Ruheformen (Hypnozoiten) aus Sporozoiten in der Leberzelle kann bei P. vivax Rezidive bis zu 2 Jahren, bei P. ovale bis zu 5 Jahren nach Infektion bewirken. Bei P. malariae sind Latenzzeiten bis zu 40 Jahren beschrieben. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Klinische Symptomatik Die Malaria beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl. Häufig werden solche Anzeichen daher als grippaler Infekt oder Magen-Darm-Infektion fehlinterpretiert. Das klinische Bild der Malaria wird durch die Vorgänge bei der Schizogonie bestimmt. Die Intensität der Manifestation einer Plasmodien-Infektion hängt vom Grad der Immunität des Infizierten ab. Die mehrfache Infektion in einem Endemiegebiet bewirkt eine zeitlich begrenzte sog. Semi-Immunität, die eine schwere Erkrankung verhindert. Nichtimmune sind somit am stärksten gefährdet, unter ihnen besonders Kleinkinder und ältere Menschen. Persistierende Hypnozoiten können zu Rezidiven führen. Wegen der langen Latenzperiode zwischen einem Tropenaufenthalt und dem späten Auftreten einer Malaria kommt es nicht selten zu einer Fehldiagnose. Malaria tropica: Es handelt sich um die gefährlichste Malaria-Art, sie ist bei Nichtimmunen unbehandelt mit einer Letalität bis zu 20% verbunden. Das klinische Krankheitsbild ist vielgestaltig. Häufige erste Anzeichen sind Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen sowie unregelmäßige fieberhafte Temperaturen. Der Fiebertyp ist kein diagnostisches Kriterium für eine Malaria tropica, da es nur selten zum Auftreten eines rhythmischen Wechselfiebers kommt. Bei etwa 60% der Patienten besteht eine Thrombopenie. Weiterhin kann es zu einer Splenomegalie (etwa 26% der Fälle), einer Hepatomegalie (etwa 14% der Fälle) und auch zu Durchfall kommen. Das Auftreten von zentralnervösen Erscheinungen, z.B. Krampfanfällen und Bewusstseinstrübungen bis zum Koma, ist Ausdruck einer zerebralen Malaria. Weitere Komplikationen sind akutes Nierenversagen, pulmonale Verlaufsformen, Kreislaufkollaps, hämolytische Anämie und disseminierte intravasale Koagulopathien. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 92 von 205 Malaria tertiana: Sie wird durch P. vivax bzw. P. ovale hervorgerufen und beginnt plötzlich mit Fieber und uncharakteristischen Beschwerden. Innerhalb weniger Tage erfolgt oft eine Rhythmisierung der Fieberanfälle, die dann alle 48 Stunden auftreten. Typischerweise kommt es in den späten Nachmittagsstunden zum Schüttelfrost, in dessen Verlauf das Fieber sehr schnell auf Werte um 40°C ansteigt. Nach einer 3- bis 4-stündigen Fieberdauer fällt die Temperatur abrupt unter starken Schweißausbrüchen auf Normalwerte ab. Die Malaria tertiana verläuft nur selten tödlich. Malaria quartana: Sie wird durch P. malariae hervorgerufen und ist seltener als andere Malaria-Arten. Das klinische Bild wird durch Fieber im 72-Stunden-Rhythmus bestimmt. Hypnozoiten gibt es nicht. Rückfälle können aber bis zu 40 Jahre nach der Erstinfektion auftreten. Diagnostik Mikroskopische Untersuchung: Die wichtigste und zugleich sehr einfach und kostengünstig durchzuführende labordiagnostische Maßnahme bei Malariaverdacht ist die mikroskopische Untersuchung des sog. Dicken Tropfens und auch dünner Blutausstriche (Giemsa-Färbung) auf Plasmodien. Dies gilt als Goldstandard der Malariadiagnostik. Antigennachweis: Seit kurzem stehen Schnelltests zur Verfügung, die auf dem Nachweis parasitenspezifischer Antigene beruhen (z.B. ICT Malaria P.F.®-Test, OptiMal®-Test). Therapie Jedes Krankenhaus sollte grundsätzlich darauf eingerichtet sein, die Behandlung einer Malaria einzuleiten. Es empfiehlt sich, tropenmedizinischen Rat schon frühzeitig einzuholen. Die Behandlung einer Malaria tropica sollte unbedingt stationär und möglichst in einer Einrichtung mit tropenmedizinischer Erfahrung sowie intensivmedizinischen Möglichkeiten erfolgen. Die Therapie ist grundsätzlich abhängig vom Erreger, der Resistenzlage, der zuvor durchgeführten Chemoprophylaxe und vom klinischen Bild (unkomplizierter oder komplizierter Verlauf der Malaria tropica!). Nachfolgend einige zusammengefasste orientierende Hinweise: Malaria tropica: Chloroquin- und Sulfadoxin-Pyrimethamin-resistente Stämme von P. falciparum kommen in fast allen tropischen Ländern vor. Mittel der Wahl bei der unkomplizierten Malaria tropica sind Mefloquin, Atovaquon plus Proguanil oder Artemeter plus Lumefantrin. Bei komplizierter Malaria tropica (z.B. ZNS-Beteiligung, Nierenbeteiligung oder anderen Organkomplikationen) sollte unter intensivmedizinischen Bedingungen eine parenterale Chinin-Gabe in Kombination mit Doxycyclin erfolgen. Intravenöse Chininpräparate sind zwar in Deutschland nicht zugelassen, sind aber in infektiologischen und tropenmedizinischen Spezialzentren verfügbar. Malaria tertiana: Chloroquin-resistente P.-vivax-Erreger kommen nur sporadisch in einigen Ländern Südostasiens und in Ozeanien vor. Mittel der Wahl ist daher bei Malaria tertiana Chloroquin. Da Chloroquin nicht gegen die Hypnozoiten von P. vivax und P. ovale wirkt, wird bei der Malaria tertiana eine Abschlussbehandlung mit Primaquin empfohlen. Vorher muss jedoch ein Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-( G-6-PHD)-Mangel ausgeschlossen werden, da sonst massive Hämolysen auftreten können. Malaria quartana: Medikament der Wahl ist Chloroquin. Da bei P. malariae keine Hypnozoiten vorliegen, ist eine Abschlussbehandlung mit Primaquin nicht erforderlich. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen Die Malariabekämpfung umfasst Maßnahmen zur Reduktion des Parasitenreservoirs in der Bevölkerung (gezielte Therapie), gegen die Vektoren (Beseitigung von Brutplätzen, Larvizide, Insektizide) und zu einer Reduzierung der Kontakte mit dem Vektor (bauliche Maßnahmen, Moskitonetze, Repellents). Grundlage ist eine effektive Surveillance. 1. Präventive Maßnahmen Individualprophylaxe: Reisende, die Malaria-Endemiegebiete aufsuchen wollen, sollten sich vor Antritt der Reise von einem Arzt mit entsprechender Erfahrung über das Malariarisiko und die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen beraten lassen. Im Beratungssystem tragen neben den Hausärzten und den Ärzten mit reise- und tropenmedizinischer Spezialisierung auch die Reiseveranstalter Verantwortung. Insgesamt muss erreicht werden, dass die Reisenden gründlich auf allgemeine und spezifische Gesundheitsrisiken in tropischen und subtropischen GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 93 von 205 Ländern, erforderliche Verhaltensweisen sowie prophylaktische Maßnahmen hingewiesen werden. Eine Schutzimpfung gegen Malaria steht weiterhin nicht zur Verfügung. Die Möglichkeiten zur Vorbeugung der Erkrankung umfassen daher die Expositionsprophylaxe und die Chemoprophylaxe: Expositionsprophylaxe: Die Anophelesmücken sind nachtaktiv (ab Einbruch der Dämmerung). Eine Expositionsprophylaxe kann das Risiko, an Malaria zu erkranken, deutlich vermindern. Folgende Maßnahmen kommen in Betracht: der Aufenthalt in moskitosicheren Räumen (Klimaanlage, Fliegengitter), das Schlafen unter Moskitonetzen, am besten imprägniert mit insektenabtötenden Substanzen, das Tragen entsprechender Kleidung (langärmlige Blusen und Hemden, lange Hosen, Socken), die Anwendung von Repellents. Chemoprophylaxe: Die Chemoprophylaxe bietet keinen absoluten Schutz vor einer Malaria, erhöht aber die Sicherheit entscheidend. Die Entscheidung über die Art der Malariaprophylaxe muss anhand des konkreten Reisezieles, der Reisezeit, der Reisedauer und des Reisestils vom Arzt individuell getroffen werden. Dabei müssen u.a. Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten sowie Besonderheiten bei der Medikamenteneinnahme beachtet werden. Bei Reisen in Malariagebiete mit hohem Übertragungspotenzial ist eine Chemoprophylaxe grundsätzlich empfehlenswert. Wenn in Gebieten mit niedrigem oder mittlerem Malariarisiko keine regelmäßige Chemoprophylaxe durchgeführt wird, sollte ein Reservemedikament mitgeführt werden, das bei malariaverdächtigen Symptomen und nicht erreichbarer ärztlicher Hilfe eingenommen werden kann („Standby“). Dies sollte jedoch nur eine Notfallmaßnahme bis zum Erreichen ärztlicher Hilfe darstellen. Detaillierte Angaben zur Chemoprophylaxe sind den Empfehlungen zur Malariavorbeugung (Empfehlungen der Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit; http://www.dtg.mwn.de) zu entnehmen. Besondere Risikogruppen: Bei Schwangeren ist eine medikamentöse Malariaprophylaxe nur unter Vorbehalt möglich. Bei keinem Medikament besteht die Gewissheit, dass die Einnahme für die Entwicklung des Kindes unbedenklich ist. In jedem Einzelfall ist eine strenge RisikoNutzen-Abwägung durch einen erfahrenen Arzt erforderlich. Nach bisherigem Erkenntnisstand ist die Anwendung von Chloroquin und Proguanil möglich. Mefloquin sollte nicht im 1. Trimenon und in der Stillzeit eingenommen werden. Zu Atovaquon/Proguanil liegen bisher keine ausreichenden Daten vor. Doxycyclin ist in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert. Bei Kindern sollte die Malariavorbeugung primär in einer konsequenten Expositionsprophylaxe bestehen (Moskitonetze über Betten und Spielflächen). Die Gabe von Chloroquin und Proguanil ist möglich, es sollten jedoch die geringeren Dosierungen laut Angaben der Hersteller beachtet werden. Auch die Kombination Atovaquon/Proguanil ist für Kinder ab 11 kg Körpergewicht zur Prophylaxe zugelassen. Mefloquin ist für Kinder unter 5 kg Körpergewicht und unter dem 3. Lebensmonat nicht geeignet. Doxycyclin darf erst ab dem 8. Lebensjahr verordnet werden. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Bei einer unklaren fieberhaften Erkrankung nach einem Aufenthalt in einem MalariaEndemiegebiet (ggf. auch in einem Gebiet mit potenziellem Vorkommen von Malaria), ganz besonders nach einem Tropenaufenthalt, muss differenzialdiagnostisch immer eine Malaria in Betracht gezogen werden. Erhärtet sich der Verdacht auf eine Malaria, muss er rasch bestätigt oder ausgeschlossen werden. Es ist zu beachten, dass die Erkrankung an Malaria unter Umständen noch Wochen und Monate im Anschluss an eine Reise möglich ist. Bei entsprechenden klinischen Verdachtsmomenten sind auch die selteneren Infektionsmöglichkeiten mit in Betracht zu ziehen. Wird eine Malaria diagnostiziert, so muss unverzüglich die geeignete Therapie eingeleitet werden. Diese sollte von einem tropenmedizinisch oder infektiologisch erfahrenen Arzt oder zumindest nach Konsultation eines solchen durchgeführt werden. – Für Kontaktpersonen sind keine Maßnahmen einzuleiten, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch nicht möglich ist. Zur Abwendung der Gefahr einer Übertragung von Malariaplasmodien über Blutspenden werden Personen, die eine Malaria durchgemacht haben, und Personen, die GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 94 von 205 sich in Malaria-Endemiegebieten aufgehalten haben, entsprechend den geltenden Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten (Hämotherapie) der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts von der Blutspende zurückgestellt (s.u. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/Blutprodukte). 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Malaria kann in Endemiegebieten gehäuft auftreten. Die weltweite Surveillance durch die WHO hat bewirkt, dass diese Endemiegebiete gut bekannt sind und daher Vorsichtsmaßnahmen in Form der Expositions- und Chemoprophylaxe ergriffen werden können. Unter Beachtung dieser Maßnahmen ist das Risiko bei Reisen in Endemiegebiete gering und kalkulierbar. Die Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen sind in vielen Ländern mit endemischem Auftreten wegen begrenzter Ressourcen gegenwärtig unzureichend. Die WHO hat zur Unterstützung der Länder mit besonderen Problemen das Roll Back Malaria Programme konzipiert. Eine Reihe bewährter Antimalaria-Maßnahmen (z.B. Moskitonetze, Insektizide, Chemotherapeutika) sollen mit internationaler Unterstützung effektiv und gezielt eingesetzt werden. Meldepflicht Nach § 7 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht eine nichtnamentliche Meldepflicht des direkten Nachweises des Krankheitserregers durch das Labor. Die Nachweise werden direkt an das Robert Koch-Institut (RKI) auf einem Meldebogen des RKI gemeldet. Der Meldebogen ist ein Durchschreibebogen, der vom Laborarzt und vom einsendenden Arzt ausgefüllt wird. Meldebögen und Freiumschläge für die Rücksendung an das RKI können im RKI angefordert werden. Modifiziert nach RKI, Stand: 07.02.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 95 von 205 Masern Erreger Die Erkrankung wird durch ein ausschließlich humanpathogenes RNA -Virus hervorgerufen; es gehört zum Genus Morbillivirus in der Familie der Paramyxoviren. Das Masernvirus ist sehr empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie erhöhten Temperaturen, Licht, UV-Strahlen, fettlösenden Substanzen und Desinfektionsmitteln. Masernviren sind antigenisch stabil und bilden nur einen Serotyp. Virus-neutralisierende Antikörper sind hauptsächlich gegen das virale Oberflächenglykoprotein Hämagglutinin gerichtet. Auf genomischer Ebene können Masernviren typisiert werden; die Genotypisierung basiert auf der Nukleotidsequenzanalyse eines variablen Abschnittes auf dem N-Gen sowie des H-Gens. Entsprechend der aktuellen WHO-Konvention werden die bisher bekannten Masernviren 8 Clades (A, B, C, D, E, F, G, H) mit insgesamt 23 Genotypen zugeordnet. Die Genotypisierung ist für die Unterscheidung von Impf- und Wildviren, für epidemiologische Analysen, aber auch für die Erkennung von Transmissionswegen und Infektionsquellen von Bedeutung. So waren z. B. die im Jahr 2005 in Hessen und Bayern beobachteten lokalen Masernausbrüche durch die Genotypen D4 bzw. D6 ausgelöst worden, die vermutlich nach Deutschland „importiert“ worden waren. Vorkommen Masern sind weltweit verbreitet. Aus globaler Sicht ist die Bedeutung der Masern in Entwicklungsländern, besonders in Afrika, am größten. Hier gehören sie zu den zehn häufigsten Infektionskrankheiten und der Anteil tödlicher Verläufe ist besonders hoch. In Deutschland ist die Häufigkeit der Masern durch die seit etwa 30 Jahren praktizierte Impfung im Vergleich zur Vorimpfära zwar insgesamt deutlich zurückgegangen, doch kommt es immer wieder zu kleinräumigen Ausbrüchen. Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 ging die Zahl der jährlich übermittelten Erkrankungsfälle von 6037 (2001) auf 121 Fälle im Jahr 2004 (Datenstand 01.03.2005) zurück. Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der tatsächlichen Erkrankungen wesentlich höher ist, da einerseits ein großer Teil der Erkrankten nicht vom Arzt behandelt wird und andererseits nicht jede ärztlich behandelte Erkrankung zur Meldung kommt. Es wird erwartet, dass die Morbidität durch steigende Impfraten insgesamt weiter zurückgeht. Reservoir Das natürliche Reservoir des Masernvirus bilden infizierte und akut erkrankte Menschen. Es besteht fort, solange eine ausreichende Zahl empfänglicher Individuen eine Zirkulation des Erregers ermöglicht. (Bedeutung einer möglichst kompletten Durchimpfung der Bevölkerung) Infektionsweg Masern – eine der ansteckendsten Krankheiten – werden durch das Einatmen infektiöser Exspirationströpfchen (Sprechen) bzw. Tröpfchenkerne (Husten, Niesen) sowie durch Kontakt mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen. Das Masernvirus führt bereits bei kurzer Exposition zu einer Infektion (Kontagionsindex nahe 100 %) und löst bei über 95 % der ungeschützten Infizierten klinische Erscheinungen aus. Inkubationszeit Gewöhnlich 8–10 Tage bis zum Beginn des katarrhalischen Stadiums, 14 Tage bis zum Ausbruch des Exanthems; bis zu 18 Tage bis zum Fieberbeginn sind möglich. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits 5 Tage vor Auftreten des Exanthems und hält bis 4 Tage nach Auftreten des Exanthems an. Unmittelbar vor Erscheinen des Exanthems ist sie am größten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 96 von 205 Klinische Symptomatik Masern sind eine systemische, sich selbst begrenzende Virusinfektion mit zweiphasigem Verlauf. Sie beginnen mit Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen, Husten und einem Enanthem am Gaumen. Pathognomonisch sind die oft nachweisbaren Koplik-Flecken (kalkspritzerartige weiße Flecken an der Mundschleimhaut). Das charakteristische makulopapulöse Masernexanthem (bräunlich-rosafarbene konfluierende Hautflecken) entsteht am 3.–7. Tag nach Auftreten der initialen Symptome. Es beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und bleibt 4–7 Tage bestehen. Beim Abklingen ist oft eine kleieartige Schuppung zu beobachten. Am 5.–7. Krankheitstag kommt es zum Temperaturabfall. – Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange Immunität. Die Masernvirus-Infektion bedingt eine transitorische Immunschwäche von etwa 6 Wochen Dauer. Die Folgen können bakterielle Superinfektionen sein, am häufigsten Otitis media, Bronchitis, Pneumonie und Diarrhoen. – Eine besonders gefürchtete Komplikation, die akute postinfektiöse Enzephalitis, zu der es in 0,1 % der Fälle kommt, tritt etwa 4–7 Tage nach Auftreten des Exanthems mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma auf. Bei etwa 10–20 % der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20–30 % muss mit Residualschäden am ZNS gerechnet werden. Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) stellt eine sehr seltene Spätkomplikation (nach Literaturangaben 7–11 Fälle pro 100.000 Erkr.) dar, die sich nach durchschnittlich 6–8 Jahren manifestiert. Beginnend mit psychischen und intellektuellen Veränderungen entwickelt sich ein progredienter Verlauf mit neurologischen Störungen und Ausfällen bis zum Verlust zerebraler Funktionen. Die Prognose ist stets infaust. Abgeschwächte Infektionsverläufe („mitigierte Masern“) werden bei Menschen beobachtet, bei denen infolge mütterlicher oder transfundierter Antikörper (Neugeborene oder nach Antikörpersubstitution) oder einer nicht vollständig ausgebildeten Impfimmunität die Virusreplikation beeinträchtigt bzw. gestört ist und eine reduzierte Virämie vorliegt. Das Exanthem ist in diesen Fällen nicht voll ausgebildet, so dass eine klinische Diagnose erschwert ist; mit Ansteckungsfähigkeit muss jedoch gerechnet werden. Bei Immunsupprimierten oder bei zellulären Immundefekten verläuft die Maserninfektion zwar nach außen hin schwach – das Masernexanthem tritt nicht oder nur atypisch in Erscheinung –, dagegen können sich als schwere Organkomplikationen eine progrediente Riesenzellpneumonie oder die Masern-Einschlusskörper-Enzephalitis entwickeln, die mit einer Letalität von etwa 30 % einhergehen. Nach Literaturangaben entfällt auf etwa 10.000–20.000 Masernerkrankungen eine Erkrankung mit tödlichem Ausgang. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es seit 1998 pro Jahr 1–2 Masernsterbefälle (mit einer Ausnahme: 1999 wurden 4 Sterbefälle registriert). Aus der gleichen Quelle ist ersichtlich, dass die Zahl der stationären Behandlungen in den letzten Jahren rückläufig war. Im Jahr 2003 wurden 94 Personen wegen Masern stationär behandelt. Diagnostik Die Masern weisen ein relativ typisches klinisches Bild auf, so dass in der Vergangenheit Laboruntersuchungen zur Bestätigung der klinischen Diagnose zu den Ausnahmen zählten. Mit Einführung der Schutzimpfungen ist das Krankheitsbild bei uns wesentlich seltener geworden, so dass die klinische Diagnose unzuverlässiger wird und die Labordiagnostik eine zunehmende Bedeutung erlangt hat. Therapie Erkrankte Personen sollten in der akuten Krankheitsphase Bettruhe einhalten. Eine spezifische antivirale Therapie gibt es nicht. Die symptomatische Therapie ist abhängig von den Organmanifestationen. Neben fiebersenkenden Medikamenten und Hustenmitteln ist bei bakteriellen Superinfektionen, z. B. Otitis media und Pneumonie, eine antibiotische Therapie indiziert. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 97 von 205 Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Weil der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist, der Erreger antigenisch weitgehend stabil ist und ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht, ist eine wirksame Prävention bis hin zur weltweiten Elimination möglich. Seit 1984 ist daher die Elimination der Masern durch Impfprogramme ein wesentliches gesundheitspolitisches Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf das die Regierungen der Mitgliedsländer hinarbeiten. Durch groß angelegte Impfkampagnen, die die regulären Impfprogramme ergänzen, wurden im Weltmaßstab bereits deutliche Erfolge erzielt. Anfang der 90er Jahre wurde in vielen europäischen Ländern eine drastische Reduktion der Morbidität und Mortalität erreicht. Wegen verschiedener Hemmnisse und besonders auch erheblicher Rückschläge im Osten Europas in den letzten Jahren wurde die ursprünglich für das Jahr 2000 vorgesehene Zielstellung der Elimination der Masern in Europa um 10 Jahre verschoben. Im Gegensatz zu Ländern mit sehr hohen Impfraten und entsprechend niedriger Morbidität (wie z.B. Finnland, Schweden, die Niederlande und Großbritannien) gehört Deutschland ebenso wie z.B. Frankreich, Italien, Österreich, die Schweiz und die GUS zu den Ländern mit noch ungenügenden Masernimpfraten. Die Einführung der Masernimpfung (DDR: 1967, alte Bundesländer: 1973) hat zwar zu einem Rückgang der Masernerkrankungen in Deutschland geführt, wegen der nur suboptimalen Impfraten konnten die Masernviren jedoch weiter zirkulieren. Ende 1999 wurde nach längerer Vorbereitung und Abstimmung ein nationales Programm zur Elimination der Masern in der Bundesrepublik Deutschland gestartet, in dem Aufgaben, Ziele und Lösungswege im Einzelnen festgelegt sind. Leitziel ist eine Senkung der Maserninzidenz auf < 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner/Jahr. Diese Inzidenz wurde im Jahr 2003 erstmalig erreicht. Entscheidende Fortschritte im Interventionsprogramm erfordern Impfraten von mindestens 95% im frühen Kindesalter und setzen eine hohe Bereitschaft zur Unterstützung in der Bevölkerung und innerhalb der Ärzteschaft voraus. Die Maserndurchimpfung zum Schuleingang lag im Jahr 2004 bei 93,5% für die erste Dosis und 65,7% für die 2. Impfdosis. Zur Unterstützung des Interventionsprogramms wurde ein leistungsfähiges System der Surveillance etabliert. Hauptelemente sind die Meldungen nach § 6 und § 7 IfSG, die SentinelSurveillance durch die Arbeitsgemeinschaft Masern – AGM – mit der integrierten laborgestützten Surveillance durch das NRZ und örtliche Laboratorien sowie die Serosurveillance (systematische Untersuchungen zur Populationsimmunität). Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen Lebendvirusimpfstoff, hergestellt aus abgeschwächten Masernviren, die auf Hühnerfibroblasten vermehrt werden. Die Impfstoffe werden als Monovakzine und in kombinierter Zusammensetzung mit dem Mumps- sowie Rötelnvirus angeboten (MMR-Vakzine). Als Impfstoff der Wahl gilt die MMR-Vakzine. Die Erstimpfung sollte im Alter von vollendetem 11. bis zum 14. Monat, d.h. nach dem Verschwinden der maternalen Antikörper, erfolgen. Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe bewirken bei über 90 % der einmal Geimpften eine Serokonversion. Bis zu 5 % der Impflinge zeigen die sogenannten „Impfmasern“ mit mäßigem Fieber, flüchtigem Exanthem und respiratorischen Symptomen, meist in der 2. Woche nach der Impfung. Die durch die Impfung bewirkte Immunantwort ist nach 4–6 Wochen nachweisbar. Die mittleren Antikörpertiter liegen niedriger als nach natürlicher Infektion. Die empfohlene Zweitimpfung (die keine Auffrischimpfung ist!) soll den Kindern, die – aus unterschiedlichen Gründen – nach der Erstimpfung keine Impfimmunität entwickelt haben, eine zweite Chance geben. Dies sichert erfahrungsgemäß ein Maximum der Impfimmunität der zu impfenden Jahrgänge. Seit Juli 2001 wird die Zweitimpfung bereits im Alter von 15–23 Monaten empfohlen. Die zweite MMR-Impfung kann 4 Wochen nach der ersten MMR-Impfung erfolgen. Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert KochInstitut wird eine Impfung – vorzugsweise mit MMR-Impfstoff – auch allen ungeimpften und noch nicht erkrankten Personen in medizinischen Einrichtungen zur Behandlung von Kindern sowie in Kindertagesstätten, Kinderheimen u.ä. empfohlen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 98 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Masern sind aufgrund möglicher Komplikationen keine harmlose Erkrankung. Das Auftreten von Masern bedingt Maßnahmen, um infektionsgefährdete Personen in der Umgebung zu schützen und der weiteren Ausbreitung vorzubeugen: Gemäß § 34 IfSG dürfen Personen, die an Masern erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Dieses Verbot gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift entsprechend auch für die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Masern. Sie dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten oder Einrichtungen benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung zum Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen ist nach Abklingen der klinischen Symptome, jedoch frühestens 5 Tage nach Exanthemausbruch möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Für empfängliche Personen, die in der Wohngemeinschaft Kontakt zu einem Masernerkrankungsfall hatten, legt § 34 Abs. 3 IfSG einen Ausschluss vom Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung für die Dauer von 14 Tagen nach der Exposition fest. Der Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen ist für diese Personen dann möglich, wenn ein Impfschutz besteht, eine postexpositionelle Schutzimpfung durchgeführt wurde oder eine früher abgelaufene Erkrankung ärztlich bestätigt ist. Darüber hinaus sollten zur Verhütung der Weiterverbreitung der Masern gegebenenfalls auch Kontakte zu ärztlich bestätigten Masern, die sich an anderer Stelle als in der Wohngemeinschaft ereignet haben, Beachtung finden (Rettungsdienst Mitarbeiter). In Einrichtungen des Gesundheitswesens sollen an Masern Erkrankte zum Schutz infektionsgefährdeter Personen isoliert werden. Bei ungeimpften, immungesunden Kontaktpersonen kann der Ausbruch der Masern durch eine rechtzeitige postexpositionelle Impfung wirksam unterdrückt werden (s. a. Abschnitt 3). Bei abwehrgeschwächten Patienten und chronisch kranken Kindern ist eine postexpositionelle Prophylaxe von Masern auch als passive Immunisierung durch eine Gabe von spezifischem humanem Immunglobulin innerhalb von 2–3 Tagen nach Kontakt möglich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei einem Masernausbruch in einer Gemeinschaftseinrichtung ergeben sich Maßnahmen des Gesundheitsamtes im Zusammenwirken mit der Leitung der Einrichtung und den beteiligten Ärzten (z. B. Kontrolle der labordiagnostischen Sicherung, Information, Überprüfen des Impfstatus aller Personen, Schutz empfänglicher Personen). Mindestens bei der Indexerkrankung und sonst bei ausgewählten Erkrankungsfällen sollte die Diagnose labordiagnostisch gesichert werden. Das Nationale Referenzzentrum für Masern, Mumps, Röteln bietet bei Erkrankungshäufungen Beratung zur Diagnostik und kostenfreie virologische und molekularbiologische Untersuchungen an. – Bei Masernausbrüchen in einer Gemeinschaftseinrichtung sollten alle Mitarbeiter, bei Kindereinrichtungen auch die Eltern der betreuten Kinder über die Erkrankungen, das Infektionsrisiko und die Möglichkeiten des Schutzes informiert werden (§ 34 Abs. 8 u. 10 IfSG). Die weitere Ausbreitung kann durch die postexpositionelle Immunisierung ungeimpfter bzw. nur einmal geimpfter Kontaktpersonen (Riegelungsimpfung), die möglichst innerhalb der ersten 3 Tage nach Exposition erfolgen sollte, verhindert werden. (In größeren Einrichtungen und Schulen ist eine Riegelungsimpfung meist auch noch zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll.) Neuaufnahmen sind nur möglich, wenn ein Impfschutz besteht, eine postexpositionelle Schutzimpfung durchgeführt wurde oder eine früher abgelaufene Erkrankung ärztlich bestätigt ist. Zur Begrenzung des Ausbruchs sollten Kontakte inkubierter empfänglicher Personen aus der betroffenen Einrichtung zu anderen Einrichtungen oder Gemeinschaften (z. B. in Sportvereinen, auf Schulfesten und Gruppenfahrten) während der Inkubationszeit von 14 Tagen nach Möglichkeit unterbleiben. Ob bei einem Masernausbruch in einer größeren Gemeinschaftseinrichtung nicht geschützte Personen, die aus medizinischen oder persönlichen Gründen keine Postexpositionsimpfung erhalten können, für einen bestimmten Zeitraum vom Besuch der Einrichtung ausgeschlossen werden, ist eine Ermessensentscheidung der GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 99 von 205 zuständigen Gesundheitsbehörde, bei der die Umstände des Einzelfalles abzuwägen wären. Grundsätzlich kann eine solche Maßnahme, wenn sie z. B. zur Sicherung des Erfolges der Maßnahmen zur Bekämpfung eines bestimmten Ausbruchs für notwendig gehalten wird, auf den § 28 IfSG gestützt werden. Anmerkung: Die heutige Einstellung zum Infektionsschutz in Gemeinschaftseinrichtungen, hier in Verbindung mit dem nationalen Masern-Interventionsprogramm, legt ein differenzierteres Vorgehen als in der Vergangenheit nahe, das sowohl den Schutz der Gesundheit des Einzelnen als auch der Gemeinschaft berücksichtigt. Dies entspricht dem Verfahren in Ländern, in denen das Durchführen öffentlich empfohlener Impfungen bereits mehr zur Norm geworden ist als gegenwärtig in Deutschland. Obwohl ein direkter Vergleich schwer möglich ist, sei beispielsweise auf die im Red Book der American Pediatric Society beschriebene und in den USA empfohlene Strategie hingewiesen. Meldepflicht Nach § 6 IfSG ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Masern namentlich an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Gemäß § 7 IfSG besteht für Leiter von Untersuchungsstellen eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis einer akuten Masernvirus-Infektion. Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 Abs. 6 IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten zu benachrichtigen und dazu krankheitsbezogene Angaben zu machen. Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006 Fazit: Dran denken bei entsprechendem Hautausschlag oder anderweitigem Verdacht. Meldepflicht beachten, eigenen Impfstatus bedenken, Frühzeitig über die Leitstelle den Fachdienst informieren, da hohe Kontagiösität besteht. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 100 von 205 Maul- und Klauenseuche Die Maul- und Klauenseuche ist eine Erkrankung vor allem von Klauentieren, wie Schafen, Schweinen, Rindern, Ziegen, Büffeln und Rot- und Dammwild. Die Infektion gilt neben BSE als die wirtschaftlich einschneidenste Tiererkrankung überhaupt. Sie wird durch das Aphten-Virus, einem Virus aus der Gruppe der Picornaviren, hervorgerufen und ist extrem infektiös. Für erkrankte Tiere ist die Erkrankung sehr schmerzhaft und verläuft für Jungtiere oft tödlich. Eine Therapie gibt es nicht. In sehr seltenen Fällen ist eine Übertragung auf den Mensch, z.B. bei Melkern, Schlachtern oder Tierärzten beobachtet werden; die Krankheit verläuft aber beim Menschen relativ milde. Die Krankheit ist nach dem Tierseuchengesetz und der MKS-Verordnung meldepflichtig. Der Erreger Der Erreger ist ein Virus mit dem deutschen Namen Maul- und Klauenseuche-Virus, auch als Aphtenvirus bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Virus aus der Gruppe der Picornaviren (pico=sehr klein). Picornaviren sind die kleinsten bekannten RNA-Viren mit einem Durchmesser von ca. 20-30 nm (1 nm = 1 Milliardstel Meter). Der Erreger wird durch Temperaturen über 56 C abgetötet. Außerdem ist er säureempfindlich. Infektionswege Die Viren werden vor allem über den Speichel, sowie durch die geplatzten Aphten bei den infizierten Tieren ausgeschieden. Unter Aphten versteht man kleine infektiöse Bläschen, vergleichbar denen bei einer Herpesinfektion im Mundbereich. Der Begriff entstammt dem Griechischen und bedeutet Schwämmchen. Die Aufnahme durch andere noch nicht infizierte Tiere erfolgt vor allem über den NasenMundbereich, also oral. Aber auch Tierprodukte wie Milch und Fleisch können zu Infektionen führen. Inkubationszeit Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Erkrankung, beträgt beim Schaf 1 bis 6 Tage, beim Rind zwischen 2 bis 7 Tagen, und beim Schwein zwischen 2 bis 12 Tagen. Symptome und Verlauf Die Symptome sind beim Schwein, Schaf und Rind teilweise etwas unterschiedlich. Aber allgemein lässt sich feststellen: Die Tiere bekommen so genannte Aphten an den Schleimhäuten im Maulbereich und an den Eutern, dabei sinkt die Milchproduktion. Später breitet sich die Erkrankung über die Speiseröhre bis in die Mägen aus, so dass die Tiere, die unter starken Schmerzen leiden, und nicht mehr fressen. An den Klauen treten ebenfalls schwere Symptome auf, die soweit gehen, dass die Tiere unter großen Schmerzen auf der Lederhaut laufen müssten. Schafe beginnen zu lahmen und Schweine bewegen sich nur noch rutschend von der Stelle. Bei älteren Tieren endet die Erkrankung selten tödlich, jüngere Tiere, vor allem Rinder, dagegen versterben häufiger. Die Kälber versterben meist an akutem Herzversagen oder an den Folgen einer Herzmuskelentzündung. Diagnose Bläschen und auffälliger Speichelfluss, Fieber sowie Fressunlust gelten als Verdachtsdiagnose. Die eigentliche Diagnose erfolgt über den Virus - und einen Antikörpernachweis. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 101 von 205 Therapie Eine Therapie gegen das Virus gibt es nicht. Die Tiere werden getötet, obwohl, wie erwähnt, erwachsene Tiere die Erkrankung in der Regel überleben. Bei Jungtieren ist mit einer höheren Todesrate und mit Schäden am Herzmuskel zu rechnen. Impfungen Es gibt Impfstoffe, die jedoch nur im Notfall, also zum Schutz von Tieren in der weiteren Umgebung beim Ausbruch einer Seuche Anwendung finden dürfen. Aber auch diese Tiere müssen später getötet werden. Ein vorbeugender Impfschutz ist in der EU seit 1991 verboten. Die Gründe dafür sind rein wirtschaftlicher Art, da z.B. Japan und die USA für geimpfte Tiere ein Einfuhrverbot verhängt haben, da man infizierte Tiere und geimpfte Tiere bisher nicht unterscheiden kann. Es wird aber an einer so genannten Peptidimpfung gearbeitet, die im Gegensatz zu den früher verwendeten Totimpfstoffen gegen eine Vielzahl von Virusstämmen schützen können. Tiere, die mit Peptiden geimpft worden sind, können auch von infizierten Tieren unterschieden werden. Der Mensch Der Mensch kann - wie bereits erwähnt - in seltenen Fällen ebenfalls erkranken. Er stellt dann für das Virus einen so genannten Fehlwirt dar. Die Erkrankung verläuft beim Menschen jedoch relativ harmlos, oft sind nur Antikörper nachweisbar, ohne dass bemerkbare Symptome aufgetreten sind. Hin und wieder können leichte Entzündungen mit Bläschenbildung im Mundund Rachenraum festgestellt werden. Beobachtet wurden derartige Infektionen aber nur bei Menschen, die sehr intensiven Kontakt zu den Tieren haben, so z.B. bei Melkern, Schlachtern oder Tierärzten. Aber: ein infizierte Mensch kann als Virusträger andere Tiere anstecken! Rechtliches, Vorbeugung Alle Maßnahmen erfolgen in Deutschland nach dem Tierseuchengesetz und der daraus hervorgegangenen Rechtsverordnung, der MKS-Verordnung. Danach kann ein betroffener Betrieb (Hof) vollständig gesperrt werden. Je nach Lage kann um den Betrieb herum ein ca. 3 km großer Sperrbereich mit entsprechenden Zugangsbeschränkungen für Mensch und Tier errichtet werden. Falls erforderlich, kann um den Hof zusätzlich eine Beobachtungszone von 10 km und - mit einem noch größeren Radius - bei Bedarf eine Schutzzone eingerichtet werden. Die Beschränkung aufgrund des Gesetzes und/oder der Verordnung können für Mensch und Tier ganz erheblich sein. Aufgrund der Säureempfindlichkeit der Erreger werden Personen und Gegenstände, wie z.B. Kfz, mit Hilfe von Zitronen- oder Ameisensäure oder auch Formaldehyd desinfiziert, um die Erreger zu inaktivieren. Dies kann durch Desinfektionsbäder oder -matten, über die man laufen oder fahren muss, geschehen. Es kann aber auch durch das Absprühen der gesamten Person, des gesamten Kfz. oder anderer Gegenstände erfolgen. Die Einfuhr aller potentiellen Virusträger, bis hin zu Lebensmitteln für den persönlichen Bedarf, kann untersagt werden. Bedeutung als biologische Waffe Es ist relativ leicht, in den Besitz des die MKS auslösenden Virus zu gelangen. Es wäre auch relativ einfach, mehr oder weniger unbemerkt, eine größere Anzahl von Tieren zu infizieren. Damit ließe sich längerfristig ohne Zweifel u.a. ein beträchtlicher volkswirtschaftlicher Schaden erreichen. Eine Gefährdung von Menschen würde jedoch nicht stattfinden. Aber eine öffentlich wirksame große Aufmerksamkeit und Aufregung würde damit sicherlich erzeugt, insofern ist ein Anschlag mit MKS-Viren nicht auszuschließen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 102 von 205 Meningitis Definition Bei der Meningitis handelt es sich um eine Entzündung der Hirnhäute (Meningen). In manchen Fällen weitet sich die Infektion auf das Gehirn aus. Es entsteht eine Gehirnentzündung (Enzephalitis). Die Kombination aus beiden Erscheinungen wird als Meningoenzephalitis bezeichnet. Formen der Meningitis Grundsätzlich treten zwei Formen der Meningitis auf: Die häufig diskreter verlaufende virale, nicht eitrige Meningitis und die meistens stark ausgeprägt verlaufende bakterielle, eitrige Meningitis. Erreger Die meisten Bakterien und Viren können eine Entzündung der Meningen auslösen. Eine virale Hirnhautentzündung wird oft in Verbindung mit einer anderen Viruserkrankung beobachtet. Beispielsweise haben 40 Prozent der Mumpspatienten eine virale Meningitis. Die häufigsten bakteriellen Erreger sind Meningokokken, Pneumokokken oder Hämophilus influenzae. Es ist nicht geklärt, warum völlig gesunde Menschen plötzlich eine bakterielle Meningitis bekommen. Meningokokken sind ein normaler Bestandteil des Nasenrachenraumes. Dort richten sie aber keinen Schaden an. Akutsymptome - hohes Fieber - Schüttelfrost - Kopfschmerzen - Nackensteifigkeit - Übelkeit und Erbrechen - Bewusstseinsstörungen - Lichtscheue - Kiefersperre - Schonhaltung (Orpisthotonus) Symptome im weiteren Verlauf - Krämpfe - Persönlichkeitsveränderungen - Ausfall von Hirnnerven - Ausfall diverser ZNS-Funktionen Komplikationen der Meningitis Neben möglichen neurologischen Folgeschäden einer Meningitis droht bei einer systemischen Infektion mit Meningokokken ein septischer Schock (Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom). Bei der Meningokokken- Meningitis können kleine Blutungen in der Haut auftreten, so genannte Petechien. Die Hautblutungen sind ein Zeichen dafür, dass die Bakterien in die Blutbahn gelangt sind. Dieser Zustand ist äußerst ernst und muss unverzüglich antibiotisch behandelt werden. Schutzmaßnahmen im Rettungsdienst Die drei genannten Bakterien und die meisten Viren werden durch Tröpfcheninfektion übertragen. Es ist daher im Rettungsdienst bei Verdacht auf Meningitis Schutzkleidung (Einmalschutzanzug, Mundschutz, Einmalhandschuhe und Überschuhe) zu tragen. Ein Mundschutz für den Patienten wird bei stabilem respiratorischem Zustand empfohlen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 103 von 205 Desinfektionsmaßnahmen Das Infektionsschutzgesetz und die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes fordern eine volle Schlussdesinfektion des Fahrzeugs. Die Desinfektionsmittel, Dosierungen sowie Gebrauchs- und Sicherheitshinweise sind den jeweiligen Hygieneplänen zu entnehmen. Erweiterte präventive Maßnahmen Bei durch Liquordiagnostik bestätigter Meningokokken- Meningitis wird für alle Kontaktpersonen die antibiotische Postexpositionsprophylaxe (PEP) empfohlen. Praktisches Vorgehen und Regelung Ein bestätigter Verdacht auf bakterielle Meningitis muss umgehend dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden. In der Regel bekommen auch die Leitstellen eine Information der behandelnden Klinik, da auf diesem Weg die betroffenen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen weiterinformiert werden können. Selbst sollte man an dem Informationsfluss auch Interesse haben und sich ggf. weiter in der Klinik zeitnah erkundigen. Sofern eine solche Meldung an die Leitstelle gelangt, wird umgehend der Rufbereitschaftsdienst des Gesundheitsamtes informiert. Der zuständige Arzt nimmt so dann die Ermittlungen im Umfeld der betroffenen Person auf, um ggf. weitere Personen die sich angesteckt haben könnten zu identifizieren. Die Besatzungen der Rettungsmittel müssen sich nicht beim D-Arzt vorstellen. Die Unfallkasse akzeptiert die Meldung des Arbeitgebers. Wenn der Arzt des Fachdienstes feststellt, das eine Übertragung durch Kontakt möglich sein konnte, werden Antibiotika Tabletten an die betroffenen Mitarbeiter ausgeteilt. Hierfür sind in der Leitstelle Ciprofloxacin 500 mg Tabletten eingelagert und werden dort auf Anweisung des Arztes dann auch abgegeben. Für die PEP muss man einmalig eine Tablette einnehmen. Sollte aus anderen Gründen Rifampicin verordnet werden, so kommt eine Dosis von 10 mg / KgKG, maximal 600 mg Tablette; zweimal am Tag über 2 Tage zum Einsatz. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 104 von 205 Milzbrand Definition Der Milzbrand ist eine bakterielle (Bazillus anthracis) Infektions-Erkrankung, die hauptsächlich bei Tieren auftritt und demzufolge als Zoonose bezeichnet wird. Der Name ergab sich aus der Beobachtung, dass sich die Milz bei erkrankten Tieren vergrößert und schwärzlich, wie verbrannt, aussieht. Vorkommen Die Erkrankung tritt bevorzugt in warmen Ländern auf. Betroffen sind häufig Huftiere, wie Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde. Eine Übertragung des Milzbrandes auf den Menschen kommt normalerweise nur bei Berufsgruppen vor, die engen Kontakt zu diesen Tieren oder deren Produkte (Tierhäute, Fleisch oder Milch) haben. In den meisten Fällen ist der Milzbrand daher eine Berufskrankheit. In Deutschland ist diese Erkrankung beim Menschen selten. Infektionsweg Die Ansteckung kann durch direkten Hautkontakt, durch das Einatmen von Sporen oder durch den Verzehr von erkrankten Tieren bzw. Tierprodukten geschehen. Das Übertragungsrisiko von Mensch zu Mensch ist gering. Biologische Waffe Weil die Erkrankung für den Menschen sehr gefährlich ist, wurde schon früh mit Milzbrand als biologischer Waffe experimentiert. Die Sporen der Milzbrandbakterien können sich jahrzehntelang in der Umwelt halten. Heute besitzen eine Reihe von Staaten Milzbranderreger als Kampfmittel, die z. B. mit Granaten verschossen oder mit Raketen über große Entfernungen an ihr Ziel gebracht werden können. Auch terroristische Anschläge, z. B. über das Trinkwassersystem einer Großstadt sind vorstellbar und möglich. Die Aktualität dieser Gefahr haben insbesondere die USA erkannt und damit begonnen, ihre Soldaten gegen Milzbrand zu impfen. Inkubationszeit Sie beträgt 1 – 7 Tage, meist ca. 48 Stunden Symptome Der Milzbrandbazillus ist in der Lage, wichtigen Abwehrmechanismen zu entgehen. Er bildet vor allem bei seiner Zerstörung Giftstoffe, die an die Umgebung abgegeben werden. Diese schädigen die Adern bis in die kleinsten Aufzweigungen, so dass die Gefäßwände durchlässig werden. Folge sind Entzündungsreaktionen und Blutungen. Beides äußert sich als eine blutdurchtränkte Schwellung des betreffenden Gewebes. Bevorzugt betroffen sind die Lunge, der Darm und die Haut. Die häufigste Milzbranderkrankung beim Menschen ist der Hautmilzbrand. Durch direkten Kontakt gelangen Milzbrandsporen in kleine oberflächliche Hautverletzungen. Nach kurzer Zeit entsteht ein rotes Knötchen mit einem schwarzen Zentrum. Daraus entwickelt sich schnell ein eitergefülltes Bläschen. Mit einer weiteren Ausdehnung der Erkrankung treten neue Bläschen auf und verschmelzen schließlich zum Milzbrandkarbunkel. Wenn ein solches Karbunkel Anschluss an ein Blutgefäß bekommt, kann dies zu einer Sepsis führen. Wesentlich seltener ist beim Menschen der Lungenmilzbrand. Die Infektion erfolgt hier durch das Einatmen von Sporen. Sie haften oft an Tierhäuten und Tierhaaren und sind meist über Jahre ansteckend. Der Lungenmilzbrand verläuft wie eine schwere Lungenentzündung mit starkem blutigem Auswurf. Die Patienten haben hohes Fieber, häufig Schüttelfrost, Husten und Atemnot. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 105 von 205 Der Darmmilzbrand entsteht durch den Verzehr von rohem Fleisch oder ungekochter Milch von erkrankten Tieren. Im Vordergrund stehen hier blutiges Erbrechen und blutige Stühle aufgrund der schweren hämorrhagischen Darmentzündung. Diagnose Der Verdacht ergibt sich aus der Krankengeschichte, z. B. Tierkontakte, Beruf und den Symptomen. Die Diagnose wird durch eine Untersuchung von Körpersekreten (Flüssigkeit aus Bläschen, Blut, Bronchialsekret sowie Stuhl) gesichert. Komplikationen Entwicklung der Milzbrandsepsis mit Fieber, Schüttelfrost, Hautblutungen, Milzvergrößerung und Kreislaufschock. Diese Sepsis führt sehr schnell zum Tode. Therapie Die Behandlung muss frühstmöglich mit hochdosierter Antibiotikagabe erfolgen (vorrangig Chinolone oder Penicillin, alternativ Tetracycline, Erythromycin oder Chloramphenicol) Chirurgische Eingriffe bei Hautmilzbrand sind strikt verboten, da sie die Gefahr einer Streuung und Sepsis bergen. Patienten müssen isoliert werden. Im Krankenhaus besteht für das Personal die Pflicht, Handschuhe zu tragen. Sterblichkeit Ohne antibiotische Therapie verlaufen ca. 5-20% der Hautmilz-brandfälle tödlich. Bei rechtzeitig begonnener Behandlung ist die Prognose jedoch gut. Lungen- und Darmmilzbrand verlaufen ohne oder bei verspäteter Therapie meist innerhalb von 2-3 Tagen tödlich. Prophylaxe, Impfungen Am wichtigsten ist normalerweise die Vermeidung des Kontaktes mit erkrankten Tieren und ihren Produkten. Ein zugelassener Impfstoff existiert wegen zahlreicher Nebenwirkungen und unkalkulierbaren Risiken weltweit bisher nicht. An einem Wirkstoff zur Schluckimpfung wird zurzeit von mehreren Forschergruppen gearbeitet. Im Verdachtsfall ist die prophylaktische Einnahme von Antibiotika möglich. Die Empfehlungen für die richtige Verhaltensweise der Bevölkerung bei waffengemäßem Gebrauch von Milzbrandbakterien unterscheiden sich nicht von denen für chemische Kampfstoffe: Sofortiges Aufsuchen von Häusern, Ablegen möglicherweise kontaminierter Kleidung und das Schließen von Fenstern und Türen sind die effektivsten ersten Schutzmaßnahmen. Bei Verdacht auf Freisetzung von Milzbrandsporen in Räumen sollen diese nach Ablegen möglicherweise sporenhaltiger Kleidung möglichst ohne Hektik (um Sporenaufwirbelungen zu vermeiden) verlassen werden und anschließend zumindest Gesicht und Hände sorgfältig gewaschen werden, wenn möglich eine Körperdusche erfolgen. Fazit: Seit den Milzbrand Alarmen im Jahr 2001, die bei uns in Deutschland alle Fehlalarme waren, hat dieses Szenario nicht mehr statt gefunden. In den USA sind im gleichen Zeitraum Menschen bei terroristischen Anschlägen dieser Art ums Leben gekommen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 106 von 205 MRSA Erreger Staphylokokken sind als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute des Oropharynx beim Menschen und bei Tieren weit verbreitet, als Infektionserreger sind sie fakultativ pathogen. Die stärkste Pathopotenz der bekannten Staphylokokken-Spezies besitzt Staphylococcus (S.) aureus. Staphylokokken sind nicht bewegliche, nicht sporenbildende grampositive, katalasepositive Kokken, die im mikroskopischen Präparat einzeln, als Paare, als kurze Ketten oder als unregelmäßige Anhäufungen auftreten. Sie können unter verschiedenen Umweltbedingungen wachsen, am besten jedoch bei Temperaturen zwischen 30°C und 37 °C. Eine weitgehende pH-Toleranz und Resistenz gegen Austrocknung machen sie vergleichsweise unempfindlich. Mit seltenen Ausnahmen sind Staphylokokken fakultativ anaerob. Anbibiotikaresistenz: Resistenz gegen β-Laktamase-empfindliche Penicilline (Benzylpenicillin als Testsubstanz) ist weit verbreitet (70–80% aller Isolate). Resistenz gegen andere Antibiotika tritt häufig als Mehrfachresistenz auf, dabei überwiegend bei Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA). Der Anteil von MRSA an S. aureus aus Infektionen in Krankenhäusern stieg von 1998 bis 2004 von ~15 auf über 20%. 72% aller MRSA aus Mitteleuropa sind resistent gegen Erythromycin, 93,89% resistent gegen Chinolone, 66% resistent gegen Clindamycin. Bestimmte MRSA-Stämme, die durch molekulare Typisierung gut definiert werden können, haben eine besondere Fähigkeit, sich epidemisch auszubreiten. Diese Eigenschaft der Ausbreitungsfähigkeit, die als „epidemische Virulenz“ bezeichnet wird, charakterisiert eine komplexes Verhalten von S.-aureus-Stämmen, die von Faktoren der Stämme selbst (Widerstandsfähigkeit, Ausstattung mit Pathogenitätsfaktoren; sog. „intrinsische Virulenz“) und Faktoren ihrer Umwelt (hygienische und antibakterielle Maßnahmen) bestimmt werden. Das Maß der Ausbreitungsfähigkeit entscheidet mit darüber, ob Einzelerkrankungen oder Ausbrüche auftreten. Die rasche asymptomatische Besiedlung von Kontaktpersonen und die Tatsache, dass vorangegangene Besiedlung oder Infektion mit MRSA nicht vor einer neuen Infektion schützt, erhöhen das Ausbreitungspotenzial. Vorkommen (bezogen auf MRSA) MRSA sind weltweit verbreitet. Sie besitzen eine große Bedeutung als Verursacher von nosokomialen Infektionen. Wie S. aureus allgemein, so können auch MRSA Besiedler sein. Diese Besiedlung betrifft insbesondere hospitalisierte Patienten, bisher vergleichsweise geringer auch Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Bei der gesunden Bevölkerung sind sie in Mitteleuropa noch selten. Neben dem Nasenvorhof sind Rachen, Perineum und Leistengegend wesentliche Prädilektionsstellen. MRSA in Krankenhäusern: Das Auftreten von MRSA in Krankenhäusern ist charakterisiert durch die Aufnahme besiedelter bzw. infizierter Patienten sowie die potenzielle Übertragung durch die Hände des medizinischen Personals, die Möglichkeit einer monatelangen Persistenz bei nasaler Besiedlung bzw. bei Infektionen mit diesem Erreger sowie durch die Umweltresistenz (Tenazität). Faktoren, die Bedeutung für die zunehmende Verbreitung von MRSA haben sind: Selektionsvorteil der MRSA bei Anwendung von Antibiotika (z.B. Chinolone) (s. SARI), Fehler oder Inkonsequenz im Hygieneregime, Zunahme von MRSA-Infektionen bei prädisponierten Patienten, Zunahme intensivmedizinischer Maßnahmen und Implantationen, mangelnde Information der Nachfolgeeinrichtungen bei Verlegungen von MRSAkolonisierten oder -infizierten Patienten innerhalb der eigenen Klinik oder in andere Einrichtungen einschließlich inkonsequenter Nachbetreuung. Gegenwärtig haben die MRSA in Deutschland einen mittleren Anteil von 20,7% an allen untersuchten S. aureus aus klinisch relevantem Untersuchungsmaterial (überregionale multizentrische Studie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft im Herbst 2001; 2). Für die skandinavischen Länder und die Niederlande liegt dieser Wert deutlich niedriger (< 1%). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 107 von 205 Auf Intensivstationen liegt der Anteil nosokomialer MRSA-Infektionen – bezogen auf alle S.aureus-Infektionen – bei 36,6% (KrankenhausInfektionsSurveillanceSystem (KISS), Stand 2005). MRSA in Alten- und Pflegeheimen: In den Jahren 1999–2001 ergaben 6 unabhängig voneinander durchgeführte Studien in verschiedenen Bundesländern bei Alten- und Pflegeheimbewohnern MRSA-Besiedelungsraten zwischen 0 und 3% bezogen auf die Bewohnerzahl. Die dabei aufgetretenen MRSA gehörten zu den in den Krankenhäusern der jeweiligen Region auftretenden epidemischen MRSA. Ausbreitung zwischen Bewohnern eines Heimes wurde nur vereinzelt bei Unterbringung im Doppelzimmer beobachtet. In der Regel handelte es sich um eine Besiedlung. MRSA bei der nicht hospitalisierten Bevölkerung (community acquired MRSA, "c-MRSA"): MRSA werden mit unterschiedlicher Häufigkeit auch als Besiedler des Nasenvorhofes sowie von Wundabstrichen in der nicht hospitalisierten Bevölkerung nachgewiesen. Dabei kann es sich um Patienten mit vorherigem Aufenthalt in Krankenhäusern oder anderen stationären Pflegeeinrichtungen handeln, die noch einen MRSA-Hospitalstamm tragen. In den letzten 7 Jahren sind aber weltweit MRSA auch unabhängig von Krankenhausaufenthalten als Infektionserreger und Besiedler aufgetreten, die deshalb als community MRSA (cMRSA) bezeichnet werden. cMRSA werden überwiegend im Zusammenhang mit tiefgehenden und nekrotisierenden Haut-Weichteilinfektionen isoliert, insbesondere der Furunkulose. Reservoir Für S. aureus als Infektionserreger ist der Mensch das Hauptreservoir, aber auch Tiere können betroffen sein. Beim Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum besiedelt. Die Rate der Träger eines in der Regel antibiotikasensiblen S. aureus variiert bei gesunden Erwachsenen zwischen 15% und 40%. Die Trägerrate ist höher bei Personen, die häufig gegenüber S. aureus exponiert sind und bei denen die Haut nicht intakt ist. So findet sich z.B. eine Besiedlung häufiger bei im Gesundheitswesen tätigen Personen, Patienten mit großflächigen Wunden (z.B. Hautulcus, Gangrän, tiefe Weichteilinfektion, chronische Wunden oder Brandverletzungen), Patienten mit Tracheotomien oder liegenden Kathetern, Dialysepatienten, Diabetikern, Atopikern, Patienten mit chronischer Pflegebedürftigkeit und i.v. Drogenabhängigen. Übertragungweg Wie bei S. aureus allgemein, können auch MRSA-Stämme, die zu einer Infektion führen, zum einen vom betroffenen Patienten selbst stammen (endogene Infektionen [9]), oder exogen von anderen Menschen oder Tieren bzw. über die unbelebte Umgebung (z. B. gemeinsam benutzte Badetücher) übertragen werden. In den meisten Fällen erfolgt die Übertragung durch die Hände z.B. des Pflege- und ärztlichen Personals. Bei nasaler Besiedlung kann sich der Erreger ausgehend vom Vestibulum nasi, dem eigentlichen Reservoir für S. aureus, auf andere Bereiche der Haut (u.a. Hände, Axilla, Perinealregion) und Schleimhäute (z.B. Rachen) ausbreiten. Prädisponierend für S.-aureus-Infektionen wirken vor allem: Diabetes mellitus, Dialysepflichtigkeit Vorhandensein von Fremdkörpern (Plastikmaterialien wie z.B. Venenkatheter, Urethralkatheter, Tracheostoma, Metalllegierungen wie z.B. Gelenkersatz), Verletzungen der Haut als äußere Barriere, Immunsuppression oder bestimmte Infektionen, z.B. mit Influenza-A-Viren. Inkubationszeit Bei Intoxikationen mit oral aufgenommenen Staphylokokkentoxinen beträgt die Inkubationszeit wenige Stunden (etwa 2–6 Stunden), bei Infektionen 4–10 Tage. Bei Personen mit einer Besiedlung kann eine endogene Infektion auch Monate nach der initialen Kolonisation entstehen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 108 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht insbesondere während der Dauer klinisch manifester Symptome. Die Erreger können aber auch von klinisch gesunden Personen mit einer Staphylokokken-Besiedlung übertragen werden. Klinische Symptomatik Die durch S. aureus einschließlich MRSA verursachten Erkrankungen lassen sich in lokalisierte oder generalisierte pyogene Infektionen und durch Toxine vermittelte Erkrankungen gliedern: 1. Pyogene und invasive Infektionen Dazu gehören Furunkel, Karbunkel, Pyodermie, Abszesse, Empyeme, Wundinfektionen, Otitis media, Sinusitis, eitrige Parotitis, Mastoiditis, (sekundäre) Meningitis, Pneumonie, Osteomyelitis, Endokarditis, Sepsis, Fremdkörperinfektionen, Pyomyositis. Invasive S.-aureusErkrankungen können als lokale (oberflächliche), tiefgehende und systemische Infektionen auftreten. Lokale Infektionen betreffen zunächst die Haut und ihre Anhangsgebilde (Talgdrüsen, Haarbälge) und sind als Furunkel (wenn zusammenfließend Karbunkel), Pyodermien und bei der verletzten Haut als Wundinfektionen bekannt. Tiefer gehende Infektionen sind die Parotitis, die Mastitis puerperalis und die Osteomyelitis (mit exogener oder hämatogener Genese). Die Pneumonie mit S. aureus kann infolge einer Influenza-A-Virusinfektion auftreten, tritt aber auch als nosokomiale Pneumonie bei beatmeten Patienten auf. Ausgehend von lokalen Infektionen kann sich S. aureus in andere Organsysteme absiedeln mit Abszessbildung sowie Empyemen in Körperhöhlen (Pleura, Gelenke). Die Bakteriämie infolge Keimausschwemmung in die Blutbahn kann in eine Sepsis übergehen (Letalität bei an sich antibiotikaempfindlichen Stämmen noch immer bis zu 15%!) und auch zur Endokarditis führen. Letztere nimmt im Vergleich zu Endokarditiden mit Enterokokken und mit oralen Streptokokken z.T. einen foudroyanten Verlauf. Wie auch von den koagulase-negativen Staphylokokken bekannt, vermag S. aureus sehr gut an hydrophobe Oberflächen wie Plastikmaterialien und Edelstahllegierungen zu adhärieren mit der Folge von Infektionen bei Kathetern und shunts sowie auch bei Gelenkersatz und Stabilisierungsmaßnahmen in der Traumatologie und Orthopädie. Entgegen früheren Auffassungen sind MRSA in Bezug auf invasive Infektionen nicht weniger oder mehr virulent als S. aureus allgemein. Durch Verzögerungen bei der adäquaten Therapie ist die Infektion jedoch mit einer höheren Letalität belastet, dies betrifft insbesondere die Sepsis. 2. Toxin-vermittelte Erkrankungen Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS): Durch die von bestimmten S.-aureusStämmen gebildeten exfoliativen Toxine (ETA, ETB, ETC) wird die staphylogene toxische epidemische Nekrolyse (TEN; Synonym: staphylococcal scalded skin syndrome, SSSS) verursacht. Der Erkrankung liegt eine intradermale Spaltbildung mit nachfolgendem Ödem zwischen unterem Stratum spinosum und oberem Stratum granulosum zugrunde. Bullöse Impetigo und Pemphigus neonatorum sind lokal begrenzte Verlaufsformen. Die generalisierte Verlaufsform resultiert aus der Toxinausschwemmung über den gesamten Makroorganismus infolge des Fehlens einer ausreichenden Bildung spezifischer Antikörper (Dermatitis exfoliativa Ritter von Rittershain). Überwiegend sind Säuglinge, seltener ältere und immunsupprimierte Patienten betroffen. Obgleich die Dermatitis exfoliativa vorwiegend als Hospitalinfektion sowie als Gruppeninfektion in Kindertagesstätten auftritt, ist darauf hinzuweisen, dass toxinbildende S.-aureus-Stämme auch in der gesunden Bevölkerung verbreitet sind. MRSA sind bisher erst in einem klinischen Fall als Verursacher von Dermatitis exfoliativa beschrieben worden. Toxic shock syndrome (TSS, Toxisches Schock-Syndrom): Diese lebensbedrohliche Infektion ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: Fieber (über 39°C), diffuses makulöses Exanthem, Hypotonie. TSS ist mit einem Multiorganversagen verbunden, für die Diagnosestellung „TSS“ müssen drei oder mehr der folgenden Organsysteme beteiligt sein: Gastrointestinaltrakt (Erbrechen, Übelkeit oder Diarrhoe), Muskulatur (ausgeprägte Myalgien mit Erhöhung des Serumkreatinins bzw. der Phosphokinase), Schleimhäute (vaginale, oropharyngeale oder konjunktivale Hyperämie), Nieren (Erhöhung von Harnstoff oder Kreatinin im Serum, Pyurie ohne Nachweis einer Harnwegsinfektion), Leber (Erhöhung von Transaminasen, Bilirubin oder alkalischer Phosphatase), ZNS (Desorientiertheit, GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 109 von 205 Bewusstseinsstörung). Eine bis zwei Wochen nach Krankheitsbeginn kann eine Hautschuppung vor allem an den Handflächen und Fußsohlen auftreten. Das TSS beruht auf der Superantigenwirkung des Toxic-shock-syndrome-Toxins (TSST-1), es sind auch Fälle bekannt, in denen es durch Enterotoxin B oder Enterotoxin C (ebenfalls Superantigene) ausgelöst wurde. An TSS erkranken fast immer jüngere Personen, im späteren Erwachsenenalter besitzen mehr als 90% aller Menschen Antikörper gegen TSST-1. Etwa 92% der bisher beschriebenen Fälle traten bei menstruierenden Frauen (Durchschnittsalter 23 Jahre, vor allem im Zusammenhang mit Tampongebrauch) auf, die Häufigkeit liegt bei 3–6 Fällen auf 100.000 Frauen im sexuell aktiven Alter. TSS kann auch als Komplikation bei Frauen mit Diaphragma, im Wochenbett, mit infektiösem Abort sowie in der nicht geburtshilflichen gynäkologischen Chirurgie auftreten. Das TSS kann darüber hinausgehend von Hauterkrankungen, Verbrennungen, Insektenstichen, Varizella-Läsionen und chirurgischen Wunden unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit ausgehen. Lebensmittelintoxikationen: Die Lebensmittelvergiftung wird durch die Aufnahme von Enterotoxinen verursacht, die von S. aureus in kontaminierten Lebensmitteln vor der Nahrungsaufnahme produziert wurden. Durch die hohe Hitzestabilität werden S.-aureusEnterotoxine auch bei der Lebensmittelzubereitung nicht abgetötet. Bereits 2–6 Stunden nach Aufnahme des kontaminierten Lebensmittels treten abrupt Übelkeit, Erbrechen, krampfartige Bauchschmerzen und Durchfall auf. In den meisten Fällen ist die Erkrankung selbstlimitierend und endet nach 8–24 Stunden. In schweren Fällen kann es zu Hypovolämie und Hypotonie kommen. Therapie Für die Behandlung von Infektionen mit Oxacillin-empfindlichen S. aureus gelten penicillinasefeste Penicilline (z.B. Flucloxacillin) sowie Cephalosporine der 1. Generation und inhibitorgeschützte Penicilline als Mittel der Wahl, bei generalisierenden Infektionen kombiniert mit einem Aminoglykosid. Alternativen sind Kombinationen mit Rifampicin. Für die Behandlung von Haut-Weichgewebeinfektionen sind seit kurzem Tigezyklin und Daptomycin (europäische Zulassungen) verfügbar. Für Infektionen mit MRSA sowie schwere S.-aureus-Infektionen im Allgemeinen sollten grundsätzlich keine ß-Laktamantibiotika eingesetzt werden. Hier sind Kombinationen von Glykopeptiden mit Rifampicin, mit Clindamycin oder Gentamicin (je nach Antibiogramm) indiziert. Als weitere Kombinationspartner stehen Fosfomycin und Fusidinsäure zur Verfügung. Schließlich steht noch das Linezolid aus der Substanzgruppe der Oxazolidinone zur Monotherapie zur Verfügung (orale bzw. i.v. Applikation möglich). Falls erforderlich, ist für die Behandlulng von Haut-Weichgewebeinfektionen auch die Kombination von Rifampicin und Cotrimoxazol geeignet [21]. Der Kliniker sollte seine Antibiotikatherapie nicht allein von der „in vitro“ Empfindlichkeit ableiten. Sanierung einer MRSA-Besiedlung: Standardverfahren zur Sanierung einer nasalen MRSABesiedlung ist die Verwendung von Mupirocin-Nasensalbe. Zur Sanierung eines Befalls des Rachens bzw. einer Besiedlung der Haut mit MRSA sind zusätzlich desinfizierende Mundspülungen bzw. Ganzkörperwaschungen der intakten Haut unter Einschluss der Haare mit antiseptischen Seifen und Lösungen mit nachgewiesener Wirksamkeit zu empfehlen. Zur Erfolgskontrolle sind frühestens 3 Tage nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen bzw. nach Therapie Kontrollabstriche (z.B. Nase, Rachen, Leiste, perneal, falls vorhanden Wunde, Zugang zentraler Venenkatheter und ursprünglicher Nachweisort) vorzunehmen. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen in klinischen Einrichtungen Situationsgerechte Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen sind Grundvoraussetzungen, um MRSA-Übertragungen zu vermeiden oder die Verbreitung einzudämmen. Der Umgang mit MRSA-besiedelten bzw. infizierten Patienten erfordert speziell im klinischen Bereich ein konsequentes und systematisches Hygienemanagement (MRSA-Management). Entscheidende Maßnahmen zur Kontrolle der MRSA-Situation umfassen: GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 110 von 205 eingehende Information und Schulung des Personals, frühzeitiges Erkennen und Verifizieren von MRSA-Kolonisation bzw. Infektion (Screening) konsequente (Kohorten-)Isolierung [22] MRSA-kolonisierter/-infizierter Patienten, strikte Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen [22], den Versuch der Sanierung bekannter MRSA-Träger, sowie den kontrollierten Umgang mit Antibiotika. Bei Verlegungen in andere medizinische oder pflegerische Einrichtungen ist die entsprechende Zieleinrichtung vorab über die MRSA-Besiedlung/-Infektion des zu verlegenden Patienten zu informieren. Die Begleitunterlagen sollten geeignete Informationen enthalten. Nur so können entsprechende Maßnahmen zur Prävention der Weiterverbreitung getroffen werden. Maßnahmen beim Transport durch den Rettungsdienst Die Festlegung von Hygienemaßnahmen und deren Überwachung im Rettungsdienst obliegt den Bundesländern. In Anbetracht auch unerkannter MRSA-Träger ist die konsequente Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen beim Transport und der Behandlung von Patienten von hervorragender Bedeutung (z.B. Abdecken offener Wunden mit einem Verband, korrekte Durchführung der Händedesinfektion nach Kontakt zum Patienten, Schutzkittel bei engem Kontakt oder Kontaminationsgefahr mit Sekreten/Exkreten, Wischdesinfektion der Patientenkontaktflächen nach Transport) und sollte generelle Anwendung finden. Auch das Begleitpersonal muss eine hygienische Händedesinfektion durchführen. Das Tragen von speziellen Schutzanzügen/Overalls ist beim Transport von MRSA-positiven Personen aus hygienischen Gründen nicht erforderlich und wird in Hinblick auf die von dieser Schutzkleidung ausgehenden unnötigen Verunsicherungen nicht empfohlen. Eine Entlassung von Patienten kann unabhängig von der MRSA-Besiedlung erfolgen. Der weiterbehandelnde Arzt muss jedoch informiert und ggf. beraten werden, welche weiteren Maßnahmen zu veranlassen sind. Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass kein Infektionsrisiko für gesunde Kontaktpersonen besteht (Ausnahmen: Personen mit offenen Wunden oder ekzematöser Haut, Immunsupprimierte, Früh- und Neugeborene). MRSA-Träger unter dem Personal sollten nach Möglichkeit bis zur nachgewiesenen Sanierung keine Patienten behandeln oder pflegen. Ist dies organisatorisch nicht zu erzielen, müssen sie konsequent besondere hygienische Maßnahmen ergreifen (z.B. Mund-NasenSchutz, vor jedem Patientenkontakt Händedesinfektion). Eine Sanierung ist grundsätzlich zu empfehlen. Wird dabei kein MRSA nachgewiesen, ist eine Aufnahme der Tätigkeit mit den generell üblichen Hygienemaßnahmen in der direkten Patientenbetreuung wieder möglich. Aufgrund der komplexen Problematik wird an dieser Stelle auf die detaillierten Darstellungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention „Empfehlung zur Prävention und Kontrolle von MRSA in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen“ sowie auf die Fachtagung MRSA ausdrücklich hingewiesen. 2. Präventionsmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen Das Auftreten von mehrfachresistenten Erregern in Alten- und Pflegeheimen erfordert eine spezifische Risikobewertung. Dafür sind Kenntnisse über die Übertragungswege mehrfachresistenter Erreger – insbesondere MRSA – und von Hygienemaßnahmen beim Personal erforderlich. Nach dem heutigen Stand der Erfahrungen besteht für MRSA-besiedelte Personen keine Kontraindikation zur Aufnahme in Heime. Bei Kenntnis der MRSA-Besiedlung eines Bewohners muss jedoch individuell entschieden werden, welches Risiko der Weiterverbreitung tatsächlich besteht. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 111 von 205 Eine Weiterverbreitung von MRSA ist bei MRSA-positiven Bewohnern/Patienten mit produktivem Husten, Tracheostoma oder offenen Hautläsionen eher zu erwarten als bei Bewohneren ohne Risikofaktoren. In der Regel können Heimbewohner mit MRSA-Besiedlung am Gemeinschaftsleben und an Therapiemaßnahmen teilnehmen, wenn angemessene Präventionsmaßnahmen zum Schutz empfänglicher Mitbewohner eingehalten werden. Dringend erforderlich ist hierbei die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Heimleitung, betreuenden Hausärzten und verlegender Einrichtung. Das gilt besonders für die gegenseitige Vorabinformation über den Besiedlungsstatus von zu verlegenden MRSA-positiven Bewohnern/Patienten. Auf die Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“ der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen. 3. Prävention im ambulanten Pflegebereich Bei den „ambulanten“ MRSA (außerhalb der klinischen Einrichtungen) handelt es sich meist um Epidemiestämme, die bei Krankenhausaufenthalten erworben wurden und längere Zeit bei den Patienten als Besiedler persistierten. Auch das ambulante Pflegepersonal muss sich daher auf den Umgang mit pflegebedürftigen MRSA-Trägern einstellen. Dazu ist zunächst eine Information über den Trägerstatus durch die Klinik an den weiterbehandelnden Hausarzt erforderlich. Dieser sollte dann den zuständigen Pflegedienst informieren. Es gilt dann für das Pflegepersonal auch hier, die Weiterverbreitung auf andere Patienten zu vermeiden. Das bedeutet auch hier hygienische Händedesinfektion vor und nach jeder Tätigkeit am Patienten mit Körperkontakt. Weiterhin sind Einmalhandschuhe (vor und nach jedem Anlegen der Einmalhandschuhe ist eine Händedesinfektion notwendig) und patientengebundene Schutzkittel bei der Versorgung von Wunden, Tracheostomata, Kathetern und Sonden oder bei möglichem Kontakt mit Körpersekreten oder -ausscheidungen zu tragen. Zur Verhinderung der Besiedlung der Nase des Personals empfiehlt sich bei Tracheostomapflege und Bettenmachen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes. Pflegehilfsmittel sollten patientengebunden verwendet bzw. nach Gebrauch desinfiziert werden. Es wird empfohlen, die anfallende Wäsche desinfizierend zu waschen. Zur weiterführenden Orientierung kann auch die Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“ dienen. Darüber hinaus empfiehlt sich das gleiche Vorgehen für alle Familienmitglieder, da sonst durch enge Kontakte immer wieder eine Übertragung zwischen Familienmitgliedern erfolgen kann. 4. Prävention im häuslichen Milieu Es ist üblich, dass von einer MRSA-Infektion genesene Patienten mit noch bestehender asymptomatischer MRSA-Besiedlung in Nase, Rachen, Wunde oder auf der Haut (z.B. perianal) nach Hause entlassen werden. Das Ansteckungsrisiko für Angehörige eines solchen MRSA-Trägers ist in der Regel nicht sehr hoch. Durch Kuss- oder enge Körperkontakte kann es zu einer passageren Besiedlung von Familienmitgliedern kommen, welche für diese in der Regel keine Bedrohung darstellt. Durch eine Infektion gefährdet sind Personen mit offenen Wunden oder Hautläsionen sowie mit bekannten Dispositionen für eine Infektion mit S. aureus (z.B. Diabetiker, dialysepflichtige Patienten). In diesen Fällen ist eine Distanzierung von MRSATrägern bis zur erfolgreichen Sanierung geboten. Problematisch sind MRSA-besiedelte diabetische Ulcera. Eine Sanierung ist hier meist nicht möglich. In diesen Fällen ist eine fachkundige Wundbehandlung und sorgfältiges Abdecken der Wunde essentiell. Ein Risiko durch MRSA besteht auch für stark immunsupprimierte Personen – auch hier ist eine Distanzierung von MRSA-Trägern geboten. Sanierungsversuche mit Mupirocin-Nasensalbe, Rachendesinfizienzien und antiseptischen Bädern von Patienten oder kolonisierten Angehörigen, die selbst in einem stationären Bereich tätig sind, sollten vom Hausarzt veranlasst werden. Für Schwangere und die Frucht besteht zunächst keine Gefahr, da die Staphylokokken nicht die Placentaschranke passieren. Es empfiehlt sich aber, bei bekanntem MRSA-Trägerstatus der Schwangeren nach Eintritt des Mutterschutzes Abstriche aus dem Genitalbereich zu entnehmen. Bei etwaigem Nachweis von MRSA ist eine Sanierung der Scheide und im NasenRachenraum noch vor der Entbindung ratsam, da es zu Wundinfektionen oder Besiedlung des GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 112 von 205 Neugeborenen kommen könnte. Die Schwangere sollte sich im Zeitraum des Trägerstatus sorgfältig die Hände desinfizieren. MRSA-Besiedlungen der Brust bzw. der Brustdrüsengänge der Mutter eines Neugeborenen sind ebenso wie die Übertragung von MRSA auf das Neugeborene in der Literatur beschrieben. Die Entscheidung, ob ein Säugling bei MRSA Besiedlung der Brust der Mutter gestillt werden kann, sollte daher nach einer Risikoeinschätzung und unter Berücksichtigung der individuellen Gegebenheiten für das Kind durch den behandelnden Kinderarzt erfolgen. Gegebenenfalls ist nach möglichen Alternativen zu suchen. Maßnahmen bei Ausbrüchen Ausbrüche von MRSA-Infektionen stellen ein ernstes krankenhaushygienisches Problem dar. An dieser Stelle wird auf die bestehende Meldepflicht (siehe unten) und die Empfehlungen der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zum Ausbruchmanagement und zu MRSA hingewiesen. Bei gehäuftem Nachweis von MRSA bei mehreren Patienten, die in einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, ist eine Genotypisierung zur Verifizierung der Klonalität (Identität der Stämme) anzustreben. Im Falle eines Ausbruchs sollte immer ein Screening (Abstriche der Nasenvorhöfe und des Rachens) aller Patienten der betroffenen Behandlungseinheit sowie des medizinischen Personals, das Kontakt zu dem MRSA-Patienten hatte, erfolgen. Kommt es zu einer Besiedlung beim Personal, sollten auch die Familienangehörigen (Partner) mit untersucht werden, da auch Familienmitglieder (und z.T. auch Haustiere) Quelle für erneute Besiedlungen sein können. Meldepflicht Das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen soll innerhalb einer Organisationseinheit fortlaufend aufgezeichnet und ausgewertet werden (§23 IfSG). Einzelne S.-aureus- oder MRSA-Erkrankungen oder -Besiedlungen sind nicht meldepflichtig. Gemäß § 6 Abs. 3 IfSG ist jedoch das gehäufte Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, unverzüglich dem Gesundheitsamt als Ausbruch zu melden. Modifiziert nach RKI, Stand: 09.02.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 113 von 205 Mumps Erreger Das Mumpsvirus ist ein umhülltes einsträngiges RNA-Virus aus der Familie der Paramyxoviridae. Die Innenseite der Hülle wird von einem Matrixprotein ausgekleidet, die Negativstrang-RNA ist von einem Nukleokapsid umgeben. Die Glykoproteine Hämagglutinin und Neuraminidase sowie das Fusionsantigen bilden aus der Virushülle herausragende „Spikes“. Von Mumpsviren ist nur ein Serotyp bekannt. Mögliche Kreuzreaktionen mit dem Parainfluenzavirus sind zu beachten. Obwohl Mumpsviren genetisch nur relativ geringfügig variieren, lassen sich durch Sequenzvergleiche Unterschiede zwischen einzelnen Stämmen feststellen. Damit ist auch eine Unterscheidung zwischen Impf- und Wildvirus möglich, was bei der Beurteilung eventueller Impfkomplikationen von Bedeutung ist. Einzelne Mumpsvirusstämme unterscheiden sich auch in ihren biologischen Eigenschaften, wie z.B. der Neurovirulenz. Vorkommen Infektionen mit dem Mumpsvirus sind weltweit endemisch verbreitet und betreffen in ungeimpften Populationen überwiegend das Kindes- und Jugendalter. Sie treten während des ganzen Jahres, jedoch gehäuft im Winter und Frühjahr auf. In Deutschland kommt es bei den gegenwärtigen Impfraten noch zu Erkrankungswellen im Abstand von einigen Jahren. Unter dem Einfluss der zunehmend verbesserten Impftätigkeit sind häufiger als früher Erkrankungen im Erwachsenenalter zu verzeichnen. Reservoir Der Mensch ist das einzige Erregerreservoir. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt vor allem aerogen durch Tröpfcheninfektion, seltener durch mit Speichel kontaminierte Gegenstände. Die mögliche Virusausscheidung im Urin und in der Muttermilch hat keine praktische Bedeutung für die Übertragung. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 16–18 Tage (12–25 Tage sind möglich). Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit ist 2 Tage vor bis 4 Tage nach Erkrankungsbeginn am größten. Insgesamt kann ein Infizierter 7 Tage vor bis 9 Tage nach Auftreten der Parotisschwellung ansteckend sein. Auch klinisch inapparente Infektionen sind ansteckend. Klinische Symptomatik Mumps ist eine systemische Infektionskrankheit. Sie führt in der Regel zu lebenslanger Immunität; Zweiterkrankungen sind möglich, aber selten. Mindestens 30–40 % der Infektionen verlaufen subklinisch. Besonders bei Kindern unter 5 Jahren kann die Mumpsinfektion unter dem Bild einer akuten respiratorischen Erkrankung ablaufen (40–50 % der Fälle). Das typische Erkrankungsbild ist eine Entzündung der Speicheldrüsen – Sialadenitis (ein- oder doppelseitiger Befall der Glandula parotis, teilweise auch Glandula submandibularis oder Glandula sublingualis) – in Verbindung mit Fieber. Auch andere Drüsen können betroffen sein. Zu den wichtigen Manifestationen gehört eine seröse Meningitis ein (klinisch auffällig in etwa 3– 10 % der Fälle, sehr viel häufiger unbemerkt). Die Mumpsmeningitis kann in Verbindung mit einer Akustikus-Neuritis und Labyrinthitis sehr selten eine Innenohrschwerhörigkeit zur Folge haben (1 Fall auf 10.000 Erkrankte). Seltenere Manifestationen, vor allem postpubertär, sind Pankreatitis, Orchitis, Epididymitis, Oophoritis oder Mastitis. Die Orchitis kann in seltenen Fällen zur Sterilität führen. Sehr seltene Komplikationen sind: Thyreoiditis, Myelitis, Myokarditis, Arthritis, Entzündungen an den Augen und Nieren und eine thrombozytopenische Purpura. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 114 von 205 Unter den sehr seltenen Komplikationen hat die Meningoenzephalitis eine besondere Bedeutung, sie führt in 50% der Fälle zu Dauerschäden. Bemerkenswert ist, dass alle Manifestationen und Komplikationen auch ohne manifeste Parotitis auftreten können. In der Schwangerschaft kann die Erkrankung, vor allem wenn sie während des 1. Trimesters auftritt, zu Spontanaborten führen. Fetale Missbildungen oder Frühgeburten sind nicht bekannt. Die Dauer der manifesten Erkrankung beträgt in der Regel 3–8 Tage. Mit zunehmendem Lebensalter werden schwere Verlaufsformen, z.B. Manifestationen am ZNS, häufiger. Die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen Mumps ist in den letzten Jahren zurückgegangen. Therapie Die Therapie ist ausschließlich symptomatisch (z.B. Analgetika, Antipyretika). Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Die wirksamste präventive Maßnahme ist die Schutzimpfung gegen Mumps, für die ein attenuierter Lebendimpfstoff zur Verfügung steht. Von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut wird eine Schutzimpfung mit einer trivalenten Vakzine gegen Masern, Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff) empfohlen. Die erste Impfung soll zwischen dem 12. und dem 15. Lebensmonat durchgeführt werden. Die zweite MMR-Impfung soll im Alter von 15 bis 23 Monaten, möglichst vor Aufnahme in eine Kindereinrichtung, allerspätestens aber bei der Schuleingangsuntersuchung erfolgen. Eine Altersbegrenzung existiert allerdings nicht. Arbeitsmedizinische Impfindikationen bestehen für ungeimpfte bzw. empfängliche Personen in Einrichtungen der Pädiatrie, in Kindereinrichtungen (Vorschulalter) und Kinderheimen. Anzumerken ist, dass Erkrankungen Geimpfter möglich, aber selten sind. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen An Mumps erkrankte Patienten sollten bei stationärer Behandlung von anderen Patienten getrennt untergebracht werden. Maßnahmen bei Erkrankten: Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an Mumps erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten, die an Mumps erkrankt sind, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht nutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann nach Abklingen der klinischen Symptome, frühestens 9 Tage nach Ausbruch der Erkrankung erfolgen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Maßnahmen bei Kontaktpersonen (gilt analog auch für Rettungsdienst Mitarbeiter): Personen, die in der Wohngemeinschaft Kontakt zu einer ärztlich bestätigten Mumpserkrankung (oder einem Verdachtsfall) hatten, dürfen eine Gemeinschaftseinrichtung für die Dauer der mittleren Inkubationszeit von 18 Tagen nicht besuchen oder nicht in ihr tätig sein (§ 34 Abs. 3 IfSG). Dies entfällt, wenn sie nachweislich früher bereits an Mumps erkrankt waren, früher bereits geimpft wurden (bei nur einmaliger Impfung wird aktuell die 2. Dosis gegeben) sowie nach postexpositioneller Schutzimpfung, falls diese innerhalb von 3 (maximal 5) Tagen nach erstmals möglicher Exposition erfolgte. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen sollen über die Mitteilungspflicht der Leitung der Einrichtung gemäß § 34 Abs. 6 IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt zur Kenntnis gelangen. Wird ein örtlich gehäuftes Auftreten von Mumpserkrankungen außerhalb einer Gemeinschaftseinrichtung durch einen Arzt festgestellt, sollte dieser das zuständige Gesundheitsamt informieren. Neben der beratenden Tätigkeit können ggf. Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung eingeleitet oder auch kontrolliert werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 115 von 205 Eine postexpositionelle Impfung wird als Riegelungsimpfung zur Bekämpfung von Ausbrüchen besonders in Kindereinrichtungen bei ungeimpften bzw. einmal geimpften Kindern mit aktuellem Kontakt zu an Mumps erkrankten Personen empfohlen. Je nach Impfanamnese wird die erste oder zweite MMR-Impfung gegeben. Zur Verhütung von Folgeerkrankungen der zweiten Generation sollte die postexpositionelle Impfung innerhalb von 3 Tagen (maximal 5 Tagen) nach erstmals möglicher Exposition durchgeführt werden. Bei Häufungen in Kindereinrichtungen und Schulen sind Riegelungsimpfungen in der Regel auch nach dem optimalen Zeitpunkt noch sinnvoll, weil dadurch Kontaktfälle, die von den Erkrankten der zweiten Generation ausgehen könnten, verhindert werden. Erkrankungsfälle in Kindereinrichtungen und Schulen sollten grundsätzlich dazu genutzt werden, den Impfstatus im Umfeld zu kontrollieren und ggf. durch Impfung zu aktualisieren. Meldepflicht Das IfSG sieht eine allgemeine Meldepflicht nicht vor. In einigen Bundesländern (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) existiert auf der Basis von länderspezifischen Meldeverordnungen eine Meldepflicht für Mumpserkrankungen. Nach § 34 Abs. 6 IfSG hat die Leiterin/der Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über Mumpserkrankungen, von denen die Einrichtung betroffen ist, zu informieren (Mitteilungspflicht). Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006 Fazit: Wichtig ist es den eigenen Impfstatus zu kennen. Bei Kontakt zu einem ansteckenden Patienten ist eine Impfung im Zeitfenster möglich. Kontakt über die Leitstelle mit dem Fachdienst aufnehmen und sich beraten lassen GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 116 von 205 Noroviren - Noroinfektionen Erreger Noroviren (früher als Norwalk-like-Viren bezeichnet) wurden 1972 durch elektronenmikroskopische Untersuchungen entdeckt. Sie gehören zur Familie der Caliciviridae. Gemäß einer Festsetzung des „International Committee on Taxonomy of Viruses“ (ICTV) erfolgt eine Unterteilung der humanen Caliciviren in die beiden Genera „Norovirus“ (NV) und „Sapovirus“ (SV). Das Norovirus zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus. Aufgrund von genetischen Unterschieden in der Polymerase- und Kapsidregion unterteilt man in fünf Genogruppen (GG I bis V). Die Noroviren der Genogruppe I und II werden wiederum in wenigstens 20 Genotypen aufgeschlüsselt. Hinzu kommt, dass verstärkt auch rekombinante Noroviren gefunden werden. Noroviren der Genogruppe III (Jena Virus) und V (Maus Virus) sind nicht humanpathogen. Humane Noroviren lassen sich bisher nicht auf Zellkulturen vermehren. Vorkommen Noroviren sind weltweit verbreitet. Sie sind für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30 %) und bei Erwachsenen (bis zu 50 %) verantwortlich. Die Meldedaten des IfSG bestätigen, dass Kinder unter 5 Jahren und ältere Personen über 70 Jahre besonders häufig betroffen sind. Dies trägt dazu bei, dass Norovirus-Erkrankungen die überwiegende Ursache von akuten Gastroenteritis-Ausbrüchen in Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen sind. Sie können aber auch für sporadische Gastroenteritiden verantwortlich sein. Bei Säuglingen und Kleinkindern stellen sie nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden dar. Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist. In den Wintermonaten der Jahre 2002/2003, 2004/2005, 2006/2007 und 2007/2008 wurde eine erhebliche Zunahme an Norovirus-Ausbrüchen in Deutschland und auch in einigen europäischen Nachbarländern beobachtet. Reservoir Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir des Erregers. Der Nachweis von Caliciviren bei Tieren (Schweinen, Katzen und Kaninchen) steht derzeit in keinem erkennbaren Zusammenhang mit Erkrankungen des Menschen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 117 von 205 Infektionsweg Die Viren werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die Infektiosität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis dürfte bei ca. 10–100 Viruspartikeln liegen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral (z.B. Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen Erbrechens entstehen. Das erklärt die sehr rasche Infektionsausbreitung innerhalb von Altenheimen, Krankenhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen. Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist in erster Linie die Ursache für die hohe Zahl an Norovirus-Infektionen. Infektionen können aber auch von kontaminierten Speisen (Salate, Krabben, Muscheln u.a.) oder Getränken (verunreinigtes Wasser) ausgehen. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–50 Stunden. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Personen sind während der akuten Erkrankung hoch ansteckungsfähig. Unter pragmatischen Gesichtspunkten kommt daher im Hinblick auf die Vermeidung der Weiterverbreitung der symptomatischen Phase einschließlich der ersten 48 Stunden nach Sistieren der Symptome (d.h. bis zur sicheren Beendigung von Durchfall oder Erbrechen) die größte Bedeutung zu. Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass das Virus in der Regel noch 7–14 Tage, in Ausnahmefällen aber auch noch über Wochen nach einer akuten Erkrankung über den Stuhl ausgeschieden werden kann. Daher ist auch nach der akuten Phase eine sorgfältige Sanitärund Händehygiene noch weiter erforderlich. Klinische Symptomatik Noroviren verursachen akut beginnende Gastroenteritiden, die durch schwallartiges heftiges Erbrechen und starke Durchfälle (Diarrhöe) gekennzeichnet sind und zu einem erheblichen Flüssigkeitsdefizit führen können. In einzelnen Fällen kann die Symptomatik auch auf Erbrechen ohne Diarrhöe oder auf Diarrhöe ohne Erbrechen beschränkt sein. In der Regel besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit. Die Körpertemperatur kann leicht erhöht sein, meist kommt es jedoch nicht zu hohem Fieber. Wenn keine begleitenden Grunderkrankungen vorliegen, bestehen die klinischen Symptome etwa 12–48 Stunden. Auch leichtere oder asymptomatische Verläufe sind möglich. Therapie Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Ausgleich des z.T. erheblichen Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes. Eine kausale antivirale Therapie steht nicht zur Verfügung. Insbesondere bei betroffenen Kleinkindern und älteren Personen kann eine kurzzeitige Hospitalisierung notwendig sein. Der Einsatz von Antiemetika bei Patienten mit starkem Erbrechen kann erwogen werden. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Wichtig ist die konsequente Einhaltung der allgemeinen Hygieneregeln in Altenheimen, Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen und Küchen. Zur Vermeidung einer Übertragung durch kontaminierte Speisen sollten insbesondere Gerichte mit Meeresfrüchten gut durchgegart sein. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen (s. auch Punkt 3) Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Kontaktpersonen sollten bei begründetem Verdacht sofort eingeleitet werden, d.h. ohne eine Laborbestätigung abzuwarten. Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege oder beim Erbrechen sind, insbesondere in der symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten: GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 118 von 205 Absonderung der erkrankten Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von Handschuhen, Schutzkittel, ggf. geeigneter Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion von patientennahen Flächen, Toiletten, Waschbecken, Türgriffen. Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit [1] (www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Informationen zu ausgewählten Erregern > Norovirus > FAQ) geeignet. Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Die Einrichtung sollte erst 2 Tage nach dem Abklingen der klinischen Symptome wieder besucht werden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Allerdings sollte auch dann noch verstärkt Wert auf die Hygiene gelegt werden. Ebenso dürfen erkrankte Personen nicht in Lebensmittelberufen (definiert in § 42 IfSG) tätig sein. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte frühestens 2 Tage nach dem Abklingen der klinischen Symptome erfolgen. In den folgenden 4–6 Wochen ist die Händehygiene am Arbeitsplatz besonders sorgfältig zu beachten. Bei Wiederauftreten der Symptomatik wird eine erneute Freistellung erforderlich. [1] S. Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2004; 47: 62–66. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Beim Auftreten von Norovirus-Erkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen oder Altenheimen bildet die rasche klinische Abgrenzung auftretender Norovirus-Infektionen von anderen, z.B. durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, die Grundlage einer effektiven Ausbruchsprävention. Wenn die typische Symptomatik und die epidemiologischen Merkmale auf eine Norovirus-Infektion hindeuten, sollten aufgrund der epidemischen Potenz präventive Maßnahmen rasch und konsequent ergriffen werden, auch ohne die Bestätigung durch virologische Untersuchungen abzuwarten. Es empfiehlt sich, dass erkrankte Personen während der symptomatischen Phase keine betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben. Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen sind: Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; ggf. Kohortenisolierung; Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel (s. auch Punkt 2) und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen, Schutzkittel und ggf. geeignetem Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit Erbrechen; Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor Verlassen des Isolationszimmers; tägliche (in Sanitärbereichen ggf. häufigere) Wischdesinfektion aller patientennahen Kontaktflächen inkl. Türgriffen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder Aldehyde bevorzugt werden); kontaminierte Flächen (z.B. mit Stuhl oder Erbrochenem) sofort nach Anlegen eines Atemschutzes gezielt desinfizierend reinigen; Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren; Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack transportieren und in einem (chemo-thermischen) Waschverfahren ≥ 60°C zu reinigen; Geschirr kann in der Regel wie üblich maschinell gereinigt werden; Kontaktpersonen (z.B. Besucher, Familie) sind auf die mögliche Mensch-zu-MenschÜbertragung durch Kontakt oder virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen hinzuweisen und in der korrekten Händedesinfektion zu unterweisen; Minimierung der Patienten-, Bewohner- und Personalbewegung zwischen den Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 119 von 205 verhindern (Hinweis auf die Infektionsgefahr bei notwendiger Verlegung eines Erkrankten auf eine andere Station); strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die aufnehmende Institution ist vorab zu informieren. Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Norovirus-Ausbruches für Neuaufnahmen von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder geöffnet werden. Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei geringen gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst frühestens 2 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorgfältiger Beachtung der Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der Virusausscheidung ist nicht angezeigt. Meldepflicht Für Leiter von Laboratorien ist nach § 7 IfSG der direkte Nachweis von Noroviren meldepflichtig. Für Ärzte sind nach § 6 IfSG Krankheitsverdacht und Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig, wenn die erkrankte Person eine Tätigkeit im Sinne des § 42 IfSG ausübt oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Modifiziert nach RKI, Stand: 24.07.2008 Fazit: Der Norovirus ist ein zuverlässiger Prüfstein für die eigenen Hygienemassnahmen. Kleinste Nachlässigkeiten führen zur Infektion. Die Desinfektionsmittel müssen bei Noroviren entsprechend angepasst werden; siehe Hygieneplan GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 120 von 205 Pertussis (Keuchhusten) Erreger Bordetella (B.) pertussis ist ein kleines, unbewegliches, bekapseltes, aerobes, gramnegatives Stäbchen. Es bildet eine Vielzahl von Toxinen und Virulenzfaktoren wie Pertussis-Toxin (PT), filamentöses Hämagglutinin (FHA), Trachea-Zytotoxin, Pertactin, hitzelabiles Toxin und Adenylatzyklase-Toxin. Auf der Oberfläche des Bakteriums befinden sich äußere Membranproteine und Agglutinogene (Fimbrien). Die Vermehrung der Bordetellen erfolgt auf dem zilientragenden Epithel der Atemwegsschleimhäute. Sie verursachen dort eine lokale Zerstörung der Mucosa. Eine Reihe von Toxinen verschlechtert zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursacht Gewebeschäden. B. pertussis ist der hauptsächliche Erreger des Keuchhustens. Infektionen mit B. parapertussis können ebenfalls zu einem keuchhustenähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter und kürzer als bei einer Erkrankung durch B. pertussis verläuft. Vorkommen Die höchste Inzidenz wird in Mitteleuropa im Herbst und Winter beobachtet, jedoch ist die Saisonalität nicht besonders stark ausgeprägt. In Deutschland kam es durch den Wegfall der Keuchhusten-Impfempfehlung für die alten Bundesländer in den Jahren 1974 bis 1991 zu einem Anstieg der Keuchhusten-Inzidenz mit bis zu 160 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Durch die Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am RKI im Jahr 1991 und den vermehrten Einsatz von Kombinationsimpfstoffen mit der azellulären Pertussis-Komponente stieg seit 1995 der Durchimpfungsgrad deutlich an und erreichte bei eingeschulten Kindern im Jahr 2004 ca. 90%. Die Zahl der seit 1993 erfassten Hospitalisierungen wegen Pertussis bei Kleinkindern ging in den alten Bundesländern deutlich zurück, so dass man auch von einem Rückgang der Inzidenz ausgehen kann. Auf Grund der unzureichenden Surveillance ist dies jedoch nicht direkt belegbar. Aus den Daten über gemeldete Pertussis-Erkrankungen in den neuen Bundesländern geht hervor, dass dort die in den 80iger Jahren durch den hohen Durchimpfungsgrad erreichte niedrige Morbidität von weniger als 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner nach 1991 wieder angestiegen ist. Eine Verschiebung der Erkrankungen in das Jugend- und Erwachsenenalter wird dabei deutlich. Während in den neuen Bundesländern 1980 noch etwa 50 % der Erkrankungen im ersten Lebensjahr und weniger als 5 % bei den ≥ 15-Jährigen auftraten, hat sich dieses Verhältnis gegenwärtig umgekehrt. So betrafen in den Jahren 2000 bis 2004 nur noch 1,2 % der Erkrankungen Kinder im ersten Lebensjahr und ca. 71% der Erkrankten waren ≥ 15 Jahre alt. Dies ist neben anderen auch eine Folge des Rückgangs der Immunität mit zunehmendem Abstand zur Impfung bzw. Erkrankung. Zur Verschiebung der Altersverteilung hat allerdings auch die Veränderung der Diagnostik mit zunehmender Erfassung oligosymptomatischer Erkrankungen bei Jugendlichen und Erwachsenen wesentlich beigetragen. Die STIKO hatte aufgrund der epidemiologischen Lage bereits im Jahr 2000 eine Auffrischimpfung für Jugendliche empfohlen, die jedoch noch nicht ausreichend umgesetzt wird. Seit 2002 wird außerdem ein deutlicher Anstieg der Pertussis-Inzidenz auch bei jüngeren Kindern ab dem Alter von 5 Jahren beobachtet, von denen ein hoher Anteil vollständig geimpft ist. Daher hat die STIKO im Januar 2006 empfohlen, die Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6 Jahren gegen Tetanus und Diphtherie durch eine Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Pertussis (TdaP) zu ersetzen. Die Auffrischimpfung gegen Pertussis mit 9–17 Jahren soll beibehalten werden. Reservoir Der Mensch ist das einzige Reservoir für B. pertussis. B. parapertussis wird bei Menschen und Schafen gefunden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 121 von 205 Infektionsweg Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, die durch einen Kontakt mit einer infektiösen Person, innerhalb eines Abstandes bis zu ca. 1 Meter durch Husten, Niesen oder Sprechen erfolgen kann. Auch gegen Pertussis Geimpfte können nach Kontakt mit dem Erreger vorübergehend Träger von Bordetella sein. Ein langdauernder Trägerstatus bei Gesunden ist bisher nicht dokumentiert worden. Jugendliche und Erwachsene spielen als Überträger eine zunehmende Rolle. Inkubationszeit 7–20 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit beginnt am Ende der Inkubationszeit, erreicht ihren Höhepunkt während der ersten beiden Wochen der Erkrankung und kann bis zu 3 Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum (s.u.) andauern. Bei Durchführung einer antibiotischen Therapie verkürzt sich die Dauer der Ansteckungsfähigkeit auf etwa 5 Tage nach Beginn der Therapie. Klinische Symptomatik Pertussis ist in der Regel eine Erkrankung über mehrere Wochen bis Monate. Die typische Erstinfektion bei Pertussis wird in drei Stadien eingeteilt: Stadium catarrhale (Dauer 1–2 Wochen): Es ist durch grippeähnliche Symptome wie Schnupfen, leichten Husten, Schwäche und kein oder nur mäßiges Fieber gekennzeichnet. Stadium convulsivum (Dauer 4–6 Wochen): In diesem Stadium kommt es zu anfallsweise auftretenden Hustenstößen (Stakkatohusten), gefolgt von inspiratorischem Ziehen. Die Hustenattacken gehen häufig mit Hervorwürgen von zähem Schleim und anschließendem Erbrechen einher. Die Attacken können sehr zahlreich sein und treten gehäuft nachts auf. Das typische Keuchen wird bei ca. der Hälfte der kindlichen Fälle beobachtet; es kommt durch die plötzliche Inspiration gegen eine geschlossene Glottis am Ende des Anfalles zustande. Fieber fehlt oder ist nur geringfügig ausgeprägt. Wenn es vorhanden ist, deutet es in der Regel auf eine bakterielle Sekundärinfektion hin. Stadium decrementi (Dauer 6–10 Wochen): Es kommt zum allmählichen Abklingen der Hustenanfälle. Pertussis verläuft bei Jugendlichen und Erwachsenen oftmals als lang dauernder Husten ohne die typischen Hustenanfälle. Bei Säuglingen findet man häufig kein ganz charakteristisches Bild, hier stehen als Symptomatik nicht selten Apnoen (Atemstillstände) im Vordergrund. Komplikationen können insbesondere im ersten Lebensjahr auftreten. Die häufigsten Komplikationen sind Pneumonien (15–20 % der stationär behandelten Pertussis-Patienten) und Otitis media durch Sekundärinfektionen mit Haemophilus influenzae oder Pneumokokken, seltener mit Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus. Als sehr seltene neurologische Komplikationen werden cerebrale Krampfanfälle und die hypoxische Enzephalopathie beschrieben. Aus bislang nicht völlig geklärten Gründen besteht für Pertussis kein oder nur ein geringer Nestschutz. Folglich sind Neugeborene und junge Säuglinge besonders gefährdet; sie haben auch das höchste Risiko schwerwiegende Komplikationen zu erleiden. Todesfälle als Folge einer Apnoe sind beschrieben. Diagnostik Bei einer "klassischen" Keuchhusten-Symptomatik wird die Diagnose häufig durch den klinischen Befund gestellt. Eine Indikation für eine weiterführende Diagnostik besteht bei längerem Husten ohne typische Hustenanfälle bei ungeimpften Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen aber auch bei Geimpften. Die Labordiagnostik ist abhängig vom Krankheitsstadium. Therapie Eine antibiotische Therapie beeinflusst Dauer und Heftigkeit der Hustenattacken häufig nicht wesentlich, da sie in der Regel nicht früh genug eingesetzt wird, um eine deutliche klinische Verbesserung zu erzielen. Sie kann jedoch zur Unterbrechung der Infektionsketten von erheblicher Bedeutung sein. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 122 von 205 Einsatz von Antibiotika ist nur sinnvoll, solange der Patient Bordetellen ausscheidet (Ende der Inkubationszeit, Stadium catarrhale, bis zu 3 Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum). Langjährige Erfahrungen bestehen vor allem mit Erythromycin; andere Makrolide wie Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin sind jedoch ebenso wirksam und sind wegen ihrer besseren Verträglichkeit und Compliance heute Mittel der Wahl. Als Alternative zu den Makroliden kann Cotrimoxazol verwendet werden. Oral-Penicilline und Cephalosporine sind nicht gegen B.pertussis wirksam. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Zur Prophylaxe stehen in Deutschland azelluläre Impfstoffe in Kombination mit anderen Antigenen zur Verfügung. Empfohlen werden je eine Impfung im Alter von 2, 3 und 4 Monaten und eine weitere Impfung im Alter von 11 bis 14 Monaten. Die Impfung wird mit Kombinationsimpfstoffen (z.B. gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Hepatitis B, Haemophilus influenzae Typ b) durchgeführt. Weiterhin wird eine Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6 Jahren in Kombination mit Tetanus und Diphtherie empfohlen. Zwischen 9 und 17 Jahren ist eine weitere Auffrischung empfohlen. Seit dem Jahr 2004 empfiehlt die STIKO eine Impfung ausdrücklich auch für Personen im häuslichen Umfeld von Säuglingen, die über keinen adäquaten Immunschutz gegen Pertussis verfügen (Kokonstrategie). Zudem sollte Personal in Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und in Kinderheimen über einen adäquaten Impfschutz gegen Pertussis verfügen. Eine Empfehlung zur generellen Impfung von Erwachsenen ist damit jedoch nicht verbunden. Aus heutiger Sicht ist eine Eradikation von Pertussis im Gegensatz zu anderen impfpräventablen Krankheiten nicht möglich. In Anbetracht der Schwere des klinischen Verlaufs von Pertussis sollte aber die Erkrankungshäufigkeit entscheidend reduziert werden. Wegen der begrenzten Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung – 4 bis 20 Jahre – als auch nach vollständiger Impfung – etwa 4 bis 12 Jahre – können sich auch vollständig immunisierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene wieder neu infizieren. Ziele der gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland sind daher ein möglichst frühzeitiger und vollständiger Impfschutz für die besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder (Grundimmunisierung) der sowohl im Vorschul- als auch im Jugendalter aufgefrischt werden sollte. Durch die Einstellung der Produktion des monovalenten Pertussisimpfstoffes im Frühjahr 2005 werden die Möglichkeiten, ältere ungeimpfte und bisher nicht an Pertussis erkrankte Kinder, Jugendliche und Erwachsene gegen Pertussis zu impfen, eingeschränkt. Die empfohlene Auffrischimpfung im Vorschul- und Jugendalter eines nach Impfkalender im Säuglingsalter Geimpften kann mit jedem für diese Altersgruppe zugelassenen Impfstoff mit aP-Anteil vorgenommen werden – z.B. mit TdaP oder mit TdaP+IPV. Der Abstand zur letzten DT/TdImpfung sollte mindestens 5 Jahre betragen. Neuere Studien mit kürzeren Impfabständen zeigen, dass eine Impfung bei Jugendlichen bei bestehender Indikation bereits nach ca. 18 Monaten ohne schwerwiegende und mit nur einer geringfügig höheren Wahrscheinlichkeit von lokalen Nebenwirkungen durchgeführt werden kann. Möglich ist eine Boosterung auch bei ungeimpften Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen, die sich mit dem Pertussis-Erreger bereits im Rahmen einer Infektion oder Erkrankung auseinandergesetzt und deshalb ein immunologisches Gedächtnis haben unter der Voraussetzung, dass die anderen Komponenten des Impfstoffes indiziert, zumindest aber nicht kontraindiziert sind. Die Fachinformationen einiger aP-haltiger Kombinationsimpfstoffe erwähnen ausdrücklich, dass eine fehlende Grundimmunisierung gegen Pertussis keine Kontraindikation für diese Impfungen darstellt. Für eine Grundimmunisierung eines älteren Kindes, das sich mit dem Erreger noch nie auseinandergesetzt hat und das nicht entsprechend den Empfehlungen des Impfkalenders grundimmunisiert wurde, gibt es zur vollständigen Grundimmunisierung derzeit keinen zugelassenen Impfstoff. Besteht für diese nicht immunisierten, nicht durchseuchten Patienten eine Indikation für eine Tetanus- oder Diphtherie- oder Polioimpfung, sollte die Verwendung eines Kombinationsimpfstoffes mit Pertussis erwogen werden. In einzelnen Studien konnte hierdurch bereits ein Anstieg Pertussis-spezifischer Antikörper erzielt werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 123 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Patienten mit Pertussis, die in einem Krankenhaus behandelt werden, sollten für 5 Tage nach Beginn einer antibiotischen Behandlung von anderen Patienten getrennt untergebracht werden. Personen, die an Pertussis erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen nach § 34 IfSG in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Pertussis die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann frühestens 5 Tage nach Beginn einer effektiven Antibiotikatherapie erfolgen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Ohne antimikrobielle Behandlung ist eine Wiederzulassung frühestens 3 Wochen nach Auftreten der ersten Symptome möglich. Für enge Kontaktpersonen in der Familie, der Wohngemeinschaft oder in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter besteht die Empfehlung einer Chemoprophylaxe mit Makroliden (s. Therapie). Geimpfte Kontaktpersonen sind vor der Erkrankung weitgehend geschützt, können aber vorübergehend mit Bordetellen besiedelt sein und damit eine Infektionsquelle darstellen. Daher sollten auch enge Kontaktpersonen, die geimpft sind, vorsichtshalber eine Chemoprophylaxe erhalten, wenn sich in ihrer Umgebung gefährdete Personen, wie z.B. Säuglinge oder Kinder mit kardialen oder pulmonalen Grundleiden, befinden. In Zusammenhang mit erkannten Pertussis-Häufungen sollte bei Kindern und Jugendlichen mit engem Kontakt zu Pertussis-Erkrankten im Haushalt oder in Gemeinschaftseinrichtungen die Komplettierung einer unvollständigen Immunisierung erfolgen bzw. eine Boosterimpfung erwogen werden, wenn die letzte Impfung länger als 5 Jahre zurückliegt. Ein Ausschluss von Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen, die Kontakt zu PertussisErkrankten hatten, ist nicht erforderlich, solange kein Husten auftritt. Bei Husten sind Untersuchungen zur Feststellung oder zum Ausschluss von Pertussis angezeigt. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Das zuständige Gesundheitsamt sollte über Erkrankungshäufungen unbedingt informiert werden, um Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung (z.B. Chemoprophylaxe) einleiten zu können (s. auch Meldepflicht nach § 34 Abs. 6 IfSG im nächsten Abschnitt). Meldepflicht Eine Meldepflicht laut IfSG besteht nicht. In den Bundesländern Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen besteht eine Meldepflicht für die Erkrankung an Pertussis auf der Basis von Länderverordnungen. Nach § 34 Abs. 6 IfSG besteht eine Pflicht für Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über zur Kenntnis gelangte Erkrankungsfälle zu informieren und krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Diese Informationspflicht ist bei Erkrankungen in Einrichtungen mit Kleinkindern besonders zu beachten. Modifiziert nach RKI, Stand: 14.02.2008 Fazit: Eigener Impfstatus sollte bekannt sein GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 124 von 205 Pest Definition Die Pest (lat. = Seuche) ist eine hochgradig ansteckende, bakterielle Infektionskrankheit, die sowohl als Beulen- als auch als Lungenpest auftreten kann. Sie ist ihrem Ursprung nach eine bei wildlebenden Nagetieren vorkommende Erkrankung (Zoonose). Die heutige Verbreitung der Krankheit wird nur noch aus den pestverseuchten Reservoiren wildlebender Nager gespeist. Diese existieren in Zentralasien, Ost- und Zentralafrika, Südamerika und den Rocky Mountains in den USA. Heute sind Bewohner von Bergwäldern und Hochflächen sowie Jäger gefährdet. In historischen Zeiten breitete sich die Pest wiederholt in schweren Seuchenzügen über Europa und Asien aus. Erste Berichte über die Erkrankung reichen bis in die Antike zurück. Zwischen 1347 und 1352 breitete sich eine später als der "schwarze Tod" bezeichnete Pandemie, d.h. eine über mehrere Länder verbreitete Epidemie, bis nach Island aus und forderte ca. 25 Millionen Tote. Dies entsprach etwa einem Drittel der damaligen Bevölkerung! Erreger Der Erreger der Pest ist Yersinia pestis, ein Bakterium. Es wurde 1894 von A.E. Yersin und S. Kitasato entdeckt und nach dem ersteren benannt. Infektionswege Die Pest wird durch verschiedene Parasiten übertragen, die auf der Körperoberfläche ihrer Wirte leben, wie z.B. Flöhe. Die Rattenpest ist ein häufiger Vorläufer von Epidemien beim Menschen. Rattenflöhe infizieren sich an erkrankten Ratten und suchen nach dem Tod der Ratten den Menschen als Ersatzwirt auf und infizieren ihn mit der Erkrankung. Über Menschenflöhe wird die Erkrankung dann von Mensch zu Mensch weitergetragen. Eine Ansteckung ist aber auch über infizierte Gegenstände und als Tröpfcheninfektion über die Atemwege möglich. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt je bei der Lungenpest 1 Tag, bei der Beulenpest bis zu 6 Tagen. Symptome Die Erkrankung tritt je nach Übertragungsart und Verlauf in unterschiedlicher Ausprägung auf. Es können 4 Formen unterschieden werden. Die am häufigsten auftretende Form ist die durch Bisse des Rattenflohs übertragene Beulen- oder Bubonenpest. Sie beginnt nach einer Inkubationszeit von 2-6 Tagen mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Benommenheit und schwerem Krankheitsgefühl. Im Lymphabflußgebiet des Flohbisses kommt es zu einer äußerst schmerzhaften Entzündung von Lymphgefäßen und Lymphknoten, die zu Beulen von bis zu 10 cm Größe anschwellen können. Nachdem sie eitrig eingeschmolzen sind, können sie dann als Geschwür zerfallen. Brechen die Beulen auf oder werden sie künstlich eröffnet ist eine Heilung möglich. Leider kommt es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einem tödlichen Verlauf der Erkrankung durch Übertritt der Erreger in die Blutbahn (Septikämie) mit der Entwicklung einer Lungenpest oder aber zu einer Streuung der Erreger mit ausgedehnten Hautblutungen ("schwarzer Tod"). Die Lungenpest kann sich im Verlauf der Beulenpest entwickeln (sekundäre Lungenpest), sie kann aber auch direkt durch eine Tröpfcheninfektion, d.h. eine Übertragung von Mensch zu Mensch, hervorgerufen werden (primäre Lungenpest). In diesem Fall ist die Inkubationszeit mit 1-2 Tagen sehr kurz. Sie beginnt meist stürmisch mit Atemnot, Husten, Blaufärbung der Lippen und schwarz-blutigem Auswurf. Das Abhusten des hochinfektiösen Sputums ist sehr schmerzhaft. Später entwickeln sich ein Lungenödem und Kreislaufversagen. Unbehandelt verläuft die Lungenpest immer tödlich, meist zwischen dem 2. und 5. Krankheitstag. Die Pestsepsis tritt nicht nur als Komplikation der Beulen- und Lungenpest auf, sie kann auch primär ohne andere Symptome vorkommen. Sie endet fast immer tödlich. Neben diesen 3 schweren Verlaufsformen sind auch milde Verläufe möglich. Man spricht dann von der GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 125 von 205 abortiven Pest. Sie geht oft nur mit mildem Fieber und einer geringen Lymphknotenschwellung einher und verleiht eine lang anhaltende Immunität. Diagnose Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus dem Beschwerdebild des Patienten und den Begleitumständen (Epidemiologie). Die Erreger werden mikroskopisch und kulturell in Sputum, Blut oder im Lymphknoteneiter nachgewiesen. Die Diagnosestellung kann auch serologisch erfolgen. Die ersten Fälle werden in der Regel nicht erkannt, besonders wenn es sich um die Lungenpest handelt. Therapie Für eine erfolgreiche Therapie ist die Anwendung von Antibiotika so frühzeitig wie möglich notwendig. Penizilline sind nicht wirksam. Eingesetzt werden Tetrazykline, Streptomycin, Sulfadiazin oder Chloramphenicol. Die Sterblichkeit beträgt bei der unbehandelten Pestsepsis und Lungenpest bis zu 100%. Prophylaxe Eine ausreichende Impfung gibt es nicht. Für Kontaktpersonen und sonstige Risikogruppen stehen Sulfonamide oder Tetrazykline zur antibiotischen Prophylaxe zur Verfügung. Die beste Prophylaxe besteht in der Bekämpfung von Ratten und Flöhen sowie der Überwachung und Meldung von Nagetiersterben. Meldepflicht Die Pest gehört nach dem Infektionsschutzgesetz zu den meldepflichtigen Erkrankungen; zu melden sind Verdacht, Erkrankung und Tod. Für erkrankte Personen besteht Hospitalisierungspflicht. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 126 von 205 Pocken Erreger Das Variola-Virus ist ein Virus aus der Gruppe der Orthopoxviren. Vorkommen Die Eradikation des Pockenvirus aus natürlichem Vorkommen ist 1979 von der WHO zertifiziert worden. Der letzte natürliche Erkrankungsfall mit Pocken trat 1977 in Somalia auf. Ein natürliches Vorkommen des Pockenvirus besteht somit nicht mehr. Das Virus existiert zu Forschungszwecken nur noch in zwei Laboratorien in Russland und den USA (CDC). Reservoir Der Mensch ist das einzige Reservoir. Das Überleben des Virus außerhalb seines natürlichen Reservoirs - des Menschen - ist in Abhängigkeit von Temperatur und Luftfeuchtigkeit möglich. Das Vaccinia-Impfvirus kann als Aerosol ohne UV-Licht längstens 24 Stunden überleben. Für das Variola-Virus werden ähnliche Bedingungen angenommen. Längere Überlebenszeiten werden in eitrigen Sekreten oder Krusten beschrieben. Infektionsweg Eine Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch in der Initialphase über Tröpfcheninfektion als Expirationströpfchen aus Nase, Mund, Rachen; seltener im weiteren Verlauf der Erkrankung über Haut-zu-Haut-Kontakt. Die Übertragung durch kontaminierte Wäsche oder Abfall von Erkrankten ist beobachtet worden. Die Übertragung von hustenden Patienten oder Erkrankten mit einer hämorrhagischen Form der Pocken ist besonders wahrscheinlich. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt etwa 12 bis 14 Tage mit einer Streuung von 7 bis 17 Tagen. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Erkrankte sind mit Beginn des Fiebers kontagiös und bleiben für die Dauer des Ausschlags ansteckend (etwa 3 Wochen). Die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung ist von der Erkrankungsdauer abhängig. Die größte Ansteckungsgefahr besteht innerhalb der ersten Krankheitswoche. Klinische Symptomatik Das akute klinische Bild kann zu Beginn anderen viralen Erkrankungen (z. B. Influenza) mit unspezifischen Symptomen ähneln. Wegweisend können das abrupt einsetzende hohe Fieber und Kopf-, Muskel-, und Rückenschmerzen sein. Nachfolgend erscheinen besonders im Gesicht und an den Extremitäten schnell und synchron (im Unterschied zu den Hauteffloreszenzen bei Windpocken, die in unterschiedlichen Stadien beobachtet werden können („Sternenhimmel“) Papeln mit rötlichem Randsaum, die zu eitergefüllten Blasen und verkrustenden Pusteln fortschreiten. Die Mehrzahl der an Pocken erkrankten Patienten überlebt mit Narbenbildungen. Die Letalität der Erkrankung während großer Epidemien in Asien betrug 30 %. Fulminante hämorrhagische Verläufe mit kürzerer Inkubationszeit werden in jedem Alter beobachtet. Mildere Verlaufsformen mit hohem Fieber und nur einzelnen Hauteffloreszenzen werden besonders bei teilimmunen Patienten beobachtet, zeigen eine niedrigere Letalität (~1%), sind aber ebenfalls hoch kontagiös (Alastrim, variola minor). Diagnostik Die Verdachtsdiagnose erfolgt in der Regel auf Grund des typischen klinischen Bildes. Zur Klärung der häufig in Frage kommenden Differentialdiagnose „schwere Windpocken“ (z. B. als Erstinfektion bei Erwachsenen), aber auch zum Direktnachweis der Pockenviren dient die GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 127 von 205 elektronenmikroskopische Schnelldiagnostik aus inaktivierter (10 % Formalin) Bläschenflüssigkeit oder abtrocknenden Krusten. Die weitere Labordiagnostik muss in dafür ausgerüsteten Labors (BSL-4) unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden. Molekularbiologische Methoden (PCR) sind zur sicheren Diagnostik notwendig. Die Virusanzucht mit typischem Wachstumsverhalten auf Zellen von Hühnerembryonen kann ebenfalls hilfreich sein. Antikörperbestimmungen sind möglich, jedoch durch Kreuzreaktionen mit anderen Viren der Orthopoxgruppe schwierig zu interpretieren. Für die notwendige Schnelldiagnostik sind Antikörperbestimmungen nicht geeignet. Therapie Die symptomatische Therapie steht im Vordergrund. Die Wirkung von Virostatika ist nicht bekannt, da seit über 20 Jahren mit Pockenviren des Menschen nicht mehr experimentiert werden darf. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Impfung Präexpositionell Ein intradermal zu applizierender Lebendimpfstoff wurde bis Mitte der siebziger Jahre in Deutschland angewandt. Die Zulassung dieses Impfstoffes ist formal im Jahr 1991 ausgelaufen. Impfstoffreserven mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Impfstoffproduktion sind national und international vorhanden. Der Impfstoff hatte eine hohe Reaktogenität und Komplikationsrate (insbesondere das Zentralnervensystem betreffend, vor allem bei Erstimpfungen). Eine lebenslange Immunität wird durch die Impfung wahrscheinlich nicht erreicht. Eine allgemeine präexpositionelle Impfung ist derzeit weder möglich noch empfohlen oder notwendig. Postexpositionell Eine postexpositionelle Impfung (möglichst innerhalb von 4 Tagen nach Exposition) für alle Kontaktpersonen ist notwendig. Deren Effektivität hängt vom Zeitpunkt der Impfung nach Exposition ab und sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Erkrankung kann nicht immer verhindert werden, aber die Abschwächung des Erkrankungsverlaufs ist möglich und auch die Virusausscheidung ist beim Geimpften vermindert. In Deutschland sind derzeit 60, in Kürze 100 Millionen Dosen Impfstoff verfügbar. Für die Impfung mit Lebendimpfstoffen gelten die bekannten Kontraindikationen (Immunsuppression, HIV, Schwangerschaft, offenes Ekzem), diese sind jedoch im individuellen Fall gegen das Erkrankungsrisiko abzuwägen. Eine Gabe von Anti-Vaccinia-Immunglobulin, das zur Therapie von Impfkomplikationen eingesetzt wurde, ist postexpositionell ebenfalls zu erwägen (0,6 ml/kg KG i.m. in verteilten Dosen für 24 bis 36 Stunden, Wiederholungsgaben nach 2 bis 3 Tagen sind möglich). Dieses Immunglobulin ist derzeit weltweit praktisch nicht verfügbar. Ergebnisse zur postexpositionellen Gabe von Virostatika beim Menschen liegen nicht vor. Symptomatische, unterstützende Therapien und die Behandlung von Sekundärkomplikationen (z. B. mit Antibiotika) sind möglich. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Erkrankte sind in der Regel in besonders dafür ausgestatteten Einrichtungen (Behandlungszentren) zu isolieren. Strenge Absonderung - Quarantäne für Erkrankte sowie für Exponierte und Kontaktpersonen nach einem plötzlichen Fieberanstieg auf > 38 °C bzw. nach dem Auftreten des typischen Ausschlags. Gesundheitskontrolle unter stationären Bedingungen für die maximale Inkubationszeit von 17 Tagen - für Exponierte, Kontaktpersonen (Kohortenisolierung) sowie das die Erkrankten betreuende Personal. Nicht inaktiviertes Untersuchungsmaterial soll ausschließlich in Hochsicherheitslaboratorien (BSL-4) mit entsprechend geschultem und ausgebildetem Personal untersucht werden. Für den GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 128 von 205 Transport von Probenmaterial sind ebenfalls höchste Sicherheitsvorkehrungen zu treffen (z. B. bei Probengewinnung, Verpackung und Versand, Spezialtransport). Der Schutz der Einsatz- und Pflegekräfte hat eine sehr hohe Priorität für die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit dieses Personenkreises. Maßnahmen zur Verhinderung aerogen übertragbarer Infektionen sind Atemschutzmasken (FFP-Klasse 3), Handschuhe, Schutzoverall mit Kopfbedeckung, Überschuhe und Schutzbrille. Postexpositionell Eine postexpositionelle Impfung (möglichst innerhalb von 4 Tagen nach Exposition) für alle Kontaktpersonen ist notwendig. Deren Effektivität hängt vom Zeitpunkt der Impfung nach Exposition ab und sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Erkrankung kann nicht immer verhindert werden, aber die Abschwächung des Erkrankungsverlaufs ist möglich und auch die Virusausscheidung ist beim Geimpften vermindert. In Deutschland sind derzeit 100 Millionen Dosen Impfstoff verfügbar. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen (insbesondere nach absichtlicher Ausbringung der Erreger bei bioterroristischen Attacken). Die Anwendung im Rahmen eines terroristischen Angriffes ist hypothetisch möglich und als sehr gefährlich einzuschätzen. Es kann nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen werden, dass das Virus für terroristische Gruppen nicht zugänglich ist. Eine besondere Gefährdungssituation im Vergleich mit anderen Ländern besteht für Deutschland nicht. Ein Aufenthaltsverbot für kontaminierte Gebiete muss umgehend verfügt werden (sofern diese bekannt sind). Die Aufklärung des Ortes der Exposition ist von äußerster Wichtigkeit, wenn - wie zu erwarten - eine gezielte Ausbringung des Erregers nicht sofort bemerkt und das Problem erst durch das Erkennen der ersten Erkrankungsfälle bekannt wird. Wegen der nicht auszuschließenden Gefahr einer Weiterverbreitung der Pocken bzw. der Kontamination der Exponierten mit dem Erreger oder einem infektiösen Vehikel sollte von Evakuierungen oder dem Transport der Erkrankten möglichst abgesehen werden. Es sind im Gegenteil Maßnahmen zu erwägen, die eine ungeordnete Bewegung von infizierten oder kontaminierten Personen unterbinden. Die Unterbringung von bestätigten und verdächtigen Fällen in einer Sondereinrichtung mit Unterdruckisolation (Behandlungszentren) ist zu veranlassen. Eine postexpositionelle Impfung (< 4 Tage) kann den Ausbruch der Erkrankung mildern oder verhindern (siehe postexpositionelle Impfung). In Eiter und Schorf wurden lange Überlebenszeiten des Virus beschrieben. Fazit: Weltweit sind die Pocken ausgerottet. Es gibt derzeit keinen Anhalt für eine Bedrohung durch entsprechende Terrorakte, wie 2003 vermutet. National ist entsprechender Impfstoff eingelagert, Pläne zum Betrieb eines Isolierkrankenhauses, Pläne zur Durchimpfung der Bevölkerung sind für unseren Kreis vorhanden. Sollte wirklich ein ernster Verdacht auf eine Pockenerkrankung festgestellt werden, sollte der Patient nicht transportiert werden. Über die Leitstelle ist der Fachdienst zu informieren, um weitere Abklärungen vorzunehmen. Ist der Betroffene schon im Fahrzeug, verbleibt er dort. Keinesfalls erfolgt die ungenehmigte Einlieferung in eine Klinik oder sonstige Einrichtung. Oberste Priorität hat in einem solchen Verdachtsfall die Unterbrechung der Infektionskette, also weitere Kontakte / Kontaminationen verhindern. Daran denken ist alles! GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 129 von 205 Poliomyelitis (Kinderlähmung) Erreger Polioviren sind kleine, sphärische, unbehüllte RNA-Viren, die dem Genus Enterovirus und der Familie der Picornaviridae zugehörig sind. Basierend auf serologischer Typisierung werden 3 Typen von Polioviren unterschieden (I, II, III). Polioviren sind wie alle anderen Enteroviren als Voraussetzung für die Magen-Darm-Passage bei niedrigem pH-Wert (< pH 3) stabil und gegen eine Vielzahl proteolytischer Enzyme resistent. Wegen der fehlenden Lipidhülle ist das Virus resistent gegen lipidlösliche Mittel (Äther, Chloroform, Detergenzien). Vorkommen Polioviren waren weltweit verbreitet; vor Einführung der oralen Impfung war die Verbreitung auch in Mitteleuropa so ausgeprägt, dass der Kontakt mit dem Erreger meist schon im Kindesalter erfolgte (›Kinderlähmung‹). Im Jahre 1988 initiierte die WHO auf der Basis des weltweiten Einsatzes der oralen Polio-Vakzine (OPV) das Globale PoliomyelitisEradikationsprogramm, das ursprünglich die Eradikation der Poliomyelitis bis zum Jahre 2000 zum Ziel hatte. Diese Initiative wurde international akzeptiert und hat – obwohl sich das Erreichen des Zieles verzögert hat – zu beachtlichen Erfolgen geführt. Der gesamte amerikanische Kontinent ist seit 1994 und der westpazifische Raum seit dem Jahr 2000 poliofrei. In der WHO-Region Europa wurden letztmalig 1998 in der Türkei 26 endemische Polio-Erkrankungen gemeldet, seit 1999 sind keine autochthonen Polio-Erkrankungen mehr bekannt geworden und im Juni 2002 wurde auch die Europäische Region von der WHO als poliofrei zertifiziert. Die letzte in Deutschland erworbene Erkrankung an Poliomyelitis durch ein Wildvirus wurde 1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle (aus Ägypten und Indien) wurden 1992 registriert. In Zusammenhang mit der oralen Polio-Lebendimpfung kam es jedoch in Deutschland jährlich zu ein bis zwei Vakzine-assoziierten paralytischen PoliomyelitisErkrankungen. Daher wurde 1998 die Empfehlung des Einsatzes von OPV aufgehoben und stattdessen der generelle Einsatz von inaktiviertem Polio-Impfstoff durch die STIKO empfohlen, dieser Empfehlung schlossen sich die obersten Landesgesundheitsbehörden an. Endemische Erkrankungen durch Polio-Wildviren betreffen gegenwärtig nur noch wenige Länder in Afrika (Ägypten und in der Subsahara-Region Nigeria, Niger) sowie in Asien (Indien, Pakistan und Afghanistan). Nach der Einstellung der Impfprogramme in Kano/Nigeria im Jahr 2003 aufgrund von religiös bzw. politisch begründeten Gerüchten über negative Folgen der Polio-Impfung, kam es dort zu einer Polio-Epidemie und in 12 afrikanischen Ländern, in denen die Polio z.T. bereits seit mehreren Jahren nicht mehr vorgekommen war, traten Importerkrankungen auf. Auch nach Wiederaufnahme der Impfaktionen in Nigeria und anderen westafrikanischen Ländern ist noch nicht klar, ob die Situation in Afrika kurzfristig wieder unter Kontrolle gebracht werden kann. Vor der Einreise in die endemischen Gebiete sowie in Länder Westafrikas ist deshalb der Impfschutz unbedingt aufzufrischen. Reservoir Das einzige Reservoir für Polioviren ist der Mensch. Infektionsweg Das Poliovirus wird hauptsächlich fäkal-oral übertragen. Schon kurz nach Infektionsbeginn 6 9 kommt es zu massiver Virusreproduktion in den Darmepithelien, so dass 10 –10 infektiöse Viren pro Gramm Stuhl ausgeschieden werden können. Wegen der primären Virusvermehrung in den Rachenepithelien kann das Virus kurz nach Infektion auch aerogen übertragen werden. Schlechte hygienische Verhältnisse begünstigen die Ausbreitung von Poliovirus-Infektionen. Inkubationszeit Ca. 3-35 Tage Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange das Virus ausgeschieden wird. Das Poliovirus ist in Rachensekreten frühestens 36 Stunden nach einer Infektion nachweisbar und kann dort GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 130 von 205 etwa eine Woche persistieren. Die Virusausscheidung im Stuhl beginnt nach 72 Stunden und kann mehrere Wochen dauern. In Einzelfällen, z.B. bei Immuninkompetenten, kann sie auch länger dauern. Säuglinge seropositiver Mütter sind wegen des Vorhandenseins diaplazentar übertragbarer IgG-Antikörper in den ersten Lebensmonaten gegen eine Infektion geschützt. Klinische Symptomatik Die Mehrzahl der Infektionen (> 95 %) verlaufen asymptomatisch unter Ausbildung von neutralisierenden Antikörpern (stille Feiung). Manifeste Krankheitsverläufe können verschiedener Art sein: Abortive Poliomyelitis: Nach einer Inkubationsperiode von etwa 6–9 Tagen kommt es bei 4–8 % der Infizierten zu kurzzeitigen unspezifischen Symptomen wie Fieber, Übelkeit, Halsschmerzen, Myalgien und Kopfschmerzen; Zellen des ZNS sind bei dieser Form nicht von der Infektion betroffen. Infiziert das Poliovirus Zellen des ZNS, kommt es zu einer nichtparalytischen (1–2 %) oder zu einer paralytischen (0,1–1 %) Poliomyelitis: Nichtparalytische Poliomyelitis (aseptische Meningitis): Etwa 3–7 Tage nach der abortiven Poliomyelitis kommt es zu Fieber, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und Muskelspasmen. Im Liquor finden sich eine lymphozytäre Pleozytose, normale Glukosespiegel und normale oder etwas erhöhte Proteinspiegel. Paralytische Poliomyelitis: Nach einem oder mehreren Tagen kommt es bei Patienten mit nichtparalytischer Poliomyelitis neben schweren Rücken-, Nacken- und Muskelschmerzen zur schnellen oder schrittweisen Entwicklung von Paralysen. Mitunter erscheint die Erkrankung biphasisch, die Symptome der aseptische Meningitis bessern sich zunächst, aber nach etwa 2-3 Tagen kommt es zu einem Fieberanstieg und Auftreten von Paralysen. Dieser biphasische und rasche Verlauf der Erkrankung ist bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen. Die motorische Schwäche tritt üblicherweise asymmetrisch auf und kann Bein- (am häufigsten), Arm-, Bauch-, Thorax- oder Augenmuskeln betreffen. Die bulbäre Form tritt seltener auf und hat wegen der Schädigung von zerebralen bzw. vegetativen Nervenzentren eine schlechte Prognose. Postpolio-Syndrom: Jahre oder Jahrzehnte nach der Erkrankung kann es zu einer Zunahme der Paralysen mit Muskelschwund kommen. Man nimmt an, dass es infolge einer chronischen Überlastung und nachfolgenden Degeneration der ursprünglich nicht durch die Krankheit geschädigten Motoneurone zu dieser chronisch progredient verlaufenden Muskelschwäche kommt (die Axone der nicht geschädigten Motoneurone haben Verzweigungen zur Versorgung der denervierten Muskelzellen gebildet und müssen nach schweren Erkrankungen fünf- bis zehnmal so viele Muskelzellen versorgen wie bei Gesunden). Für eine persistierende Poliovirus-Infektion gibt es beim Postpolio-Syndrom keine gesicherten Hinweise. Labordiagnostik Virusnachweis: Zum Nachweis von Polioviren eignen sich am besten Stuhlproben, Rachenabstriche oder -spülwasser und bei ZNS-Manifestation Liquor. Aus dem Stuhl gelingt die Erregerisolierung in den ersten 14 Tagen der Erkrankung zu 80 %. Zur Virusisolierung werden permanente Monolayer-Zellkulturen verwendet. Methode der Wahl ist die Virusidentifizierung mittels Neutralisationstest (NT) mit Antiseren bekannter Spezifität. Die Differenzierung zwischen Wildtyp- und Impfstämmen erfolgt durch intratypische Differenzierung mit antigenen (z.B. ELISA) und molekularen Methoden (PCR, Sequenzierung). Antikörpernachweis: Zum serologischen Nachweis einer frischen Poliovirus-Infektion ist die Untersuchung eines Serumpaares (mindestens 4facher Titeranstieg im NT bei zwei Seren, die im Abstand von 7–14 Tagen gewonnen sind) notwendig. Zur Serodiagnostik sollte der NT eingesetzt werden. Therapie Da eine spezifische Therapie mit antiviralen Substanzen nicht verfügbar ist, erfolgt die Behandlung symptomatisch. Im Anschluss an die akute Behandlung sind meist längere physiotherapeutische und orthopädische Nachbehandlungen erforderlich. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 131 von 205 Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Als Polio-Impfstoff für die Routine-Impfung wird in Deutschland nur die inaktivierte PolioVakzine (IPV) empfohlen, ein zu injizierender Impfstoff, der sicher wirksam ist und keine Vakzine-assoziierte paralytische Poliomyelitis (VAPP) verursachen kann. Auch Personen mit Immunschwäche können deshalb risikolos mit IPV geimpft werden. Die Grundimmunisierung beginnt entsprechend dem Impfkalender für Säuglinge, Kinder und Jugendliche im 3. Lebensmonat und umfasst in der Regel bei der Verwendung von Kombinationsimpfstoffen mit IPV-Anteil 3 Dosen im ersten und eine weitere zu Beginn des 2. Lebensjahres. Sofern kein Kombinationsimpfstoff verwendet wird, werden 2 Impfungen im ersten bzw. drei Impfungen im ersten und zweiten Lebensjahr durchgeführt. Für Kinder und Jugendliche im Alter von 9-17 Jahren wird eine Auffrischimpfung mit einem IPV-haltigen Impfstoff empfohlen. Indikationen der Polio-Impfung bei Erwachsenen: Erwachsene mit ≥ 4 dokumentierten OPV- bzw. IPV-Impfungen im Kindes- und Jugendalter bzw. nach einer Grundimmunisierung im Erwachsenenalter gelten als vollständig immunisiert. Ungeimpfte Personen erhalten IPV entsprechend den Angaben des Herstellers. Ausstehende Impfungen der Grundimmunisierung werden mit IPV nachgeholt. Eine routinemäßige Auffrischung wird nach dem vollendeten 18. Lebensjahr nicht empfohlen. Angehörige folgender Gruppen sollten über eine aktuelle Polio-Impfimmunität verfügen (Auffrischung der Polio-Impfimmunität durch IPV, falls die letzte Impfstoffgabe länger als 10 Jahre zurückliegt, ggf. Grundimmunisierung oder Ergänzung fehlender Impfungen): Reisende in Regionen mit Infektionsrisiko (s.o.; die aktuelle epidemische Situation ist zu beachten, insbesondere die Meldungen der WHO) Aussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, bei der Einreise aus Gebieten mit Polio-Risiko Personal der oben genannten Einrichtungen Medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Erkrankten haben kann Personal in Laboratorien mit Poliomyelitis-Risiko Bei einer Poliomyelitis-Erkrankung sollten alle Kontaktpersonen unabhängig vom Impfstatus ohne Zeitverzug eine Impfung mit IPV erhalten. OPV-Impfstoff darf nur noch zur Abriegelung von eventuellen Polio-Ausbrüchen nach ausdrücklicher Anordnung durch die Gesundheitsbehörden angewandt werden. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Besteht der Verdacht auf eine Poliomyelitis, so muss eine sofortige Krankenhauseinweisung erfolgen. Polio-Verdachtsfälle sollen räumlich getrennt von anderen Patienten untergebracht werden. Konsequente Hygienemaßnahmen tragen zur Verhütung von Infektionen bei. Dazu gehören insbesondere die Vermeidung von fäkal-oralen Schmierinfektionen durch Händewaschen und -desinfektion, auch bei Kontaktpersonen. Eine Wiederzulassung zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen ist frühestens 3 Wochen nach Krankheitsbeginn und nur nach Vorliegen von 2 negativen Stuhluntersuchungen möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich. Bei Kontaktpersonen sollte so früh wie möglich eine Schutzimpfung mit IPV-Impfstoff erfolgen. Bei Kontaktpersonen mit Grundimmunisierung ist ein Ausschluss von Gemeinschaftseinrichtungen nach postexpositioneller Schutzimpfung in der Regel nicht erforderlich. Wenn es sich um eine Boosterung handelt, ist der Schutz gegen eine Erkrankung umgehend vorhanden. Eine Garantie gegen die Virusausscheidung im Darm ist mit IPV allerdings nicht erreichbar. Bei ungeimpften Kontaktpersonen ist eine Wiederzulassung 3 Wochen nach letzter Exposition und negativen virologischen Kontrolluntersuchungen möglich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Es wird dringend empfohlen, in jedem Verdachts- und Erkrankungsfall die oberste Gesundheitsbehörde des Bundeslandes und das Robert Koch-Institut zu informieren. Zur Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen können Riegelungsimpfungen mit OPV und ggf. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 132 von 205 weitere seuchenhygienische und diagnostische Maßnahmen durch die Gesundheitsbehörden angeordnet werden. Meldepflicht Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Poliomyelitis (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung einer Extremität, außer wenn traumatisch bedingt), sowie gemäß § 7 der direkte oder indirekte Nachweis von Poliovirus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2004 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 133 von 205 Q - Fieber Erreger Erreger des Q-Fiebers (Query fever) ist Coxiella (C.) burnetii, ein kleines, unbewegliches, polymorphes, gramnegatives Bakterium. Taxonomisch werden die Coxiellae in die Familie der Rickettsiaceae mit einem eigenen Genus eingeordnet. Neuere molekularbiologische Untersuchungen zeigen eine enge Verwandtschaft mit Legionellen. C. burnetii vermehrt sich nur intrazellulär in eukaryotischen Zellen. Der Erreger kann in zwei antigenen Formen existieren: Phase I und Phase II. Bei Menschen und Tieren existieren die Organismen in Form von Phase I, die sehr infektiös ist. Wenn C. burnetii in Zellkulturen oder befruchtete Hühnereier überführt wird, unterliegen die Liposaccharide einem Wandel, der einen antigenen Wechsel (Phasenvariation) von Phase I in Phase II bewirkt, die deutlich weniger virulent ist. C. burnetii weist eine relativ hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen auf. Die Fähigkeit, Dauerformen zu bilden, und die hohe Resistenz gegenüber Austrocknung ermöglichen es, außerhalb von Zellen in Staub, auf Heu, Wolle usw. jahrelang zu überleben. Vorkommen Q-Fieber ist eine mit Ausnahme von Neuseeland und der Antarktis weltweit verbreitete Zoonose. Gefährdet sind insbesondere Personen, die engen Umgang mit Tieren haben, z.B. Schlachter, Tierfellverarbeiter, Tierhalter und veterinärmedizinisches Personal. Es besteht auch eine Gefährdung für Laborpersonal, die durch Laborinfektionen belegt ist. Q-FieberKleinraumepidemien treten vor allem in ländlichen Gebieten oder Randlagen der Städte auf. Durch die Möglichkeit einer Übertragung auf dem Luftweg über weite Distanzen (s. Infektionsweg) kann bei Ausbrüchen in Tierpopulationen auch die Bevölkerung in der Umgebung gefährdet sein. Die in Deutschland gemeldeten Erkrankungen haben – speziell seit 1995 – zugenommen. In den Jahren 2001 und 2002 wurden insgesamt 293 bzw. 191 Fälle von Q-Fieber an das RKI übermittelt (0,36 bzw. 0,23 Erkr. pro 100.000 Einw.), 76% bzw. 41% der gemeldeten Fälle traten im Rahmen von Häufungen auf. Reservoir Das epizootologisch bzw. epidemiologisch relevante Reservoir stellen infizierte Paarhufer (Rinder, Schafe, Ziegen) dar, darüber hinaus können auch Katzen, Hunde, Kaninchen und Wildtiere (Rehe, Füchse etc.) sowie Vögel Reservoirwirte sein. C.burnetii konnte häufig auch aus Arthropoden, Läusen, Milben, Fliegen sowie über 40 Zeckenspezies isoliert werden; letztere sind zugleich Reservoir und wichtige Vektoren. Infektionsweg C. burnetii wird hauptsächlich durch Inhalation infektiösen Staubes oder durch direkten Kontakt zu infizierten Tieren übertragen. Die infizierten Tiere sind meist nur subklinisch erkrankt. Während einer Gravidität wird die Infektion reaktiviert, vor allem die Gebärmutter und die Mammae können den Erreger beherbergen. Daher sind besonders Geburtsprodukte sowie die damit kontaminierten Neugeborenen für den Menschen potenziell hoch infektiös. Menschliche Infektionen durch Inhalation von Staub, der C. burnetii enthält, wurden bis zu 2 km entfernt von infizierten Tierherden verzeichnet. Bei der indirekten Übertragung über längere Strecken spielt auch kontaminierte Kleidung eine Rolle. Zecken (in Deutschland gewöhnlich Dermacentor marginatus) spielen durch Übertragungsvorgänge zwischen Haus- und Wildtieren eine wichtige Rolle im Infektionszyklus. Für die direkte Infektion des Menschen sind sie jedoch nicht bedeutsam. – Das Verarbeiten von Fleisch- oder anderen tierischen Produkten kann durch direkten Kontakt ebenfalls zu Infektionen führen. Eine Übertragung durch Nahrungsmittel (Rohmilch, Rohkäse) ist möglich, spielt im Infektionsgeschehen aber eine eher untergeordnete Rolle. Eine horizontale MenschzuMensch-Übertragung von Q-Fieber wurde nur selten beschrieben, z.B. bei Kontakt mit infizierten gebärenden Frauen, nach Bluttransfusionen oder Knochenmarktransplantationen oder bei einer Autopsie. Da C. burnetii sich auch in der menschlichen Plazenta vermehrt, kann es zur vertikalen Übertragung auf den Feten kommen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 134 von 205 Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2 bis 3 Wochen; sie ist abhängig von der Infektionsdosis und verkürzt sich bei massiver Exposition. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Übertragung von einem Menschen mit einer floriden C.-burnetii-Infektion auf einen anderen Menschen ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (s. unter Infektionsweg). Klinische Symptomatik Ca. 50 % aller Infektionen verlaufen asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen Symptomen und heilen spontan in 1 bis 2 Wochen aus. Die akute Infektion beginnt meist mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und ausgeprägten Stirnkopfschmerzen. Im weiteren Verlauf kann eine interstitielle Pneumonie oder eine Hepatitis auftreten. Seltener kommt es zur Myokarditis bzw. Perikarditis oder zur Meningoenzephalitis. Bei Infektionen oder reaktivierten Erkrankungen in der Schwangerschaft kann es zum Abort oder zur Frühgeburt kommen. Das Risiko für einen Abort scheint bei einer Primärinfektion im 1. Trimenon besonders hoch zu sein: Im Rahmen einer französischen Studie wurde eine kleine Gruppe von sieben schwangeren Frauen nachverfolgt, die während des 1. Trimenons an Q-Fieber erkrankten. Bei allen kam es danach zum Abort. In etwa 1 % aller Infektionen entsteht eine chronische Infektion. Der Erreger kann in vielen Organen persistieren. Die häufigste Organmanifestation ist die Q-Fieber-Endokarditis, die aber fast nur bei vorbestehender Herzklappenerkrankung oder bei Immunsuppression entsteht. Das Risiko der Entwicklung einer Q-Fieber-Endokarditis bei vorbestehendem Vitium oder Herzklappenprothese wird auf 39% geschätzt. Eine Endokarditis kann 6 Monate bis zu 10 Jahre und länger nach der Primärinfektion entstehen. In seltenen Fällen kann es zu chronischen Knochen-, Lungen- und Leber-Infektionen kommen. Besonders auch Primärinfektionen während der Schwangerschaft können zu chronischen Infektionen führen. Die Erkrankung hinterlässt eine lang andauernde sowohl zelluläre als auch humorale Immunität; dennoch kann der Erreger unter Umständen in Makrophagen überleben. Dies erklärt auch, warum es zu einer Reaktivierung der Krankheit kommen kann, z.B. während der Schwangerschaft oder bei Immunsuppression. Diagnostik Bei Verdacht auf Q-Fieber ist ein gezieltes Erheben der Anamnese wichtig. Bei sporadischen Erkrankungsfällen ist es oft nicht einfach, die Diagnose zu stellen. Bei Fieber unklarer Genese gehört Q-Fieber in die Differentialdiagnose. Eine klinische oder klinisch-epidemiologische Verdachtsdiagnose kann durch serodiagnostische Verfahren mittels Nachweis von Antikörpern (gegen Coxiellen-Ag Phase II sowie gegen Phase I) auch labordiagnostisch gesichert werden. Therapie Mittel der Wahl bei akutem Q-Fieber ist die Gabe von Doxycyclin über einen Zeitraum von 2 bis 3 Wochen (Leberwerte besonders beachten!). Die Behandlung kann in speziellen Fällen mit Clarithromycin oder einem Fluorochinolon der Gruppe 3 oder 4 kombiniert werden. Bei Meningoenzephalitis kommen alternativ Chinolone oder Chloramphenicol in Betracht. Die Behandlung der chronischen Infektion ist schwierig und sollte von erfahrenen Infektiologen durchgeführt werden. Sie erfolgt durch eine mindestens einjährige Kombinationstherapie, meist mit Doxycyclin und einem Chinolon (vorzugsweise der Gruppe 3 oder 4) oder ggf. Rifampicin. Günstige Ergebnisse wurden auch mit einer Kombination von Doxycyclin und Chloroquin beschrieben. Hinweise zur Therapie von Risikopersonen Wegen des hohen Risikos für Sekundär- bzw. Folgeerkrankungen sollten Risikopersonen (Schwangere, Personen mit Herzvitien oder Herzklappenprothesen) mit labordiagnostisch nachgewiesenen akuten QFieber-Infektionen für eine langfristig vorbeugende Therapie in Betracht gezogen werden. Dabei sind im Einzelfall mögliche unerwünschte Wirkungen der Therapie gegen das hohe Risiko des Abortes bzw. der Endokarditis abzuwägen. Bei einem Laborergebnis, das auf eine akute Infektion hinweist (vgl. Falldefinition), und sich der Arzt für eine prophylaktische Therapie entscheidet, sollte wie folgt vorgegangen werden: GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 135 von 205 Patienten mit Herzklappenanomalien: Doxycyclin 200 mg pro Tag Hydroxychloroquin 600 mg pro Tag (angestrebte Plasmakonzentration: 0,8–1,2 mg/l), beide Medikamente für die Dauer von 12 Monaten. Die Patienten sollten auf die Gefahr der Entwicklung einer Photosensibilisierung durch Doxycyclin und mögliche Schutzmaßnahmen hingewiesen werden. Die HydroxychloroquinPlasmaspiegel sollten alle 3 Monate kontrolliert werden. Alle 3 bis 6 Monate sollte eine ophthalmologische Kontrolle erfolgen, um retinale Ablagerungen von Hydroxychloroquin frühzeitig zu entdecken. Schwangere: Trimethoprim-Sulfamethoxazol (160/800 mg) 2 Kapseln pro Tag, für die Dauer der Schwangerschaft. (Auf die Entwicklung einer megaloblastären Anämie sollte geachtet werden!) Nach Beendigung der Schwangerschaft sollten die Frauen auf eine chronische Infektion getestet werden. Bei Vorliegen einer chronischen Infektion anschließende Behandlung mit Doxycyclin und Hydroxychloroquin, wie bei Patienten mit Herzklappenanomalien, d.h. für die Dauer eines Jahres. Frauen mit akuter Q-Fieber-Infektion wird vom Stillen abgeraten, unabhängig, ob sie prophylaktisch behandelt wurden oder nicht, da C. burnetii in die Muttermilch übertreten kann und Trimethoprim- Sulfamethoxazol als bakteriostatisch wirksames Antibiotikum möglicherweise die Ausscheidung von Bakterien in die Muttermilch nicht vollständig verhindern kann. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Voraussetzung für die Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung dieser Infektion beim Menschen ist das rechtzeitige Erkennen von Infektionen bei Nutztieren. Eine erfolgreiche Prävention muss direkte Kontakte zu infizierten Tieren oder von ihnen ausgehende Kontaminationen ausschließen. Obwohl ein großer Teil der präventiven Maßnahmen im Verantwortungsbereich der Veterinärmedizin liegt, werden wichtige Maßnahmen und Grundsätze im Interesse eines guten gegenseitigen Verständnisses und der gegenseitigen Unterstützung hier mit aufgeführt. Einige wichtige – auf Praxiserfahrungen beruhende – Empfehlungen zur Bekämpfung von QFieber- Ausbrüchen sind: Die Kontamination der Umgebung mit Geburtsprodukten von infizierten Tieren sollte minimiert werden, um eine Luftübertragung der hoch infektiösen Materialien zu verhindern. Das Ablammen oder -kalben sollte in ausreichender Entfernung von der Wohnbebauung, in geschlossenen Ställen und möglichst in getrennten Boxen stattfinden. Die Muttertiere und die neu geborenen Lämmer dürfen frühestens 14 Tage nach der Geburt aus den Ställen gebracht werden. Die Nachgeburten und Totgeburten sollten in geschlossenen, flüssigkeitsundurchlässigen Behältnissen gesammelt und durch Tierkörperbeseitigungsanstalten entsorgt werden. Nach Abholung der Tierkörperteile durch die Tierkörperbeseitigungsanstalt ist der Behälter unverzüglich zu reinigen und mit einem DVG-geprüften Desinfektionsmittel auf Aldehydbasis (mindestens 5%ige Lösung) zu desinfizieren. Keine Tiere im letzten Trächtigkeitsdrittel ausstellen Vorherige zeckenwirksame Ektoparasitenbehandlung der auszustellenden Tiere Nur zeckenfreie, saubere Schafe (frei von Zeckenkot) ausstellen In "Streichel-Zoos" sollten die dort gehaltenen Schafe wegen des engen Kontakts jährlich serologisch auf AK gegen C. burnetii untersucht werden. Tiere, die auf Ausstellungen oder durch Besuchergruppen zu einem erhöhten Maß direkten Kontakt zur Allgemeinbevölkerung haben, sollten vorher serologisch auf C. burnetii getestet werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 136 von 205 Neuere Studien haben gezeigt, dass die Erhitzung von lediglich gelagertem, gestapeltem oder gepacktem Festmist oftmals nicht ausreichend hoch ist, um Krankheitserreger zu inaktivieren. Daher wird zur Abtötung von Keimen in Festmist generell das Aufsetzen von Düngerpackungen unter der Verwendung von Branntkalk empfohlen. Da C. burnetii durch das Bilden von Sporen-ähnlicher Formen besonders hitzeresistent ist, ist davon auszugehen, dass Düngerpackungen ohne Branntkalk eine Abtötung dieses Keimes tatsächlich nicht gewährleisten. Obwohl Untersuchungen zu verschiedenen thermischen Desinfektionsverfahren speziell für C. burnetii bislang nicht durchgeführt wurden, lassen entsprechende Untersuchungen zur Abtötung von Salmonella senftenberg (ein Keim der hitzeresistenter ist als C. burnetii) in Festmist jedoch schlussfolgern, dass die Abtötung von C. burnetii mittels Erstellung einer Düngerpackung durch das Hinzugeben von Branntkalk sowie das Abdecken der Miete mit stabiler Silofolie gewährleistet werden kann. Nach 5 Wochen kann die Düngerpackung umgesetzt werden und auf unbestelltes Ackerland aufgebracht und sofort untergepflügt werden. Wenn die Möglichkeit des Unterpflügens nicht gegeben ist, muss die Düngerpackung nach dem ersten Umsetzen weitere 10 Wochen gelagert werden. Eine Anleitung zum Aufbau einer Düngerpackung mit Branntkalk befindet sich in sowie in der Richtlinie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über Mittel und Verfahren für die Durchführung der Desinfektion bei anzeigepflichtigen Tierseuchen (331/322-3602-19/1 Stand Februar 1997). Die Stallungen sollten desinfiziert werden (10–20%ige Chlorkalklösung, 1%ige LysolLösung oder 5%ige Wasserstoffsuperoxid-Lösung). Die Exposition gegenüber infektiösem Staub aus dem Schaffell (getrockneter Zeckenkot) kann durch Scheren minimiert werden. Das Scheren der Schafe sollte möglichst nur außerhalb von Wohngebieten und immer in geschlossenen Räumen erfolgen. Die Personen, die sich bei diesen Arbeiten in den Ställen aufhalten, müssen dabei eine Schutzmaske gegen Staub tragen. Die Wolle muss bis zum Abtransport in geschlossenen Räumen gelagert werden. Schafherden sollten nicht näher als 500 m an die Wohn- oder Industriebebauung herangeführt werden. Eine Akarizidbehandlung (Zeckenbad) der Schafe stellt eine prophylaktische Maßnahme dar und ist i.d.R. nicht geeignet, die aktuelle Situation zu beeinflussen; sie ist in folgenden Situationen einzusetzen: vor der Zeckenbefallssaison in Herden, von denen mutmaßlich eine Infektion ausging, vor der Zeckenbefallssaison bei Herden in den bekannten DermacentorBiotopen. In Gebieten mit einer Zunahme der Q-Fieber-Erkrankungen sollte eine systematische Erfassung der Durchseuchung der Tierherden angestrebt werden. In Gebieten mit einer Zunahme der Q-Fieber-Erkrankungen ist die systematische Untersuchung von Nachgeburten bzw. Totgeburten bei Schafherden beziehungsweise Rinderherden zu empfehlen. Eine Impfung sowohl für beruflich exponiertes Personal (z.B. Veterinäre, Labor- und Schlachthofarbeiter) als auch für Tiere steht in einigen Ländern zur Verfügung, ist in Deutschland jedoch nicht zugelassen. Eine Pasteurisierung zerstört die Erreger zuverlässig. – Tätigkeiten, die mit einem erhöhten QFieber-Risiko einhergehen, sind das Halten von Schafen oder Rindern, das Schlachten, die Milch- und Fleischverarbeitung und Tätigkeiten in der Veterinärmedizin. Personen, die in diesen Bereichen tätig sind, sollten auf C.-burnetii-Antikörper untersucht werden. Seronegativen Personen, die Umgang mit infizierten Beständen haben, wird empfohlen, bei Tätigkeiten mit erhöhter Infektionsgefahr (z.B. Reinigungsarbeiten) Schutzkleidung, insbesondere eine Schutzmaske zu tragen. An die Dekontamination der Schutzkleidung und deren strikter Trennung von der Alltagskleidung ist zu denken. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 137 von 205 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine Isolierung von Patienten ist in der Regel nicht erforderlich. Es besteht jedoch eine Infektionsgefahr für das geburtshilfliche Personal, wenn die Gebärende infiziert ist. Hier ist die strikte Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen sowie spezieller Schutzmaßnahmen (Schutzkittel; Handschuhe/Händedesinfektion; Mund-Nasen-Schutz; gesonderte Behandlung der Wäsche, sorgfältige Desinfektionsmaßnahmen erforderlich, um eine Infektionsgefährdung während der Geburt und des Wochenbettes zu vermeiden (s.a. Epid Bull 49/97). Bei anderen Kontaktpersonen entfallen spezielle Maßnahmen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Mit Ausbrüchen ist auf Höfen mit Tierhaltung, insbesondere bei der Haltung von Schafherden, zu rechnen. Auch in Tierkliniken und Forschungseinrichtungen, in denen Schafe gehalten werden, kam es verschiedentlich zu Ausbrüchen. Durch konsequentes Einhalten der o.g. Hygiene- und Verhaltensregeln kann die Zahl der Erkrankungsfälle wirksam reduziert werden. Meldepflicht Nach § 7 (1) IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis von C. burnetii meldepflichtig, sofern der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Anmerkung: Nicht meldepflichtig ist der Krankheitsverdacht, definiert als klinisches Bild vereinbar mit Q-Fieber ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne Nachweis eines epidemiologischen Zusammenhangs. nach RKI, Stand: 23.06.2008 Fazit: Q-Fieber kommt immer wieder, auch in unseren Nachbarlandkreisen vor. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 138 von 205 Rotaviren Erreger Rotaviren gehören zur Familie Reoviridae. Es handelt sich um nichtumhüllte Viruspartikel (Durchmesser etwa 75 nm), die strukturell dreischichtig sind (äußeres und inneres Kapsid und Core-Schale). In der Core-Schale liegt das aus 11 diskreten Segmenten einer doppelsträngigen RNA bestehende virale Genom. Diese Segmentierung kann bei Doppelinfektionen über einen Segmentaustausch (Reassortment) zu neuen Rotavirusvarianten führen. Man unterscheidet 7 Serogruppen (A–G). Rotaviren der Gruppe A kommt weltweit die größte epidemiologische Bedeutung zu. Die Antigenität des Virus wird von zwei Oberflächenproteinen (VP4 und VP7) bestimmt, anhand derer auch die Einteilung der Viren einer Serogruppe in unterschiedliche Serotypen (Genotypen) nach einem binären System erfolgt. Man unterscheidet 14 VP7-Typen ("G-") und 20 VP4-Typen ("P-"). Der größte Anteil der Rotaviruserkrankungen in Deutschland wird durch Rotaviren des Typs G1P[8], gefolgt von G9P[8] verursacht. Rotaviren sind umweltresistent. Vorkommen Rotaviren sind die häufigste Ursache viraler Darminfektionen bei Kindern. In den westlichen Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu 2 Jahren. Dies basiert auf einer besonders hohen Empfänglichkeit aufgrund noch fehlender Immunität (im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit dem Erreger rasch zunehmend Antikörper gebildet). Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind Rotaviren die Hauptursache für nosokomiale Darminfektionen. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den Monaten Februar bis April am höchsten. Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen – meist milder verlaufend – vor allem als Reisediarrhoe, bei Eltern erkrankter Kinder oder im Rahmen von Ausbrüchen in Altenheimen in Erscheinung. Bei Personen über 60 Jahren nimmt die Erkrankungshäufigkeit zu. Nach den Meldedaten des RKI müssen 35% der gemeldeten Rotavirus-Infizierten in dieser Altersgruppe im Krankenhaus behandelt werden. Mit Inkrafttreten des IfSG wurde im Januar 2001 in Deutschland eine Meldepflicht für Rotavirusinfektionen eingeführt. Im Jahr 2006 wurden 67.016 Erkrankungsfälle übermittelt. 70% dieser Erkrankungen (47.092) betrafen Kinder im Alter bis zu 5 Jahren. Von diesen Kindern benötigten 21.936 (47%) eine Krankenhausbehandlung. 12% der Erkrankungen (7.878) traten bei Personen über 60 Jahre auf. Es ist zu beachten, dass Rotaviruserkrankungen, die im stationären Bereich diagnostiziert wurden, sicher in den Meldedaten des RKI überrepräsentiert sind, da eine Stuhldiagnostik in der alltäglichen Routine nur bei schwer verlaufenden Erkrankungen oder bei Erkrankungshäufungen durchgeführt wird. In Entwicklungsländern haben Rotaviruserkrankungen eine besondere Bedeutung, weil sie maßgeblich zur Mortalität im Kindesalter beitragen. Es wird geschätzt, dass in Afrika, Asien und Lateinamerika jährlich über 100 Millionen Kinder erkranken und etwa 600.000 bis zu einer Million Kinder durch Rotavirusinfektionen sterben. Reservoir Hauptreservoir für Rotaviren ist der Mensch. Rotaviren sind auch bei Haus- und Nutztieren gefunden worden, doch besitzen die hier vorkommenden Viren wahrscheinlich eine geringe Bedeutung für Erkrankungen von Menschen. Infektionsweg Rotaviren werden fäkal-oral besonders durch Schmierinfektion, aber auch durch kontaminiertes Wasser und Lebensmittel übertragen. Das Virus ist sehr leicht übertragbar; bereits 10 9 11 Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 10 –10 Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Subklinisch Erkrankte (vor allem Neugeborene und Erwachsene) sind als Überträger des Virus wichtig. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 3 Tage. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 139 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während des akuten Krankheitsstadiums und solange das Virus mit dem Stuhl ausgeschieden wird. In der Regel erfolgt eine Virusausscheidung nicht länger als 8 Tage, in Einzelfällen (z.B. Frühgeborene, Immundefiziente) wurden jedoch auch wesentlich längere Virusausscheidungen beobachtet. Klinische Symptomatik Zur Pathogenese: Das Virus vermehrt sich in den differenzierten Epithelzellen an den Spitzen der Dünndarmzotten. Nekrose und Abstoßung der oberen Zellschicht führen dabei zur Malabsorption, die anschließende reaktive Hyperplasie wird von einer verstärkten Sekretion begleitet. Die Symptomatik der Rotavirusinfektionen reicht von subklinischen Infektionen über leichte Diarrhoen bis zu schweren Erkrankungen. Die Erkrankung beginnt akut mit wässrigen Durchfällen und Erbrechen. Im Stuhl findet man oft Schleimbeimengungen. Fieber und abdominelle Schmerzen können auftreten. Die Rotavirus-bedingte Enteritis kann klinisch nicht von anderen infektionsbedingten Gastroenteritiden unterschieden werden. Sie verläuft bei Säuglingen und Kleinkindern durchschnittlich schwerer als Durchfallerkrankungen durch andere Erreger. Die gastrointestinalen Symptome bestehen in der Regel 2 bis 6 Tage. In mehr als der Hälfte der Fälle sind unspezifische respiratorische Symptome zu beobachten. Kompliziert sind die Erkrankungen, in deren Verlauf es zur Dehydratation kommt. Diese kann, wenn nicht rechtzeitig adäquat behandelt wird, zur Todesursache werden. Nach Ablauf der Infektion lässt sich eine im Wesentlichen serotypspezifische, humorale Immunität nachweisen, die jedoch nicht dauerhaft ist. Diagnostik Die labordiagnostische Methode der Wahl ist der Nachweis eines gruppenspezifischen Antigens des inneren Kapsids aus dem Stuhl mit dem „Enzym-Immun-Test“ (EIA). Der direkte Virusnachweis mittels Elektronenmikroskopie ist leicht möglich, wird aber wegen des hohen Aufwandes nur selten durchgeführt (ein Vorteil dieses Verfahrens ist die breite virale Differenzialdiagnostik). Die Virusanzucht ist schwierig und daher keine Routinemethode. Infektketten können am besten durch molekularbiologische Untersuchungsverfahren (RTPCRReverse Transkription-Polymerasekettenreaktion und Sequenzierung des Amplifikats) rekonstruiert werden. Aussagekräftige serologische Standardtests existieren nicht. Therapie In der Regel ist eine orale Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ausreichend. Die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ergibt sich, wenn eine intravenöse Flüssigkeitszufuhr erforderlich ist. Eine antivirale Therapie existiert nicht. Antibiotika und Mittel, die die Darmmotilität hemmen, sind nicht indiziert. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Seit Februar bzw. Juni 2006 stehen in Deutschland zwei Lebendimpfstoffe gegen Rotaviren zur Verfügung. Derzeit wird die Impfung gegen Rotaviren im Säuglingsalter von der Ständigen Impfkommission (STIKO) nicht empfohlen. Bei der Bewertung der Impfung gegen Rotaviren im Säuglingsalter spielte eine Rolle, dass sich die Krankheitslast von Rotaviruserkrankungen in Deutschland aus der Häufigkeit der Erkrankung und der Anzahl der Hospitalisierungen, jedoch nicht aus der Schwere der Erkrankung (bleibende Schädigung oder Todesfälle) ergibt. Die STIKO hat aber in einer "Frage und Antwort" (FAQ) betont, dass die Impfung junger Säuglinge entsprechend einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung sinnvoll sein kann. Die Wirksamkeit (Effektivität) beider Rotavirusimpfstoffe ist hoch. In den Zulassungsstudien (> 130.000 Studienteilnehmer) konnte für die Verhinderung einer schweren Rotaviruserkrankung eine Effektivität von 96–98 % nachgewiesen werden. Zudem weisen die Impfstoffe geringe unerwünschte Wirkungen auf. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 140 von 205 Beide Impfstoffe werden – je nach Impfstoff in 2 bzw. 3 Dosen – oral verabreicht. Die erste Gabe des Impfstoffs erfolgt ab der 6. Lebenswoche, die letzte Dosis sollte entsprechend des zugelassenen Impfschemas vor Vollendung der 24. bzw. 26. Lebenswoche verabreicht werden. Der eng umschriebene Zeitraum für eine Immunisierung gegen Rotaviren soll die Gefahr einer Invagination (Darmeinstülpung) minimieren. Invaginationen wurden im Zusammenhang mit der Gabe eines Rotavirusimpfstoffs beschrieben, der 1998 in den USA zugelassen war und nach wenigen Monaten wegen der vermehrt beobachteten Invaginationen wieder vom Markt genommen wurde. In den Zulassungsstudien der aktuell in Deutschland zugelassenen Rotavirusimpfstoffe konnte wissenschaftlich valide gezeigt werden, dass das Risiko einer Invagination nach zulassungskonformer Gabe der Impfstoffe im ersten Lebenshalbjahr nicht erhöht ist. Derzeit wird davon ausgegangen, dass nach einer Grundimmunisierung ein Schutz gegen Rotavirusinfektionen für eine Dauer von 2–3 Saisons besteht. Bei älteren Kindern und bei Erwachsenen stehen weiterhin ergänzende präventive Maßnahmen im Vordergrund. Die Ausbreitung von Rotavirusinfektionen in Kinderkliniken, Kindergärten und ähnlichen Einrichtungen kann dabei nur durch das strikte Befolgen konsequenter Hygienevorschriften verhindert werden. Ziel ist es, den fäkal-oralen Übertragungsweg zu unterbrechen. Die Händehygiene muss besonders beachtet werden! Praxiserfahrungen zeigen, dass Folgeinfektionen u.U. nur sehr schwer zu verhindern sind. Das Virus bleibt auf kontaminierten Oberflächen oder Händen lange infektionstüchtig. Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit geeignet (siehe Liste der vom RKI geprüften Desinfektionsmittel und -verfahren gemäß § 18 IfSG). 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen (siehe auch Punkt 3) Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege sind, insbesondere in der symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten: Absonderung der erkrankten Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von Handschuhen und Schutzkittel zur Vermeidung einer Infektion, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion von patientennahen Flächen und häufigen Handkontaktflächen (z.B. Türgriffe) sowie Toiletten und Waschbecken. Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit gemäß Herstellerangaben in entsprechender Konzentration und Einwirkzeit (www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Desinfektion) geeignet. Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Die Einrichtung sollte erst 48 Stunden nach dem Abklingen der klinischen Symptome wieder besucht werden. Allerdings sollte auch dann noch verstärkt Wert auf die Hygiene gelegt werden. Ebenso dürfen erkrankte Personen nicht in Lebensmittelberufen (definiert in § 42 IfSG) tätig sein. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte frühestens 2 Tage nach dem Abklingen der klinischen Symptome erfolgen. In den folgenden 4 bis 6 Wochen ist die Händehygiene am Arbeitsplatz besonders sorgfältig zu beachten. Bei Wiederauftreten der Symptomatik wird eine erneute Freistellung erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Beim Auftreten von Rotaviruserkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen oder Altenheimen bildet die rasche klinische Abgrenzung auftretender Rotavirusinfektionen von anderen, z.B. durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, die Grundlage einer effektiven Ausbruchsprävention. Wenn die typische Symptomatik und die epidemiologischen Merkmale auf eine Rotavirusinfektion hindeuten, sollten aufgrund der epidemischen Potenz präventive Maßnahmen rasch und konsequent ergriffen werden, auch ohne die Bestätigung durch virologische Untersuchungen abzuwarten. Es empfiehlt sich, dass erkrankte Personen während der symptomatischen Phase keine betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben sollten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 141 von 205 Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen sind: Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; ggf. Kohortenisolierung; Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel (s. auch Punkt 2) und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen und Schutzkittel; Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor Verlassen des Isolationszimmers; tägliche (in Sanitärbereichen ggf. häufigere) Wischdesinfektion aller patientennahen Kontaktflächen inkl. Türgriffen mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder Aldehyde bevorzugt werden); kontaminierte Flächen (z.B. mit Stuhl) sofort gezielt desinfizierend reinigen; Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren; Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack transportieren und in einem (chemo-thermischen) Waschverfahren ≥ 60°C reinigen; Geschirr (in der Regel) wie üblich maschinell reinigen; Kontaktpersonen (z.B. Besucher, Familie) auf die mögliche Mensch-zu-MenschÜbertragung durch Kontakt hinweisen und in der korrekten Händedesinfektion unterweisen; Minimierung der Patientenund Bewohnerbewegung zwischen den Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu verhindern (Hinweis auf die Infektionsgefahr bei notwendiger Verlegung eines Erkrankten auf eine andere Station); strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die aufnehmende Institution ist vorab zu informieren. Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Rotavirusausbruches für Neuaufnahmen von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder geöffnet werden. Bei größeren Ausbrüchen ist es nicht notwendig, bei allen Betroffenen eine Diagnostik durchzuführen. In diesen Fällen genügt der Nachweis in der Regel bei maximal 5 der betroffenen Personen, um dann bei den anderen Erkrankten aus der gleichen Umgebung mit ähnlichen Symptomen ebenfalls eine Rotavirusinfektion zu diagnostizieren. Wichtig ist darauf hinzuweisen, dass hygienische Maßnahmen auch nach Sistieren der akuten Symptomatik von ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Erregernachweis im Stuhl kann noch über längere Zeit nach Abklingen der Symptomatik positiv sein. Auf eine sorgfältige Händehygiene muss daher im Folgezeitraum geachtet werden. Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei geringen gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst frühestens 2 Tage nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorgfältiger Beachtung der Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der Virusausscheidung ist nicht angezeigt. Meldepflicht Nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist der direkte Nachweis von Rotaviren aus dem Stuhl meldepflichtig, sofern der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist. Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2. IfSG sind Krankheitsverdacht und Erkrankung meldepflichtig, wenn die erkrankte Person eine Tätigkeit im Sinne des § 42 ausübt oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist. Modifiziert nach RKI, Stand: 29.06.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 142 von 205 Röteln Erreger Das Rötelnvirus ist ein genetisch stabiles RNA-Virus, das in der Familie der Togaviridae dem Genus Rubivirus zugeordnet wird. Das sphärische Viruspartikel (50–70 nm) besteht aus der Lipidhülle mit den Glykoproteinen E1 und E2 und einem isometrischen Nukleokapsid aus Coreprotein, das die Einzelstrang-RNA positiver Polarität umgibt. Das Strukturprotein E1 besitzt Hämagglutininfunktion und ist deshalb einerseits für die Infektion der Wirtszellen, andererseits für die Diagnostik von großer Bedeutung. Es bildet im reifen Virion Heterodimere mit E2 und ist in dieser Konfiguration Ziel neutralisierender und hämagglutinationshemmender Antikörper. Es existiert nur ein Serotyp. Obwohl es strukturelle Verwandtschaft zu den von Arthropoden übertragenen Alphaviren der Familie der Togaviren gibt, sind keine Kreuzreaktionen zu diesen Viren nachgewiesen. Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche Wirt für das Rötelnvirus. Vorkommen Das Rötelnvirus ist weltweit endemisch verbreitet. In Populationen, in denen nicht geimpft wird, erfolgen 80–90 % der Infektionen im Kindesalter.In gemäßigten Klimazonen wird im Frühjahr die höchste Erkrankungshäufigkeit beobachtet. In Deutschland (BRD) wurde 1974 die Rötelnimpfung eingeführt. Sie wird seit 1980 als Kombinationsimpfung (mit Masern und Mumps) empfohlen. In der DDR war die Rötelnimpfung nicht allgemein verfügbar. Seit 1990 wird auch in den neuen Bundesländern die MMR-Impfung angewendet. Wie in Westdeutschland hat sie im Vergleich zur Vorimpfära zu einem deutlichen Rückgang der Rötelnmorbidität geführt. Zur Immunitätslage in Deutschland liegen Seroprävalenzstudien aus den Jahren 1990 bis 1998 vor: Selektive Impfungen von jungen Mädchen und Frauen ab dem 13. Lebensjahr haben in der weiblichen Bevölkerung erreicht, dass die bei der natürlichen Durchseuchung noch bestehenden Immunitätslücken im jungen Erwachsenenalter zunehmend besser geschlossen wurden. 1998 waren bei den 18- bis 30-jährigen Frauen nur bei 0,8–3 % keine Antikörper gegen Rötelnvirus nachzuweisen; das sind allerdings immer noch 52.000 bis 194.000 junge Frauen (bei den Männern gleichen Alters waren 5–13 % seronegativ). So kommt es trotz der allgemein verfügbaren Impfprophylaxe in Deutschland immer noch zu konnatalen Rötelnerkrankungen. Im Jahr 1999 wurden vier, im Jahr 2000 fünf Fälle gemeldet; es gibt allerdings Hinweise auf eine erhebliche Untererfassung. Auf der Basis von Laborbefunden (G. Enders, Stuttgart) wird geschätzt, dass die Zahl der Erkrankungen möglicherweise um den Faktor 10 höher liegt. Nach Einführung der Meldepflicht von konnatalen Rötelninfektionen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Jahre 2001 wurden in den Jahren 2001 und 2002 je eine Rötelnembryopathie gemeldet. Im Vergleich zu Ländern wie Finnland, Schweden oder den USA, die der Elimination der konnatalen Röteln nahe sind, besteht in Deutschland im Kindes- und Jugendalter gegenwärtig noch ein erhebliches Potenzial von Empfänglichen. Die endemische Viruszirkulation hält an und gefährdet die Frauen in der Frühschwangerschaft, die Hauptzielgruppe der Rötelnprophylaxe. Erst wenn Impfraten von über 90 % der Kleinkinder im Laufe des 2. Lebensjahres erreicht werden, können auch in Deutschland die konnatalen Röteln ausgerottet werden. Die WHO hat das Ziel formuliert, das kongenitale Rötelnsyndrom (CRS) in Europa bis zum Jahre 2010 zu eliminieren. Reservoir Der einzige natürliche Wirt ist der Mensch. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt aerogen durch Tröpfcheninfektion. Das Virus dringt in die Schleimhaut des oberen Respirationstraktes ein, vermehrt sich vornehmlich im lymphatischen Gewebe und führt zu einer ausgeprägten Virämie mit der Möglichkeit der diaplazentaren Übertragung in der Schwangerschaft. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt 14–21 Tage. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 143 von 205 Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit besteht bereits eine Woche vor Ausbruch des Exanthems und dauert bis zu einer Woche nach dem Auftreten des Exanthems. Klinische Symptomatik Die Röteln sind eine klassische „Kinderkrankheit“. Etwa 50 % der Infektionen im Kindesalter verlaufen asymptomatisch. Die Erkrankung ist durch ein kleinfleckiges makulöses oder makulopapulöses Exanthem gekennzeichnet, das im Gesicht beginnt, sich über Körper und Extremitäten ausbreitet und nach 1–3 Tagen wieder verschwindet. Weiter können Kopfschmerzen, subfebrile Temperaturen, Lymphknotenschwellungen (besonders der nuchalen und retroaurikulären Lymphknoten), ein leichter Katarrh der oberen Luftwege und eine Konjunktivitis auftreten. Seltene (jedoch mit zunehmendem Lebensalter der erkrankten Person häufigere) Komplikationen sind Arthritiden, Bronchitis, Otitis, Enzephalitis, Myo- und Perikarditis. Durch eine Thrombozytopenie können Purpura und Hämorrhagien entstehen. Obwohl eine postnatale Rötelninfektion selten mit Komplikationen einhergeht, verursacht eine über die Plazenta der Mutter erfolgte Infektion des sich entwickelnden Fetus schwere Schäden, deren Häufigkeit und Schweregrad vom Infektionszeitpunkt während der Schwangerschaft abhängen (beobachtet wurden Schäden in 90% bei Infektionen in den ersten 8 Schwangerschaftswochen, Schäden in 25%–35% bei während des zweiten Trimesters). Eine Rötelnprimärinfektion im 1.–4. Schwangerschaftsmonat kann zum Spontanabort, zur Frühgeburt oder zum CRS führen. Die im Stadium der Organogenese entstehenden Schäden beinhalten in der Regel die klassische Trias mit Defekten an Herz (offener Ductus arteriosus), Augen (Katarakt) und Ohren (Innenohrtaubheit) – das Gregg-Syndrom. Weitere mögliche Folgen sind ein geringes Geburtsgewicht, thrombozytopenische Purpura, Hepatosplenomegalie, Enzephalitis, Hepatitis, Myokarditis oder Mikrozephalie. So löst eine Infektion des Fetus in der 4. Gestationswoche das Vollbild der Erkrankung aus, während z..B. durch eine Infektion in der 20. Woche eine isolierte Taubheit entstehen kann. Die Gesamtletalität des CRS beträgt 15–20 %. – Trotz hoher Titer spezifischer neutralisierender Antikörper können Kinder mit CRS das Rubellavirus aus dem Respirationstrakt und über den Urin bis zu einem Alter von 2 Jahren ausscheiden. Diagnostik Eine Diagnose aufgrund des klinischen Bildes ist sehr unzuverlässig; ähnliche Exantheme können bei einigen anderen fieberhaften Erkrankungen auftreten (z.B. Masern, Ringelröteln, Scharlach) oder auch arzneimittelbedingt sein. Bei wichtigen Entscheidungen wie Rötelnverdacht bzw. -kontakt bei einer Schwangeren und dem klinischen Verdacht auf konnatale Röteln sollte daher unbedingt eine serologische Abklärung erfolgen. Die Immunität gegenüber Rötelnvirus sollte möglichst vor Eintritt einer Schwangerschaft geprüft werden, um gegebenenfalls noch impfen zu können. Therapie Eine spezifische kausale Therapie der Rötelnvirusinfektion existiert nicht. Fieber, Arthritiden oder Arthralgien werden symptomatisch behandelt. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Zur Prophylaxe der Röteln steht ein attenuierter Lebendimpfstoff zur Verfügung. Die RötelnSchutzimpfung wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut empfohlen. Sie sollte mit einer trivalenten Vakzine gegen Masern, Mumps und Röteln (MMRImpfstoff) durchgeführt werden. Die Impfung soll in der Regel zwischen dem 12. und dem 15. Lebensmonat, möglichst bis zum Ende des 2. Lebensjahres erfolgen, um den frühestmöglichen Impfschutz zu erreichen. Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch ab dem 9. Lebensmonat erfolgen. Sofern die Erstimpfung vor dem 12. Lebensmonat durchgeführt wurde, muss die Impfung unbedingt bereits im 2. Lebensjahr wiederholt werden, da im 1. Lebensjahr persistierende maternale Antikörper die Impfviren neutralisieren können. Zur Erfassung von Nonrespondern (etwa 5 %) GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 144 von 205 und damit zur Schließung von Immunitätslücken empfiehlt die STIKO generell eine 2. MMRImpfung. Diese kann frühestens vier Wochen nach der 1. MMR-Impfung erfolgen; sie sollte möglichst bereits im 2. Lebensjahr, spätestens aber vor der Aufnahme in eine Kindereinrichtung durchgeführt werden. Aus epidemiologischer Sicht ist die Schuleingangsuntersuchung der späteste Zeitpunkt, die 2. MMR-Impfung zu veranlassen. Sollte auch dieser Termin versäumt worden sein, kann die 2. MMR-Impfung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nachgeholt werden; bei seronegativen Frauen auch noch später, damit der unverzichtbare Schutz vor einer Rötelnembryopathie gesichert ist. Auch bei anamnestisch angegebener Rötelnerkrankung sollte die 2. MMR-Impfung durchgeführt werden. Es gibt in der Fachliteratur keine Hinweise auf Nebenwirkungen nach mehrmaligen MMR-Impfungen. Eine Altersbegrenzung besteht nicht, die Impfung kann daher in jedem Alter erfolgen. Empfehlenswert ist die MMR-Impfung für alle ungeimpften Personen in Einrichtungen mit erhöhter Übertragungsgefahr wie Einrichtungen der Pädiatrie, der Geburtshilfe und der Schwangerenbetreuung sowie in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und in Kinderheimen und selbstverständlich für alle seronegativen Frauen mit Kinderwunsch. Das in Deutschland gegenwärtig zu lösende Problem besteht darin, die vorhandenen Impfempfehlungen erfolgreich umzusetzen. Während die 1. MMR-Impfung noch eine vergleichsweise hohe Akzeptanz besitzt (erreichte Impfraten um 80–85 %), sind die Impfraten der 2. MMR-Impfung immer noch sehr unbefriedigend. Der Impfschutz gegen Röteln liegt bei den Schulkindern in den alten Bundesländern noch um fast 10 % niedriger als in den neuen, da einige Eltern ihre Kinder nur gegen Masern und Mumps impfen lassen. Sowohl Ärzte als auch Eltern sollten berücksichtigen, dass die 2. MMR-Impfung zum Erreichen eines sicheren Immunschutzes unerlässlich. Wirksame Hygienemaßnahmen zur Verhütung von Rötelninfektionen existieren nicht. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Alle exponierten ungeimpften oder nur einmal geimpften Personen in Gemeinschaftseinrichtungen sollten möglichst frühzeitig eine MMR-Impfung erhalten. Ein Ausschluss von Erkrankten oder Kontaktpersonen von Gemeinschaftseinrichtungen aus epidemiologischen Gründen ist nicht erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Das zuständige Gesundheitsamt sollte informiert werden, um neben einer Beratung ggf. Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung einleiten zu können. Meldepflicht Nach § 7 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rubellavirus bei konnatalen Infektionen nichtnamentlich direkt an das Robert Koch-Institut zu melden. Meldepflichtig sind die Leiter der Einrichtungen, an denen die Erregerdiagnostik durchgeführt wurde. Im RKI wird gegenwärtig eine Falldefinition für konnatale Röteln erarbeitet. Der einsendende Arzt ist verpflichtet, den Meldepflichtigen durch die Übermittlung der für die Meldung erforderlichen Informationen zu unterstützen. – In einigen Bundesländern existiert eine Meldepflicht für die Erkrankung an Röteln auf der Basis einer Länderverordnung (bzw. ist deren Einführung geplant). Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2003 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 145 von 205 RSV Respiratory Syncytial Virus Erreger Das RSV, ein von einer lipidhaltigen Virushülle umgebenes RNA-Virus, gehört zur Familie der Paramyxoviridae (Genus Pneumovirus). Es ist der bedeutendste Erreger von Infektionen der Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern. Erst in jüngerer Zeit wurde die Bedeutung von RSV bei Atemwegsinfektionen in jedem Lebensalter erkannt: Auch bei älteren Menschen und Personen mit Immundefizienz oder unter Immunsuppression kann es zu Erkrankungen der unteren Atemwege und Exazerbationen einer chronischen Lungenerkrankung kommen. Es gibt zwei serologisch unterscheidbare Gruppen A und B, wobei Hinweise auf eine höhere Pathogenität der Gruppe A vorliegen. RSV kann in respiratorischem Sekret 20 Minuten auf nicht desinfizierten oder ungewaschenen Händen überleben, 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkitteln, bis zu 5 Stunden auf Einmalhandschuhen, bis zu 6 Stunden auf Stethoskopen und bis zu 7 Stunden auf Kunststoffoberflächen. Gegenüber Desinfektionsmitteln und Detergenzien ist der Erreger aber sehr empfindlich. Pathogenese: Die Vermehrung des RSV erfolgt auf den Schleimhäuten der Atemwege, deren zilientragendes Epithel durch die Synzytienbildung und die körpereigene Immunreaktion vorübergehend zerstört wird. Der dabei entstehende Zelldetritus sowie einwandernde unspezifische und spezifische Abwehrzellen verlegen die kleinen Atemwege und begünstigen die Entstehung von nicht belüfteten Bezirken sowie auch von kompensatorisch zu stark belüfteten Arealen der Lunge. Durch noch nicht abschließend erforschte immunologische und neuroregulatorische Mechanismen kann im Gefolge der akuten RSV-Infektion eine anhaltende Hyperreagibilität des Bronchialsystems auftreten. Vorkommen RSV ist weltweit verbreitet. Es kann in jedem Lebensalter Atemwegserkrankungen hervorrufen. Bei Säuglingen besteht in den ersten 4–6 Wochen ein Schutz durch diaplazentar übernommene mütterliche Antikörper. Bis zum Ende des 2. Lebensjahres haben nahezu alle Kinder mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Eine langfristige Immunität besteht nicht und Reinfektionen sind häufig. Die höchste Inzidenz wird in Mitteleuropa in den Monaten von November bis April (RSV-Saison) beobachtet, jedoch kommen auch in den Sommermonaten sporadische Infektionen vor. Reservoir Der Mensch ist das einzige Reservoir für RSV. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt (Entfernung < 2 m), wobei Konjunktiven und Nasenschleimhäute die Eintrittspforte bilden. Eine Übertragung ist auch durch kontaminierte Gegenstände (z.B. Pflegehilfsmittel, Stethoskope, Kugelschreiber) sowie über kontaminierte Oberflächen (auch kontaminierte Hände) möglich. Jugendliche und Erwachsene spielen als asymptomatische oder symptomarme Überträger eine Rolle. Auch passiv mit monoklonalen Antikörpern gegen RSV immunisierte Kinder können vorübergehend Überträger von RSV sein, da die Antikörper nicht die Infektion der oberen Luftwege verhindern (s.a. „Präventive Maßnahmen“). Bei unzureichender Händehygiene und Autoinokulation der Schleimhäute können Kontaktpersonen zum Vektor einer raschen, auch nosokomialen Ausbreitung werden. Inkubationszeit 2–8 Tage, im Mittel 4 Tage bis zur pulmonalen Erkrankung. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit besteht in der Regel 1–5 Tage, sie erreicht ihren Höhepunkt während der ersten Tage der Erkrankung und klingt bei immunkompetenten Patienten meist innerhalb einer Woche ab. Frühgeborene, Neugeborene, immundefiziente oder immunsupprimierte GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 146 von 205 Patienten können das Virus über mehrere Wochen, im Einzelfall über Monate ausscheiden. Klinische Symptomatik Eine „klassische“ RSV-Symptomatik existiert nicht. Die Diagnose kann nicht allein aus dem klinischen Bild gestellt werden, da RSV ein breites Spektrum respiratorischer Erkrankungen verursachen. Die RSV-Infektion ist eine akute Erkrankung der Atemwege mit Rhinitis, Pharyngitis, Tracheobronchitis und Bronchiolitis, die nur in 20 % der Fälle mit Fieber über 39 °C einhergeht. Das klinische Bild der Bronchiolitis (Befall der tiefen, kleinlumigen Atemwege) ist gekennzeichnet durch einen reduzierten Allgemeinzustand, beschleunigte Atmung, Husten, Hypoxämie und Ernährungsschwierigkeiten (Trinkverweigerung, Reflux, Erbrechen, Dehydratation). Sie äußert sich oft auch nur als „stumme Bronchiolitis“ mit Tachypnoe und schlechter peripherer Kreislaufperfusion, während bei der exspiratorischen Bronchiolitis das exspiratorische Giemen im Vordergrund steht. Die häufigsten Komplikationen sind Pneumonien, die bei bis zu 40% der stationär behandelten Fälle auftreten. Infektionen mit RSV können beim Säugling zu einem Keuchhusten-ähnlichen Krankheitsbild (Pseudo-Krupp) führen. Die schwere RSV-Infektion der tiefen Atemwege kann eine bis zu mehrere Jahre anhaltende Hyperreagibilität des Bronchialsystems nach sich ziehen, die wahrscheinlich eine vorübergehende, Virus-getriggerte Form des kindlichen Asthma bronchiale darstellt. Weitere Komplikationen sind eine akute Otitis media oder durch bakterielle Superinfektion ausgelöste Otitiden. Risikopatienten sind Frühgeborene mit vorgeschädigter Lunge (z.B. bronchopulmonale Dysplasie), Kinder mit Herzfehlern, insbesondere bei vermehrter Lungendurchblutung, sowie Kinder mit Immundefekten oder unter Immunsuppression. Ihre Letalität liegt auch unter heutigen intensivmedizinischen Bedingungen bei etwa 1 %. Schwere Verläufe sind jedoch nicht auf die definierten Risikogruppen beschränkt. Auch bei älteren Erwachsenen (z.B. oft in Altenheimen) und bei Patienten mit Immunschwäche können schwere Infektionen des unteren Respirationstraktes bis hin zur Pneumonie auftreten. Die nosokomiale RSV-Infektion ist die häufigste nosokomiale Infektion (auch die häufigste im Krankenhaus erworbene Pneumonie) in der stationären Kinderheilkunde. Die Vermeidung nosokomialer RSV-Infektionen und die rasche Eindämmung von RSV-Ausbrüchen im Krankenhaus ist – insbesondere vor dem Hintergrund fehlender kausaler Therapieoptionen – eine Aufgabe mit höchster Priorität. Diagnostik Erregernachweis: Die Viruskultur ist der Goldstandard in der Labordiagnostik zum Nachweis von RSV. Sie erfordert Fachpersonal und ist zeitaufwändig (die zytopathischen Effekte treten erst nach 4–7 Tagen auf). Voraussetzung ist die Verwendung von frischem, nicht mit anderen Erregern (z.B. Pilzen) kontaminiertem Material. Antikörpernachweis: Die Serodiagnostik tritt in ihrer Bedeutung hinter dem Erregernachweis zurück, da Antikörper nur in geringfügiger Konzentration gebildet werden. Um einen Titeranstieg zu erfassen, müssen zwei Seren mit mindestens 2–4 Wochen Abstand untersucht werden. Therapie Eine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion existiert nicht. Die Therapie ist symptomatisch: ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation, Sauerstoffgabe bei transkutaner Sauerstoffsättigung unter 94 %, ggf. Atemunterstützung mit CPAP-Maske oder Intubation und Beatmung. Steroide (inhalativ oder systemisch) sind sowohl in der Akutbehandlung als auch in der Prävention der bronchialen Hyperreagibilität des Bronchialsystems unwirksam. Bei einem Teil der Patienten verbessern Betamimetika oder inhalatives Adrenalin die klinische Atemnot. Da sie die Hypoxämie verschlimmern können, ist eine Überwachung der Sauerstoffsättigung zu Beginn der Inhalationsbehandlung erforderlich. Eine antibakterielle Therapie beeinflusst weder den klinischen Verlauf noch die Dauer der Ansteckungsfähigkeit; sie ist auch bei stationär behandelten Patienten nicht routinemäßig indiziert. Auf Antitussiva, Sedativa und Mukolytika sollte verzichtet werden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 147 von 205 Eine inhalative Ribavirin-Behandlung kann unter bestimmten Voraussetzungen (nur auf Intensiv-Stationen mit entsprechend ausgebildetem Personal) in Erwägung gezogen werden. Der Nachweis einer Wirkung liegt jedoch nur in vitro vor. In Plazebo-kontrollierten Studien wurde bisher kein Einfluss auf Verlauf und Schwere der Infektion nachgewiesen. Außerdem ist der toxische Effekt auf das betreuende Personal (teratogen) zu beachten. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung verfügbar. – Zur passiven Immunisierung steht für bestimmte Risikokinder (s.u.) ein gegen das F-Protein des RSV-Virus gerichteter monoklonaler Antikörper (Palivizumab) zur Verfügung. Aufgrund der erheblichen Kosten empfiehlt die pädiatrische Fachgesellschaft DGPI das während der RSV-Saison monatlich i.m. zu applizierende Präparat bislang nur für Frühgeborene mit chronischer Lungenerkrankung als Folge einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bis zum Alter von 24 Monaten, wenn sie in den letzten 6 Monaten behandlungsbedürftig waren (Steroide, Sauerstoff, Diuretika). Bei Frühgeborenen ohne BPD mit einem Gestationsalter zwischen 32 und 35 Wochen soll individuell über die Prophylaxe entschieden werden, falls zusätzliche Risikofaktoren vorliegen. Eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinderkardiologie zum Einsatz von Palivizumab bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern und Shuntvitium befindet sich in Vorbereitung. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Patienten mit RSV-Infektion, die in einem Krankenhaus behandelt werden, sollten für mindestens 7 Tage nach Beginn der klinischen Symptomatik von anderen Patienten räumlich getrennt untergebracht werden. Eine Kohortenisolierung mehrerer RSV-Infizierter ist möglich. Wegen der manchmal protrahierten Virusausscheidung ist im Krankenhaus eine Kontrolle des Antigenbefundes vor Aufhebung der Isolierung wünschenswert (maximal einmal pro Woche). Neben der zeitnahen Diagnostik, der gezielten prospektiven Infektionssurveillance durch das Hygienefachpersonal und der Isolierung der Patienten ist die hygienische Händedesinfektion die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung nosokomialer RSV-Infektionen. Die Händehygiene ist mit einem Desinfektionsmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen behüllte Viren (= begrenzt viruzid) durchzuführen. Bei engem Patientenkontakt (Pflege, klinische Untersuchung etc.) sollten Kittel und Einmalhandschuhe – nach dem Ablegen der Einmalhandschuhe müssen die Hände desinfiziert werden! – sowie ein Mund-Nasenschutz getragen werden; letzterer auch, um die Berührung der eigenen Schleimhäute mit kontaminierten Händen zu vermeiden (Virusinokulation!). Eine Kontamination der patientennahen Oberflächen und anderen Gegenstände ist über Handkontakt möglich. Für die Flächendesinfektion können ebenfalls Mittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen behüllte Viren eingesetzt werden. Damit Geschwisterkinder, Eltern und Mitbewohner mit Atemwegsinfekten nicht zur Gefahr für Risikopatienten werden, müssen Kontaktpersonen die hierzu erforderlichen Schutz- und Hygienemaßnahmen kennen. Eine Möglichkeit der Chemoprophylaxe für Kontaktpersonen besteht nicht. Bei schwer immunsupprimierten Patienten unmittelbar vor oder nach Stammzelltransplantation führen einige Arbeitsgruppen eine experimentelle Therapie mit Ribavirin-Inhalationen durch, sobald RSV im Nasopharyngealsekret nachgewiesen wurde. Ein Besuchsverbot von Erkrankten oder deren Kontaktpersonen für Gemeinschaftseinrichtungen ist nach § 34 Abs. 1 bzw. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht erforderlich. Diese Frage stellt sich aber in der Praxis bei ambulanter Behandlung in der Regel ohnehin nicht, da die meisten Kinder bis zum Alter von 24 Monaten eine RSV-Infektion durchgemacht haben und laufend mit den epidemisch zirkulierenden Virusstämmen in Kontakt kommen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Im Falle eines Ausbruchs in Krankenhäusern oder anderen Gesundheitseinrichtungen müssen die oben beschriebenen Grundregeln der Hygiene konsequent umgesetzt werden und es muss ein Ausbruchsmanagement erfolgen. Erkranktes medizinisches Personal sollte (insbesondere GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 148 von 205 in Risikobereichen) von der Arbeit freigestellt werden und generell, auch in der Rekonvaleszenz, sorgfältig auf die persönliche Händehygiene achten. Ein RSV-Ausbruch in Hochrisikobereichen, z.B. auf einer neonatologischen Intensivstation, mit kritisch kranken Frühgeborenen oder langzeitbeatmeten Kindern mit bronchopulmonaler Dysplasie, kann gravierende Folgen für (im Verlauf nosokomial infizierte) Mitpatienten haben. Neben der strikten Einhaltung des Hygienestandards (s.o.) sollte daher in diesen Bereichen beim ersten Nachweis unter sorgfältiger Abwägung der Indikationen eine passive Immunisierung besonders gefährdeter Mitpatienten erwogen werden. Für diese Situation gibt es bisher allerdings keine kontrollierten Studien. Meldepflicht Das zuständige Gesundheitsamt sollte nach § 6 Abs. 3 IfSG über gehäuft auftretende nosokomiale RSV-Infektionen informiert werden. Modifiziert nach RKI, Stand: 21.01.2004 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 149 von 205 Ruhr / Shigellenruhr / Shigellen-Dysenterie Erreger Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie) sind unbewegliche, gramnegative Bakterien der Familie der Enterobacteriaceae, Gattung Shigella. Es besteht eine enge Verwandtschaft zu Escherichia coli. Sie werden nach biochemischen Merkmalen und spezifischen O-Antigenen in folgende Serogruppen unterteilt: Gruppe A: Shigella dysenteriae, Gruppe B: Shigella flexneri, Gruppe C: Shigella boydii, Gruppe D: Shigella sonnei. Stämme der Gruppen A bis C können bestimmten Serovaren zugeordnet werden (insgesamt 13 Serovaren bei Shigella (S.) dysenteriae, 8 Serovaren bei Shigella (S.) flexneri, 18 Serovaren bei Shigella (S.) boydii, einem Serovar mit 2 serologischen Formen bei Shigella (S.) sonnei). Alle Shigellen besitzen ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin, das zur entzündlichen Reizung der Darmschleimhaut beiträgt. Nur Shigella dysenteriae Typ 1 bildet zusätzlich ein Exotoxin, das Shiga-Toxin 1, das zu schweren toxischen Krankheitsbildern führen kann. Vorkommen Shigellen sind weltweit verbreitet. Die Infektion zeigt eine charakteristische Häufung in warmen Monaten, Kinder sind besonders häufig betroffen. In Deutschland sind hauptsächlich Infektionen durch S. sonnei (Anteil gegenwärtig 70–80%) und S. flexneri (Anteil gegenwärtig 10–20%) von Bedeutung. Diese beiden Spezies führen überwiegend zu leichteren Erkrankungen, die aber hochakut beginnen und sehr infektiös sein können. Eine Analyse des Auftretens der Shigellose auf der Basis von Informationen aus den neuen Bundesländern ergab, dass die Shigellose heute fast ausschließlich von Reisenden importiert wird (1999: 86% der Fälle). Die Quelle für Infektionen durch S. dysenteriae und S. boydii lag in allen Fällen außerhalb Deutschlands. Shigellosen wurden in den letzten Jahren vor allem in Ägypten, Tunesien, in der Dominikanischen Republik, der Türkei und in Jugos¬lawien erworben. Viele asiatische Länder sind ebenfalls bekannte Infektionsgebiete. In Deutschland besteht laut IfSG eine Meldepflicht für Shigellosen. Reservoir Der Mensch ist das einzige relevante Reservoir für Shigellen. Infektionsweg Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, überwiegend durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch. Infektionen durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel besitzen vor allem in den wärmeren Ländern Bedeutung, hier ist auch mit einer Übertragung in kontaminierten Badegewässern zu rechnen. Fliegen besitzen als mechanische Vektoren nicht nur in tropischen Ländern eine praktische Bedeutung. Shigellen können schon bei einer minimalen peroral aufgenommenen Dosis (10–200 Keime!) klinische Symptome auslösen. Inkubationszeit Die Inkubationszeit ist nur selten länger als 12–96 Stunden. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Infektion und solange der Erreger mit dem Stuhl ausgeschieden wird, dies kann 1–4 Wochen nach der akuten Krankheitsphase der Fall sein. Eine Ausscheidung über einen längeren Zeitraum ist sehr selten; sie ist z. B. bei mangelernährten Kindern beobachtet worden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 150 von 205 Klinische Symptomatik Nach oraler Aufnahme erfolgt eine Invasion in die Kolonmukosa. Die Erkrankung beginnt meist als wässrige Diarrhö und kann in eine inflammatorische Kolitis übergehen. Die Krankheit variiert zwischen leichten Verlaufsformen mit geringer wässriger Diarrhö und schweren Erkrankungen mit Fieber, blutiger und eitriger Diarrhö. Das Auftreten blutig-schleimiger Stühle entspricht dem klinischen Bild der ›Ruhr‹ (daher die Bezeichnungen ›Shigellenruhr‹, ›Bakterienruhr‹). Abdominelle Krämpfe (Koliken und Tenesmen) sind typisch für eine Shigellose. Im weiteren Verlauf kann es zu fokalen Ulzerationen, vorwiegend im distalen Kolon, im Extremfall bis hin zur Kolondilatation und Kolonperforation kommen. Weitere mögliche Folgen sind eine Dehydratation und Proteinverluste. Die Infektion bleibt in der Regel auf das Kolon beschränkt. In seltenen Fällen (1–3%) kann es zu Komplikationen kommen, die sich außerhalb des Darmes manifestieren: ein hämolytischurämisches Syndrom (HUS) wird verursacht durch ein Zytotoxin (Shiga-Toxin), das von S. dysenteriae Serovar 1 gebildet und mit dem Shiga-Toxin 1 (Verotoxin 1) enterohämorrhagischer E. coli (EHEC) nahezu identisch ist. Weitere mögliche Komplikationen sind Infektarthritiden und das Reiter-Syndrom. Diagnostik Klinisch bzw. klinisch-epidemiologisch kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Die Diagnose wird durch die bakteriologische Untersuchung gesichert. Als Untersuchungsmaterial eigen sich frische Stuhlproben oder frisch entnommene Rektalabstriche in einem Transportmedium. Therapie Neben der Cholera, dem Typhus und Paratyphus wird auch bei der Shigellose aufgrund der hohen Infektiosität eine Antibiotikabehandlung generell empfohlen. Die Bakterienausscheidung wird hierdurch reduziert und die Krankheitsdauer verkürzt. Eine Therapie sollte nach Antibiogramm erfolgen. Prinzipiell geeignet sind Antibiotika aus der Gruppe der Chinolone, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Azithromycin, Tetracyclin, Doxycyclin und Ampicillin. Letztere vor allem zur Langzeitbehandlung von Ausscheidern. Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand kann auch eine symptomatische Therapie mit oralem Flüssigkeitsersatz ausreichend sein. Bei Patienten mit chronischen Grundkrankheiten und bei sehr jungen sowie alten Patienten müssen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste parenteral ausgeglichen werden. Motilitätshemmer sollen zur Behandlung nicht eingesetzt werden. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Grundlage der Verhütung sind hygienisch einwandfreie Bedingungen (persönliche Hygiene, Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene, Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen, Verhütung des Fliegenbefalls). Da die Übertragung in der Regel durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch erfolgt, ist eine wirksame Händehygiene zur Vermeidung von fäkal-oralen Schmierinfektionen die entscheidende präventive Maßnahme. In Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen gilt zur Vermeidung von Infektionen durch kontaminiertes Wasser oder ungekochte Speisen (z.B. Salate) die Regel »Peel it, boil it, cook it or forget it.« (»Dass Dich nicht der Durchfall quält, sollst Du trinken oder essen, was erhitzt, gekocht, geschält, und das andere vergessen!«) 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist zur Vermeidung von Folgeinfektionen von großer Bedeutung. Während der gesamten Erkrankungsdauer soll eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sein können. Ausscheidungen, die nicht über ein reguläres Abwassersystem entsorgt werden können, sind ebenfalls zu desinfizieren. Die laufende Desinfektion findet auch bei Ausscheidern Anwendung. Leib- und Bettwäsche, Taschen- und Handtücher sind im Kochwaschgang, mindestens jedoch bei 60°C zu waschen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 151 von 205 Bei nicht hitzebeständiger Wäsche oder falls Maschinenwäsche nicht möglich ist, ist die Wäsche 12 Stunden in geeignete Desinfektionslösungen einzulegen und anschließend wie normale Haushaltswäsche zu waschen. Toilettensitz, Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken und Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen täglich zu desinfizieren. Bei der Händehygiene wird das gründliche Händewaschen mit Wasser und Seife ergänzt durch eine Händedesinfektion, bei der eine intensive Benetzung der Hände mit einem alkoholischen Desinfektionsmittel erforderlich ist (Anwendungshinweise des Herstellers sind zu beachten). – Im häuslichen Bereich sind Hände- und Toilettenhygiene ausreichend. Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen ist nach klinischer Genesung von einer Shigellose bzw. nachdem Shigellen ausgeschieden wurden bei Vorliegen von drei negativen Befunden einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen) möglich. Die erste Stuhlprobe sollte frühestens 24 Stunden nach Auftreten von geformtem Stuhl bzw. 24 Stunden nach Ende einer Antibiotikatherapie erfolgen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich. Bei längerer Erregerausscheidung sollte gemeinsam mit dem Gesundheitsamt eine individuelle Lösung gefunden werden, um ggf. eine Zulassung zu ermöglichen (§ 34 Abs. 2 Nr. 5 IfSG). Personen, die auf der Grundlage des § 42 IfSG zeitweilig nicht tätig sein durften, weil sie an Shigellose erkrankt waren oder Shigellen ausgeschieden hatten, können die Tätigkeit wieder aufnehmen, wenn dem behandelnden Arzt drei negative Befunde einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen) vorliegen und Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt besteht. Kontaktpersonen (insbesondere aus der häuslichen Gemeinschaft des Erkrankten) müssen für die Dauer der Inkubationszeit eine besonders gründliche Händehygiene einhalten. Am Ende der Inkubationszeit ist eine Stuhlprobe zu entnehmen und ein negativer Befund nachzuweisen. Von dieser Regel kann abgewichen werden, solange keine verdächtigen Symptome auftreten und die Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen sicher gewährleistet ist (§ 34 Abs. 3 i.V. m. Abs. 7 IfSG). 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Wegen der relativ leichten Übertragbarkeit der Erreger kann sich die Shigellose bei engem Personenkontakt und Mängeln der Hygiene vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen aller Art leicht ausbreiten. Bei Hinweisen auf einen Ausbruch ist ein schnelles Ermitteln der Infektionsquelle/n und beteiligter Übertragungsfaktoren (z. B. Lebensmittel) erforderlich, um gezielt Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das zuständige Gesundheitsamt sollte bei einem entsprechenden Verdacht zum frühestmöglichen Zeitpunkt informiert werden. Modifiziert nach RKI, Stand: 17.12.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 152 von 205 Salmonellosen Erkennung, Bekämpfung und Verhütung 1. Allgemeines Die infektiöse Gastroenteritis (syn. infektiöse Darmerkrankung bzw. Durchfallerkrankung) des Menschen stellt keine ätiologische Einheit dar. Das Krankheitsbild wird durch das Leitsymptom Durchfall (Diarrhöe) geprägt, also durch das gehäufte Absetzen von Stühlen mit verminderter Konsistenz unabhängig von einem speziellen Krankheitserreger. Als Ursache der Erkrankung sind vor allem Salmonellen, Campylobacter, Yersinien, Shigellen, darmpathogene Escherichia coli, weitere Erreger bakterieller lebensmittelbedingter Erkrankungen oder deren Toxine, verschiedene Viren und darmpathogene Protozoen in Erwägung zu ziehen. Eine besondere epidemiologische Bedeutung hat heute die Salmonella-Erkrankung des Menschen (Salmonellose oder Salmonella-Enteritis). Nicht zu diesen Erkrankungen gehören Typhus und Paratyphus, bei denen es sich um systemische Infektionen mit Darmbeteiligung handelt. Sie werden, wie die Shigellenruhr, in gesonderten Merkblättern behandelt. Dieses Merkblatt befasst sich ausschließlich mit der Salmonellose des Menschen. 2. Erreger, Übertragung und Epidemiologie Salmonellen sind in der Regel bewegliche, gramnegative Stäbchen, die aufgrund der Struktur ihrer Körper(O)- und Geißel(H)-Antigene nach dem Kauffmann-White-Schema geordnet und anhand einer Seroformel als Serovare deklariert werden. Von den bisher bekannten über 2.400 Salmonella (S.)-Serovaren haben praktisch nur 20 bis 30 als Erreger von lebensmittelbedingten Erkrankungen eine epidemiologische Bedeutung. Andere Serovare können darüber hinaus aber jederzeit regional oder temporär besonders in Erscheinung treten. Langzeitanalysen zeigen, dass weltweit S. Typhimurium und seit Mitte der 80er Jahre S. Enteritidis epidemiologisch im Vordergrund stehen. Salmonellen wachsen im Temperaturbereich von 10–47°C, in einigen Fällen bereits ab 6–8°C. In der Umwelt und in oder auf verschiedenen Lebensmitteln sind sie bis zu mehreren Monaten überlebensfähig. Durch Einfrieren werden sie nicht abgetötet. Abhängig von der Disposition des Erkrankten und den Erregereigenschaften führt die Infektion meistens zu wässrigen, oft auch Cholera-ähnlichen Durchfällen (selten blutig). Bei etwa 5 % der Infizierten verläuft die Erkrankung zusätzlich systemisch (tiefgreifende Erkrankungsbilder). Salmonellosen des Menschen sind zumeist lebensmittelbedingte Erkrankungen und treten weltweit als sporadische Fälle, Familienerkrankungen oder als Epidemien auf. Gehäufte Einzelerkrankungen in einer bestimmten Region können auf eine noch nicht erkannte Gruppenerkrankung hinweisen, die auf eine gemeinsame Infektionsquelle zurückzuführen sein könnte. Primäre Infektionsquellen sind besonders von Geflügel, Rindern und Schweinen stammende Lebensmittel, wobei die Tiere in den seltensten Fällen klinisch erkrankt sind. An der Spitze der Infektionen verursachenden Lebensmittel stehen Geflügel – Huhn, Ente, Gans und Pute – und vor allem rohe Eier und Speisen, die Rohei enthalten, z.B. Eischäume, Cremes, Konditoreiwaren, Mayonnaise und Speiseeis. Letztere sind besonders durch eine hygienewidrige Behandlung – etwa durch ungekühlte und zu lange Aufbewahrung oder Lagerung oder entsprechende Bedingungen beim Transport – gefährdet, da hierdurch hohe Keimzahlen erreicht werden. Salmonellen können auf der Eischale oder im Eiinhalt vorhanden sein. Die Kontamination der Eischale kann äußerlich über Salmonella-haltige Faezes oder bereits im Eileiter während der Eischalenbildung erfolgen. Der Eiinhalt wird neuesten Erkenntnissen zufolge vor allem durch S. Enteritidis transovariell oder zumindest intravital in 0,01–0,1 % der Fälle infiziert. Eine Kontamination des Eiinhalts kann infolge der Passage von Salmonella-Serovaren durch die Eischale erfolgen, wenn höhere Raumtemperaturen und hohe Feuchtigkeit auf der Eischale sowie eventuell Schalendefekte vorhanden sind. Eine weitere wichtige Infektionsquelle sind rohes Fleisch bzw. nicht oder nicht ausreichend erhitzte Fleischprodukte (etwa Schlachtgeflügel, Hackfleisch, Rohwurstsorten, besonders frische Mettwurst, Fleischsalate). Inzwischen wurden Salmonellen in verschiedenen Ausbrüchen aber auch mit dem Verzehr von Sprossen, Tomaten oder geräuchertem Aal in Zusammenhang gebracht. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 153 von 205 Die Infektion erfolgt in der Regel durch den Verzehr infizierter oder kontaminierter Lebensmittel. 4 6 Die Infektionsdosis für den erwachsenen Menschen liegt bei 10 bis 10 Keimen. Wenn sich Salmonellen in stark fetthaltigen Lebensmitteln wie Käse, Hamburger, Schokolade, Salami oder auch Gewürzen befinden, oder bei besonderer Disposition, z.B. Abwehrschwäche (Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen), sind jedoch Erkrankungen bereits bei Infektionsdosen unter 100 Keimen beobachtet worden. Für die Verbreitung der Erkrankung ist die Kontamination von Lebensmitteln von besonderer Bedeutung. Durch Berührung solcher Lebensmittel können die Erreger übertragen werden und andere Lebensmittel, Gegenstände oder evtl. Personen kontaminieren (Kreuzkontamination). Die Problematik der Salmonellose wird durch weitere Glieder in der Infektionskette wie Vögel, Vorratsschädlinge, Nager, Insekten, Heimtiere, aber auch Abwässer verschärft. Durch direkten Kontakt mit salmonellenausscheidenden Tieren erfolgt sehr selten eine Übertragung auf den Menschen. Dieser Übertragungsweg ist nur bei Heimtieren wahrscheinlicher. Eine direkte oder indirekte Übertragung von Mensch zu Mensch – vor allem von verschiedenen mehrfachresistenten Salmonella-Serovaren – kann als Hospitalinfektion bei besonders disponierten Personen oder unter hygienisch ungünstigen Bedingungen erfolgen. Dies verursacht dann häufig typhöse Verlaufsformen. Bei dieser Infektion ist eine sehr hohe Kontagiosität zu verzeichnen. 3. Krankheitsbild Die Inkubationszeit beträgt 6–72 Stunden (meist 12–36 Stunden) und ist abhängig von der Infektionsdosis. Die Salmonellose beginnt meist plötzlich mit zahlreichen wässrigen Stühlen, Leibschmerzen, (im Verlauf der Erkrankung zunehmend mit Blutbeimengungen), teilweise mit Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Die Symptome dauern in der Regel nur wenige Stunden oder Tage. Bei schweren klinischen Fällen treten Schüttelfrost, höheres Fieber, Kollaps und weitere systemische Krankheitsbilder mit typhoidem Verlauf auf. Oft kommt ein leichter oder symptomloser Verlauf vor, der u.a. auch von der aufgenommenen Keimzahl abhängig ist. Die Keimausscheidung von Enteritis-Salmonellen dauert im Mittel 3–6 Wochen, bei Säuglingen aber auch über Monate. Dauerausscheidung über 6 Monate ist relativ selten. Diese gelegentlich bei Kindern vorkommenden Langzeitausscheider bedürfen keiner weiteren Behandlung (s.a. Zulassung zu Kindereinrichtungen). Mitunter können bei vorgeschädigten Patienten, aber auch sonst gesunden Personen, extraintestinale Infektionen wie Perikarditis, neurologische Erkrankungen, reaktive Arthritis, Spondylitis, Osteomyelitis u.a. festgestellt werden. Differenzialdiagnostisch sind akute Gastroenteritiden anderer Ätiologie abzuklären. Häufig kommt es zur Verwechslung mit dem "akuten" Bauch. Die Letalität liegt bei < 0,1%, und es sterben vornehmlich ältere sowie abwehrgeschwächte Personen. 4. Diagnose Beim Auftreten des Leitsymptoms Durchfall ist eine bakteriologische Abklärung der Ursache erforderlich. Der Erregernachweis erfolgt aus Stuhl, Rektalabstrichen, Erbrochenem, aber auch aus verdächtigen Lebensmitteln und Speisen. Bei typhösem Verlauf sind Blutkulturen angezeigt. 5. Behandlung Bei gastroenteritischem Verlauf soll keine antibakterielle Chemotherapie erfolgen, da dadurch die Bakterienausscheidung verlängert werden kann. Normalerweise gilt es, nur den Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Bei typhösem Verlauf oder Erkrankungen im ersten Lebensjahr ist auch wegen der Gefahr einer Absiedlung in andere Organe eine Chemotherapie indiziert. Dies gilt ebenfalls für durch schwere Grundkrankheiten wie Leukämie, AIDS, nach Organtransplantationen oder durch höheres Alter abwehrgeschwächte Personen. Bisher wurden Co-Trimoxazol (Erwachsene zweimal täglich zwei Tabletten) oder Ampicillin (Erwachsene täglich 3–4 g, Kinder 100 mg/kg) für die Therapie eingesetzt. Bei Erwachsenen können auch Fluorochinolone wie Ofloxacin (zweimal täglich 0,4 g) oder Ciprofloxacin (zweimal täglich 0,5 g) angewendet werden. Letztere Präparate können auch zur Behandlung von Ausscheidern eingesetzt werden, die nach klinischer Genesung oder auch ohne vorangegangene klinische Erkrankung Salmonellen länger als sechs Monate ausscheiden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 154 von 205 Im Zusammenhang mit einer Chemotherapie ist immer eine Resistenzbestimmung des Erregers erforderlich. 6. Meldepflicht Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der Verdacht auf oder die Erkrankung an akuter infektiöser Gastroenteritis meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die im Lebensmittelbereich tätig ist oder zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Nach § 7 ist jeglicher Nachweis von Salmonellen unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden durch das untersuchende Labor dem für den Einsender zuständigen Gesundheitsamt zu melden. 7. Verhütung und Bekämpfung a) Verhütung der Übertragung in Schulen und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und Kindergärten Nach § 34 Abs. 1 IfSG gilt für Lehrer, Schüler, Schulbedienstete und Beschäftigte in anderen Kindergemeinschaftseinrichtungen, die an Salmonellose erkrankt oder dessen verdächtig sind, keine Einschränkung mehr, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung zu benutzen und an deren Veranstaltungen teilzunehmen. Kinder unter 6 Jahren, die an infektiöser Gastroenteritis erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Erkrankung nicht mehr zu befürchten ist. Ansonsten ist eine Zulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach Abklingen des Durchfalls (geformter Stuhl) möglich. Die Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Attests ist nicht erforderlich. b) Verhütung der Übertragung in Lebensmittelbetrieben Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die an Salmonellose erkrankt, dessen verdächtig sind oder Salmonellen ausscheiden, beim gewerbsmäßigen Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in Absatz 2 dieser Vorschrift aufgelisteten Lebensmittel nicht tätig sein oder beschäftigt werden, wenn sie dabei mit den Lebensmitteln in Berührung kommen. Dies gilt sinngemäß auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten, Kantinen, Krankenhäusern, Säuglings- und Kinderheimen, Kinderkrippen, Kindergärten sowie in weiteren Bereichen der Gemeinschaftsverpflegung. § 43 Abs. 1 IfSG regelt für die genannten Beschäftigten nach schriftlicher und mündlicher Belehrung die Ausstellung einer Bescheinigung darüber durch das Gesundheitsamt sowie die Bedingungen für die Fortführung oder Wiederaufnahme der Tätigkeit. c) Verhütung der Übertragung bei anderen beruflichen Tätigkeiten An Salmonellose Erkrankten, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern kann die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise untersagt werden (§ 31 IfSG). 8. Hygienemaßnahmen a) in Schulen und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und Kindergärten Die wichtigste Maßnahme zur Prophylaxe der Übertragung ist das Waschen der Hände vor allem nach jedem Besuch der Toilette, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten Gegenständen (z.B. Windeln), Nahrungsmitteln (z.B. Geflügel) und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur Erregerelimination, wohl aber zur drastischen Reduzierung der Keimzahl an den Händen. In Säuglingsheimen ist besonders die Einhaltung der Hygienemaßnahmen durch das Personal zu beachten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 155 von 205 b) in Lebensmittelbetrieben In Lebensmittelbetrieben zusätzlich zum Händewaschen weitergehende Maßnahmen angezeigt: Zur Händedesinfektion sind alkoholische Desinfektionsmittel geeignet. Das Desinfektionsmittel wird dazu nach Angaben des Herstellers in die Hände eingerieben, Nagelfalze und Fingerkuppen sind besonders sorgfältig zu behandeln. Wasser und Seife dürfen erst nach Ablauf der angegebenen Einwirkzeit verwendet werden. c) in Krankenhäusern u.a. Gesundheitseinrichtungen Die direkte Übertragung soll auch hier durch Händewaschen und Händedesinfektion verhindert werden. Zusätzlich sollte während der gesamten Erkrankungsdauer eine laufende Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit potentiell infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein können. Toilettensitz und Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken, Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen ggf. mit einem Desinfektionsmittel zu behandeln. Dabei ist die Einwirkzeit zu beachten. 9. Prophylaxe Neben der Schaffung und Erhaltung der Voraussetzung für die Produktion von Salmonellafreien Lebensmitteln und der strikten Einhaltung der Hygienevorschriften bei der Gewinnung, Be- und Verarbeitung, Lagerung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln, insbesondere tierischen Ursprungs, können folgende individuelle Maßnahmen vorbeugend wirken: Alle Speisen und Lebensmittel, die viel Eiweiß und Wasser enthalten, müssen entweder heiß oder unterhalb 10 °C, also im Kühlschrank aufbewahrt werden. Rohe Fleisch- und Wurstwaren, Schlachtgeflügel, Seetiere, Eier, Cremes, Salate und Mayonnaisen mit Rohei sowie Speiseeis sind stets nach dem Einkauf in den Kühlschrank zu bringen und dort aufzubewahren. Speisen dürfen nicht längerfristig warm, d.h. unter 60 °C gehalten werden. Eine sichere Abtötung der Salmonellen wird bei Temperaturen über 70 °C für mindestens zehn Minuten Garzeit erreicht. Bei vorgekochten Speisen muss die Abkühlzeit zwischen 60 ºC und 10 ºC kurz gehalten werden. Warme Speisen sollen innerhalb von zwei Stunden nach der letzten Erhitzung verzehrt werden. Beim Auftauen von gefrorenem Geflügel und Wild enthält das Auftauwasser oft Salmonellen. Auftauwasser separat auffangen und sofort in den Ausguss schütten (heiß nachspülen). Alle Gegenstände, die damit in Berührung gekommen sind, und die Hände sofort danach gründlich mit möglichst heißem Wasser reinigen. Beim Kochen mit der Mikrowelle keine zu kurzen Garzeiten wählen, damit die Speisen auch im Innern ausreichend erhitzt werden. Beim Aufwärmen von Speisen müssen 70 °C überschritten werden. Instantprodukte sind immer nur kurz vor dem Verzehr zuzubereiten. Strenge Beachtung der persönlichen Hygiene. Verwendung und häufiger Wechsel von kochbaren Küchentüchern. Modifiziert nach RKI, Stand: 05.07.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 156 von 205 Scharlach Erreger Zur Gattung Streptococcus gehört eine Reihe von Spezies grampositiver Kokken, die sich in Ketten oder Paaren lagern. Streptokokken sind typische Schleimhautparasiten. Ein wichtiges Kriterium der Einteilung ist das Hämolyseverhalten auf hammelbluthaltigen Nährböden. Diese wichtige Gruppe der Beta-hämolysierenden Streptokokken (sie bewirken eine vollständige Hämolyse, d. h. durchscheinende Höfe um die Kolonien) wird aufgrund unterschiedlicher Antigene des C-Polysaccharids in verschiedene Serogruppen (A-T) eingeteilt (Schema nach Rebecca Lancefield). Streptokokken der Serogruppe A (A-Streptokokken, Streptococcus - S. - pyogenes) werden durch die Reaktion spezifischer Antiseren mit Antigenen der Zellwand und weitere Merkmale identifiziert. Das Hauptoberflächenprotein von S. pyogenes ist das M-Protein, das in mehr als 80 durch unterschiedliche Antigenausprägungen unterscheidbaren Typen vorkommt und die Basis für die Serotypisierung der verschiedenen Stämme durch spezifische Antisera darstellt. Das Vorhandensein des M-Proteins korreliert mit der Fähigkeit eines Stammes, sich der Phagozytose in frischem menschlichen Blut zu widersetzen. Die Typisierung erfolgt heute meist aufgrund der Sequenzierung der Gene der M-Proteine (emm-Gene); dabei lassen sich mehr als 150 verschiedene emm-Typen unterscheiden, die wahrscheinlich einer ebenso großen Zahl von M-Proteinen entsprechen. Bestimmte Typen sind mit Erkrankungen des Rachens, andere eher mit Haut- bzw. Wund- oder septischen Infektionen korreliert; ähnliches gilt für die nicht eitrigen Spätfolgen >akutes rheumatisches Fieber< (ARF) und >akute Glomerulonephritis< (AGN). S. pyogenes exprimiert in unterschiedlichem Ausmaß eine aus Hyaluronsäure bestehende Polysaccharidkapsel. Bestimmte Stämme bilden durch die Produktion großer Mengen Hyaluronsäure eine dicke Kapsel, was der bakteriellen Kolonie ein charakteristisches Aussehen verleiht. Dieses Kapselpolysaccharid spielt ebenfalls eine Rolle in der Protektion der Organismen vor Aufnahme und Killing durch Phagozyten. Im Gegensatz zum M-Protein ist die Hyaluronsäurekapsel nicht immunogen. S. pyogenes erzeugt eine große Anzahl von extrazellulären Produkten, von denen man annimmt, dass sie eine Bedeutung für die lokale und systemische Toxizität besitzen und die Ausbreitung der Infektion im Gewebe erleichtern: Dazu gehören Streptolysin S und O, Toxine, welche die Zellmembran schädigen und eine Hämolyse bewirken, weiterhin Streptokinase, Hyaluronidase, DNasen, Proteasen und die pyrogenen Exotoxine A, C und weitere sog. Superantigene. Diese pyrogenen Exotoxine verursachen das makulöse Exanthem beim Scharlach. Vorkommen Racheninfektionen durch S. pyogenes sind weltweit verbreitet. Sie gehören zu den häufigsten bakteriellen Erkrankungen im Kindesalter und weisen einen Gipfel in der Altersgruppe der 4- bis 7-Jährigen auf. Ausbrüche sind allerdings auch in allen anderen Altersgruppen möglich. Die Zahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt (Basis: Daten aus Skandinavien, Daten zur Verschreibung oraler Penicilline unter der Indikation >Pharyngitis<). StreptokokkenPyodermien kommen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimaregionen vor und treten vor allem im Kleinkindesalter auf. Die Prävalenz dieser Erkrankungen ist sehr stark vom ökonomischen Status und der persönlichen Hygiene abhängig. Für die Bundesländer Deutschlands, in denen Scharlach meldepflichtig ist (Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) betrug im Jahre 1999 die vorläufige Zahl der gemeldeten Scharlacherkrankungen 7.572 (1998: 8.699), d. h. rund 62 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner, bei wahrscheinlich hoher Dunkelziffer. Reservoir Das Reservoir für S. pyogenes ist der Mensch. Insbesondere in den Wintermonaten ist eine asymptomatische Besiedlung des Rachens bei bis zu 20 % der Bevölkerung nachweisbar. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 157 von 205 Infektionsweg Die Streptokokken-Pharyngitis wird hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion übertragen, selten durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser. Eitrige Hautinfektionen durch S. pyogenes entstehen durch Kontakt- bzw. Schmierinfektion. Enges Zusammenleben (z.B. in Schulen, Kasernen, Heimen) begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt 2-4 Tage. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Patienten mit einer akuten Streptokokken-Infektion, die nicht spezifisch behandelt wurde, können bis zu 3 Wochen kontagiös sein. Nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie erlischt die Ansteckungsfähigkeit nach 24 Stunden. Klinische Symptomatik S. pyogenes kann eine Vielzahl von Krankheitsbildern verursachen, wichtige Gruppen sind lokale eitrige Infektionen des Rachens oder der Haut, generalisierte und toxinvermittelte Krankheitsbilder, Spätfolgen der Infektion. Lokalisierte Erkrankungen des Rachens (Tonsillopharyngitis) äußern sich mit Halsschmerzen, Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein und besonders bei Kindern mit Bauchbeschwerden und Erbrechen. Die Symptome können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und reichen von leichten Halsschmerzen mit minimal auffälligem Untersuchungsbefund bis zu hohem Fieber, starken Halsschmerzen mit ausgeprägtem Erythem und Schwellung der Pharynxschleimhaut sowie eitrigem Exsudat. Die Erkrankung kann begleitet sein von einer Sinusitis, Otitis media oder Pneumonie. Die wichtigste lokale Komplikation ist der Peritonsillarabszess. Haut- und Weichteilinfektionen durch S. pyogenes können die Haut, das Unterhautgewebe, Muskeln und Faszien betreffen. Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte, Pyodermie) ist eine oberflächliche Hautinfektion, die häufig im Gesicht (insbesondere um Mund und Nase) und an den Beinen auftritt. Es bilden sich pustulöse Effloreszenzen, die aufbrechen und zu Verkrustungen führen. Fieber tritt bei der Impetigo nicht auf und der Patient macht keinen kranken Eindruck. Bei Fieber sollte an eine Beteiligung tieferer Gewebsschichten gedacht werden. Weitere wesentliche Streptokokken-Infektionen der Haut und Weichteile sind das Erysipel, phlegmonöse Entzündungen des Subkutangewebes sowie nekrotisierende Fasziitiden (Fasciitis necroticans, flesh eating disease), welche die oberflächlichen und/oder tiefer gelegenen Muskelfaszien sowie die Muskeln (Myositis) befallen können. Generalisierte Infektionen können bei jeder lokalisierten Erkrankung entstehen. Das Einschwemmen des Erregers in die Blutbahn kann zur S.-pyogenes-Sepsis führen. Eine spezielle Form - die Puerperalsepsis - besitzt in den weniger entwickelten Ländern heute noch eine erhebliche Bedeutung. Zu den toxinvermittelten Erkrankungen zählen Scharlach und das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrome (STSS). Der Scharlach ist eine StreptokokkenInfektion, meist eine Angina, die von einem charakteristischen Exanthem begleitet wird. Das Exanthem entsteht durch die Einwirkung eines der pyrogenen Streptokokken-Exotoxine (Superantigene). Das Scharlachexanthem, bestehend aus kleinfleckigen Papeln, beginnt am ersten oder zweiten Krankheitstag am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aussparung der Handinnenflächen und Fußsohlen aus. Zu den zusätzlichen Symptomen gehören die periorale Blässe und die Himbeerzunge (vergrößerte Papillen auf einer belegten Zunge, die sich später schält). Das Exanthem verschwindet nach 6-9 Tagen. Einige Tage danach kommt es zur Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen. Eine Immunität wird immer nur gegen das bei der abgelaufenen Infektion vorherrschende Toxin erzeugt; das bedeutet, dass mehrfache Erkrankungen an Scharlach möglich sind. Das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrome wird nach heutiger Kenntnis ebenfalls wesentlich durch die erythrogenen Toxine (Superantigene) verursacht. Durch Schock und Multiorganversagen wird eine Letalitätsrate von rund 30 % erreicht. Wegen des raschen und potenziell tödlichen Verlaufes ist es bei einem sich entwickelnden STSS besonders wichtig, GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 158 von 205 frühzeitig die Diagnose zu stellen, um eine effektive intensivmedizinische Behandlung durchführen zu können. Spätfolgen von Streptokokken-Infektionen können das akute rheumatische Fieber (ARF) und die akute Glomerulonephritis (AGN) sein. Das ARF tritt nur nach Racheninfektionen mit einer durchschnittlichen Latenz von 18 Tagen auf. Die Latenzzeit für die AGN beträgt nach Racheninfektionen ca. 10 Tage, nach Hautinfektionen ca. 3 Wochen. Diagnostik Der mikroskopische Nachweis grampositiver Kettenkokken im Untersuchungsmaterial ist bei typischer Klinik zwar richtungweisend, aber wenig spezifisch, da morphologisch kein Unterschied zu anderen Streptokokken besteht. Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis von S. pyogenes (Bestimmung der Serogruppe). Typischerweise wird er aus Tonsillen- oder Wundabstrichen, Punktaten oder Blutkulturen geführt. Therapie Bisher sind in Deutschland keine Resistenzen gegen Penicillin bekannt. Therapie der Wahl bei Rachen- und Hautinfektionen mit S. pyogenes ist daher die 10-tägige Gabe von Penicillin (oral oder parenteral). Ein kürzeres Regime erhöht die Rückfallquote. Bei Penicillin-Allergie ist die Gabe von Erythromycin indiziert, allerdings sind Resistenzen bekannt. Alternative Therapiekonzepte mit einer 5- bis 10-tägigen Gabe verschiedener Oral-Cephalosporine oder Makrolide zeigen ähnlich gute Ergebnisse. Co-trimoxazol und Chinolone wirken nicht zuverlässig. Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, STSS, Fasciitis necroticans) wird eine Gabe von Clindamycin zusätzlich zur parenteralen Penicillin-Therapie empfohlen. Patienten mit rheumatischem Fieber sollten eine Rezidivprophylaxe mit Penicillin erhalten. Bezüglich der Dauer der Prophylaxe gibt es keine einheitliche Auffassung. Sie sollte mindestens über 5 Jahre gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang. Präventiv- und Bekämpfungsmassnahmen 1. Präventive Maßnahmen Wegen der weiten Verbreitung von S. pyogenes sind die Möglichkeiten der Prävention begrenzt. Eine Schutzimpfung existiert nicht. Die Prävention der Streptokokken-Pyodermien erstreckt sich im Wesentlichen auf die Einhaltung wirksamer Hygienemaßnahmen und auf die generelle Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung in tropischen und subtropischen Ländern. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine S.-pyogenes-Infektion sollte rasch erkannt und schnellstmöglich antibiotisch behandelt werden. Das Auftreten von S.-pyogenes-Infektionen im Krankenhaus verpflichtet zu besonderen Hygienemaßnahmen. Das frühzeitige Einleiten einer 10-tägigen antibiotischen Therapie verkürzt zugleich die Zeit der Kontagiosität und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer Nachfolgeerkrankung nach einer Pharyngitis. - Symptomlose Keimträger werden nicht behandelt. Nach einer Erkrankung ist die Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung unter antibiotischer Therapie und bei Fehlen von Krankheitszeichen ab dem 2. Tag möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind keine speziellen Maßnahmen erforderlich, sie sollten jedoch über ihr Infektionsrisiko und die mögliche Symptomatik aufgeklärt werden, um im Erkrankungsfall den rechtzeitigen Arztbesuch und eine Therapie zu gewährleisten. Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (§ 45 BSeuchG) dürfen Personen, die an Scharlach oder sonstigen Streptococcus-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtigt sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 159 von 205 Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit StreptokokkenInfektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Nach § 42 des Infektionsschutzgesetzes (§ 17 BSeuchG) dürfen Personen, die "an infizierten Wunden oder an Hautkrankheiten erkrankt sind, bei denen die Möglichkeit besteht, dass deren Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können" - hier vor allem anzuwenden auf Impetigo contagiosa - nicht tätig sein oder beschäftigt werden, beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter (in § 42 Abs. 2 IfSG genannter) Lebensmittel, wenn sie mit diesen in Berührung kommen, oder in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist die Diagnose schnellstmöglich zu sichern und bei allen Erkrankten - auch denen mit einem symptomarmen Verlauf - eine antibiotische Therapie einzuleiten, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Das über Ausbrüche informierte zuständige Gesundheitsamt - Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 34 (6) IfSG, in Gesundheitseinrichtungen nach § 6 (3) - kann dann beratend tätig werden und ggf. zur Verhütung der Weiterverbreitung notwendige Schutzmaßnahmen anordnen. Meldepflicht Nach dem Bundes-Seuchengesetz waren bisher die Puerperalsepsis und der Tod an Scharlach meldepflichtig. In einigen Bundesländern Deutschlands ist gegenwärtig auch die Erkrankung an Scharlach meldepflichtig. Nach Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) besteht die Meldepflicht gemäß BSeuchG nicht mehr. Für die Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen (definiert im § 33 des IfSG) besteht gemäß § 34 (6) IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten bestimmter Infektionen und Erkrankungen, bei denen die Gefahr der Weiterverbreitung besteht, zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Dies betrifft nach § 34 (1) auch Impetigo contagiosa sowie Scharlach oder sonstige Streptococcus-pyogenes-Infektionen. Die nach § 6 IfSG (1) 5 b bestehende allgemeine Meldepflicht im Falle des Auftretens »von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird«, dürfte dagegen auf Streptococcus-pyogenes-Infektionen und Scharlach in der Regel nicht zutreffen, weil bei diesen Krankheiten eine gleichzeitig geforderte »schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit« nicht gegeben ist. Allerdings sind gehäuft auftretende nosokomiale Streptokokken-Infektionen nach § 6 (3) IfSG unverzüglich als Ausbruch an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Modifiziert nach RKI, Stand: 25.10.2008 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 160 von 205 Schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS) Empfehlungen zum Transport von SARS-Verdachtsfällen Seit Februar sind in einigen Regionen Asiens, insbesondere Hongkong und der Provinz Guandong (China), Singapur und Hanoi, Vietnam, Häufungen schwerer akuter respiratorischer Erkrankungen bekannt geworden. Diese Erkrankungen werden von der Weltgesundheitsorganisation Severe Acute Respiratory Syndrome, kurz SARS genannt. Bis zum 24.3.2003 wurden über 450 Fälle, darunter 17 Todesfälle, aus 13 Ländern auf drei Kontinenten bekannt. Bisher erkrankten fast ausschließlich enge Kontaktpersonen Erkrankter, d. h. Familienmitglieder, Freunde und ungeschütztes medizinisches Personal. Nach bisherigen Informationen wird die Erkrankung direkt von Mensch-zu-Mensch, wahrscheinlich durch Tröpfcheninfektionen übertragen. Mehrere Länder berichten, dass nach Einführung konsequenter Hygienemaßnahmen keine weiteren Infektionen unter medizinischem Personal aufgetreten sind. Da die Ursache des SARS nicht bekannt ist, ist die derzeitige Definition eines SARS-Verdachtsfalls nicht präzise (sehr unspezifisch). Es muss davon ausgegangen werden, dass sich viele Verdachtsfälle im weiteren Verlauf nicht bestätigen, sondern an anderen fieberhaften Infekten, z. B. einer Influenza, erkrankt sind. Im Juni 2003 wurden unter Länder und Regionen, in denen in den letzten 20 Tagen wahrscheinliche SARS Fälle mit lokaler Weiterverbreitung in der Bevölkerung (gemäß Falldefinition) aufgetreten sind, nur noch Kanada und China aufgezählt. Ein Verdachtsfall von SARS ist gegeben wenn: Erkrankungsbeginn nach dem 1. November 2002 UND Fieber > 38 °C UND mindestens eines der respiratorischen Symptome Husten oder Atemnot UND mindestens eine der folgenden Expositionen innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome vorliegt: • • Enger Kontakt mit einem Verdachts- oder wahrscheinlichen Fall für SARS Aufenthalt in einer Region, aus der in den letzten Wochen lokale Übertragungen von SARS berichtet wurden (siehe Dokumentation des RKI „Betroffene Länder und Regionen im sinne der Falldefinition“ in seiner jeweils aktuellen Version) Ein wahrscheinlicher Fall von SARS ist gegeben, wenn: Kriterien für einen SARS-Verdachtsfall erfüllt sind UND mindestens eine der folgenden Bedingungen vorliegt: • Röntgenbefund weist auf eine Pneumonie oder auf Bestehen eines akuten Atemnotsyndroms (ARDS) hin • Ungeklärte Atemwegserkrankung mit Todesfolge sowie Autopsiebefund mit Hinweisen auf Akutes Atemnotsyndrom (ARDS) ohne feststellbare Ursache • Positiver Coronavirus-Nachweis Ausschlusskriterium • Vorliegen einer laborchemisch gesicherten anderen Diagnose, die das Krankheitsbild vollständig erklären kann. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 161 von 205 Hinweise zur Anwendung der Falldefinition 1. Bei SARS handelt es sich derzeit um eine Ausschlussdiagnose 2. Die Ummeldung von einem Verdachtsfall zu einem wahrscheinlichen Fall aufgrund eines positiven Coronarvirus-Nachweises sollte nur erfolgen, wenn das betreffende Labor die nötigen Qualitätskontrollen durchführt und die unten stehenden Hinweise zur Labordiagnostik befolgt wurden. 3. Im Rahmen der Einstufung gemäß Falldefinition sollte keine Unterscheidung zwischen wahrscheinlichen Fällen mit oder ohne positiven CoronavirusNachweis gemacht werden. 4. Ein Verdacht, der die klinischen Kriterien erfüllt, sollte nicht aufgrund eines negativen Laborbefundes ausgeschlossen werden. 5. SARS kann zusätzlich auch begleitet sein von Kopfschmerzen, Muskelsteifigkeit, Appetitverlust, Übelkeit, Verwirrtheit, Ausschlag oder Durchfall. Diese hier genannten Symptome sind jedoch keine Kriterien der Falldefinition. 6. Enger Kontakt ist definiert als: • Pflegen (auch körperliche Untersuchung) eines Falles, oder • Gemeinsame Wohnung mit einem Fall, oder • Direkter Kontakt mit Atemwegssekreten oder Körperflüssigkeiten eines Falles Fazit: SARS war die erste Pandemie des neuen Jahrtausends. Vielfach hat insbesondere der unvorbereitete und auch nachlässige Umgang mit der Erkrankung in den betroffenen Kliniken gerade auch unter dem Personal Todesopfer gefordert. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 162 von 205 Skabies (Krätzmilben) 1 Wesen der Erkrankung Die Scabies ist eine ausschließlich durch die Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei scabiei) verursachte Hauterkrankung des Menschen, die i.d.R. mit einem starken Juckreiz einhergeht. 2 Pathogenese Die Schädigung der Haut resultiert aus der Reizung und Gewebszerstörung durch diese Grabmilben, hauptsächlich durch die Weibchen aufgrund deren Bohrtätigkeit im Stratum corneum. Die Schadwirkung wird verstärkt durch die aus den Bohrgängen auf die Haut in kleine Bohrtaschen auswandernden Larven. Diese und die sich entwickelnden Nymphen sowie die dort lebenden Männchen und die jungen Weibchen üben ebenfalls Reizwirkung auf die Haut aus. Die von den Taschen aus sich in das Stratum corneum einbohrenden, bereits begatteten Weibchen setzen weitere Gewebeschäden. Die erste Phase des Befalls ist in zwei bis sechs Wochen nach Befallsbeginn abgeschlossen. Ihr folgt eine zweite Befallsphase, die in vielen Fällen durch allergische Abläufe bestimmt sein kann. Zunächst tritt eine Allergie vom Soforttyp auf. Ihr kann eine vom Spättyp folgen. Ausgelöst wird die Allergie durch Allergene, die über die Ausscheidungen oder über zerfallende Körper toter Milben ins Gewebe gelangen. Die Hautreaktionen beschränken sich oftmals nicht nur auf das Gewebe und den Sitz bzw. die Zerfallsstelle der Milben oder die Orte ihrer Ausscheidungen, sondern sie erstrecken sich gelegentlich auch auf Stellen, die vor längerer Zeit mit Milben oder anderen parasitären Gliedertieren befallen waren. Die Symptomatik kann durch Einschleppung von Erregern in die Bohrgänge, durch Kratzeffekte sowie indirekt durch synchrone Erkrankungen z.B. der Leber und des Blut- bzw. des Immunsystems (u.a. Tumorerkrankungen, Leukämie oder HIVInfektionen), Zn-, Mg oder Vitamin-A-Mangel, Cortison-Applikationen, Bestrahlungen oder Operationen (z.B. eine Milzexstirpation) verstärkt werden. In Ausnahmefällen können die mit Milben hineingetragenen Erreger ursächlich für eine Abzessbildung, eine Lymphangitis oder eine akute Glomerulonephritis sein. Für den Ausbruch der mit erheblichen, ausgebreiteten Hautveränderungen einhergehenden krustösen Krätze werden in einer Reihe von Fällen ein beeinträchtigtes Immunsystem und/oder Mangelerkrankungen (s.o.) verantwortlich gemacht. 3 Milbenzyklus Die Entwicklung der Milben (Abb. 1) erfolgt in und auf der Haut: Aus den im parallel zur Hautoberfläche im Stratum corneum verlaufenden, blind endenden Hautbohrgang von Weibchen abgesetzten Eiern schlüpfen sechsbeinige Larven. Sie durchbohren die Gänge und wandern zur Hautoberfläche. Dort entwickeln sie sich zu den achtbeinigen Nymphen. Nach kurzem Reifevorgang entstehen daraus die Männchen und etwas verzögert die Weibchen (mit ebenfalls jeweils vier Beinpaaren). Männchen und Weibchen kopulieren in den Bohrtaschen, bevor die Weibchen mit der Anlage der Bohrgänge beginnen. Pro Tag schaffen die Weibchen 0,5-5,0 mm Bohrgangslänge. Bei der mit starker Krustenbildung verlaufenden Scabies norvegica (s.u.) sitzen die Milbenweibchen häufig auf deren parakeratotischem Grund in Furchen. Dort findet im Falle einer solchen Erkrankungsform auch die Eiablage und der Larvenschlupf statt. Die Gesamtentwicklungszeit dauert für Männchen 9-14, für Weibchen 12 bis 21 Tage. Pro Weibchen werden durchschnittlich 40-50 längsovale, weißliche, 0,16-0,19 x 0,08-0,10 mm große Eier erzeugt. Die Lebensdauer der Weibchen erreicht drei bis acht Wochen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 163 von 205 Abb.1: Schematische Übersicht über den Aufenthalt der Krätzmilbe (Sarcoptes s. scabiei) auf und in der Haut während der unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung 4 Morphologie der Milben Einen Überblick über die diagnostisch wichtigsten morphologischen Merkmale der Krätzmilbe geben die Abb. 2 a-g Abb. 2a-g: Morphologie der Krätzmilbe in verschiedenen Stadien a: Embryoniertes Ei b: Larve (ca. 0,15 bis 0,20 mm lang, rundlich und mit sechs Beinen) c: Capitulum (vorn abgerundet) d: Vorderbein (kurz mit untergliedertem, langen Stiel und Haftschale) e: Abdomenende des Männchens (ventral, Größe: ca. 0,20-0,30 x 0,15-0,20 mm) f: Abdomenende des Weibchens (ventral) g: Körperansicht des Weibchens (dorsal, weißgrau, rundoval, beschuppt und bedornt, Größe ca. 0,30-0,50 x 0,200,40 mm) 5 Epidemiologie Die Milben leben von Zellflüssigkeit, Lymphe und Epidermiszellen. Sie werden insbesondere in der Familie und in Gemeinschaftseinrichtungen (vornehmlich in Jugend- und Altenheimen sowie Krankenhäusern) relativ schnell verbreitet. Vor allem enge Hautkontakte wie Geschlechtsverkehr, Stillen und Kuscheln aber auch asymptomatisch befallene Personen tragen erheblich zur Milbenverbreitung bei. Einem hohen Befallsrisiko sind grundsätzlich Betreuer infizierter Personen ausgesetzt, wenn sie engen körperlichen Kontakten zu den Betreuten nicht ausweichen können. Hoch milbenhaltig sind z.B. die Krusten bei der Scabies norvegica. Beengte und hygienisch mangelhafte Wohnverhältnisse sowie Sekundärerkrankungen begünstigen die Ausbreitung des Befalls. Gelegentlich werden die Milben auch über ausgetauschte, nicht oder unzulänglich gewaschene Kleidung, Bettwäsche GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 164 von 205 und Matratzen, Bettvorleger, Decken, Plüschtiere, Kissen, Handtücher, Thermometer, Blutdruckmanschetten und dem Körper eng anliegende textile Haltebänder übertragen. Die Krätzmilbe ist kosmopolitisch verbreitet. Ihre Einschleppung über den Reiseverkehr ist jahreszeitlich nicht beschränkt. In Europa nördlich der Alpen ist jedoch die Ausbreitungsgefahr der Krätze im Herbst und im Winter größer als zu anderen Jahreszeiten. Die Übertragung der Milben findet i.d.R. durch begattete Weibchen statt. Sie bohren sich binnen 30 Minuten in die Hornschicht der Haut ihres neuen Wirtes ein. Die extrakorporale Überlebenszeit der Milben und die Bewahrung ihrer Einbohrfähigkeit hängen stark von der Temperatur und Luftfeuchte ab. Bei Temperaturen bis 25°C und 90 % relativer Luftfeuchte oder wechselnden Raumtemperaturen um 18°C können die Milben ein bis vier Tage befallsfähig überleben, bei 12°C und feuchter Luft sogar bis 14 Tage. Die Grenze zur Immobilität liegt bei 16°C. 6 Krankheitsbild Bei Erstbefall dauert es je nach der initialen Anzahl der Milben zwei bis sechs, im Durchschnitt vier Wochen, bis die ersten Symptome auftreten. Sie bestehen in einem leichten Brennen bis zu heftigem Juckreiz. Dieser ist in der Phase starker Milbenvermehrung und -bohrtätigkeit vor allem nachts unter Bettwärme heftig. Ihm folgt eine stecknadelkopfgroße Vesikel-, dann eine oft erythematöse Papel- und schließlich die Pustelbildung. Diese Erscheinungen können einzeln oder in Gruppen vorliegen. Der zuweilen nachfolgende generalisierte Hautausschlag (Sekundärexanthem) ist eine Folge der Sensibilisierung. Der Ausschlag tritt häufig um die Brustwarze und am Handrücken auf. Er bleibt bei unzulänglicher antiparasitärer Therapie oder fortwährender Reinfestation weiterbestehen oder wird sogar verstärkt. Eine solche Symptomatik an den typischen Skabiesstellen und/oder an nicht-typischen Befallsstellen kann auch durch einen fortlaufenden alleinigen oder erst zusätzlichen Kontakt zu Milben von Tieren (Tier- und Trugkrätze (= Pseudoskabies)) bzw. freilebenden Milben ausgelöst bzw. weiter unterhalten werden. Nur wenige Milben reichen zur Erzeugung einer Befallssymptomatik aus. Das Krankheitsbild kann durch schwere, wie die zu zweitens aufgeführten immunitätsmindernden Einflüsse, Mangelkrankheiten sowie durch Kratzeffekte deutlich verstärkt bzw. verändert werden. Prädilektionsstellen bei der gewöhnlichen, d.h. nicht-krustigen Form der Krätze sind die Zwischenfingerräume, die Handgelenke, die Umgebung der Brustwarzen, die Ellenbogen, die Leistenregion und der Penis. Vereinzelt tritt eine Ausbreitung auf Arme, Achseln, Schenkel, später auf Finger und Nagelumgebung und/oder Fußsohlen, Bauch, Rücken, Nacken bzw. das Gesicht einschließlich Ohren ein. Bei Säuglingen und gelegentlich bei Kleinkindern sind eher Gesicht, behaarte Kopfhaut, Handflächen und/oder Fingerrücken befallen. Prädilektionsstellen bei der hoch kontagiösen, nur noch schwachen oder keinen Juckreiz aufweisenden, aber von starker Schuppen- und Borkenbildung begleiteten Scabies norvegica sind die Finger, der Handrücken, die Haut über der Handwurzel und die Ellenbogen. Außer den cremeartigen, grau, gelb, grünlich oder bräunlich gefärbten Borken sowie Krusten treten bei dieser Krätzeform an den Streckflächen der Extremitäten Fissuren auf. Eine Ausbreitungstendenz besteht in Richtung auf die Kopfhaut, die Ohren, die Zehen, die Fußsohlen und den Rücken. Die Nägel können verfärbt, laminiert, verdickt, rauh oder/und erweicht sein. Die Haut unter den 3-15 mm dicken Krusten, die meist lokal begrenzt auftreten, ist rot, glatt, glänzend und zuweilen feucht. Bei der mehr erythematosquamösen Form der Scabies norvegica sind die Krusten dünner, z.T. schuppig und mehr diffus verteilt. Die knotige Form der Krätze wird als Ergebnis einer Überempfindlichkeitsreaktion auf die Zerfalls- und Ausscheidungsprodukte der Milben gedeutet. Die nur geringfügig hervortretenden, glatten, runden, festen, roten bis rotbraunen Knoten bilden sich an Stellen mit dünner Haut, z.B. um die Genitalien und an den Achseln. Sie verschwinden i.d.R. binnen drei, in seltenen Fällen erst nach zwölf Monaten. 7 Diagnostik Krätzeverdächtig ist zunächst jede Person mit den o.g. typischen Hauterscheinungen, insbesondere mit unerklärlich starkem Juckreiz. Abgeklärt wird ein vermuteter Krätzmilbenbefall durch die Suche nach Bohrgängen, Papeln und Vesikeln unter Zuhilfenahme einer starken Lupe. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 165 von 205 Die z.B. per Skalpell eröffneten Milbengänge können durch Einreiben von Tinte und durch ihr anschließendes Abtupfen mit Ethylalkohol getränkten Tupferbällchen oder nach Klebefilmabriss und Einfärben mit Filzstift sichtbar gemacht werden. Die Milben selbst sind aus den Gängen durch Kratzen mit einem Rundkörperskalpell oder mit einem scharfen Löffel zu gewinnen. Die herauspräparierten Materialien (Geschabsel) werden in einem Blockschälchen in 5 ml 20 %iger Kalilauge über eine Stunde bei ca. 20°C mazeriert, dann bei 1500 U über vier Minuten zentrifugiert und der Bodensatz mikroskopisch auf Milben und deren Eier untersucht. Eine leichte, weitere Erwärmung des Hautmaterials z.B. auf der Heizung beschleunigt den Mazerationsprozess. Der Bohrgangsinhalt kann ferner mit einer Nadel entnommen und unmittelbar danach unter Erwärmung in einem Deckglaspräparat in Kalilauge unter Zusatz von zwei Tropfen Mineralöl untersucht werden. Die Herstellung von Hautschnitten aus Biopsie-Material ist eine weitere Möglichkeit zum Milbennachweis, ebenso die Entnahme von Gewebe des parakeratotischen Randes der Fingernagelplatte. Papulöse Herde im Gesicht enthalten fast nie Milben. Gelingt der Milbennachweis mehrfach nicht, etwa bei einer starken, ausgebreiteten Überempfindlichkeitsreaktion, so kann das Ergebnis einer antiparasitären Probebehandlung Aufschluss über einen eventuellen Befall geben. Die Behandlung sollte als sog. "Sicherheitsbehandlung" (Ganzkörper ohne Kopf) erfolgen. Auch Borken können stark milbenhaltig sein, etwa bei Scabies norvegica. Im Falle des Verdachts auf Befall mit Milben vom Tier oder mit freilebenden Milben (s.o.) helfen ebenfalls Hautproben weiter.Die Tier- bzw. Trugkrätze-Milben weichen morphologisch von Sarcoptes scabiei scabiei ab, und ihre Anzahl ist i.d.R. geringer als bei Krätzmilbenbefall. 8 Differentialdiagnose Differentialdiagostisch ist die Diagnose "Krätze" je nach Befallssymptomatik abzugrenzen gegen parasitär bedingte Erkrankungen wie Tier- und Trugkrätze, die Demodexinfektion, Herbstmilbendermatitis (Erntekrätze), Körper- und Filzlausbefall sowie gegen nicht parasitär verursachte Hauterkrankungen. Hierzu gehören bakteriell infizierte Erkrankungen der Haut , Ekzeme wie das postskabiöse Ekzem oder postskabiös persistierende Papeln, Pityriasis rosea, manche Formen von Urticaria, Sabra-Dermatitis, symptomatischer Juckreiz bei Diabetes mellitus, Schilddrüsen- oder Lebererkrankungen, Tinea corporis und inguinalis, Insektenstichreaktionen und Insektenwahn mit Kratzeffekten an der Hand (Symptom-Ursachen bei letzterem: Kratzen oder Eigentherapie). Die klinischen Bilder bei der Tier- und der Trugkrätze können denen der Krätze sehr ähnlich sein. In der Regel verschwinden die klinischen Erscheinungen alsbald nach Absterben der TierKrätzmilben in der Haut bzw. binnen acht Tagen nach Einstellung des Kontakts zu den Milbenquellen (Wirtstiere). Wie die Symptome der Tierkrätze verschwinden auch die der Trugkrätze binnen weniger Tage nach Beendigung des Kontakts mit der Milbenquelle (z.B. Nahrungs- und Futtermittel, Gegenstände oder Raumflächen). 9 Bekämpfung A. Therapie Im Allgemeinen beginnt die Therapie mit einem Ganzkörper-Bad. Vor der Anwendung des gewählten Mittels muß die Haut trocken und wieder auf die normale Hauttemperatur abgekühlt sein. Bei Antikrätzesprays (Wirkstoff: S-Bioallethrin) kann das Bad entfallen. Soweit notwendig, bzw. bei Scabies norvegica in jedem Fall, muss vor der Krätzmilben tötenden Mittelapplikation zudem eine hornschichterweichende Behandlung stattfinden. Das gewählte Antikrätzepräparat sollte vor dem Zubettgehen auf alle Befalls- und potentiellen Befalls-, besonders intensiv auf die Prädilektionsstellen aufgetragen werden. Immer ist der ganze Körper mit Ausnahme von Gesicht und behaartem Kopf in die Behandlung einzubeziehen. Alle Personen mit Hautkontakt zum Befallenen, auch die ohne krätzeverdächtige Symptome, sind als potentielle Verbreiter mitzubehandeln. Eine zusätzliche Behandlung von Kopfhaut, Gesicht und Nacken kann bei Kleinstkindern und im Falle von Scabies norvegica erforderlich werden. Die Behandlung muss in der folgenden Nacht und ggf. in weiteren Nächten wiederholt werden, soweit nicht ausdrücklich anderes in der Gebrauchsanweisung vorgeschrieben ist. Ein nachfolgend erforderliches Bad darf je nach Krätzemittel erst 12 bis 24 Stunden post applicationem stattfinden. Eine kürzere Einwirkzeit der Mittel und eine zweiseitige GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 166 von 205 Halbkörperbehandlung sowie das deutlich frühere Baden ist i.d.R. jedoch bei Kleinkindern unumgehbar. Sehr häufig wird die Organochlorverbindung Lindan (g-HCH) gegen die Milben eingesetzt. Sie kann in Form von Cremes, Lotios, Gels, Pudersprays und Emulsionen verwendet werden. Die Emulsion kommt z.B. 0,3 %ig bei Erwachsenen und Kindern ab zehn Jahre an drei aufeinanderfolgenden Abenden zum Einsatz und wird am folgenden Morgen abgeduscht. Bei Drei- bis Neunjährigen sind i.d.R. zwei Applikationen in eintägiger Folge und mit einer Einwirkzeit von drei Stunden ausreichend. Bei 0,3 %igen Lindan-Mitteln sollte die Behandlung gegen nachgeschlüpfte Larven sicherheitshalber nach sieben bis acht (- zehn) Tagen wiederholt werden. Bei 1%igen Präparaten ist die Wiederholung im Allgemeinen nicht notwendig, jedoch ist bei diesen Mitteln die absorbierte Wirkstoffmenge zumeist deutlich höher als bei 0,3 %igen. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis drei Jahre sind nur 0,3 %ige Präparate an lediglich zwei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils drei Stunden anzuwenden. Ggf. ist die Anwendungsfläche und -häufigkeit durch körperhälften- oder sogar körperabschnittsweises Vorgehen zu strecken. Als weiterer Wirkstoff wird gegen Krätzmilbenbefall - vor allem auch der schwer therapierbaren knotigen Krätze - Crotamiton, ein organisches Säureamid in Form von Cremes oder Lotio verwendet, letztere z.B. 10 %ig über zwei bis fünf aufeinanderfolgende Nächte. Danach wird die Haut gewaschen. Crotamitonpräparate wirken zusätzlich juckreizmindernd. Zugleich sind sie irritierend für nicht intakte Haut und Schleimhäute. Zugelassen ist ferner ein mit Piperonylbutoxid synergisierter S-Bioallethrin-Ganzkörperspray. Trotz seiner kurzen Einwirkzeit ist der Spray auch bei knotiger Scabies wirksam. Die unter Umständen Reizungen erzeugende Benetzung von Schleimhaut kann durch Abdeckung mit Handtüchern verhindert werden. Stellen im Gesicht, die nicht besprüht werden können, sind z.B. über benetzte Wattetupfer behandelbar. Die Behandlungen mit dem Spray sollten, insbesondere wenn mehrere Personen unmittelbar nacheinander zu therapieren sind, in gut durchlüfteten Räumen vorgenommen werden. Die einmalige Behandlung reicht i.d.R. aus. In vielen Fällen wirkt das Benzylbenzoat, 10 bis 30 %ig als Emulsion, mit einem ca. 5 cm breiten Pinsel auf die Haut aufgetragen, befallstilgend nach einer Einwirkzeit von mind. fünf bis 15 Minuten. Danach ist das Mittel abzuwaschen. Die Behandlung ist je nach Stärke der Symptomatik nach einem Tag bzw. einer Woche ein- bis zweimal zu wiederholen. Vollbäder sollten aber erst 48 Stunden nach der letzten Applikation genommen werden. Benzylbenzoat wirkt stark reizend auf die verletzte Haut und Schleimhäute. Dies ist bei Krätze insbesondere für excoriierte oder ekzematös veränderte Hautzonen, z.B. die Skrotalregion zu beachten. Benzylbenzoat kann auch im Wechsel mit Crotamiton- oder Disulfirammitteln in sonst therapietoleranten Fällen in z.B. viertägigen Abständen verwendet werden. Präzipitatschwefel kann in Salbenform (5 bis 15 %ig, bei Kindern 2,5 bis 3 %ig) gegen Krätzmilben ebenfalls befallstilgend wirksam sein. Er ist auch bei Stillenden und Schwangeren sowie Kleinkindern verwendbar, billig und leicht rezeptier- und applizierbar. Bei Kindern kann auch der Kopf mit solcher Salbe behandelt werden. Das Abwaschen des Schwefels erfolgt am 3. Tag post applicationem. Mittel zur oralen Behandlung sind in Deutschland nicht zugelassen. Im Falle der zuweilen auftretenden Toleranz gegen die in Deutschland zugelassenen Mittel können andere z.B. auf Schwefelverbindungen oder auf Birkenteer (Unguentum antiscabiosum) basierende oder im Ausland vertriebene, äußerlich anwendbare Präparate mit nachstehend aufgeführten Wirkstoffen befallstilgend wirksam sein, wie das ölig-flüssige oder als Shampoo formulierte 2,7-Dimethylthianthren, das selbst bei nur einmaliger therapeutischer Applikation befallstilgend wirken kann, das Tetraethylthiurammonosulfid (25 %ig), dessen Präparate mit Wasser 2-3fach verdünnt auf die gereinigte Haut - ausgenommen das Gesicht und Kopfhaar - an zwei bis drei aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen werden (Unverträglichkeiten können bei Kindern und nach Alkoholgenuss auftreten), das Disulfiram (2 %ig), in wässriger Lösung, oder Mittel mit Wirkstoffen aus anderen chemischen Gruppen wie Malathion, Trichlorfon, Permethrin und Dixanthogen, Niem-Öl und Ivermectin bzw. Thiabendazol. In letzter Zeit wird häufiger von Befallstilgungserfolgen mit dem für humanmedizinische Indikationen in Deutschland nicht zugelassenen makrocyklischen Lakton Ivermectin berichtet. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 167 von 205 Therapieversuche mit solchen Mitteln in Deutschland, die über sog. Auslandsapotheken beschafft wurden, verliefen - soweit bisher bekannt - befallstilgend. Der aus dem Ausland vereinzelt berichtete, d.h. unterstellte letale Ausgang oraler Behandlungen mit Ivermectin bei älteren Patienten (> 60 Jahre alte), der z.T. erst nach Wochen oder Monaten auftreten soll, wurde aus Deutschland bisher nicht bekannt. Das insektizid, akarizid und anthelmintisch wirkende Ivermectin wird in Eigenverantwortung des verordnenden Arztes gegen Krätzmilben ein bis maximal zweimal – dann je nach Präparat im Abstand von ein bis acht Tagen – in einer Dosis von (jeweils) (200) bis 250 µg/kg KGW pro Person verwendet. Auch Thiabendazol, im Ausland per os verwendet, wurde in Deutschland zur Anwendung gegen Krätze bisher nicht zugelassen. Es verursacht nicht selten erhebliche Nebenwirkungen. Die möglicherweise auftretende o.g. Allergie vom Spättyp (postscabiöses Ekzem oder ekzemartige Sekundärveränderungen) im Anschluss an eine befallstilgende Lokaltherapie lässt sich z.B. mittels Ölbädern oder weicher Zinkpaste (2 %ig) oder kortikoidhaltiger Salben beherrschen. Knotige Prozesse sind u.a. mit 10-20%iger Ichthyolsalbe oder 3 bis 5 %igem Salicylsäure-Öl oder 5 %iger Vaseline, entzündliche Abläufe z.B. mit Kortikoiden und Antiseptika enthaltenden Salben, u.U. letztere im Wechsel mit Salicylsäure-Vaseline anzugehen. Hydrocortison-Creme 1 % hilft gegen den stark lästigen Juckreiz, der trotz spezifischer, erfolgreicher Antimilbenbehandlung noch einige Zeit weiterbestehen kann (postskabiöses Ekzem). B. Hygienemaßnahmen und Entwesung Der Wechsel der Körper- und der Unterkleidung sowie der Bettwäsche und ggf. der Bettdecken sollte alle 12 bis 24 Stunden vorgenommen werden. Die Handtücher sind zweimal täglich zu wechseln. Ein Wechsel der durch das Krätzemittel via Haut imprägnierten Nachtkleidung ist erst nach einigen (bei Lindanmitteln i.d.R. vier) Tagen angezeigt. Die Mittelrestwirkung macht die Milben befallsunfähig. Die Oberbekleidung braucht nur in Ausnahmefällen entwest zu werden, z.B. durch mind. siebentägiges Durchlüften oder chemische Reinigung. Für Bettwäsche, Unterbekleidung, Blutdruckmanschetten und Handtücher reicht dafür das normale Waschen bei 60°C aus. Auch ein bis 14-tägiges Unbenutztlassen der Textilien in Plastiksäcken schädigt die Milben so, dass sie nicht mehr befallsfähig sind. Möbel, wie Betten, Sessel und Fußbodenbeläge sind mittels starker Staubsauger von Milben befreibar. Ein wiederholtes Staubsaugen ist im Falle von Scabies norvegica unverzichtbar. Plüschtiere und Schuhe können schnell durch Einfrieren milbenfrei gemacht werden. Der Einsatz chemischer Mittel zur Entwesung milbentragender Gegenstände und Räume ist i.d.R. nicht erforderlich, da die o.g. nicht-chemischen Maßnahmen fast immer ausreichen. Ist die Anwendung chemischer Mittel nicht zu umgehen, werden als wirksame chemische Mittel Flüssigpräparate auf Malathion- und Puder auf Temephosbasis empfohlen. Nach der Entwesung kann eine sachgerechte Dekontamination und Reinigung der behandelten Gegenstände erforderlich sein. 10 Gesetzliche Bestimmungen Nach § 34 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an Krätze erkrankt oder dieser verdächtig sind, in Einrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder Jugendliche betreut werden (Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG), insbesondere Kinderkrippen, -gärten, -tagesstätten oder –horte, Schulen oder sonstige Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager oder ähnliche Einrichtungen, keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krätze durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Danach darf von dem Patienten keine Weiterverbreitungs- und somit keine Ansteckungsgefahr mehr ausgehen. Es ist für die Erteilung der Erlaubnis zum Wiederbesuch der Gemeinschaftseinrichtungen daher entscheidend, dass überlebende Milben nicht mehr in der Lage sind, einen neuen Krätzefall zu verursachen. Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, hängt also vom Zeitpunkt des Eintritts des Verlustes der Fähigkeit der Milben zur Infektion aufgrund der Therapie- und Entwesungsmaßnahmen ab. Es kommt demnach nicht auf die Dauer der absoluten Überlebenszeit der Milben an, sondern auf GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 168 von 205 die Zeitdauer ihrer Fähigkeit im Anschluss die Therapie und die Entwesung an, neue Personen über den direkten oder indirekten Kontakt (z.B. über eine Blutdruckmessmanschette oder eine Decke) zu befallen und sich auf ihnen fortzupflanzen. Der Zeitpunkt der praktischen Milbenfreiheit bzw. der des Auffindens von ausschließlich toten Milben ist das sicherste Kriterium für die Beendigung der Ansteckungsgefahr. Dennoch wird der Termin des Verlustes der Fähigkeit der Milben zur Neuinfestation i.d.R. erheblich früher erreicht. Das heißt, der zeitliche Ablauf der Wirkung der eingesetzten therapeutischen Akarizide sowie der der eingesetzten Entwesungsmittel und -verfahren bestimmt den Termin des Verlustes der Fähigkeit der Milben zur Neuinfestation entscheidend mit. Die letale Schädigung der Milben kann bereits nach wenigen Stunden, aber auch erst nach mehreren Tagen, zuweilen erst nach ein bis drei Wochen erreicht sein. Sofern schon unmittelbar nach der ersten Mittelapplikation, d.h. binnen eines halben Tages alle auf der Haut befindlichen oder die auf die Haut auf- und auswandernden Krätzmilben letal geschädigt sind und die notwendigen Entwesungsmaßnahmen ebenfalls in letal milbenschädigender Weise sachgerecht durchgeführt wurden, besteht kein Grund den Befallenen den Besuch von Schulen und den von anderen Gemeinschaftseinrichtungen länger als einen Tag zu verwehren. Erst nach der letzten sachgerechten Mittelanwendung und einer Erfolgskontrolle in entsprechendem Abstand ohne den Nachweis von lebenden Milben kann die endgültige Milbenfreiheit durch den behandelnden Arzt bescheinigt werden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich. Die Tilgung der Milbenpopulation am Krätzepatienten geht aber nicht unbedingt mit klinischer Symptomfreiheit einher. Die Abheilung der Hautveränderungen kann noch Tage bis einige Wochen nach Abschluss der befallstilgenden Therapie und der wirksamen Entwesung von befallener Kleidung, Wäsche und Gegenständen anhalten. Die Ursache dessen liegt in einer allergischen Reaktion auf das Vorhandensein lebender, aber nicht mehr vitaler sowie toter Milben und von Milbenteilen bzw. in einer sensibilisierenden Lokaltherapie oder in einer Fremdkörperreaktion auf die Parasiten und die Reste von diesen. Anders als bei der Verlausung lösen bei der Krätze bereits begründete Verdachtsfälle angemessene Maßnahmen aus. Bekannte Tatsachen zum Auftreten oder zum Verdacht des Auftretens von Krätze haben die betroffenen Personen oder in bestimmten Fällen der Sorgeinhaber der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich mitzuteilen (§ 34 Abs. 5). Die Leitung der Einrichtung benachrichtigt unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt unter Angabe krankheitskrätzeund personenbezogener Daten (§ 34 Abs. 6). Das Gesundheitsamt kann gegenüber der Leitung der Gemeinschaftseinrichtung anordnen, dass das Auftreten der Erkrankung an Krätze oder eines hierauf gerichteten Verdachtes ohne Hinweis auf die Person in der Gemeinschaftseinrichtung bekannt gegeben wird (§ 34 Abs. 8). Personen, die in den Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeiten regelmäßig ausüben und Kontakt mit den dort Betreuten (Kindern und Jugendlichen) haben, sind vor der erstmaligen Aufnahme ihrer Tätigkeit und im Weiteren mindestens im Abstand von zwei Jahren von ihrem Arbeitgeber über die gesundheitlichen Anforderungen und Mitwirkungspflichten nach § 34 IfSG zu belehren (§ 35). Die Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG sowie Krankenhäuser, Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulante Operationen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach § 1 Abs. 1, 1a des Heimgesetzes, vergleichbare Behandlungs-, Betreuungs- und Vorsorgeeinrichtungen sowie Obdachlosenunterkünfte, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber, Spätaussiedler und Flüchtlinge sowie sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten legen in Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene, also auch zum Schutz gegen Krätze, fest. Das Gesundheitsamt überwacht diese Einrichtungen infektionshygienisch (§ 36 Abs. 1). Modifiziert nach RKI, Stand: 25.06.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 169 von 205 Syphilis (Lues) Erreger Treponema (T.) pallidum (subspecies pallidum), der Erreger der venerischen Syphilis, gehört zur Gattung Treponema in der Familie der Spirochaetaceae und ist für den Menschen obligat pathogen. Das gramnegative Bakterium ist spiralig gewunden und zeigt im Lichtmikroskop (Dunkelfeld) Rotationen um die Längsachse sowie Beugebewegungen ohne selbständige Fortbewegung. T. pallidum färbt sich nur schlecht durch Anilinfarben an (pallidum = bleich). Es überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit, länger unter reduzierter Sauerstoffspannung (mikroaerophil). In gekühlten Blutkonserven waren noch nach 5 Tagen vitale Treponemen nachweisbar. Da der Erreger auf bestimmte Nährstoffe aus dem Organismus angewiesen ist, die er nicht synthetisieren kann, ist eine kulturelle Anzüchtung in vitro nicht möglich, sie gelingt in Kaninchenhoden. Die Gattung Treponema umfasst pathogene und apathogene Arten: humanpathogen sind neben T. pallidum ssp. pallidum die Erreger der nichtvenerischen Treponematosen, die außerhalb Europas vorkommen. T. pallidum ssp. endemicum verursacht die endemische Syphilis oder Bejel (Nordafrika, Mittlerer Osten), T. pallidum ssp. pertenue verursacht die Frambösie (Afrika, Lateinamerika, Asien) und Treponema carateum verursacht die Pinta (Zentral- und Südamerika). Nichtpathogene Arten – T. denticola, T. minutum, T. refringens, T. vincentii und T. phagedenis – sind im Oral-, Anogenital- und Intestinaltrakt innerhalb der normalen Flora zu finden. T. denticola spielt eine Rolle bei der Pathogenese der Paradontitis. Die apathogenen Spirochäten sind länger und weisen weniger Windungen auf. Vorkommen Die venerische Syphilis, die am häufigsten durch sexuelle Kontakte übertragen wird, gehört zu den weit verbreiteten chronisch zyklischen Infektionskrankheiten. Die Entwicklung des Penicillins hatte mit der Möglichkeit einer kausalen Therapie einen entscheidenden Einfluss auf das Vorkommen der Krankheit. Die Zahl der gemeldeten Syphilisfälle war in Deutschland (wie in anderen westlichen Industrieländern) besonders seit Ende der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts stark rückläufig. Männer erkrankten etwa doppelt so häufig wie Frauen. Die Aussagekraft der Daten war allerdings durch eine Untererfassung beeinträchtigt. Ende der 90er Jahre erreichte die Inzidenz der gemeldeten Fälle mit 1,4 pro 100.000 Einwohner ihren niedrigsten Stand. Seit 2001 steigen die Inzidenzen wieder deutlich an. Im Jahr 2002 wurden 2,8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Dies geht hauptsächlich auf eine Zunahme von Infektionen bei homosexuellen Männern in großstädtischen Ballungsräumen (Hamburg, Berlin, Frankfurt, Köln, Städte des Ruhrgebiets, München u.a.) zurück, eine Entwicklung, die auch in anderen europäischen Großstädten beobachtet wird. Der Anteil der Männer an den 2003 gemeldeten Erkrankungen ist auf 90% gestiegen. Das Maximum der Morbidität liegt gegenwärtig im 3. und 4. Lebensjahrzehnt. Die Zahl der Neuerkrankungen bei Frauen und der Erkrankungen, die Männer im Rahmen heterosexueller Kontakte erworben haben, hat sich bisher nicht wesentlich verändert. Zu beachten sind aber Syphilisausbrüche in Osteuropa und auf dem Balkan auf der Basis heterosexueller Kontakte, die einen Einfluss auf das Infektionsgeschehen in Deutschland haben (belegt durch importierte Fälle). Insgesamt hat die Syphilis, die in Deutschland seit Inkrafttreten des IfSG recht gut erfasst wird (s.u.), eine in Mittelund Westeuropa vergleichsweise große Häufigkeit erreicht. In den letzten Jahren hat die Syphilis weitere Bedeutung dadurch erlangt, dass sie nicht selten als Koinfektion bei HIV-Infizierten in Erscheinung tritt (syphilitische Ulzera begünstigen das Zustandekommen einer Infektion mit dem HIV; eine floride Syphilis kann den Verlauf einer HIVInfektion ungünstig beeinflussen und umgekehrt). Der gegenwärtig zu beobachtenden Ausbreitung unter homosexuellen Männern liegt nach den dazu vorliegenden Daten eine differenzierte Veränderung sexuellen Risikoverhaltens zugrunde. HIV-positive Männer verzichten in steigendem Umfang und auch mit z.T. häufig wechselnden HIV-serokonkordanten Partnern auf Kondome. Darüber hinaus schließt der unter dem Einfluss der AIDS-Prävention erreichte Verzicht auf Analverkehr oder der Gebrauch von Kondomen beim Analverkehr erhebliche Übertragungsrisiken für Syphilis (aber auch für Gonorrhoe oder Chlamydieninfektionen) nicht aus, die durch ungeschützte genital-orale und oral-anale Kontakte entstehen. Die heute mögliche Therapie der HIV-Infektion hat auch die GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 170 von 205 Zahl wechselnder Partner und den Anteil riskanter sexueller Kontakte wieder ansteigen lassen. Reservoir Einziges Reservoir des Erregers ist der Mensch. Infektionsweg T. pallidum wird am häufigsten durch direkte sexuelle Kontakte übertragen und dringt dabei durch Mikroläsionen der Schleimhaut oder Haut in den Organismus ein. Übertragungsvorgänge durch kontaminierte Nadeln o. a. kontaminierte Gegenstände sind selten. Praktisch wichtig ist ferner die diaplazentare Übertragung von einer infizierten Mutter auf ihr ungeborenes Kind. Übertragungen durch Bluttransfusionen sind durch systematische Testung aller Spenden extrem selten und in Deutschland seit über 20 Jahren nicht mehr berichtet worden. Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner führt in etwa 30% zu einer Infektion. Hochinfektiös sind Patienten mit Syphilis im Stadium I, infektiös im Stadium II, im Stadium III besteht trotz schwerwiegender Krankheitserscheinungen keine Infektiosität mehr. Inkubationszeit Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 14–24 Tage, kann aber zwischen 10 und 90 Tagen liegen. Klinische Symptomatik Nur etwa die Hälfte aller Infektionen mit T. pallidum führt zu einem symptomatischen Verlauf. Die akute Infektion kann in einen chronischen Prozess übergehen, der in mehreren Stadien verschiedene Organsysteme betreffen kann. Bei etwa 30 % der unbehandelten Syphilisfälle tritt im Laufe von Jahren eine Spontanheilung ein (Oslo-Studie). Der klinische Verlauf der Erkrankung wird eingeteilt in die Frühsyphilis und die Spätsyphilis. Die Frühsyphilis (bis 1 Jahr nach Infektion) umfasst die primäre Syphilis (Lues I), in der die Krankheitsmanifestationen am Ort des Eindringens lokalisiert sind, und die sekundäre Syphilis (Lues II) mit generalisierten Krankheitserscheinungen. Zur Spätsyphilis zählen die tertiäre Syphilis (Lues III) und die Neurosyphilis, auch als quartäre Syphilis bezeichnet. Latente Syphilis (Lues latens): Neben den klinischen Stadien der Lues II und Lues III wird die durch serologische Befunde definierte früh latente und spät latente Syphilis unterschieden. Bis zu 1 Jahr nach Infektion liegt bei fehlenden klinischen Befunden eine früh latente Syphilis, danach eine spät latente Syphilis vor. Eine gezielte Anamnese ist neben der klinischen Untersuchung wichtig, um die klinischen und serologischen Befunde korrekt zu bewerten und die Therapie optimal zu gestalten. Zur Ermittlung des Infektionszeitpunktes können sowohl Daten einer möglichen Exposition als auch Angaben zu früheren Krankheitssymptomen (z. B. Exanthem, Ulkus durum), die damals u. U. verkannt wurden und zu keiner Therapie geführt haben, hilfreich sein. Stadien der Erkrankung im Einzelnen: Primäre Syphilis (Lues I): Klinische Zeichen des Primärstadiums der Syphilis sind eine derbe Induration an der Eintrittspforte des Erregers, aus der im Verlauf ein schmerzloses Ulkus entsteht (Synonyme: Primäraffekt, Ulkus durum, harter Schanker) regionale Lymphadenopathie Das Ulkus durum bildet mit den geschwollenen Lymphknoten den sog. Primärkomplex. Der Primäraffekt beginnt als Papel in Gestalt eines derben hirsekorngroßen Knotens. Daraus entsteht das Ulkus durum mit einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand und geringgradig eingesunkenem Zentrum. Im Gegensatz zum Ulkus molle bestehen keine unterminierten Ränder. Beim Mann sind meist die Glans penis und der Sulcus coronarius, bei der Frau häufig die Labien betroffen. In dieser typischen Lokalisation sind die Ulzera in der Regel schmerzarm. Je nach Art der ausgeübten Sexualpraktiken finden sich extragenitale Primäraffekte aber auch an den Lippen, in der Mundhöhle und im Rachen sowie am Anus und im Rektum; diese extragenital lokalisierten Ulzera können schmerzhaft sein. Der Primäraffekt heilt nach 4–6 Wochen spontan ab. Charakteristisch für die regionale Lymphknotenschwellung sind das langsame Anschwellen der Lymphknoten, die geringe Schmerzhaftigkeit, das Fehlen von Entzündungszeichen und Einschmelzungen. Differenzialdiagnostisch sollte an Herpes genitalis, GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 171 von 205 Karzinome und Ulkus molle gedacht werden. Ohne Therapie ist der Übergang in weitere Stadien möglich. Sekundäre Syphilis (Lues II): Diese Phase der hämatogenen und lymphogenen Aussaat beginnt 4–10 Wochen nach der Infektion und kann durch eine vielfältige klinische Symptomatik gekennzeichnet sein. Zu Beginn des Sekundärstadiums können Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder Muskelschmerzen auftreten. Gleichzeitig besteht fast immer eine harte Schwellung vieler Lymphknoten (Polyskleradenitis). Es folgen spezifische Exantheme und Enantheme, Syphilide genannt, mit einer hohen Variabilität. Typischerweise tritt ein erst stammbetontes, oft kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf (makulöses Syphilid oder Roseola). Differenzialdiagnostisch sollte an eine Pityriasis rosea, Psoriasis, ein Arzneimittelexanthem, aber auch an akute Virusexantheme (HIV-Infektion!) gedacht werden. Bei ungewöhnlich schlechter immunologischer Abwehrlage können frühzeitig ulzerierende und nekrotisierende Herde auftreten (Lues maligna). Während des Sekundärstadiums können über 1 bis 3 Wochen Rezidivexantheme auftreten. Diese verlieren immer mehr ihre charakteristischen Eigenschaften, sind oft mehr papulös als makulös, können sich gruppieren (serpiginöse Formen, Lichen syphiliticus und korymbiformes Syphilid) und konfluieren. Erste Exanthemstellen bleiben von den Rezidiven verschont. Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia specifica areolaris). Im Bereich des behaarten Kopfes und besonders im Bartbereich treten himbeer- bis blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösiformes Syphilid). Im Bereich der seitlichen Halsabschnitte beobachtet man häufig postinflammatorische Depigmentierungen („Halsband der Venus“). Im Bereich der Mundhöhle können sich verschiedene Plaques bilden (düsterrote Plaques muqueuses, gefurchte Plaques lisses auf der Zunge, derbe weißliche Leukoplakia oris). Begleitend kann es zum Auftreten einer Angina specifica kommen. Neben den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der intertriginösen Areale können sich derbe Papeln bilden, die später zu erregerreichen vegetierenden Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa 2 Jahre nach Infektion klingen die Hauterscheinungen ab (Lues latens seropositiva). Tertiäre Syphilis (Lues III): Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter Frühsyphilis können nach einer bis zu mehreren Jahren dauernden Phase ohne klinische Symptomatik (Lues latens) folgende Erscheinungen auftreten: tuberöse Hautveränderungen, ulzerierende granulomatöse Veränderungen, sog. Gummen (dabei kann jedes Organ beteiligt sein), kardiovaskuläre Veränderungen (Mesaortitis luetica, Aneurysmen). Bei der Lues tuberosa sieht man gruppiert liegende, oft halbmondförmige, plane, flach erhabene oder tuberöse Effloreszenzen. Es kommt zu einem bogenförmigen, zentrifugalen Weiterwachstum der Hautveränderungen mit zentraler Rückbildung und Atrophie oder Ulzerationen (tuberoulzeroserpiginöses Syphilid) mit teils austernschalenartiger Krustenbildung. Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber dem Lupus vulgaris, der Sarkoidose und der Mycosis fungoides. Bei der Lues gummosa treten subkutane schmerzlose Tumore von deutlich elastischer Konsistenz auf. Es folgt die zentrale langsam fortschreitende Einschmelzung (Gumma) und Entleerung einer fadenziehenden, käsigkrümeligen Flüssigkeit. 10–30 Jahre nach Infektion kann es zur Spontanruptur luetischer Aneurysmen der Aorta kommen. Durch die Penicillintherapie ist die tertiäre Syphilis heute selten geworden. Neurosyphilis (Quartäre Syphilis, Lues IV) Unter Neurosyphilis werden die Manifestationen der Spätsyphilis am ZNS zusammengefasst, sie waren selten geworden, haben aber heute durch das nicht allzu seltene Zusammentreffen von Syphilis und HIV-Infektion eine aktuelle Bedeutung erlangt. Bei 15–40% der unbehandelten Patienten mit Lues I und Lues II können nach langjährigem Verlauf der Infektion Treponemen im Liquor nachgewiesen werden. Unterschiede ergeben sich nach den betroffenen Abschnitten des ZNS. Formen einer ZNS-Beteiligung: asymptomatische Neurosyphilis; Tabes dorsalis, Folge einer Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks, die bei einem Drittel der unbehandelten Neurosyphilis-Fälle durchschnittlich 20 Jahre nach GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 172 von 205 Erstinfektion auftritt; typisch sind in Unterbauch und Beine einschießende Schmerzen sowie Sensibilitätsverluste; syphilitische Meningitis mit Hirnnervenparesen oder intrakranieller Drucksteigerung, gekennzeichnet durch eine aseptische Meningitis, entzündliche Liquorveränderungen und spezifischen Antikörpernachweis im Liquor und Blut. Bei chronischer Meningitis können eine meningovaskuläre Syphilis des Spinalkanals mit Parästhesien bzw. Paraplegie oder eine vaskuläre Syphilis mit Hemiparesen oder -plegie, Aphasie oder Krampfanfällen entstehen. Bei fehlender Behandlung entwickelt sich nach 15–20 Jahren eine parenchymatöse Syphilis (progressive Paralyse) mit zahlreichen neurologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten (typisch ist das Argyll-RobertsonPhänomen, d. h. die Beeinträchtigung der Lichtreaktion bei erhaltener Konvergenzreaktion). Im Vordergrund steht das hirnorganische Psychosyndrom. Unbehandelt führt die progressive Paralyse nach 4–5 Jahren zum Tod (diagnostisch hilft eine CT-Untersuchung). Besonderheiten des Verlaufs bei einer HIV-Infektion: Bei retrospektiven Untersuchungen fiel auf, dass HIV-positive Syphilispatienten häufiger an einer Syphilis maligna (7%) und einer Neurosyphilis (20%) erkrankten. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei HIVInfektion bisher unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica (austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum gesehen. Gleichzeitig bestehen nicht selten Allgemeinsymptome wie erhöhte Temperaturen oder Abgeschlagenheit, eine Skleradenitis fehlt. Sonderform: Lues connata: Die transplazentare Infektion des Föten kann in jedem Stadium der Gravidität und in jedem Luesstadium der nicht oder ungenügend behandelten Mutter erfolgen. Die Übertragungsrate ist um so höher, je kürzer die vergangene Zeitspanne seit der Infektion der Mutter ist. Infiziert sich die Mutter während der Schwangerschaft, beträgt die Übertragungsrate bis 100%. Die meisten Schwangeren, bei denen eine Lues diagnostiziert wird, befinden sich im Stadium einer Lues latens. Die intrauterine Infektion durch Treponema pallidum führt bei ausbleibender Therapie in etwa 30-40% der Fälle zu Abort, Totgeburt, Exitus letalis kurz nach der Geburt oder Frühgeburt. Ein wesentlicher Anteil der Kinder ist bei der Geburt unauffällig, die meisten erkranken aber innerhalb der ersten 8 Monate. Bei der Lues connata werden zwei Phasen unterschieden: Lues connata präcox (Neugeborene und Säuglingsalter): Etwa 50-60% der infizierten Kinder sind bei der Geburt unauffällig. Nur ein kleiner Teil zeigt unmittelbar post partum klinische Symptome (meist Frühgeborene), z.B. das Atemnotsyndrom des Neugeborenen („Respiratory Distress Syndrom of the Newborn“), Ödeme, Hydrops, Hepato- bzw. Hepatosplenomegalie, Hauteffloreszenzen, geblähtes Abdomen, Anämie, Ikterus. Ab der 3.-10. Lebenswoche treten Symptome wie z.B. Fieber, makulopapulöse oder vesikuläre Effloreszenzen (meist an Handinnenflächen und Fußsohlen), Petechien, Fissuren, Blässe, Ikterus, Ödeme, Hepato- bzw. Hepatosplenomegalie, Rhinitis, nachlassende Trinkleistung, Schleimhautulzera, Pseudoparalyse, Lymphknotenschwellung, Condyloma lata, Enteritis oder Laryngitis auf. Klinische Symptome einer Meningitis treten meist erst zwischen dem 3. und 6. Lebensmonat auf. Die ZNS-Beteiligung kann sich auch als Hydrozephalus, durch Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle manifestieren. Lues connata tarda (ab dem 3. Lebensjahr): Im Kleinkind- oder späteren Kindesalter können unbehandelt klinische Symptome an verschiedenen Organen auftreten, z.B. Uveitis, interstitielle Keratitis, sog. Tonnenzähne, Schwellung der Kniegelenke, Veränderungen an Tibia, Gaumen, Stirn, Nase („Sattelnase“), Taubheit, Rhagaden (perioral, perinasal, perianal), Hydrozephalus, Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle . Diagnostik Direktnachweis des Erregers: Bei einem Primäraffekt oder bei Condylomata lata kann der Direktnachweis der lebenden Spirochäten mittels Dunkelfeldmikroskopie versucht werden. Auch der Direktnachweis mittels Silberfärbung ist möglich. Die sensitivste Methode ist der direkte Immunfluoreszenztest. Der Erregernachweis mit PCR (polymerase-chain-reaction) bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 173 von 205 Antikörpernachweis: In aller Regel erfolgt die Diagnose der Syphilis serologisch. Therapie Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute Penicillin, eine Resistenz von Treponema pallidum ist bisher nicht bekannt. Die deutschen und europäischen Richtlinien sowie die Empfehlungen in den USA (http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5106.pdf) weichen nur geringfügig voneinander ab. Wegen des langsamen Reproduktionszyklus von Spirochäten ist zur erfolgreichen Therapie der Syphilis ein kontinuierlicher Serumspiegel des Antibiotikums notwendig. Hinweis: Durch raschen Erregerzerfall infolge der Therapie kann es zu toxischen systemischen Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerzen). Diese sog. Jarisch-HerxheimerReaktion kann durch Cortison-Präparate behandelt werden. Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Die primäre Prävention gründet sich auf Empfehlungen zur Expositionsprophylaxe, speziell zur Reduzierung von sexuellem Risikoverhalten. Eine zentrale Botschaft ist, dass die korrekte Anwendung von Kondomen einen guten Schutz gegenüber einer T.-pallidum-Infektion bietet. Da aber jeder Kontakt mit dem Erreger zur Infektion führen kann (z.B. Übertragung beim Küssen bei oralem Ulkus), lässt sich die Ausbreitung in sexuell aktiven Zielgruppen nicht allein durch Verhaltensänderungen vermindern. Eine wirkungsvolle Verhinderung von Neuinfektionen v. a. in Bevölkerungsgruppen mit höherer Prävalenz ist daher nur durch suffiziente Therapie als Ergänzung zu primärpräventiven Botschaften zu erreichen. Insofern kommt der therapeutischen Intervention hier auch eine entscheidende primärpräventive Bedeutung zu. Die erforderliche Information und Aufklärung hat drei Ebenen zu berücksichtigen: Allgemeinbevölkerung: Wissensvermittlung und Schaffung eines Problembewusstseins im Rahmen von Gesundheitserziehung und gesundheitlicher Aufklärung durch Medien und einschlägige Organisationen. Zielgruppen mit unterschiedlichem Gefährdungsgrad durch Lebensphase/Lebensstil und/oder Prävalenz: Vermittlung gruppenspezifischer Präventionsbotschaften durch geeignete Multiplikatoren (z.B. Lehrer, Erzieher, Sozialarbeiter, „Szenemedien und –multiplikatoren“) Betroffene und/oder konkret gefährdete Menschen: persönliche Beratung durch Ärzte und Mitarbeiter von Beratungsstellen. Hierbei ist wesentlich, die sexuell übertragbaren Erkrankungen bzw. Infektionen (STD, STI) im Zusammenhang zu sehen und sowohl allgemeine Merkmale als auch Besonderheiten der einzelnen Infektionen herauszuarbeiten. Das Bewusstsein für die Bedeutung der sexuell übertragbaren Erkrankungen und die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit ist, wenn man von der HIV-Infektion absieht, in der Allgemeinbevölkerung nur marginal vorhanden. Aufmerksamkeit für entsprechende Symptome und die Bereitschaft, diese beim Arzt abklären zu lassen, obwohl es sich um einen schambesetzten Bereich handelt, müssen geweckt werden. Wichtige Akteure auf dem Feld der STD-Prävention sind die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) Köln, die Gesundheitsämter mit ihren Beratungsstellen, nichtstaatliche Organisationen wie z.B. die Deutsche STD-Gesellschaft (DSTDG), die AIDS-Hilfe und Pro Familia, niedergelassene Fachärzte der Venerologie oder Gynäkologie und weitere Ärzte mit spezieller Erfahrung auf dem Gebiet der STD. Für behandelnde Ärzte ist es wichtig, die Syphilis wieder differenzialdiagnostisch mit zu berücksichtigen. Es erscheint sinnvoll, im Rahmen der ärztlichen Fort- bzw. Weiterbildung auf Besonderheiten der Symptomatik, Diagnostik und Therapie einzugehen. Frühdiagnose und Frühbehandlung sind anzustreben. Der Lues connata kann durch Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wirksam vorgebeugt werden. Im Blutspendewesen bieten die Vorauswahl der Spender und das Screening der Spenden sicheren Schutz vor einer Übertragung infektiösen Blutes (eine bestehende oder abgelaufene Syphilis bedingt einen dauernden Ausschluss als Blutspender, Antikörper gegen T. pallidum enthaltende Seren dürfen nicht zur Spende eingesetzt werden). Eine effiziente Surveillance bildet die Grundlage gezielter präventiver Maßnahmen und einer Optimierung der medizinischen Betreuung. Hier sind in Deutschland durch die Veränderung GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 174 von 205 der Meldepflicht für die Syphilis nach dem Infektionsschutzgesetz und die angelaufene STDSentinelerhebungen wichtige Fortschritte erreicht worden. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Jeder Syphilispatient sollte gründlich über die möglichen Übertragungswege des Erregers und präventive Maßnahmen informiert werden. Bis zum Nachweis des Therapieerfolges darf kein ungeschützter Geschlechtsverkehr ausgeübt werden. Bei jeder Syphilis ist eine komplette STIDiagnostik (einschließlich eines HIV-Tests) dringend zu empfehlen. Besondere Desinfektionsoder Isolierungsmaßnahmen sind bei üblichen sozialen Kontakten nicht nötig. Alle in Frage kommenden Sexualpartner des Patienten sollten mit beraten, untersucht und ggf. behandelt werden. Bei einer primären Syphilis sollten dies die Partner der vergangenen 3 Monate sein, bei sekundärer oder früh latenter Syphilis wäre ein Zeitraum von bis zu 2 Jahren zu berücksichtigen. Gefährdete wie auch Ärzte sollten auf das mögliche Auftreten verdächtiger Symptome nicht nur an den Genitalien und im Anal-/Rektalbereich, sondern auch an den Lippen, im Mund- und Rachenbereich eingestellt sein. Vor allem STD-Untersuchungs- und Beratungsstellen in Großstädten verfügen über große Erfahrungen und durch das IfSG gegebene Möglichkeiten, Angehörigen von Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko spezielle Beratungs-, Untersuchungs- und Behandlungsangebote zu machen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Eine örtliche Ausbreitung der Syphilis sollte rasch zur Kenntnis der zuständigen Gesundheitsbehörde und Ärzte der Region gelangen. Sie erfordert situationsgerechte Maßnahmen der Prävention, vor allem in den als gefährdet erkannten Personenkreisen (spezifische Information, Aufklärung, Angebote der Beratung, Untersuchung und Behandlung). Meldepflicht Bis Ende 2000 war die Syphilis nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten (GeschlkrG) durch den behandelnden Arzt an das zuständige Gesundheitsamt meldepflichtig. Anfang 2001 wurde die Meldepflicht durch das IfSG neu geregelt: Laborleiter, in deren Verantwortungsbereich eine akute T.-pallidum-Infektion oder eine zuvor nicht erkannte, noch aktive Infektion in einem späteren Stadium festgestellt werden, sind auf der Grundlage des § 7 (3) IfSG zu einer nichtnamentlichen Meldung direkt an das Robert Koch-Institut verpflichtet. Nicht behandlungsbedürftige oder früher abgelaufene und ausgeheilte Infektionen fallen nicht unter die Meldepflicht. Der Meldebogen hat einen zweiten Teil, der für die Vervollständigung durch den einsendenden Arzt vorgesehen ist. Der die Untersuchung anfordernde Arzt ist laut IfSG verpflichtet, die Meldung des Labors durch demographische Angaben, Angaben zum klinischen Erscheinungsbild und zu dem wahrscheinlichen Übertragungsweg zu unterstützen. Diese Angaben sind oft unerlässlich, um einen serologischen Befund im Rahmen der Surveillance korrekt zu bewerten. Angaben zur Postleitzahl des Patienten und zur Untersuchungsindikation (Erstuntersuchung, Therapiekontrolle) sind darüber hinaus notwendig, um Doppelmeldungen zu erkennen. Die behandelnden Ärzte werden daher gebeten, den Durchschlag des Meldebogens, den sie vom Labor erhalten, mit den entsprechenden Angaben zu komplettieren und an das Robert Koch-Institut zurückzusenden. Modifiziert nach RKI, Stand: 11.12.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 175 von 205 Tollwut (Rabies) Erreger Die Krankheit – eine Zoonose – wird durch neurotrope Viren der Familie der Rhabdoviren, Genus Lyssaviren, verursacht (innerhalb des Genus Lyssaviren existieren verschiedene Serotypen und Genotypen). Vorkommen Die Tollwut ist in weiten Teilen der Welt verbreitet. Nach Schätzungen der WHO werden jährlich rund 35.000 Tollwuterkrankungen beim Menschen registriert, wobei jedoch mit einer erheblichen Dunkelziffer, insbesondere in Asien und Afrika, zu rechnen ist. Deutschland gehört zu den Ländern Europas, in denen durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, vor allem durch die orale Immunisierung der Füchse als hauptsächliche Virusträger, die Tollwut bei Wildund Haustieren – trotz einiger Rückschläge – nahezu vollständig eliminiert werden konnte. Neben der Schweiz erlangten auch Finnland, die Niederlande, Italien, Luxemburg, Frankreich, Belgien sowie die Tschechische Republik durch die orale Immunisierung der Füchse offiziell die Tollwutfreiheit. In Osteuropa wurden zwar Fortschritte erreicht, die Tollwut bei Wild- und Haustieren bleibt aber noch ein Problem. In Deutschland entstehen gegenwärtig Infektionsrisiken für Menschen fast ausschließlich bei Reisen in Länder mit häufigem Vorkommen der Tollwut bzw. in Gebieten, in denen noch Tollwutrestherde vorkommen. So trat ein Tollwutfall mit tödlichem Ausgang in Deutschland im Jahre 1996 auf. Es handelte sich um einen Mann aus Nordrhein-Westfalen, der in Sri Lanka von einem Hund gebissen wurde. Zu einer weiteren Tollwuterkrankung mit tödlichem Ausgang kam es im Jahre 2004 bei einem Mann aus Bayern nach einem Indienaufenthalt, bei dem er Kontakt mit streunenden Hunden gehabt hatte. Reservoir Träger des Tollwutvirus waren in der Vergangenheit in unseren Breiten hauptsächlich wild lebende Fleischfresser wie Füchse, Dachse, Marder sowie Rehe und bei den Haustieren Weidetiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde) sowie Hunde und Katzen. Die häufigste Infektionsquelle der Tiere ist der Fuchs, der das hauptsächliche Virusreservoir darstellt. Hunde und Katzen spielen vor allem als Expositionstiere für den Menschen eine wichtige Rolle. Nagetiere (z. B. Eichhörnchen, Ratten und Mäuse) haben in Deutschland als Reservoir in der Regel keine Bedeutung. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch Nagetiere sehr gering ist, kann sie aber nicht 100%ig ausgeschlossen werden und hängt erheblich von der Situationsbeschreibung ab. In Amerika stellen Stinktiere, Waschbären, Fledermäuse und Füchse die Hauptreservoire dar. Seit einigen Jahren wurde in Europa (auch in Deutschland), ein Tollwutvirusreservoir bei Fledermäusen auffällig, das jedoch mit der Tollwut bei Füchsen nichts zu tun hat, da die Fledermaustollwut durch andere Viren (Europäische Fledermaustollwutviren) hervorgerufen wird. Infektionsweg Nach der Infektion beim Tier kommt es am Ende der Inkubationszeit zur Virusvermehrung im ZNS und von dort zur Erregerstreuung, wobei das Virus massenhaft im Speichel ausgeschieden wird. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt in der Regel durch einen Biss, ist jedoch auch über Hautverletzungen oder direkten Kontakt des infektiösen Materials (z. B. Speichel) mit der Schleimhaut möglich. Ob es nach einer Exposition bei nicht geimpften Personen zu einer Erkrankung kommt, hängt wesentlich von der Lokalisation der Verletzung sowie Art und Ausmaß der Exposition ab. So erkranken beim Vorliegen mehrerer tiefer Bissstellen im Gesicht bis zu 60% der betroffenen Personen, während bei oberflächlichen Bissverletzungen im Gesicht nur bis zu 10% und bei oberflächlichen Bissverletzungen an der Hand nur bis zu 5% erkranken. Tollwütige, wildlebende Tiere verlieren nicht selten zu Beginn der Erkrankung ihre Scheu vor den Menschen. Bei diesem Verhalten von sonst scheuen Tieren ist besonders auf Distanz zu achten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 176 von 205 Inkubationszeit In der Regel 3–8 Wochen, selten kürzer als 9 Tage, in Einzelfällen bis zu einem oder sogar mehreren Jahren. Die Zeit bis zum Ausbruch der klinischen Symptomatik ist abhängig von der Lokalisation der Bissstelle. Bei ZNS-nahen Eintrittspforten werden kürzere Inkubationszeiten beschrieben. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die vorhandenen Kenntnisse stützen sich auf Ergebnisse epizootiologischer Studien. So wurde festgestellt, dass Füchse, Hunde und Katzen gewöhnlich 3–7 Tage vor Auftreten von klinischen Symptomen sowie während der gesamten Dauer der Erkrankung das Virus im Speichel ausscheiden und damit ansteckend sind. Klinische Symptomatik Die Tollwut lässt sich beim Menschen in folgende Stadien einteilen: 1. Prodromalstadium: Es bestehen uncharakteristische Beschwerden, z.B. Kopfschmerzen und Appetitlosigkeit. Fieber ist nicht immer anzutreffen. Weiterhin werden Brennen, Jucken und vermehrte Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde angegeben. 2. Akute neurologische Phase: Bei der enzephalitischen Form, die überwiegend durch zerebrale Funktionsausfälle gekennzeichnet ist, kommt es meist zu einer ausgeprägten Hydrophobie. Beim Schlucken bestehen Krämpfe der Schlundmuskulatur, wodurch eine erhebliche Angst vor dem Trinken besteht und der Speichel aus dem Mund fließt. Bereits die optische oder akustische Wahrnehmung von Wasser führt zu Unruhe und Krämpfen, die sich auf die gesamte Muskulatur erstrecken können. Der Gemütszustand wechselt zwischen aggressiver und depressiver Verstimmung. Bei der paralytischen Form mit überwiegenden Veränderungen an Nerven des Rückenmarks und peripheren Nerven stellen sich zunehmend Lähmungen, vor allem der Hirnnerven, ein, so dass diese Manifestationsform schwer gegenüber dem Guillin-Barré-Syndrom abzugrenzen ist. 3. Koma: Der Tod tritt in der Regel im Koma und unter den Zeichen der Atemlähmung ein. Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Tod liegen maximal 7 Tage. Diagnostik Der Verdacht auf das Vorliegen einer Tollwuterkrankung beim Menschen ergibt sich zunächst aus den klinischen Symptomen und einer gründlichen Anamnese. Diagnostisch ist zu Lebzeiten der Patienten ein Antigen- bzw. Tollwutvirus-RNA-Nachweis in Epithelzellen der Cornea, in Nackenhautbiopsien, im Speichel oder im Liquor grundsätzlich möglich. Ebenso kann ein Virusnachweis über Zellkulturen angestrebt werden. Alle intravitam eingesetzten diagnostischen Verfahren erbringen jedoch nicht selten negative Resultate und stellen folglich keine Ausschlusskriterien dar. Die Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose gelingt sicher erst post mortem, beispielsweise aus Proben vom Ammonshorn, aus dem Cerebellum und dem Hirnstamm. Der Nachweis von Negri-Einschlusskörperchen in Schnittpräparaten von Gehirngewebe kann eine ätiologische Zuordnung zur Tollwut bei Todesfällen unklarer Genese nach neurologischer Symptomatik erlauben. Zum Nachweis von Impftitern können Antikörper mit dem Neutralisationstest (RFFIT – rapid focus fluorescent inhibition test) nachgewiesen werden. Therapie Die kontaminierte Wunde sollte postexpositionell sofort und ausgiebig mit Seifenlösung oder Wasser gereinigt („Auswaschen des Erregers“) und mit Alkohol desinfiziert werden. Tiefe Bisswunden kann man mittels Kathetern spülen. Verätzung und Nähen der Wunde sollten nicht erfolgen. Neben der aktiven und passiven Immunisierung gegen Tollwut ist auch an die Tetanusprophylaxe zu denken. Die Behandlung erfolgt symptomatisch unter intensivmedizinischen Bedingungen (Kontrolle von Atmung, Kreislauf, ZNS-Symptomen). Wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist, so verlief sie in der Vergangenheit immer tödlich. Anfang 2005 wurde jedoch in den USA ein Fall berichtet, wo eine 15-jährige ungeimpfte Jugendliche die Erkrankung nach einer experimentellen virustatischen Behandlung und mehrwöchigen Intensivtherapie überlebt hat. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 177 von 205 Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Die bisher erfolgte Immunisierung einer großen Zahl von Haustieren, insbesondere von Hunden, hat bereits zu einer effektiven Einschränkung der Übertragung auf den Menschen geführt. Erst die orale Immunisierung der Füchse hat jedoch zu einer wirkungsvollen Bekämpfung und Ausrottung der Tollwut in weiten Teilen Europas geführt, da durch die Impfung die Infektkette innerhalb des Hauptvirusreservoirs erfolgreich unterbrochen werden kann. Da eine Erkrankung in der Vergangenheit immer zum Tod geführt hat, müssen präventive Maßnahmen bei potenziell Exponierten besonders wirksam sein und ohne Zeitverzug durchgeführt werden. Die WHO empfiehlt, epidemiologische Hintergrunddaten (Tollwutsituation im betreffenden Gebiet, Impfstatus des Expositionstieres) heranzuziehen, um zu entscheiden, ob eine Behandlung abgebrochen oder weitergeführt werden kann bzw. muss. Eine Indikation für eine präexpositionelle Immunisierung besteht gegenwärtig noch bei Tierärzten, Jägern, Forstpersonal, Personen bei Umgang mit Wildtieren in Gebieten mit Wildtollwut sowie ähnlichen Risikogruppen (z.B. Personen mit beruflichem oder sonstigem engen Kontakt zu Fledermäusen). Eine präexpositionelle Impfung muss weiterhin bei Personal in Laboratorien mit Tollwutinfektionsrisiko erfolgen. Nach einer kompletten Grundimmunisierung beträgt die Schutzdauer bis zu 5 Jahren. Bei Personen mit weiter bestehendem Expositionsrisiko sollten regelmäßig Auffrischungsimpfungen entsprechend den Angaben der Hersteller durchgeführt werden. Zur Festlegung des exakten Auffrischungszeitpunktes ist eine Titerkontrolle empfehlenswert. Bei Personen, die einem hohen kontinuierlichen Risiko ausgesetzt sind (vor allem berufliche Exposition in Laboratorien mit Tollwutrisiko) wird eine halbjährliche Kontrolle auf neutralisierende Antikörper empfohlen. Eine Auffrischungsimpfung ist bei Titern < 0,5 IE/ml Serum indiziert. Weiterhin sollte eine Impfung bei Reisenden mit einem entsprechenden Expositionsrisiko (z.B. bei Trekkingtouren) in Regionen mit hoher Tollwutgefährdung (z.B. durch streunende Hunde) durchgeführt werden. Postexpositionelle Immunprophylaxe: Die Maßnahmen der postexpositionellen Tollwutprophylaxe sind dann durchzuführen, wenn der Verdacht auf eine Tollwutvirusinfektion nicht entkräftet werden kann. Bei Grad-III-Expositionen erfolgt die simultane Gabe von Tollwut-Immunglobulin zur passiven Immunisierung und RabiesVakzine zur aktiven Immunisierung (s.Tab. 1). Die aktive Immunisierung erfolgt gemäß den Angaben der Hersteller nach verschiedenen Schemata. Ein übliches Schema sind Impfungen an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28. Rechtzeitig appliziert, liegt die Schutzrate nach einer aktiven Immunisierung bei peripheren Verletzungen bei 100%. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 178 von 205 Tab. 1: Indikationen für eine postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe Die einzelnen Impfungen und die Gabe von Tollwut-Immunglobulin sind sorgfältig zu dokumentieren. Ein Tier, welches bei einem Menschen eine Verletzung verursacht hat, ist dann nicht ansteckungsverdächtig, wenn es sich ausschließlich in einem tollwutfreien Gebiet aufgehalten hat, regelmäßig gegen Tollwut geimpft wurde oder ein Tierarzt bescheinigen kann, dass klinisch kein Verdacht auf Tollwut besteht. Ob ein Gebiet amtlich frei von Tollwut eingestuft ist, kann durch umgehende Nachfrage beim örtlichen Veterinäramt in Erfahrung gebracht werden. Ist eine Exposition durch ein ansteckungsverdächtiges, aber bekanntes Tier erfolgt, sollte dieses zur Beobachtung 10 Tage isoliert werden und parallel dazu die Impfung begonnen werden. Ein infiziertes Tier entwickelt in dieser Zeit typische Tollwutsymptome. Sollten keine Symptome auftreten, können weitere Impfungen bei der exponierten Person eingestellt werden. Allerdings gilt diese „10-Tage-Regel“ nur für eine Exposition durch Hunde und Katzen. Bei anderen Spezies können die Zeiträume bis zum Ausbruch von Tollwutsymptomen wesentlich länger sein. Bei einer Verletzung durch ein ansteckungsverdächtiges Tier ist in Anbetracht des tödlichen Ausgangs dieser Krankheit grundsätzlich so schnell wie möglich nach der Verletzung eine Postexpositionsprophylaxe (siehe Tab. 1) durchzuführen. Eine indizierte Postexpositionsprophylaxe sollte aber immer durchgeführt werden, unabhängig von der Zeit, die seit der Verletzung verstrichen ist. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Besteht ein Verdacht auf Kontakt mit tollwütigen oder tollwutverdächtigen Tieren, ist umgehend das Gesundheitsamt zu verständigen. Der Verdacht auf eine Tollwuterkrankung beim Menschen erfordert eine sofortige stationäre Einweisung und Betreuung des Patienten unter intensivmedizinischen Bedingungen. Kontaktpersonen mit Wunden, bei denen der Verdacht einer Kontamination mit dem Speichel von erkrankten Personen bestand, sollten umgehend immunisiert werden. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Deutschland ist gegenwärtig nahezu frei von Tollwut bei Wild- und Haustieren, so dass die Gefahr von Ausbrüchen momentan nur sehr gering ist. Es sollte jedoch beachtet werden, dass Expositionen von Menschen mit potenziell Tollwut-positiven Fledermäusen zwar Einzelereignisse darstellen, aber auch in Deutschland vorkommen und dann unmittelbare GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 179 von 205 Schutzmaßnahmen erfordern. Ein Tollwutausbruch hat Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen der Veterinärbehörden zur Folge. Meldepflicht Nach § 6 IfSG besteht eine namentliche Meldepflicht für die Verletzung eines Menschen durch ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung eines solchen Tieres oder Tierkörpers. Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rabiesvirus meldepflichtig. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.02.2005 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 180 von 205 Tuberkulose Erreger Erreger der Tuberkulose sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, stäbchenförmige Bakterien der Familie Mycobacteriaceae, Genus Mycobacterium (M.). Aufgrund ihrer Eigenschaften bei der Färbung für die Mikroskopie werden sie als „säurefest“ bezeichnet. Die unter dem Aspekt der Pathogenität für den Menschen relevanten Arten werden als Mycobacterium-tuberculosis-Komplex zusammengefasst: M. tuberculosis, M. bovis, M. africanum sowie die Spezies M. microti und M. canetti. (Über die Bedeutung der Spezies M. microti und M. canetti als Tuberkulose-Erreger bestehen unterschiedliche Ansichten, so dass sie in Falldefinitionen internationaler Organisationen bisher nicht aufgeführt sind.) Der häufigste Erreger von Tuberkulose-Infektionen des Menschen ist M. tuberculosis. M. bovis BCG bezeichnet für die Impfung künstlich abgeschwächte Varianten und zählt daher nicht zu den Tuberkulose-Erregern. – Insgesamt existieren in der Umwelt etwa 100 verschiedene Mykobakterienarten. Spezielle Virulenzfaktoren und Exotoxine sind nicht vorhanden, die Pathogenität der Tuberkulose-Erreger beruht auf dem Wirken in der Zelle und der Induktion einer ausgeprägten zellvermittelten Immunantwort. Vorkommen Die Tuberkulose ist weltweit verbreitet. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erkrankten im Jahr 2000 8,4 Millionen Menschen neu an Tuberkulose. 80% aller neuen Fälle treten in nur 23 Ländern auf. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Tuberkulosefälle in den nächsten Jahren weltweit um durchschnittlich 3% pro Jahr ansteigen wird, nur in den Industrienationen gehen die Neuerkrankungen zur Zeit um 2–3% pro Jahr zurück. Eine besonders große Bedeutung ergibt sich für die Entwicklungsländer; dort treten etwa 95% der Erkrankungen auf. Etwa zwei Millionen Menschen sterben jährlich an der Tuberkulose; diese Zahl erhöht sich durch tödliche Verläufe bei HIV-Patienten mit Tuberkulose-Koinfektion. Besonders betroffen sind die afrikanischen Länder südlich der Sahara, der Süden und Osten Asiens, einige lateinamerikanische Staaten und zunehmend auch die Nachfolgestaaten der Sowjetunion. Begünstigend für die Ausbreitung der Tuberkulose wirken eine schlechte medizinische Versorgung, rasches Bevölkerungswachstum unter Bedingungen von Armut, Krieg und Migration. Damit ist Tuberkulose heute weltweit die häufigste zum Tode führende Infektionskrankheit bei Jugendlichen und Erwachsenen und die führende Todesursache bei HIV-Infizierten. In Deutschland und vergleichbaren Industriestaaten kam es durch die allgemeine Verbesserung der Lebensumstände schon vor der Ära der Chemotherapie zu einem deutlichen Rückgang der Tuberkulose-Erkrankungen, der seit den 50er Jahren bis in die Gegenwart anhält. Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 9.064 Neuerkrankungen an aktiver Tuberkulose gemeldet (11,0 Erkr. pro 100.000 Einw.; 1999: 9.974 Erkr., 12,1 Erkr. pro 100.000 Einw.). Einheimische aus sozial benachteiligten Gruppen der Gesellschaft unterliegen einem höheren Tuberkulose-Infektions- und Erkrankungsrisiko. Besonders gefährdet sind generell enge Kontaktpersonen von an offener (d.h. infektiöser) Tuberkulose Erkrankten, Personen mit einer unzureichend behandelten früheren Tuberkulose sowie HIV-Infizierte und Patienten mit Krankheiten oder Behandlungen, die zu einer dauerhaften Schwächung des Immunsystems führen. Der alarmierende Anstieg der Tuberkulose-Erkrankungen und des Anteils resistenter Erreger in den sog. Neuen Unabhängigen Staaten (NUS = GUS+ baltische Staaten) ist aufgrund der geographischen Nähe und der Migration aus diesen Regionen auch für Deutschland bedeutsam. Die primäre Infektion erfolgt in einem Land mit hoher Tuberkulose-Inzidenz meist im frühen Kindesalter. Dagegen verschiebt sie sich in Ländern mit niedriger Inzidenz und damit geringem Infektionsrisiko zunehmend in das Erwachsenenalter. Reservoir Für M. tuberculosis und M. africanum sind Menschen das einzige relevante Reservoir, für M. bovis bilden Mensch und Rind sowie manche Wildtiere das Reservoir. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 181 von 205 Infektionsweg Die Infektion erfolgt fast immer aerogen durch feinste Exspirationströpfchen (Aerosole), die insbesondere beim Husten und Niesen freigesetzt werden. Die Infektion mit Tuberkulose erfolgt nicht so leicht wie bei anderen durch Aerosole übertragbaren Krankheiten (wie z.B. Varizellen). Unter einer infektiösen Lungentuberkulose (offene Tuberkulose) versteht man Erkrankungen, bei denen der Krankheitsherd Anschluss an die Luftwege hat. Ob es zur Infektion kommt, hängt von der Häufigkeit und Intensität des Kontakts, der Menge und Virulenz der inhalierten Erreger und der Disposition der exponierten Person ab. Von extrapulmonalen Tuberkulosen (Lymphknoten, Urogenitalsystem, Knochen, Gelenke, Verdauungsorgane) geht nur dann ein Infektionsrisiko aus, wenn der Krankheitsherd durch Fisteln einen Kontakt nach außen erhält. Eine Übertragung durch nicht pasteurisierte Milch infizierter Rinder ist prinzipiell möglich, jedoch in Mitteleuropa nicht mehr von Bedeutung, da der Rinderbestand weitestgehend tuberkulosefrei ist. Inkubationszeit Die Inkubationszeit kann Wochen bis viele Monate betragen. Eine infektiöse Lungentuberkulose tritt in der Regel 6 Monate nach einer Infektion auf, jedoch kann eine Erkrankung auch wesentlich früher, sogar vor einer Tuberkulinkonversion, auftreten. Das Erkrankungsrisiko ist in den ersten beiden Jahren nach der Infektion am höchsten. Reaktivierungen latenter Herde können jedoch noch nach Jahrzehnten auftreten. Der Zeitraum zwischen einer Erstinfektion und einer positiven Tuberkulinreaktion beträgt im Mittel 6 Wochen (bis zu 12 Wochen). Diese zeitliche Verzögerung (sog. „präallergische Phase“) ist bei der Bewertung von Tuberkulin-Testergebnissen bei Kontaktpersonen Tuberkulosekranker zu berücksichtigen (s. Tuberkulintest). Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit der Lungentuberkulose ist am höchsten, solange säurefeste Stäbchen mikroskopisch nachweisbar sind (im Sputum, abgesaugtem Bronchialsekret oder Magensaft). Die Infektiosität von Patienten, bei denen lediglich ein kultureller oder molekularbiologischer Keimnachweis gelingt, ist demgegenüber wesentlich geringer. Erkrankte Kinder gelten in aller Regel nicht als infektiös. Unter einer wirksamen antituberkulösen Kombinationstherapie sind Patienten, die mit einem sensiblen Stamm infiziert sind, innerhalb von 2–3 Wochen meist nicht mehr infektiös. Klinische Symptomatik Die Häufigkeit, mit der sich eine Tuberkulose bei gegebener Exposition entwickelt, ist von verschiedenen Faktoren (u.a. Virulenz der Erreger, Alter, Abwehrlage des Infizierten, Infektionsdosis) abhängig. Die Tuberkulose manifestiert sich bei etwa 80% der Erkrankten als Lungentuberkulose, kann aber jedes Organ befallen. Dementsprechend vielgestaltig präsentiert sich diese Erkrankung. Der Verlauf nach einer Primärinfektion kann in verschiedene Stadien eingeteilt werden, auf die hier nicht näher eingegangen wird. Initiale Symptomatik: Meist keine charakteristischen Erscheinungen, mögliche Allgemeinsymptome sind Einschränkungen des Allgemeinbefindens, Gewichtsabnahme, Konzentrationsstörungen, Fieber, vermehrtes Schwitzen (besonders nachts), Appetitmangel, Müdigkeit, allgemeine Schwäche, Zeichen eines grippalen Infektes. Erkrankte Kinder sind in über der Hälfte der Fälle asymptomatisch oder fallen nur durch ein mangelndes Gedeihen auf. Respiratorische Beschwerden können in Form von Husten, Thoraxschmerzen und Atemnot auftreten. Jeder länger als 3 Wochen bestehender Husten sollte unbedingt abgeklärt werden. Bei blutigem Auswurf ist eine sofortige Abklärung erforderlich! Bei ungünstiger Abwehrlage (z.B. Immunschwäche, immunsuppressive Therapie, prädisponierende Krankheiten wie Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Alkoholkrankheit, Silikose) kann es neben der lymphogenen Ausbreitung zusätzlich durch eine primäre Generalisation zu einem Befall weiterer Organe kommen. Besonders gefährdet durch eine primär hämatogene Aussaat sind Säuglinge und Kleinkinder. Die Hauptkomplikationen einer primären Generalisation sind die Miliartuberkulose und die tuberkulöse Meningitis. Letztere ist heute selten geworden; damit geht aber auch die Gefahr einher, dass sie gar nicht oder erst spät GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 182 von 205 erkannt wird. Durch hämatogene Aussaat und Reaktivierung eines Organherdes können sich nachfolgend unter anderem Knochen-, Gelenk- oder Urogenitaltuberkulose entwickeln. Diagnostik 1. Tuberkulintest 2. Röntgendiagnostik 3. Bakteriologische Diagnostik Therapie Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt ausschließlich mit einer Kombination von Medikamenten, da bei einer Erkrankung an Tuberkulose immer Erreger vorhanden sind, die natürlicherweise gegen ein bestimmtes Medikament resistent sind. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Entscheidend für eine effektive Tuberkulosebekämpfung ist die rasche Entdeckung erkrankter und infektiöser Personen und eine schnell einsetzende effiziente Therapie. Die WHO und die Internationale Union gegen Tuberkulose und Lungenkrankheiten (IUATLD) versuchen weltweit, dies mit Hilfe der sogenannten DOTS-Strategie (directly observed treatment, short-course) umzusetzen. Unter Einbeziehung bereits existierender nationaler TuberkuloseBekämpfungsstrukturen sollen durch ein modernes Gesundheitsmanagement hohe Erkennungs- und Heilungsraten erzielt und das Risiko einer Resistenzentwicklung reduziert werden. In Deutschland ist die aktive Fallsuche eine wesentliche Voraussetzung für die Reduzierung der Erkrankungshäufigkeit an Tuberkulose. Diese besteht in der Umgebungsuntersuchung von Kontaktpersonen von Patienten mit infektiöser Tuberkulose. Zu den Zielgruppen für eine aktive Fallsuche gehören darüber hinaus Personen aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz (Asylsuchende, Flüchtlinge, Aussiedler, Migranten etc.) und Personengruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko, z.B. Obdachlose, Drogenabhängige, Gefängnisinsassen, aber auch HIVPositive. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Eine Krankenhausbehandlung ist bei offener Tuberkulose, insbesondere bei schwerem Verlauf oder Problemen der Behandlung und Betreuung im Wohnmilieu, indiziert. Bezüglich der zu beachtenden Hygienemaßnahmen wird insbesondere auf die „Empfehlungen zur Infektionsverhütung bei Tuberkulose“ des DZK verwiesen. Eine abschließende Raumdesinfektion wird auch bei offener Lungentuberkulose in der Regel nicht mehr für erforderlich gehalten. Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts-oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten, die an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankt sind, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten oder Einrichtungen benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung: Bei initialem mikroskopischem Nachweis von säurefesten Stäbchen müssen nach Einleitung einer wirksamen Therapie in drei aufeinanderfolgenden Proben von Sputum, Bronchialsekret oder Magensaft mikroskopisch negative Befunde vorliegen, bei initialem Fieber oder Husten ist eine 2 Wochen anhaltende Entfieberung oder Abklingen des Hustens abzuwarten, nach einer lege artis durchgeführten antituberkulösen Kombinationstherapie von in der Regel 3 Wochen Dauer, wenn drei negative Befunde (siehe oben) vorliegen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 183 von 205 Kontaktpersonen unterliegen den üblichen Kontrollmaßnahmen, auf tuberkuloseverdächtige Symptome, insbesondere Husten, ist besonders zu achten. Wichtig ist es, unter den Kontaktpersonen (Familie, Bekanntenkreis, Arbeitsplatz, Personal in Einrichtungen u.a.) gezielt nach Infektionsquellen zu suchen. Diese Umgebungsuntersuchung ist insbesondere im Umfeld erkrankter Kinder sinnvoll, da Kinder nach einer Infektion häufiger und schneller an einer Tuberkulose erkranken als Erwachsene. Bei Patienten, die einer der besonders gefährdeten Gruppen angehören (z.B. HIV-Positive), sollte die Tuberkulose frühzeitig in die Differenzialdiagnostik einbezogen werden. Für Kinder unter 6 Jahren oder Kinder mit engem Kontakt zu einem ansteckenden Fall von Tuberkulose (z.B. Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum-Direktpräparat eines Elternteils), deren Tuberkulintest negativ ist und bei denen durch weitere Untersuchungen eine Erkrankung an Tuberkulose ausgeschlossen wurde, wird eine Chemoprophylaxe mit INH über 3 Monate empfohlen. Ist der Hauttest nach Ablauf dieser Zeit weiter negativ, so kann die INH-Prophylaxe beendet werden. Kommt es jedoch unter Chemoprophylaxe nach 3 Monaten zu einer Tuberkulinkonversion, so muss eine präventive Chemotherapie über insgesamt 9 Monate durchgeführt werden. Bei Kindern mit initialem Nachweis einer Tuberkulinkonversion auch ohne Nachweis einer Erkrankung muss ebenfalls eine präventive Chemotherapie über 9 Monate erfolgen. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen von Tuberkulose-Erkrankungen (mehr als 2 Erkrankungen mit epidemiologisch gesichertem Zusammenhang) ist eine durch das Gesundheitsamt koordinierte Ausbruchsuntersuchung erforderlich. Der umgehende Nachweis des Erregers einschließlich Kultur- und Resistenzprüfung sind besonders wichtig, um schnellstmöglich eine effektive Therapie einzuleiten und die Möglichkeit einer Übertragung zu minimieren. Bei Kontaktpersonen sollte gezielt und vollständig das Vorliegen einer Infektion oder Erkrankung an Tuberkulose ausgeschlossen werden (situationsgerecht: Kontaktanamnese ermitteln und werten, Tuberkulintestung, Beobachtung des Gesundheitszustandes, Röntgenuntersuchung bei verdächtigen Befunden, Labordiagnostik bei klinischem Verdacht). Die Feintypisierung isolierter Stämme durch molekulare Methoden und der anschließende Vergleich dieser Stämme untereinander stellt ein weiteres Hilfsmittel bei der infektionsepidemiologischen Aufklärung von Ausbrüchen dar. Daher sollten alle Isolate eines vermuteten Ausbruchs einem Labor mit Möglichkeiten zu dieser Untersuchung zugeführt und die Ergebnisse an die zuständige Gesundheitsbehörde mitgeteilt werden. Meldepflicht Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der feststellende Arzt nach § 6 Abs. 1 verpflichtet, die Erkrankung sowie den Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose zu melden, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt. In der Praxis wird somit jeder Fall meldepflichtig, bei dem eine antituberkulöse Kombinationstherapie eingeleitet wurde. Bei der Meldung ist zu beachten, dass bei der Tuberkulose weitere Angaben, wie z.B. das Geburtsland und die Staatsangehörigkeit anzugeben sind und dass weitere Angaben im Rahmen einer Nachmeldung erfolgen müssen (einschließlich des Behandlungserfolges). Gemäß § 7 IfSG besteht für das Laboratorium eine Meldepflicht für den direkten Erregernachweis von M.-tuberculosis-Komplex außer BCG sowie nachfolgend für das Ergebnis der Resistenzbestimmung. Vorab ist bereits der Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Modifiziert nach RKI, Stand: 01.03.2002 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 184 von 205 Typhus abdominalis, Paratyphus Erreger Erreger sind Salmonella enterica Serotyp Typhi bzw. Paratyphi A, B und C. Sie sind ausschließlich humanpathogen und gehören zur Familie der Enterobacteriaceae. Es handelt sich um gramnegative, bewegliche, begeißelte Bakterien, die nicht sporenbildend und fakultativ anaerob sind. Für die wichtigsten Serotypen (Serovare) der Salmonella enterica, so auch für Salmonella (S.) Typhi und S. Paratyphi, sind zur Feindifferenzierung verschiedene Systeme der Lysotypie verfügbar. Lysotypen von S. Typhi werden fortlaufend mit A, B1, B2, E2 etc. und von 25 bis 66 bzw. für S. Paratyphi B mit 1, 2, 3b, Taunton, Dundee, Beccles, Jersey, BAOR etc. bezeichnet. Des Weiteren können die Stämme mit verschiedenen molekularbiologischen Methoden (z.B. Pulsfeld-Gelelektrophorese – PFGE, Plasmidanalyse) charakterisiert werden. Die Feintypisierung kann zur Aufklärung von Ausbruchsgeschehen beitragen, indem sie auf Infektionen aus gleicher Quelle hinweist. Salmonellen des Serotyps Paratyphi B können sowohl enteritische als auch systemische Verlaufsformen hervorrufen und werden demnach in zwei unterschiedliche Pathovare eingeteilt. Die unterschiedlichen klinischen Eigenschaften scheinen sich auch in biochemischen und molekularbiologischen Eigenschaften widerzuspiegeln: Der enteritische Pathovar (früher: S. Java) ist Tartrat positiv, SopE negativ, avrA positiv, während der systemische Pathovar Tartrat negativ, SopE positiv und avrA negativ ist. Vorkommen Beide Erreger sind weltweit verbreitet. Die weltweite jährliche Inzidenz von Typhus abdominalis wird auf etwa 22 Millionen Erkrankungen und 200.000 Todesfälle geschätzt. In Bezug auf Paratyphus geht man von 5,5 Millionen Erkrankungsfällen aus. In Ländern mit unzureichenden hygienischen Bedingungen, z.B. in Afrika, Südamerika und Südostasien, sind besonders hohe Erkrankungszahlen sowie wiederholte Ausbrüche und Epidemien zu verzeichnen. In Deutschland konnte die Zahl der Erkrankungen seit 1951 (s.u.) durch eine erhebliche Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Entsprechend der Meldepflicht nach IfSG wurden im Jahr 2006 an das RKI 75 Fälle von Typhus abdominalis übermittelt (zum Vergleich: 2005: 80 Fälle; 2004: 82 Fälle; 2003: 65 Fälle; 2002: 59 Fälle; 2001: 89 Fälle). Die bundesweite Inzidenz lag im Jahr 2006 bei unter 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. 1951 betrug die Inzidenz noch 10,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Rund 89 % der Erkrankungen im Jahr 2006 wurden importiert (z.B. aus Indien, Pakistan, Nepal und der Türkei). Auch die Inzidenz von Paratyphus ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland deutlich zurückgegangen, hat sich in den letzten Jahren jedoch auf niedrigem Niveau stabilisiert. Die Zahl der übermittelten Fälle betrug 73 im Jah""2006 (zum Vergleich: 2005: 56 Fälle; 2004: 106 Fälle; 2003: 72 Fälle; 2002: 67 Fälle; 2001: 72 Fälle). Damit lag die Inzidenz im Jahr 2006 bei etwas unter 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu einer Inzidenz von 10,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr 1951. Knapp drei Viertel der Erkrankungen an Paratyphus (74%) wurden im Jahr 2006 importiert (z.B. aus Indien, der Türkei, Pakistan, Serbien). Reservoir Reservoir für S. Typhi und S. Paratyphi ist der Mensch. Bei der Verbreitung der Krankheit spielen klinisch inapparent erkrankte Personen und Dauerausscheider (s.u.) eine besondere Rolle. In seltenen Fällen können Haustiere Reservoir für S. Paratyphi B sein (z.B. Rinder). Die in den letzten Jahren zunehmend beobachteten S.-Paratyphi-B-Stämme aus Geflügelbeständen beispielsweise gehören zu den enteritischen Pathovaren, die im Gegensatz zum klassischen, systemischen Pathovar (s.o.) keine systemische Paratyphus-Erkrankung hervorrufen können. Es können lediglich leichtere klinische Symptome, wie z.B. Durchfälle, auftreten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 185 von 205 Infektionsweg Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch die Aufnahme von Wasser und Lebensmitteln, die durch Ausscheidungen (Stuhl, Urin) kontaminiert wurden. Eine direkte fäkal-orale Übertragung von Mensch zu Mensch ist möglich, aber von untergeordneter Bedeutung. Die minimale Infektionsdosis ist kleiner als bei den Enteritis-Salmonellen: die mittlere Infektionsdosis, die zu 5 einer Erkrankung führt, beträgt 10 Keime. Allerdings ist die erforderliche Zahl der Keime abhängig von der Empfänglichkeit des Patienten (Alter, Immunitätslage, Grundleiden, pH-Wert des Magens) und vom Vehikel der Übertragung (Wasser oder Lebensmittel). Inkubationszeit Typhus abdominalis: ca. 3–60 Tage; gewöhnlich 8–14 Tage Paratyphus: ca. 1–10 Tage Dauer der Ansteckungsfähigkeit Ansteckungsgefahr besteht durch Keimausscheidung im Stuhl ab ungefähr einer Woche nach Erkrankungsbeginn. Die Ausscheidung kann über Wochen nach dem Abklingen der Symptome anhalten und in 2–5% der Fälle in eine lebenslange symptomlose Ausscheidung übergehen. Klinische Symptomatik Typhus und Paratyphus gehören zu den zyklischen, systemischen Infektionskrankheiten. Typhus abdominalis: Das Prodromalstadium beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden, wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen zu einem hochfieberhaften Krankheitsbild mit Temperaturen zwischen 39 °C und 41 °C und einem deutlichen allgemeinen Krankheitsgefühl (Kopfschmerzen, beginnende Somnolenz, uncharakteristische Abdominalbeschwerden, Gliederschmerzen). Die hohen Temperaturen um 40 °C können bis zu 3 Wochen anhalten (Kontinua). Es kann zunächst eine Verstopfung auftreten, später kommt es häufig zu erbsbreiartigen Durchfällen. Zwar typisch, aber nur selten zu sehen sind hellrote, stecknadelkopfgroße (2–4 mm), nichtjuckende Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie, die aber nicht obligat ist. Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierende Cholezystitis, thromboembolische Ereignisse, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis können auftreten. Bei nicht antibakteriell behandelten Patienten schließt sich u.U. eine verlängerte Phase der Rekonvaleszenz an. Bei weiterhin nachweisbaren subfebrilen Temperaturen ist mit dem Auftreten eines Rezidivs zu rechnen. Auch mehrfache Rezidive sind möglich. Bei Kindern unter 1 Jahr verläuft die Erkrankung schwerer und es treten häufiger Komplikationen auf. Nach überstandener Erkrankung scheiden 2–5% der Infizierten dauerhaft Erreger aus. Das bedeutet, dass Typhus- bzw. Paratyphus-Dauerausscheider (permanent carriers) länger als 6 Monate und zwar lebenslang Erreger ausscheiden. Sie können so eine Infektionsquelle für andere sein. In Deutschland bekannte Dauerausscheider sind meist älter als 50 Jahre und häufiger weiblich als männlich. Paratyphus: Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus, er ist jedoch bei Paratyphus meist leichter ausgeprägt. So treten häufiger gastroenteritische Verlaufsformen mit Durchfällen, Übelkeit, Erbrechen, abdominellen Schmerzen und Fieber bis 39 °C auf. Die Krankheitsdauer beträgt 4–10 Tage. Eine überstandene Typhus-Erkrankung hinterlässt eine etwa ein Jahr anhaltende Immunität, die jedoch mit einer hohen Infektionsdosis jederzeit durchbrochen werden kann. Diagnostik Typhus- und Paratyphus-Erkrankungen werden vielfach mit grippalen Infekten oder bei Tropenrückkehrern mit einer Malaria verwechselt. Bei jeder über 4 Tage dauernden hochfieberhaften Erkrankung ohne zunächst feststellbaren Organbefund müssen Typhus und Paratyphus in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden, insbesondere nach Reisen oder längeren Aufenthalten in Typhus-Endemiegebieten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 186 von 205 Folgende unspezifische Laborbefunde geben Hinweise auf Typhus- und ParatyphusErkrankungen: Leukopenie, Linksverschiebung des Blutbildes, Aneosinophilie, weitere: geringe Erhöhung der Leberenzyme, des C-reaktiven Proteins und der Blutsenkungsgeschwindigkeit. Erregernachweis: Die beweisende Diagnostik von Typhus oder Paratyphus ist der direkte Erregernachweis, der aus Blut, Knochenmark, Harn, Stuhl und Duodenalsekret erfolgen kann. Therapie Bei Typhus und Paratyphus muss mit schweren klinischen Krankheitsbildern gerechnet werden. An Typhus oder Paratyphus Erkrankte sollten in jedem Fall antibiotisch behandelt werden. Besonders geeignet ist eine Therapie mit dem Gyrasehemmer Ciprofloxacin (nur für Erwachsene) oder mit einem Breitspektrum-Cephalosporin wie z.B. Ceftriaxon über einen Zeitraum von 2 Wochen. Die klassische Therapie mit Chloramphenicol hat bei gleicher oder geringerer Wirksamkeit mehr mögliche Nebenwirkungen, so dass sie nicht mehr als Mittel der Wahl anzusehen ist. Geeignete Substanzen sind außerdem Cotrimoxazol und Amoxicillin (ßLactamantibiotikum). Eine adäquate antibakterielle Typhus-Therapie ist vor allem im frühen Stadium der Erkrankung sehr erfolgreich. Die Letalität liegt dann im Allgemeinen unter 1% und Komplikationen treten selten auf. Wegen zunehmender Resistenzentwicklung (gegen Chloramphenicol, Cotrimoxazol und Amoxicillin) in den Endemiegebieten hat die Gefahr eines Versagens der Therapie zugenommen. Soweit möglich sollten deshalb die Erregerisolate bezüglich ihrer Antibiotika-Sensitivität getestet werden. Zur Sanierung von Dauerausscheidern wird die Gabe von Ciprofloxacin über einen Zeitraum von 4 Wochen empfohlen. Gute Erfolge werden auch durch eine Therapie mit Ceftriaxon für 2 Wochen erzielt. Bei Dauerausscheidern mit Gallensteinen kann eine chirurgische Sanierung mittels Cholecystektomie (nur unter gleichzeitiger Antibiotikatherapie) erforderlich sein. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Typhus-Erreger werden in den meisten Fällen über Trinkwasser übertragen; in Endemiegebieten sollten Leitungswasser und damit hergestelltes Eis für Getränke nach Möglichkeit gemieden werden. Auch rohe oder nicht ausreichend erhitzte Speisen, wie Blattund Feinkostsalate, Meeresfrüchte, ungeschältes Obst oder Säfte können mit Typhus- und Paratyphus-Erregern kontaminiert sein. Es gilt deshalb in besonderer Weise die alte Regel erfahrener Tropenreisender „Peel it, cook it, or forget it!“ („Schäle es, koche es oder vergiss es!“). Im Übrigen gelten die allgemeinen küchenhygienischen Regeln zur Verhinderung der Kontamination und Vermehrung von Krankheitserregern in Lebensmitteln. Impfung: Es stehen ein oral und ein parenteral zu applizierender Impfstoff gegen Typhus zur Verfügung, die besonders vor Reisen in die Endemiegebiete Asiens, Südamerikas und Nordafrikas, speziell bei einfachen Lebensbedingungen, sowie bei Ausbrüchen oder Katastrophen indiziert sind: Der orale Lebendimpfstoff wird dreimal als magensaftresistente Kapsel im 2-TageAbstand eingenommen. Er besitzt eine gute Verträglichkeit und verleiht ca. 60% der Geimpften Schutz für mindestens ein Jahr. Eine Auffrischimpfung ist bei bestehendem Risiko nach einem Jahr indiziert. Der parenteral zu verabreichende Impfstoff aus hochgereinigtem Vi-Antigen ist ebenfalls gut verträglich und bietet nach einmaliger Gabe ca. 60% der geimpften Erwachsenen und Kinder (über 2 Jahre) einen Impfschutz bis zu 3 Jahren. Die bisherigen Studien zur Wirksamkeit gehen überwiegend von den induzierten Antikörpern aus. Kontrollstudien bei Reisenden fehlen fast völlig. 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen An Typhus oder Paratyphus erkrankte Personen sollten antibiotisch und – in der Regel – in einem Krankenhaus behandelt werden (Ausnahmen: leichter Verlauf, gute Betreuung). Die Pflege der Patienten erfordert strikte hygienische Bedingungen, z.B. Unterbringung im GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 187 von 205 Einzelzimmer, wirksame Händehygiene, Kitteltausch nach jedem Patienten. Nach der Entlassung aus der stationären Behandlung bzw. nach dem Abschluss einer ambulanten Behandlung können die Patienten durch das Gesundheitsamt weiter beobachtet werden (§ 29 Abs. 1 IfSG), bis ein negatives Ergebnis von insgesamt 3 Stuhluntersuchungen vorliegt (erste Stuhlprobe frühestens 24 Stunden nach Abschluss der antimikrobiellen Therapie, Abstand der Proben 1–2 Tage). Eine Wiederzulassung zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen bzw. zu beruflicher Tätigkeit ist nach klinischer Genesung und Vorliegen von 3 aufeinander folgenden negativen Stuhlbefunden möglich. Personen, die an Typhus oder Paratyphus erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 des Infektionsschutzgesetzes beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht tätig sein, wenn sie mit den Lebensmitteln in Berührung kommen. Das gilt auch für Personen, die zeitweilige Ausscheider bzw. Dauerausscheider von S. Typhi oder S. Paratyphi sind sowie für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung. Bei einer Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben oder Gemeinschaftseinrichtungen sind nach einer Erkrankung spätere Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss einer langfristigen Ausscheidung sinnvoll. Lebensmittel gemäß § 42 IfSG sind: Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus Eiprodukte Säuglings- und Kleinkindernahrung Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage, ausgenommen Dauerbackwaren Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte Soßen, Nahrungshefen Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Typhus oder Paratyphus erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr- oder Aufsichtstätigkeiten bzw. sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Attest eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Ebenfalls gilt für in Gemeinschaftseinrichtungen betreute erkrankte Personen, dass sie diese nicht besuchen dürfen, bis eine Weiterverbreitung der Erkrankung nicht mehr zu befürchten ist. Bei Ausscheidern von S. Typhi oder S. Paratyphi ist eine Belehrung über hygienische Verhaltensregeln und die Vermeidung von Infektionsrisiken erforderlich; eine Sanierung sollte angestrebt werden (ggf. in einer Einrichtung mit spezieller Erfahrung). Im Falle der beabsichtigten Aufnahme in ein Heim kann im Einverständnis mit der Einrichtung meist in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt eine individuelle Regelung (sanitärhygienische Bedingungen, Verhaltensanforderungen) getroffen werden (z.B. eigene Toilette), die eine Zulassung zu der Gemeinschaftseinrichtung ermöglicht. Entsprechend § 34 IfSG ist ein Ausschluss von Kontaktpersonen aus Gemeinschaftseinrichtungen bis zum Vorliegen von 3 aufeinander folgenden negativen Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen notwendig. Ausnahmen können in Absprache mit dem Gesundheitsamt erfolgen, wenn keine typhusverdächtigen Symptome vorliegen und wenn eine strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen (s.u.) gegeben ist. Die Übertragung von S. Typhi und Paratyphi kann wirksam durch das Vermeiden von fäkaloralen Schmierinfektionen, vor allem durch eine effektive Händehygiene (gründliches Waschen der Hände nach jedem Stuhlgang und vor der Zubereitung von Mahlzeiten, Verwendung von Einmal-Papierhandtüchern, Desinfektion mit alkoholischem Händedesinfektionsmittel), verhütet werden. Eine wirksame postexpositionelle Prophylaxe ist nicht bekannt. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 188 von 205 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen ist das schnellstmögliche Ermitteln der Infektionsquelle bzw. des übertragenden Vehikels entscheidend, um Maßnahmen zur Erfassung der möglicherweise Infizierten und zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das zuständige Gesundheitsamt muss daher unverzüglich informiert werden. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung durch bestimmte Lebensmittel, muss die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde sofort in Kenntnis gesetzt werden. Isolierte Stämme sollten zur weiteren Typisierung und Charakterisierung möglichst rasch an das NRZ gesandt werden. Meldepflicht Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für alle direkten Nachweise von Salmonella Typhi und Salmonella Paratyphi. Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Typhus abdominalis und Paratyphus meldepflichtig. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an. Modifiziert nach RKI, Stand: 08.05.2007 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 189 von 205 Varizellen (Windpocken), Herpes Zoster (Gürtelrose) Erreger Das Varicella-Zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene klinische Krankheitsbilder verursachen: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion und Herpes zoster (Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung. Das Virus aus der Familie der Herpesviridae ist neben dem Herpes-simplex-Virus 1 und 2 das dritte humanpathogene Alpha-Herpesvirus. Außerhalb des Körpers kann es in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen mindestens einige Tage seine Infektiosität bewahren. Vorkommen Varizellen sind weltweit verbreitet. – In Deutschland sind Varizellen unter den Infektionskrankheiten im Kindesalter, die prinzipiell durch Impfung vermeidbar sind, am häufigsten. Bisher, d.h. im Zeitraum vor der allgemeinen Impfempfehlung, waren durchschnittlich etwa 750.000 Erkrankungen pro Jahr zu erwarten. Die Häufigkeit der Varizellen steigt nach dem Verschwinden der maternalen Antikörper im Kleinkindesalter stark an, so dass die meisten Kinder schon im Schulalter seropositiv sind. Bei über 95% aller Erwachsenen sind Antikörper gegen das VZV nachweisbar. Der Herpes zoster tritt gehäuft bei älteren Menschen jenseits des fünften Lebensjahrzehntes auf. Man kann davon ausgehen, dass etwa 20% der Bevölkerung einmal im Leben an einem Zoster erkranken. Reservoir Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir für das VZV. Infektionsweg Varizellen sind äußerst kontagiös; nach einer Exposition erkranken über 90 von 100 empfänglichen, d.h. seronegativen Personen (Kontagionsindex nahe 1,0). Das Virus kommt endemisch in der Bevölkerung vor und wird vor allem während saisonaler Häufungen – in gemäßigten Breitengraden im Winter und Frühjahr – übertragen. Die Übertragung erfolgt aerogen durch virushaltige Tröpfchen, die beim Atmen oder Husten ausgeschieden werden (und u.U. im Umkreis von mehreren Metern zur Ansteckung führen können). Ferner ist eine Übertragung durch virushaltigen Bläscheninhalt oder Krusten als Schmierinfektion möglich. Bei Herpes zoster besteht eine geringe Kontagiosität, da nur die virushaltige Bläschenflüssigkeit infektiös ist. Eine diaplazentare Übertragung ist selten, kann aber in etwa 1–2% der Varizellenerkrankungen bei Schwangeren zum fetalen Varizellensyndrom führen, sofern die Erkrankung zwischen der 5. und 24. Schwangerschaftswoche aufgetreten ist. Eine mütterliche Erkrankung 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Geburt stellt ebenfalls eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung für das Neugeborene dar (s.u.). Von einem Herpes zoster der Mutter geht keine Gefahr für das ungeborene Kind aus. Inkubationszeit Die Inkubationszeit der Varizellen kann 8–28 Tage betragen, sie liegt in der Regel bei 14–16 Tagen. Dauer der Ansteckungsfähigkeit Die Ansteckungsfähigkeit beginnt 1–2 Tage vor Auftreten des Exanthems und endet 5–7 Tage nach Auftreten der letzten Effloreszenzen. Patienten mit Herpes zoster sind bis zur Verkrustung der Bläschen ansteckungsfähig (Schmierinfektionen). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 190 von 205 Klinische Symptomatik Varizellen Nach uncharakteristischen Prodromi (1–2 Tage vor Krankheitsbeginn) beginnt die Erkrankung mit einem juckenden Exanthem und Fieber, selten über 39°C, für einen Zeitraum von 3–5 Tagen. Die Hautläsionen, das Hauptmerkmal der Infektion, bestehen aus Papeln, Bläschen und Schorf in verschiedenen Entwicklungsstadien („Sternenhimmel“). Diese Läsionen, die sich innerhalb kurzer Zeit zu Blasen entwickeln, erscheinen zuerst am Stamm und im Gesicht und können schnell auf andere Körperteile unter Einbeziehung der Schleimhäute und behaarten Kopfhaut übergreifen. Der Schweregrad der Läsionen kann sehr unterschiedlich sein. Kleinere Kinder bilden meist weniger Bläschen aus als ältere Personen. Varizellen weisen bei sonst gesunden Personen in der Regel einen gutartigen Verlauf auf und heilen im Normalfall ohne Narben ab. Durch starkes Kratzen oder bakterielle Superinfektionen können Narben zurückbleiben. Bei Neugeborenen, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten unter einer immunsuppressiven Therapie (z.B. Glukokortikoid- oder zytostatische Therapie) können sich jedoch schwere, auch hämorrhagische Krankheitsverläufe – nicht selten mit letalem Ausgang – entwickeln. Schwere Krankheitsverläufe werden aber auch bei sonst gesunden Kindern beobachtet. Die Bedeutung der Windpocken ergibt sich vor allem aus den möglichen Komplikationen: Die häufigste infektiöse Komplikation ist eine bakterielle Superinfektion der Hautläsionen, meist verursacht durch Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus. Eine sehr schwerwiegende Komplikation ist die Varizellenpneumonie. Sie tritt häufiger bei Erwachsenen (bis 20%) als bei Kindern auf und beginnt gewöhnlich 3–5 Tage nach Krankheitsausbruch. Schwangere Frauen sind besonders gefährdet. ZNS-Manifestationen sind in etwa 0,1% der Erkrankungen zu verzeichnen und äußern sich in meningealer Reizung und akuter zerebellärer Ataxie, die jedoch eine günstige Prognose besitzt. Weitere mögliche, auch schwerwiegendere Komplikationen, die das Nervensystem betreffen, sind eine aseptische Meningitis, Enzephalitis, Myelitis transversa, ein Guillain-Barré-Syndrom oder ein Reye-Syndrom. In Einzelfällen kann es zu Myokarditis, kornealen Läsionen, Nephritis, Arthritis, Blutungsneigung, akuter Glomerulonephritis und Hepatitis kommen. Beim Auftreten von Varizellen im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft kann das fetale Varizellensyndrom entstehen, das in seinem Vollbild durch segmental angeordnete Hautveränderungen (Skarifikationen, Ulcera, Narben), neurologische Erkrankungen und Fehlbildungen (Hirnatrophie, Paresen, Krampfleiden), Augenschäden (Mikrophthalmie, Chorioretinitis, Katarakt) und Skelettanomalien gekennzeichnet ist. Schwer verlaufende neonatale Windpocken können bei einer Erkrankung der empfänglichen Mutter innerhalb von 5 Tagen vor der Geburt oder bis zu 48 Stunden danach entstehen. Da das Neugeborene in diesen Fällen transplazentar keine protektiven Antikörper erhält und ein unreifes Immunsystem hat, sind die Verläufe sehr schwer und mit einer Letalitätsrate bis zu 30% verbunden. Das größte Risiko haben Neugeborene, die zwischen dem 5. und 10. (12.) Lebenstag an Varizellen erkranken. Herpes zoster Der Herpes zoster stellt keine exogene Neuinfektion, sondern ein endogenes Rezidiv dar und kann sich nur bei Individuen mit einer früheren VZV-Infektion ausbilden. Der in den Spinal- bzw. Hirnnervenganglien des Organismus persistierende Erreger führt dann bei einer Reaktivierung zum Herpes zoster. Vorwiegend tritt er bei immungeschwächten bzw. älteren Personen auf, wird aber auch spontan bei Immunkompetenten und jüngeren Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen beobachtet. Herpes zoster kann zwar auch bei Personen, die mit einer Lebendvakzine gegen Varizellen geimpft wurden, auftreten. Studien zur Varizellenimpfung an Kindern mit Leukämie in kompletter Remission haben jedoch ergeben, dass die Herpes-zoster-Inzidenz bei geimpften GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 191 von 205 Kindern geringer war als in einer ungeimpften Kontrollgruppe (0,80 vs. 2,46/100 PersonenJahre). Der Herpes zoster ist durch unilaterale, vesikuläre Eruptionen innerhalb eines Dermatoms mit zum Teil starken Schmerzen gekennzeichnet. Die Dermatome von T3 bis L3 sind am häufigsten betroffen. Bei Befall des Trigeminus (Nervus ophthalmicus) kommt es zum Zoster ophthalmicus. Weitere Zostermanifestationen können der Zoster oticus und Zoster maxillaris sein sowie der Zoster genitalis bei Befall der Nerven im Genitalbereich. Bei Kindern verläuft die Erkrankung im Allgemeinen gutartig, bei Erwachsenen können erhebliche Schmerzen durch eine akute Neuritis auftreten. Nach Abheilen des Zosters kann eine postherpetische Neuralgie über lange Zeit, in Einzelfällen sogar lebenslang, erhebliche Schmerzen bereiten. Bei Immundefizienz kann es zum disseminierten Zoster kommen, der nicht mehr segmental begrenzt ist, an multiplen Stellen auftreten und sekundär hämatogen generalisieren kann. Solche Verläufe können lebensbedrohlich sein. Ebenso wie bei den Varizellen kann auch bei Herpes-zoster-Erkrankung das ZNS in Form einer meningealen Reizung oder Meningoenzephalitis betroffen sein. Seltene ZNS-Manifestationen sind die granulomatöse Angiitis mit kontralateraler Hemiplegie sowie die aufsteigende Myelitis, evtl. mit motorischen Paralysen. Diagnostik Erkrankungen an Varizellen/Herpes zoster sind in der Regel durch ein typisches klinisches Bild gekennzeichnet, so dass eine spezifische Diagnostik nur in ausgewählten Fällen erforderlich ist. Dies betrifft atypische Krankheitsbilder bei Patienten mit Immundefizienz, ZNS-Erkrankungen, Pneumonie, Infektionen während der Schwangerschaft und des Neugeborenen sowie die Unterscheidung von Impfvarizellen gegenüber natürlich erworbenen Varizellen. Therapie Varizellen Die symptomatische Behandlung bei immunkompetenten Patienten soll die Beschwerden und Begleiterscheinungen lindern und zugleich vermeidbaren Komplikationen vorbeugen. Insbesondere bakterielle Superinfektionen der Haut können durch sorgfältige Hautpflege (tägliches Baden, topische Verbände, Gabe von juckreizlindernden Medikamenten) vermieden werden. Herpes zoster Bei immunkompetenten Patienten ist neben der sorgfältigen Hautpflege eine orale antivirale Therapie mit Aciclovir, Brivudin, Famciclovir oder Valaciclovir (orales Prodrug von Aciclovir) indiziert. Dadurch werden die Heilung der Läsionen und das Sistieren des mit Zoster assoziierten Schmerzes beschleunigt. Bei Immungeschwächten mit Windpocken oder Herpes zoster muss Aciclovir parenteral verabreicht werden. Das gilt auch für die Behandlung von Komplikationen, z.B. Varizellenpneumonie oder Zoster ophthalmicus. Die Therapie von Zostererkrankungen bei immunsupprimierten erwachsenen Patienten sowie des Zoster ophthalmicus ist auch mit der oralen Gabe von Famciclovir möglich. Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen 1. Präventive Maßnahmen Seit August 2004 ist die Varizellen-Schutzimpfung von der STIKO für alle Kinder und Jugendlichen empfohlen. Die Impfung sollte vorzugsweise im Alter von 11–14 Monaten durchgeführt werden, kann jedoch auch jederzeit danach erfolgen. Noch ungeimpfte 9- bis 17Jährige ohne Varizellenanamnese sollten möglichst bald geimpft werden, da die Erkrankung bei Ihnen mit einer höheren Komplikationsrate einhergeht. Die ausführliche Begründung der Empfehlung ist hier verfügbar. Neugeborene empfänglicher Mütter, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten unter einer Glukokortikoidtherapie sowie Personen mit schwerer Neurodermitis sind in der Regel durch schwere Krankheitsverläufe besonders gefährdet. Für diese definierten Risikogruppen sind präventive Maßnahmen indiziert. Sinnvoll ist deshalb eine rechtzeitige aktive Immunisierung empfänglicher Kontaktpersonen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 192 von 205 Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ist eine Impfung auch bei folgenden Personen indiziert: Seronegative Frauen mit Kinderwunsch Seronegative Patienten vor geplanter immunsuppressiver Therapie oder Organtransplantation Seronegative Patienten unter immunsuppressiver Therapie Eine Impfung sollte jedoch nicht unter intensiver immunsuppressiver Therapie durchgeführt werden (z.B. in der Anfangsphase der Behandlung). Seronegative Patienten mit Leukämie Nach Abschluss der immunsuppressiven Therapie und vollständiger klinischer Remission ≥ 12 Monate und vollständiger hämatologischer Remission (Gesamtlymphozytenzahl ≥ 1.200/mm³ Blut) Empfängliche Patienten mit schwerer Neurodermitis („empfängliche Personen“ bedeutet: anamnestisch keine Windpocken, keine Impfung und bei serologischer Testung kein Nachweis spezifischer Antikörper) Weiterhin sollte eine Impfung durchgeführt werden bei seronegativem Personal im Gesundheitsdienst, insbesondere der Bereiche Pädiatrie, Onkologie, Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivmedizin und der Betreuung von Immundefizienten sowie bei Neueinstellungen in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter Bei Kindern vor dem vollendeten 13. Lebensjahr sollte eine Dosis gegeben werden, 2 Dosen im Abstand von mindestens 6 Wochen werden bei Kindern ab 13 Jahren, Jugendlichen und Erwachsenen gegeben (Hinweise der Hersteller beachten). Empfehlungen zur postexpositionellen Varizellenprophylaxe Inkubationsimpfung: Bei ungeimpften Personen mit negativer Varizellenanamnese und Kontakt zu Risikopersonen ist eine postexpositionelle Impfung innerhalb von 5 Tagen nach Exposition* oder innerhalb von 3 Tagen nach Beginn des Exanthems beim Indexfall zu erwägen. Auf Vermeidung von Kontakten zu Risikopersonen sollte strikt geachtet werden. Postexpositionelle Prophylaxe durch passive Immunisierung mit Varicella-ZosterImmunglobulin (VZIG): Eine postexpositionelle Varizellenprophylaxe mittels VZIG wird innerhalb von 96 Stunden nach Exposition* für Personen mit erhöhtem Risiko für Varizellenkomplikationen empfohlen. Sie kann den Ausbruch einer Erkrankung verhindern oder deutlich abschwächen. Zu diesem Personenkreis zählen: ungeimpfte Schwangere ohne Varizellenanamnese, immundefiziente Patienten mit unbekannter oder fehlender Varizellenimmunität, Neugeborene, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen erkrankte Für Applikation und Dosierung von VZIG sind die Herstellerangaben zu beachten. Die Empfehlungen der STIKO zu Impfungen und zur Postexpositionsprophylaxe bei Varizellen finden sich im Epidemiologischen Bulletin 30/2004. * Exposition wird hier wie folgt definiert: eine Stunde oder länger mit infektiöser Person in einem Raum face-to-face-Kontakt Haushaltskontakt 2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen Im häuslichen Milieu sind spezielle Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen in der Regel nicht notwendig. Patienten mit Abwehrschwäche sollen keinen Kontakt zu Erkrankten haben. Unter stationären Bedingungen ist zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen eine strikte Isolierung (Luftführung der Klimaanlage beachten) von Patienten mit Varizellen erforderlich. Bei Herpes zoster steht die Übertragung über Schmierinfektionen im Vordergrund. Bei strenger Einhaltung der Standardhygiene und Abdeckung der Läsionen ist eine strikte Isolierung nur bei möglichem Kontakt mit abwehrgeschwächten Personen erforderlich. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 193 von 205 Bei Desinfektionsmaßnahmen zur Vermeidung nosokomialer Infektionen, sollen Desinfektionsmittel mit nachgewiesener begrenzt viruzider Wirksamkeit verwendet werden. Nach dem Berufsgenossenschaftlichen Untersuchungsgrundsatz G 42 sollten alle Beschäftigten in Risikobereichen des Gesundheitswesens immun sein. Nach § 34 (1) IfSG dürfen an Varizellen erkrankte Personen in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch Erkrankte, die in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen ist eine Woche nach Beginn einer unkomplizierten Erkrankung möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. 3. Maßnahmen bei Ausbrüchen Bei Ausbrüchen sollte das zuständige Gesundheitsamt informiert werden, damit für gefährdete Personen frühzeitig präventive Maßnahmen eingeleitet werden können (s. auch Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen). Meldepflicht Nach dem IfSG ist eine generelle Meldepflicht für Ärzte und Laboratorien nicht vorgeschrieben. Gemäß § 6 (1) Nr. 5b IfSG ist jedoch das Auftreten von zwei oder mehr Erkrankungen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang vermutet wird, meldepflichtig, sofern eine Gefahr für die Allgemeinheit besteht (bei Varizellen z.B. im Umfeld immungeschwächter Personen). Nach § 6 (3) IfSG sind gehäuft auftretende nosokomiale Varizellen unverzüglich als Ausbruch an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 (6) IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das Auftreten bestimmter Infektionen und Erkrankungen, bei denen die Gefahr der Weiterverbreitung besteht, zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Dies betrifft nach § 34 (1) IfSG auch die Varizellen. Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006 GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 194 von 205 VHF = Virusbedingtes Hämorrhagisches Fieber ° mit Blutungen einhergehend Definition Der Begriff VHF bezieht sich auf die vier Viren Lassa, Marburg, Ebola und Krim-Kongo, für die eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen werden konnte. Dieser Risikofaktor unterscheidet sie von mehreren hämorrhagischen Krankheiten wie beispielsweise dem Gelbfieber oder dem Denguefieber, die durch Insekten übertragen werden. So ist zunächst einmal eine klare Falldiagnose notwendig, um eine Epidemie von Fehlalarmen zu vermeiden. Das Übertragungsrisiko des VHF ist vor allem durch kontaminierte medizinische Instrumente und Kontakt mit virushaltigem menschlichem (oder tierischen) organischem Material nachgewiesen. Deshalb sind im Krankenhaus strikte Schutzmaßnahmen notwendig. Symptome Im Anfangsstadium allgemeine Symptome eines grippalen Infektes mit Fieber, Halsschmerzen, Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, die teils sehr akut (z. B. EbolaVirus) aber auch schleichend (z.B. Lassa-Fieber) einsetzen. Nach wenigen Tagen kommt es zu Blutungen (Hämorrhagien) unterschiedlichen Ausmaßes, die zunächst oft als Schleimhautblutungen, Zahnfleischblutungen, blutiger Durchfall das Versagen des Blutgerinnungssystems anzeigen und letztlich zu Nierenversagen und Herz-Kreiskauf-Schock führen. Therapie Da es keine kurative Therapie gibt, kann die Behandlung nur rein symptomatisch erfolgen. Die Patienten werden in entsprechenden Spezialzentren unter speziellen Schutzvorkehrungen betreut. Bislang bekannte VHF-Krankheiten Ebola-Virus –Fieber und Marburg – Fieber Erreger zwei Unterformen der so genannten Filoviren. Vorkommen Ebola-Virus : Kongo, Uganda, Sudan, Gabun, Elfenbeinküste Marburg-Virus : Uganda, Zimbabwe, Kenia, Kongo Übertragungsweg Die Übertragung der Infektion erfolgt hauptsächlich durch direkten, engen Kontakt von Mensch zu Mensch, wahrscheinlich über bluthaltige Körpersekrete. Inkubationszeit 2 – 21 Tage GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 195 von 205 Krim-Kongo-Fieber Erreger Bunyaviren Vorkommen Krim, Ketsch-Halbinsel, Kasachstan, Usbekistan,Rostov-u.Astrakhan-Region Russland, Albanien,Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Irak, Arabische Halbinsel, Pakistan, Westchina, tropisches Afrika, Südafrika, Mauretanien. Übertragungsweg Das Virus wird hauptsächlich durch Hyaloma-Zecken übertragen, die gleichzeitig ein wichtiges Erregerreservoir darstellen (diese Zecken kommen ausschließlich in wärmeren Regionen südlich des Balkans vor). Domestizierte Tiere, wie Kühe, Schafe, Ziegen und Kamele, stellen ebenfalls ein bedeutendes Reservoir dar. Eine Übertragung des Erregers kann auch bei Kontakt mit infektiösem tierischem Blut (Inhalation von infiziertem Blut z.B.: beim Schächten von Tieren möglich) oder Muskelfleisch erfolgen. Inkubationszeit 2-9 Tage Lassa Fieber Erreger Arenavirus Vorkommen Westafrika: Sierra Leone, Liberia, Guinea, Nigeria, Zentralafrika, Kongo, Mali, Senegal Übertragungsweg Chronisch infizierte Nagetiere (Mastomys natalensis) stellen das Erregerreservoir dar. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt hauptsächlich durch infektiöse Aerosole der virushaltigen Nager-exkremente oder -blut. Saisonale Häufung während der Trockenzeit (Januar-April). Inkubationszeit 6 – 21 Tage, meist 7 – 12 Tage Wie kann man sich schützen? Eine Impfung gibt es nicht. Bei Reisen in entsprechende Endemiegebiete sollte man sich vorher sorgfältig reisemedizinisch beraten lassen und entsprechend der Übertragungswege (siehe umseitig) zusätzlich zu den allgemeinen hygienischen Vorsichtsmaßnahmen den Kontakt zu Menschen mit fiebrigen Erkrankungen und zu Nagetieren konsequent meiden sowie Vorsichtsmaßnahmen gegen Zeckenbisse ergreifen: Tragen dicht schließender heller Kleidung aus glatten Stoffen, Zeckenschutzmitteln anwenden, nach einem Aufenthalt im Freien die Kleidung und den Körper auf Zecken absuchen. Grundsätzlich ist unerklärliches Fieber bis zu drei Wochen nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet verdächtig. Suchen Sie in diesem Fall unbedingt einen Arzt auf! Wenn Sie in Deutschland erfahren, dass Sie innerhalb der letzten drei Wochen engen Kontakt zu einem Erkrankten hatten, wenden Sie sich bitte umgehend an das nächstgelegene Gesundheitsamt. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 196 von 205 Umgang mit hochkontagiösen lebensbedrohlichen Erkrankungen Hessisches Sozialministerium und Kompetenz-Zentrum für hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankungen am Stadtgesundheitsamt Frankfurt Management bei Verdacht auf eine lebensbedrohliche hochkontagiöse Erkrankung (HKLE) Falldefinition Als lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektionen werden gegenwärtig verschiedene durch Viren ausgelöste hämorraghische Fieber (Ebola, Lassa, Marburg, Krim-Kongo und möglicherweise weitere Erreger), sowie die Lungenpest und Infektionen durch Orthopoxviren angesehen. Keine dieser Infektionen ist bislang originär in Deutschland aufgetreten. Allen Infektionen ist gemeinsam, dass sie von Mensch zu Mensch übertragen werden können und eine hohe Mortalitätsrate haben. Eine besondere Gefährdung besteht auf Grund des engen Kontakts zu infektiösem Material für das versorgende Personal in Krankenhäusern. In den letzten Jahren wurden in Deutschland und Europa mehrfach Patienten mit importierten hochkontagiösen hämorrhagischen Fiebern (Lassa) und mehrere Verdachtsfälle in Krankenhäusern behandelt und eine große Unsicherheit mit den nötigen Sicherheitsvorkehrungen deutlich. Die vorliegenden Richtlinien sollen jetzt einen Rahmen vorgeben. Entscheidend ist, dass bei dem klinischen und anamnestischen Verdacht auf eine hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankung rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen ergriffen werden. Letztendlich ist die zeitnahe Erhebung der Verdachtsdiagnose die wesentliche Voraussetzung für das adäquate Management von lebensbedrohenden hochkontagiösen Infektionskrankheiten. Das unverzüglich zu verständigende Gesundheitsamt soll die betroffenen Klinik/Praxis beraten und notfalls die adäquaten Maßnahmen zum Schutz von Personal und Umgebung auch anordnen. Erreichbarkeit der Gesundheitsämter Alle Gesundheitsämter müssen 24 Stunden täglich erreichbar sein, um im Falle einer hochkontagiösen Erkrankung die notwendigen Maßnahmen koordinieren zu können. Entsprechend müssen die Telefonnummern der Gesundheitsämter den Ärzten und Kliniken regional bekannt gegeben werden. Außerhalb der Dienstzeit ist die Erreichbarkeit über die jeweilige Rettungsleitstelle sicherzustellen. Sobald die Meldung eines Verdachtsfalles eintrifft, muss die Amtsärztin/ der Amtsarzt oder die diensthabende Ärztin/ der Arzt eine Plausibilitätskontrolle vornehmen. Insbesondere soll überprüft werden, ob wichtige Differentialdiagnosen (z.B. Malaria) ausgeschlossen wurden. In der Regel ist dazu eine Anamneseerhebung vor Ort notwendig. Begründeter Verdachtsfall Sobald eine Klinik/Arzt einen Verdachtsfall gemeldet hat, ist vom Arzt/in des Gesundheitsamtes an Hand der klinischen Daten, der Symptome und vor allen Dingen der (Reise)Anamnese, festzustellen ob eine lebensbedrohende hochkontagiöse Erkrankung vorliegen kann (begründeter Verdachtsfall). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 197 von 205 Bei der Anamneseerhebung sind durch Befragung der behandelnden Ärzte, von Angehörigen oder dem Patienten einige für die Einordnung des Falles wichtige Daten zu erheben. Dazu gehören: Beschreibung der Symptome Festlegung des Beginns der Symptome (Ansteckungsgefahr) Welche Laborbefunde liegen bis jetzt vor (z.B. Malaria ausgeschlossen) Feststellung der Daten – wann ist der Patient im Ausland gewesen, wann ist er zurückgekehrt, wo genau ist er zu welchen Zeitpunkten gewesen Prophylaxe: wurde Malariaprophylaxe betrieben, welche Medikamente, Compliance? Welche Impfungen wurden durchgeführt (Impfpass kontrollieren) Einschaltung des Kompetenzzentrum FFM Bei weiter bestehendem Verdacht ist Rücksprache mit dem Kompetenzzentrum in Frankfurt erforderlich. Dieses soll eine Beratung über die vorliegenden Befunde, mögliche Diagnosen, erforderliche Diagnostik und notwendige Schutzmaßnahmen durchführen. Je nach Fallkonstellation kann eine Besichtigung vor Ort erforderlich sein. Das Kompetenzzentrum hilft bei der Einordnung des Falles und der Entscheidung über Verlegung bzw. zur Ergreifung von Maßnahmen bei Verbleib im aufnehmenden Krankenhaus. Die verantwortliche Stelle bleibt das zuständige Gesundheitsamt. Transport des Patienten in ein geeignetes Krankenhaus Sobald die Isolierstation in Frankfurt eingerichtet ist, soll bei einem begründeten Verdacht die Verlegung möglichst umgehend erfolgen. Bis dahin soll eine Verlegung nur erfolgen, wenn das betroffene Krankenhaus keine Möglichkeit zur adäquaten medizinischen Versorgung (z.B. Intensivtherapie/Dialyse etc.) hat. Die Anforderung des Sondertransportes muss über das Kompetenzzentrum Frankfurt erfolgen, da derartige Transporte in Hessen nur mit einem geeigneten Fahrzeug und ausgebildetem und mit entsprechender Schutzausrüstung versehenem Personal durchgeführt werden dürfen. Ausgewiesen dafür ist nur die Feuerwehr in Frankfurt am Main. Die fachgerechte Desinfektion im Anschluss an den Transport erfolgt in der Anlage zur Formaldehydverdampfung an der Feuerwache 5 in Frankfurt am Main. Bis zum Beginn des Patiententransportes ist eine Vorlaufzeit von einer Stunde zuzüglich der Fahrzeit bis zum Einsatzort zu kalkulieren. Patienten außerhalb med. Versorgungseinrichtungen, bei denen ein entsprechender Anfangsverdacht geäußert wird, sind vom örtlich zuständigen Rettungsdienst mit den Schutzvorkehrungen (Mundund Augenschutz, Handschuhe, Schutzkittel) zu transportieren und bei vitaler Gefahr auch zu versorgen. Vorläufige Isolierung des Patienten Bis zum Transport oder bis auf weiteres, falls der Patient nicht verlegt werden kann, ist eine provisorische Isolierung durchzuführen. In einer Klinik müssen mindestens die nachstehend aufgeführten Vorkehrungen getroffen und vom Gesundheitsamt notfalls auch angeordnet werden (vorläufige Isolierung - und Schutzanzüge) Der Patient muss in einem Einzelzimmer mit (provisorischer) Schleuse versorgt werden, verbundene raumlufttechnische Anlagen müssen ausgeschaltet sein, der Zugang ist auf das absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken. • Das Personal muss die nötige Schutzkleidung wie Anzüge, Masken, Schutzbrille evtl. Respiratoren tragen • Das (Routine) - Labor muss benachrichtigt werden. Proben von Körpersekreten des Verdachtsfalles zur Routinediagnostik müssen besonders gekennzeichnet sein. Das mit der Probenbearbeitung betraute Personal muss bei kontaminationsgefährlichen Handlungen ebenfalls geeignete Schutzkleidung tragen und die üblichen Sicherheitsbestimmungen zum • GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 198 von 205 Arbeiten mit infektiösem Material streng beachten! Wenn vorhanden, sollte die Probenaufbereitung unter einer CLEAN BENCH erfolgen und die Bearbeitung von der übrigen Routine getrennt erfolgen. • Der kontaminiere Abfall (möglichst Einmalmaterialien verwenden) muss in verschließbaren Behältnissen gesammelt, gekennzeichnet und anschließend autoklaviert werden. Er kann dann normal entsorgt werden. Ist eine Autoklavierung nicht möglich, müssen die Behältnisse vorläufig gesammelt werden und später, wenn erforderlich, nochmals verpackt und desinfiziert zur Verbrennung in die HIM GmbH (Hessische Industriemüll – Verbrennungsanlage ) in Biebesheim gebracht werden. • Kontaminierte Materialien und Flüssigkeiten dürfen nicht in die normale Abwasserentsorgung eingebracht werden. Die Entsorgung sollte, wie oben beschrieben, als Abfall erfolgen. Im Übrigen eignet sich Perchloressigsäure zur Desinfektion und Abtötung einiger hier angesprochener Keime. Die Patienten dürfen Toiletten und Wascheinrichtungen, die an die normale Kanalisation angeschlossen sind, nicht benutzen. Geeignet sind beispielsweise Toilettenstühle, wobei die Auffanggefäße nur einmal verwendet werden dürfen. Die Auffanggefäße mit den Ausscheidungen des Patienten sind in verschließbaren, wasserdichten Kunststoffsäcken zu autoklavieren und dann zu entsorgen. • Kontaminierte Räume sind vorläufig zu schließen und später entsprechend der Richtlinien für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zu desinfizieren Das Gesundheitsamt muss nach der Feststellung eines begründeten Verdachtfalles die eingeleiteten Maßnahmen im Krankenhaus vor Ort überprüfen. Spezielle Diagnostik In Deutschland gibt es ein Konsiliarlabor für importierte Virusinfektionen mit einer 24 stündigen Bereitschaft (Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin) und ein Konsiliarlabor für Filoviren (Virologisches Institut der Universität Marburg), die unter den notwendigen Sicherheitsvorkehrungen die Anzüchtung und Diagnostik entsprechender Viren durchführen können und dürfen. Der Probenversand für die spezielle Diagnostik muss in besonderen Sicherheitsgefäßen, spezieller Verpackung und Beschriftung mit besonderen Begleitpapieren erfolgen. Gefäße und Papiere müssen zumindest an einer Stelle im Landkreis/Stadt vorhanden und jederzeit zugänglich sein (Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit hat diese Materialien verfügbar). Die Gesundheitsämter sollen sich über Transportmöglichkeiten vor Ort informieren (Telefonnummern von Courierunternehmen u.ä.) (Versand von BSL 4-Erreger-verdächtigem Untersuchungsmaterial). Todesfall Für den Todesfall müssen Flüssigkeits- und luftdicht verschließbare Leichensäcke verwendet werden, die an einer Stelle im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt vorgehalten werden sollen. Das Pflegepersonal in Schutzanzügen sollte die Leiche in den Leichensack legen, diesen von außen desinfizieren und die Leiche am üblichen Ort lagern (Pathologie). Unter Aufsicht des Gesundheitsamtes ist die Leiche in dem Leichensack in einen Holzsarg zu betten und in das nächste Krematorium zu bringen. Der Sarg darf nicht mehr geöffnet werden. Grundsätzlich ist eine Verbrennung der Leiche erforderlich und notfalls auch anzuordnen. Eine Obduktion soll in der Regel nicht erfolgen, Blutproben oder z.B. ein Leberbiopsiezylinder sind für die Diagnostik oft ausreichend. Wenn eine Obduktion erforderlich sein sollte, ist diese auch bei Verdachtsfällen unter Sicherheitsbedingungen (Schutzkleidung mit Respiratoren, anschließende Raumdesinfektion etc.) durchzuführen. Listen der Kontaktpersonen Solange der Verdacht noch nicht bestätigt ist, sollten nur die Namen der Personen ermittelt werden, die engeren Kontakt zum Indexfall hatten (Pflegepersonal, Ärzte, Laborpersonal, Rettungsdienst bei vorangegangenem Transport und Familien-angehörige). GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 199 von 205 Achtung: der entscheidende Zeitpunkt zur Erfassung von Kontaktpersonen ist der Beginn der Symptome beim Indexpatienten! Nach Bestätigung der Diagnose sollten alle bekannten Kontaktpersonen genauer befragt werden. Dazu ist es sinnvoll, einen Fragebogen zu entwerfen, der die Einordnung in die Risikogruppen ermöglicht, z. B. wer hatte direkten, ungeschützten Kontakt zu Blut oder anderen Körpersekreten, gab es Verletzungen durch Nadelstiche oder ähnliches. (Differenzierung von VHF-Kontaktpersonen nach Risiken bzw. Erfassungsbogen für Kontaktpersonen) Maßnahmen und Risikoeinstufung bei Kontaktpersonen Die anzuordnenden Maßnahmen für Kontaktpersonen nach Bestätigung der Diagnose richten sich nach der Risikoeinstufung (Maßnahmen bei Kontaktpersonen eines nachgewiesenen Falles einer hochkontagiösen Erkrankung). Nach Bestätigung der Diagnose sind alle Kontaktpersonen zu informieren und zur Eigenüberwachung anzuleiten. Bei Personen der Risikogruppe I a/b ist z.B. bei Lassa Fieber an eine medikamentöse Prophylaxe zu denken. Tätigkeitsverbote sind in der Regel erst bei Auftreten von Symptomen bei der Kontaktperson notwendig. Die Aufnahme von Kontaktpersonen auf die Isolierstation ist nur notwendig, wenn Symptome auftreten, die auf eine Infektion mit der in Frage stehenden Erkrankung hindeuten. Lediglich für Kontaktpersonen der Risikogruppe I a soll immer eine Krankenhausaufnahme unter Isolierungsbedingungen (gegebenenfalls zur Durchführung einer medikamentösen Prophylaxe) erfolgen. Die Aufklärung der Kontaktpersonen erfolgt durch das Gesundheitsamt – in Kliniken Idealerweise in Zusammenarbeit mit der Klinik- und Pflegedienstleitung. Die Aufklärung kann je nach Sachlage auf andere Ärzte z.B. der Klinik übertragen werden. Insbesondere in den Kliniken hat sich herausgestellt, dass die psychologische Belastung des Personals sehr hoch ist. Bei bestätigter Diagnose ist unbedingt eine intensive Personalbetreuung, wenn möglich mit psychologischer Unterstützung, sicherzustellen. Das unmittelbar den Patienten betreuende Personal, soll bereits bei dem Verdacht auf die Erkrankung aufgeklärt werden – auf den Einsatz ® schwangerer Frauen soll verzichtet werden (evtl. notwendige Ribavirin [Virazole ]-Prophylaxe). Das Kompetenzzentrum FFM übernimmt in Absprache mit dem HSM die Koordination bei Maßnahmen gegenüber Kontaktpersonen, wenn mehrere Landkreise/Städte betroffen sind. Meldeverpflichtungen Der Verdachtsfall ist in der Regel vom feststellenden Arzt (§§ 6,8 IFSG) unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Der Vertreter des Gesundheitsamtes muss ebenfalls unverzüglich die oberste Landesgesundheitsbehörde informieren (§ 12 IfSG). Die oberste Gesundheitsbehörde verständigt das RKI (§ 12 IFSG) und wenn notwendig das BMG und andere Bundesländer (§ 5 IFSG). Das RKI übernimmt die internationalen Meldeverpflichtungen (WHO, EU). Informationsfluss Organisatorisch soll im Gesundheitsamt ebenso wie in der Klinik eine Person bestimmt werden, die nur für die Zusammenführung der Informationen, vorausschauende Planung, Presse und Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Es ist angebracht in einem solchen Fall spezielle, nicht öffentlich bekannte Rufnummern einzurichten. Die örtlich zuständige Behördenleitung (z.B. Landrat) sowie die örtliche Pressestelle sollten spätestens bei Bestätigung der Diagnose informiert werden. Eine aktive Information der Öffentlichkeit ist nur notwendig, wenn ein übergeordnetes Interesse zum Schutz anderer Menschen besteht, z.B. weil Kontaktpersonen ermittelt werden müssen oder bei ähnlichen Sonderfällen. Ansonsten gilt die ärztliche Schweigepflicht. Die Presseinformation zum Fall sollte die betroffene Klinik übernehmen, eine Koordinierung mit dem Gesundheitsamt und dem Sozialministerium ist unbedingt anzuraten. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 200 von 205 Sollte ein Medieninteresse vorhanden sein, ist die Durchführung von gemeinsamen Pressekonferenzen (mindestens Klinik, Gesundheitsamt) zu empfehlen. Die Einrichtung eines Bürgertelefons ist bei Berichterstattung in der Presse erfahrungsgemäß ebenfalls notwendig. Die Liste wichtiger Telefonnummern sollte um örtlich relevante Anschlüsse ergänzt werden. Das Vorgehen bei einem Verdachtsfall hochkontagiöser lebensbedrohlicher Infektionen muss allen Ärzten der Gesundheitsämter in Hessen bekannt sein. Es ist darauf zu achten, dass die örtlichen Krankenhäuser das entsprechende Vorgehen in die jeweiligen Hygienepläne aufgenommen haben. Für den Ablauf in der Klinik dient das Schema Management bei Verdacht auf gefährliche, von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheiten. Schutzkleidung Jede Einrichtung, die in die Versorgung von Patienten mit V.a. eine hochkontagiöse Erkrankung involviert werden könnte, sollte über eine Grundausrüstung mit Schutzkleidung verfügen. Weitere Sets mit Schutzkleidung und Respiratoren (Bevorratung nicht empfohlen) sind im Notfall über das Kompetenzzentrum in Frankfurt zu beziehen. Kategorie III Typ4 z.B. Kleenguard IPP Overalls NuFab Seuchenschutzanzug; Fa ProUmwelt alternativ: Tyvec Schutzanzug, notfalls: Op-Mantel und Op-Vollhaube (Klinidrape No 865610) Mundschutz (Halbmasken mit Filter) Atemschutzhalbmaske mit Filter FFP3S Schutzhandschuhe z.B. 3M Atemschutzmaske notfalls: Mundschutzmaske Schutzhandschuhe doppelt, z.B. Op-Handschuhe (unsteril) Latex unter einen unterarmbedeckenden, den Ärmel überlappenden, oberen Handschuh z. B. „Hi Risk“, puderfrei mit besonders langem Rand (28,5 cm) oder „Chemotherapie-Handschuhe“ Schuhe desinfizierbare Schuhe oder flüssigkeitsdichte und rutschfeste Einmalüberschuhe; alternativ: Einwegüberziehstiefel (Schafthöhe 43 cm) notfalls: OP-Schuhe oder Gummistiefel Arbeitschutzbrille (mit seitlichem Schutz) gut sitzend mit seitlichem Spritzschutz Diese Materialien sind für alle Krankenhäuser im Wetteraukreis einheitlich definiert und im aktuellen Hessischen Krankenhaus Einsatzplan (HKEP) so abgestimmt worden. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 201 von 205 Differenzierung von VHF-Kontaktpersonen nach Risiken Entscheidender Zeitpunkt ist der Beginn der Symptome beim Indexpatienten! Kategorie Ia: Kontaktpersonen mit hohem Risiko • Personen, die direkten Schleimhaut- oder invasiven Hautkontakt mit Blut, anderen Körperflüssigkeiten oder Geweben des Patienten hatten (z. B. durch eine Nadelstichverletzung, bei einem invasiven Eingriff, einer Reanimation oder einer Autopsie) Kategorie Ib: Kontaktpersonen mit erhöhtem Risiko • Personen, die Kontakt mit Blut, anderen Körperflüssigkeiten oder Geweben des Patienten auf intakter Haut oder als Aerosol hatten (z.B. Krankenpflege- oder ärztliches Personal, Labormitarbeiter, Reinigungspersonal in vorbehandelnden Einrichtungen, ggf. Mitarbeiter externer Untersuchungslabors), • Personen, die mit dem Blut, Exkreten, Geweben oder dem Kadaver eines Tieres, das nachweislich mit VHF infiziert war, in Berührung gekommen sind. Kategorie II: Kontaktpersonen mit mäßigem Risiko • Personen, die den Patienten gepflegt oder Untersuchungsproben von ihm bearbeitet haben (z. B. Mitglieder einer Lebens- oder Wohngemeinschaft, betreuende Freunde oder Nachbarn, ggf. vor der Krankenhausaufnahme konsultierte Ärzte, Krankentransportpersonal, betreuendes Krankenhauspersonal einschl. Ärzten, Reinigungspersonal etc.), • Personen, die unmittelbaren Kontakt mit der Leiche eines an VHF verstorbenen Patienten oder dessen Verdächtigen hatten, bevor der Sarg verschlossen wurde, • • Personen, die Kontakt zu einem Tier hatten, das mit VHF infiziert war, • Personen, die direkten Kontakt mit der Kleidung, dem Bettzeug oder anderen Gegenständen hatten, die mit Blut, Urin oder anderen Körperflüssigkeiten des Patienten kontaminiert gewesen sein könnten. Personen mit längerem direkten Kontakt zum Indexpatienten, sofern dieser bereits symptomatisch war (z.B. Flugnachbarn) Kategorie III: Kontaktpersonen mit geringem Risiko • jegliche andere Art von Kontakten zum Indexpatienten (z.B. Aufenthalt im gleichen Raum, Benutzung der gleichen öffentlichen Transportmittel, allgemeine soziale Kontakte), • medizinisches Personal mit provisorischer Schutzkleidung (nach: Fock et al., 2000) GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 202 von 205 Vorläufige Isolierung bei Verdachtsfällen (HKLE) Räumliche Unterbringung • • Patient immer allein in ein Zimmer legen, wenn vorhanden Zimmer mit Schleuse und zusätzlichem Außenzugang. Bei dem potentiell schweren Verlauf von HKE ggf. direkte Aufnahme auf der Intensivstation großer Vorraum zum Einzelzimmer Dient als provisorische Schleuse zum Wechseln und Aufbewahren der Schutzkleidung und als Aufbewahrungsraum für kontaminiertes Material und Geräte. Bei fehlendem Vorraum kann ein Teil des Korridors vor dem Zimmer unter Sperrung des Durchganges abgetrennt werden (klare Markierung anbringen). Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung die Klimaanlage des Raumes abschalten Patient darf das Zimmer nicht verlassen, Kein direkter Kontakt zu Mitpatienten und Angehörigen Dusche und Toilette soll vom Patienten nicht benutzt werden können (Toilettenstuhl, Waschschüssel). Die Entsorgung der Exkremente soll trocken (Zellstoff) in dichten Plastikbehältern erfolgen alle kontaminierten Abfälle in dichten Plastikbehältern sammeln und später autoklavieren Einmalartikel verwenden Diagnostische Proben im Schleusenraum äußerlich desinfizieren, zusätzlich verpacken und kennzeichnen Kontakt mit medizinischem Personal nur mit entsprechender Schutzkleidung. Das Personal ist über die Infektiosität aufzuklären, die Arbeit sollte freiwillig erfolgen Schutz des Laborpersonals bei der Durchführung von „Routinediagnostik“ • • • Proben dürfen nur nach vorheriger tel. Ankündigung und durch aufgeklärtes Personal in das Labor gebracht und dort direkt dem bezeichneten Mitarbeiter übergeben werden. Die Bearbeitung dieser Proben muss unter strengster Beachtung der Regeln zum Infektionsschutz (Schutzkleidung) und möglichst gesondert von der normalen Routine erfolgen, Anzahl des Personals begrenzen! Soweit bei der Probenbearbeitung das Gesicht bespritzt werden kann, soll ein Gesichtsschutz getragen werden. Die Vorgaben des Hygieneplans bzw. der Gefahrengutverordnung (Probenuntersuchung außer Haus!) sind strikt einzuhalten. Der leitende Laborarzt sollte die Maßnahmen überwachen GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst C Seite 203 von 205 Besondere und „neue“ Gefahren: Mitarbeiter im Rettungsdienst können unverhofft in Situationen geraten, die einerseits aus Gründen des Selbstschutzes relevant sind, andererseits auch ein erhöhtes Mass an Umsicht verlangen. Insbesondere bei Kontakt mit krankmachenden Substanzen ist hier ein schnelles Erkennen und Handeln erforderlich. Nachfolgend sind ein paar „Entwicklungen“ aufgezeigt, über die man zumindest schon mal was gehört haben sollte. Schlechte Zeiten für Menschen mit Allergieproblemen Ab jetzt beginnt die Blüte von Ambrosia artemisiifolia Das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) ist eine Pflanze, die ursprünglich aus Nordamerika stammt. Seit gut hundert Jahren wird ihre Ausbreitung in Europa beobachtet. Mittlerweile ist sie in Süd- und Osteuropa verbreitet, kommt in Teilen Österreichs vor und macht ihren Vormarsch über Südwestdeutschland auch bis zu uns ins Rhein-Main-Gebiet. Es gibt Beobachtungen, das über die Verbreitung durch Wind ein weit reichender Pollenflug aus z.B. Osteuropa bis in unsere Regionen statt findet. In den Regionen in denen sich die Pflanze ausbreitet, zeigen bis zu 10 % der Bevölkerung allergische Reaktionen gegenüber Ambrosia. Ambrosia wächst besonders gern an Straßenrändern, in Kiesgruben, an Bahndämmen, auf Baustellen und Schutthalden, aber auch in Gärten, besonders unter Vogelfutterplätzen. Vogelfutter kann durch Ambrosia-Samen verunreinigt sein. Ambrosia wächst gewöhnlich 20 cm bis 1,5 m hoch. Im Unterschied zum gemeinen Beifuß sind die Stängel leicht behaart, die Blütenstände gedrungener und die Wuchsform ist kugelig. Die einjährige Pflanze blüht von Juli bis Oktober mit fingerförmigen, grüngelblichen Blütenständen, die kleine, unscheinbare gelbe Blütenköpfchen tragen und bis zu einer Milliarde Pollen pro Pflanze produzieren. Außerdem entstehen 3.000 bis 60.000 Samen, welche bis zu 40 Jahre lang keimfähig bleiben können. Die Pollen des Traubenkrauts gehören zu den stärksten Allergie-Auslösern. Bereits ab sechs Pollen pro Kubikmeter Luft reagieren empfindliche Personen allergisch, ab elf Pollen je Kubikmeter wird von einer starken Belastung gesprochen (zum Vergleich: bei Gräserpollen wird eine Konzentration von mehr als 50 Pollen pro Kubikmeter als starke Belastung bezeichnet). Die unbehandelte Allergie kann allergische Reaktionen der Augen und der Atemwege auslösen und im schlimmsten Fall somit auch zu Asthma führen. Der späte Blütezeitpunkt der Ambrosia von Juli bis Oktober bedeutet eine zusätzliche Belastung der Pollenallergiker durch eine Verlängerung der Pollensaison, wenn die Gräserpollen nur noch in geringen Mengen fliegen. Außerdem sind Kreuzreaktionen mit Goldrute, Sonnenblume, Kamille, Arnika und allen Blumen, die wie Margeriten oder Gänseblümchen aussehen, möglich. Eine Kreuzreaktion mit Pilzsporen ist auch nicht auszuschließen. Die Pflanzenbestände lassen sich am effektivsten durch Ausreißen reduzieren. Die Pflanze darf dabei nur mit Handschuhen berührt werden, weil allein die Berührung allergieauslösend sein GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 204 von 205 kann. Mähen vor der Blütezeit ist nicht effizient, da geschnittene Pflanzen rasch neue blütentragende Zweige bilden können. In der Hauptwachstumsphase (Juli bis September) kann durch mehrmaliges, tiefes Abmähen im Abstand von drei bis vier Wochen die Pflanze so geschwächt werden, dass sie es nicht mehr schafft, neue Triebe und Blütenstände zu bilden. Diese Methode eignet sich am besten, wenn die manuelle Entfernung aufgrund der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich ist. Wenn man das Traubenkraut zur Blütezeit ausreißt (besser wäre es vorher), sollte man sich mit einer Staubmaske vor den Pollen schützen. In jedem Fall sollte man bei den Arbeiten Handschuhe tragen, weil auch durch Hautkontakt eine Sensibilisierung (Steigerung der Empfindlichkeit) ausgelöst werden kann. Wer bereits unter Allergien leidet, sollte diese Arbeit nicht durchführen. Das beim Ausreißen anfallende Grüngut sollte möglichst verbrannt oder in Plastiksäcken verpackt der Müllabfuhr zugeführt werden. In zahlreichen Vogelfuttern sind ebenfalls Traubenkrautsamen enthalten. Im Handel sollte gezielt nach ambrosiasamenfreiem Vogelfutter gefragt werden, da andernfalls die Gefahr groß ist, dass heruntergefallene Ambrosiasamen mit dem Kehricht in fruchtbaren Boden gelangen. Weitere Informationen unter www.ambrosia.de Eichenprozessionsspinner Die Bevölkerung wird gleichwohl gebeten, weiterhin aufmerksam zu sein. Die Gifthaare, die der Eichenprozessionsspinner ab dem dritten Larvenstadium entwickelt, können heftige allergische Reaktionen auf der Haut und den Schleimhäuten auslösen. Einzelne Haare können auch nach dem Entfernen des Nestes noch vorhanden sein und durch Wind über weite Strecken verteilt werden. Auch kann trotz der vorgenommenen Untersuchung nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass es noch weitere Populationen des Eichenprozessionsspinners im Bad Vilbeler Wald gibt. Dieses Risiko besteht aber in nahezu allen Wäldern in Süddeutschland. Der Eichenprozessionsspinner ist eigentlich ein Forstschädling, der bevorzugt Eichen im Wald befällt. Der wärmeliebende, eher unscheinbare graubraune Nachtfalter ist an sich harmlos, doch seine Larven entwickeln ab dem dritten Larvenstadium Gifthaare, die beim Menschen heftige allergische Reaktionen auf der Haut und den Schleimhäuten auslösen können. So können bei Kontakt mit den Raupenhaaren Hautrötungen mit Schwellungen und Juckreiz bis hin zu asthmatischen Anfällen und allergischen Schockreaktionen auftreten. Diesen allergischen Reaktionen sind besonders Spaziergänger, Ausflügler und Personen ausgesetzt, die sich berufsbedingt in den betroffenen Gebieten aufhalten. Berühren Sie keinesfalls herabgestürzte Teile von Nestern oder Raupenhüllen. Kinder dürfen auf keinen Fall die lebenden Raupen berühren oder mit ihnen spielen. Sollten Sie nach einem Aufenthalt in betroffenen Gebieten einen juckenden Ausschlag bekommen, wechseln Sie die Kleidung und duschen Sie sich gründlich mit handwarmen Wasser. Geben Sie die Kleidung in die Waschmaschine. Bei stärkeren Ausschlägen sowie beim Auftreten von Allgemeinsymptomen sollten Sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. REINHOLD MERBS TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected] Hygiene im Rettungsdienst Seite 205 von 205 Liste der Abkürzungen ESBL - Extended-Spectrum-Beta-Lactamase CDAD – Clostridium difficile assoziierte Diarrhoe MRSA - Methicillin-resistenter Staphylococcus aureaus (Multi-resistenter Staph. aureus) ORSA - Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus STIKO - Ständige Impfkommission (beim Robert-Koch-Institut) TRBA - Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe FFP3 - Filtering Facepiece (partikelfiltrierende Gesichts – Halbmaske, Schutzklasse 3) FMSE - Frühsommer-Meningo-Enzephalitis PEP - Postexpositionsprophylaxe IfSG - Infektionsschutzgesetz LAGA - Bund / Länder Arbeitsgemeinschaft Abfall Impressum Herausgeber: Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophenund Brandschutz Mit Beiträgen von: Dr. Reinhold Merbs, Dr. Heidrun Benzinger, Hans Hofmann, Dennis Knau und Kurt Jungkind Grafik und Layout: Marie-Kristin Moritz GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ DR. 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