Hygiene im Rettungsdienst

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Hygiene im Rettungsdienst
Hygiene im Rettungsdienst
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Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst,
Katastrophen- und Brandschutz
Hygiene im Rettungsdienst
Merkblattsammlung 2009
GEFAHRENABWEHR WETTERAUKREIS
FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ
DR. REINHOLD MERBS
TEL: 06031 832300; FAX: 06031 83912300: EMAIL: [email protected]
Hygiene im Rettungsdienst
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Die Merkblattsammlung „Hygiene im Rettungsdienst“
Seit 2001 gibt es im Wetteraukreis eine Arbeitsgruppe, die sich mit allen hygienerelevanten
Fragen im Rettungsdienst beschäftigt. Vertreten in der Arbeitsgruppe sind die entsprechend
verantwortlichen Mitarbeiter der Hilfsorganisationen, Vertreter des Trägers des
Rettungsdienstes und ursprünglich auch Mitarbeiter des ehemaligen Gesundheitsamtes. 2007
wurden im Wetteraukreis die Fachdienste Gesundheit sowie Rettungsdienst, Katastrophen- und
Brandschutz fusioniert und bilden ab da die Gefahrenabwehr Wetteraukreis im Fachdienst
Gesundheit, Rettungsdienst, Katastrophen- und Brandschutz.
Durch die Zusammenführung der nicht polizeilichen Gefahrenabwehr sind insbesondere
medizinische Themen, wie hier die Hygiene, sehr umfänglich abzubilden. Alle beteiligten
Behörden gestalten hier gemeinsam mit denen, die die Konzepte Umsetzen unsere beruflichen
Rahmenbedingungen.
Name
Vorname
Funktion
Organisation
Email
Borzakoglu
Clausen
Demel
Goltz
Grusdt
Hofmann
Jeckel
Jungkind
Vrej
Ralf
Gregor
Markus
Jens
Hans
Lothar
Kurt
MHD
JUH
MHD
Wetteraukreis
ASB
Wetteraukreis
DRK (Büd.)
Wetteraukreis
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
Knau
Dennis
Wetteraukreis
[email protected]
Lassmann
Merbs, Dr.
Marco
Reinhold
DRK (Fb.)
Wetteraukreis
[email protected]
[email protected]
Ochs
Pistor
Rottmann
Rolf
Rene
Detlef
RW Leiter
Desinfektor
Desinfektor
Facharzt
Desinfektor
FStL Rett.
RDL
Hygiene
Ingenieur
Gesundheitsaufseher
RDL
ÄLRD,
Facharzt
Desinfektor
LRA
RDL
DRK (Fb.)
JUH
ASB
Schulte
Schwalm
Weber
Jochen
Jochen
Sven
Desinfektor
Desinfektor
Desinfektor
ASB
DRK (Büd.)
DRK (Fb.)
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
[email protected]
(die Mitglieder der Arbeitsgruppe Hygiene im Rettungsdienst 2008)
Die jetzt aktuell überarbeitete Merkblattsammlung hat zukünftig ein anderes Papierformat und
ist um aktuelle Erkenntnis in der Medizin erweitert und angepasst worden.
Damit sind alle früheren Versionen von den Fahrzeugen und aus der Ausbildung zu entfernen.
Die Merkblattsammlung ist Bestandteil der Fahrzeugausrüstung im Rettungsdienst und wird
auch für den Katastrophen- und Brandschutz empfohlen. Viele der dort zu findenden
Erklärungen und Hinweise sind daher bewusst sehr allgemeinverständlich und auch umfänglich
gehalten.
Die Probleme mit Infektionen und Hygiene nehmen trotz den Fortschritten in der Medizin zu. Oft
sind es aber die banalen Irrtümer, Fehler und Unterlassungen, die wirkliche Probleme machen.
Ein Thema ist die Händedesinfektion zur Unterbrechung von Infektionsketten. Klingt einfach, ist
aber zumindest im stationären Bereich sehr relevant.
Dr. R. Merbs
Fachdienstleiter
ÄLRD, Wetteraukreis
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FACHDIENST GESUNDHEIT, RETTUNGSDIENST, KATASTROPHEN- UND BRANDSCHUTZ
DR. REINHOLD MERBS
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Inhaltsverzeichnis:
DIE MERKBLATTSAMMLUNG „HYGIENE IM RETTUNGSDIENST“ ........................................2
GRUNDLAGEN EINER FUNKTIONIERENDEN HYGIENE ............................................................6
HÄNDEHYGIENE, HÄNDEDESINFEKTION ....................................................................................12
DURCHFÜHREN EINER NASS-WISCH-SCHEUERDESINFEKTION..........................................15
SCHUTZMAßNAHMEN IM RETTUNGSDIENST.............................................................................19
B
MERKBLÄTTER ZU BESTIMMTEN INFEKTIONSKRANKHEITEN.................................20
BRUCELLOSE.........................................................................................................................................21
CAMPYLOBACTER...............................................................................................................................24
CHOLERA................................................................................................................................................27
CLOSTRIDIUM DIFFICILE .................................................................................................................28
DIPHTHERIE ..........................................................................................................................................31
EHEC / HUS .............................................................................................................................................36
FSME.........................................................................................................................................................41
GELBFIEBER ..........................................................................................................................................44
HANTA VIRUS ........................................................................................................................................47
HEPATITIS A ..........................................................................................................................................51
HEPATITIS B...........................................................................................................................................55
HIV UND HEPATIS B & C POSTEXPOSITIONSPROPHYLAXE ..................................................61
INFLUENZA ............................................................................................................................................65
KERATOKONJUNCTIVITIS (ADENOVIREN) .................................................................................68
KOPFLÄUSE............................................................................................................................................72
LEGIONELLEN ......................................................................................................................................82
LYME BORRELIOSE.............................................................................................................................87
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MALARIA ................................................................................................................................................90
MASERN...................................................................................................................................................95
MAUL- UND KLAUENSEUCHE ........................................................................................................100
MENINGITIS .........................................................................................................................................102
MILZBRAND .........................................................................................................................................104
MRSA ......................................................................................................................................................106
MUMPS...................................................................................................................................................113
NOROVIREN - NOROINFEKTIONEN..............................................................................................116
PERTUSSIS (KEUCHHUSTEN)..........................................................................................................120
PEST........................................................................................................................................................124
POCKEN.................................................................................................................................................126
POLIOMYELITIS (KINDERLÄHMUNG) ........................................................................................129
Q - FIEBER.............................................................................................................................................133
ROTAVIREN..........................................................................................................................................138
RÖTELN .................................................................................................................................................142
RSV RESPIRATORY SYNCYTIAL VIRUS ......................................................................................145
RUHR / SHIGELLENRUHR / SHIGELLEN-DYSENTERIE ..........................................................149
SALMONELLOSEN..............................................................................................................................152
SCHARLACH ........................................................................................................................................156
SCHWERES AKUTES RESPIRATORISCHES SYNDROM (SARS) .............................................160
SKABIES (KRÄTZMILBEN)...............................................................................................................162
SYPHILIS (LUES) .................................................................................................................................169
TOLLWUT (RABIES)...........................................................................................................................175
TUBERKULOSE....................................................................................................................................180
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TYPHUS ABDOMINALIS, PARATYPHUS.......................................................................................184
VARIZELLEN (WINDPOCKEN), HERPES ZOSTER (GÜRTELROSE) .....................................189
VHF = VIRUSBEDINGTES HÄMORRHAGISCHES FIEBER.......................................................194
BISLANG BEKANNTE VHF-KRANKHEITEN................................................................................194
UMGANG MIT HOCHKONTAGIÖSEN LEBENSBEDROHLICHEN ERKRANKUNGEN ......196
DIFFERENZIERUNG VON VHF-KONTAKTPERSONEN NACH RISIKEN ..............................201
VORLÄUFIGE ISOLIERUNG BEI VERDACHTSFÄLLEN (HKLE)............................................202
C
BESONDERE UND „NEUE“ GEFAHREN: ..............................................................................203
EICHENPROZESSIONSSPINNER .....................................................................................................204
LISTE DER ABKÜRZUNGEN ............................................................................................................205
IMPRESSUM..........................................................................................................................................205
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A
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Allgemeine Grundlagen
Grundlagen einer funktionierenden Hygiene
Einrichtung einer Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit, Rettungsdienst,
Katastrophen- und Brandschutz für Infektions-Notfälle und andere amtsärztliche
Aufgaben
Das Infektionsschutzgesetz verpflichtet die Ärzte und Labors, bestimmte Krankheiten und
Krankheitserreger unverzüglich an das Gesundheitsamt zu melden. Das Gesundheitsamt
seinerseits muss bei bestimmten Gefahrenlagen unverzüglich auf diese Meldungen in
geeigneter Weise reagieren.
Ein hierzu vorliegender Erlass aus dem Hessischen Sozialministerium verpflichtet die
Gesundheitsämter, eine 24-stündige Bereitschaft an 365 Tagen im Jahr sicherzustellen und
sieht vor, dass der Arzt des Gesundheitsamtes binnen 2 Stunden vor Ort sein können muss.
Seit 2001 besteht eine geregelte Rufbereitschaft am Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst,
Katastrophen- und Brandschutz für die Zeiten außerhalb der üblichen Geschäftszeiten.
Eingehende Meldungen werden über eine Faxumleitung an den Arzt in der Rufbereitschaft
geschickt. Ein Dienstplan für die teilnehmenden Ärzte und Ärztinnen liegt der Leitstelle vor.
Von dort erfolgt die Alarmierung über ein Diensthandy.
Der Fachdienst hat sich entsprechend auf die im Infektionsschutzgesetz genannten
Infektionsfälle vorbereitet und verfügt über neben der personell / fachlichen Ausstattung auch
über eine entsprechende Ausrüstung / Schutzausrüstung. Teile dieser Ausrüstung werden
zentral auf der Leitstelle gelagert und von dort zum Einsatz gebracht.
Der Rufbereitschaftsdienst des Fachdienstes kann und wird bei Bedarf noch weitere Mitarbeiter
mit Fachqualifikationen (z.B. Trinkwasser, Raumlufttechnik, Infektiologie usw.) hinzu ziehen.
Der Fachdienst sieht in dieser Rufbereitschaft insbesondere ein wichtiges Bindeglied für
Problembereiche, in denen mehrere „Lebensräume“ betroffen sein können. Als Beispiel sei hier
eine Meningitis genannt. Die betroffene Person kann auf dem Weg bis zur Feststellung der
Diagnose neben dem häuslichen Umfeld, alle Kontaktbereiche, wie Hausärzte, ärztlicher
Notdienst, Rettungsdienst bis hin zum Krankenhaus infiziert haben. Bei bekannt werden dieser
Möglichkeit müssen umgehend alle Kontaktpersonen ermittelt, kontaktiert und informiert
werden. Dafür zu sorgen, dass in allen Bereichen entsprechende Nachforschungen,
Untersuchungen, ggf. auch Therapien durchgeführt werden, ist Aufgabe des öffentlichen
Gesundheitsdienstes. Keine sonstige Institution in der Medizin kann das leisten oder hat die
gesetzliche Aufgabe. Neben dem üblichen kurativen Ansatz der Medizin kommt hier der
unmittelbar präventive Gedanke zum tragen. Die Infektionskette ist zu unterbrechen.
Darüber hinaus wird der Rufbereitschaftsdienst auch für eine Reihe weiterer Aufgaben in
Anspruch genommen, grundsätzlich erfolgt die Alarmierung, wie oben ausgeführt über die
Leitstelle Wetterau.
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Ärztinnen und Ärzte im Team der Rufbereitschaft:
Dr. Heidrun Benzinger
Fachärztin für Kinderheilkunde
Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit
Markus Goltz
Facharzt für innere Medizin
Fachstelle Kommunalhygiene
Dr. Sibylle Hüls
Ärztin
Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit
Dr. Ulrike Kisbye-Hansen
Fachärztin für Allgemeinmedizin
Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie
Dr. Reinhold Merbs
Facharzt für Innere Medizin
Leiter des Fachdienstes, ÄRLD
Annette Müller
Ärztin
Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie
Renate Rockstroh
Kinder- u. Jugendärztin
Fachstelle Kinder- und Jugendgesundheit
Vera Thiesen-Rath
Fachärztin für Psychatrie
Fachstelle Sozialmedizin und Gemeindepsychatrie
Sozialpsychatrischer Dienst
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Persönliche Grundlagen der Infektionshygiene
Bevor wir uns mit Krankheitsbildern und Hygienefragen im Detail befassen, sollte jeder
Mitarbeiter im Rettungsdienst sich über ein paar Dinge die eigene Person betreffend, Klarheit
verschaffen:
1.
Impfstatus:
Jeder Mitarbeiter sollte wissen, ob und gegen was er geimpft ist und ob der Impfschutz anhält.
Dazu hat jeder Mensch normalerweise einen Impfpass.
Diese Dinge sind durchaus nicht banal, wie aktuelle Probleme aus dem täglichen
Einsatzgeschehen zeigen.
Beispiel: Ein RTW transportiert einen Patienten mit Mumps in eine Klinik. Der Kliniksarzt gibt
der Besatzung den Tip „das ist ansteckend“. Und nun? Anfrage an die Leitstelle, die kontaktiert
unsere Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit: Erste Frage: wurden die Mitarbeiter
gegen Mumps geimpft? Bereits hier gibt es Probleme, da diese Frage nicht beantwortet werden
kann. Können die Mitarbeiter nach der Schicht einfach so nach Hause?
Man kann diese Kasuistik hier bereits beenden, denn die Frage nach dem Impfstatus ist
relevant.
Sind die Mitarbeiter geimpft besteht kein Problem. Sind sie es nicht, könnten sie die Krankheit
jetzt bekommen, ggf. sogar an Dritte weitergeben. Nach Klärung des Impfstatus kann man
abgestuft vorgehen.
Resümee: Jeder Mitarbeiter muss seinen Impfstatus kennen.
2.
Empfohlene Impfungen für Mitarbeiter im Rettungsdienst:
Impfen schützt und gehört zu den wichtigsten Präventivmaßnahmen in der Medizin. Besonders
beruflich exponierte Personen wie im Gesundheitsdienst Tätige sollten sich schützen: Jeder
sollte seinen Impfstatus kennen, denn jede Impfung zählt – auch wenn sie lange zurückliegt. Im
Folgenden wird Impfstatus, Impfempfehlung und Vorgehen bei fehlendem/teilweisen Impfschutz
vorgestellt.
Impfstatus:
Grundsätzlich gilt:
Jeder Arztbesuch sollte genutzt werden, um Impflücken zu erkennen und zu schließen. Bei
Auffrischungsimpfungen – z.B. Tetanus im Verletzungsfall – sollte auch an die
Möglichkeit/Notwendigkeit der Mehrfachimpfung z.B. gegen Diphterie, Tetanus und
Keuchhusten (ggf. Polio) gedacht werden.
Falls der Impfpass nicht auffindbar ist, sollte zuerst der Hausarzt bzw. Impfarzt kontaktiert
werden, um den Impfstatus zu dokumentieren. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, gilt man als
ungeimpft. In diesem Fall muss mit der Grundimmunisierung neu begonnen werden.
Impfempfehlung:
Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sind speziell folgende
Impfungen für den Gesundheitsdienst relevant:
•
Tetanus:
Grundimmunisierung mit 3 Impfungen
Auffrischung: alle 10 Jahre sowie im Verletzungsfall, am besten mit Kombinationsimpfstoff
(Diphterie/Pertussis/ggf. Polio)
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•
Diphterie:
Grundimmunisierung mit 3 Impfungen
Auffrischung: alle 10 Jahre, am besten mit Kombinationsimpfstoff (Tetanus/Pertussis/ggf.Polio)
Bei engem Kontakt zu Erkrankten: Auffrischung nach 5 Jahren, Chemoprophylaxe
•
Keuchhusten (Pertussis):
Einmalige Impfung (Erwachsene) mit einem Kombinationsimpfstoff (Tet./Dipht./ggf. Polio)
Auffrischung mit Kombinationsimpfstoff (Tetanus/Diphterie/ggf.Polio) alle 10 Jahre
•
Polio (Kinderlähmung):
Grundimmunisierung mit 4 Impfungen, danach
Auffrischung bei erhöhtem Infektionsrisiko
•
Heptitis B:
Grundimmunisierung mit 3 Impfungen
Auffrischung
Bei erfolgreicher Impfung (Anti-HBs > 100 iE/l), nach 10 Jahren (1 Dosis)
Andernfalls (Anti-HBs < 100 iE/l) sofort erneute Impfung mit erneuter Kontrolle
Im Verletzungsfall/Exposition mit infektiösem Material (z.B. Nadelstich, o.ä.) Arzt konsultieren
−
−
−
•
Hepatitis A:
Grundimmunisierung mit 3 Impfungen
Auffrischung alle 10 Jahre
Ev. serologische Vortestung ab Jahrgang 1950 oder älter.
Die Impfung gegen Hepatitis A und B kann auch als Kombinationsimpfung erfolgen (3X).
•
Influenza:
Jährliche Impfung vor Grippesaison mit aktuell empfohlenem Impfstoff
•
Pneumokokken:
Einmalige Impfung empfohlen für Personen über 60 Jahre sowie Personen mit chronischen
Erkrankungen wie z. B. Asthma
Auffrischung alle 6 Jahre (Erwachsene)
•
Masern / Mumps / Röteln:
Einmalige Impfung empfohlen für Erwachsene (Kinder 2-mal) mit Kombinationsimpfstoff (MMR)
•
Varicellen (Windpocken):
Zwei Impfungen bei Erwachsenen (bzw. ab dem 13. Lebensjahr)
•
Meningokokkeninfektionen (Gruppen A,C,W135,Y):
Erstimpfung
Erstmalig gegen Meningokokken Gruppe C
Nach 6 Monate ergänzt durch Impfung gegen Meningokokken Gruppen A,C,W135,Y
Folgeimpfung alle 3 Jahre für Kombinationsimpfung A,C,W135,Y
In Europa sind die Serogruppen B und C vorherrschend. Eine Impfung
gegen Meningokokken Gruppe B existiert noch nicht.
Bei engem Kontakt zu Erkranktem: Chemoprophylaxe
−
−
•
Haemophilus influenza Typ b:
Ab einem Alter von 5 Jahren Impfung nur in Ausnahmefällen.
Bei Kontakt zu Patienten mit invasiver Haemophilus influenza b-Infektion (z.B. Meningitis,
Epiglottitis): Chemoprophylaxe.
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Fehlender/teilweiser Impfschutz:
Bei einigen Krankheiten besteht die Möglichkeit, sich bei fehlendem bzw. teilweisem Impfschutz
im Expositionsfall trotzdem noch zu schützen; sog. Inkubationsimpfungen. Sie werden in der
Inkubationszeit einer Erkrankung verabreicht mit dem Ziel, den Ausbruch der Krankheit zu
verhindern oder zumindest abzumildern. Dies betrifft u.a.:
•
Masern:
Bei nicht oder teilweise geimpften Personen wird eine aktive Immunisierung (Impfung) nach
Masernexposition – bevorzugt mit MMR (Masern/Mumps/Röteln)-Impfstoff (1 Impfdosis)–
innerhalb von 3 Tagen nach Kontakt empfohlen. Eine passive Immunisierung mittels
Immunglobulinen sollte nur in Ausnahmefällen durchgeführt werden.
•
Mumps:
Eine Mumpsinkubationsimpfung ist spätestens bis zum 5. Tag nach Exposition durchzuführen;
einmalige Impfung, bevorzugt mit MMR-Impfstoff. Dies gilt insbesondere, da für Mumps kein
spezielles Mumpsimmunglobulin verfügbar ist und Standardimmunglobuline nur unzureichend
effektiv sind.
•
Varizellen (Windpocken):
Bei immunkompetenten, nicht geimpften Personen kann durch frühzeitige Inkubationsimpfung
(innerhalb von 3 Tagen nach Beginn des Ausschlags bei der Kontaktperson) ein Ausbruch der
Erkrankung verhindert oder abgeschwächt werden. Bei Schwangeren oder immundefizienten
Personen ist die postexpositionelle Impfung
kontraindiziert. Sie erhalten spezielles
Immunglobulin.
•
Röteln:
Eine postexpositionelle Prophylaxe ist in erster Linie durch Kontakt zu nichtgeimpften
Schwangeren relevant. Die Impfung sollte vorzugsweise mit MMR-Impfstoff möglichst innerhalb
von 3 Tagen erfolgen. Die Anwendung des Rötelnimpfstoffes ist in der Schwangerschaft
kontraindiziert; als einzige Maßnahme kann postexpositionell spezifisches Immunglobulin
verabreicht werden.
•
Hepatitis A:
Es besteht die Möglichkeit einer Inkubationsimpfung innerhalb einer Woche nach Exposition;
alternativ ist auch eine postexpositionelle Immunglobulingabe möglich. Empfehlenswert ist die
aktive Immunisierung.
•
Hepatitis B:
Empfohlen wird eine Simultanimpfung mit Anti-Hepatitis-B-Immunglobulin und der ersten von
drei aktiven Impfungen und innerhalb einer Woche nach Exposition.
Weitere Informationen:
Die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) werden im Epidemiologischen
Bulletin des Robert-Koch-Instituts veröffentlicht und sind unter www.rki.de abrufbar.
-
Quellen:
Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, Stand Juli/2007, RKI/Epid. Bull. 30/2007
Monatsschrift Kinderheilkunde 2000,148:274-283, Springer Verlag 2000
3.
Qualifikation und Pflichten der Mitarbeiter:
Den Leistungserbringern muss eine ausreichende Zahl von Desinfektoren zur Verfügung
stehen.
Die Ausbildung und Fortbildung der Mitarbeiter, sowie die Hygiene Unterweisungen werden von
den Leistungserbringern in eigener Verantwortung durchgeführt.
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(TRBA 250, Abs. 5.3; § 15 Arbeitsschutzgesetz) „Die Beschäftigten haben die Arbeiten so
auszuführen, dass sie, entsprechend den durch den Arbeitgeber erteilten Unterweisungen und
erstellten Arbeitsanweisungen (Hygieneplan, Betriebsanweisungen, Verfahrensanweisungen),
durch die Anwendung technischer, organisatorischer und persönlicher Maßnahmen eine
Gefährdung ihrer Person und Dritter durch biologische Arbeitsstoffe möglichst verhindern.“
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Händehygiene, Händedesinfektion
Die Hände stehen als Überträger von Krankheitserregern an erster Stelle. Deshalb sind die
Händehygiene und Händedesinfektion die wichtigsten Maßnahmen zur Verhütung von
nosokomialen Infektionen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur in der Klinik, sondern insbesondere
auch für den Rettungsdienst.
Voraussetzung sind saubere, gepflegte Hände mit kurzen Nägeln. Problematisch sind
abgeplatzer Nagellack, sowie künstliche Fingernägel. Nagelbettverletzungen und Läsionen der
Hände sind mit einem Pflaster oder Verband abzudecken.
Eine hygienische Händedesinfektion ist durchzuführen:
-
bei einer tatsächlichen oder auch fraglichen
Kontamination der Hände mit Sekreten,
Exkrementen, Blut oder Krankheitserregern
vor Arbeiten am Patienten
vor invasiven Maßnahmen; dann auch Handschuhe
tragen
nach Arbeiten am Patienten
immer bei Transportende
nach Toilettenbesuch
bei Dienstende
Wichtig ist die Beachtung des Hauptschutzes in Bezug auf die Desinfektionsmaßnahmen.
Hauptpflege sei hier angesprochen und auf entsprechende pflegerische Maßnahme
hingewiesen.
Der Fachdienst unterstützt die Aktion Saubere Hände, an der alle Akut-Kliniken im
Wetteraukreis teilnehmen. Der Rettungsdienst im Wetteraukreis wird eine eigene Kampagne
zur Umsetzung dieses Themas in der täglichen Arbeit durchführen.
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Meldung eines Infektionstransports
Wenn die Leitstelle einen Transport für einen infektiösen oder potentiell infektiösen Patienten
entgegen nimmt, werden erste Daten zur Erkrankung abgefragt und an die Besatzung, die mit
dem Transport beauftragt wird, weitergegeben. Dadurch können mögliche Missverständnisse
schon im Vorfeld umgangen werden. Insbesondere ist gerade beim anstehenden Transport
eines MSRA Patienten auf die Art der Infektion zu achten. Sollte der Patient MRSA Träger sein
und z.B. eine infizierte Wunde haben, die darüber hinaus noch verbunden ist, ist ein weniger
aufwendiges Transportverfahren erforderlich, als bei einer Kolonisation der Atemwege mit
MRSA z.B: bei Tracheostoma-Trägern. Dieses abgestufte Vorgehen ist anhand der
vorhandenen Informationen zu entscheiden, ggf. ist aber bei Unklarheiten die sichere
Vorgehensweise zu wählen.
Sollten Probleme bei der Patientenübernahme entstehen, insbesondere wenn es offenbar
vorenthaltene Informationen über den Krankheitszustand des Patienten betrifft, ist dieses dem
ÄLRD oder einem Mitglied der Hygiene-Kommission (vorzugsweise dem Vertreter der eigenen
Organisation) mitzuteilen, damit über den Fachdienst Gesundheit, Rettungsdienst,
Katastrophen- und Brandschutz, entsprechend eingegriffen werden kann.
Ablauf eines geplanten Infektionstransportes
Es ist weiterhin von großer Wichtigkeit, alle geplanten Infektionstransporte von den jeweiligen
Rettungswachen zu beginnen, da Praktikanten an der Durchführung dieser Transporte
nicht teilnehmen.
Die Fahrzeuge bleiben grundsätzlich voll ausgestattet.
Von der Leitstelle sind Infektionskrankheit, Transportziel und besondere Transporthinweise zu
erfragen. Basierend auf diesen Auskünften muss sich die Besatzung vor Fahrtantritt über die
Übertragungswege und Desinfektionsmaßnahmen informieren.
Während der Durchführung des Transportes bis zum Abschluss der anschließenden
Desinfektionsmaßnahmen ist das Essen, Trinken und Rauchen verboten.
Vor dem ersten Patientenkontakt ist an der Einsatzstelle ggf. die Schutzkleidung
(Einmalschutzanzug, Mundschutz, Einmalhandschuhe und Überschuhe) anzulegen. Ein
weiteres Set der Schutzkleidung wird im Fahrerraum deponiert. Die entsprechenden
Transporthinweise auf den Einweisungspapieren sind zwingend zu berücksichtigen. Patienten
mit Tröpfcheninfektionen ist zusätzlich ein Mundschutz anzulegen, soweit es der
respiratorische Zustand zulässt.
Die Trennscheibe zum Fahrerraum im Rettungswagen / Mehrzweckfahrzeug wird während des
kompletten Transportes bis zum Abschluss der Desinfektionsmaßnahmen geschlossen
gehalten. Der Beifahrer übernimmt mit Schutzkleidung die Betreuung des Patienten bis zum
Transportziel, sofern keine anderen Pflegekräfte, die in die Versorgung des Patienten involviert
waren, diese Aufgabe übernehmen.
Der Fahrer zieht nach Herstellung der Transportfähigkeit die Schutzkleidung aus. Diese
verbleibt im Patientenraum des Fahrzeuges. Nach einer hygienischen Händedesinfektion
besetzt er den Fahrerraum.
Der Fahrer ist alleine für die transportlogistischen Komponenten des Einsatzes zuständig. Er
organisiert die Übergabestelle am Transportziel und erkundet den Weg dorthin.
Vor dem Ausladen des Patienten zieht der Fahrer die im Fahrerraum hinterlegte Schutzkleidung
an. Das Fahrzeug ist nach dem Ausladen unverzüglich zu schließen.
Nach Übergabe des Patienten am Transportziel werden alle Teile der Schutzkleidungen als
infektiöser Abfall dort entsorgt.
Anschließend erfolgt die Rückfahrt auf direktem Wege zur Wache oder einer anderen
Desinfektionseinrichtung.
Es darf kein weiterer Patient vor Abschluss der Desinfektionsmaßnahmen transportiert werden.
Ereignet sich während des Transportes oder während der Rückfahrt ein weiterer externer
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Notfall, so ist durch den Fahrer bzw. die Besatzung zunächst Hilfe zu leisten und ein weiteres
Fahrzeug zur Durchführung des Transportes zu ordern.
Die Schlussdesinfektion des Fahrzeugs und der Wäsche erfolgt auf der jeweiligen
Rettungswache oder einer anderen Desinfektionseinrichtung gem. der jeweils geltenden
Hygienepläne.
Die von den Leistungserbringern verwendeten Desinfektionsmittel erlauben nach Abgabe des
Patienten am Transportziel und Eintreffen in der jeweiligen Desinfektionseinrichtung die
Einsatzbereitschaft des Fahrzeuges nach maximal 6 Stunden, sofern das Transportziel im
Wetteraukreis liegt. Bei Zielen außerhalb des Wetteraukreises ist die jeweilige Rückfahrzeit zur
Wache / Desinfektionseinrichtung zu addieren.
Die von den Erregern abhängige Einwirkzeiten sind den Empfehlungen des Robert-KochInstitutes bzw. den Gebrauchshinweisen der Desinfektionsmittel zu entnehmen.
Mitgeltende Unterlagen:
-
Hygiene- und Desinfektionspläne der Organisationen
Infektionsschutzgesetz
Rettungsdienstbetriebsverordnung des Landes Hessen
Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes
Empfehlungen des Hessischen Sozialministeriums
Hessisches Rettungsdienstgesetz
Unfallverhütungsvorschriften
Warn- und Gebrauchshinweise der Desinfektionsmittel
Besonderes Verfahren bei Patienten mit MRSA- Infektionen
MRSA ist die häufigste Infektion im Rettungsdienst. Da hier durch das Ergreifen spezieller
Schutzmaßnahmen die Wiedereinsatzbereitschaft des Fahrzeugs erheblich beschleunigt
werden kann, wurde in der Arbeitsgruppe eine spezielle Vorgehensweise als sinnvoll
angesehen.
Ablauf eines Infektionstransportes mit gesicherter MRSA- Infektion
Gegenüber dem normalen Infektionstransport sind transportvorbereitende Maßnahmen auf der
Rettungswache nicht notwendig.
Vor dem Transport führt der Patient eine hygienische Händedesinfektion durch. Und zieht
einen frischen Einwegkittel an. Bei nasopharyngealer Keimbesiedlung ist dem Patienten
zusätzlich ein Mund- / Nasenschutz anzulegen, sofern dies die respiratorische Situation zulässt.
Bei Patienten, die nicht selbstständig zur Durchführung dieser Maßnahmen in der Lage sind,
müssen diese von der Besatzung übernommen werde. Die hygienische Händedesinfektion ist
ggf. durch das Anlegen von Einmalhandschuhen beim Patienten zu ersetzen.
Ist ein enger Kontakt zum Patienten nicht auszuschließen, legt die Besatzung zusätzlich
geeignete Schutzkittel an. Nach jedem ungeschützten (Einmalhandschuhe) Patientenkontakt
oder dem Kontakt mit kontaminierten Flächen sind unverzüglich die Hände zu desinfizieren.
Liegende und sitzende Patienten werden auf einer hygienisch einwandfreien Unterlage (z.B.
Tragelaken) transportiert. Es muss darauf geachtet werden, dass der Patient möglichst keine
zusätzlichen Flächen außer im Sitz- /Liegebereich berührt.
Die Aufnehmende Abteilung ist am Transportziel über die Infektion zu informieren.
Nach Abschluss des Transportes ist eine Teildesinfektion (Kontaktflächen) des Fahrzeugs und
eine Desinfektion der Wäsche erforderlich.
Alle in der Arbeitsgruppe vertretene Leistungserbringer verwenden Desinfektionsmittel, bei
denen nach Transport eines Patienten mit MRSA-Infektion eine Einwirkzeit von 30
Minuten ausreicht. Damit kann ein Fahrzeug nach maximal 1 Stunde wieder voll einsatzbereit
sein.
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Bei Problemen, insbesondere mit den Schnittstellen in den Krankenhäusern und Heimen, bitte
umgehend Info an die Rettungsdienstleiter der Hilfsorganisationen.
Durchführen einer Nass-Wisch-Scheuerdesinfektion
Zu desinfizieren sind alle Oberflächen, Geräte außerhalb von Schränken, Schubladen, wenn
benutzt auch Innen.
Grobe Verunreinigungen sind mit einem in Desinfektionsmittel getränktem Zellstofftuch zu
beseitigen.
Es wird die Zwei – Eimer Methode angewendet:
In beiden Eimern befindet sich kalt angesetzte Desinfektionslösung in der laut Hygieneplan
angegebenen Konzentration.
In Eimer #1 befindet sich die saubere Lösung zum tränken der Einmalputztücher.
In Eimer #2 werden die Tücher nach Nutzung ausgewrungen – bei grober Verunreinigung ist
die Lösung zu erneuern.
Die zu desinfizierenden Flächen werden in einem in Eimer #1 getränkten Tuch unter leichtem
Druck abgerieben. – auf der behandelten Fläche muss ein Flüssigkeitsfilm zurückbleiben.
Danach wird das Tuch in Eimer #2 ausgewrungen, der Vorgang wird wiederholt bis alle zu
desinfizierenden Flächen behandelt sind.
Die zur Scheuerdesinfektion gebrauchten Tücher sind danach in den Müll zu geben.
Die vom Hersteller vorgegebene Einwirkzeit bei der jeweils gewählten Konzentration ist
unbedingt einzuhalten – erst dann gilt die behandelte Fläche als desinfiziert.
Nach dem Ablauf der Einwirkzeit kann das Fahrzeug – wo notwendig – entsprechend gereinigt
werden (Putzstreifen und Schlieren).
Bei der Desinfektion sind Gummihandschuhe zu tragen (Latexhandschuhe sind nicht geeignet).
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Hygieneplan MRSA für Rettungs- und Krankentransportdienste
Allgemeine Maßnahmen
Alle Einsatzkräfte müssen über MRSA informiert sein.
Nur eingewiesenes, informiertes Einsatzpersonal soll MRSA-positive Patienten transportieren
und betreuen.
Information über MRSA-Trägerschaft
Das Einsatzpersonal ist rechtzeitig vorab von den behandelnden Ärztinnen/Ärzten bzw. vom
Krankenhaus über die MRSA-Besiedlung / Infektion des Patienten zu informieren.
Patientenvorbereitung und Transport
Der Patient sollte für den Transport vorbereitet sein:
•
•
•
•
Der Patient trägt frische Körperwäsche.
Hautläsionen und Wunden sind frisch verbunden und abgedeckt.
Bei Besiedlung der Atemwege trägt der Patient einen Mund-Nasenschutz.
Vor dem Transport führt der Patient eine hygienische Händedesinfektion durch.
Der Transport sollte möglichst als Einzeltransport mit frischer Bettwäsche oder Abdeckung
durchgeführt werden. Der Mund Nasenschutz sollte dicht sitzen. Sofern der Patient wegen
Atembehinderung oder Tracheostoma keinen Mund Nasenschutz tragen kann, sollte versucht
werden mit einem Tuch o. ä. eine Tröpfchenübertragung zu vermeiden. Ziel ist es eine
Aerosolbildung (Tröpfcheninfektion) möglichst zu verhindern.
Schutzkleidung bei MRSA Transport:
Die Schutzkleidung ist je nach der Besiedlung und der Transportart einzusetzen.
Das Prinzip des Eigenschutzes lautet:
Alle Körperteile des Personals, die Kontakt mit dem Patienten oder infektiösem Material haben,
müssen geschützt werden.
Allgemeine Hygienemaßnahmen
Bei allen Versorgungsmaßnahmen mit direktem Patientenkontakt, wie z. B. beim aktiven
Umlagern, werden vom Einsatzpersonal Einmalhandschuhe und Schutzkittel getragen.
Bei intubierten/tracheotomierten oder maschinell beatmeten Patienten mit MRSA legt das
Einsatzpersonal beim endotrachealen Absaugen einen Mund-Nasenschutz an. Sofern ein
Verbandswechsel durchgeführt werden muß, ist personalseitig ebenfalls ein Mund-Nasenschutz
zu tragen.
Einmalhandschuhe, Schutzkittel und Mund-Nasenschutz sind nach dem Gebrauch sachgerecht
zu entsorgen. Nach dem Ablegen ist sofort eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.
Waschbare Schutzkittel können nach dem Gebrauch maschinell bei Temperaturen über 60°C
aufbereitet werden.
Hat das Einsatzpersonal keinen direkten Patientenkontakt, ist das Tragen von
Einmalhandschuhen, Schutzkitteln und Mund-Nasenschutz nicht erforderlich.
Desinfektion, Materialentsorgung
Nach Abschluß des Patiententransportes sind alle Materialien, Geräte, Instrumente und
Flächen, welche direkten Kontakt mit dem Patienten hatten, gemäß dem bestehenden
Hygieneplan zu desinfizieren.
Einmalartikel sind entsprechend sachgerecht zu entsorgen. Wäsche, Bezüge und Abdeckungen
sind auszuwechseln.
Alle waagerechten Oberflächen des Fahrtzeuginnenraumes sind mit einem VAH -gelisteten
Mittel zur Flächendesinfektion gemäß angegebener Konzentration und Einwirkzeit einer
Scheuer-Wischdesinfektion zu unterziehen.
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Danach ist vom Einsatzpersonal eine hygienische Händedesinfektion durchzuführen.
Das Einsatzfahrzeug (einschließlich dessen Innenausstattung) sowie das Rettungsdienst/
Krankentransportpersonal ist danach wieder uneingeschränkt einsetzbar.
Memo:
Laut RKI Empfehlung: „Der Erreger besitzt gegenüber Trockenheit und Wärme eine hohe
Widerstandsfähigkeit und ist in der unbelebten Umgebung (z.B. Kittel, Luft, Oberflächen und
Geräten, Instrumenten, Pflegeartikel, Krankenhausinventar etc.) bis zu Monaten lebensfähig.“
Erregerhaltiges Material:
- Sekrete des Nasen Rachenraumes
- Wundsekrete, Eiter
- Blut, Liquor, Stuhl (Fäzes)
- Körperoberfläche des Erkrankten, Hautschuppen
Übertragung:
- Kontakt mit dem Erkrankten (Personalhände, Dienstkleidung)
- Kontakt mit kontaminierten Gegenständen
- Kontakt mit unzureichend desinfizierten Händen
Mund-Nasenschutz:
Trägt der Patient mit MRSA im Nasen-Rachenraum einen Mund-Nasenschutz oder ist durch
anderes geeignetes Material/Maßnahmen die Aerosolbildung (Tröpfcheninfektion) verhindert,
so ist für das Personal kein Mund-Nasenschutz erforderlich.
Kann eine Aerosolbildung nicht vermieden werden ist als Eigenschutz eine Mund-Nasenschutz
einzusetzen. Damit ist nicht eine FFP3 gemeint. Auf den dichten Sitz der Maske ist zu achten!
Kittel:
Beim Heben / Umlagern von Patienten sind Handschuhe und ein Schutz-Kittel zu tragen, um
damit die Unterarme und die Körpervorderseite zu schützen. Die ist auch ausreichend bei
Besiedlung des Nasen-Rachenraumes, wenn der Patient einen Mund-Nasenschutz trägt (keine
aerogene Übertragung).
Overall:
Ein Overall mit Kopfhaube ist nur bei aerogener Übertragung erforderlich:
- Patient kann keinen Mund-Nasenschutz tragen (Tracheostoma, Atembehinderung)
- Auch weitere Maßnahmen können die aerogene Übertragung nicht verhindern.
Als besonderes Anliegen ist bitte zu begreifen, das die Patienten insbesondere mit einer
MRSA Kolonisation nicht durch unsere Maßnahmen einer weiteren Stigmatisierung
anheim fallen. Hier ist auf ein ausgewogenes Auftreten zu achten.
Was muss beim Transport im Taxi bezüglich MRSA beachtet werden?
Bei Transporten von MRSA Trägern in öffentlichen Verkehrsmitteln besteht für das Personal im
Wagen in der Regel keine Infektionsgefahr, sondern bestenfalls das Risiko dafür, dass MRSA
durch Kontamination von Oberflächen auf Dritte übertragen werden können. Dies muss aber
nur dann befürchtet werden, wenn die Möglichkeit einer Keimstreuung besteht, wie sie z.B., bei
offenen, nicht abgedeckten Wunden oder im Falle einer Erkältung bei Besiedlung des NasenRachenraumes auftreten kann.
Da es sich bei Taxifahrten von der Ausstattung und Funktion her nicht um betreute
Krankentransporte, sondern ausschließlich um Personentransporte handelt, sind hier auch
keine dem Rettungswagen entsprechenden Maßnahmen nötig. Vom Betreiber oder Fahrer
des Taxis wird keine besondere medizinische Qualifikation oder das Vorhalten medizinischer
Geräte im Taxi erwartet. Keimträgerschaft – auch mit MRSA- spielt bei dieser Art des
Transports keine Rolle, da Keimträger ja auch andere öffentliche Verkehrsmittel benutzen
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dürfen. Für den Fahrer sowie auch die Inneneinrichtung eines Taxis sind keine
„dekontaminierenden“ Maßnahmen erforderlich.
Zur Einstufung Krankentransport (KTW) und Krankenfahrt (z.B: Liegend-Mietwagen):
Für die Abgrenzung von Krankentransport und Krankenfahrt ist es entscheidend, ob
medizinisch-fachliche Maßnahmen anfallen, die nicht von medizinischen Laien sondern nur
von medizinischem Fachpersonal auf entsprechend ausgestatteten Fahrzeugen (KTW)
erbracht werden können.
Indikationen für die Verordnung eines Krankentransportes:
- Stichwort: Fachgerechtes Umlagern, Heben und Tragen, wenn bereits vor oder
während des Verbringens in das Fahrzeug eine besondere fachliche Betreuung erforderlich
ist.
-
Stichwort: Schweigepflicht, Kenntnis der lokalen medizinischen Infrastruktur, wenn
organisatorische Unwägbarkeiten oder Besonderheiten die Transportdurchführung
beeinflussen.
-
Stichwort: pflegerische Maßnahmen, wenn bei der Übernahme oder während des
Transportes über allgemeinmenschliche Zuwendung hinausgehende spezielle fachlichmedizinische Maßnahmen erforderlich werden.
-
Stichwort: Infektionsprophylaxe, wenn beim Transport infektiöser Patienten besondere
Hygienemaßnahmen zu beachten sind.
Stichworte: Soziale Kompetenz, notfallmedizinische Sofortmaßnahmen, wenn bei
instabilen Patienten während des Transportes wegen plötzlicher Zustandsverschlechterungen
Interventionen erforderlich werden.
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Schutzmaßnahmen im Rettungsdienst
Infektion
Erregerhaltiges Material
Offene LungenTuberkulose
Respiratorische
Sekrete
Schutz vor
Kontamination
Maßnahmen
•
•
Desinfektion und
Reinigung
•
•
Pest
Virushämorrhagisches
Fieber
Scheuer-Wisch-Desinfektion der Liege
und der ggf. sichtbar mit Sputum oder
Blut kontaminierten Flächen (Mittel mit
Wirkungsbereich A)
Decken und textile Unterlagen wechseln
und wie Infektionswäsche behandeln
Je nach
Lokalisation:
respiratorische
Sekrete, Sekrete
von
Infektionsherden,
Eiter
Schutz vor
Kontamination
•
•
•
•
Schutzkittel
Handschuhe
Mund- und Nasenschutz
Schutzbrille zusätzlich bei Lungenpest
Desinfektion und
Reinigung
•
Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung
Blut, Urin,
respiratorische
Sekrete
Schutz vor
Kontamination
•
•
•
Transport nur durch Feuerwehr Frankfurt
Schutzanzug (CE Kategorie III Typ4)
Mund- und Augenschutz (Halbmaske mit
Filter FFP3 S)
Handschuhe
•
Milzbrand
Mund-Nasen-Schutz (partikelfiltrierende
Halbmaske EN 149, Schutzstufe FFP2
S) für den Patienten
Umluft ausschalten
Je nach
Lokalisation:
respiratorische
Sekrete, Sekrete
von
Infektionsherden,
Faezes
Desinfektion und
Reinigung
•
Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung in der Feuerwache 3
Dürkheimer Str. 1-5 in 65934 Frankfurt
Schutz vor
Kontamination
•
•
•
Schutzkittel
Handschuhe
Mund- und Nasenschutz
Desinfektion und
Reinigung
•
Schlussdesinfektion mit FormaldehydVerdampfung
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B
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Merkblätter zu bestimmten Infektionskrankheiten
Im Folgenden sind verschiedene infektionsrelevante Krankheiten in alphabetischer Reihenfolge
aufgeführt. Die Inhalte zu diesen Krankheiten entstammen den aktuellen Informationen des
Robert Koch Institutes (RKI). Die Texte sind mitunter modifiziert und um rettungsdienstlich
relevante Beiträge ergänzt.
Es kann immer wieder kleinere Änderungen geben, die zukünftig dann in den UpDates der
Merkblattsammlung eingearbeitet werden. Grundsätzlich sind die Inhalte zu den meisten
Erkrankungen sehr lange bekannt. Bedrohlicher ist vielmehr, das viele Erkrankungen für uns
heute kaum noch Relevanz haben. Dies ist Folge der guten Impferfolge, macht aber auch für
Ärzte die Diagnostik nicht leichter, da die Krankheitsbilder nicht mehr vertraut sind.
Dazu kommen nicht unerhebliche Risiken durch die Reisegewohnheiten vieler Mitmenschen.
Hier sollte man sich insbesondere bei Fernreisen entsprechend reisemedizinisch beraten, ggf.
auch Impfen lassen.
Die Merkblätter werden vom Fachdienst regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht. Es ist
darauf zu achten, dass die neuesten Versionen dieser Merkblattsammlung auf den
Einsatzfahrzeugen vorgehalten werden.
Anregungen können gerne an den Fachdienst unter der unten angegebenen Email Adresse
gerichtet werden. Zeitnahe weitere Informationen, die auch diesen Teil unseres
Rettungsdienstes betreffen, bekommt man über den Verteiler unseres Newsletters
Rettungsdienst, der ebenfalls über diese Email Adresse abonniert werden kann.
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Brucellose
Erreger
Bei der Brucellose handelt es sich um eine Zoonose, die durch Infektion mit Bakterien der
Gattung Brucella (B.) erworben wird. Humanpathogen sind B. melitensis (Maltafieber), B. suis,
B. abortus (M. Bang) und in geringem Maße B. canis. Infektionen mit B. ovis und B. neotomae
sind beim Menschen bisher nicht bekannt. Für B. melitensis werden derzeit drei Biovare, für B.
suis fünf Biovare und für B. abortus sieben Biovare beschrieben.
Brucellen sind kleine, unbewegliche, nicht sporenbildende, aerob und z.T. mikroaerophil
wachsende, gramnegative kokkoide Stäbchen. Sie sind empfindlich gegenüber der Einwirkung
von Hitze und Desinfektionsmitteln und werden in wässriger Suspension durch Temperaturen
von mehr als 60 °C innerhalb von 10 Minuten abgetötet. Bei Umgebungstemperaturen können
sie in Urin, Staub, Wasser oder Erde und insbesondere auch in Milch und Milchprodukten
mehrere Tage bis zu einigen Wochen überleben.
Vorkommen
Die Krankheit ist bei Haus- und Nutztieren mit größeren regionalen Unterschieden weltweit
verbreitet; der Mensch ist durch infizierte Nutztiere gefährdet. Endemiegebiete sind der
Mittelmeerraum, die Arabische Halbinsel, Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika.
In Deutschland gelten die Rinderbestände sowie die Schaf- und Ziegenbestände als amtlich
frei von B. abortus bzw. B. melitensis. Auftretende Erkrankungsfälle bei Tieren sind daher durch
Tierhandel importiert oder von Wildtieren auf Nutztiere übertragen. Bei den im Rahmen der
Meldepflicht gemäß IfSG an das Robert Koch-Institut übermittelten Fällen handelt es sich
überwiegend um importierte Fälle. In den letzten Jahren wurden 24-37 Fälle pro Jahr registriert.
Unter den Angaben zum möglichen Infektionsland wurde am häufigsten die Türkei angegeben,
andere Länder (vor allem Länder im Mittelmeerraum) wurden nur in Einzelfällen genannt.
Reservoir
Das für den Menschen relevante Reservoir der Erreger ist Nutzvieh. B. abortus kommt bei
Rindern vor, B. melitensis vorwiegend bei Ziegen und Schafen, B. suis bei Schweinen.
Das Wildschwein ist unter einheimischen Bedingungen ein Reservoir für Brucella suis, Biotyp 2,
wobei es gelegentlich zu Ausbrüchen in Schweinebeständen mit Freilandhaltung kommt.
Infektionsweg
Erkrankungen bei Menschen gehen in der Regel auf den Verzehr kontaminierter Lebensmittel
oder direkten Kontakt zu infizierten Tieren zurück. Wichtigste Infektionsquellen für den
Menschen sind kontaminierte, nicht pasteurisierte Milch bzw. aus ihr hergestellte Produkte. Die
Aufnahme des Erregers in den Körper kann aber außer über den Magen-Darm-Trakt auch auf
mehreren anderen Wegen erfolgen, so über die Konjunktiven, die Atemwege und die verletzte
Haut. Die Brucellose ist eine der häufigsten durch Bakterien verursachten im Labor erworbenen
Infektionen.
Brucellen sind fakultativ intrazelluläre Erreger. Nach Eindringen in den Körper werden sie von
Zellen des Monozyten-Makrophagen-Systems aufgenommen und zu den nächstgelegenen
Lymphknoten transportiert. Von dort können Brucellen über die Lymphe in die Blutbahn
gelangen und sich hämatogen in nahezu allen Organen ansiedeln. Besonders häufig betroffen
sind lympho-retikuläre Organe wie Milz, Leber und Knochenmark. In den befallenen Organen
können sich durch Aktivierung spezifischer T-Zellen entzündliche Granulome aus Makrophagen
und Lymphozyten bilden.
Inkubationszeit
5-60 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist sehr selten und wurde bisher fast
ausschließlich durch Stillen beschrieben. Nur in Einzelfällen kam es durch
Knochenmarktransplantationen, Bluttransfusionen sowie Geschlechtsverkehr zur Übertragung.
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Klinische Symptomatik
Die Brucellosen sind zyklische Allgemeininfektionen. Die Manifestationen der Erkrankung sind
ausgesprochen vielfältig und variabel. Folgende Hauptformen lassen sich unterscheiden:
Subklinisch verlaufende Brucellose: Bis zu 90 % aller Infektionen verlaufen
subklinisch. Sie lassen sich nur über den Nachweis spezifischer Antikörper beim
Patienten erkennen und sind Ausdruck effektiver humoraler und zellulärer
Abwehrreaktionen des Wirtsorganismus.
Akute bis subakute Brucellose: Der Beginn ist entweder schleichend (meist bei B.
abortus) oder plötzlich (häufiger bei B. melitensis) mit Fieber, Übelkeit, Müdigkeit,
Kopfschmerzen, Nachtschweiß. Der Fieberverlauf erstreckt sich über 7-21 Tage und
kann von 2- bis 5-tägigen fieberfreien Intervallen unterbrochen sein (undulierendes
Fieber).
Chronische Brucellose: Bei nicht erkannten oder nicht korrekt behandelten
Infektionen sind längere Erkrankungsverläufe möglich und nicht ungewöhnlich. Als
chronisch gelten Erkrankungen, deren Verlauf über ein Jahr hinausgeht. Bei etwa 5 %
aller Patienten kann es nach Abklingen der akuten Symptome zu chronischen Verläufen
kommen. Die Erkrankung manifestiert sich mit unspezifischen Allgemeinsymptomen wie
Leistungsminderung, Schweißausbrüchen und depressiven Episoden. Während Fieber,
Hepatosplenomegalie und hämatologische Komplikationen selten zu beobachten sind,
fallen relativ häufig Spondylitiden und Uveitiden auf. Die Rezidivhäufigkeit ist bei nicht
adäquater Antibiotikatherapie sehr hoch.
Lokalisierte Infektion: Chronische Verläufe werden meist durch persistierende
Infektionsfoki in Knochen, Leber oder Milz unterhalten. Häufig ist der Befall von
Knochen und Gelenken, insbesondere in Form einer Sacroiliitis, Arthritis und Bursitis.
Auch das Auftreten einer Meningitis, Endokarditis und Epididymo-Orchitis ist möglich. In
seltenen Fällen kommt es zur Cholezystitis, Pankreatitis oder Peritonitis. Bei Befall des
Knochenmarks resultieren Anämie, Leukopenie und Thrombopenie. Der Befall der
Lunge kann mit Vergrößerung der hilären und paratrachealen Lymphknoten sowie einer
interstitiellen Pneumonie einhergehen.
Die Letalität ist insgesamt niedrig und beträgt bei unbehandelten Brucellosen 2 % oder
weniger. Betroffen sind vor allem Patienten mit einer durch B. melitensis verursachten
Endokarditis.
Diagnostik
Die klinische Diagnose ist angesichts der Mannigfaltigkeit der Krankheitserscheinungen sehr
schwierig. Eine gezielte Anamnese kann wichtige Hinweise geben. Für die sichere Diagnose ist
daher ein labordiagnostischer Nachweis Bedingung.
Therapie
Als Therapie wird in der Regel eine Kombination aus Rifampicin und Doxycyclin (6-12 Wochen)
empfohlen. Insbesondere beim Befall von Gelenken, neurologischen Manifestationen oder
ausgeprägter Organbeteiligung - speziell bei Vorliegen einer Neurobrucellose oder Endokarditis
- sind ggf. auch weitere Kombinationen von Medikamenten sowie deutlich längere
Behandlungszeiträume indiziert.
Bei Kontraindikationen gegen Doxycyclin (z.B. in der Kindheit und Schwangerschaft) kann eine
Therapie mit Cotrimoxazol in Kombination mit Rifampicin durchgeführt werden. Monotherapien
sind aufgrund hoher Rezidivraten in jedem Fall kontraindiziert. Der Befall von Knochen oder
Herzklappen kann eine chirurgische Intervention erfordern.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Im Vordergrund steht die wirksame Bekämpfung der Brucellose bei Rindern, Schafen und
Ziegen. Weitere Maßnahmen müssen darauf abzielen, Infektionsquellen zu meiden bzw. zu
eliminieren (Expositionsprophylaxe). Dazu ist vorrangig das Abkochen oder Pasteurisieren
von Milch und Milchprodukten erforderlich. In Ländern mit endemischem Vorkommen (s.o.)
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sollte auf den Verzehr von Rohmilch und daraus hergestellten Produkten (z.B. Schafs- und
Ziegenkäse) verzichtet werden.
Berufliche Exposition: Für Tierärzte, Tierzüchter, Fleischer u.a. gilt, dass ein direkter Kontakt
zu potenziell infizierten Tieren vermieden werden sollte. Neben dem Einsatz von
Schutzhandschuhen, insbesondere in der Geburtshilfe, ist eine gründliche Händedesinfektion
mit einem zugelassenen Händedesinfektionsmittel sowie die Reinigung der Hände mit Wasser
und Seife erforderlich. Durch Anwendung eines geeigneten Salbenschutzes wird ein
zusätzlicher Schutz vor transdermalen Infektionen erreicht. Kleidung und Schuhe sind nach der
Stallarbeit zu wechseln. Zur Flächendesinfektion in Tierställen sind ggf. Mittel der
Desinfektionsmittelliste der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft für die Tierhaltung
anzuwenden.
In Laboratorien erfordern Arbeiten mit Brucellen Sicherheitsvorkehrungen nach Risikogruppe 3
gemäß Biostoffverordnung, TRBA 100 bzw. Richtlinie 2000/54/EG. Bereits beim Umgang mit
potenziell erregerhaltigem Material sind besondere Vorsichtsmaßnahmen erforderlich.
Ein Impfstoff für Personen in exponierten Berufen ist in Deutschland nicht zugelassen, ein
Impfstoff für Tiere kann ggf. eingesetzt werden.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine Übertragung des Erregers der Brucellose von Mensch zu Mensch ist im Wesentlichen nur
bei Säuglingen durch die Milch infizierter Mütter beobachtet worden. An Brucellose erkrankte
Frauen dürfen daher nicht stillen. Ihre Milch darf nur abgekocht verabreicht werden. Auch Blut,
Urin, Sperma, Fruchtwasser, Nachgeburt und Lochialsekret erkrankter Personen sind als
infektiös
zu
betrachten.
Eine
Isolierung
ist
jedoch
bei
Beachtung
der
Standardhygienemaßnahmen nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind spezifische
Maßnahmen nicht erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Ausbrüche durch eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung kommen nicht vor, weil eine
Übertragung von Mensch zu Mensch nur in extrem seltenen Ausnahmefällen und unter
besonderen Bedingungen stattfindet. Durch kontaminierte Lebensmittel könnten u.U. regional
vermehrt Erkrankungsfälle auftreten. In diesem Falle muss das ursächlich beteiligte
Lebensmittel möglichst rasch ermittelt werden, um weitere Erkrankungen zu verhindern.
Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis von
Brucella spp., soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Nach § 5 Abs. 1 in Verbindung mit Nr. 38 der Anlage 1 der 7. Berufskrankheiten-Verordnung
vom 20. Juni 1968 hat jeder Arzt bei begründetem Verdacht auf eine Brucellose als
Berufskrankheit diese dem Träger der Unfallversicherung oder der für den Beschäftigungsort
des Versicherten zuständigen Stelle des medizinischen Arbeitsschutzes unverzüglich
anzuzeigen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 27.02.2008
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Campylobacter
Erreger
Die bakteriellen Erreger der Gattung Campylobacter (C.) sind gramnegative Stäbchen mit
spiral- oder S-förmiger Gestalt. Bisher wurden mehr als 20 Spezies identifiziert, von denen
C. jejuni, C. coli und C. lari die wichtigsten humanpathogenen Spezies sind.
Vorkommen
Infektionen durch Bakterien der Gattung Campylobacter sind weltweit verbreitet. In der warmen
Jahreszeit treten diese Erkrankungen in Europa vermehrt auf. Wie bei vielen Enteritiden
anderer Genese sind auch bei Campylobacter-Infektionen Kinder unter 6 Jahren besonders
häufig von der Erkrankung betroffen. Als Besonderheit findet man aber bei Infektionen durch
C. jejuni und C. coli in Deutschland und anderen Industrieländern eine weitere Häufung bei
jungen Erwachsenen zwischen 20 und 29 Jahren.
In Deutschland waren Campylobacter bis zum Jahre 2003 (47.876 übermittelte CampylobacterFälle) sowohl die zweithäufigsten gemeldeten Erreger in der Gesamtstatistik als auch nach
Salmonellen die zweithäufigsten gemeldeten bakteriellen Enteritiserreger. Für 2002 betrug die
Inzidenz im Bundesdurchschnitt 68,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner, im Jahr 2003 lag
sie bei 58,0 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
Reservoir
C. jejuni und C. coli sind in der Natur nahezu ubiquitär verbreitet. Sie kolonisieren als enterale
Kommensalen ein breites Spektrum von Wild- und Haustieren wie freilebende Vögel und
Säugetiere, aber auch Nutztiere, vor allem Geflügel und mit geringerer Prävalenz Milchrinder
und Schweine. Haushunde und Katzen sind ebenfalls betroffen. Geflügel ist überwiegend mit
C. jejuni kolonisiert bzw. kontaminiert. C. coli kommt überwiegend bei Schweinen vor.
6
Die Kolonisationsdichte kann sehr hoch sein und über 10 KBE/g Kot (KBE = Kolonie bildende
Einheit) betragen.
Die Erreger können, vor allem bei niedrigen Umgebungstemperaturen, einige Zeit in der
Umwelt oder in Lebensmitteln überleben, sich aber nicht außerhalb des
Wirtsorganismus, also z. B. in Lebensmitteln, vermehren. Darin unterscheiden sie sich
z. B. von Salmonellen und pathogenen E. coli.
Infektionsweg
Campylobacter-Infektionen des Menschen sind vorzugsweise lebensmittelbedingt. Nach FallKontroll-Studien in England und Wales, den Niederlanden und den USA bilden unzureichend
erhitztes oder kontaminiertes Geflügelfleisch und produkte (nicht aber Eier) die
Hauptinfektionsquelle. Weitere Infektionsquellen sind nicht pasteurisierte Milch, kontaminiertes,
nicht aufbereitetes Trinkwasser und Heimtiere (besonders durchfallkranke Welpen und Katzen)
sowie rohes Hackfleisch.
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist wegen der geringen
krankheitsauslösenden Infektionsdosis von ≥ 500 Keimen insbesondere bei Kindern
möglich. Auch Infektionen beim Baden in kontaminierten Oberflächengewässern kommen vor.
Krankheitsübertragende Lebensmittel und Wasser sind primär von ausscheidenden Tieren
kontaminiert.
Inkubationszeit
In der Regel 2–5 Tage, in Einzelfällen 1–10 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Patienten sind potenziell infektiös, solange Erreger im Stuhl ausgeschieden werden. Die
mittlere Ausscheidungsdauer beträgt 2–4 Wochen. Falls klinisch oder epidemiologisch indiziert,
kann die Ausscheidung mit Antibiotika verkürzt werden, soweit keine Resistenz besteht. Bei
immungeschwächten Personen, z. B. bei AIDS-Patienten, ist mit einer Langzeitausscheidung
zu rechnen.
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Klinische Symptomatik
Viele Infektionen verlaufen asymptomatisch. Manifeste Erscheinungen einer Infektion mit
C. jejuni bieten gewöhnlich das Bild einer akuten Enteritis, die nicht von Enteritiden anderer
Genese zu unterscheiden ist. Häufig bestehen 12–24 Stunden vor Auftreten der enteritischen
Symptome Prodromi mit Fieber (38–40 C), Kopfschmerzen, Myalgien, Arthralgien und
Müdigkeit. Die häufigsten Symptome sind Diarrhoen, Abdominalschmerzen bzw. -krämpfe,
Fieber, Müdigkeit. Die Diarrhoe kann breiig bis massiv wässrig, nicht selten auch blutig sein. Die
Krankheit dauert in der Regel bis zu einer Woche, mitunter auch länger. Die seltenen
protrahierten oder chronischen Verläufe betreffen meist resistenzgeminderte und
immungeschwächte Personen. Als seltene Komplikation können das Guillain-Barré-Syndrom
sowie reaktive Arthritiden auftreten. Ob eine antibiotische Therapie geeignet ist, die Häufigkeit
solcher Komplikationen zu beeinflussen, ist nicht bekannt.
Die Infektionen sind gewöhnlich selbstlimitierend, aber bei 5–10% der unbehandelten Patienten
können Rezidive entstehen.
Die sehr selten beschriebenen Infektionen durch C. fetus subspezies fetus verursachen oft
systemische Manifestationen, vor allem bei Abwehrgeschwächten und Neugeborenen. Initial
können intermittierende Diarrhoe oder unspezifische Abdominalschmerzen auftreten. Nach
vorübergehender Symptomfreiheit kann die Krankheit erneut mit Fieber, Schüttelfrost und
Myalgien rezidivieren. Komplikationen bzw. Spätfolgen sind in seltenen Fällen Endocarditis
lenta, eine septische Arthritis, eine septische Phlebitis, Meningitis sowie das Guillain-BarréSyndrom.
Diagnostik
Die Sicherung der Diagnose durch Nachweis des Erregers erfolgt in der Regel durch Anzucht
aus möglichst frischem Stuhl.
Therapie
In der Regel ist die Krankheit selbstlimitierend. Eine symptomatische Therapie mit Volumenund Elektrolytsubstitution ist in fast allen Fällen ausreichend.
Eine antibiotische Therapie ist indiziert bei Patienten mit hohem Fieber, bei Verdacht auf
septische Streuung und schweren klinischen Verläufen (z. B. bei immunsupprimierten Patienten
und Persistenz der Symptome für länger als eine Woche).
Mittel der Wahl sind in erster Linie Erythromycin und in zweiter Linie Chinolone
(Gyrasehemmer). Bei letzteren wird eine zunehmende Resistenzentwicklung beobachtet.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Derzeit sind die Möglichkeiten zur Prophylaxe von Campylobacter-Infektionen des Menschen
unbefriedigend. Am wichtigsten ist zum Schutz vor Campylobacter-Infektionen eine
konsequente Einhaltung der Küchenhygiene bei der Speisenzubereitung, insbesondere bei
frischem oder tiefgefrorenem Geflügel. Weitere wichtige Faktoren sind das gründliche
Durchgaren von Fleisch, vor allem Geflügelfleisch, und das Abkochen von Rohmilch, die direkt
vom Erzeuger abgegeben wird. Auf den Verzehr von rohen Lebensmitteln tierischer Herkunft
(einschließlich Rohmilch als Hof- oder Vorzugsmilch) durch Säuglinge, Kleinkinder sowie alte
und abwehrgeschwächte Menschen sollte verzichtet werden. Ebenso sollte, wenn möglich, kein
unbehandeltes Oberflächenwasser getrunken werden.
Die Sanierung oder Reduktion der Durchseuchung der Schlachtgeflügelbestände sowie die
Verbesserung und strikte Einhaltung der Schlachthygiene, vor allem bei Geflügel und
Schweinen, sind unbedingt erforderlich.
Allgemeine Maßnahmen zur Prophylaxe der Übertragung von Campylobacter-Infektionen sind
das Waschen der Hände mit seifenhaltigen Mitteln nach jedem Toilettenbesuch, nach Kontakt
mit vermutlich kontaminierten Gegenständen (z. B. Windeln), Arbeitsgeräten und -flächen in der
Küche und vor der Zubereitung von Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur sicheren
vollständigen Beseitigung, aber zur deutlichen Reduzierung der bakteriellen Keimkonzentration
an den Händen.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Während der Dauer ihrer Erkrankung sollten Patienten zu Hause bleiben und die aufgeführten
Hygienemaßnahmen beachten. Nach Abklingen des Durchfalls können Gemeinschaftseinrichtungen wieder besucht werden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Bei
Kleinkindern in Kindertagesstätten ist wegen der Möglichkeit einer direkten Übertragung von
Mensch zu Mensch jedoch weiterhin Vorsicht geboten und die Durchführung der aufgeführten
Hygienemaßnahmen sollte durch die Einrichtung selbst überwacht werden.
Für Kontaktpersonen sind keine besonderen Maßnahmen erforderlich, solange keine
enteritischen Symptome auftreten.
Personen, die an einer Campylobacter-Infektion erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf
eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 IfSG nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein.
Diese Personen dürfen beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter
Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht tätig sein, wenn sie mit Lebensmitteln in
Berührung kommen. Das gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen
Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Lebensmittel gemäß § 42 IfSG sind:
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte
Soßen, Nahrungshefen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen ist es wichtig, die Infektionsquelle bzw. das übertragende Vehikel schnell zu
erkennen, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Dies erfordert eine enge Kooperation
human- und veterinärmedizinischer Einrichtungen. Besteht der Verdacht auf eine Übertragung
durch bestimmte Lebensmittel oder infizierte Tiere, sollte das Gesundheitsamt die zuständige
Lebensmittelüberwachungsbehörde und das zuständige Veterinäramt unverzüglich informieren.
In gleicher Weise sollten auch Veterinär- und Lebensmittelbehörden bei Kenntnis von
Krankheiten, die im Zusammenhang mit Lebensmittelverzehr oder Tierkontakt stehen, das
zuständige Gesundheitsamt informieren.
Meldepflicht
Nach § 7 IfSG ist der Nachweis von darmpathogenen Campylobacter-Spezies meldepflichtig,
sofern eine akute Infektion anzunehmen ist. Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht und
Erkrankung meldepflichtig, wenn die entsprechende Person eine Tätigkeit nach § 42 IfSG
ausübt.
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006
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Cholera
Definition
Die Cholera ist eine durch Bakterien (Vibrio cholerae bzw. heute Vibrio el Tor) verursachte
Infektionskrankheit. Da es sich um eine Darm-Erkrankung handelt werden die Erreger nur durch
Stuhl und Erbrochenem ausgeschieden. Sie ist weit verbreitet in Ländern mit mangelnder
Hygiene z.B.: Fernost, Afrika, Süd- und Mittelamerika. Das Erkrankungsrisiko ist für Touristen
äußerst gering, weshalb die Krankheit auch selten nach Deutschland importiert wird. Einhaltung
der Lebensmittel-, Trinkwasser- und Körperhygiene sind die wichtigsten Vorbeugemaßnahmen.
Infektion
Die Infektion erfolgt über Essen und Trinken und anderes Verhalten, bei den Bakterien über den
Mund in den Verdauungstrakt gelangen. Die Erreger stammen von einem chronisch (aber
subjektiv gesunden) Infizierten (Dauerausscheider), oder von kontaminierten Lebensmitteln
bzw. Wasser, oder infizierten Stuhl von Erkrankten. Die Erreger können ebenfalls von Fliegen
übertragen werden.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 2 – 5 Tagen. Nach anderen Angaben auch wenige Stunden.
Krankheitszeichen
Übelkeit, Brechdurchfall, Bauchschmerzen, Heiserkeit, Muskel-Krämpfe, Nierenversagen. Die
volumenreichen,
häufigen,
unkontrollierbar
abgehenden
Stühle
sind
durch
Schleimbeimengungen „reis-wasserfarben“ und geruchlos. Vereinzelt tritt ein heftiger Brechreiz
auf.
Der Patient ist durch den rasanten Flüssigkeits- und Salzverlust gefährdet (Flüssigkeitsverlust
bis zu 25 Liter pro Tag).
Diagnose
Sie wird durch ärztliche Untersuchung gestellt und den Nachweis der Erreger im Stuhl
bewiesen.
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Clostridium difficile
Erreger:
• Clostridium difficile ist ein sporenbildendes grampositives Stäbchen mit hoher
Umweltresistenz. Die Pathogenität beruht auf der Wirkung von mindestens zwei spezifischen
Toxinen.
Epidemiologie:
• Clostridium difficile ist der bedeutendste Erreger nosokomialer Diarrhoen.
• 3% der Normalbevölkerung und 20-40% der Krankenhauspatienten sind kolonisiert.
• Unter Antibiotikatherapie kann es zur massiven Vermehrung von Clostridium difficile und zur
Toxinbildung kommen.
• Nosokomiale Diarrhoen stehen an 5. Stelle der häufigsten Hospitalinfektionen.
• Ein starker Anstieg der Inzidenz von Clostridium difficile-assoziierter Diarrhoe ist in den letzten
zwei Jahren in Deutschland zu beobachten.
• Ein neuer Stamm (Ribotyp O27) mit vermehrter Toxinbildung und dadurch bedingter höherer
Virulenz und Letalität (bis zu 30%) ist in den USA, Kanada, Belgien, Frankreich und den
Niederlanden aufgetreten. Auch in Deutschland ist dieser Stamm inzwischen nachgewiesen
und hat zu schweren, in einigen Fällen tödlich verlaufenden Infektionen geführt.
Risikofaktoren:
• Antibiotikatherapie; insb. Clindamycin, Cephalosporine, Fluorchinolone
• Verlängerter Krankenhausaufenthalt
• Alter > 65 Jahre (80% der Fälle hospitalisierte Patienten > 65 Jahre)
• Ernährung durch Sonde
• Unterbringung im gleichen Zimmer wie ein Patient mit manifester Clostridium difficile-Infektion
(CDI)
• Immunsuppression
Klinische Symptomatik
• Von milder Diarrhoe bis zur Pseudomembranösen Kolitis mit Komplikationen wie dem
toxischen Megakolon, Perforation, Sepsis.
• Abdominale Schmerzen, erhöhte Leukozytenzahl
• Manchmal Fieber
Infektionsweg
• Der Erreger wird über den Stuhl des Menschen ausgeschieden. Die Übertragung erfolgt als
Kontaktübertragung von Mensch zu Mensch bzw. fäkal-oral.
• Die Infektiösität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis sehr gering.
• Die größte Rolle spielt die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch. Hände des
Krankenhauspersonals !!
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• Ebenso kann es durch den Kontakt mit kontaminierten Gegenständen (Sporen) zur
Übertragung kommen.
Inkubationszeit
• Die Inkubationszeit umfasst einen Zeitraum von 1- 3 Tagen. Die Symptomatik kann auch erst
1-2 Wochen nach Absetzen des Antibiotikums einsetzen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
• Personen sind insbesondere während der akuten Erkrankung ansteckungsfähig. Die
Maßnahmen der Händehygiene sollten auch nach Sistieren der Durchfälle für ca. 2 Wochen
fortgeführt werden.
• Es sind hohe Rezidivraten (ca. 30%) trotz sachgerechter Therapie beobachtet worden.
Diagnostik
• Toxinnachweis im Stuhl, sehr labiles Toxin, Stuhl möglichst gekühlt und frisch in das Labor.
• Bei Ausbrüchen Erregeranzucht mit Antibiogramm und anschließender Typisierung.
Hygienemaßnahmen
Von grundsätzlicher Bedeutung ist die strenge Einhaltung der Standardhygiene,
insbesondere der Händehygiene.
Aufgrund der Umweltresistenz der Sporen sind ein gründliches Händewaschen zusätzlich zur
hygienischen Händedesinfektion und das konsequente Tragen von Handschuhen
unbedingt nötig.
Unterbringung
• Patienten mit massiven Durchfällen im Einzelzimmer mit eigener Toilette isolieren. Bei
Patienten mit leichterer Symptomatik mindestens Kontaktisolierung mit eigenem
Toilettenstuhl.
• Verwendung von Matratzenschutzbezügen ist zu empfehlen.
• Patient darf sein Zimmer nur nach vorherigem Händewaschen und nach Anlegen eines
Schutzkittels verlassen.
• Kohortenisolierung ist möglich.
– Die Isolierung kann nach Abklingen der klinischen Symptome aufgehoben werden.
Fortsetzung der konsequenten Händehygiene für weitere 2 Wochen!
Schutzmaßnahmen
• Kittel- und Handschuhpflege
• Bettenmachen und Reinigungsarbeiten mit Schutzkittel durchführen.
• Schutzkittel für Besucher bei direktem Patientenkontakt.
• Konsequente Händehygiene für Erkrankte, Personal und Besucher
• Händedesinfektion und zusätzliches häufiges Händewaschen (Sporenreduktion durch
bschwemmen). Alkoholische Händedesinfektionsmittel sind gegen Clostridien-Sporen
unzureichend wirksam.
• Mit kontaminierten Handschuhen keine weiteren Gegenstände anfassen!
• Handschuhe vor Verlassen des Zimmers in einem geschlossenen Behältnis entsorgen.
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Seite 30 von 205
Aufbereitung
• 1-2 mal tägliche Wischdesinfektion der patientennahen Flächen, vor allem alle Flächen mit
häufigem Handkontakt (z. B. Nachttisch, Bettgestell, Nassbereich, Toiletten, Türgriffe). Bei
Bedarf müssen auch weitere Flächen in die tägliche Desinfektion einbezogen werden. Die
Keimreduktion durch verstärkte mechanische Reinigung trägt zur Entfernung der Sporen bei.
Zur Flächendesinfektion sind vorzugsweise Mittel auf der Basis von Oxidantien einzusetzen.
• Nach Aufhebung der Isolierungsmaßnahmen gründliche desinfizierende Reinigung des
Patientenzimmers.
• Medizinprodukte mit direktem Patientenkontakt (z.B. Thermometer, Stethoskop, etc.)
patientenbezogen oder als Einmalmaterial verwenden.
• Nach Gebrauch müssen die Medizinprodukte desinfiziert werden, wenn möglich sind
thermische Desinfektionsverfahren anzuwenden.
• Geschirr wird in geschlossenen Behältnissen zur Spülmaschine transportiert
wie üblich aufbereitet.
• Wäsche und Textilien werden desinfizierend gewaschen.
• Mit infektiösem Material kontaminierte Abfälle werden nach Abfallschlüssel
18 01 04 der LAGA-Richtlinie entsorgt.
Für den Krankentransport gilt analog gleiches Vorgehen. Insbesondere sollte aber durch
entsprechende Vorbereitung eine Kontamination von Flächen weitestgehend ausgeschlossen
werden. Hygienische Maßnahmen wie für das Krankenhaus empfohlen.
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Diphtherie
Erreger
Der Erreger der Diphtherie ist Corynebacterium (C.) diphtheriae (Familie Actinomycetales,
Genus Corynebacterium) verursacht. Dabei handelt es sich um aerobe, unbewegliche, nicht
sporulierende, grampositive unbekapselte Stäbchen. Bei mikroskopischer Betrachtung sind sie
oft in Gruppen oder in paralleler Ausrichtung angeordnet. Auf selektiven Medien, die
Kaliumtellurit enthalten, bilden sie graue bis schwarze Kolonien. Vier Biotypen (gravis, mitis,
belfanti, intermedius) können anhand verschiedener Kriterien, z. B. der Morphologie der
Kolonien, der hämolytischen Aktivität, der Zuckerfermentations-Reaktionen unterschieden
werden. Allerdings ist diese Biotypisierung für die Epidemiologie von begrenztem Wert.
Die Virulenz des Diphtherie-Erregers entsteht durch das Diphtherietoxin. Das Gen für das
Toxinbildungsvermögen ist in spezifischen Corynephagen vorhanden; nichttoxigene
C. diphtheriae erwerben die Fähigkeit, Diphtherietoxin zu erzeugen, durch Infektion mit tox+Phagen (Phagenkonversion). Nichttoxigene C. diphtheriae verursachen nur äußerst selten
lokale Läsionen, sie werden jedoch zunehmend als Ursache für infektiöse Endokarditiden
beobachtet.
Gelegentlich können Stämme von zwei eng mit C. diphtheriae verwandten Corynebacterium
Spezies, C. ulcerans und C. pseudotuberculosis, das Diphtherietoxin produzieren. Das klinische
Bild einer Diphtherie wurde nach Infektionen mit toxinogenen C. ulcerans mehrfach
beschrieben.
Vorkommen
Infektionen durch C. diphtheriae werden weltweit beobachtet. Die meisten Erkrankungen treten
in gemäßigten Klimazonen mit einem saisonalen Morbiditätsgipfel im Herbst und Winter auf. Die
Inzidenz und das Muster des Auftretens haben sich in den letzten 50–75 Jahren verändert. In
den westlichen Industrieländern ist die Zahl der Erkrankungen erheblich zurückgegangen. In
anderen Teilen der Welt ist die Diphtherie trotz eines auch dort beobachteten Rückganges noch
immer endemisch (z. B. Russische Föderation, Afghanistan, Indischer Subkontinent,
Indonesien, Philippinen, einige afrikanische Länder).
Die im letzten Jahrzehnt erheblich erhöhte Diphtherie-Morbidität in der WHO-Region Europa
entstand durch ausgedehnte regionale Epidemien in den GUS-Staaten. Im Mittelpunkt der
Bekämpfungsmaßnahmen standen umfangreiche Impfaktionen, die eine Abnahme dieser
Epidemien und damit der Erkrankungshäufigkeit in der WHO-Region Europa seit 1995
bewirkten.
In Deutschland klang eine große Diphtherie-Epidemie, die 1942–1945 ihren Höhepunkt erreicht
hatte, bis in die 60er Jahre hinein aus (1958 sank die Erkrankungszahl unter 10.000, erst 1964
unter 1.000). In den 50er Jahren starben noch 4.302, in den 60er Jahren noch 273 Menschen
an Diphtherie. Seit 1984 werden – bei hohen Impfquoten im Kindesalter – nur noch Einzelfälle
durch Meldung erfasst.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Reservoir für C. diphtheriae.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt bei pharygealem Befall durch Tröpfcheninfektion (face-to-face-Kontakt),
bei der Hautdiphtherie durch Kontakt. Das Risiko einer Übertragung durch Erkrankte ist höher
als das durch asymptomatische Träger (Ausscheider). Von 100 nicht immunen Exponierten
kommt es bei etwa 10–20 zu einer Infektion (Kontagionsindex 0,1–0,2). Eine indirekte
Übertragung durch kontaminiertes Material ist prinzipiell möglich, aber selten. Auch
berufsbedingte Infektionsrisiken sind möglich, die letzte in Deutschland beobachtete
Laborinfektion trat im Jahre 1996 auf.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2–5 Tage, selten bis zu 8 Tagen.
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Seite 32 von 205
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange der Erreger in Sekreten und Wunden nachweisbar
ist. In der Regel betrifft dies bei Unbehandelten einen Zeitraum von 2 Wochen, selten mehr als
4 Wochen, bei antibakterieller Behandlung nur 2–4 Tage.
Klinische Symptomatik
Bei Diphtherie-Erkrankungen in gemäßigten Klimazonen ist primär überwiegend der
Respirationstrakt betroffen. Die Primärinfektion des Respirationstraktes betrifft hauptsächlich
die Tonsillopharyngeal-Region, es kann aber (in absteigender Reihenfolge der Häufigkeit)
auch eine laryngeale, nasale oder tracheobronchiale Primärinfektion vorliegen.
Die Krankheit beginnt meist allmählich mit Halsschmerzen, Temperaturen bis zu 39 °C und
Schluckbeschwerden. Später kommt es zu Heiserkeit, Stridor, Gaumensegellähmungen,
Lymphknotenschwellungen. Es entsteht eine Tonsillitis/Pharyngitis mit grau-weißen
Pseudomembranen, die oft die Tonsillen überschreiten und sich auf Gaumen und Uvula,
gegebenenfalls auch bis zum Kehlkopf, ausbreiten. Bei dem Versuch, die Membranen zu
entfernen, kommt es meist zu Blutungen. Als charakteristisch gilt ein süßlicher Geruch, der vom
erfahrenen Arzt bereits in einigem Abstand wahrgenommen werden kann. Die Schwellung im
Bereich des Halses kann unter Umständen so massiv sein, dass es zur Obstruktion der
Atemwege (Krupp) und zum Ersticken kommen kann. Bei Kehlkopfdiphtherie dominieren
zunächst Husten und Heiserkeit. Bei Patienten mit nasaler Diphtherie zeigt sich oft ein
serosanguinöser ein- oder beidseitiger Ausfluss aus der Nase.
Die Haut-/Wunddiphtherie kommt vor allem in den Tropen vor. In westlichen Ländern sind
vornehmlich bestimmte Risikogruppen betroffen, z. B. Obdachlose, Alkoholiker und
Drogengebraucher. Die Infektion mit C. diphtheriae findet i.d.R. auf dem Boden einer
präexistierenden Dermatose/Verletzung statt. Das klinische Bild gleicht dem anderer
sekundärer bakterieller Hautinfektionen.
Systemische Manifestationen (z. B. Tachykardie, Kreislaufkollaps) sind hauptsächlich auf die
Wirkung des Diphtherietoxins zurückzuführen.
Die wichtigsten Komplikationen sind neben der Obstruktion des Respirationstraktes die
Myokarditis und Polyneuritis. Letztere können als Spätkomplikationen noch Wochen nach der
akuten Erkrankung auftreten. Zu den selteneren Komplikationen gehören Nierenversagen,
Enzephalitis, Hirninfarkt, Lungenembolie und Endokarditis. Der Tod tritt als Folge einer
Atemwegsobstruktion oder eines Herzversagens ein. Die Letalität der Diphtherie liegt heute bei
5–10%, bei verzögerter oder suboptimaler medizinischer Versorgung steigt sie auf bis zu 25%.
Diagnostik
Bei klinischem Verdacht auf eine Diphtherie (s. Falldefinition) ist sofort eine Labordiagnostik
einzuleiten: Der Nachweis des Erregers aus Rachenabstrichen (unter der Pseudomembran!),
Nasen- oder Wundabstrichen sollte angestrebt werden. Die Abstriche sind vor Beginn der
spezifischen Therapie zu entnehmen.
Therapie
Eine rasche klinische Verdachtsdiagnose ist als Indikation für eine sofortige spezifische
Therapie (Gabe von Antitoxin als Immunserum vom Pferd und Antibiotikatherapie) von
großer Bedeutung. Das noch nicht zellgebundene Toxin muss durch die sofortige Gabe von
Antitoxin neutralisiert werden. Durch eine gleichzeitig begonnene antibiotische Therapie werden
die toxinproduzierenden Keime eliminiert. Als Mittel der Wahl werden Penicillin oder
Erythromycin empfohlen; andere Antibiotika, z. B. Tetrazykline, Rifampicin und Clindamycin,
sind ebenfalls wirksam. Eine frühzeitig (bereits beim klinischen Verdachtsfall!) einsetzende
Behandlung beeinflusst den Krankheitsverlauf entscheidend. Komplikationen können eine
intensivmedizinische Behandlung erfordern, z. B. Intubation und Behandlung von
Herzinsuffizienz oder Herzrhythmusstörungen, Dialyse.
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Seite 33 von 205
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Die Prophylaxe besteht in der aktiven Immunisierung mit einem Toxoid-Impfstoff. Die erzeugte
antitoxische Immunität verhindert Erkrankungen weitgehend, nicht aber eine Infektion bzw.
Kolonisation, so dass auch unter Geimpften Keimträger vorkommen können.
Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert KochInstitut sollte die Diphtherie-Impfung bei allen Personen ohne ausreichenden Impfschutz (d. h.
bei fehlender oder unvollständiger Grundimmunisierung oder wenn die letzte Auffrischimpfung
länger als 10 Jahre zurückliegt) durchgeführt werden. Bei Angehörigen folgender Gruppen ist
nach Meinung des RKI das ständige Aufrechterhalten eines ausreichenden Impfschutzes
besonders indiziert:
medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Erkrankten haben kann,
Personal in Laboratorien mit Diphtherie-Risiko,
Aussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber aus Gebieten mit Diphtherie-Risiko, die in
Gemeinschaftsunterkünften leben, sowie das Personal dieser Einrichtungen,
Bedienstete des Bundesgrenzschutzes und der Zollverwaltung,
Reisende in Regionen mit Diphtherie-Risiko (eine Reise von Ungeimpften in ein
Infektionsgebiet sollte frühestens nach der 2. Impfung angetreten werden).
Die Impfung gegen Diphtherie sollte in der Regel in Kombination mit der gegen Tetanus sowie,
bei vorliegender Indikation, mit Pertussis durchgeführt werden. Bei bestehender DiphtherieImpfindikation und ausreichendem Tetanus- bzw. Pertussis-Impfschutz sollte monovalent gegen
Diphtherie geimpft werden. Nichtgeimpfte Erwachsene oder Personen mit fehlendem
Impfnachweis sollten 2 Impfungen im Abstand von 4–8 Wochen und eine 3. Impfung 6–12
Monate nach der 2. Impfung erhalten.
Der Diphtherie-Impfschutz bei den Klein- und Vorschulkindern ist in Deutschland mit über 97%
ähnlich gut wie der gegen Tetanus und Poliomyelitis. Die von der STIKO empfohlenen
Auffrischimpfungen im Alter von 5 bis 6 Jahren, vor allem auch im Alter von 9 bis 17 Jahren,
werden jedoch häufig nicht mehr verabfolgt. So sind bereits bei jüngeren Erwachsenen Defizite
der Impfimmunität sichtbar, z. B. sind unter Rekruten der Bundeswehr meist nur noch etwa die
Hälfte altersgerecht geimpft, obwohl über 95% von ihnen als Kinder eine Grundimmunisierung
erhalten haben.
Die empfohlenen Auffrischimpfungen bei den Erwachsenen in 10-jährigem Abstand
werden überwiegend nicht realisiert, daher verfügt gegenwärtig nur etwa ein Drittel der
Erwachsenen über sicher schützende Antikörper. Die Erwachsenen profitieren aber von
einem guten, durch die hohen Impfraten der Kinder bedingten „Herdenschutz“. Bei
Auslandsreisen entfällt dieser „Schutz“, so dass der Impfschutz zumindest vor Reisen in eines
der zahlreichen Endemiegebiete unbedingt aktualisiert werden sollte.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Erkrankte Personen sollten stationär behandelt, in der Einrichtung isoliert und nur von
Personal mit aktuellem Impfschutz betreut werden. Die Isolierung einschließlich der
Schutzmaßnahmen gegenüber Tröpfchen- und Kontaktübertragungen darf erst aufgehoben
werden, wenn nach Beendigung der Therapie bei drei Nasen- und Rachenabstrichen, die
frühestens 24 Stunden nach Absetzen der Antibiotika im Abstand von jeweils mindestens 24
Stunden entnommen wurden, ein negatives Untersuchungsergebnis vorliegt. Eine weitere
Kontrolle im Abstand von 2 Wochen soll das negative Ergebnis sichern.
Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Diphtherie erkrankt oder dessen verdächtigt sind, in
Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsicht- oder sonstigen
Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem
Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit DiphtherieInfektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten,
Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der
Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen (dies gilt entsprechend auch für Kontaktpersonen,
s. u.).
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Maßnahmen in der Umgebung erkrankter Personen:
Zur Verhütung der Übertragung des Erregers sind adäquate Desinfektionsmaßnahmen
in der Umgebung eines Erkrankten erforderlich (Wohnung, Gesundheitseinrichtung –
alle Gegenstände die Kontakt mit dem Patienten oder seinen Ausscheidungen hatten,
sollten mit einem Flächendesinfektionsmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen
Bakterien desinfiziert werden). Weiterhin sollte eine korrekte Händedesinfektion
erfolgen.
Personen, in deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein
Verdacht auf Diphtherie aufgetreten ist, dürfen in einer Gemeinschaftseinrichtung nicht
tätig sein bzw. diese nicht besuchen, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung
der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist (§ 34 IfSG).
Epidemiologisch wichtig sind sog. „enge Kontaktpersonen“. Dies sind Personen, die während
der Ansteckungsfähigkeit eines an bestätigter Diphtherie Erkrankten engen Kontakt zu diesem
hatten (d. h. der Atemluft des Erkrankten ausgesetzt waren oder Körperkontakt hatten). Zum
Personenkreis der engen Kontaktpersonen können gehören: im Haushalt des Patienten
lebende Personen, Mitschüler, Kinder der gleichen Gruppe einer Kindereinrichtung, Erzieher
und Betreuer, medizinische Pflegekräfte, Arbeitskollegen, Freunde. Bei allen engen
Kontaktpersonen
sollten Nasen- und Rachenabstriche durchgeführt werden,
sollte für einen Zeitraum von 7 Tagen eine Beobachtung der Gesundheit bezüglich des
Auftretens klinischer Symptome erfolgen (Gesundheitskontrolle),
sollte – unabhängig vom Impfstatus – eine präventive antibiotische Therapie, z. B. mit
Penicillin (i.m.) oder Erythromycin (oral) durchgeführt werden. Ebenso müssen
symptomlose Keimträger (Carrier) toxinbildender Stämme, die in der Umgebung eines
Patienten entdeckt wurden, antibiotisch behandelt werden.
Falls die letzte Diphtherie-Auffrischimpfung >5 Jahre zurückliegt, sollte eine Dosis
Diphtherie-Toxoid geimpft werden. Im Falle einer unvollständigen oder fehlenden
Grundimmunisierung sollte diese vervollständigt bzw. vorgenommen werden.
Indikationen für weitere Impfungen, die ggf. (nur) in Kombination mit Diphtherie geimpft
werden können, sollten berücksichtigt werden (z.B. Tetanus, Pertussis).
Die Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung kann erfolgen
bei behandelten Kontaktpersonen, bei denen kein Abstrich vorgenommen wurde, am 3.
Tag nach Beginn der antimikrobiellen Therapie,
bei Kontaktpersonen ohne antimikrobielle Therapie, wenn bei drei Nasen- und Rachenabstrichen (Abstand von 24 Stunden) ein negatives Untersuchungsergebnis vorliegt
bei behandelten Keimträgern sind ebenfalls drei negative Befunde erforderlich, wobei
die Abstriche frühestens 24 Stunden nach Abschluss der antimikrobiellen Therapie
abgenommen werden sollten, im Ausnahmefall 7 Tage nach dem letzten Kontakt.
Zum Nachweis der durchgeführten Behandlung und des Ergebnisses der mikrobiologischen
Befunde ist die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen ist die Diagnose bei den ersten Erkrankungsfällen schnellstmöglich zu sichern.
Das zuständige Gesundheitsamt berät, trifft die zur Verhütung der Weiterverbreitung
erforderlichen Maßnahmen und kontrolliert deren Durchführung. Bei Epidemien oder regional
erhöhter Morbidität geben die Gesundheitsbehörden, falls erforderlich, situationsgerechte
Empfehlungen zur Durchführung von Impfungen. Im Rahmen eines Ausbruches sollte eine
Auffrischung der Impfung bei allen Kontaktpersonen vorgenommen werden, die die letzte
Impfdosis vor mehr als 5 Jahren erhalten haben. Bei der Indikation einer Diphtherie-Impfung
sollten immer auch Indikationen für weitere Impfungen, z.B. gegen Tetanus und Pertussis
geprüft werden.
Meldepflicht
Entsprechend § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an Diphtherie namentlich
durch den Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
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Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für den Nachweis von toxinbildenden C. diphtheriae.
Diese Meldungen werden gemäß § 11 IfSG über die zuständigen Landesbehörden an das RKI
übermittelt. Für die Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 IfSG die Pflicht,
das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten zu
benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen.
Zusätzlich ist das Auftreten einer Erkrankung auch nach § 12 IfSG übermittlungspflichtig. Dies
bedeutet, dass – zusätzlich zum Übermittlungsweg nach § 6 und 7 – Fälle von Diphtherie vom
Gesundheitsamt aus unverzüglich an die zuständige oberste Gesundheitsbehörde und von dort
unverzüglich an das Robert Koch-Institut zu übermitteln sind, welches dann die Informationen
an die WHO weitergibt.
Modifiziert nach RKI, Stand: 30.03.2007
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EHEC / HUS
Erreger
Enterohämorrhagische Escherichia (E.) coli sind Bakterien (gramnegative Stäbchen), welche
die grundsätzliche Eigenschaft zur Bildung bestimmter Zytotoxine, der Shigatoxine – Stx
(Synonyme: Shiga-like-Toxine – SLT, Verotoxine – VT) besitzen. Sie werden unter dem Begriff
Shigatoxin- bzw. Verotoxin-produzierende E. coli (STEC bzw. VTEC) zusammengefasst.
Historisch wurden diejenigen STEC als EHEC bezeichnet, die in der Lage waren, schwere
Erkrankungen (hämorrhagische Kolitis und hämolytisch-urämisches Syndrom – HUS)
hervorzurufen. In den letzten zwei Jahrzehnten wurde jedoch eine Vielzahl unterschiedlicher
STEC-Stämme auch von Patienten mit milden gastroenteritischen Symptomen isoliert, so dass
im Infektionsschutzgesetz (IfSG) unter dem Begriff EHEC diejenigen STEC verstanden werden,
die fähig sind, beim Menschen Krankheitserscheinungen auszulösen und damit
humanpathogen sind. Aufgrund ihrer Antigenstruktur gehören sie verschiedenen Serogruppen
(Einteilung nach Oberflächen-O-Antigenen) an. Die weltweit am häufigsten isolierte EHECSerogruppe ist O157. Dies trifft auch auf Deutschland zu, wobei ihr Anteil an den an das RKI
übermittelten gastroenteritischen EHEC-Erkrankungen weniger als 20% beträgt.
Pathogenese
Shigatoxine binden sich an spezielle Zellwandrezeptoren, vor allem im kapillaren Endothel,
blockieren dort die Proteinsynthese und führen zum schnellen Zelltod. Zusätzlich besitzen viele
EHEC eine sog. Pathogenitätsinsel (LEE – locus of enterocyte effacement), die für einen TypIII-Sekretionsapparat verantwortlich ist. Mit dessen Hilfe können EHEC zelltoxische bzw.
inhibierende oder modulierende Proteine – in der Art einer Injektionsnadel – direkt in die
Zielzelle applizieren. Das kann zu weiteren klinisch-pathogenen Effekten führen und dadurch
die Virulenz der EHEC erhöhen. Leitmerkmal für diesen Typ-III-Sekretionsapparat ist das eaeGen. Dessen Genprodukt, das Protein Intimin, befähigt den Erreger u.a., sich eng an
Darmepithelzellen anzuheften. EHEC, die kein eae-Gen besitzen, bilden andere
Adhärenzsysteme aus, sind aber seltener in der Lage, ein HUS auszulösen. Neben ihrer
besonderen Virulenz besitzen EHEC eine relativ große Umweltstabilität und eine gute
Überlebensfähigkeit in saurem Milieu.
Vorkommen
EHEC-Infektionen treten weltweit auf. Die nach IfSG registrierte Häufigkeit in Deutschland ist
gegenwärtig sehr von der Inanspruchnahme labordiagnostischer Möglichkeiten abhängig.
Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 wurden jährlich zwischen 925 und
1.183 EHEC-Erkrankungen an das RKI übermittelt. Der Altersmedian der übermittelten EHECErkrankungen liegt bei 4 Jahren und beide Geschlechter sind annähernd gleich stark betroffen.
Reservoir
Wiederkäuer, vor allem Rinder, Schafe und Ziegen, aber auch Wildwiederkäuer (z.B. Rehe und
Hirsche), werden als wichtiges Reservoir und Hauptinfektionsquelle für EHEC beim Menschen
angesehen. Vereinzelt wurde nachgewiesen, dass auch andere landwirtschaftliche Nutztiere
sowie Heimtiere EHEC ausscheiden. Die Bedeutung von Nichtwiederkäuern für die Verbreitung
des Erregers und für Infektionen beim Menschen wird aber als gering eingeschätzt.
Infektionsweg
EHEC-Infektionen können auf vielfältige Art und Weise übertragen werden. Dabei handelt es
sich stets um die unbeabsichtigte orale Aufnahme von Fäkalspuren, wie z.B. bei Kontakt zu
Wiederkäuern oder beim Verzehr kontaminierter Lebensmittel. Darüber hinaus können EHEC
durch kontaminiertes Wasser (z.B. beim Baden) übertragen werden. Auch Mensch-zuMensch-Übertragungen sind im Gegensatz zu anderen bakteriellen Gastroenteritis-Erregern
ein bedeutender Übertragungsweg – wahrscheinlich begünstigt durch die sehr geringe
Infektionsdosis von EHEC (<100 Erreger für EHEC O157).
In Deutschland sind gemäß einer vom RKI durchgeführten Fall-Kontroll-Studie die
Übertragungswege für sporadische EHEC-Erkrankungen altersabhängig.
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Demnach birgt bei Kindern unter drei Jahren – der Altersgruppe mit der höchsten
Meldeinzidenz für EHEC- und HUS-Erkrankungen – der direkte Kontakt zu einem Wiederkäuer
(Rind, Schaf oder Ziege) das höchste Erkrankungsrisiko. Weitere Risikofaktoren sind der
Konsum von Rohmilch und das Vorkommen von Durchfall bei Familienmitgliedern. Bei Kindern
über neun Jahren und Erwachsenen hingegen handelt es sich wahrscheinlich in erster Linie um
eine lebensmittelbedingte Erkrankung, wobei insbesondere der Verzehr von Lammfleisch und
von streichfähigen Rohwürsten (Zwiebelmettwurst, Streichmettwurst, Teewurst) mit einem
erhöhten Erkrankungsrisiko behaftet ist. Ungefähr die Hälfte aller EHEC-Isolate aus
Lebensmitteln in Deutschland tragen die mit erhöhter Virulenz für den Menschen assoziierten
Toxine Stx 2, Stx 2c und/oder Stx 2d. Unter diesen sind die häufigsten Serogruppen O113 und
O91.
International wurden seit der Erstbeschreibung der Erreger im Jahr 1977 insbesondere durch
Ausbruchsuntersuchungen eine Vielzahl von Vehikeln bzw. Übertragungswegen für
menschliche EHEC-Erkrankungen nachgewiesen. In den USA beispielsweise waren über 50%
der Ausbrüche lebensmittelbedingt, und Rinderhackfleisch (z.B. in Hamburgern) war das am
häufigsten identifizierte Lebensmittel. Aber auch andere Lebensmittel wie Salami, Mettwurst,
Rohmilch, nicht pasteurisierter Apfelsaft und roh verzehrtes grünes Blattgemüse (z.B.
Sprossen, Spinat) waren für Ausbrüche verantwortlich, wie epidemiologische und
mikrobiologische Untersuchungen gezeigt haben.
In Deutschland ereigneten sich in den letzten Jahren mehrfach größere Häufungen von HUSErkrankungen, sämtlich verursacht durch eine sorbitol-fermentierende Variante von EHEC der
Serogruppe O157, ohne dass bislang eine Infektionsursache ermittelt werden konnte. Hingegen
sind hierzulande traditionelle EHEC-Ausbrüche (bei denen nicht überwiegend HUS
Erkrankungen beobachtetet werden) nach aktueller Datenlage selten. Zudem konnte die
Infektionsquelle nur in den wenigsten Fällen aufgeklärt werden.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt ca. 2 bis 10 Tage (durchschnittlich 3 bis 4 Tage). Diese
Erkenntnisse beruhen im Wesentlichen auf Untersuchungen zu EHEC der Serogruppe O157.
Symptome EHEC-assoziierter HUS-Erkrankungen beginnen ungefähr 7 Tage (5 bis 12 Tage)
nach Beginn des Durchfalls.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange EHEC-Bakterien im Stuhl nachgewiesen werden.
Angaben zur durchschnittlichen Dauer der Keimausscheidung liegen nur für die Serogruppe
O157 vor und variieren deutlich von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen. Allgemein gilt,
dass der Erreger bei Kindern länger im Stuhl nachgewiesen werden kann als bei Erwachsenen.
Mit einer Ausscheidungsdauer von über einem Monat bei klinisch unauffälligem Bild muss
daher gerechnet werden.
Klinische Symptomatik
EHEC-Infektionen können klinisch inapparent verlaufen und somit unerkannt bleiben. Die
Mehrzahl der manifesten Erkrankungen tritt als unblutiger, meistens wässriger Durchfall in
Erscheinung.
Begleitsymptome
sind
Übelkeit,
Erbrechen
und
zunehmende
Abdominalschmerzen, seltener Fieber. Bei 10–20% der Erkrankten entwickelt sich als schwere
Verlaufsform eine hämorrhagische Kolitis mit krampfartigen Abdominalschmerzen, blutigem
Stuhl und teilweise Fieber. Säuglinge, Kleinkinder, alte Menschen und abwehrgeschwächte
Personen erkranken häufiger schwer. Gefürchtet ist das vor allem bei Kindern vorkommende
HUS, das durch die Trias hämolytische Anämie, Thrombozytopenie und Nierenversagen bis
zur Anurie charakterisiert ist. Diese schwere Komplikation tritt in etwa 5–10% der
symptomatischen EHEC-Infektionen auf und ist der häufigste Grund für akutes Nierenversagen
im Kindesalter. Hierbei kommt es häufig zur kurzzeitigen Dialysepflicht, seltener zum
irreversiblen Nierenfunktionsverlust mit chronischer Dialyse. In der Akutphase liegt die Letalität
des HUS bei ungefähr 2%.
Diagnostik
Eine
EHEC-Infektion
sollte
bei
jeder
differenzialdiagnostisch berücksichtigt werden.
akuten
Gastroenteritis
im
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Kindesalter
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Dies gilt, unabhängig vom Alter, auch für Ausbrüche von Gastroenteritis (zwei oder mehr
Erkrankungen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder
vermutet wird). In folgenden Situationen besteht stets die Indikation zur mikrobiologischen
Untersuchung einer Stuhlprobe auf EHEC:
Diarrhoe und eine der folgenden Bedingungen:
a) wegen Diarrhoe hospitalisierte Kinder bis zum 6. Lebensjahr
b) sichtbares Blut im Stuhl
c) endoskopisch nachgewiesene hämorrhagische Kolitis
d) Patient ist direkt mit Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen von Lebensmitteln
befasst oder arbeitet in Küchen von Gaststätten oder sonstigen Einrichtungen mit/
zur Gemeinschaftsverpflegung (§ 42 Abs. 1 Nr.3 lit. a und b IfSG)
HUS
Kontaktpersonen von Patienten mit HUS
Pädiatrische Patienten mit akutem Nierenversagen
Empfehlungen zur Labordiagnostik von EHEC-Infektionen
Das wichtigste diagnostische Merkmal ist der Toxingen- bzw. Toxinnachweis. Daher ist das Ziel
der Labordiagnostik die Erregerisolierung mit Toxingen- bzw. Toxinnachweis. Der
Toxingennachweis soll mittels PCR (konventionell oder im Light-Cycler) aus
Kolonieabschwemmung oder Stuhlanreicherung erfolgen; der Toxinnachweis soll mittels ELISA
(EIA) aus der E.-coli-Kultur erfolgen (der Nachweis von Stx mittels ELISA direkt aus dem Stuhl
ist zu unspezifisch). Die weitergehende Charakterisierung der Erreger, insbesondere für
epidemiologische Fragestellungen, sollte in Abhängigkeit von der Herkunft der Isolate in einem
der unten aufgeführten spezialisierten Laboratorien erfolgen. Bei HUS sollte zusätzlich eine
Untersuchung des Serums auf LPS-Antikörper gegen E. coli O157 u. a. erfolgen.
Therapie
Die Behandlung der Krankheitssymptome kann nur symptomatisch erfolgen. Eine antibakterielle
Therapie ist nicht angezeigt. Sie kann die Bakterienausscheidung verlängern und zur
Stimulierung der Toxinbildung führen. Bei Vorliegen eines HUS werden in der Regel forcierte
Diurese und bei globaler Niereninsuffizienz Hämo- oder Peritonealdialyse angewendet. Bei
atypischen Verlaufsformen (insbesondere bei extrarenaler Manifestation des HUS) wird eine
Plasmatherapie empfohlen. Der Nutzen dieser Therapieform müsste noch durch Studien
untermauert werden. Bei Patienten, bei denen die von-Willebrand-Faktor-spaltende Protease
ADAMTS13 (VWF-CP) erniedrigt ist bzw. bei denen Antikörper gegen die VWF-CP vorliegen, ist
eine immunsuppressive Therapie empfohlen. Die Behandlung sollte in spezialisierten Zentren
erfolgen.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Besonderes Augenmerk sollte auf Maßnahmen zur Vermeidung von EHEC-Infektionen durch
Tierkontakt gelegt werden. Für Streichelzoos oder Bauernhöfe mit Publikumsverkehr gelten
spezielle Empfehlungen (Epid. Bull. 1/2005). Der wesentliche Aspekt hierbei ist die enge
Supervision von Kindern; Finger sollten nach Tier- oder Bodenkontakt nicht in den Mund
gesteckt, sondern gründlich mit warmem Wasser und Seife gereinigt werden. Speisen und
Getränke sollten nur außerhalb der
Tierkontaktzonen eingenommen werden.
Weitere Präventionsmaßnahmen betreffen die Vermeidung von Mensch-zu-Mensch
Übertragungen (siehe unter 2.) und den sicheren Umgang mit Lebensmitteln. Im Besonderen
sollten rohe Lebensmittel tierischer Herkunft und andere leicht verderbliche Lebensmittel (z.B.
Fleisch, Mettwurst, Wurstaufschnitt, Milch und Milcherzeugnisse, Feinkostsalate) stets bei
Kühlschranktemperatur gelagert werden. Bei der Zubereitung von Lebensmitteln (insbesondere
Fleisch) sollte beachtet werden, dass die Speisen gut durchgegart sind (Kerntemperatur
mindestens 70°C für 10 min). Zudem sollte Fleisch zur Vermeidung von Kreuzkontaminationen
möglichst nicht zeitgleich mit anderen, unmittelbar zum Verzehr bestimmten Lebensmitteln, auf
keinen Fall jedoch unter Verwendung derselben Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen zubereitet
werden, solange letztere nicht vor Weiterverwendung gründlich gereinigt wurden. Die Hände
sollten zwischenzeitlich ebenfalls gewaschen werden.
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Milch sollte nicht in rohem Zustand, sondern nur nach Wärmebehandlung verzehrt werden. Die
Abgabe von Rohmilch, Rohrahm oder nicht ausreichend erhitzter Milch an Verbraucher ist in
Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung rechtlich untersagt. Deren Verarbeitung (z. B. zu
Milcherzeugnissen) ist in diesen Einrichtungen zwar rechtlich zulässig, aus Gründen des
vorbeugenden Gesundheitsschutzes wird jedoch davon abgeraten. Insbesondere Kinder und
ältere Menschen sollten Lebensmittel tierischer Herkunft grundsätzlich nur durchgegart oder
nach Anwendung eines anderen Bakterien abtötenden Verfahrens zu sich nehmen. In der
Literatur wird darauf hingewiesen, dass sich auch Schwangere und immunsupprimierte
Personen daran halten sollen. Auf den Genuss von Lebensmitteln tierischer Herkunft, die weder
bei der Herstellung noch vor dem Verzehr erhitzt oder einem anderen Bakterien abtötenden
Verfahren unterzogen werden können, z.B. frische Mettwurst oder Rohmilchkäse, sollten diese
Personen (auch wegen der Möglichkeit anderer bakterieller Kontaminanten) verzichten. Wenn
nicht bekannt ist, ob es sich im konkreten Fall um ein Rohfleischerzeugnis bzw. um ein
Rohmilchprodukt handelt, sollten entsprechende Informationen eingeholt werden.
2. Vermeidung der Weiterverbreitung – Maßnahmen für Patienten, Ausscheider und
Kontaktpersonen
Die Übertragung von EHEC-Bakterien von Erkrankten auf Gesunde im Rahmen einer fäkaloralen Schmierinfektionen muss durch eine effektive Händehygiene (s. Mitteilung der
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut)
verhütet werden. Während der Erkrankungsdauer ist eine regelmäßige Desinfektion von
Handkontaktflächen (z. B. Gegenstände, Flächen, Sanitäranlagen) durchzuführen, die mit
infektiösen Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein könnten (s.
hierzu auch die Empfehlung „Anforderungen an die Hygiene bei der Reinigung und Desinfektion
von Flächen“). Abhängig von der Schwere der Symptomatik und dem Alter des Patienten ist
eine Kontaktisolierung bei stationärer Versorgung und Personalschutz empfehlenswert.
Im Haushalt
Übertragungen von gastroenteritischen Infektionen im Haushalt betreffen häufig (Geschwister-)
Kinder. Da sie zudem das höchste Risiko zur Ausbildung eines HUS tragen, sollte der primäre
Fokus der Maßnahmen zur Vermeidung der Weiterverbreitung im Haushalt auf Kinder
ausgerichtet sein. Eine effektive Händehygiene und die Desinfektion von Handkontaktflächen
bilden die zentralen Maßnahmen (s. oben). Hierbei spielt insbesondere die Zeitnähe der
Maßnahmen eine wichtige Rolle. Mit Stuhl oder Erbrochenem kontaminierte Gegenstände,
Kleidungsstücke oder Flächen sollten umgehend gereinigt und desinfiziert werden. Betrifft die
EHEC-Infektion einen Erwachsenen, sollte eine effektive Händehygiene auch vor jeder
Zubereitung von Speisen erfolgen.
In Schulen und ähnliche Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und
Kindergärten
Gemäß § 34 Abs. 1 des IfSG dürfen Personen, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig
sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder
sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach
ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. In
Gemeinschaftseinrichtungen Betreute, die an EHEC erkrankt oder dessen verdächtig sind,
dürfen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten,
Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Diese Vorschriften gelten auch für Personen, in deren
Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf EHEC
aufgetreten ist. Auch Ausscheider von EHEC dürfen nach § 34 Abs. 2 IfSG
Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach klinischer Genesung ist im
Regelfall möglich, wenn bei drei im Abstand von 1 bis 2 Tagen untersuchten Stuhlproben
negative Befunde vorliegen. Ein schriftliches Attest ist erforderlich. Diese Empfehlung zur
Wiederzulassung gilt auch für Ausscheider, da anschließend eine Weiterverbreitung der
Infektion im Allgemeinen nicht zu befürchten ist. Ausnahmen sind mit Zustimmung des
Gesundheitsamtes und unter Beachtung der gegenüber der Gemeinschaftseinrichtung
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verfügten Schutzmaßnahmen möglich. Bei Langzeitausscheidern sollte das Virulenzprofil des
EHEC-Stammes (einschließlich Serotyp, Toxintyp und Vorhandensein des eae-Gens) in die
Risikoabwägung einbezogen werden.
In Krankenhäusern u. a. Gemeinschaftseinrichtungen
Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung von EHEC beruhen auf drei Säulen: Die
strikte Einhaltung der Händehygiene, die Isolierung der Patienten und eine gezielte Desinfektion
aller Handkontaktflächen. Dazu enthalten die Empfehlungen der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention alle wichtigen Aussagen zur:
Händehygiene
Flächendesinfektion.
Die Dokumente sind unter www.rki.de, Rubrik Infektionsschutz, Stichwort Krankenhaushygiene,
Unterverzeichnis Empfehlungen der Kommission einzusehen.
In Lebensmittelbetrieben und Einrichtungen zur Gemeinschaftsverpflegung
Gemäß § 42 IfSG dürfen Personen, die EHEC ausscheiden, beim Herstellen, Behandeln oder
Inverkehrbringen der in Abs. 2 aufgelisteten Lebensmittel (s.u.) nicht tätig sein oder beschäftigt
werden, wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen. Dies gilt auch für Beschäftigte in
Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Lebensmittel im Sinne des § 42 Abs. 2 IfSG sind:
1.
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
2.
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
3.
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
4.
Eiprodukte
5.
Säuglings- und Kleinkindernahrung
6.
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
7.
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
8.
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte
Soßen, Nahrungshefen
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei EHEC-Ausbrüchen ist eine schnelle Identifizierung und Eliminierung der Infektionsquelle
erforderlich. Bei Verdachts-, Krankheits- oder Todesfällen muss daher das zuständige
Gesundheitsamt unverzüglich informiert werden und auf schnellstem Weg die Meldung
erfolgen. Wenn der Verdacht auf eine Infektion durch bestimmte Lebensmittel oder Tiere
besteht, sollte das Gesundheitsamt die zuständige Lebensmittelbehörde und das zuständige
Veterinäramt unverzüglich informieren. Umgekehrt ist es erforderlich, dass Veterinär- und
Lebensmittelbehörde auch das Gesundheitsamt unverzüglich informieren, wenn sie Kenntnis
von Erkrankungen bei Menschen erhalten, die im Zusammenhang mit Lebensmittelverzehr oder
Tierkontakt stehen bzw. wenn Befunde aus Lebensmittel- oder Tieruntersuchungen vorliegen,
die Erkrankungen beim Menschen befürchten lassen.
Meldepflicht
Nach § 6 IfSG ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an enteropathischem
hämolytisch-urämischem Syndrom (HUS) namentlich meldepflichtig. Weiterhin ist nach § 6 IfSG
der Verdacht auf und die Erkrankung an einer mikrobiell bedingten Lebensmittelvergiftung oder
an einer akuten infektiösen Gastroenteritis meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die
eine Tätigkeit im Sinne des § 42 IfSG ausübt oder wenn zwei oder mehr gleichartige
Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder
vermutet wird.
Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis enterohämorrhagischer Stämme
von E. coli (EHEC) namentlich meldepflichtig, soweit die Nachweise auf eine akute Infektion
hinweisen. Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 Abs. 6 IfSG die
Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten
zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 11.01.2008
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FSME
Erreger
Das die Frühsommer-Menningoenzephalitis (FSME) verursachende Virus gehört zum Genus
Flavivirus in der Familie der Flaviviridae, der weitere humanpathogene Viren wie das Dengue-,
das Gelbfieber- sowie das West-Nil-Virus angehören. Neben dem in Deutschland
vorkommenden zentraleuropäischen Subtyp, der vor allem durch die Zecke Ixodes ricinus
übertragen wird, gibt es auch einen fernöstlichen und einen sibirischen Subtyp, die im
asiatischen Raum vorkommen und dort von der Zecke I. persulcatus übertragen werden.
Zecken halten sich bevorzugt in Wäldern in nicht zu trockenen Lagen in hohem Gras und
Gebüsch sowie in losem Laub auf. Damit sich der Erreger vermehren kann, ist eine
Mindesttemperatur von etwa 8°C erforderlich. In Höhen oberhalb von 1.000-1.200 m halten sich
keine Zecken auf. Durch einen Zeckenstich gelangen die Viren in die Blutbahn des Menschen
und können dort die Krankheit auslösen. In den FSME-Endemiegebieten Deutschlands (s.u.)
sind ca. 0,1–5% der Zecken mit dem Virus infiziert. Eine höhere Durchseuchung wurde
gelegentlich bei Zecken bestimmt, die bereits am Menschen Blut gesogen hatten.
Die o.a. Zecken können auch das Bakterium Borrelia burgdorferi übertragen, das zur LymeBorreliose führen kann. Hierbei handelt es sich um eine andere Krankheit, die wesentlich
häufiger als die FSME auftritt (10–35% der Zecken können mit Borrelien befallen sein).
Während die FSME in Deutschland nur in bestimmten Regionen auftritt, ist bei der Borreliose
von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen.
Vorkommen
FSME-Virus übertragende Zecken kommen in vielen europäischen Ländern, Russland und in
Asien vor. Wesentliche Verbreitungsgebiete in Deutschland liegen in Baden-Württemberg und
Bayern. Endemiegebiete liegen ebenfalls im südlichen Hessen (Odenwald), im LK Birkenfeld in
Rheinland-Pfalz und in vereinzelten Landkreisen in Thüringen (s. Epid Bull 17/2008).
FSME-Endemiegebiete in Europa befinden sich auch in Österreich, den baltischen Ländern, in
Russland, Polen, in der Tschechischen und in der Slowakischen Republik, in Ungarn,
Südschweden, Finnland, Kroatien, Slowenien und Albanien. Von marginaler Bedeutung sind
Frankreich, Italien, Griechenland (Einzelfälle). Kein FSME-Risiko besteht auf der Iberischen
Halbinsel, in dem Vereinigten Königreich, den Benelux-Ländern und in Dänemark (mit
Ausnahme von Bornholm, wo Einzelfälle beschrieben wurden).
Die Krankheit tritt in Abhängigkeit von der Aktivität der virustragenden Zecken bevorzugt im
Frühjahr und Sommer auf, häufig jedoch auch im Herbst. Bei warmer Witterung können
Infektionen vereinzelt auch im Winter auftreten.
Detaillierte, flächendeckende Zahlen über die Erkrankungshäufigkeit liegen in Deutschland seit
der im Jahr 2001 eingeführten Meldepflicht nach dem IfSG vor.
Reservoir
Das primäre Erregerreservoir sind Kleinsäugerpopulationen, insbesondere Mäuse, aber auch
Vögel, Rehe und Rotwild.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt durch Zeckenstich, sehr selten durch virusinfizierte Milch von Ziegen
und Schafen, in Ausnahmefällen auch von Kühen. Eine Infektion von Mensch zu Mensch gibt
es nicht.
Inkubationszeit
Gewöhnlich 7–14 Tage, in Einzelfällen bis zu 28 Tagen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Erkrankte sind nicht ansteckend.
Klinische Symptomatik
Nicht jeder Stich einer infizierten Zecke führt zu einer symptomatischen Infektion. Nach erfolgter
Infektion treten bei ca. 30% der Infizierten Krankheitserscheinungen auf. Der Krankheitsverlauf
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ist biphasisch. Es kommt zunächst zu grippeähnlichen Symptomen mit mäßigem Fieber,
Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindelgefühl. Nach einem fieberfreien Intervall von etwa einer
Woche (bis zu 20 Tagen) entsteht bei etwa 10% der Infizierten eine Meningoenzephalitis mit
Fieber, Erbrechen, meningealen Reizerscheinungen, vereinzeltem Auftreten von Stupor oder
Koma. Vor allem bei älteren Patienten kann sich zusätzlich eine Myelitis entwickeln. In diesen
Fällen besteht die Gefahr von bleibenden neurologischen Ausfällen, in der Regel in Form von
Paresen, aber auch von Anfallsleiden oder lange andauernden Kopfschmerzen. Diese
Symptome können oft Monate nach der Erkrankung persistieren. Häufig kommt es jedoch
selbst nach schweren Verläufen zur völligen Heilung. Schwere Krankheitsverläufe werden fast
nur bei Erwachsenen beobachtet. Bei ca. 1% der Erkrankten mit ZNS-Beteiligung führt die
Erkrankung zum Tode.
Diagnostik
Diagnostische Methode der Wahl ist der simultane FSME-Virus-spezifische IgM- und IgGAntikörper-Nachweis in Serum oder Liquor oder ein signifikanter Anstieg der
Antikörperkonzentration zwischen 2 Proben im zeitlichen Abstand von 2-4 Wochen mittels des
ELISA-Verfahrens. Weiterhin kann eine FSME durch den Nachweis intrathekal gebildeter
FSME-spezifischer Antikörper (erhöhter Liquorserum-Index) diagnostiziert werden. Antikörper
können mit Beginn der zweiten Krankheitsphase nachgewiesen werden. Zu beachten ist
jedoch, dass FSME-Impfungen über längere Zeit zu nachweisbaren Spiegeln von FSMEspezifischen IgM-Antikörpern führen können.
Zu Beginn der Erkrankung ist eine Virusisolierung aus Blut und Liquor möglich. Dies kann
mittels Zellkultur-Verfahren oder einer nRT-PCR (nested reverse transcriptase polymerase
chain reaction) erfolgen. Außerdem steht in Speziallaboratorien (z.B. Konsiliarlaboratorium) ein
Westernblot (Dade Behring Marburg) zur Verfügung.
Therapie
Die Therapie erfolgt symptomatisch. Eine spezifische antivirale Therapie ist nicht verfügbar.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Immunprophylaxe: Die aktive Immunisierung stellt einen wirksamen Schutz für potenziell
gefährdete Einwohner und Besucher von Risikogebieten dar. Als Risikogebiete werden
diejenigen FSME-Endemiegebiete definiert und bekannt gemacht, in denen bei
Zeckenexposition ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko durch periodische Erkrankungsfälle
belegt ist.
Eine Indikation für eine Impfung besteht für Personen, die sich in FSME-Risikogebieten
aufhalten und verhaltensbedingt – Berufsausübung, Freizeitaktivitäten – gegenüber Zecken
exponiert sind (s.a. Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, STIKO, am Robert
Koch-Institut).
Das RKI veröffentlicht auf der Basis dokumentierter FSME-Erkrankungsfälle jährlich Karten zu
FSME-Risikogebieten in Deutschland (s. Epid Bull 17/2008).
Risikogebiete in Deutschland sind zur Zeit (Stand Frühjahr 2007) insbesondere BadenWürttemberg, Bayern (außer dem größten Teil Schwabens und dem westlichen Teil
Oberbayerns), in Hessen die Kreise: Landkreis (LK) Odenwaldkreis, LK Bergstraße, LK
Darmstadt-Dieburg, Stadtkreis (SK) Darmstadt, LK Groß-Gerau, LK Offenbach, LK Main-KinzigKreis, LK Marburg-Biedenkopf; in Rheinland-Pfalz (LK Birkenfeld); in Thüringen (SK Jena, SK
Gera, LK Saale-Holzland-Kreis, LK Saale-Orla-Kreis, LK Saalfeld-Rudolstadt, LK
Hildburghausen, LK Sonneberg).
Zur Frage nach dem FSME-Risiko bei einer Auslandsreise sollte ggf. eine reisemedizinische
Beratung erfolgen. Falls ein Aufenthalt in einem FSME-Endemiegebiet vorgesehen ist und sich
ein Expositionsrisiko abzeichnet, ergibt sich eine Impfindikation (s. Epid Bull 16/2005).
Für einen kompletten Impfschutz sind drei Impfungen erforderlich – eine Grundimmunisierung,
bestehend aus zwei Teilimmunisierungen sowie einer Boosterung (Angaben des Herstellers
beachten). Auffrischimpfungen sind in Abständen zwischen 3 und 5 Jahren erforderlich.
Eine postexpositionelle Immunprophylaxe ist nicht möglich.
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Expositionsprophylaxe: Ein wichtiger Grundsatz der Prävention der FSME und der Borreliose
ist, Zeckenstiche nach Möglichkeit zu vermeiden. Bei Wanderungen, die durch Strauchwerk
oder hohes Gras führen, beim Beerensuchen usw. empfiehlt sich zur leichteren Erkennung der
Zecken eine helle Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt. Die Anwendung von
Repellents bietet nur einen zeitlich begrenzten Schutz. Nach naturnahem Aufenthalt in
zeckengefährdeten Gebieten wird ein sorgfältiges Absuchen des Körpers nach Zecken
empfohlen. Bei Zeckenbefall muss die Zecke umgehend, möglichst mit einer Zeckenpinzette,
entfernt werden. Ein Quetschen sollte vermieden werden, da dann vermehrt Viren in den
Wirtsorganismus gelangen. Aus dem gleichen Grund darf keinesfalls Öl oder Klebstoff
angewandt werden. Nach Entfernung der Zecke ist eine sorgfältige Desinfektion der Wunde
erforderlich. Für Haustiere bietet ein Zeckenhalsband einen zeitlich begrenzten Schutz. Auch
andere Zeckenschutzmittel stehen für Haustiere zur Verfügung.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Da das Virus nicht von Mensch zu Mensch übertragen wird, ist eine gesonderte Unterbringung
von erkrankten Personen nicht erforderlich. Auch Maßnahmen für Kontaktpersonen, z.B.
klinische Untersuchungen oder Impfungen, sind nicht notwendig. Wichtig ist jedoch eine genaue
Befragung der erkrankten Personen zum vermutlichen Ort und den Umständen der Infektion,
um die Aussagen zu den Risikogebieten präzisieren und damit die Prävention optimieren zu
können.
3. Maßnahmen bei erstmaligem Auftreten von FSME-Erkrankungen in einem Gebiet
Bei erstmaligem Auftreten von FSME in bislang nicht als Risikogebiet eingestuften Regionen
sollte eine weiterführende Diagnostik zum Ausschluss von Kreuzreaktionen durch andere
Flaviviren (Hinweise in der Anamnese: Reisen in Endemiegebiete der West-Nil-, Gelbfieber-,
Japanische Enzephalitis-Viren, Impfungen gegen die beiden letzteren) durch einen
Neutralisationstest erfolgen. Bei Verdacht auf Antikörper durch eine frühere Infektion oder
Impfung können Aviditätstests hilfreich sein. Weiterhin sollten weiterführende epidemiologische
Untersuchungen, z.B. an Zecken und Kleinsäugern, veranlasst werden. Außerdem sollten die
Ärzte solcher Regionen ausführliche Informationen zum Befall der Zecken mit dem FSME-Virus
erhalten. Weiterhin ist es erforderlich, dass für Ärzte Weiterbildungen zu diesem Thema
organisiert werden.
Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 14 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis
von FSME Virus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet. Darüber
hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.
Übermittlung
Das Gesundheitsamt übermittelt gemäß § 11 Abs. 1 IfSG an die zuständige Landesbehörde nur
Erkrankungs- oder Todesfälle und Erregernachweise die der Falldefinition gemäß § 4 Abs. 2 Nr.
2 Buchst. a IfSG entsprechen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.04.2008
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Gelbfieber
Erreger
Das Gelbfieber-Virus gehört zur Familie der Flaviviridae. Das Virion besitzt einen Durchmesser
von 40-50 nm und ist von einer Lipidhülle umgeben. Die Replikation des Virus findet im
Zytoplasma der Wirtszellen statt und ist eng mit dem endoplasmatischen Retikulum assoziiert.
Die reifen Virionen gelangen an die Zelloberfläche und werden dort durch Exozytose oder Lyse
der Zelle ausgeschleust.
In Ost- und Westafrika werden zwei genetisch unterschiedliche Typen (sog. Topotypen), in den
Endemiegebieten Amerikas ebenfalls zwei Typen unterschieden, von denen aber seit 1974 nur
einer als Verursacher von Ausbrüchen in Erscheinung trat.
Vorkommen
Gelbfieber tritt in tropischen Gebieten auf beiden Seiten des Atlantiks auf. Die Gelbfieberzone
Afrikas erstreckt sich etwa von 15° nördlicher bis 10° südlicher Breite. Dort leben etwa 468
Millionen Menschen. In Südamerika reicht der Gelbfiebergürtel von 20° nördlicher bis 40°
südlicher Breite, umfasst neun Länder und einzelne Inseln in der Karibik. Besonders gefährdet
sind in dieser Region Bolivien, Brasilien, Ecuador, Kolumbien und Peru.
Weltweit werden pro Jahr etwa 200.000 Erkrankungsfälle und 30.000 Sterbefälle innerhalb der
einheimischen Bevölkerung der Endemiegebiete geschätzt. Erkrankungen bei Reisenden sind
dank der verfügbaren und für die Endemiegebiete vorgeschriebenen Impfung seltene
Ereignisse. In Deutschland trat 1999 eine Gelbfiebererkrankung auf, die tödlich verlief und
einen nicht gegen Gelbfieber geimpften Mann betraf, der die Republik Elfenbeinküste bereist
hatte.
Reservoir
Erregerreservoir sind Primaten und Stechmücken, die sich wechselnd infizieren. Nach Infektion
einer Mücke bleibt diese infektiös und kann den Erreger über die Eier auf die Nachkommen
weitergeben (Stechmückenzyklus). Durch diesen Vorgang kann es zum Überleben der Erreger
in Trockenperioden bis zur nächsten Regenzeit kommen.
Infektionsweg
Eine Übertragung ist nur über Stechmücken der Gattungen Aedes und Haemagogus (letztere
nur in Amerika) möglich. Es werden drei Übertragungszyklen unterschieden:
Sylvatischer Zyklus (Busch- oder Dschungelgelbfieber)
Die Infektionen spielen sich zwischen Affen und Mücken ab, Menschen werden bei
entsprechender Exposition nur sporadisch infiziert.
2. Urbaner Zyklus (klassisches oder urbanes Gelbfieber, Stadtgelbfieber)
Er wird in einer menschlichen Population durch infizierte Mücken und als Infektionsquellen
dienende Menschen unterhalten und kann in einer empfänglichen Population zu
Epidemien führen.
3. Intermediärer Zyklus
Er stellt die aus epidemiologischer Sicht gefährliche Verbindung zwischen beiden Zyklen
dar und kommt in waldnahen kleinen Siedlungen zustande, in denen Vektoren und Wirte
(Menschen und Affen) eng nebeneinander leben.
1.
Inkubationszeit
Die Dauer der Inkubation beträgt 3-6 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist nur im Ausnahmefall durch Blutspenden möglich.
Klinische Symptomatik
Der klinische Verlauf kann sehr unterschiedlich sein. Bei einem Teil der Infizierten kommt es zu
asymptomatischen Verläufen oder auch zu Erkrankungen mit einer relativ milden
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Symptomatik (besonders bei Kindern). Die Erkrankung verläuft üblicherweise in zwei Phasen:
Nach einem akuten Beginn mit Fieber (39-40 °C) Schüttelfrost, Myalgien,
Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Nasenbluten und einer relativen Bradykardie
kommt es innerhalb von 3-4 Tagen zu einem Rückgang der klinischen Symptome. Bei
der Mehrzahl der Patienten tritt eine Genesung ein.
Bei etwa 15 % der Erkrankten entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit eine sog. toxische
Phase. Das Fieber steigt bei fallendem Puls (bis 40/min) erneut an und es treten
kaffeesatzartiges Bluterbrechen, blutige Durchfälle und Blutungen aus verschiedenen
Körperöffnungen, in Organe und in die Haut auf. Durch die Beteiligung der Leber
kommt es zum Ikterus, der jedoch meist weniger intensiv ist, als es der Name der
Krankheit vermuten lässt. Störungen der Nierenfunktion können von einer Albuminurie
bis zur kompletten Anurie reichen. In manchen Fällen treten zentralnervöse Störungen
auf, die sich u.a. in Sprachschwierigkeiten, Nystagmus, Bewegungsstörungen, Tremor
und Krämpfen äußern können und Ausdruck einer metabolischen Enzephalopathie und
eines zerebralen Ödems sind.
Etwa die Hälfte der Patienten mit einer toxischen Phase stirbt, die Gesamtletalität des
Gelbfiebers beträgt 10-20 %. Ein Überstehen der Krankheit, aber auch eine inapparente
Infektion führen zu einer lebenslangen Immunität.
Diagnostik
Zur Diagnose eines Gelbfiebers ist heute die RT-PCR die Methode der Wahl (sie ist in der
Regel bereits am ersten Krankheitstag positiv). Ein direkter Virusnachweis (am besten aus dem
Blut) gelingt meist erst im Verlauf der Erkrankung (3.-8. Fiebertag). Antikörper der IgM- und IgGKlassen können erst 5-10 Tage nach Krankheitsbeginn mit konventionellen immunologischen
Verfahren (Immunfluoreszenz, ELISA, HHT, Neutralisationstest) im Serum nach- gewiesen
werden. Kreuzreaktionen mit Antikörpern gegen andere Flaviviren (Dengueviren, Japanische
Enzephalitis, West-Nil-Fieber, FSME) müssen beachtet werden. - Nach 6 bis 12 Monaten
verschwinden die IgM-Antikörper wieder. Neutralisierende IgG-Antikörper persistieren
lebenslang und schützen vor Reinfektionen.
Im Blutbild sind virustypische Veränderungen mit Granulozytopenie, Thrombozytopenie sowie
Lympho- und Monozytose nachweisbar. Ab dem 4. Krankheitstag ist eine deutliche Proteinurie
typisch. In der 2. Krankheitswoche können die Leberenzymwerte teilweise stark erhöht sein.
Gerinnungsstörungen und hohe Konzentrationen von harnpflichtigen Substanzen können auf
ein Multiorganversagen hinweisen.
Therapie
Eine spezifische Therapie steht derzeit nicht zur Verfügung, so dass nur symptomatisch
behandelt werden kann. Bei schweren Verläufen ist eine intensivmedizinische Betreuung
erforderlich.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Zur Prophylaxe des Gelbfiebers steht ein sicherer, hoch immunogener und gut verträglicher
Impfstoff zur Verfügung. Es handelt sich um einen Lebendimpfstoff, der auf der Basis
abgeschwächter und auf Hühnerembryonen vermehrter Viren des 17D-Stammes hergestellt
wird, daher sind Kontraindikationen zu beachten (z.B. Lebendimpfstoff nicht bei
Immungeschwächten und Schwangeren anwenden, Hühnereiweißallergie beachten). Nach
Gabe einer einmaligen Dosis setzt der Impfschutz 7-10 Tage später ein und hält mindestens 10
Jahre an. Ernste Nebenwirkungen sind extrem selten. Bei über 90% der Geimpften lassen sich
nach erfolgter Impfung protektive Antikörper nachweisen.
Nach den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut
wird die Impfung für Reisende in Gelbfieberinfektionsgebiete empfohlen. Weiterhin müssen die
Impfanforderungen der Ziel- oder Transitländer (tropisches Afrika und Südamerika) beachtet
werden. Erforderlich ist eine einmalige Impfung, die in einer gesundheitsbehördlich
zugelassenen Gelbfieber-Impfstelle erfolgen muss, das Impfzertifikat erlangt am 10. Tag nach
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Applikation Gültigkeit. Eine Auffrischimpfung wird in 10-jährigen Intervallen empfohlen.
Allgemeine präventive Maßnahmen bestehen in dem Schutz vor Mückenstichen, z.B. durch
geeignete Kleidung, Moskitonetze und Repellents. Zu beachten ist, dass die übertragenden
Spezies der Gattung Aedes sowohl tag- als auch nachtaktiv sind.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Wichtig ist es, bei fieberhaften Erkrankungen und entsprechender Reiseanamnese dieses
Krankheitsbild rechtzeitig in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einzubeziehen, um
frühzeitig die Diagnose zu stellen. Bei entsprechendem Krankheitsverdacht sollte sofort eine
stationäre Einweisung in eine Klinik mit tropenmedizinischen Erfahrungen und der Möglichkeit
einer intensivmedizinischen Betreuung erfolgen. Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht
erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Die Bekämpfung von Ausbrüchen in Endemiegebieten erfolgt in erster Linie durch Impfungen
ungeschützter
Personen
(Riegelungsimpfungen).
Sinnvoll
sind
ausgedehnte
Mückenbekämpfungsmaßnahmen durch Einsatz von Insektiziden zur Vernichtung vorhandener
Mückenpopulationen. Sehr wichtig ist eine möglichst rasche Erfassung der ersten Fälle eines
Ausbruchs, um mit Impfungen und Mückenbekämpfungsmaßnahmen reagieren zu können.
Meldepflicht
Entsprechend § 6 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) sind Krankheitsverdacht, Erkrankung
und Tod an virusbedingtem hämorrhagischem Fieber namentlich durch den Arzt an das
zuständige Gesundheitsamt zu melden. Nach § 7 des IfSG besteht eine Meldepflicht für den
direkten oder indirekten Nachweis des Gelbfiebervirus. Diese Meldungen werden gemäß § 11
über die zuständigen Landesbehörden an das RKI übermittelt. Zusätzlich ist das Auftreten einer
Erkrankung auch nach § 12 IfSG übermittlungspflichtig. Dies bedeutet, dass - zusätzlich zum
Übermittlungsweg nach § 6 und 7 - bestätigte Gelbfiebererkrankungen vom Gesundheitsamt
aus unverzüglich an die zuständige oberste Gesundheitsbehörde und von dort unverzüglich an
das Robert Koch-Institut zu übermitteln sind, welches dann die Informationen an die WHO
weitergibt.
Modifiziert nach RKI, Stand: 06.06.2001
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Hanta Virus
Erreger
Hantaviren gehören zur Familie der Bunyaviridae, Genus Hantavirus.
Der Name leitet sich vom innerkoreanischen Grenzfluss Hantaan ab. Während des
Koreakrieges Anfang der 50er Jahre erkrankten mehr als 3.000 Soldaten an einem schwer
verlaufenden hämorrhagischen Fieber. Das erst 1977 isolierte Virus erhielt später den Namen
„Hantaan“.
Bunyaviren sind umhüllte sphärische RNA-Viren mit einem Durchmesser von ca. 90–100 nm.
Die Viren enthalten drei ringförmige Nukleokapside, die aus dem viralen Nukleokapsidprotein,
drei unterschiedlich großen Segmenten des Minusstrang-RNA-Genoms sowie einer RNAPolymerase bestehen. Das kleinste Segment kodiert das Nukleokapsidprotein, das mittlere
Segment die Glykoproteine für die Virushülle und das größte Segment die RNA-Polymerase. In
die Hülle sind zwei Glykoproteine (G1, G2) integriert, die typspezifische antigene Determinanten
tragen. Unterhalb der Genus-Ebene unterscheidet man eine größere Zahl von
humanpathogenen Virustypen (synonym: Virusspezies), die mit jeweils spezifischen
Nagerspezies als Reservoirwirten assoziiert sind. Die bekanntesten Virustypen sind Hantaan-,
Puumala-, Dobrava-, Seoul-, Sin-Nombre- und das Andesvirus.
Vorkommen
Hantaviren sind weltweit verbreitet. Entsprechend der Verbreitung der Reservoirwirte sind die
verschiedenen Hantavirus-Spezies geografisch unterschiedlich verteilt. In Südostasien, dem
östlichen Russland und Südeuropa ist das Hantaanvirus (HTNV) endemisch, in den
Balkanländern und Mitteleuropa findet man das Puumalavirus (PUUV) und das Dobravavirus
(DOBV), während PUUV in Nord- und Westeuropa fast ausschließlich vorkommt. Das
Seoulvirus (SEOV) soll weltweit vorkommen, jedoch ist seine wirkliche Verbreitung unbekannt.
Hantaviren, die auf den amerikanischen Kontinenten vorkommen, werden entsprechend den
Reservoirwirten als „Neuwelt“-Hantaviren bezeichnet. Darunter fallen die Virustypen Sin
Nombre (SNV), New York (NYV), Black Creek Canal (BCCV) und Bayou (BAYV) und das in
Südamerika vorkommende Andesvirus (ANDV).
In Deutschland sind nach neuesten Studien des Konsiliarlaboratoriums für Hantaviren und des
RKI Infektionen mit Puumalavirus (vor allem im Süden und Westen des Landes) und
Dobravavirus (vor allem im Osten und Norden) vorherrschend. Infektionen mit Puumalavirus
haben unter den gemeldeten Infektionen mit Angaben zum Virustyp den größten Anteil (2005:
98%). Die Hantavirus-Infektion ist in Deutschland gemäß IfSG seit dem 01.01.2001
meldepflichtig. In den Jahren 2001 bis 2005 wurden jährlich zwischen 150 und 450 klinischlabordiagnostisch bestätigte Hantavirus-Erkrankungen an das Robert Koch-Institut übermittelt,
wobei aufgrund der unspezifischen Symptomatik von einer hohen Dunkelziffer auszugehen ist.
Datenstände des laufenden Jahres können mit 3-wöchigem Meldeverzug dem
Epidemiologischen Bulletin und SurvStat@RKI auf den Seiten des RKI (www.rki.de >
Infektionsschutz) entnommen werden. Zudem finden sich in den Infektionsepidemiologischen
Jahrbüchern die Daten der vergangenen Jahre.
Hantavirus-Infektionen treten regelmäßig gehäuft in Baden-Württemberg auf, wo auf der
Schwäbischen Alb ein bekanntes Hantavirus-Endemiegebiet liegt. Etwa drei Viertel der
Erkrankten sind Männer, davon gehört mehr als die Hälfte der Altersgruppe der 30- bis 49Jährigen an. Die durchschnittliche Seroprävalenz in der Bevölkerung beträgt in Deutschland
1%. Je nach den beiden genannten geographischen Regionen überwiegen mit DobravavirusAntigen bzw. mit Puumalavirus-Antigen reaktive Seren. Diese unterschiedliche
epidemiologische Situation kann auf die natürliche Ausbreitung der Brandmaus (Apodemus
agrarius) als Träger des Dobravavirus zurückgeführt werden, welche im Süden und Westen des
Landes nicht vorkommt. Die Rötelmaus (Myodes glareolus) als Träger des Puumalavirus ist in
ganz Deutschland verbreitet.
In Deutschland konnte bisher nur ein einziger HFRS-Fall durch eine Tulavirus-Infektion
nachgewiesen werden. Seroepidemiologische Studien beim Menschen konnten einzelne
Tulavirus-reaktive Seren nachweisen. Die Feldmaus (Microtus arvalis) als Reservoir des
Tulavirus ist in ganz Deutschland verbreitet.
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Reservoir
Im Unterschied zu den übrigen Bunyaviren (Orthobunya-, Nairo-, Phlebovirus) erfolgt die
Infektion mit Hantaviren nicht durch Arthropoden (Sandflöhe, Zecken und Mücken), sondern der
Erreger wird über Tierausscheidungen von asymptomatisch lebenslang infizierten Nagetieren
(vor allem Mäusen und Ratten) auf den Menschen übertragen. Das Auftreten von Hantaviren ist
an die Verbreitungsgebiete der entsprechenden Nagetierwirte gebunden. So findet man in
Amerika humanpathogene Hantaviren, die von Vertretern der Unterfamilie „Neuweltmäuse“
(Sigmodontinae) übertragen werden. In Europa und Asien bilden Vertreter der „Echten Mäuse“
(Murinae), die auch als „Altweltmäuse“ bezeichnet werden, und „Wühlmäuse“ (Arvicolinae) das
Reservoir für Hantaviren. Jede Hantavirus-Spezies hat ihren eigenen spezifischen
Reservoirwirt, der nur eine oder mehrere eng verwandte Nagerspezies umfasst. Das Reservoir
von Puumalavirus ist die Rötelmaus, von Dobravavirus die Brandmaus, die Gelbhalsmaus
(Apodemus flavicollis) und wahrscheinlich auch die Schwarzmeerwaldmaus (Apodemus
ponticus), von Hantaanvirus die Brandmaus, von Seoulvirus verschiedene Rattenarten (Rattus
norvegicus, Rattus rattus), von Sin-Nombre-Virus die Hirschmaus (Peromyscus maniculatus)
und von Andesvirus die Reisratte (Oligoryzomys longicaudatus).
Infektionsweg
Die Viren werden von infizierten Nagetieren über Speichel, Urin und Kot ausgeschieden und
können darin einige Zeit infektiös bleiben. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt durch die
Inhalation virushaltiger Aerosole, durch den Kontakt der verletzten Haut mit kontaminiertem
Staub oder durch Bisse.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt üblicherweise 2–4 Wochen, in Ausnahmefällen kann sie 5–60 Tage
betragen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Übertragung von Hantaviren von Mensch zu Mensch findet bei den in Europa und Asien
prävalenten Virustypen nicht statt. Bisher gibt es nur bei dem hochvirulenten, in Südamerika
vorkommenden Andesvirus einen Hinweis auf eine mögliche Übertragung von Mensch zu
Mensch.
Klinische Symptomatik
In Abhängigkeit vom verursachenden Virustyp können Hantaviren verschieden schwere
Krankheitsbilder hervorrufen. Die Erkrankung beginnt meist mit abrupt einsetzendem Fieber,
das über 3–4 Tage anhält. Begleitend treten unspezifische grippeähnliche Symptome wie
Kopfschmerzen und Myalgien auf. Virustypen, die in Europa und Asien prävalent sind, rufen ein
hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS) hervor. Die eher milde Verlaufsform des
HFRS wird auch als Nephropathia epidemica (NE) bezeichnet, die vom Virustyp Puumala und
Vertretern des Dobravavirus verursacht wird. Hantaviren aus Nord- und Südamerika
verursachen das Hantavirus Cardiopulmonary Syndrome (HCPS). Eine überstandene Infektion
führt wahrscheinlich zu einer Virustyp-spezifischen Immunität.
Das gemeinsame Auftreten mehrerer der folgenden Symptome kann auf eine mögliche
Hantavirus-Infektion (HFRS) hinweisen:
Akuter Krankheitsbeginn mit Fieber > 38,5 °C
Rücken- und/oder Kopf- und/oder Abdominalschmerz
Proteinurie und/oder Hämaturie
Serumkreatinin-Erhöhung
Thrombozytopenie
Oligurie beziehungsweise nachfolgend Polyurie
Der Verdacht sollte serologisch abgeklärt werden.
Hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom (HFRS)
Die Erkrankung beginnt meist abrupt mit hohem Fieber, das über 3–4 Tage anhält.
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Zunächst stehen unspezifische Allgemeinsymptome wie Schüttelfrost, Glieder- und
Kopfschmerzen, Lichtscheue, Sehstörungen, Rachenrötung und Husten im Vordergrund. Nach
wenigen Tagen treten bei den meisten Patienten ausgeprägte Lumbalgien, abdominale
Schmerzen, Schwindel und Erbrechen auf. Diese Phase ist durch eine Hypotension bis hin zum
Schock und weitere hämostatische Störungen gekennzeichnet, die sich beispielsweise im
Auftreten von konjunktivalen Einblutungen und Petechien der Haut manifestieren können. Im
weiteren Verlauf kommt es zum Anstieg der Nierenretentionswerte bis hin zur dialysepflichtigen
Niereninsuffizienz. Die polyurische Phase leitet die Rekonvaleszenz ein. Diese kann mehrere
Wochen anhalten und von einer renalen Hypertonie begleitet sein. Die Letalität der moderaten
bis schweren Formen des HFRS beträgt 5–15%.
In einigen Fällen lassen sich bei HFRS-Patienten auch extrarenale Manifestationen
beobachten, z.B. eine Begleithepatitis sowie vereinzelt Myokarditis, Thyreoiditis oder ZNSBeteiligung. Auch pulmonale Symptome können beim HFRS auftreten.
Die mildere Verlaufsform des HFRS, Nephropathia epidemica, zeigt die oben genannten
klassischen HFRS-Stadien weniger ausgeprägt. Sie verläuft eher als grippeähnliche
Erkrankung mit Nierenbeteiligung. Die Nierenfunktionsstörung präsentiert sich mit Hämaturie,
Proteinurie und Nierenversagen. Hämorrhagien treten nur sehr selten auf, die zum Schock
führende schwere Hypotension fehlt meist. Die Letalität liegt unter 1%.
Hantavirus-induziertes kardiopulmonales Syndrom (HCPS)
Das HCPS zeichnet sich aus durch einen abrupten, hoch fieberhaften Beginn mit
unspezifischen Symptomen wie Übelkeit, Erbrechen, Myalgien, Schwäche, Schwindel,
abdominale Schmerzen. In einer späteren Phase 4–10 Tage nach Symptombeginn treten
Husten, Tachy- und Dyspnoe auf. Es kommt zur kardiopulmonalen Dekompensation mit
Lungeninfiltration (pulmonales Ödem) und Entwicklung eines rapid progredienten
Atemnotsyndroms (ARDS). Die Letalität liegt bei diesen Verlaufsformen zwischen 40 und 50%.
Diagnostik
Die Diagnose einer Hantavirus-Infektion wird in der Regel anhand des klinischen Bildes und der
serologischen Untersuchungsergebnisse gestellt, die bereits einen Hinweis auf den Serotyp
geben.
Therapie
Die Hantavirus-Erkrankung wird in erster Linie rein symptomatisch behandelt. Dies umfasst eine
intensivmedizinische Betreuung zur Beherrschung von Blutungen und zur Stabilisierung des
Kreislaufs sowie die Therapie der akuten Niereninsuffizienz mittels Dialyse oder die Intubation
und maschinelle Beatmung zur Therapie des ARDS. In einzelnen Fällen erwies sich die
frühzeitige antivirale Chemotherapie mit Ribavirin als erfolgreich.
Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Aktuell stehen weder ein zugelassener Impfstoff noch eine spezifisch gegen den Erreger
gerichtete Therapie zur Verfügung. Daher ist die Expositionsprophylaxe die wichtigste
Maßnahme zur Verhütung von Hantavirus-Infektionen.
Der wirksamste Schutz vor Infektionen besteht im Vermeiden von Kontakten mit den
Ausscheidungen von Nagetieren. Im Umfeld menschlicher Wohnbereiche (insbesondere Keller,
Dachböden, Schuppen etc.) sollten Mäuse und Ratten intensiv bekämpft werden und die
allgemeinen Hygienemaßnahmen eingehalten werden. Wichtig ist vor allem die sichere
Aufbewahrung von Lebensmitteln, damit Nagetiere sich nicht im Umfeld von Häusern oder
Wohnungen aufhalten. Beim Umgang mit toten Nagetieren oder dem Aufenthalt in von Mäusen
verunreinigten Räumen sollen bestimmte Schutzmaßnahmen eingehalten werden, z.B. kann
eine mögliche Staubentwicklung in kontaminierten Bereichen durch Befeuchten vermieden
werden. Bei zu erwartender Staubentwicklung sollten Atemschutzmasken und Handschuhe
getragen werden. Mäusekadaver und Exkremente sollten vor der Entsorgung mit
Desinfektionsmittel benetzt werden.
Infektionsgefährdet sind insbesondere Personen, deren Lebens- und Arbeitsbedingungen einen
Kontakt zu infizierten Nagern und deren Exkrementen begünstigen oder die in direktem Kontakt
mit dem Virus stehen, z.B. Waldarbeiter, Beschäftigte in der Landwirtschaft und
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Laborpersonal. Sie sollten besonders über Übertragungswege und Schutzmaßnahmen
informiert sein.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine Absonderung von erkrankten Personen ist nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind
ebenfalls keine besonderen Maßnahmen erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Die Erkrankung mehrerer Personen aus dem gleichen Wohn- oder Arbeitsumfeld lässt auf eine
gemeinsame Infektionsquelle, insbesondere Mäuseexposition, schließen, die intensiv bekämpft
werden sollte.
Meldepflicht
Entsprechend § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an virusbedingtem
hämorrhagischem Fieber namentlich durch den Arzt an das zuständige Gesundheitsamt zu
melden.
Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis des
Hantavirus. Diese Meldungen werden gemäß § 11 über die zuständigen Landesbehörden an
das Robert Koch-Institut übermittelt.
Zusätzlich ist das Auftreten der Verlaufsform eines hämorrhagischen Fiebers auch nach § 12
IfSG übermittlungspflichtig: Das Gesundheitsamt hat unverzüglich die zuständige oberste
Landesgesundheitsbehörde und diese unverzüglich das RKI zu informieren. Vom RKI wird die
Information an die WHO weitergegeben.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.09.2006
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Hepatitis A
Erreger
Die Hepatitis A (HA), früher auch als Hepatitis infectiosa oder Hepatitis epidemica bezeichnet,
wird durch das Hepatitis-A-Virus (HAV) verursacht. Es handelt sich um ein einzelsträngiges
RNA-Virus aus der Familie der Picornaviridae (Genus Hepatovirus). Der Erreger wird über den
Darm ausgeschieden. Charakteristisch für das HAV sind seine ausgeprägte Umweltstabilität,
hohe Thermostabilität und hohe Desinfektionsmittelresistenz.
Vorkommen
Das HAV ist weltweit verbreitet. Die Infektionen treten sporadisch, endemisch oder in Form von
Epidemien auf. In Entwicklungsländern machen nahezu alle Menschen die Infektion bereits im
Kindes- und Jugendalter durch. In den industriell entwickelten Ländern Europas und
Nordamerikas mit hohem Hygienestandard kam es in den letzten Jahrzehnten zu einem
erheblichen Rückgang der Erkrankungshäufigkeit. Dies hat dazu geführt, dass immer mehr
Jugendliche und Erwachsene keine Immunität gegen HAV aufweisen und beispielsweise
Personen, die in Deutschland aufgewachsen sind, durch Reisen in Länder mit starker HAVVerbreitung infektionsgefährdet sind. Der Anteil der „Reisehepatitis“ lag in den letzten Jahren
bei etwa 40–50 % aller in Deutschland gemeldeten Hepatitis-A-Fälle.
In Deutschland werden die Daten entsprechend der Meldepflicht gemäß IfSG erfasst.
Reservoir
Der Mensch ist der Hauptwirt und das epidemiologisch einzig relevante Reservoir von HepatitisA-Viren.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt fäkal-oral durch Kontakt- oder Schmierinfektion, entweder im Rahmen
enger Personenkontakte, z. B. im Kindergarten oder im gemeinsamen Haushalt, oder von
Sexualkontakten, vor allem bei Männern, die Sex mit Männern haben (MSM), sowie durch
kontaminierte Lebensmittel, Wasser oder Gebrauchsgegenstände. Epidemische Ausbrüche in
verschiedenen Ländern wurden meist durch kontaminiertes Trinkwasser, Badewasser oder
kontaminierte Lebensmittel, besonders häufig Muscheln oder Austern, sowie mit Fäkalien
gedüngtes Gemüse und Salate hervorgerufen. Eine Übertragung durch Blut und Blutprodukte
(auch mehrmalig genutzte Spritzenbestecke bei Drogenabhängigen) in der Virämiephase, die
mehrere Wochen andauern kann, wurde beschrieben.
Inkubationszeit
Ca. 15–50 Tage (im Allgemeinen 25–30 Tage).
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Erkrankte Personen sind 1–2 Wochen vor und bis zu 1 Woche nach Auftreten des Ikterus oder
der Transaminasenerhöhung ansteckend. Infizierte Säuglinge können das Virus u. U. über
mehrere Wochen im Stuhl ausscheiden.
Klinische Symptomatik
Der Verlauf einer HAV-Infektion ist vor allem bei Kindern häufig subklinisch oder
asymptomatisch. Prodromalerscheinungen treten in Form von unspezifischen gastrointestinalen
Symptomen
sowie
allgemeinem
Krankheitsgefühl
auf.
Gelegentlich
können
Temperaturerhöhungen bestehen.
Es kann sich die ikterische Phase anschließen, die wenige Tage bis mehrere Wochen dauert.
Es besteht eine Lebervergrößerung und bei etwa 25 % der Patienten auch eine
Milzvergrößerung. Es können sich Zeichen einer Cholestase entwickeln. Häufig besteht
Hautjucken, gelegentlich können auch flüchtige scarlatiniforme Exantheme auftreten.
In der folgenden 2- bis 4-wöchigen Genesungsphase kommt es zur Normalisierung des
subjektiven Befindens und der labordiagnostischen Befunde.
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In bis zu 10 % der Erkrankungen mit manifester Hepatitis A können protrahierte Verlaufsformen
auftreten, die unter Umständen mehrere Monate lang andauern, aber komplikationslos
ausheilen. Bei insgesamt 0,01–0,1 % der Patienten kommt es zu fulminanten und dann meist
letalen Verläufen, deren Häufigkeit mit dem Alter ansteigt und die insbesondere bei
Vorgeschädigten (z. B. Patienten mit chronischer Hepatitis B oder C) zu beobachten sind. Die
Infektion hinterlässt eine lebenslange Immunität.
Therapie
Eine spezifische Therapie gegen die Hepatitis A existiert nicht. Symptomatische Maßnahmen
bestehen in Bettruhe und Behandlung der Allgemeinsymptome (Erbrechen, grippeähnliche
Symptome). Potenziell lebertoxische Medikamente dürfen nicht verabfolgt werden. Wichtig ist
eine absolute Alkoholkarenz. In der ersten Zeit sollte eine kohlenhydratreiche und fettarme Kost
verabfolgt werden. Strenge diätetische Maßnahmen sind nicht erforderlich.
Bei den meisten Patienten mit Hepatitis A ist eine Krankenhauseinweisung nicht notwendig,
sofern sie zu Hause ausreichend versorgt werden. Inwieweit Bettruhe eingehalten werden
muss, ist vom Zustand des Patienten abhängig; strikte Bettruhe ist meist nicht nötig.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Eine Indikation für eine Hepatitis A-Impfung besteht in erster Linie für Reisende in Gebiete mit
hoher Hepatitis-A-Prävalenz; dazu gehören neben den meisten tropischen Gebieten bereits der
gesamte Mittelmeerraum und Osteuropa. Darüber hinaus wird die Impfung gemäß den
Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission, STIKO, am Robert Koch-Institut (www.rki.de
> Infektionsschutz > Impfen > Empfehlungen der STIKO) für folgenden Personenkreis
empfohlen:
Indikationsimpfung:
1.
Homosexuell aktive Männer
2.
Personen mit substitutionspflichtiger Hämophilie
3.
Personen in psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen
für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte.
4.
Personen, die an einer chronischen Leberkrankheit einschließlich chronischer
Krankheiten mit Leberbeteiligung leiden und keine HAV-Antikörper besitzen.
Impfungen aufgrund eines erhöhten beruflichen Risikos, z. B. nach Gefährdungsbeurteilung
entsprechend Biostoffverordnung und G 42 sowie aus hygienischer Indikation:
1.
HA-gefährdetes Personal* im Gesundheitsdienst, z. B. in der Pädiatrie und
Infektionsmedizin.
2.
HA-gefährdetes Personal in Laboratorien (z. B. Stuhluntersuchungen)
3.
Personal* in Kindertagesstätten, Kinderheimen u. ä.
4.
Personal* in psychiatrischen Einrichtungen oder vergleichbaren Fürsorgeeinrichtungen
für Zerebralgeschädigte oder Verhaltensgestörte.
5.
Kanalisations- und Klärwerksarbeiter mit direktem Kontakt zu Abwasser
* Unter „Personal“ ist hier medizinisches und anderes Fach- und Pflegepersonal sowie
Küchen- und Reinigungskräfte zu verstehen.
Postexpositionelle Prophylaxe/Riegelungsimpfungen:
Personen mit Kontakt zu an Hepatitis A Erkrankten (Riegelungsimpfung: vor allem in
Gemeinschaftseinrichtungen und Schulen).
Bei einer aktuellen Exposition von Personen, für die eine Hepatitis A ein besonderes Risiko
darstellt, kann zeitgleich mit der ersten Impfung ein Immunglobulinpräparat gegeben werden.
Wichtig ist dabei, die Geimpften darauf hinzuweisen, dass weder die aktive noch die passive
postexpositionelle Immunisierung den Ausbruch der Erkrankung in allen Fällen verhindern
können. Die Betroffenen sollten aufgefordert werden, für einen Zeitraum von mindestens 2
Wochen besondere hygienische Maßnahmen einzuhalten.
Neben den von der STIKO empfohlenen sind auf der Basis der existierenden
Impfstoffzulassungen weitere „Impfindikationen“ möglich, auf die hier nicht weiter eingegangen
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wird, die aber für den Einzelnen seiner individuellen (gesundheitlichen) Situation entsprechend
sinnvoll sein können. Es liegt in der Verantwortung des Arztes, seine Patienten auf diese
weiteren Schutzmöglichkeiten hinzuweisen. Insofern hindert auch eine fehlende STIKOEmpfehlung den Arzt nicht an einer begründeten Impfung.
Bei der Grundimmunisierung und eventuellen Auffrischimpfungen sind die Angaben der
Hersteller zu beachten.
Nach der ersten Impfdosis mit monovalentem Impfstoff sind bei mindestens 95 % der Geimpften
HAV-Antikörper nachweisbar. Schützende Antikörper entstehen bei den meisten Geimpften 12–
15 Tage nach der ersten Impfdosis. In Anbetracht der langen Inkubationszeit kann die Impfung
daher auch noch kurz vor der Reise und sogar kurz nach einer Exposition sinnvoll sein.
Eine Vortestung auf anti-HAV ist bei vor 1950 Geborenen sinnvoll sowie bei Personen, die in
der Anamnese eine mögliche HA aufweisen bzw. längere Zeit in Endemiegebieten gelebt
haben.
Kombinationsimpfstoffe gegen Hepatitis A und Hepatitis B sind verfügbar. Eine Schutzwirkung
ist dann in der Regel allerdings erst nach der zweiten Impfdosis vorhanden. Weiterhin ist ein
Kombinationsimpfstoff des Hepatitis-A-Impfstoffs mit einem Impfstoff gegen Typhus verfügbar.
Die Immunität nach vollendeter Grundimmunisierung (2 Dosen Impfstoff, bei dem Hepatitis-Aund -B-Kombinationsimpfstoff 3 Dosen) dauert bei Erwachsenen mindestens 12 Jahre an;
Modellrechnungen gehen von einer Immunitätsdauer von 20 bis 25 Jahren aus. Derzeit wird bei
immunkompetenten Personen eine Auffrischimpfung nach vollendeter Grundimmunisierung
nicht für notwendig angesehen; unklar ist noch, ob sie für spezielle Risikogruppen notwendig
ist.
Es ist zu beachten, dass für die in den 1990er Jahren verfügbaren schwächer dosierten
monovalenten Impfstoffe (Havrix 720 für Erwachsene, Havrix 360 für Kinder) ein 3-DosenSchema zum Erreichen eines länger andauernden Impfschutzes empfohlen war.
Aufgrund des fäkal-oralen Übertragungsweges kann vor allem durch eine konsequente
Händehygiene, das Tragen von Handschuhen bei potenziell möglichem Kontakt mit
Ausscheidungen des Patienten sowie eine wirksame Händedesinfektion mit einem
Händedesinfektionsmittel mit nachgewiesener „viruzider“(1) Wirksamkeit eine Übertragung des
Erregers vermieden werden. Das Virus kann außerhalb des Wirts u. U. monatelang stabil
bleiben, daher sind kontaminierte Oberflächen mit einem Desinfektionsmittel mit
nachgewiesener „viruzider“ Wirksamkeit durch Wischen zu desinfizieren.
(1) Siehe Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren,
Stellungnahme des Arbeitskreises Viruzidie am Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl –
Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2004; 47(1): 62–66
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Beim Umgang mit an Hepatitis A Erkrankten und ihren Kontaktpersonen ist zu berücksichtigen,
dass der Höhepunkt der Virusausscheidung und damit der Gipfel der Infektiosität in der späten
Inkubationsphase, d. h. 1–2 Wochen vor Beginn des Ikterus, liegt.
Im Krankenhaus ist die Benutzung einer eigenen Toilette sowie die Belehrung über eine
sorgfältige Händehygiene notwendig. Eine Isolierung ist bis zu 2 Wochen nach Auftreten der
ersten klinischen Symptome bzw. eine Woche nach Auftreten des Ikterus angezeigt. Im Übrigen
gelten die Regeln der Standardhygiene.
Entsprechend § 34 Abs. 1 Nr. 19 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an
Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-,
Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu
den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch
sie nicht mehr zu befürchten ist. Für die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten gilt, dass sie,
falls sie an Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, die dem Betrieb der
Gemeinschaftseinrichtung
dienenden
Räume
nicht
betreten,
Einrichtungen
der
Gemeinschaftseinrichtung
nicht
benutzen
und
an
Veranstaltungen
der
Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen dürfen.
Die in § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 getroffenen Regelungen gelten entsprechend für Personen, in
deren Wohngemeinschaft nach ärztlichem Urteil eine Erkrankung oder ein Verdacht auf
Hepatitis A aufgetreten ist.
Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die an Hepatitis A erkrankt oder dessen verdächtig sind, nicht
tätig sein oder beschäftigt werden
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a) beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen der in § 42 (2) genannten Lebensmittel,
wenn sie dabei mit diesen in Berührung kommen oder
b) in Küchen von Gaststätten
Gemeinschaftsverpflegung.
und
sonstigen
Einrichtungen
mit
oder
zur
Lebensmittel gemäß § 42 (2) sind
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte
Soßen, Nahrungshefen
Kontaktpersonen sind über Übertragungswege, Symptome und präventive Maßnahmen zu
informieren. Eine Isolierung von Kontaktpersonen ist bei bestehendem Impfschutz und/oder
nach früher durchgemachter Erkrankung nicht erforderlich. Eine postexpositionelle
Schutzimpfung sollte so früh wie möglich durchgeführt werden. Mit einem Impfschutz ist im
Allgemeinen nach 12–15 Tagen zu rechnen. Wichtig ist dabei, die Geimpften darauf
hinzuweisen, dass weder die aktive noch die passive postexpositionelle Immunisierung den
Ausbruch der Erkrankung in allen Fällen verhindern können.
Alle Kontaktpersonen sollten für 1–2 Wochen nach einer postexpositionellen Impfung aus
Gemeinschaftseinrichtungen ausgeschlossen werden. Außerdem sollten für mindestens 4
Wochen strikte hygienische Bedingungen eingehalten werden.
Ansonsten sind Kontaktpersonen 4 Wochen nach dem letzten Kontakt zu einer infektiösen
Person vom Besuch von Schulen und anderen Gemeinschaftseinrichtungen auszuschließen,
sofern nicht die strikte Einhaltung von hygienischen Maßnahmen zur Verhütung einer
Übertragung gewährleistet ist (§ 34 Abs. 7 IfSG). Dazu gehört vor allem eine wirksame
Händehygiene.
Bei Auftreten unklarer klinischer Symptome innerhalb der Inkubationszeit sollten
Kontaktpersonen umgehend einen Arzt aufsuchen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Da Ausbrüche überwiegend von kontaminiertem Trinkwasser oder kontaminierten
Lebensmitteln ausgehen, ist es wichtig, die Ursache des Ausbruches schnell zu finden und
durch effiziente Maßnahmen zur Sanierung der Infektionsquelle und Unterbrechung von
Infektketten eine weitere Verbreitung zu verhindern. Alle Beteiligten sind gründlich über die
Übertragungswege, Symptome und präventive Maßnahmen (s.o.) zu informieren.
Bei infektionsgefährdeten Personen im Umfeld eines Ausbruches werden Impfungen mit einem
Impfstoff, der ein 2-Dosen-Schema zulässt, empfohlen (sog. Riegelungsimpfungen). In
ausgewählten Fällen kann bei individuell besonders gefährdeten Personen eine passive
Immunisierung entsprechend der individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung mit Immunglobulinen
sinnvoll sein. Wird sie innerhalb von 10 Tagen nach der HAV-Exposition verabfolgt, ist es in 80–
90 % der Fälle möglich, eine Infektion zu verhindern. Die Gabe sollte spätestens bis zum 14.
Tag erfolgt sein.
Meldepflicht
Gemäß dem IfSG ist laut § 6 Abs. 1 der feststellende Arzt verpflichtet, sowohl den Verdacht als
auch Erkrankung und Tod an akuter Virushepatitis an das zuständige Gesundheitsamt zu
melden.
Leiter von Untersuchungsstellen (Laboratorien) sind verpflichtet (§ 7), den direkten oder
indirekten Nachweis des Hepatitis-A-Virus zu melden, soweit dieser auf eine akute Infektion
hinweist.
Modifiziert nach RKI, Stand: 11.03.2008
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Hepatitis B
Erreger
Das Hepatitis-B-Virus (HBV) ist ein kleines, umhülltes DNA-Virus, das zur Familie der
Hepadnaviridae gehört. Das Genom besteht aus einer zirkulären, teilweise doppelsträngigen
DNA, die über ein RNA-Intermediat mit Hilfe einer Reversen Transkriptase synthetisiert wird.
Die Virushülle besteht aus dem lipidhaltigen Hepatitis-B-Oberflächenantigen (Hepatitis B
surface antigen, HBsAg), das für den serologischen Nachweis einer akuten bzw. chronischen
Infektion von Bedeutung ist. Die Hülle umschließt das Viruskapsid, das aus dem Core-Antigen
(HBcAg) aufgebaut ist.
Es sind acht verschiedene Genotypen (A–H) und acht HBsAg-Subtypen bekannt, deren
Verbreitung in verschiedenen geographischen Regionen unterschiedlich ist. Die
Feindifferenzierung mit molekularen bzw. serologischen Methoden kann für die Aufdeckung von
Infektionswegen bzw. -ursachen von großem Nutzen sein.
Das Virus verfügt über eine für ein umhülltes Virus vergleichsweise hohe Stabilität gegenüber
Umwelteinflüssen sowie über eine hohe Resistenz gegenüber Desinfektionsmitteln.
Schutz- und Hygienemaßnahmen müssen dem Rechnung tragen.
Vorkommen
Die Hepatitis B ist eine der häufigsten Infektionskrankheiten überhaupt.
Weltweit haben nach Angaben der WHO etwa 2 Milliarden Menschen eine HBV-Infektion
durchgemacht und 5 bis 7 % der Weltbevölkerung, also 300 bis 420 Millionen Menschen, sind
chronisch mit HBV infiziert.
Nach wie vor ist eine hohe Zahl von neu Infizierten zu verzeichnen, obwohl seit Anfang der 80er
Jahre für die Hepatitis B ein Impfstoff mit hoher Wirksamkeit und guter Verträglichkeit zur
Verfügung steht. Die erhebliche gesundheitspolitische Bedeutung der Hepatitis B ergibt sich in
erster Linie aus den Folgen chronischer Infektionen, insbesondere der Entwicklung einer
Leberzirrhose bzw. eines Leberzellkarzinoms. Pro Jahr wird weltweit mit bis zu einer Million
Todesfällen infolge von HBV-bedingten Leberzirrhosen oder Leberzellkarzinomen gerechnet.
In Europa beobachtet man ausgeprägte Unterschiede in der regionalen Verbreitung. Zwischen
< 0,1 % der Bevölkerung in Nordwesteuropa (Skandinavien, Vereinigtes Königreich) und bis zu
8 % der Bevölkerung in Ost- bzw. Südeuropa sind chronisch mit dem Hepatitis-B-Virus infiziert.
In der Bundesrepublik Deutschland ist bei ca. 7 % der Gesamtbevölkerung anti-HBc als
Merkmal einer durchgemachten HBV-Infektion nachweisbar. 0,6 % (95 % Vertrauensbereich
0,4 bis 0,8 %) sind chronische HBsAg-Träger. Dies entspricht 300.000 bis 650.000 Personen.
Auf Grund der Impfung der jüngeren Alterskohorten wird die Verbreitung von Hepatitis B
voraussichtlich innerhalb der nächsten 10 bis 20 Jahre deutlich zurückgehen.
Seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 wurden in Deutschland 2.371 Fälle für das Jahr 2001,
1.425 Fälle für das Jahr 2002 und 1.304 Fälle für das Jahr 2003 gemäß der Referenzdefinition
übermittelt.
Reservoir
Das Reservoir für Hepatitis-B-Viren bilden insbesondere chronisch HBV-infizierte Personen
(HBsAg-Positive). Vor allem symptomarm oder symptomlos chronisch Infizierte (s. auch
klinische Symptomatik) stellen eine Infektionsquelle dar.
Infektionsweg
11
HBV erreicht insbesondere im Blut eine hohe Konzentration bis zu 10 Viruspartikel/ml Plasma
8
bzw. Serum und über 10 Viruspartikel /ml infektiöse Einheiten. Das bedeutet, dass bereits
kleinste Mengen Blut das Virus übertragen können, wenn es über – auch geringfügige –
Verletzungen der Haut oder Schleimhaut in den Körper gelangt. Es ist zudem in Speichel,
Tränenflüssigkeit, Sperma, Vaginalsekret, Menstrualblut und Colostrum enthalten, wenngleich
in wesentlich geringeren Konzentrationen.
Schätzungen zufolge hat die sexuelle Übertragung hierzulande einen Anteil von 60 bis 70%
an den Neuinfektionen. Hierfür spricht die Altersverteilung der akut Erkrankten: Ein Großteil der
akuten Hepatitis-B-Fälle wird in der Gruppe der jungen Erwachsenen beobachtet. Darüber
hinaus ergab die Analyse der Risikofaktoren, dass sexuelle Expositionen an erster Stelle
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genannt wurden. In den westlichen Industriestaaten gelten darüber hinaus Angehörige
bestimmter Risikogruppen als besonders gefährdet (z.B. i.v. Drogengebraucher, homosexuell
aktive Männer, Prostituierte; s.a. STIKO-Empfehlungen). Von Bedeutung für die HBV-Morbidität
werden auch künftig aus Hochprävalenz-Ländern einreisende Personen sein, ebenso wie
Urlaubsreisende, die HBV durch sexuelle Kontakte im Ausland erworben haben.
Das Risiko, bei der Übertragung von Blut oder Blutprodukten mit HBV infiziert zu werden, war
bis zur Einführung der HBsAg-Testung aller Blutspenden Anfang der siebziger Jahre hoch, hat
dann aber durch die zunehmend verbesserte Spenderauswahl und insbesondere durch die
immer spezifischere HBsAg-Testung der Spender stark abgenommen. Heute wird das
Restrisiko, dass eine unerkannt infektiöse Spende geleistet wird, auf 1 : 250 000 bis zu 1 : 500
000 geschätzt. Plasmaderivate, insbesondere Faktor XIII, IX oder PPSB konnten bis zur
Einführung sicherer Inaktivierungsverfahren und der Testung der Plasmapools auf HBV-DNA
mit HBV kontaminiert sein. Heute sind sie als virussicher zu betrachten.
Die Hepatitis B ist – trotz der seit Jahren verfügbaren Schutzimpfung – wie die Tuberkulose,
Hepatitis A und C eine wichtige berufsbedingte Infektionskrankheit im Gesundheitswesen.
In Bereichen mit der Möglichkeit des direkten Kontaktes zu Blut und Körperflüssigkeiten wurden
in Abhängigkeit von den Merkmalen und der Dauer der Tätigkeit HBV-Marker bei 15 bis 25 %
(und mehr) der ungeimpften Mitarbeiter festgestellt. Genaue Angaben zur Gesamtzahl der
jährlich berufsbedingt erworbenen Hepatitis-B-Erkrankungen liegen wegen der Bearbeitung
durch verschiedene gesetzliche Unfallversicherer z.Z. nicht vor. Bei der Berufsgenossenschaft
für Gesundheitsdienste und Wohlfahrtspflege (BGW), bei der etwa 40 % der im medizinischen
Bereich Beschäftigten versichert sind, wurden in den vergangenen Jahren jährlich mehr als 100
Verdachtsmeldungen berufsbedingter Hepatitis-B-Erkrankungen bearbeitet.
Neben Ärzten und Pflegepersonal in Kliniken zählen bestimmte Patientengruppen,
beispielsweise Dialysepflichtige, zu dem besonders gefährdeten Personenkreis. Obwohl
strenge Regeln für die Infektionsverhütung gerade für den medizinischen Bereich vorliegen,
sind noch immer Hepatitis-B-Übertragungen bei nicht geimpften Personen von Patient zu
Patient, von Patient zu Personal und im Rahmen von Operationen auch von Personal auf
Patient zu verzeichnen. HBV-Ausbrüche kamen bei immundefizienten Patienten
(Transplantation, Onkologie, Dialyse) häufiger vor, da die Infizierten eine sehr hohe Virämie bei
Fehlen von klinischen Symptomen aufweisen können. Hygienefehler bei invasiven Therapien
(z.B. Eigenblutinjektionen) werden mitunter in der "Alternativmedizin" begangen.
Eine sehr wichtige Gruppe mit Risikoverhalten stellen i.v. Drogengebraucher dar. Für das hohe
HBV-Übertragungsrisiko unter Drogengebrauchern ist in besonderem Maße der Spritzen- und
Kanülentausch, deren Mehrfachnutzung sowie gemeinsame Nutzung anderen Zubehörs ohne
ausreichende Desinfektion/Sterilisation von ausschlaggebender Bedeutung. Die zu dieser
Gruppe gehörenden Personen weisen, wie die Angehörigen bestimmter Gruppen mit
Risikoverhalten, auch ein erhöhtes Risiko für andere übertragbare Krankheiten (Hepatitis C,
HIV/AIDS-Virus, Tuberkulose) auf. Häufig liegen bei diesen Personen gleichzeitig Infektionen
mit mehreren Erregern vor. Zu Gruppen mit erhöhtem Risiko zählen auch Straf- und
Untersuchungsgefangene, unter denen sich ein erheblicher Anteil von i.v. Drogengebrauchern
befindet. Infektionsrisiken beruhen in dieser Gruppe im wesentlichen ebenfalls auf Spritzenund Kanülentausch, aber auch ungeschützte sexuelle Kontakte können eine Rolle spielen.
Andere Übertragungswege, die durch den Kontakt infizierter Körperflüssigkeiten mit
Schleimhäuten bzw. Bagatellverletzungen oder anderweitig geschädigter Haut zustande
kommen (z.B. in Familien oder in Einrichtungen für Kinder oder Behinderte), sind möglich.
Unklar ist, welche Rolle beispielsweise Tätowierungen, Piercing oder Ohrlochstechen, die in
der Regel von nichtmedizinischem Personal durchgeführt werden, bei der HBV-Übertragung
zukommt. Bei nicht sachgemäßem Vorgehen besonders unter unhygienischen Verhältnissen
stellen sie einen potenziellen Übertragungsweg dar.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich der Übertragungsweg anamnestisch bei mehr als
einem Drittel aller HBV-Infektionen nicht eindeutig nachvollziehen. Ein zu beachtender
Übertragungsweg des HBV ist nach wie vor die Infektion Neugeborener von HBsAg-positiven
Müttern. HBV-infizierte Frauen können die Infektion durch prä- bzw. perinatale Übertragung zu
einem hohen Prozentsatz (bei HBeAg-Positivität bis zu 95 %) an ihr Kind weitergeben,
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sofern das Neugeborene keine Prophylaxe, bestehend aus aktiver und passiver Impfung,
erhält. Ausgehend von der Häufigkeit der HBV-infizierten Personen in Deutschland (0,4 bis
0,8 %), ist bei einer Zahl von 750.000 Geburten pro Jahr davon auszugehen, dass zwischen
3.000 und 6.000 Kinder von HBV-infizierten Müttern geboren werden. Dabei sind die
Neugeborenen von Müttern aus Ländern mit hoher Prävalenz besonders gefährdet (siehe auch
unten: Präventive Maßnahmen).
Inkubationszeit
Die Zeit bis zur Manifestation der Krankheit kann 40–200 Tage betragen (im Durchschnitt etwa
60–90 Tage), die Dauer ist vor allem von der Erregerdosis abhängig.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht unabhängig von den Symptomen der Krankheit, solange
HBV-DNA, HBsAg oder HBeAg als Merkmale der Virusvermehrung nachweisbar sind. Die
Ansteckungsgefahr hängt vom Ausmaß der Virämie und der Art des Kontaktes ab. Von
chronisch infizierten HBV-Trägern kann, unterschiedlich ausgeprägt, jahrelang eine
Ansteckungsgefahr ausgehen. Prinzipiell muss jeder HBsAg-Positive als potenziell infektiös
angesehen werden.
Klinische Symptomatik
Die HBV-Infektion kann sehr unterschiedlich verlaufen. Für das Verständnis der vielfältigen
Verlaufsformen ist es wesentlich, dass die Krankheitssymptome durch die Immunabwehr des
Infizierten, nicht durch das Virus selbst, hervorgerufen werden. Bei fehlender oder schwacher
Immunabwehr vermehrt sich das Virus sehr stark. Bis zur Entwicklung einer Immunantwort
dauert es auch bei Immunkompetenten 1 bis 6 Monate, so dass eine hohe Infektiosität i.d.R.
einige Wochen vor Krankheitsausbruch besteht.
Die HBV-Infektion führt bei Erwachsenen bei ca. einem Drittel der Infizierten zum klinischen Bild
einer akuten ikterischen Hepatitis. Bei einem weiteren Drittel der Infizierten sind anikterisch
verlaufende Erkrankungen zu erwarten. Ein Drittel der Infektionen verläuft asymptomatisch.
Die Frühphase (Prodromalstadium) der akuten Hepatitis B beginnt mit unspezifischen
Symptomen (Appetitlosigkeit, Gelenkschmerzen, Unwohlsein, Übelkeit, Erbrechen und Fieber).
Drei bis 10 Tage später beginnt ggf. die ikterische Phase, der Urin verfärbt sich dunkel, ein
Ikterus tritt auf. Dieser erreicht seinen Höhepunkt nach 1 bis 2 Wochen und blasst dann
innerhalb von 2 bis 4 Wochen wieder ab. Ein fulminantes Leberversagen tritt in weniger als 1 %
der akuten Fälle auf. HBeAg-negative HBV-Varianten sollen gehäuft zu schweren akuten
Verläufen führen. Die meisten akuten Hepatitis-B-Erkrankungen bei Erwachsenen (> 90 %)
heilen vollständig aus und führen zu einer lebenslangen Immunität.
Bei ca. 5 bis 10 % der HBV-infizierten Erwachsenen entwickelt sich eine chronische
Verlaufsform. Von einer chronischen Infektion spricht man, wenn HBsAg länger als 6 Monate
nach Infektion nachweisbar bleibt. Häufig entwickelt sich eine chronische Infektion, ohne dass
eine akute Erkrankung bemerkt wurde. Eine chronische Hepatitis B geht in aller Regel mit dem
Vorhandensein des HBs-Ag einher, in seltenen Fällen allerdings findet sich eine chronische
Hepatitis B ohne Vorhandensein des HBs-Ag. Infolge einer chronischen Hepatitis B können
eine Leberzirrhose oder ein Leberzellkarzinom entstehen. Bei HBe-Ag-Positiven wird das Risiko
einer Leberzirrhose auf 8 bis 10 % pro Jahr, bei HBe-Negativen auf 2 bis 5,5 % pro Jahr
geschätzt. Die chronische HBV-Infektion erhöht das Risiko für die Entwicklung eines
Leberzellkarzinoms gegenüber der Normalbevölkerung um den Faktor 100. Besteht eine
Zirrhose, so beträgt das Risiko eines Leberzellkarzinoms 2 bis 7 % pro Jahr, während dieses
ohne zugrundeliegende Zirrhose wesentlich seltener auftritt (0,1 bis 0,6 % pro Jahr).
In Einzelfällen kann bei asymptomatischen HBsAg-Trägern eine Reaktivierung der HBVReplikation mit einem entzündlichen Schub eintreten. Besonders kritisch ist die Reaktivierung
unter Immunsuppression. Bei Rekonstitution des Immunsystems (z.B. im Rahmen von
Stammzell-Transplantationen) kann es dann zur fulminanten Hepatitis kommen.
Gleichzeitig mit dem Auftreten einer akuten, aber auch bei einer chronischen Hepatitis B kann
es zu einer Ko- bzw. Superinfektion mit dem Hepatitis-D-Virus (HDV) kommen. Das HDV
kann sich als defektes Virus nur dann vermehren, wenn sich HBV ebenfalls vermehrt. In
Deutschland sind Infektionen mit HDV selten. Die Übertragung von HDV erfolgt meist
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parenteral, insbesondere durch i.v. Drogengebrauch, teilweise auch sexuell.
Eine HDV-Superinfektion eines HBV-Trägers führt zu einer schwerer verlaufenden
Lebererkrankung als eine alleinige HBV-Infektion. Die HDV-Superinfektion nimmt bei über 90 %
der Infizierten einen chronischen Verlauf. Sie führt zu einer erhöhten Leberzirrhose-Inzidenz
und zu einem früheren Auftreten von Leberzellkarzinomen.
Diagnostik
Die Diagnostik einer Hepatitis-B-Erkrankung basiert auf dem Vorliegen von klinischen
Symptomen, auf der Bestimmung erhöhter Serumwerte bestimmter Enzyme (z.B.
Transaminasen, GPT bzw. ALT und GOT bzw. AST) und insbesondere auf den Ergebnissen
spezifischer serologischer Methoden.
Therapie
Die akute Hepatitis B stellt in der Regel keine Indikation für eine antivirale Therapie dar.
Lediglich bei einem Abfall des Quick-Wertes unter 35 % im Rahmen einer fulminanten Hepatitis
ist eine Therapie mit Lamivudin angezeigt. In der akuten Phase werden Bettruhe sowie eine
kohlenhydratreiche und fettarme Kost von den Patienten als angenehm empfunden. Spezielle
Diäten haben jedoch keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf.
Eine Krankenhausbehandlung ist bei leichteren Krankheitsbildern nicht zwingend erforderlich,
bei schwereren Verläufen jedoch empfehlenswert.
Interferon-α (IFN-α) war lange Zeit das einzige in Deutschland zugelassene Medikament, das
nachgewiesenermaßen einen anhaltend günstigen Effekt auf den Verlauf der chronischen
Hepatitis B hat.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Die gegenwärtige Prävalenz und Mortalität der chronischen Hepatitis B resultieren vorwiegend
aus früher erworbenen Infektionen. Da es für einen Großteil der Patienten auch heute noch auf
Dauer keine wirkungsvolle Therapie im Sinne einer Heilung gibt, ist es besonders wichtig, eine
Infektion zu verhindern. Eine gezielte Prophylaxe der Hepatitis B ist nur durch die aktive
Immunisierung effektiv möglich. In Deutschland wurde 1982 mit der Schutzimpfung gegen
Hepatitis B bei bestimmten Personen mit erhöhtem HBV-Infektionsrisiko (z.B. medizinisches
Personal) begonnen.
Da eine ausschließlich auf bestimmte Personengruppen beschränkte Impfstrategie nur einen
Teil (ca. 30 %) aller Hepatitis-B-gefährdeten Personen erfassen kann, kam es ab 1992 zu einer
Änderung der Impfempfehlungen durch die WHO. Die Impfempfehlungen der STIKO beinhalten
seit Oktober 1995 neben den Impfungen für Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko eine
Hepatitis-B-Grundimmunisierung im Säuglings- und Kleinkindalter und das Nachholen der
Grundimmunisierung bis dahin noch ungeimpfter Kinder und Jugendlicher möglichst vor der
Pubertät, spätestens aber bis zum 18. Lebensjahr. Eine Hepatitis-B-Impfung schützt auch vor
einer Hepatitis-D-Virus-Infektion.
Der durch eine Grundimmunisierung erreichte Schutz garantiert möglicherweise keine
lebenslange Immunität. Boosterungen – in Abhängigkeit vom primär erreichten Antikörpertiter
(Anti-HBs) und dem bestehenden Infektionsrisiko – sind deshalb für spezielle Personengruppen
empfohlen. Die gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen allerdings für ein sehr
lang anhaltendes immunologisches Gedächtnis, auch nach Abfall der Antikörperkonzentration
unter den Schwellenwert (10 IE/l).
Eine postexpositionelle Prophylaxe bei nichtimmunen Personen – beispielsweise nach
Nadelstichverletzung – mit Impfstoff und spezifischem Hyperimmunglobulin sollte möglichst
unmittelbar nach dem Expositionsereignis erfolgen. Das Vorgehen wird in den jeweils aktuellen
Impfempfehlungen der STIKO am RKI beschrieben (www.rki.de).
Unabhängig von dem Ziel einer möglichst vollständigen Schutzimpfung der nachwachsenden
Generationen sowie aller definierten Gruppen mit erhöhtem Infektionsrisiko muss auch der
Expositionsprophylaxe weiterhin eine hohe Priorität bei den Präventionsmaßnahmen
eingeräumt werden. Besondere Aufmerksamkeit muss der Gruppe der i.v. Drogengebraucher
gelten. Bemühungen, das gemeinsame Benutzen von Nadeln und Spritzen unter i.v.
Drogengebrauchern zu verhindern, sollten intensiviert werden. Ebenso sollte der
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Kondomgebrauch bei wechselnden Partnern auch wegen HBV weiter propagiert werden.
Eine wichtige präventive Aufgabe ist die Verhinderung einer perinatalen Übertragung bzw. einer
Infektion im frühen Kindesalter. Durch HBsAg-Screening der Schwangeren (laut
Mutterschaftsrichtlinie) und eine HB-Simultanprophylaxe (aktive und passive Immunisierung) für
die Neugeborenen von chronisch infizierten Frauen unmittelbar nach der Geburt können mehr
als 90 % der Infektionen bei Neugeborenen verhindert werden.
Die Sicherheit von Blutprodukten hinsichtlich HBV wird durch die sorgfältige Spenderauswahl
nach den Kriterien, die in den von der Bundesärztekammer und dem Paul-Ehrlich-Institut
aufgestellten Richtlinien festgelegt werden, und der obligaten Testung jeder Spende auf HbsAg
gewährleistet.
Medizinisches Personal sollte entsprechend den Empfehlungen der „Richtlinie für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention“, Anlage zu Ziffer 5.1 „Anforderungen der
Hygiene an die Infektionsprävention bei übertragbaren Krankheiten“ Vorsorge für eine
Vermeidung der HBV-Übertragung bei der Behandlung und Pflege von Patienten treffen.
Alle Beschäftigten im Gesundheitswesen, bei denen HBV am Arbeitsplatz vorkommen kann,
sollten eine erfolgreiche HBV-Impfung nachweisen. Als erfolgreich gilt eine Immunisierung,
wenn 4 bis 8 Wochen nach der dritten Impfung ein Anti-HBs-Wert von 100 IU/l oder höher
erreicht wurde. Diese Personen sind für wenigstens 10 Jahre geschützt. Fällt die Anti-HBsBestimmung niedriger aus, sollte eine weitere Impfung durchgeführt und erneut eine Testung
vorgenommen werden.
Invasive Tätigkeiten, bei denen eine Verletzungsgefahr für den Arzt besteht (z.B. bei
Operationen in beengtem Operationsfeld, bei unterbrochener Sichtkontrolle, bei Operationen
mit langer Dauer, bei Operationen, bei denen mit den Fingern in der Nähe scharfer/spitzer
Instrumente gearbeitet wird, bei Operationen mit manueller Führung bzw. Tasten der Nadel
oder beim Verschließen einer Sternotomie) sollten nur von Personen durchgeführt werden, die
nachweislich eine Immunität gegen Hepatitis-B-Virus besitzen, entweder als Folge einer
13
ausgeheilten Infektion oder nach erfolgreicher Hepatitis-B-Schutzimpfung
(siehe auch
„Empfehlungen zur Verhütung der Übertragung von Hepatitis-B-Virus durch infiziertes Personal
im Gesundheitsdienst“, Epid Bull 1999; 30: 221–223).
Generell sollte angestrebt werden, medizinisches Personal, das in der unmittelbaren
Krankenversorgung tätig ist, frühzeitig zu testen, damit HBV-Träger identifiziert werden können
und so vermieden wird, dass der Beruf u.U. nicht in vollem Umfang ausgeübt werden kann.
Zudem sollte eine Hepatitis-B-Impfung bei Hepatitis B-gefährdeten Personen im
Gesundheitsdienst bereits in der Ausbildung bzw. im Studium durchgeführt werden. Bei
möglichem Kontakt zu virushaltigen Körperflüssigkeiten müssen Schutzhandschuhe getragen
werden. Mundschutz und Schutzbrille sind zu benutzen, wenn virushaltige Aerosole entstehen
können. Scharfe oder spitze Gegenstände, die mit Blut oder anderen Körperflüssigkeiten in
Berührung gekommen sind, sind sicher zu entsorgen.
Chronische HBV-Träger in nichtmedizinischen Berufen, die ebenfalls Tätigkeiten mit
Verletzungsgefahr durchführen (Maniküre, Pediküre, Tätowierungen) müssen in gleicher Weise
wie medizinisches Personal die Regeln der Infektionsprävention beachten und sich regelmäßig
durch Fachkräfte darin schulen lassen.
Eine effektive Desinfektion ist ein weiterer wesentlicher Bestandteil einer Prävention. Die
sicherste Methode, um HBV zu inaktivieren, ist das Erhitzen (Einwirken feuchter Wärme) auf >
90 °C für mindestens 5 Minuten. Daher sind zur Desinfektion von Instrumenten möglichst
thermische Verfahren anzuwenden.
Für die Desinfektion von Oberflächen sind Mittel mit nachgewiesener „begrenzt viruzider“
Wirksamkeit (nur gegen behüllte Viren wirksam), z.B. auf der Wirkstoffbasis Aktivchlor,
Perverbindungen bzw. Aldehyde, einzusetzen.
Zur Händedesinfektion sollten als Arzneimittel zugelassene Mittel mit nachgewiesener
„begrenzt viruzider“ Wirksamkeit (s.o.), z.B. auf der Wirkstoffbasis Alkohol bzw. Aktivchlor,
verwendet werden. Auf eine genügend lange Einwirkungszeit ist zu achten.
Ausführliche Informationen über geeignete Mittel und Verfahren zur Inaktivierung von Viren
können der „Liste der vom Robert Koch-Institut geprüften und anerkannten Desinfektionsmittel
und -verfahren“ entnommen werden.
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Information und Aufklärung der Bevölkerung sollten weiter darauf ausgerichtet sein, Personen
mit wechselnden Sexualpartnern auf den Nutzen des Gebrauchs von Kondomen hinzuweisen
und i.v. Drogengebrauchern die großen Gefahren des gemeinsamen Benutzens von Nadeln
und Spritzen bewusst zu machen.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
HBV-Infizierte sollten sich stets so verhalten, dass andere Personen nicht gefährdet werden.
Das Übertragungsrisiko innerhalb der Familie oder im Freundeskreis kann bei Einhaltung
allgemein üblicher häuslicher Hygiene selbst dann als gering eingeschätzt werden, wenn eine
hohe Virämie vorliegt. Das gemeinsame Benutzen von z.B. Nagelscheren, Zahnbürsten oder
Rasierapparaten sollte unterbleiben. Unbedingt ist das Eindringen von Blut einer infizierten
Person in die Blutbahn oder das Gewebe einer anderen Person zu vermeiden.
Familienangehörige und Partner HBsAg-positiver Personen sollten unbedingt geimpft sein und
der Impferfolg sollte überprüft werden.
HBV-Träger dürfen Gemeinschaftseinrichtungen besuchen bzw. ihrer Tätigkeit in diesen
nachgehen. Bei HBV-infizierten Kindern mit ungewöhnlich aggressivem Verhalten, mit
Blutungen oder akuten, generalisierten Dermatitiden muss eine individuelle Entscheidung durch
das Gesundheitsamt getroffen werden. Eltern und Betreuer sollten über ein bekanntes
Infektionsrisiko informiert und auf die Wichtigkeit der Impfung besonders hingewiesen werden.
Bei der Pflege der Patienten sind die angeführten Hygienemaßnahmen zu gewährleisten. Es
muss vermieden werden, dass das Blut von HBV-infizierten Personen, z. B. bei Verletzungen
von Haut oder Schleimhäuten, in die Blutbahn oder das Gewebe einer anderen Person gelangt.
Bei Verdacht auf eine Übertragung des Hepatitis-B-Virus durch Blutkontakte oder Verletzungen,
z. B. Kanülenstichverletzungen, sollte bei Nichtimmunen möglichst rasch eine
postexpositionelle Prophylaxe mittels simultaner Gabe von Hepatitis-B-Immunglobulin und
Hepatitis-B-Impfstoff erfolgen (s.a. Epid Bull.01/2000).
Bei Neufeststellung eines HBV-Trägerstatus bei medizinischem Personal (z.B. Chirurgen) muss
in jedem Einzelfall geprüft werden, inwieweit bei in Frage kommenden Patienten/innen
Rückverfolgungsuntersuchungen (look back) einzuleiten sind, um HBV-Übertragungen zu
erkennen. Über eine bekannt gewordene nosokomiale HBV-Infektion sollte das zuständige
Gesundheitsamt informiert werden.
Alle HBV-Träger müssen über die von ihnen ausgehenden Infektionsgefahren angemessen
aufgeklärt und zu den heutigen Möglichkeiten einer antiviralen Behandlung der chronischen
HBV-Infektion beraten werden.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Ausbrüche von Hepatitis-B-Erkrankungen erfordern die sofortige Intervention des zuständigen
Gesundheitsamtes. Dazu gehört die schnellstmögliche Ermittlung der Ursachen, damit
entsprechende Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Verbreitung eingeleitet werden
können.
Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e IfSG der Krankheitsverdacht, die
Erkrankung sowie der Tod an akuter Virushepatitis sowie gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 20 IfSG der
direkte oder indirekte Nachweis von Hepatitis-B-Virus, soweit er auf eine akute Infektion
hinweist, namentlich gemeldet. Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß
§ 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.08.2004
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HIV und Hepatis B & C Postexpositionsprophylaxe
Allgemein
Ein Expositionsrisiko für eine Infektion mit dem Hepatitis-B-, Hepatitis-C- oder dem humanen
Immundefizienz-Virus (HBV, HCV, HIV) besteht, wenn es zu einer Verletzung der Haut, zum
mukokutanen Kontakt oder zu einer Berührung von nichtintakter Haut (Verletzungen,
Dermatitis) mit einem Gegenstand gekommen ist, der mit Blut oder einer anderen potenziell
infektiösen
Körperflüssigkeit
oder
Gewebe
kontaminiert
war.
Die
Zahl
der
Nadelstichverletzungen bei Personen, die in Deutschland im Gesundheitswesen arbeiten, wird
auf 500 000 pro Jahr geschätzt.
Infektionsrisiko
Das Infektionsrisiko ist abhängig von der Infektiösität der übertragenen Körperflüssigkeit und
der Empfindlichkeit der Infektionsstelle. Das Risiko der Übertragung einer HCV- oder HIVInfektion scheint nach einer Verletzung mit blutgefüllten Hohlnadeln höher zu sein als nach
einer Verletzung mit Hohlnadeln, die zu Injektionen verwendet wurden oder mit Nadeln ohne
Hohlraum.
Infektiösität der Viren außerhalb des menschlichen Körpers
Das HBV ist stabil gegenüber Austrocknen, einfachen Detergenzien, Alkohol und
Temperaturschwankungen und nach mehr als sieben Tagen auf Oberflächen noch infektiös.
Durch Erhitzen auf 98 ° C sowie durch intermediäre Detergenzien kann das HBV inaktiviert
werden. Das Hepatitis-C-Virus verliert bei Raumtemperatur rasch an Aktivität, daher ist eine
Übertragung über Kontaminationen der Umwelt selten. Die Infektiösität des HI-Virus sinkt
innerhalb weniger Stunden in der Trockenheit um 90 bis 99 Prozent, infektiöse Partikel können
jedoch über mehrere Tage nachgewiesen werden. Das HI-Virus ist empfindlich gegenüber
zahlreichen Desinfektionsmitteln. Ein Übertragungsrisiko von HIV über kontaminierte
Oberflächen scheint gering zu sein.
Vorgehen nach der Exposition
Nach dem Kontakt mit Blut oder einer anderen möglicherweise kontaminierten Flüssigkeit sollte
die betroffene Haut- oder Schleimhautpartie gründlich mit Wasser und gegebenenfalls Seife
gewaschen werden. Es gibt keine Beweise dafür, dass eine lokale Behandlung mit Antiseptika
oder das Auspressen von Flüssigkeit aus einer Wunde die Infektionsgefahr verringert. Eine
Injektion von Antiseptika oder Desinfektionsmitteln beziehungsweise eine Kauterisierung der
betroffenen Hautpartie wird nicht empfohlen. Nach beruflichem Kontakt mit einer potenziell
infektiösen Flüssigkeit sollte in jedem Fall ein Durchgangsarzt-Verfahren eingeleitet werden.
Untersuchungen der Infektionsquelle
Bei bekannter Infektionsquelle sollte bei der entsprechenden Indexperson ein Test auf HBsAg,
Anti-HCV und Anti-HIV vorgenommen werden. Bei positiven serologischen Testergebnissen
muss eine weitere Diagnostik sowohl der Infektionsquelle als auch des Exponierten erfolgen.
Besteht der begründete Verdacht auf eine kurz zurückliegende (akute) Infektion der
Infektionsquelle, kann unter Umständen nur eine molekulare Diagnostik ein Infektionsrisiko
ausschließen.
Untersuchung des Exponierten
Zur Feststellung des Infektionsstatus des Exponierten sollte möglichst bald nach einer
Exposition eine serologische Untersuchung auf HBsAg, Anti-HBs und Anti-HBc, Anti-HCV und
Anti-HIV veranlasst werden. Negative Ergebnisse schließen eine vorbestehende Erkrankung
weitgehend aus. Ein positives serologisches Ergebnis erfordert eine weiterführende Diagnostik.
Insbesondere bei positivem Anti-HCV sollte zur Unterscheidung einer bestehenden von einer
ausgeheilten Infektion eine molekulare Testung auf HCV-RNA erfolgen.
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Exposition gegenüber HBV
Potenzielle Infektionsquellen für eine Übertragung des Hepatitis-B-Virus sind HBsAg-Träger.
Bei Personen mit einer hochreplikativen Hepatitis-B-Virus-Infektion (HBV-DNA > 100 000
Kopien/ mL) sind Hepatitis-B-Viren auch in Speichel, Samenflüssigkeit und Vaginalsekret
nachweisbar (circa 1 000- bis 10 000fach geringere Viruskonzentrationen). Im Stuhl und Urin
kann das HBV in nur geringen Konzentrationen detektiert werden. Das Risiko, an einer akuten
Hepatitis B zu erkranken, ist abhängig von der Viruslast der Infektionsquelle und liegt nach der
Verletzung mit einer Hohlnadel bei bis zu 30 Prozent (Serokonversion bis 62 Prozent). Deshalb
sollten alle Personen, die mit Patienten oder infektiösen Materialien in Kontakt kommen, aktiv
immunisiert werden.
Vorgehen nach Exposition mit HBV-positivem Blut oder anderen infektiösen
Körperflüssigkeiten
Die Vorgehensweise nach einer beruflichen Exposition mit HBV-positivem Blut ist abhängig von
der serologischen Konstellation des Exponierten. Eine Bestimmung des Anti-HBs-Titers sollte
bei nicht oder nicht vollständig geimpften Personen, bei „Low-Respondern“ (Anti-HBs nach der
Grundimmunisierung < 100 IE/L), bei nie kontrolliertem Impferfolg sowie bei Personen mit
unbekanntem Serostatus erfolgen. Bei Exponierten mit unbekanntem Serostatus sollte zum
Ausschluss einer chronischen beziehungsweise abgelaufenen Infektion eine Untersuchung auf
HBsAg und Anti-HBc erfolgen sowie die Transaminasen bestimmt werden. Außerdem ist eine
weitere Untersuchung der Infektionsquelle (HBeAg, HBV-DNA quantitativ) angezeigt. Die
Ergebnisse sollten innerhalb von 48 h vorliegen.
Prophylaxe der Hepatitis-B-Infektion
Wenn bei der exponierten Person das Anti-HBs nach der Grundimmunisierung 100 IE/L betrug
und die letzte Impfung nicht länger als fünf Jahre zurückliegt oder wenn bei der exponierten
Person innerhalb der letzten zwölf Monate ein Anti-HBs-Titer von 100 IE/L gemessen wurde,
muss keine Postexpositionsprophylaxe (PEP) vorgenommen werden. Liegt die Impfung fünf bis
zehn Jahre zurück, sollte eine einmalige Boosterung erfolgen. Bei einer nicht oder nicht
vollständig geimpften Person, bei „Low-Respondern“, bei nie kontrolliertem Impferfolg sowie bei
Personen mit unbekanntem Serostatus ist das weitere Vorgehen vom Anti-HBs-Titer abhängig.
Personen, bei denen gerade ein Impfzyklus durchgeführt wird, sollten wie geplant weitergeimpft
und gegebenenfalls mit spezifischen Hepatitis-B-Immunglobulinpräparationen (HBIg) behandelt
werden.
Bei nicht geimpften Personen und Impf-Nonrespondern (Personen, bei denen sich nach
mindestens sechs Impfungen kein nachweisbarer HBs-Antikörpertiter gebildet hat) ist eine
Postexpositionsprophylaxe nach Kontakt mit dem Hepatitis-B-Virus hinsichtlich der
Infektionsprävention sehr effektiv. Eine passive Immunprophylaxe mittels spezifischer HepatitisB-Immunglobulinpräparationen (HBIg) sollte möglichst innerhalb von 24 Stunden nach
Exposition erfolgen. Eine aktive postexpositionelle Prophylaxe (Impfung) sollte ebenfalls
möglichst rasch (innerhalb von 24 h) nach der Exposition parallel zur passiven Prophylaxe
(Immunglobuline) vorgenommen werden.
Bei sicher HBsAg-negativer Infektionsquelle ist eine Postexpositionsprophylaxe nicht
erforderlich.
Exposition gegenüber HCV
HCV-RNA kann in Blut und anderen serösen Flüssigkeiten nachgewiesen werden. In sehr viel
niedrigeren Konzentrationen liegt das Virus im Speichel vor. Die Daten zum Nachweis von
HCV-RNA in Urin, Stuhl oder Vaginalsekret sind widersprüchlich. Das Risiko einer HCVInfektion nach einer Nadelstichverletzung mit HCV-positivem Blut liegt zwischen null und zehn
Prozent, wobei in den meisten Untersuchungen Infektionsraten um 1,5 bis 3 Prozent
beobachtet wurden. Bei Kontamination von Schleimhäuten mit HCV-RNA-positiven
Flüssigkeiten ist das Infektionsrisiko wesentlich geringer (< 0,1 Prozent).
Vorgehen nach Exposition mit HCV-positivem Blut oder anderen infektiösen
Körperflüssigkeiten
Eine Diagnostik auf eine HCV-Infektion nach beruflicher Exposition sollte nach perkutanem oder
mukosalem sowie nach Kontakt von nichtintakter Haut mit HCV-RNA-positivem Blut oder
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anderen infektiösen Körperflüssigkeiten erfolgen oder wenn der Infektionsstatus des
Indexpatienten unklar ist. Möglichst bald nach der Exposition sollte zur Dokumentation einer
nicht vorbestehenden Infektion des Exponierten eine Untersuchung von Anti-HCV, der
Transaminasen (GPT) und, bei positivem Ergebnis für Anti-HCV, ein Test auf HCV-RNA
vorgenommen werden. Bei negativem Anti-HCV-Test ist bei immunkompetenten Personen eine
vorbestehende Infektion nahezu ausgeschlossen. Nachweisbares Anti-HCV bei negativem
HCV-RNA-Test charakterisiert eine (spontan oder therapeutisch) ausgeheilte Hepatitis C. Diese
Personen sollten ebenfalls nachbeobachtet werden, weil Anti-HCV-Antikörper nicht protektiv
sind und eine HCV-Re-Infektion möglich ist.
Prophylaxe der Hepatitis-C-Infektion
Bislang stehen weder ein aktiver Impfstoff noch ein Anti-HCV-Immunglobulin zur passiven
Prophylaxe zur Verfügung. Die prophylaktische Gabe von Interferon-a nach einer
Nadelstichverletzung scheint eine HCV-Infektion nicht zu verhindern. Die prophylaktische Gabe
von Interferon-a und/oder Ribavirin nach einem Expositionsrisiko kann daher nicht empfohlen
werden. Die Initiierung einer Interferon-Monotherapie innerhalb der ersten drei Monate nach der
Infektion kann eine Chronifizierung der HCV-Infektion in den meisten Fällen verhindern. Da die
spontane Ausheilungsrate bei Patienten mit einer symptomatischen akuten Hepatitis C bei circa
50 Prozent liegt, ist ein Abwarten für drei Monate vertretbar. Patienten mit einer
asymptomatischen Hepatitis-C-Infektion sollten aufgrund einer Chronifizierungsrate von mehr
als 80 Prozent möglichst frühzeitig behandelt werden.
Exposition gegenüber HIV
Das Risiko einer HIV-Infektion nach perkutaner Exposition mit Blut von HIV-Infizierten liegt bei
etwa 0,3 Prozent. Eine Differenzierung der Risiken ist Abhängigkeit von der Art der Exposition.
Eine medikamentöse Prophylaxe senkt zwar statistisch das Infektionsrisiko, schließt aber eine
Infektion der exponierten Person nicht aus.
Vorgehen nach Exposition mit HIV-positivem Blut oder anderen infektiösen
Körperflüssigkeiten
Nach den Empfehlungen der Deutschen Aids-Gesellschaft sollte bei Stich- und
Schnittverletzungen der Blutfluss durch Druck auf das umliegende Gewebe verstärkt werden,
gleichzeitig eine intensive antiseptische Spülung (gegebenenfalls nur mit Leitungswasser)
erfolgen und ein antiseptisches Wirkstoffdepot auf der Basis von PVP-Jod/Alkohol angelegt
werden.
Bei Kontamination von geschädigter Haut oder der Augen wird ebenfalls eine intensive Spülung
mit nächstmöglich Erreichbarem wie zum Beispiel Wasser oder isotoner Kochsalzlösung,
eventuell PVP-Jodlösung (für das Auge: beispielsweise isotone wässrige PVP-Jodlösung 2,5prozentig) empfohlen. Bei diesen Empfehlungen ist zu berücksichtigen, dass weder
aussagekräftige
retrospektive,
noch
prospektive
Studien
zur
Effizienz
dieser
Verhütungsmaßnahmen vorliegen, noch in der Regel akut die PVP-Jodlösungen verfügbar sind.
Nach einer Exposition mit Blut oder anderen potenziell infektiösen Körperflüssigkeiten eines
bekannt HIV-positiven Patienten sollten Informationen zu dessen Infektionsstatus, Viruslast und
CD4-Zahlen sowie zu aktuellen und vorhergegangenen antiviralen Therapien und
Virusresistenzen eingeholt werden.
Indikation zur Prophylaxe der HIV-Infektion nach Exposition
Eine Postexpositionsprophylaxe sollte in jedem Fall bei HIV-Kontakten mit erhöhtem
Infektionsrisiko empfohlen werden. Im klinischen Alltag ist es oftmals eine Ermessensfrage, ob
eine HIV-Exposition wahrscheinlich ist und eine HIV-Prophylaxe begonnen werden sollte. In
Fällen, in denen die HIV-Infektion einer Indexperson unbekannt ist, sollte ein HIV-Schnelltest
erfolgen (Aufklärung, Einwilligung erforderlich!). Nur bei Nachweis oder hoher
Wahrscheinlichkeit (zum Beispiel Aids-definierende opportunistische Infektion) sollte eine
medikamentöse Postexpositionsprophylaxe unverzüglich begonnen werden. Die Indikation zur
PEP muss nach Vorliegen zusätzlicher Informationen (beispielsweise Resistenz) erneut,
gegebenenfalls in Zusammenarbeit mit Experten, überprüft werden. Ein aktiver Impfstoff sowie
eine Anti-HIV-Immunglobulinpräparation sind nicht verfügbar.
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Durchführung der HIV-Postexpositionsprophylaxe
Eine medikamentöse Prophylaxe sollte so früh wie möglich nach einer HIV-Exposition
begonnen werden. Die besten Ergebnisse sind bei einem Prophylaxebeginn innerhalb von 24
Stunden, besser noch innerhalb von zwei Stunden zu erwarten. Liegen bereits mehr als 72
Stunden zwischen der Exposition und dem möglichen Prophylaxebeginn, so kann nach
derzeitigem Kenntnisstand eine Prophylaxe nicht mehr empfohlen werden. Die
Postexpositionsprophylaxe sollte vier Wochen lang durchgeführt werden. Längere
Behandlungszeiträume sind insbesondere dann zu erwägen, wenn es zu einer Übertragung
großer Virusmengen gekommen ist und/oder der Zeitraum zwischen Exposition und
Prophylaxebeginn länger als 36 bis 48 Stunden war.
Modifiziert nach Dtsch Arztebl 2005; 102(33): A-2234 / B-1884 / C-1784
Die Postexpositionsprophylaxe unterliegt einem ständigen Wechsel der Behandlungsempfehlungen angepasst an den jeweils letzten Stand der HIV Forschung. Damit ist die
Bevorratung der Medikamente und das erreicht einen fachkompetenten Arzt in den regulären
Krankenhäusern des Kreises nicht gewährleistet und nicht sinnvoll.
Aus diesem Grund wurde nach Rücksprache mit der HIV Ambulanz der Universitäts- Kliniken in
Frankfurt oder Gießen vereinbart, dass alle “PEP-Fälle“ sich direkt an diese Ambulanz wenden
können. Hier gibt es erfahrene Ärzte und die entsprechenden Medikamente:
KLINIKUM DER
JOHANN WOLFGANG GOETHE - UNIVERSITÄT
Medizinische Klinik II: Infektiologie, Therapie der HIV-Erkrankung
Direktor: Prof. Dr. H. Serve
Theodor-Stern-Kai 7, Haus 68
60590 Frankfurt am Main
Tel.: 069 / 6301-5194
Fax: 069 / 6301-7326
HIV-Ambulanz
Tel.: 069 / 6301-7680
Fax: 069 / 6301-5712
http://www.hivcenter.de/
JUSTUS LIEBIG UNIVERSITÄT GIESSEN
Medizinische Klinik und Poliklinik II
Infektiologie, Schwerpunkt HIV
Direktor: Professor Dr. Werner Seeger
Paul-Meimberg-Str. 5
35392 Giessen
Tel.: 0641 99 42351
Fax: 0641 99 42359
Infektionsstation / Station 15
Tel.: 0641 / 99-42674 / -42677
FAX: 0641/99 42679
Infektiologie - Ambulanz
Klinikstraße 36
35392 Giessen
Tel.: 0641/99 42376
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Influenza
Die Grippe ist eine akute, meist in Epidemien während der kalten Jahreszeit auftretende
schwere Erkrankung, die von der gewöhnlichen Erkältung bzw. dem grippalen Infekt zu
unterscheiden ist. Sie wird durch Influenza-Viren mit großer genetischer Variabilität ausgelöst
und kann tödlich enden, vor allem bei alten Personen und Personen mit Vorerkrankungen der
Lunge oder des Herzens. Die Symptome sind hohes Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen sowie
Husten, Heiserkeit und Halsschmerzen. Häufig kommt es zusätzlich zur bakteriellen Infektion
der angegriffenen Schleimhäute. Die Folgen sind z.B. eine Lungenentzündung oder eine
Entzündung des Herzmuskels. Die eindeutige Diagnose ist vor allem im Anfangsstadium
schwierig, da die Symptome einer einfachen Erkältungskrankheit ähnlich sein können. Für eine
Influenza sprechen aber ein plötzlicher Krankheitsbeginn und ein schweres allgemeines
Krankheitsgefühl.
Heutzutage existiert eine Reihe von Medikamenten, die eine über die symptomatische
hinausgehende Grippetherapie ermöglichen. Eine neue spezifische Therapiemöglichkeit stellen
die sog. Neuraminidasehemmer (z.B. Tamiflu) dar. Diese Wirkstoffe blockieren die Wirkung des
viralen Enzyms Neuraminidase, welches für die Freisetzung neuer Viruspartikel aus infizierten
Zellen und damit für die Ausbreitung des Virus nötig ist. Eine Therapie sollte so früh wie möglich
innerhalb von zwei Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen.
Definition/Allgemeines
Die Bezeichnung Grippe stammt aus dem Französischen und hat eigentlich die Bedeutung von
"Grille" oder "Laune". Sie ist wahrscheinlich auf das plötzliche, sprunghafte Auftreten der
Erkrankung zurückzuführen. Der Begriff Influenza ist vom lateinischen influere abgeleitet und
bedeutet "sich einschleichen", "einfließen".
Eine Grippe bzw. Influenza ist eine akut auftretende, fieberhafte, durch Viren hervorgerufene
schwere Infektionskrankheit. Im Gegensatz zum grippalen Infekt, einer Erkältungskrankheit,
handelt es sich bei der Influenza um eine ernste Erkrankung, die häufig mit Komplikationen
verbunden ist und zum Tode führen kann. Sie tritt vor allem epidemisch auf, d.h. gehäuft zu
einer bestimmten Zeit an bestimmten Orten, und bevorzugt die kalte Jahreszeit. In größeren
Zeitabständen von ca. 15 bis 20 Jahren werden weltweite Ausbreitungen, so genannte
Pandemien, beobachtet.
Die schwerste heute bekannte Pandemie war die von Spanien ausgehende Spanische Grippe
von 1918/1919. Damals erkrankten weltweit etwa 500 Millionen Menschen. Man nimmt an, dass
etwa 22 Millionen Menschen an der Influenza verstarben. Die nächste verheerende Pandemie
nahm 1957 ihren Ausgang in Asien (Asiatische Grippe). Die Hongkong-Grippe (1968/1969)
forderte zusammen mit der Russischen Grippe von 1977 etwa 1,5 Millionen Tote (Zahlen nach
WHO).
Die letzte größere Pandemie wurde 1989 in Großbritannien und Frankreich beobachtet. Als
1997 in Hongkong innerhalb kürzester Zeit sechs Menschen an einer Grippe, verursacht durch
ein von Geflügel auf den Menschen übergesprungenes Virus, verstarben, konnte der Ausbruch
einer Pandemie nur durch eine Notschlachtung des Geflügels verhindert werden. Das Auftreten
der Pandemien ist auf die Besonderheiten der Influenzaviren zurückzuführen. Diese können
bevorzugt in Geflügel (Hühner und Enten) aber auch in Schweinen überleben, ohne allerdings
eine Erkrankung der Tiere hervorzurufen. Gerade in asiatischen Ländern, wo Mensch und Tier
häufig auf engstem Raum zusammenleben, können diese Viren sehr leicht auf den Menschen
übergreifen.
Erreger
Die Grippe wird durch Influenza-Viren der Typen A,
Die hohe genetische Variabilität der Influenza Abzw. pandemische Auftreten der Influenza
Viren der Typen B und C eher einzelne
bedingen. Treten neue Antigenvarianten der Viren
Immunität in der Bevölkerung durch früher
Grippeerkrankungen.
Umso
wichtiger
sind
B und C hervorgerufen.
Viren ist für das epiverantwortlich, während
Erkrankungen
auf,
besteht
keine
durchgemachte
Schutzimpfungen.
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Infektionsweg
Die Influenza wird durch Tröpfcheninfektion, d.h. durch Niesen, Husten, Sprechen, sowie
direkten Kontakt, z.B. Händegeben oder Küssen, übertragen. Die Viren besiedeln die
Schleimhäute der oberen Luftwege. Es handelt sich um eine Oberflächeninfektion, da sich die
Viren in den Zellen der Schleimhäute vermehren und diese bevorzugt schädigen. Influenzaviren
vom Typ A kommen auch bei Säugern (z.B. Schweine) und Vögeln vor. Typ B tritt nur beim
Menschen auf.
Inkubationszeit
Die Zeit von der Infektion bis zum Auftreten erster Symptome beträgt wenige Stunden bis drei
Tage.
Ansteckungsmöglichkeit
Ein Mensch, der sich mit dem Influenzavirus infiziert hat, ist bereits in der Inkubationszeit, wenn
also bei ihm selbst noch keine Symptome aufgetreten sind, ansteckend. Diese
Ansteckungsgefahr besteht in der Regel drei bis fünf Tage nach dem Auftreten der Symptome,
Kinder können den Virus sogar bis etwa sieben Tage nach Eintritt der Symptomatik
weitergeben.
Symptome
Die Erkrankung beginnt plötzlich mit einem steilen Fieberanstieg, oft von Frösteln und
Schweißausbrüchen begleitet. Zusätzlich treten schwere Kopf- und Gliederschmerzen auf; die
Patienten fühlen sich schwer krank. Durch die Virusvermehrung in den oberen Luftwegen
kommt es zu Reizhusten, Heiserkeit, Halsschmerzen, häufig auch zu Schmerzen hinter dem
Brustbein. Infolge der Schleimhautschädigung besteht die Gefahr bakterieller Superinfektionen.
Können diese vermieden werden, ist eine unkomplizierte Grippe nach etwa einer Woche
ausgestanden. Zusätzlich treten häufig bakterielle Superinfektionen auf, bevorzugt durch
Haemophilus Influenzae, Staphylo-, Strepto- und Pneumokokken. Als Folge davon kommt es zu
Lungenentzündungen, Mittelohrentzündungen oder Entzündungen des Herzmuskels. Seltener
werden Übergriffe der Erkrankung auf den Magen-Darm-Trakt und das Zentralnervensystem
beobachtet.
Diagnose
Im Gegensatz zu einer einfachen Erkältung oder einem grippalen Infekt, beginnt die echte
Grippe sehr plötzlich, meist aus dem vollen Wohlbefinden heraus. Weitere Symptome sind
hohes Fieber, Kopfschmerzen, Muskel- und Gliederschmerzen, trockener Husten und
Schüttelfrost. Ist dem Arzt bekannt, dass sich Influenza-Viren in der Region ausbreiten, erhöht
dies die Sicherheit der Diagnose. Bei unkompliziertem Verlauf der Grippe ist eine
Labordiagnostik nicht notwendig. Liegt eine schwere Erkrankung vor oder treten Komplikationen
auf, werden Laboruntersuchungen notwendig.
Komplikationen
Die Komplikationen der Grippe entwickeln sich größtenteils aus den bakteriellen
Superinfektionen. So können als Folge einer Lungenentzündung Abszesse in der Lunge
entstehen. Zu den Lungenkomplikationen können Komplikationen am Herz-Kreislauf-System,
wie z.B. Herzrhythmusstörungen, Herzinsuffizienz, Lungenödem oder ein Kreislaufschock,
hinzukommen, die ihrerseits zum Tod des Patienten führen können. Nicht zu vergessen ist die
lebensbedrohliche Gehirnentzündung. Die Auswirkungen der Komplikationen hängen in
starkem Ausmaß vom Gesundheitszustand jedes Einzelnen ab. Alte Menschen, Schwangere
sowie Menschen mit Vorerkrankungen der Atemwege oder des Herzens sind besonders
gefährdet. Allerdings wurden auch Epidemien beobachtet, die insbesondere bei jüngeren
Menschen mit einer hohen Sterblichkeit einhergingen.
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Therapie
Mit den Neuraminidasehemmern existieren heutzutage Medikamente, die eine kausale
Grippetherapie ermöglichen. Diese Wirkstoffe blockieren die Wirkung des viralen Enzyms
Neuraminidase, welches für die Freisetzung neuer Viruspartikel aus infizierten Zellen und damit
für die Ausbreitung des Virus nötig ist. Neuraminidasehemmer wirken gegen Influenza A und B,
nicht gegen C. Die kausale Therapie der Grippe sollte so früh wie möglich innerhalb von zwei
Tagen nach Einsetzen der Symptome beginnen. zentralnervöse Nebenwirkungen hervorrufen,
darüber hinaus kann es zur Resistenzentwicklung kommen.
Liegt bei einem Grippepatienten zusätzlich eine bakterielle Superinfektion vor, ist der Einsatz
entsprechender Antibiotika indiziert, insbesondere Komplikationen, wie eine aufgepfropfte
bakterielle Lungenentzündung, erfordert eine unverzügliche spezifische Antibiotikatherapie.
Zusätzlich kann die Virusgrippe bei Bedarf symptomatisch behandelt werden. In der Regel wird
ein
schmerzlinderndes
und
fiebersenkendes
Präparat
verordnet
z.B.
ein
acetylsalicylsäurehaltiges Präparat (ASS). Neben Schmerzmitteln können je nach Symptomatik
Hustensäfte, Nasentropfen oder andere Medikamente rezeptfrei in Apotheken erworben
werden.
Vorsicht: Bei Kindern mit viralen Infekten dürfen keinesfalls Salicylate gegeben werden, da hier
die Gefahr eines Reye-Syndroms besteht. Das Reye-Syndrom ist eine lebensgefährliche
Erkrankung in deren Verlauf es zu diffusen Hirnschäden in Kombination mit einer fettigen
Degeneration der Leber kommt. Während im Frühstadium eine Heilung noch möglich ist, hat
das Vollbild der Erkrankung eine Sterblichkeit von 70 %! Kinder, die eine dauerhafte
Salicylatmedikation erhalten, sollen deshalb in jedem Falle gegen Grippe geimpft werden.
Zusätzlich zur medikamentösen Therapie sollten einige allgemeine Regeln beachtet werden.
Sehr wichtig sind einige Tage Bettruhe in der akuten Phase und körperliche Schonung im
Anschluss daran. Inhalationen mit Kamille oder Salzlösungen sind gut für die Atemwege,
Gurgeln und heiße Getränke lindern eine mögliche Rachenentzündung. Bei Entzündungen und
insbesondere Fieber ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr sehr wichtig, da der Körper viel
Flüssigkeit verliert, es sollte also besonders viel getrunken werden. Ungeeignet sind Getränke,
die den Körper zusätzlich entwässern wie Alkohol, Kaffee und schwarzer Tee.
Letalität
Die Letalität bei der Grippeerkrankung ist zu einem guten Teil durch die bakteriellen
Superinfektionen und die daraus resultierenden Komplikationen bedingt. Genaue Zahlen
existieren nicht. Die Letalität ist jedoch bei Risikopatienten besonders hoch.
Prophylaxe
Die Prophylaxe besteht in einer Schutzimpfung. Diese ist jährlich zu erneuern, da ständig neue
Antigenstrukturen auftreten können. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dazu ein
zentrales Meldesystem aufgebaut, um sofort mit der Entwicklung eines neuen Impfstoffes
reagieren zu können, wenn ein "neues" Virus auftaucht. Die empfohlenen Impfstoffe stellen eine
Mischung dar, die gegen verschiedene Influenza-Viren wirksam sind. Die Impfung sollte vor
Beginn der Grippesaison im Oktober erfolgen. Mit der Impfung gelingt es, ca. 80 bis 90 % der
Geimpften vor einer Erkrankung zu schützen oder aber zumindest einen milden,
komplikationslosen Verlauf zu erreichen. Eine solche Grippe-Schutzimpfung schützt allerdings
nicht vor einem grippalen Infekt (Erkältung).
Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) sollten sich folgende
Personengruppen impfen lassen (Stand 2003):
•
•
•
•
Alle Menschen über 60 Jahre
Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer erhöhten gesundheitlichen Gefährdung
infolge eines Grundleidens: z. B. chronische Lungen-, Herz-Kreislauf-, Leber- und
Nierenkrankheiten, Diabetes und andere Stoffwechselkrankheiten, Immunschwäche,
HIV-Infektion
Bewohner von Alters- oder Pflegeheimen
Personen mit erhöhter Gefährdung, z.B. medizinisches Personal, Personen in
Einrichtungen mit umfangreichem Publikumsverkehr
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Keratokonjunctivitis (Adenoviren)
Erreger
Adenoviren gehören zur Familie der Adenoviridae. Es handelt sich um unbehüllte DoppelstrangDNA-Viren mit einem Durchmesser von 90–100 nm. Sie bestehen aus einem Proteinkapsid,
das gruppen- und typspezifische Antigene enthält. Adenoviren sind sehr umweltresistent und
bei Zimmertemperatur u.U. über Wochen infektiös. Adenoviren sind für eine Vielzahl von
Krankheitsbildern verantwortlich. In den meisten Fällen handelt es sich um okuläre,
respiratorische und gastrointestinale Infektionen (auch Harnwegsinfektionen, Hepatitiden und
Meningoenzephalitiden sind möglich).
Typische, durch humanpathogene Adenoviren verursachte Krankheitsbilder:
Keratoconjunctivitis epidemica (Typen 8, 19, 37)
Akute respiratorische Erkrankungen (Typen 1–3, 4, 6, 7, 14, 21)
Pharyngokonjunktivalfieber (Typen 3, 7, 14)
Follikuläre Konjunktivitis (Typen 3, 4, 7)
Gastroenteritiden (Typen 40, 41, 31)
Gastroenteritiden mit mesenterialer Lymphadenopathie (Typen 1, 2, 5, 6)
Pneumonien (Typen 1–4, 7)
Pharyngitis, akut, febril (Typen 1–3, 5–7)
Unter den Manifestationen am Auge besitzt die epidemische Keratokonjunktivitis eine
erhebliche praktische Bedeutung als nosokomiale Infektion, dies gab Veranlassung zur
Einführung der Meldepflicht gemäß § 7 (1) IfSG.
Vorkommen
Adenovirus-Infektionen sind weltweit verbreitet. Jahreszeitliche Häufungen sind nicht
erkennbar. Nicht selten kommt es insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen zu örtlich
gehäuftem Auftreten bis hin zu Kleinepidemien. Die auf dem Meldeweg erfassten,
labordiagnostisch bestätigten Fälle geben nur einen Bruchteil der tatsächlichen Morbidität
wieder, weil die Diagnose häufig nur klinisch gestellt wird.
Seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 wurden an das Robert Koch-Institut für Deutschland
132 Fälle für das Jahr 2001, 82 Fälle für das Jahr 2002 und 397 Fälle für das Jahr 2003
übermittelt. Der Anstieg der Fallzahlen im Jahr 2003 ist auf mehrere Ausbrüche zurückzuführen,
wobei besonders hohe Erkrankungszahlen durch einen Ausbruch, der von zwei
Augenarztpraxen ausging, aufgetreten sind.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Reservoir.
Infektionsweg
Die Keratoconjunctivitis epidemica wird überwiegend durch Schmier- (gelegentlich auch
Tröpfchen)infektion übertragen. Praktisch wichtige Übertragungsfaktoren sind die
kontaminierten Hände sowie kontaminierte Gegenstände wie z.B. Handtücher in
Gemeinschaftswaschräumen und in Praxen und Kliniken bei der Betreuung Erkrankter,
kontaminierte Instrumente, kontaminierte Tropfpipetten und Augentropfen. Eine Ansteckung
kann auch direkt von Mensch zu Mensch durch eine Übertragung von Augensekreten erfolgen.
Die follikuläre Konjunktivitis und das Pharyngokonjunktivalfieber können auch durch
kontaminiertes Schwimmbadwasser übertragen werden. Es besteht eine allgemeine
Empfänglichkeit.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 5–12 Tage.
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Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckung ist möglich, solange das Virus in Sekreten nachweisbar ist, in der Regel
während der ersten 2 Wochen der Erkrankung (in der Literatur werden auch Zeiten bis zu 3
Wochen beschrieben).
Klinische Symptomatik
Die durch Adenoviren verursachten Konjunktivitiden werden in Abhängigkeit von dem
verursachenden Serotyp in folgende Krankheitsbilder unterteilt:
Die hoch kontagiöse epidemische Adenovirus-Keratokonjunktivitis wird am
häufigsten im Rahmen nosokomialer Infektionen durch verunreinigte Instrumente (z.B.
Tonometer in der Augenklinik) verursacht. Sie tritt in allen Altersgruppen auf. Das
klinische Bild ist durch einen plötzlichen Beginn mit Rötung, ringförmiger
Bindehautschwellung sowie präaurikulärer Lymphknotenschwellung gekennzeichnet.
Subjektive Beschwerden sind Fremdkörpergefühl, Lichtscheu, Juckreiz und
Tränenfluss. Die ödematöse Schwellung der Lider führt zu einer entzündlichen Ptosis.
Nach etwa einwöchigem Krankheitsverlauf kann es in wechselnder Häufigkeit
(zwischen 20 und 90 %) zu einer Beteiligung der Kornea in Form einer
Keratoconjunctivitis superficialis punctata mit Epitheldefekten kommen. Des Weiteren
können feine Hornhautinfiltrate subepithelial in den obersten Stromaschichten auftreten.
Die Konjunktivitis klingt in der Regel in der 2. bis 4. Woche ab, während die zarten
Hornhauttrübungen noch längere Zeit nachweisbar bleiben. Es kommt jedoch fast
immer zur vollständigen Ausheilung, nur gelegentlich kann sich eine Visusminderung
entwickeln.
Das Pharyngokonjunktivalfieber tritt epidemisch bei Vorschul- und Schulkindern auf
und nur vereinzelt bei Erwachsenen. Es ist durch Pharyngitis, Rhinitis, zervikale
Lymphadenopathie, Fieber sowie eine – im Vergleich zur Keratoconjunctivitis epidemica
– milder verlaufende uni- oder bilateral auftretende follikuläre Konjunktivitis
gekennzeichnet. In schweren Fällen kann es zur Pneumonie kommen.
Die follikuläre Konjunktivitis tritt sporadisch oder epidemisch bei Kindern und jungen
Erwachsenen auf und hat in der Regel einen milden Verlauf. Es kann zur Konjunktivitis
beider Augen, verbunden mit präaurikulärer Lymphknotenschwellung kommen.
Kleinkinder und Kinder erkranken häufiger und schwerer.
Im Anschluss an eine Adenovirus-Infektion bildet sich eine serotypspezifische Immunität unter
Bildung neutralisierender Antikörper. Wegen der Typenvielfalt sind aber wiederholte
Adenovirus-Infektionen möglich. Im Rahmen immunsuppressiver Maßnahmen können
Adenovirus-Infektionen reaktiviert werden. Bei schwerer Immunsuppression sind sehr selten
lebensbedrohliche disseminierte Infektionen mit multiplen Organbeteiligungen möglich.
Diagnostik
Der direkte Virusnachweis kann mittels Nukleinsäurenachweis, Antigennachweis aus dem
Konjunktivalabstrich oder Virusisolierung in Zellkulturen erfolgen.
Therapie
Eine spezifische Therapie steht nicht zur Verfügung, so dass ausschließlich symptomatisch
behandelt werden kann.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Eine aktive oder passive Immunisierung ist nicht möglich. Zur Prävention eignen sich in erster
Linie Hygienemaßnahmen, um Schmierinfektionen zu vermeiden. Dabei ist die
ordnungsgemäße Desinfektion der Hände und Instrumente sowie der sachgerechte Umgang
mit augenärztlich verordneten Medikamenten (z.B. Tropfflaschen, Augensalben) von
wesentlicher Bedeutung.
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Desinfektion
Hände- und Flächendesinfektion:
Ärzte und Personal in Arztpraxen, Ambulanzen, Polikliniken und Krankenhäusern
müssen vor jeder Untersuchung oder Behandlung am Auge die Hände ordnungsgemäß
desinfizieren (s. Empfehlungen zur Händehygiene der Kommission für
Krankenhaushygiene und Infektionsprävention). Es ist zu bedenken, dass das Virus
auch über Türgriffe, Handläufe, Lichtschalter, Wasserarmaturen etc. übertragen werden
kann. Für Räume, in denen Patienten mit einer übertragbaren Konjunktivitis behandelt
werden, sind deshalb im Hygieneplan besondere Hinweise erforderlich.
Bei der Untersuchung von Patienten mit dieser Erkrankung oder dem Verdacht auf die
Erkrankung sind Schutzhandschuhe zu tragen.
Zur Hände- bzw. Flächendesinfektion werden als „viruzid“ * gekennzeichnete Mittel
empfohlen (z.B. aus der Desinfektionsmittel-Liste des Robert Koch-Institutes (RKI) wie
Chloramin T oder das Präparat Sterillium Virugard für die Händedesinfektion).
Instrumentendesinfektion:
Hierzu s.a. die Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und
Infektionsprävention zur Aufbereitung von Medizinprodukten.
Die Tatsache, dass die Erreger dieser Erkrankung durch augenärztliche Instrumente
übertragen werden können, unterstreicht die Bedeutung einer sachgerechten
Aufbereitung und des Einsatzes berührungslos arbeitender Geräte (z.B. Tonometer),
denen, wo immer möglich, der Vorzug gegeben werden sollte. Bei der Aufbereitung der
Instrumente sind die Hinweise der Hersteller zu beachten. So können auch
Beschädigungen der Instrumente vermieden werden.
Die Instrumente sind unmittelbar nach Gebrauch zu desinfizieren und sollten möglichst
so zerlegt werden, dass alle kontaminierten Oberflächen für das Desinfektionsmittel
zugänglich sind. Thermische Verfahren sollten, soweit anwendbar, bevorzugt werden.
Empfohlene Desinfektionsmaßnahmen:
- Anwendung eines thermischen Desinfektionsverfahren in Desinfektions- und
Reinigungsgeräten (93°C/5 Minuten).
- Einlegen in ein als „viruzid“* gekennzeichnetes Instrumentendesinfektionsmittel (z.B.
aus der Desinfektionsmittelliste des RKI).
- Gründliches Abreiben mit 80%igem Äthanol, der mindestens 5 Minuten auf die
kontaminierte Oberfläche einwirken soll.
Bei den beiden letztgenannten Maßnahmen sind die Angaben der Hersteller zur
Materialverträglichkeit zu beachten.
Auch die Teile von fest installierten Geräten, mit denen der Patient in Berührung
gekommen ist (z.B. Kinnstützen und Stirnstützen von Spaltlampen und die
dazugehörigen Griffe), müssen mit einem als „viruzid“* deklarierten Desinfektionsmittel
desinfiziert werden. Möglicherweise kontaminierte Wäsche (z.B. Handtücher) soll mit
einem thermischen Waschverfahren (90°C, 10 Min.) bzw. mit einem chemothermischen
Waschverfahren mit dem Wirkungsbereich AB (z.B. aus der Liste der geprüften und
anerkannten Desinfektionsmittel und -verfahren des RKI gemäß § 18 IfSG) behandelt
werden.
* Liegt die Deklaration eines Desinfektionsmittels als „viruzid“ wirksam noch nicht vor,
muss mindestens die Wirksamkeit gegen Adenoviren nachgewiesen sein (s.
Deklaration des Herstellers).
Umgang mit Medikamenten
Besondere Beachtung verdienen Tropfflaschen und Augensalben, welche nur für einen
Patienten bestimmt sind; sie dürfen keinesfalls von anderen benutzt werden. Werden mehrere
Patienten mit Präparaten aus ein und demselben Vorratsgefäß behandelt, so ist für jeden
Patienten eine eigene Tropfpipette bzw. ein eigener Applikator zu verwenden. Die benutzten
Pipetten und Applikatoren dürfen nicht wieder mit dem Inhalt des Vorratsgefäßes in Berührung
kommen; sie sind nach Gebrauch zu desinfizieren und zu reinigen.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Es sollte streng darauf geachtet werden, dass erkrankte Personen Handtücher und andere
Hygieneartikel, wie z.B. Waschlappen usw., separat benutzen. Die Patienten sollten
insbesondere angewiesen werden, jeglichen Hand-Augenkontakt (im Alltag etwa 14-mal pro
Tag!) zu vermeiden und eine sorgfältige Händehygiene zu betreiben.
Erkranktes medizinisches Personal ist infektiös und während bestehender klinischer
Symptome im Umgang mit Patienten nicht arbeitsfähig.
In Gesundheitseinrichtungen können in der Regel nach kurzer Zeit weitere Infektionen durch ein
geeignetes Hygieneregime verhütet werden. Im Falle übertragbarer Konjunktivitiden sind die
sachdienliche Information und Aufklärung der Patienten mit dem Ziel einer Prävention von
Infektionen im häuslichen Milieu besonders wichtig.
Patienten mit Verdacht auf eine übertragbare Konjunktivitis und solche, bei denen diese
Erkrankung diagnostiziert wurde, müssen in der ambulanten Praxis möglichst von den übrigen
Patienten getrennt und bei stationärem Aufenthalt isoliert werden.
Bei häuslichen Kontakten kann es in Abhängigkeit von den hygienischen Bedingungen zur
Übertragung der Erkrankung kommen. Kontaktpersonen sollen daher über das Krankheitsbild
und die präventiven hygienischen Maßnahmen informiert und beobachtet werden. Bei Auftreten
von Symptomen gelten die für manifeste Erkrankungen gemachten Angaben.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Werden in Kliniken oder anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens gehäuft Erkrankungen
beobachtet, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet
wird, sollte der Krankenhaushygieniker (oder ein anderer in Hygienefragen kompetenter Arzt)
informiert werden; mit ihm gemeinsam sollten Ermittlungen zur Infektionsquelle und zu
Übertragungsfaktoren durchgeführt und Maßnahmen zur Infektionsprävention eingeleitet
werden. Das Geschehen ist dem Gesundheitsamt nach § 6 (3) IfSG als Ausbruch
(nichtnamentlich) zu melden. Die frühzeitige Einbindung des Gesundheitsamtes erleichtert
vielfach, Zusammenhänge über die betroffene Einrichtung hinaus zu erkennen, eine Klärung
des Ausbruchs herbeizuführen und auch die Betroffenen sachgerecht zu informieren.
Auch Leiter von Kindergemeinschaftseinrichtungen i. S. des § 33 IfSG sind gemäß § 34 IfSG
Abs. 6 verpflichtet, dem Gesundheitsamt Ausbrüche mit entsprechenden Konjunktivitiden
anzuzeigen. Da wirksame Hygienemaßnahmen (s. oben) eine lückenlose Befolgung durch alle
Betroffenen voraussetzen, ist ihre Einhaltung in Kindergärten und Schulen in der Regel nicht
sicher zu gewährleisten. Als wirksame Präventionsmaßnahme kommt daher lediglich der
Ausschluss aller manifest Erkrankten in Betracht. Wegen der hohen Kontagiosität und der
variablen Dauer der Ausscheidung der Erreger (in der Regel 2 bis 3 Wochen ; s. oben Dauer
der Ansteckungsfähigkeit), sollte die Wiederzulassung von der Vorlage eines schriftlichen
ärztlichen Attestes abhängig gemacht werden (Augenarzt möglichst vorab telefon. informieren).
Meldepflicht
Nach § 7 (1) IfSG ist nur der direkte Nachweis von Adenoviren im Konjunktivalabstrich
meldepflichtig. (In einigen Bundesländern ist die epidemische Keratokonjunktivitis als klinisches
Bild meldepflichtig.) Nach § 6 (3) IfSG ist dem Gesundheitsamt unverzüglich das gehäufte
Auftreten nosokomialer Infektionen, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist oder vermutet wird, als Ausbruch nichtnamentlich zu melden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.03.2004
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Kopfläuse
Erreger
Kopfläuse sind stationäre Ektoparasiten des Menschen. Die Kopflaus
(Pediculus humanus capitis) ist ein flügelloses, ausgewachsen etwa 2,1–
3,3 mm großes, dorsoventral abgeplattetes Insekt. Sie lebt in der Regel
permanent auf ihrem Wirt im Kopfhaar. Bei massivem Befall können
gelegentlich auch andere behaarte Stellen des Oberkörpers (Bart,
Augenbrauen, Achselhaare) betroffen sein.
Läuse haben drei Paar mit klauenartigen Fortsätzen versehene Beine,
mit denen sie sich gut an den Haaren festhalten und fortbewegen
können, sowie Mundwerkzeuge, mit denen sie stechen und saugen können. Sie nehmen
mehrmals täglich Blut als Nahrung auf. Zugleich bringen sie Speicheldrüsensekrete in die
Wunde ein, die Fremdkörperreaktionen und häufig Juckreiz hervorrufen. Kopfläuse übertragen
in unseren Breiten keine Krankheitserreger. Sie verbreiten sich leicht weiter, falls dies nicht
verhindert wird.
Der Lebenszyklus der Kopflaus verläuft in mehreren Stadien vom Ei über drei Larven- bzw.
Nymphenstadien (0,8–2,1 mm groß) bis zur adulten Laus (Imago). Aus entwicklungsfähigen
Eiern, die in der Regel bis höchstens 1 cm von der Kopfhaut entfernt an den Haaren haften,
schlüpfen etwa 7–8 (6–10) Tage nach der Eiablage Larven. Diese werden nach etwa 9–11
Tagen geschlechtsreif. Vom Ei bis zur ersten Eiablage der Weibchen dauert es etwa 17–22
Tage. Befruchtete Weibchen heften ihre ovalen, 0,8 mm langen gedeckelten Eier (deren
sichtbare Chitinhüllen auch als Nissen bezeichnet werden) in der Regel nah der Kopfhaut
wasserunlöslich an die Haare. Im Laufe ihres etwa 4 Wochen währenden Lebens können sie
90–140 Eier produzieren. Da Kopfläuse sich sehr gut an die gleich bleibenden Bedingungen am
menschlichen Kopf angepasst haben (Temperaturoptimum um 28–29°C), werden sie getrennt
vom Wirt durch fehlende Blutmahlzeiten relativ schnell geschwächt und überleben bei
Zimmertemperatur in der Regel nicht mehr als 2 Tage, im Ausnahmefall 3 Tage.
Vorkommen
Kopfläuse sind weltweit verbreitet. Kopflausbefall hat nichts mit fehlender Sauberkeit zu tun, da
Kopfläuse durch das Waschen der Haare mit gewöhnlichem Shampoo nicht beseitigt werden.
Enge zwischenmenschliche Kontakte, insbesondere in Gemeinschaftseinrichtungen für Kinder
und Jugendliche, begünstigen die Verbreitung von Kopfläusen. Kopfläuse können während aller
Jahreszeiten gehäuft auftreten, wenn ihre Verbreitung durch mangelnde Kooperation oder
unzureichende Behandlung begünstigt wird.
Reservoir
Weil der Mensch die einzige Wirtsspezies ist, stellen Personen mit Kopflausbefall das Reservoir
für weitere Infestationen dar.
Infektionsweg
Läuse neigen von ihrer Natur her nicht dazu, ihren Lebensraum, den behaarten Kopf, zu
verlassen! Wenn eine Übertragung erfolgt, so hauptsächlich direkt von Mensch zu Mensch bei
engem Kontakt durch Überwandern der Parasiten von Haar zu Haar („Haar-zu-Haar-Kontakt“).
Gelegentlich ist die Übertragung aber auch indirekt möglich über Gegenstände, die mit dem
Haupthaar in Berührung kommen und die innerhalb einer kurzen Zeitspanne gemeinsam
benutzt werden (Kämme, Haarbürsten, Schals, Kopfbedeckungen – u.U. bis hin zum
Fahrradhelm, Kopfunterlagen u.a.). Läuse können mit ihren Klammerbeinen nicht springen
oder größere Strecken außerhalb des Wirtes zurücklegen. – Haustiere sind keine Überträger
von Kopfläusen.
Inkubationszeit
Eine Inkubationszeit im üblichen Sinn existiert nicht.
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Hygiene im Rettungsdienst
Seite 73 von 205
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Ansteckungsfähigkeit ist gegeben, solange die Betroffenen mit mobilen Läusen befallen und
noch nicht adäquat behandelt sind.
Von einzelnen Erstlarven, die an Tagen nach einer spezifischen Kopflausbehandlung u.U. noch
aus den Eiern schlüpfen können, geht zunächst keine akute Ansteckungsgefahr aus, sie sollten
jedoch innerhalb der folgenden Tage durch nasses Auskämmen mit einem Läusekamm entfernt
und durch eine obligate Wiederholungsbehandlung (s. Therapie) abgetötet werden.
Klinische Symptomatik
Die Stiche der Kopfläuse (in der Regel alle 4–6 Std.) können zu hochroten urtikariellen Papeln
und zum Leitsymptom Juckreiz mit entsprechenden Kratzeffekten (Exkoriationen und
Krustenbildung) führen. Durch bakterielle Superinfektionen kann das klinische Bild eines
(sekundär impetigenisierten) Ekzems (bevorzugt hinter den Ohren, am Hinterkopf und im
Nacken) entstehen. Weiterhin kann es zu regionalen Lymphknotenschwellungen kommen
(okzipitale und/oder zervikale Lymphadenitis).
Diagnostik
Die Diagnose wird bei einer systematischen Untersuchung des behaarten Kopfes durch den
Nachweis von lebenden Läusen, Larven oder entwicklungsfähigen – d.h. von der Kopfhaut
weniger als 1 cm entfernten – Eiern gestellt.
Es wird empfohlen, das mit Wasser und einer Haarpflegespülung angefeuchtete Haar mittels
eines Läusekamms zu untersuchen. Dies sind spezielle Kämme, deren Zinken nicht mehr als
0,2 mm voneinander entfernt und wenig elastisch sind, so dass die
Läuse oder Nissen besser erfasst werden. Zum Auffinden der Läuse
muss das Haar systematisch Strähne für Strähne gekämmt werden,
bis die Haarpflegespülung ausgekämmt ist (Reste werden
ausgespült). Der Kamm sollte so geführt werden, dass er von der
Kopfhaut aus fest zu den Haarspitzen heruntergezogen wird. Nach
jedem Kämmen sollte der Kamm sorgfältig auf Läuse untersucht werden (Abstreifen auf einem
hellen Handtuch ist günstig), evtl. gefundene Läuse müssen beseitigt werden. Um Larven zu
entdecken, kann eine Lupe hilfreich sein.
Adulte Läuse können dem Nachweis entgehen, wenn sich nur wenige Exemplare auf dem
Kopf befinden. Eier werden häufiger nachgewiesen, hier muss jedoch zwischen
entwicklungsfähigen und abgestorbenen Eiern bzw. leeren Eihüllen unterschieden werden.
Entwicklungsfähige Eier sind im Haar durch ihre gelbliche bis mittelbräunliche, ggf. leicht
gräuliche Färbung, schwerer zu finden. Sie haften am Haar meist nahe der Kopfhaut.
Besonders gut sind die Eier der Läuse hinter den Ohren sowie in der Schläfen- und
Nackengegend zu entdecken. Sie unterscheiden sich von Kopfschuppen oder
Haarspraypartikeln dadurch, dass sie sehr fest am Haar haften und nicht abgestreift werden
können. Die auffälligeren weißlichen bis perlmuttartig schimmernden leeren Eihüllen sind
leichter zu entdecken. Da Kopfläuse ihre Eier 1–2 mm entfernt von der Kopfhaut ablegen, die
Larven nach 6–10 Tagen schlüpfen und das Haar etwa 10 mm im Monat wächst, sind Eihüllen,
die weiter als 1 cm von der Kopfhaut entfernt sind, in der Regel leer.
Therapie
Eine optimale Behandlung besteht nach heutiger Auffassung in der Kombination chemischer,
mechanischer und physikalischer Wirkprinzipien, so dass synergistische Effekte genutzt werden
können:
1. Topische Behandlung mit pedikuloziden Substanzen
Am Tag der Diagnose (Tag 1) soll unter genauer Beachtung aller Hinweise der Hersteller mit
einem Insektizid behandelt werden. Mit pedikuloziden Substanzen wurden bei Kopflausbefall in
verschiedenen Studien Erfolgsraten von über 90% erzielt. Da Kopflausmittel nicht zuverlässig
alle Eier abtöten und in Abhängigkeit vom Mittel und dessen Anwendung Larven nach der
Erstbehandlung nachschlüpfen können, muss innerhalb eines engen Zeitfensters unbedingt
eine Wiederholungsbehandlung mit dem Kopflausmittel durchgeführt werden (am Tag 8, 9
oder 10, optimal: Tag 9 oder 10). Dieser enge zeitliche Rahmen ergibt sich, weil bis zum 7.
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bzw. 8. Tag noch Larven nachschlüpfen und ab dem 11. Tag junge Weibchen bereits neue Eier
ablegen können.
Gegenwärtig sind Präparate mit den Wirkstoffen Allethrin, Lindan, Permethrin bzw.
Pyrethrum als Arzneimittel für eine Kopflausbehandlung zugelassen. Lindan darf allerdings
nach einer Entscheidung der EU-Kommission ab 2008 in Medikamenten nicht mehr verwendet
werden.
Die Bekanntmachung von Mitteln und Verfahren zur Bekämpfung von tierischen Schädlingen
gemäß § 18 IfSG, die bei behördlich angeordneten Entwesungen anzuwenden sind, enthält u.a.
geprüfte, bei sachgerechter Anwendung zur Tilgung von Kopflausbefall geeignete Mittel.
Gegenwärtig sind Arzneimittel mit den pedikuloziden Wirkstoffen Pyrethrum, Allethrin, Lindan
bzw. Permethrin sowie ein Medizinprodukt („MOSQUITO Läuse-Shampoo“) in der Liste
aufgeführt (s. www.bvl.bund.de > Bedarfsgegenstände > Mittel zur Schädlingsbekämpfung).
Daneben gibt es weitere Arzneimittel und Medizinprodukte, über deren Wirksamkeit hier keine
Aussagen gemacht werden können, da sie bisher nicht ausreichend geprüft wurden.
Mögliche Fehler in der Behandlung, die das Überleben nicht nur von Eiern, sondern auch von
Larven oder Läusen begünstigen, sind
zu kurze Einwirkzeiten,
zu sparsames Ausbringen des Mittels,
eine ungleichmäßige Verteilung des Mittels,
eine zu starke Verdünnung des Mittels in triefend nassem Haar,
das Unterlassen der Wiederholungsbehandlung!
Resistenzen von Kopfläusen gegenüber Pyrethroiden wurden in Deutschland bisher nur
vereinzelt vermutet; repräsentative wissenschaftliche Untersuchungen zur Erfassung von
Resistenzen bei Kopfläusen gegenüber Insektiziden wurden hier jedoch bisher nicht
durchgeführt. Allerdings verpflichten die in anderen europäischen Ländern (z.B. Dänemark,
Großbritannien) und auch weltweit beobachteten Resistenzen, insbesondere 1gegen
Permethrin und Malathion (in Deutschland nicht als Läusemittel zugelassen), zu erhöhter
Aufmerksamkeit.
2. Nasses Auskämmen
„Nasses“ Auskämmen mit Haarpflegespülung und Läusekamm in 4 Sitzungen an den Tagen 1,
5, 9 und 13 führte bei 57% der behandelten Kinder zur Entlausung (Hill et al., 2005) und hat
somit nicht nur einen diagnostischen, sondern auch einen therapeutischen Wert. Während die
erste Sitzung die Entfernung adulter Läuse zum Ziel hat, sollen die folgenden dazu dienen,
nachgeschlüpfte Larven zu entfernen. Am Tag 17 sollte der Behandlungserfolg nochmals
überprüft werden (detaillierte Informationen zu dieser Vorgehensweise finden sich z.B. unter
www.pediculosis.de). Das Verfahren ist zeitaufwändig und erfordert viel Geduld von
„Behandlern“ und Betroffenen, in Kombination mit einer topischen Behandlung sichert es aber
eine hohe Erfolgsquote.
Empfohlenes Behandlungsschema bei Kombination beider Verfahren:
Tag 1: Mit einem Insektizid behandeln und anschließend nass auskämmen,
Tag 5: nass auszukämmen, um früh nachgeschlüpfte Larven zu entfernen, bevor sie mobil
sind,
Tag 8, 9 oder 10: erneut mit dem Insektizid behandeln, um spät geschlüpfte Larven
abzutöten,
Tag 13: Kontrolluntersuchung durch nasses Auskämmen,
Tag 17: evtl. letzte Kontrolle durch nasses Auskämmen.
Weitere Hinweise zur Therapie: Bezüglich der Anwendung und der möglichen
Nebenwirkungen sind die Angaben der Hersteller sorgfältig zu beachten. Bei fehlender
Erfahrung sollte ganz besonders bei der Behandlung von Kleinkindern ärztlicher Rat eingeholt
werden. Während der Schwangerschaft und in der Stillzeit, bei MCS-Syndrom (multiple
Überempfindlichkeit gegen chemische Substanzen) und Chrysantemenallergie wird empfohlen,
Kopfläuse rein mechanisch durch nasses Auskämmen mit dem Läusekamm zu entfernen.
Das mitunter empfohlene Abtöten von Läusen und Nissen durch die Anwendung von Heißluft,
z.B. mittels eines Föhns, ist unzuverlässig und kann zu erheblichen Kopfhautschädigungen
führen, so dass grundsätzlich davon abzuraten ist. Ebenso ist ein Saunaaufenthalt zur
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Abtötung der Läuse ungeeignet. – Bakterielle Superinfektionen bedürfen der ärztlichen
Behandlung.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Besonders in Gemeinschaftseinrichtungen und im Kindes- und Jugendalter muss immer mit
dem Auftreten von Kopfläusen gerechnet werden. Ihrer Ausbreitung kann dann durch
entsprechende Aufmerksamkeit und geeignete Maßnahmen verlässlich entgegengewirkt
werden. Erzieher und Betreuer sollten über ein Grundwissen bezüglich der notwendigen
Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung verfügen. Informationsmaterial sollte vorrätig sein.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Festgestellter Kopflausbefall erfordert ohne Zeitverzug (möglichst noch am Tage der
Feststellung – Tag 1):
bei den Personen mit dem Befall eine sachgerecht durchgeführte Behandlung mit
einem zugelassenen Arzneimittel oder einem Medizinprodukt, das zur Tilgung von
Kopflausbefall nachweislich geeignet ist, ergänzt durch sorgfältiges Auskämmen des
mit Wasser und Haarpflegespülung angefeuchteten Haars (s. Abschnitt Therapie);
bei den betroffenen Kontaktpersonen in Familie, Kindereinrichtungen, Schulen und
anderen Gemeinschaftseinrichtungen (gleiche Gruppe oder Klasse) eine Information
mit dem Ziel, eine Untersuchung und ggf. Behandlung zu veranlassen;
im Haushalt und Kindergarten/Kinderhort ergänzende Hygienemaßnahmen.
Nach der sachgerechten Anwendung eines zur Tilgung des Kopflausbefalls geeigneten Mittels,
ergänzt durch sorgfältiges Auskämmen des mit Wasser und Pflegespülung angefeuchteten
Haars mit einem Läusekamm, ist eine Weiterverbreitung auch bei noch vorhandenen vitalen
Eiern mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu befürchten.
Zur Verantwortung der Eltern: Wird bei einem Kind oder Jugendlichen Kopflausbefall
festgestellt, obliegt den Erziehungsberechtigten die Durchführung der genannten Maßnahmen.
Eltern sind gemäß § 34 Abs. 5 IfSG verpflichtet, der Gemeinschaftseinrichtung, die ihr Kind
besucht, Mitteilung über einen beobachteten Kopflausbefall, auch nach dessen Behandlung, zu
machen. Den Eltern sollte bewusst sein, dass das rasche Erkennen und Behandeln eines
Kopflausbefalls und die pflichtgemäße Mitteilung darüber eine Voraussetzung für die
erfolgreiche Verhütung und Bekämpfung in der Einrichtung sind. Die Erziehungsberechtigten
sollten auch die Durchführung der Behandlung bestätigen (ob diese elterliche Rückmeldung
mündlich oder schriftlich erfolgen soll, richtet sich nach den örtlichen Regelungen).
Eine „prophylaktische“ Mitbehandlung von Kontaktpersonen im häuslichen Milieu wird nicht
grundsätzlich empfohlen, sollte aber erwogen werden. Die Übertragungswahrscheinlichkeit bei
vorherigem engen Kontakt, aber auch die Kosten und potenzielle Nebenwirkungen sind zu
bedenken. Wenn Kontaktpersonen mitbehandelt werden, muss die Behandlung – wie
vorgeschrieben – wiederholt werden.
Nach § 34 Abs. 1 IfSG schließt festgestellter Kopflausbefall eine Betreuung oder eine Tätigkeit
in einer Gemeinschaftseinrichtung, bei der Kontakt zu den Betreuten besteht, zunächst aus.
Grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass Schulen und andere Gemeinschaftseinrichtungen für
Kinder und Jugendliche wieder besucht werden können, ist, dass Maßnahmen durchgeführt
wurden, die eine Weiterverbreitung mit hoher Sicherheit ausschließen, d. h. dass mit einem zur
Tilgung des Kopflausbefalls geeigneten Mittel korrekt behandelt wurde (Erstbehandlung).
Näheres zur Wiederzulassung siehe unter „Aufgaben in Gemeinschaftseinrichtungen“. – Das
Komplettieren der empfohlenen Behandlung an den Folgetagen wird auch nachdem die
Einrichtung wieder besucht werden darf vorausgesetzt.
Aufgaben in Gemeinschaftseinrichtungen: Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen sind
verpflichtet, das Gesundheitsamt über einen mitgeteilten oder selbst festgestellten
Kopflausbefall namentlich zu benachrichtigen (s.a. Melde- und Informationspflichten). Sie leiten
eigenverantwortlich die Maßnahmen ein, die geeignet sind, eine Weiterverbreitung des
Kopflausbefalls in der Einrichtung zu verhindern. Empfohlen wird eine Abstimmung des
Vorgehens mit der zuständigen Gesundheitsbehörde.
Wenn der Kopflausbefall während des Aufenthalts in einer Kindereinrichtung oder Schule
festgestellt wird und das betroffene Kind nicht anderweitig betreut werden kann, kann dem
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Verbleiben in der Einrichtung bis zum Ende des regulären Aufenthalts zugestimmt werden,
wenn enge Kontakte in den folgenden Stunden vermieden werden können.
Zur Wiederzulassung nach festgestelltem Kopflausbefall: In welcher Form der Nachweis,
dass eine Weiterverbreitung nicht mehr zu befürchten ist, erbracht werden muss, regeln die für
die Einrichtung zuständigen Behörden im Einvernehmen mit dem Gesundheitsamt. Mögliche
Bedingungen der Wiederzulassung sind das Einholen eines „ärztlichen Urteils“ auf der
Grundlage des § 34 Abs. 1 IfSG (in der Regel als ärztliches Attest) oder – sofern das
Gesundheitsamt die eine Ausnahme vom gesetzlich normierten, „automatischen“
Besuchsverbot (gemäß § 34 Abs. 7) grundsätzlich eingeräumt hat und die Leitung der
Einrichtung dies ebenfalls für ausreichend hält – eine Bestätigung der Sorgeberechtigten,
dass eine Behandlung korrekt durchgeführt wurde.
Dazu wird angemerkt: Der § 34 IfSG bezieht sich auf 21 verschiedene Infektionskrankheiten
und die „Verlausung“. Gegenüber diesen anderen Krankheiten, für die das IfSG ein
Instrumentarium verschiedener Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung vorsieht, nimmt
der Kopflausbefall eine Sonderstellung ein. Absicht des Gesetzgebers war es aber
offensichtlich, hier die ärztliche Kompetenz und Verantwortung einzubeziehen. Das gesetzlich
geforderte „ärztliche Urteil“ kann der Einrichtung dabei in verschiedener Form (z. B. als
ärztliches Attest, persönlich oder auch fernmündlich) und sowohl von niedergelassenen Ärzten
als auch von Ärzten im ÖGD übermittelt werden. Es sind allerdings auch folgende Erfahrungen
zu berücksichtigen: Der Nachweis von Kopfläusen erfordert zwar einige Grundkenntnisse, aber
keine spezielle medizinische Sachkunde. Die Mehrzahl der Diagnosen wird von Eltern gestellt,
die Mehrzahl der Behandlungen geschieht ohne ärztliche Konsultation, die zugelassenen Mittel
wirken bei korrekter Anwendung zuverlässig. Eine sorgfältige Untersuchung des nassen Haares
mit einem Läusekamm stellt zudem einen erheblichen Aufwand für eine Arztpraxis dar und
Kosten hierfür werden von den Krankenversicherungen zur Zeit nicht übernommen. Da als
sicher gilt, dass durch eine korrekt durchgeführte Behandlung mit einem zur Tilgung des
Kopflausbefalls geeigneten Mittels Kopfläuse in allen übertragbaren Entwicklungsstadien
abgetötet werden, besteht fachlicher Konsens, dass dann eine Weiterverbreitung der Kopfläuse
durch das betroffene Kind nicht mehr zu befürchten ist und der weitere Besuch von Schulen
und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen direkt nach einer solchen Behandlung, u. U. auch
ohne ärztliches Attest, gestattet werden könnte. So hat es sich als ein gangbarer Weg
erwiesen, dass das Gesundheitsamt diese Ausnahme als vertretbar zulässt und sie u. U. den
für die Kindergemeinschaftseinrichtungen Verantwortlichen als regelhafte Verfahrensweise
empfiehlt. Falls die Weiterverbreitung von Kopfläusen in einer Gemeinschaftseinrichtung zu
einem Problem wird, gewinnt das „ärztliche Urteil“ im Sinne des § 34 Abs. 1 IfSG an Bedeutung.
Wichtig ist, dass seitens einer Gemeinschaftseinrichtung, in der Kopflausbefall festgestellt
wurde, die Eltern der gleichen Gruppe oder Klasse, selbstverständlich anonym, über diese
Feststellung unterrichtet und zur Untersuchung ihrer eigenen Kinder aufgefordert werden. In
einer betroffenen Einrichtung sollten elterliche Rückmeldungen über durchgeführte
Kopflausuntersuchungen und ggf. Behandlungen registriert werden, um Untersuchungslücken
zu erkennen und schließen zu können. Je geringer die Kooperation der Eltern ist, desto größere
Aufgaben kommen auf die pädagogischen Kräfte der Einrichtung und auf die Mitarbeiter/-innen
des Gesundheitsamtes zu. Ziel sollte sein, alle mit Kopfläusen befallenen Kinder oder
Jugendlichen innerhalb der betroffenen Gruppen möglichst kurzzeitig zu finden und die
Kopflaustilgung bei allen betroffenen Personen zeitnah zu veranlassen.
Kinder, die in den ersten 3 Tagen nach Bekanntwerden des Kopflausbefalls keine elterliche
Rückmeldung vorgelegt haben, sollten möglichst ab dem 4. Werktag nach Bekanntwerden des
Kopflausbefalls untersucht werden. Es können auch Kontrolluntersuchungen innerhalb der
gesamten Gruppe sinnvoll sein. Die Besonderheiten und das relativ häufige Auftreten des
Kopflausbefalls bringen es nach den vorliegenden Erfahrungen mit sich, dass Personal einer
Einrichtung oft über die Sachkunde und auch die Bereitschaft verfügt, Kontrolluntersuchungen
bei einzelnen Kindern oder Gruppen zu übernehmen und damit die Gesamtheit der
Maßnahmen wirksam zu unterstützen. Falls diese Möglichkeit nicht besteht, wären mit dem
Gesundheitsamt die Möglichkeiten einer Unterstützung durch sachkundiges Personal zu
erörtern.
Die Eltern müssen durch Aufklärung und Anleitung zur Feststellung und Beseitigung eines
Kopflausbefalls in den gesamten Prozess der Verhütung und Bekämpfung in der Einrichtung
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intensiv einbezogen werden. Insbesondere sind sie über eventuelle Kontrolluntersuchungen in
der Einrichtung zu unterrichten und ist ihre Zustimmung einzuholen.
Aufgaben des Gesundheitsamtes: Das Gesundheitsamt wird durch die Benachrichtigung
über einen Kopflausbefall gemäß § 34 Abs. 6 IfSG in die Lage versetzt, seinen Beitrag zur
raschen Beendigung des Befalls zu leisten. Wenn anzunehmen ist, dass die Schule oder die
Kinderbetreuungseinrichtung der Übertragungsort war, ergibt sich für das Gesundheitsamt die
Aufgabe, sich um die betroffene Einrichtung zu kümmern – von der Beratung und der
Empfehlung von Maßnahmen über die Kontrolle der Durchführung der empfohlenen
Maßnahmen in der Einrichtung, u. U. bis hin zur Veranlassung der Untersuchung von Kindern.
Gerade beim Kopflausbefall erweist sich die Einbindung des Gesundheitsamtes als nützlich, um
eine sachlich richtige Information der Eltern und der pädagogischen Kräfte zu gewährleisten
und ihre wirkungsvolle Zusammenarbeit zu fördern. Bei Bedarf sollte geeignetes
Informationsmaterial bereitgestellt werden. Es kommt vor allem darauf an, über die Einrichtung
die aktive und sachgerechte Mitwirkung aller Eltern zu erreichen! Auf Ersuchen der Einrichtung
kann es auch sinnvoll sein, Mitarbeiter des Gesundheitsamtes in die direkte Kommunikation mit
den Erziehungsberechtigten aller Kinder der betroffenen Klasse/Kindergartengruppe
einzubeziehen (z. B. im Rahmen von Elternabenden).
Die Erfahrungen zeigen, dass es bei nicht sachgerechter und konsequenter Durchführung der
empfohlenen Maßnahmen zu einer weiteren Ausbreitung der Kopfläuse in einer
Gemeinschaftseinrichtung kommen kann. Eine derartige Situation sollte das Gesundheitsamt
rechtzeitig erkennen und die nötige Unterstützung z. B. durch bedarfsgerechte Hilfsangebote
sicherstellen.
Hygienemaßnahmen in Haushalt, Kindergarten und Kinderhort: Da Kopfläuse sich nur auf
dem menschlichen Kopf ernähren und vermehren können, sind Reinigungs- und andere
Maßnahmen von untergeordneter Bedeutung und dienen vorsorglich der Unterbrechung
eventuell möglicher Übertragungsvorgänge:
Kämme, Haarbürsten, Haarspangen und -gummis sollen in heißer Seifenlösung
gereinigt werden,
Schlafanzüge und Bettwäsche, Handtücher und Leibwäsche sollen gewechselt werden,
Kopfbedeckungen, Schals und weitere Gegenstände, auf die Kopfläuse gelangt sein
könnten, sollen für 3 Tage in einer Plastiktüte verpackt aufbewahrt werden. InsektizidSprays sind nicht nötig.
Dass diese Maßnahmen das Untersuchen und Behandeln der Personen im näheren Umfeld
des zuerst erkannten Trägers von Kopfläusen lediglich ergänzen, ergibt sich aus der Tatsache,
dass Kopfläuse mehrfach täglich Blut saugen müssen, um nicht auszutrocknen, und dass sie
ohne Nahrung nach spätestens 55 Stunden abgestorben sind.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Gehäuftes Auftreten von Kopflausbefall in einer Gemeinschaftseinrichtung ist ein
gesundheitliches Problem, dessen Lösung in besonderer Weise den medizinischen
Sachverstand des zuständigen Gesundheitsamtes erfordert. Prinzipiell sind die gleichen
Maßnahmen wie bei einem einzelnen Fall erforderlich, jedoch in größerem Umfang und mit
besonders zuverlässigen Kontrollmechanismen. Alle Eltern oder Angehörigen sollten
umfassend informiert werden. Das Gesundheitsamt legt in Abhängigkeit von der Situation und
im Einvernehmen mit der betroffenen Einrichtung und den Eltern die notwendigen Maßnahmen
fest; es unterstützt die Einrichtung ggf. bei deren Durchführung. In Kindereinrichtungen oder
Schulen können zusätzlich zur Ausgabe von Informationsmaterial Elternabende dazu beitragen,
die Mitwirkung vieler Eltern in kurzer Zeit zu gewährleisten.
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Melde- und Informationspflichten
Es besteht keine ärztliche Meldepflicht gemäß § 6 IfSG. Leiterinnen und Leiter von
Kinderkrippen,
-gärten,
-tagesstätten,
-horten,
Schulen
oder
sonstigen
Ausbildungseinrichtungen sowie von Heimen und Ferienlagern sind nach § 34 Abs. 6 IfSG
verpflichtet, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über einen festgestellten
Kopflausbefall zu benachrichtigen und personenbezogene Angaben zu machen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 13.07.2007
Fazit:
Läuse kann man durch konsequente Behandlung loswerden. Bei Fragen bitten an den
Fachdienst wenden.
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Kryptosporidiosen
Erreger
Erreger der Kryptosporidiose ist Cryptosporidium parvum (Protozoa, Sporozoa), ein obligat
intrazellulärer Erreger, der den Kokzidien zugeordnet wird. Von den vier bekannten Spezies
führen zwei (C. muris und C. parvum) zu Erkrankungen bei Säugetieren. Cryptosporidium sp.
wurde im Jahr 1976 erstmals als humanpathogen beschrieben. Die Erreger der
Kryptosporidiose bilden Oozysten, welche die infektiöse Form darstellen und eine Größe von
etwa 4 x 20 µm besitzen. Die in ihnen liegenden Sporozoiten, die die Infektion hervorrufen (s.
Infektionsweg), sind mit etwa 5 µm sehr klein.
Durch das gehäufte Auftreten bei AIDS-Patienten und die verbesserte Diagnostik wurden
Kryptosporidien als Auslöser von Infektionen des Intestinaltraktes auch bei immunkompetenten
Personen erkannt.
Vorkommen
Kryptosporidien sind weltweit verbreitet.
Verschiedene Studien haben in Industriestaaten bei gesunden Individuen in bis zu 0,2 % der
Fälle Kryptosporidien im Stuhl nachgewiesen und bei etwa 2 % der Patienten mit Durchfällen.
Bei HIV-infizierten Personen mit Durchfällen wurden in 14 % bis 24 % Kryptosporidien
nachgewiesen, bei asymptomatischen HIV-Infizierten in bis zu 5 %. In Entwicklungsländern liegt
die Prävalenz der Kryptosporidien sehr viel höher, sie kann in bestimmten ländlichen Gegenden
über 9 % liegen. Die Seroprävalenz beträgt in den USA 17 % bis 32 %, in Entwicklungsländern
5 0% bis über 90 %. Kinder im Alter von 6 bis 24 Monaten erkranken besonders häufig.
Bei einem Ausbruch durch infiziertes Trinkwasser in Milwaukee im Jahr 1993 erkrankten
400.000 Menschen.
In Deutschland besteht seit Einführung des IfSG im Jahr 2001 eine Meldepflicht. So wurden
1.481 Kryptosporidiosen im Jahr 2001, 817 Erkrankungsfälle im Jahr 2002 und 885
Erkrankungsfälle im Jahr 2003 übermittelt.
Reservoir
Kryptosporidien wurden bei mehr als 40 Wirbeltierarten festgestellt, das Reservoir stellen
insbesondere Rinder, Pferde, Ziegen und Schafe, aber auch Hunde, Katzen und Vögel dar.
Infektionsweg
Sporozoiten enthaltende Oozysten werden vom infizierten Wirt fäkal ausgeschieden. Die
Infektion erfolgt überwiegend durch die Aufnahme von kontaminiertem Wasser (z.B.
Trinkwasser, Eiswürfel, Badewasser). Aber auch fäkal-orale Schmierinfektionen von Mensch zu
Mensch, Tier zu Mensch oder Infektionen durch kontaminierte Nahrung (z.B. mit Oozysten
kontaminiertes Fleisch) sind möglich. Die ID50, die Infektionsdosis, bei der 50 % der
Exponierten infiziert werden, liegt bei 10–1.000 Oozysten.
Nach der Aufnahme von Oozysten kommt es im Dünndarm zur Freisetzung der Sporozoiten.
Sie adhärieren an die Oberfläche der Microvilli der Darmepithelzellen, drängen diese Villi
auseinander und induzieren die Bildung einer parasitophoren Vakuole direkt unterhalb der
Wirtszellmembran. Diese Lage wird als intrazellulär, aber extrazytoplasmatisch bezeichnet. Im
weiteren Verlauf der Infektion werden mehrere Merozoiten gebildet, die nach Ruptur der
Vakuole wieder in die Darmepithelzellen eindringen und so einen ungeschlechtlichen Zyklus
bilden. In einem geschlechtlichen Zyklus gehen aus Merozoiten Mikro- und Makrogameten
hervor, die durch Verschmelzung eine Oozyste bilden. Es entstehen zwei Arten von Oozysten:
dickwandige (etwa 80 %), deren Wandung aus drei Membran- und zwei Chitinschichten
besteht, und dünnwandige (etwa 20 %), die nur von einer Membran umgeben sind.
Zwischen 5 bis 21 Tage nach Infektion beginnt die Ausscheidung der Oozysten im Stuhl.
Dickwandige Oozysten werden mit dem Kot ausgeschieden; sie sind sehr widerstandsfähig
gegen Umwelteinflüsse und Chemikalien, im feuchten Milieu können sie über Monate, in
Einzelfällen bis zu 2 Jahre infektiös bleiben. Dünnwandige Oozysten können bereits im Darm
rupturieren, Sporozoiten freisetzen und insbesondere bei Abwehrgeschwächten Autoinfektionen
bewirken.
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Inkubationszeit
Sie beträgt 1 bis 12 Tage, in der Regel 7 bis 10 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Mit Ausscheidung von Oozysten im Stuhl besteht Ansteckungsfähigkeit. Sie können noch
etliche Wochen nach Rückgang der Symptome im Stuhl ausgeschieden werden.
Klinische Symptomatik
Das klinische Bild variiert von asymptomatischen Infektionen bis zu erheblichen wässrigen
Durchfällen, die teilweise mit großen Flüssigkeitsverlusten einhergehen können und manchmal
in Verbindung mit Bauchschmerzen, Übelkeit, Fieber und/oder Gewichtsverlust auftreten.
Beim immunkompetenten Menschen verschwinden die Symptome nach 1 bis 2 Wochen,
während der Durchfall bei Säuglingen und immunsupprimierten Patienten – insbesondere bei
AIDS-Patienten – chronisch werden kann. Dieser persistierende Durchfall führt zu massiven
Flüssigkeits- und Elektrolytverlusten, Gewichtsabnahme und Malabsorption. Die Schwere und
Dauer der Erkrankung hängt vom Grad der Immunschwäche ab, sie kann im Extremfall zum
Tode führen. – Durch die mögliche intraintestinale Autoinfektion wird die chronische Infektion
bei immundefizienten Patienten unterhalten.
Extraintestinale Manifestationen kommen vor allem bei AIDS-Patienten vor. Am häufigsten
erfolgt eine Beteiligung des Gallengangsystems, die an einem Anstieg der Cholestaseanzeigenden Parameter (Gamma-GT, AP) erkennbar ist und bis zur sklerosierenden
Cholezystitis führen kann. Seltener sind Pankreatitis, Appendizitis, Otitis und ein Befall der
Lunge mit respiratorischen Symptomen.
Diagnostik
Methode der Wahl ist der mikroskopische Nachweis von Oozysten im Stuhl nach einer
modifizierten Ziehl-Neelsen-Färbung. Es existieren aber auch Immunfluoreszenztests und
ELISA-Kits zum Nachweis von Antigen im Stuhl.
Da die Ausscheidung der Oozysten intermittierend sein kann, sollten drei verschiedene Proben
untersucht werden, bevor die Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Weiterhin kann die
Diagnose histologisch aus endoskopisch gewonnenen Gewebeproben gestellt werden.
Differenzialdiagnostisch müssen die (größeren und unsporulierten) Zysten von Cyclospora
cayetanensis ausgeschlossen werden.
Therapie
Es gibt bisher keine spezifische Therapie, die die Parasiten zuverlässig eradiziert. Die Therapie
erfolgt daher im Allgemeinen symptomatisch durch Ersatz von Flüssigkeit und Elektrolyten. Bei
AIDS-Patienten kann vor allem die Verbesserung der Immunabwehr durch die hochaktive
antiretrovirale Therapie (HAART) die Erkrankung positiv beeinflussen. Nitazoxanid
(Breitspektrum-Antibiotikum mit antiparasitärer Wirkung, das bisher nur in den USA für die
Therapie von Kryptosporidiosen bei Kindern im Alter von 1 bis 11 Jahren zugelassen ist) führt
zur klinischen Besserung. Zusätzlich erwies sich die Gabe von Paromomycin in einigen Studien
als partiell effektiv.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Oozysten sind widerstandsfähig gegenüber allen Desinfektionsmitteln, auch gegen Chlor. Durch
Erhitzen auf über 60 °C für mindestens 30 Minuten werden sie jedoch sicher abgetötet.
Gefährdete Personen, z.B. HIV-Infizierte, sollten über die Ansteckungswege aufgeklärt sein:
Vorsicht ist angeraten bei Kontakt mit infizierten Menschen und Tieren, Trinken bzw.
Verschlucken von kontaminiertem Leitungswasser oder Wasser aus Seen, Flüssen,
Swimmingpools. Möglicherweise kontaminiertes Trinkwasser muss abgekocht werden.
Weitere Möglichkeiten zur Vermeidung einer Ansteckung sind eine gute sanitäre Hygiene
(regelmäßiges Händewaschen nach Toilettenbenutzung, Kontakt mit Windeln sowie Abwasser,
Gartenerde und Haustieren, ebenso vor der Nahrungszubereitung und dem Essen). Bei
Aufnahme von neuen Haustieren (s. Reservoir), insbesondere Welpen, sollte ggf. eine
tierärztliche Untersuchung auf Kryptosporidien durchgeführt werden.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Ausscheider von Kryptosporidien-Oozysten sind eine Quelle für fäkal-orale Ansteckung. Sie
sind auf eine effektive Händehygiene hinzuweisen und müssen Schwimmbäder strikt meiden.
Bei stationärer Unterbringung sollte eine eigene Toilette gewährleistet sein. Infizierte sollen
nicht gemeinsam mit immunsupprimierten Patienten untergebracht werden.
Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis
erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen.
Personen, die an einer infektiösen Gastroenteritis erkrankt sind oder bei denen der Verdacht
auf eine Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 IfSG nicht in Lebensmittelbetrieben tätig sein.
Diese Personen dürfen gemäß § 42 IfSG beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen
bestimmter Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht tätig sein, wenn sie mit dem
Lebensmittel in Berührung kommen. Das gilt auch für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten
und sonstigen Einrichtungen mit oder zur Gemeinschaftsverpflegung.
Lebensmittel gemäß § 42 Abs. 1 IfSG sind:
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte
Soßen, Nahrungshefen
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Die Maßnahmen entsprechen denen, die allgemein bei Gastroenteritisausbrüchen erforderlich
sind. So ist eine unverzügliche labordiagnostische Klärung zur Absicherung der Diagnose
erforderlich. Weiterhin müssen Infektionsquellen und mögliche Übertragungsfaktoren ermittelt
werden, um baldmöglichst effiziente Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung
einzuleiten. Dazu ist das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich zu informieren.
Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 10 IfSG der direkte oder indirekte Nachweis
von Cryptosporidium parvum, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.
Weitergehende Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 IfSG ggf. auch der Verdacht auf und die
Erkrankung an einer akuten infektiösen Gastroenteritis ohne labordiagnostischen Nachweis und
ohne epidemiologische Bestätigung gemeldet.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2004
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Legionellen
Erreger
Legionellen sind gramnegative, nicht sporenbildende aerobe Bakterien, die zur Familie der
Legionellaceae, Genus Legionella, gehören. Derzeit sind etwa 48 Arten bekannt, die 70
verschiedene Serogruppen umfassen. Alle Legionellen sind als potenziell humanpathogen
einzustufen. Die für Erkrankungen des Menschen bedeutsamste Art ist Legionella pneumophila,
die für etwa 90 % aller Erkrankungen verantwortlich ist. Für Legionella pneumophila sind
16 Serogruppen bekannt, von denen die Serogruppe 1 die größte Bedeutung besitzt.
Vorkommen
Erkrankungen des Menschen treten weltweit sporadisch oder im Rahmen von Ausbrüchen auf.
Nach dem Infektionsort unterscheidet man nosokomiale und ambulant erworbene
Legionellosen. Eine besondere Bedeutung kommt reiseassoziierten Erkrankungen zu, da nicht
selten Infektionen während einer Reise und den damit verbundenen Aufenthalten in Hotels und
anderen Unterkünften erworben werden.
In Deutschland besteht seit Einführung des IfSG im Jahre 2001 erstmals eine Meldepflicht.
Im Jahre 2004 wurden 475 Legionellosen an das RKI übermittelt (2003: 395 Erkrankungen;
2002: 414 Erkrankungen; 2001: 331 Erkrankungen). Dies entspricht einer Inzidenz von ca. 6
Fällen pro Million Einwohner. In anderen europäischen Ländern liegt die Inzidenz mit 34,1
(Spanien), 19,2 (Dänemark), 17,9 (Niederlande), 16,9 (Frankreich) deutlich höher.
Da nicht alle Legionellosen erkannt werden, insbesondere bei leichter Symptomatik, ist von
einer hohen Untererfassung auszugehen. Darüber hinaus ist anzunehmen, dass bei
Pneumonien in Deutschland noch zu selten eine spezifische Erregerdiagnostik durchgeführt
wird und somit zu wenige Fälle als Legionellose diagnostiziert werden. Daher ist es trotz
Meldepflicht schwierig, verlässliche Daten zu erhalten. Nach neuesten Schätzungen des
Kompetenznetzwerkes für ambulant erworbene Pneumonien (CAPNETZ) geht man davon aus,
dass in Deutschland etwa 4,2% aller auftretenden Pneumonien durch Legionellen verursacht
werden. Bei jährlich etwa 500.000 Pneumonien wären somit etwa 21.000 davon auf
Legionellosen zurückzuführen. Dies sind etwa doppelt so viele wie bisher angenommen wurde.
Reservoir
Legionellen sind Umweltkeime, die in natürlichen, aber auch künstlichen wasserführenden
Systemen vorkommen. Ihr primäres Reservoir ist das Wasser (Süßwasser, kein
Meereswasser), wo sie in geringer Zahl natürlicher Bestandteil von Oberflächengewässern und
Grundwasser sind. Ihr Vorkommen wird entscheidend von der Wassertemperatur beeinflusst.
Ideale Bedingungen für ihre Vermehrung finden Legionellen bei Temperaturen zwischen 25 und
45 °C (Temperaturoptimum 37 °C). Bei Wassertemperaturen oberhalb von 60 °C sterben sie
relativ schnell ab. Legionellen können auch in kaltem Wasser vorkommen, sich dort jedoch bei
Temperaturen unter 20 °C nicht mehr nennenswert vermehren. Legionellen haben die
Fähigkeit, sich intrazellulär in Amöben und anderen Protozoen zu vermehren. Günstige
Bedingungen finden Legionellen in künstlichen Wasseranlagen, vor allem in großen
Warmwasseranlagen mit umfangreichen Rohrsystemen. Das Vorhandensein von Biofilm und
Ablagerungen (z.B. Sedimente in Warmwasserbehältern) bietet ihnen eine optimale
Lebensgrundlage. Ebenso kann eine Stagnation zu erhöhten Keimzahlen im Wasser führen.
Besonders ältere und schlecht gewartete Wassersysteme sind daher anfällig für
Legionellenkontaminationen.
Infektionsweg
Im Wasser vorhandene Legionellen stellen keine direkte Gesundheitsgefährdung dar. Erst die
Aufnahme von Erregern durch Inhalation bakterienhaltigen Wassers als Aerosol oder durch
Aspiration von legionellenhaltigem Wasser kann zur Infektion führen. Legionellenhaltige
Amöbenpartikel sind für die Übertragung wichtig, da Legionellen ihre Virulenzgene intrazellulär
aktivieren. Die Infektion durch legionellenhaltige Amöben erklärt auch das Dosis-WirkungsParadox beim Auftreten von Legionellosen (fehlende Infektionen trotz kontaminierter
Wassersysteme bzw. Infektionen trotz minimaler Kontamination). Bisher konnten keine
Pathogenitätsfaktoren identifiziert werden, die dafür verantwortlich sind, dass sich eine
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Infektion entwickelt. Daraus folgt, dass z.Z. noch keine Möglichkeit existiert, virulente von nicht
so stark virulenten Stämmen zu unterscheiden. Genotypische Untersuchungen haben jedoch
gezeigt, dass es bestimmte Klone mit erhöhter Virulenz gibt, die für einen Großteil der
Erkrankungen verantwortlich sind. Hierbei sind vor allem Stämme von Legionella pneumophila
Serogruppe 1, die mit dem monoklonalen Antikörper 3–1 reagieren, zu nennen.
Eine Übertragung von Legionellosen wird insbesondere mit folgenden technischen Systemen in
Verbindung gebracht bzw. als möglich angesehen:
Warm-; aber auch Kaltwasserversorgungen (insbesondere bei Stagnation
z.B. in Wohnhäusern, Krankenhäusern, Heimen, Hotels oder nach Bezug eines
Neubaus),
raumlufttechnische Anlagen (Rückkühlwerke von RLT-Anlagen, Klimaanlagen),
Badebecken, insbesondere Warmsprudelbecken (Whirlpools),
sonstige Anlagen, die einen Spray von Wassertröpfchen erzeugen können (z.B.
Hydrotherapie, Dentaleinheiten, bestimmte Luftbefeuchter im häuslichen Bereich).
Entscheidende Faktoren für die Vermehrung von Legionellen sind die Temperatur des Wassers
und seine Verweildauer im Leitungssystem. Eine Verbreitung wird durch das Entstehen von
Aerosolen begünstigt.
Eine der wichtigsten Ursachen für die Entstehung von Legionellosen scheint derzeit die
Übertragung durch Warmwasserquellen (aus sanitären Einrichtungen) zu sein. In diesem
Zusammenhang werden oft Duschen genannt. Bei Umgebungsuntersuchungen wurden
Legionellen auch an Duschköpfen gefunden. Beim Duschen findet jedoch nur eine geringe
Aerosolbildung statt, so dass es wahrscheinlich nicht mit einem höheren Risiko verbunden ist
als der Kontakt mit Leitungswasser aus einem Wasserhahn.
Eine Gesundheitsgefährdung durch Trinken von Wasser, in dem sich Legionellen befinden,
kann bei immunkompetenten Personen ohne Schluckstörungen weitgehend ausgeschlossen
werden. Bei abwehrgeschwächten Patienten und bei Schluckstörungen (z.B. nach Operation im
Kopf- und Nackenbereich) ist eine Infektion nach Aspiration möglich.
Zur Analyse einer Übertragung aus einem verdächtigen Wassersystem auf den Patienten ist
eine genetische Feintypisierung von Patienten- und Umweltisolaten erforderlich.
Inkubationszeit
Legionellose mit Pneumonie (Legionärskrankheit): ca. 2–10 Tage
Legionellose
ohne
Pneumonie
(Pontiac-Fieber):
ca.
(im Durchschnitt 24–48 Stunden)
5–66
Stunden
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt.
Klinische Symptomatik
Das Spektrum der klinischen Manifestationen reicht von asymptomatischen Infektionen bis zu
schwerwiegenden Pneumonien mit tödlichem Verlauf. Eine Erkrankung entwickelt sich nach
Einbringen von Legionellen in die unteren Atemwege. Ein großer Anteil der klinisch Erkrankten
sind
Risikopatienten
mit
Immunsuppression,
z.B.
bei
Organtransplantationen,
Knochenmarktransplantationen, zytostatischer Behandlung von Leukämien. Weitere
Risikofaktoren sind Dauermedikation mit Kortikoiden, Zustand nach großen chirurgischen
Eingriffen sowie ein hohes Lebensalter. Auch Nikotin- und Alkoholabusus können
disponierende Faktoren darstellen. Männer erkranken häufiger.
Eine Legionelleninfektion kann zu den beiden nachfolgend aufgeführten Krankheitsbildern
führen:
Die Legionellose mit Pneumonie (Legionärskrankheit) beginnt mit uncharakteristischen
Prodromalerscheinungen wie allgemeinem Unwohlsein, Gliederschmerzen, Kopfschmerzen,
unproduktivem Reizhusten. Innerhalb weniger Stunden kommt es zu Thoraxschmerzen,
Schüttelfrost, Temperaturanstieg auf 39–40,5 °C, gelegentlich auch Abdominalschmerzen mit
Durchfällen und Erbrechen. Infolge einer ZNS-Beteiligung kann es zur Benommenheit kommen,
die bis zu schweren Verwirrtheitszuständen führen kann. Die Röntgenuntersuchung des Thorax
zeigt eine Pneumonie mit zunächst fleckiger Infiltration, später mit zunehmender Verdichtung
ganzer Lungenlappen. Die Rekonvaleszenz ist meist langwierig. In einigen Fällen kann als
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Folge der Erkrankung eine eingeschränkte Lungenfunktion zurückbleiben oder eine
Lungenfibrose entstehen.
Die Legionellose ohne Pneumonie (Pontiac-Fieber) ist durch einen leichteren Verlauf
gekennzeichnet. Die Krankheit führt zu einem grippeähnlichen Krankheitsbild mit Kopf-,
Glieder-, Thoraxschmerzen, Husten und Fieber sowie gelegentlichen Verwirrtheitszuständen.
Eine Pneumonie tritt nicht auf. Trotz erheblichen Krankheitsgefühls erholen sich die Patienten in
der Regel ohne antibiotische Therapie innerhalb weniger Tage ohne bleibende Spätschäden.
Todesfälle sind nicht bekannt.
Diagnostik
Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis der Legionellen auf einem Spezial-Agar, das
Ergebnis liegt aber erst nach mehreren Tagen vor. Hierfür geeignet sind respiratorische
Materialien (insbesondere bronchoalveoläre Lavage, Trachealsekret, ggf. auch Sputum) oder
Lungengewebe bzw. Pleuraflüssigkeit. Ein kultureller Nachweis sollte vor allem zur Identifikation
möglicher Infektionsquellen (durch den molekularbiologischen Vergleich der klinischen Isolate
mit denen aus der Umwelt) angestrebt werden. Patientenstämme und Umweltisolate werden
kostenlos im Konsiliarlaboratorium für Legionellen typisiert.
Beweisend ist auch der Nachweis des Legionella-Antigens im Urin mittels ELISA. Damit
werden in der Regel aber nur Antigene von Legionella pneumophila der Serogruppe 1 und
gelegentlich einige kreuzreagierende andere Serogruppen angezeigt. Damit ist der Test zur
Überwachung nosokomialer Infektionen bei Kontamination des Wassersystems durch Stämme
anderer Serogruppen nur bedingt geeignet. Die Antigenausscheidung setzt bereits nach
24 Stunden ein und persistiert meist einige Wochen, selten über Monate. Diese Methode
erlaubt eine frühzeitige und vor allem schnelle Diagnose und ist zudem nicht invasiv. Eine
persistierende Ausscheidung von Antigen im Urin ist kein Hinweis auf ein Nichtansprechen der
antibiotischen Therapie.
Therapie
Nur Antibiotika mit einer guten intrazellulären Aufnahme sind gegen Legionellen wirksam. Bei
der Behandlung der Legionella-Pneumonie gilt Erythromycin seit der Epidemie in Philadelphia
im Jahre 1976 als das Mittel der Wahl. Bei schweren Fällen wird die zusätzliche Gabe von
Rifampicin empfohlen. Die Dauer der Therapie sollte bei immunkompetenten Patienten
mindestens 14 Tage, bei abwehrgeschwächten Patienten 3 Wochen betragen. Neuere
Makrolidantibiotika (z.B. Azithromyzin, Clarithromyzin) und Fluorchinolone (z.B. Ciprofloxacin,
Moxifloxacin) besitzen nach neueren In-vitro-Daten und Tierversuchen eine schnellere und
bakterizide Wirkung. Ihr Einsatz wird besonders bei immunsupprimierten Patienten empfohlen.
Das Pontiac-Fieber erfordert keine antibiotische Therapie. Hier wird in der Regel nur eine
symptomatische Behandlung durchgeführt.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
Maßnahmen gegen Kontamination von wasserführenden Systemen
Die Prävention von Legionellosen ist im wesentlichen auf zwei Wegen möglich:
Verminderung einer Verkeimung warmwasserführender, aerosolbildender Systeme
Limitierung/Verminderung von Aerosolkontakten
Gefahren können prinzipiell von Warmwasserversorgungen mit einer Dauertemperatur im
Risikobereich (25–50 °C) ausgehen. Hygienische Probleme bereiten in erster Linie große
Warmwassersysteme und Systeme mit ungenügendem Durchfluss (Stagnation). Eine gezielte
Prävention erfolgt auf der Basis sanitärtechnischer Regelungen und Maßnahmen, auf die hier
hingewiesen wird:
Bei neu zu planenden Trinkwassererwärmungs- und Leitungsanlagen gibt die technische Regel
DVGW W 551 Hinweise zur Vermeidung von Legionellenkontaminationen.
Das Arbeitsblatt bezieht sich auf Großanlagen (mit mehr als 3 Litern Warmwasser in den
Leitungen bzw. Speichern mit mehr als 400 Litern). Es wird nicht unterschieden nach den
verschiedenen Nutzungsbedingungen z.B. in Krankenhäusern, Hotels oder anderen öffentlichen
Gebäuden sowie Wohnhäusern. Über die Anforderungen dieses Arbeitsblattes hinausgehende
Forderungen wurden z.B. für Intensivstationen und Bereiche zur Behandlung von
Immunsupprimierten (Risikopatienten) formuliert. Ergänzend wird die Etablierung geeigneter
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diagnostischer Voraussetzungen empfohlen, um bei hoher Aufmerksamkeit für Legionellosen
Häufungen rasch zu erkennen.
Anlagen gemäß DVGW W 551 dürfen beispielsweise an keiner Stelle im Verteilungssystem
Wassertemperaturen geringer als 55 °C aufweisen.
Das Arbeitsblatt enthält auch Informationen zur Überwachung von Warmwassersystemen.
Diese Überwachung kann nur durch ein Untersuchungsinstitut erfolgen, bei dem eine
Zulassung gemäß §§ 44–53 IfSG vorliegt. Zur Nachweismethode von Legionellen aus Trinkund Badebeckenwasser ist eine Empfehlung des Umweltbundesamtes nach Anhörung der
Trinkwasserkommission und der Badewasserkommission des Umweltbundesamtes erschienen.
Das Arbeitsblatt DVGW W 551 gibt darüber hinaus auch Hinweise zur möglichen technischen
Dekontamination von Trinkwasserverteilungsanlagen, bei denen ein Legionellenwachstum
festgestellt worden ist. Neben kurzfristig wirksamen Sanierungsverfahren wie der thermischen
oder chemischen Desinfektion wird auch auf den Einsatz von UV-Strahlern und bautechnische
Maßnahmen eingegangen. Alle Sanierungsverfahren müssen zum Abschluss durch hygienischmikrobiologische Untersuchungen auf ihren Erfolg kontrolliert werden. Erfahrungsgemäß ist
häufig eine Kombination verschiedener Sanierungsverfahren notwendig, um einen langfristigen
Erfolg sicherzustellen.
Zusammengefasst werden folgende Maßnahmen empfohlen:
technische Planung und technischer Betrieb von Trinkwassererwärmungs- und
Leitungsanlagen unter Berücksichtigung von DVGW W 551,
orientierende Untersuchungen bei Anlagen mit mehr als 3 Litern Warmwasser in den
Leitungen oder Speichern mit mehr als 400 Litern Inhalt,
bei festgestellter Kontamination Sanierung,
Kontrolle des Sanierungserfolges (Nachuntersuchungen).
Bei raumlufttechnischen Anlagen sollte den offenen Wasserkühlsystemen besondere
Beachtung gewidmet werden, da sie in der Regel Dauertemperaturen um etwa 30 °C
aufweisen. Bei Umluftsprühbefeuchtern ist eine regelmäßige Reinigung und Wartung der
Befeuchtungskammern erforderlich. Da diese Systeme jedoch bei vielen kontaminierten RLTAnlagen die Quelle der Verunreinigung waren, wird von ihrem Betrieb abgeraten. Als hygienisch
sicher gelten hingegen Systeme mit Dampfbefeuchtung. Wartung und Reinigung von RLTAnlagen erfolgen gemäß DIN 1946. Insbesondere bei Reinigungsarbeiten in Wäscherkammern
ist auf geeignete Arbeitsschutzausrüstung des Personals zu achten.
Der Betrieb von Badebecken inklusive Warmsprudelbecken (Whirlpools) erfolgt gemäß DIN
19643. Danach besteht bei Becken mit einer Temperatur höher 23 °C, bei denen mit
Aerosolbildung zu rechnen ist, ein Grenzwert für Legionella pneumophila (darf in 1 ml nicht
enthalten sein). In 100 ml Filtrat darf ebenfalls Legionella pneumophila nicht nachweisbar sein.
Nach dem offiziellen Kommentar zur DIN 19643 sind die in der DIN angegebenen Werte für die
gesamte Gattung Legionella einzuhalten, nicht nur für die Legionella pneumophila. Die genauen
Vorschriften für die Untersuchung werden in einer Mitteilung der Badewasserkommission des
Umweltbundesamtes erläutert.
Bei Hydrotherapie sowie Wannenbädern mit Aerosolbildung ist zu beachten, dass die
erforderlichen Temperaturen durch Mischen von kaltem und heißem Wasser erst unmittelbar
vor dem Ausfluss durch die Zapfarmatur einzustellen sind. Auch bei Dentaleinheiten ist das
Problem der Verkeimung ebenso wie bei Warmsprudelbecken bereits seit längerem bekannt.
Auch hier sind einwandfreie hygienetechnische Vorkehrungen erforderlich, z.B. optimale
Materialauswahl, Temperatursteuerung, ggf. Zusatz von mikrobiozid wirkenden geprüften
Substanzen. Bei Geräten im häuslichen Bereich, die ein wässriges Aerosol erzeugen (z.B.
Luftbefeuchter, Inhalatoren) ist ebenfalls eine regelmäßige und gründliche Reinigung
erforderlich. Bei Nichtbenutzung müssen die Geräte gereinigt und in trockenem Zustand
aufbewahrt werden. (Für die Zusammenstellung der vorstehenden Hinweise danken wir dem
Umweltbundesamt).
Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Bei ätiologisch ungeklärten Lungenentzündungen im Erwachsenenalter besteht immer die
Möglichkeit einer Legionellose, so dass diese in die Differenzialdiagnostik eingeschlossen und
ggf. ein entsprechender labordiagnostischer Nachweis veranlasst werden sollte. Bei schweren
klinischen Verläufen ist eine stationäre Behandlung angezeigt. Da eine Mensch-zu-MenschÜbertragung nicht bekannt ist, sind Maßnahmen zur Absonderung der Patienten nicht
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erforderlich. Auch für Kontaktpersonen sind keine speziellen Maßnahmen notwendig. Bei einer
laborbestätigten Legionellose sollte prinzipiell immer versucht werden, den Infektionsweg
aufzuklären und die Infektionsquelle zu bestimmen; dabei ist eine Inkubationszeit von 2–
10 Tagen vor Erkrankungsbeginn zu berücksichtigen.
Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen ist es wichtig, die Infektionsquelle schnell zu erkennen und zu sanieren, um
weitere Infektionen zu verhindern. Zur Dekontamination von Wassersystemen können eine
Chlorung oder vorübergehende Erhitzung des Wassers auf über 70 °C eingesetzt werden
(Schutz vor Verbrühung beachten). Die Durchführung dieser Maßnahmen ist sehr aufwändig
und bedarf einer gründlichen Planung. Insbesondere ist die Beständigkeit aller in der
Hausinstallation verbauten Materialien gegen das vorgesehene Desinfektionsmittel zu prüfen.
Meldepflicht
Nach § 7 Abs. 1 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis einer akuten Infektion durch
Legionella sp. meldepflichtig. Zur Meldung verpflichtet ist der Leiter der Untersuchungsstelle, in
der der Nachweis geführt wurde.
Modifiziert nach RKI, Stand: 24.01.2006
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Lyme Borreliose
Erreger
Die Lyme-Borreliose wird durch verschiedene Spezies des Genus Borrelia verursacht, die zum
sogenannten Komplex Borrelia burgdorferi sensu lato (Bbsl) gehören. Vier der insgesamt 12
bisher beschriebenen Spezies des Bbsl-Komplexes Borrelia, (B.) burgdorferi sensu stricto,
Borrelia (B.) garinii und Borrelia (B.) afzelii und die erst vor kurzem beschriebene Spezies B.
spielmanii, sind humanpathogen. Alle vier Spezies kommen in Europa vor, während
humanpathogene Stämme in den USA ausschließlich der Spezies B. burgdorferi sensu stricto
angehören. Von B. afzelii werden vorwiegend Hautmanifestationen hervorgerufen, während die
mit Neuroborreliose und Arthritis assoziierten Stämme deutlich heterogener sind, wobei bei der
Neuroborreliose B. garinii überwiegt.
Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Erkrankung in Europa. Etwa 5–
35 % der Zecken sind mit Borrelien befallen, wobei adulte Zecken im Durchschnitt zu 20 %,
Nymphen zu 10 % und Larven nur zu etwa 1 % infiziert sind. In Deutschland ist nach bisherigen
Erkenntnissen nach einem Zeckenstich bei 1,5–6 % der Betroffenen mit einer Infektion
(einschließlich der klinisch inapparenten Fälle) und bei 0,3–1,4 % mit einer manifesten
Erkrankung zu rechnen. Die Infektion kann von März bis Oktober erfolgen (bei entsprechenden
Witterungsbedingungen evtl. auch früher oder später), ein Gipfel besteht in den Monaten Juni
und Juli für das Erythema migrans und Juli und August für die akute Neuroborreliose. Die
Frühmanifestationen (wie Erythema migrans und frühe Neuroborreliose Stadium II) treten also
wegen der kurzen Inkubationszeit saisonal gehäuft auf.
Die Lyme-Krankheit bzw. Lyme-Borreliose wurde nach dem Ort Lyme (Connecticut, USA), in
dem gehäuft Gelenkentzündungen nach Zeckenstichen auftraten, benannt. Die
Hautmanifestationen der Lyme-Borreliose wurden in Europa bereits um die Jahrhundertwende
beschrieben, aber erst 1981 wurde der Erreger von W. Burgdorfer entdeckt.
Vorkommen
Die Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre (Nordamerika, Europa und Asien)
verbreitet. Es ist von einer Infektionsgefährdung in allen Teilen Deutschlands auszugehen,
allerdings fehlen flächendeckende epidemiologische Untersuchungen.
Reservoir
Als Erregerreservoir werden kleine Nagetiere und Vögel angesehen. Andere Tiere wie Rehe
und Hirsche spielen eine wichtige Rolle als Wirtstiere für Zecken. Mehrere hundert
Wirbeltierspezies können von der Schildzecke Ixodes (I.) ricinus befallen werden.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt in Mitteleuropa durch den Stich der Schildzecke I. ricinus (Holzbock).
Das Erkrankungsrisiko steigt deutlich mit der Dauer des Saugaktes.
Inkubationszeit
Je nach klinischer Symptomatik der Erstmanifestation kann die Inkubationszeit nach dem
Zeckenstich stark variieren: Tage bis Wochen für Stadium I, Wochen bis Monate für Stadium II
und schließlich Monate bis Jahre für Stadium III. Zu beachten ist, dass jede klinische
Manifestation isoliert, aber auch in unterschiedlichen Kombinationen auftreten kann.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Entfällt, da eine Übertragung von Mensch zu Mensch nicht erfolgt.
Klinische Symptomatik
Die klinische Symptomatik der Multisystemerkrankung Lyme-Borreliose kann sehr vielgestaltig
sein und umfasst insbesondere Symptome an Haut, Nervensystem, Gelenken und Herz. In
einer großen prospektiven, populationsbasierten Studie, die den Raum Würzburg mit etwa
279.000 Einwohnern umfasste, fanden sich für die verschiedenen Manifestationen folgende
Häufigkeiten: Erythema migrans als einziges Symptom in 89%, eine frühe Neuroborreliose in
3%, ein Lymphozytom in 2%, eine kardiale Beteiligung in <1%, eine Lyme-Arthritis in 5% und
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Seite 88 von 205
eine Acrodermatitis in 1%. Die sehr seltene chronische Neuroborreliose wurde bei dieser
Studie nicht nachgewiesen.
Stadium I: Die typische Manifestation ist das Erythema (chronicum) migrans. Tage bis Wochen
nach einem Zeckenstich entsteht an der Stelle des Zeckenstichs aus einer initialen Papel ein
scharf abgegrenztes schmerzloses, sich zentrifugal ausbreitendes Erythem, das im Zentrum oft
eine Aufhellung aufweist. Dieses Stadium kann von unspezifischen Allgemeinerscheinungen
wie
Fieber,
Konjunktivitis,
Kopfschmerzen,
Myalgien,
Arthralgien
und
Lymphknotenschwellungen begleitet sein.
Stadium II: Leitsymptom des Stadiums II ist die Meningopolyneuritis Garin-BujadouxBannwarth. Wochen bis Monate nach dem Zeckenstich treten brennende radikuläre Schmerzen
auf, die häufig in lokaler Beziehung zur Zeckenstichstelle bzw. zum vorangegangenen
Erythema migrans stehen. Während des initialen Schmerzsyndroms werden in über 90 % der
Fälle asymmetrische und unsystematisch verteilte schlaffe Lähmungen beobachtet. In über
60 % der Fälle treten zusätzlich sensible Ausfälle auf. Die neurologischen Ausfälle betreffen in
etwa 60 % der Fälle Hirnnerven, vorwiegend als ein- oder beidseitige Fazialisparese.
Meningitische und enzephalitische Krankheitsbilder sind bei Erwachsenen in Europa relativ
selten. Bei Kindern werden vorwiegend meningitische Verläufe oder auch isolierte
Fazialisparesen beobachtet. Relativ selten kommt es zu einer Manifestation am Herzen in Form
einer Myo-, Peri- oder Pankarditis. Diese ist gekennzeichnet durch atrioventrikuläre
Überleitungsstörungen bis zum kompletten AV-Block, Veränderungen des ST-T-Segments,
Vorhofflimmern, ventrikuläre Extrasystolen, Tachykardien, evtl. Kardiomegalie, eingeschränkte
linksventrikuläre Funktion, manifeste Herzinsuffizienz, Synkopen. Als seltene Hautmanifestation
gilt die Lymphadenosis cutis benigna Bäfverstedt (Borrelien-Lymphozytom). Es handelt sich
dabei um einen rötlich-lividen Tumor, der bevorzugt an Ohrläppchen (vor allem bei Kindern),
Mamillen oder Skrotum auftritt.
Stadium III: Manifestationen dieses Stadiums sind die Lyme-Arthritis und die Acrodermatitis
chronica atrophicans Herxheimer. Sie treten Monate bis Jahre nach der Infektion auf. Die LymeArthritis ist eine schubweise oder chronisch verlaufende mono- oder oligoartikuläre Arthritis. Am
häufigsten sind die Kniegelenke betroffen, dann in abnehmender Häufigkeit Sprunggelenke,
Ellenbogen-, Finger-, Zehen- und Handwurzelgelenke sowie Kiefergelenke. Die Acrodermatitis
chronica atrophicans Herxheimer ist gekennzeichnet durch ein initial infiltratives Stadium, das
zur Atrophie der Haut (zigarettenpapierdünn) mit livider Verfärbung führt. Die Veränderungen
treten bevorzugt an den Akren und Streckseiten der Extremitäten auf. Im weiteren Verlauf
können Arthropathien und Polyneuropathien an den betroffenen Extremitätenabschnitten
entstehen. Eine weitere, jedoch sehr seltene Spätmanifestation der Lyme-Borreliose ist die
chronische Enzephalomyelitis mit Para- und Tetraparesen. Grundsätzlich gilt:
Differentialdiagnostisch ist auch an andere zeckenübertragene Erreger zu denken. Dies gilt vor
allem bei ungewöhnlicher Symptomatik. Bei akut fieberhafter Erkrankung mit
Blutbildveränderungen (Leukozytopenie, Thrombozytopenie) und Transaminasenerhöhung
sollte z. B. an eine Ehrlichiose gedacht werden und Kontakt mit einem Speziallabor (z. B.
Konsiliarlabor für Ehrlichia) aufgenommen werden.
Die Stadieneinteilung wird zunehmend als zu artifiziell empfunden. Für die klinische
Klassifizierung wird die Einteilung in Frühmanifestationen (lokalisiert: E. migrans; disseminiert:
z.B. akute Neuroborreliose) und Spätmanifestationen (Arthritis, Acrodermatitis und chronische
Neuroborreliose) vorgezogen.
Diagnostik
Die Lyme-Borreliose ist primär eine klinische Verdachtsdiagnose, die durch die Anamnese und
die Labordiagnostik gestützt wird. In der Labordiagnostik steht der Nachweis spezifischer
Antikörper im Serum und im Liquor an erster Stelle.
Der Nachweis von Borrelien in der Zecke kann mittels PCR, indirekter Immunfluoreszenz,
Dunkelfeldmikroskopie, in Einzelfällen auch Kultur erfolgen. Dieser ist im Wesentlichen auf
epidemiologische Fragestellungen beschränkt. Allein aus positiven Ergebnissen von
Zeckenuntersuchungen sollte keine Indikation zur Antibiotika-Prophylaxe abgeleitet werden.
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Therapie
Eine Therapie ist in der Frühphase in der Regel am erfolgreichsten. Eine generelle
prophylaktische Antibiotikagabe nach Zeckenstich wird jedoch nicht empfohlen. Mittel der Wahl
für die Behandlung des Erythema migrans sind gegenwärtig Tetracycline, z. B. Doxycyclin. Bei
Kindern und Schwangeren ist Doxycyclin kontraindiziert, stattdessen gibt man Amoxicillin oder
Cefuroxim. Bei Unverträglichkeiten wird die Gabe von Azithromycin empfohlen. Bei
Neuroborreliose, Karditis und Arthritis werden vor allem Cephalosporine der III. Generation (i.v.Therapie) Empfehlungen für die Therapiedauer variieren zwischen 2 Wochen (Erythema
migrans) und 3–4 Wochen (Spätmanifestationen).
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Allgemeine präventive Maßnahmen
Grundlage der Prävention sind Information und Aufklärung über die Risiken der Übertragung
und vorbeugende Maßnahmen. Die Gefahr, Zecken zu akquirieren, besteht bei
Freilandaufenthalten mit Kontakt zu bodennahen Pflanzen (hohes Gras, Kraut, Farne,
Strauchwerk). Kleidung, die möglichst viel Körperoberfläche bedeckt (z. B. lange Hosen,
langärmelige Hemden und festes Schuhwerk), reduziert das Risiko eines Zeckenbefalls.
Repellentien wirken in gewissem Umfang auch gegen Zecken; nach etwa zwei Stunden lässt
ihre Wirkung allerdings nach. Nach Aufenthalten in Gebieten mit potenziellem
Zeckenvorkommen sollte der Körper (vor allem auch bei Kindern) sorgfältig nach Zecken
abgesucht werden. Insbesondere bei Kindern können die Zecken am Haaransatz sitzen.
Bei Zeckenbefall muss die Zecke umgehend entfernt und die Wunde sorgfältig desinfiziert
werden. Bei der Entfernung der Zecke sind alle überflüssigen Manipulationen zu unterlassen;
der Zeckenkörper darf nicht gequetscht werden, da sonst der borrelienhaltige Inhalt in den
Organismus gelangen kann.
Aktive und passive Immunisierungen stehen bisher für Europa nicht zur Verfügung. In den USA
war für wenige Jahre ein wirksamer rekombinanter Impfstoff auf der Basis von OspA (äußeres
Membranprotein von Bbsl) zugelassen, der aus kommerziellen Gründen vom Hersteller vom
Markt genommen wurde. Wegen der Heterogenität der Stämme (mindestens 7 OspASerotypen) ist die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffes für Europa schwierig.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Da erkrankte Personen nicht ansteckend sind, ist eine Absonderung von Patienten nicht
erforderlich. Wichtig ist eine frühzeitig einsetzende Therapie, um Komplikationen und das
Auftreten späterer Manifestationen zu vermeiden. Maßnahmen für Kontaktpersonen sind nicht
erforderlich.
Meldepflicht
Eine Meldepflicht besteht nach dem Infektionsschutzgesetz nicht. In den Bundesländern Berlin,
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen besteht
eine Meldepflicht für die Lyme-Borreliose auf der Basis von Länderverordnungen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 30.04.2007
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Malaria
Erreger
Malaria wird durch Protozoen der Gattung Plasmodium verursacht (Klasse Haematozoea,
Ordnung Haemosporida , Familie Plasmodiidae). Es existieren verschiedene Plasmodienarten,
humanpathogen sind: Plasmodium (P.) falciparum (Erreger der Malaria tropica), Plasmodium
ovale und Plasmodium vivax (Erreger der Malaria tertiana), Plasmodium malariae (Erreger der
Malaria quartana). Die Morphologie der Parasiten ist für jede Art und jedes
Entwicklungsstadium charakteristisch. Plasmodien sind intrazelluläre Parasiten, ihr
Entwicklungszyklus verläuft in zwei Teilen: ein Zyklus im menschlichen Wirt und einer in der
Überträgermücke. Einzelheiten des Entwicklungszyklus des Parasiten zu kennen, ist wichtig,
um die Pathogenese, die Klinik, die Diagnostik und die Therapie zu verstehen.
Entwicklungszyklus im Menschen: Die ungeschlechtliche Vermehrung findet im Menschen
statt. Die im Laufe der „Blutmahlzeit“ der Anophelesmücke (Überträgermücke) aufgenommenen
Sporozoiten dringen aus der Blutbahn rasch in die Leberparenchymzellen ein. Dort entwickeln
sie sich durch die Teilung zu einem die Leberzelle ausfüllenden Gewebeschizonten
(präerythrozytäre Phase). Dieser Zyklus dauert je nach Plasmodienart zwischen 5 bis 7 Tagen
bei P. falciparum und 6 bis 18 Tagen bei den übrigen Arten. Die Zahl der pro
Gewebeschizonten gebildeten Merozoiten schwankt mit der Plasmodienart. Bei P. falciparum
ist die Zahl am höchsten. Bei P. vivax und P. ovale entwickelt sich nur ein Teil der Schizonten
zu reifen Formen mit Merozoiten, die dann periodisch ins Blut gelangen. Ein anderer Teil der
Schizonten verbleibt in einer Art Ruhephase in einzelliger Form über Monate oder Jahre. Durch
bisher noch wenig bekannte Stimulation (Stress, Infektionen) reifen diese Hypnozoiten zu
merozoitenhaltigen Schizonten und führen dann zu den für die Malaria tertiana
charakteristischen Rückfällen (relapse). Nach abgeschlossener Schizogonie kommt es zur
Ruptur der Leberparenchymzelle, die frei werdenden Merozoiten treten in die Blutbahn ein,
heften sich an die Membran der Erythrozyten an, entwickeln sich in einer so geschaffenen
Vakuole über ein „Ringstadium“ zum reifen erythrozytären Schizonten (erythrozytäre Phase).
Aus diesem werden beim Zerfall des Erythrozyten wieder Merozoiten freigesetzt, die weitere
Erythrozyten befallen. Einige von ihnen differenzieren sich in den Erythrozyten zu
geschlechtlichen Formen (Gamogonie). Es entstehen Makro-und Mikrogametozyten.
Entwicklungszyklus in der Anophelesmücke: Von Mücken aufgenommene Makro-und
Mikrogameten vereinigen sich und bilden eine Oozyste, aus der Sporozoiten hervorgehen
(Sporogonie), die über den Speichel einen neuen Wirt infizieren können.
Vorkommen
Die Malaria ist eine tropentypische Krankheit und weltweit eine der bedeutendsten
Infektionskrankheiten. Sie tritt in tropischen und subtropischen Regionen aller Kontinente –
außer Australien – in etwa 100 Ländern endemisch auf. Etwa 40% der Weltbevölkerung lebt in
Malaria-Endemiegebieten. Dort erkranken schätzungsweise 300 bis 500 Millionen Menschen
pro Jahr. Weltweit sterben jährlich 1,5 bis 2,7 Millionen Menschen an Malaria, etwa die Hälfte
von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. Malaria wird überwiegend in Ländern Afrikas, Asiens
und Südamerikas erworben, wobei Afrika mit etwa 90% der Fälle am meisten betroffen ist.
Seltene, mitunter praktisch wichtige Sonderformen einer Infektion außerhalb eines
Endemiegebietes sind die sog. Flughafenmalaria, bei der die Infektion durch importierte
infektiöse Mücken entweder im Flugzeug, auf einem Flughafen oder in dessen unmittelbarer
Umgebung erfolgt, bzw. die sogenannte „Baggage-Malaria“, bei der die infizierenden Mücken
im Gepäck von Flugreisenden importiert werden.
Importierte Fälle in Deutschland
In Deutschland wurden im Jahr 2004 entsprechend der Meldepflicht nach IfSG mit 707 Fällen
weniger Malaria-Erkrankungen gemeldet als in den Vorjahren. Die Meldezahlen lagen 2003 bei
820 Fällen, 2002 bei 859 Fällen und 2001 bei 1.045 Fällen. Im Jahre 2004 wurde für 576 Fälle
(81,5%) das Infektionsland angegeben. Der größte Teil (87%) der Malaria-Erkrankungen wurde,
wie auch in den Vorjahren, aus afrikanischen Ländern importiert. Besonders viele Fälle traten
bei Reisen in westafrikanische Länder und nach Kenia auf. Papua-Neuguinea und Indien
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waren mit 11 bzw. 8 Fällen die wichtigsten Infektionsländer außerhalb Afrikas. In Europa wurde
keine Malaria erworben.
Bei 666 der im Jahre 2004 gemeldeten Fälle (94%) lagen Angaben zur Erregerspezies vor.
Dabei wurde P. falciparum mit 77% am häufigsten diagnostiziert. Dies steht im Einklang damit,
dass die meisten Erkrankungen in Afrika erworben wurden. An zweiter Stelle lag P. vivax mit
12%, gefolgt von P. ovale (3%) und P. malariae (2%). Malaria tertiana (P. vivax oder P. ovale)
ohne weitere Differenzierung des Erregers machte 2% aus. Mischinfektionen hatten einen
Anteil von 4%.
Reservoir
Für humanpathogene Plasmodien ist der Mensch der einzige Wirt. Eine Vielzahl weiterer
Plasmodienarten ist unter natürlichen Bedingungen nicht auf den Menschen übertragbar.
Infektionsweg
In der Regel erfolgt die Übertragung der Plasmodien durch den Stich einer blutsaugenden
weiblichen Stechmücke der Gattung Anopheles, bei dem mit dem Speichel der Mücke
Sporozoiten in die menschliche Blutbahn gelangen. Mögliche, aber seltene Übertragungswege
– für Deutschland überwiegend von theoretischem Interesse – sind die Übertragung von
Plasmodien durch Bluttransfusionen, durch den gemeinsamen Gebrauch nicht ausreichend
sterilisierter Spritzen und Kanülen (Drogenbenutzer!), durch Nadelstichverletzungen oder den
mehrmaligen Gebrauch von Infusionssystemen sowie eine diaplazentare Übertragung von der
Mutter auf das Ungeborene.
Inkubationszeit
Infektionen durch P. falciparum: ab 7–15 Tage, P. vivax und P. ovale: 12–18 Tage, P. malariae:
18– 40 Tage.
Längere Inkubationszeiten sind (z.B. bei ineffektiver Prophylaxe) bei allen Formen möglich. Die
Bildung von Ruheformen (Hypnozoiten) aus Sporozoiten in der Leberzelle kann bei P. vivax
Rezidive bis zu 2 Jahren, bei P. ovale bis zu 5 Jahren nach Infektion bewirken. Bei P. malariae
sind Latenzzeiten bis zu 40 Jahren beschrieben.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine direkte Ansteckung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich.
Klinische Symptomatik
Die Malaria beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und
Gliederschmerzen sowie allgemeinem Krankheitsgefühl. Häufig werden solche Anzeichen
daher als grippaler Infekt oder Magen-Darm-Infektion fehlinterpretiert. Das klinische Bild der
Malaria wird durch die Vorgänge bei der Schizogonie bestimmt.
Die Intensität der Manifestation einer Plasmodien-Infektion hängt vom Grad der Immunität des
Infizierten ab. Die mehrfache Infektion in einem Endemiegebiet bewirkt eine zeitlich begrenzte
sog. Semi-Immunität, die eine schwere Erkrankung verhindert. Nichtimmune sind somit am
stärksten gefährdet, unter ihnen besonders Kleinkinder und ältere Menschen.
Persistierende Hypnozoiten können zu Rezidiven führen. Wegen der langen Latenzperiode
zwischen einem Tropenaufenthalt und dem späten Auftreten einer Malaria kommt es nicht
selten zu einer Fehldiagnose.
Malaria tropica: Es handelt sich um die gefährlichste Malaria-Art, sie ist bei Nichtimmunen
unbehandelt mit einer Letalität bis zu 20% verbunden. Das klinische Krankheitsbild ist
vielgestaltig. Häufige erste Anzeichen sind Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen
sowie unregelmäßige fieberhafte Temperaturen. Der Fiebertyp ist kein diagnostisches Kriterium
für eine Malaria tropica, da es nur selten zum Auftreten eines rhythmischen Wechselfiebers
kommt. Bei etwa 60% der Patienten besteht eine Thrombopenie. Weiterhin kann es zu einer
Splenomegalie (etwa 26% der Fälle), einer Hepatomegalie (etwa 14% der Fälle) und auch zu
Durchfall kommen. Das Auftreten von zentralnervösen Erscheinungen, z.B. Krampfanfällen und
Bewusstseinstrübungen bis zum Koma, ist Ausdruck einer zerebralen Malaria. Weitere
Komplikationen sind akutes Nierenversagen, pulmonale Verlaufsformen, Kreislaufkollaps,
hämolytische Anämie und disseminierte intravasale Koagulopathien.
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Malaria tertiana: Sie wird durch P. vivax bzw. P. ovale hervorgerufen und beginnt plötzlich mit
Fieber und uncharakteristischen Beschwerden. Innerhalb weniger Tage erfolgt oft eine
Rhythmisierung der Fieberanfälle, die dann alle 48 Stunden auftreten. Typischerweise kommt
es in den späten Nachmittagsstunden zum Schüttelfrost, in dessen Verlauf das Fieber sehr
schnell auf Werte um 40°C ansteigt. Nach einer 3- bis 4-stündigen Fieberdauer fällt die
Temperatur abrupt unter starken Schweißausbrüchen auf Normalwerte ab. Die Malaria tertiana
verläuft nur selten tödlich.
Malaria quartana: Sie wird durch P. malariae hervorgerufen und ist seltener als andere
Malaria-Arten. Das klinische Bild wird durch Fieber im 72-Stunden-Rhythmus bestimmt.
Hypnozoiten gibt es nicht. Rückfälle können aber bis zu 40 Jahre nach der Erstinfektion
auftreten.
Diagnostik
Mikroskopische Untersuchung: Die wichtigste und zugleich sehr einfach und kostengünstig
durchzuführende labordiagnostische Maßnahme bei Malariaverdacht ist die mikroskopische
Untersuchung des sog. Dicken Tropfens und auch dünner Blutausstriche (Giemsa-Färbung) auf
Plasmodien. Dies gilt als Goldstandard der Malariadiagnostik.
Antigennachweis: Seit kurzem stehen Schnelltests zur Verfügung, die auf dem Nachweis
parasitenspezifischer Antigene beruhen (z.B. ICT Malaria P.F.®-Test, OptiMal®-Test).
Therapie
Jedes Krankenhaus sollte grundsätzlich darauf eingerichtet sein, die Behandlung einer Malaria
einzuleiten. Es empfiehlt sich, tropenmedizinischen Rat schon frühzeitig einzuholen. Die
Behandlung einer Malaria tropica sollte unbedingt stationär und möglichst in einer Einrichtung
mit tropenmedizinischer Erfahrung sowie intensivmedizinischen Möglichkeiten erfolgen. Die
Therapie ist grundsätzlich abhängig vom Erreger, der Resistenzlage, der zuvor durchgeführten
Chemoprophylaxe und vom klinischen Bild (unkomplizierter oder komplizierter Verlauf der
Malaria tropica!). Nachfolgend einige zusammengefasste orientierende Hinweise:
Malaria tropica: Chloroquin- und Sulfadoxin-Pyrimethamin-resistente Stämme von P.
falciparum kommen in fast allen tropischen Ländern vor. Mittel der Wahl bei der
unkomplizierten Malaria tropica sind Mefloquin, Atovaquon plus Proguanil oder Artemeter
plus Lumefantrin. Bei komplizierter Malaria tropica (z.B. ZNS-Beteiligung, Nierenbeteiligung
oder anderen Organkomplikationen) sollte unter intensivmedizinischen Bedingungen eine
parenterale Chinin-Gabe in Kombination mit Doxycyclin erfolgen. Intravenöse Chininpräparate
sind zwar in Deutschland nicht zugelassen, sind aber in infektiologischen und
tropenmedizinischen Spezialzentren verfügbar.
Malaria tertiana: Chloroquin-resistente P.-vivax-Erreger kommen nur sporadisch in einigen
Ländern Südostasiens und in Ozeanien vor. Mittel der Wahl ist daher bei Malaria tertiana
Chloroquin. Da Chloroquin nicht gegen die Hypnozoiten von P. vivax und P. ovale wirkt, wird
bei der Malaria tertiana eine Abschlussbehandlung mit Primaquin empfohlen. Vorher muss
jedoch ein Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-( G-6-PHD)-Mangel ausgeschlossen werden,
da sonst massive Hämolysen auftreten können.
Malaria quartana: Medikament der Wahl ist Chloroquin. Da bei P. malariae keine Hypnozoiten
vorliegen, ist eine Abschlussbehandlung mit Primaquin nicht erforderlich.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
Die Malariabekämpfung umfasst Maßnahmen zur Reduktion des Parasitenreservoirs in der
Bevölkerung (gezielte Therapie), gegen die Vektoren (Beseitigung von Brutplätzen, Larvizide,
Insektizide) und zu einer Reduzierung der Kontakte mit dem Vektor (bauliche Maßnahmen,
Moskitonetze, Repellents). Grundlage ist eine effektive Surveillance.
1. Präventive Maßnahmen
Individualprophylaxe: Reisende, die Malaria-Endemiegebiete aufsuchen wollen, sollten sich
vor Antritt der Reise von einem Arzt mit entsprechender Erfahrung über das Malariarisiko und
die erforderlichen Vorsorgemaßnahmen beraten lassen. Im Beratungssystem tragen neben den
Hausärzten und den Ärzten mit reise- und tropenmedizinischer Spezialisierung auch die
Reiseveranstalter Verantwortung. Insgesamt muss erreicht werden, dass die Reisenden
gründlich auf allgemeine und spezifische Gesundheitsrisiken in tropischen und subtropischen
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Ländern, erforderliche Verhaltensweisen sowie prophylaktische Maßnahmen hingewiesen
werden.
Eine Schutzimpfung gegen Malaria steht weiterhin nicht zur Verfügung. Die Möglichkeiten zur
Vorbeugung der Erkrankung umfassen daher die Expositionsprophylaxe und die
Chemoprophylaxe:
Expositionsprophylaxe: Die Anophelesmücken sind nachtaktiv (ab Einbruch der
Dämmerung). Eine Expositionsprophylaxe kann das Risiko, an Malaria zu erkranken, deutlich
vermindern. Folgende Maßnahmen kommen in Betracht:
der Aufenthalt in moskitosicheren Räumen (Klimaanlage, Fliegengitter),
das Schlafen unter Moskitonetzen, am besten imprägniert mit insektenabtötenden
Substanzen,
das Tragen entsprechender Kleidung (langärmlige Blusen und Hemden, lange Hosen,
Socken),
die Anwendung von Repellents.
Chemoprophylaxe: Die Chemoprophylaxe bietet keinen absoluten Schutz vor einer Malaria,
erhöht aber die Sicherheit entscheidend. Die Entscheidung über die Art der Malariaprophylaxe
muss anhand des konkreten Reisezieles, der Reisezeit, der Reisedauer und des Reisestils vom
Arzt individuell getroffen werden. Dabei müssen u.a. Vorerkrankungen und Unverträglichkeiten
sowie Besonderheiten bei der Medikamenteneinnahme beachtet werden.
Bei Reisen in Malariagebiete mit hohem Übertragungspotenzial ist eine Chemoprophylaxe
grundsätzlich empfehlenswert. Wenn in Gebieten mit niedrigem oder mittlerem Malariarisiko
keine regelmäßige Chemoprophylaxe durchgeführt wird, sollte ein Reservemedikament
mitgeführt werden, das bei malariaverdächtigen Symptomen und nicht erreichbarer ärztlicher
Hilfe eingenommen werden kann („Standby“). Dies sollte jedoch nur eine Notfallmaßnahme bis
zum Erreichen ärztlicher Hilfe darstellen.
Detaillierte Angaben zur Chemoprophylaxe sind den Empfehlungen zur Malariavorbeugung
(Empfehlungen der Gesellschaft für Tropenmedizin und Internationale Gesundheit;
http://www.dtg.mwn.de) zu entnehmen.
Besondere Risikogruppen: Bei Schwangeren ist eine medikamentöse Malariaprophylaxe nur
unter Vorbehalt möglich. Bei keinem Medikament besteht die Gewissheit, dass die Einnahme
für die Entwicklung des Kindes unbedenklich ist. In jedem Einzelfall ist eine strenge RisikoNutzen-Abwägung durch einen erfahrenen Arzt erforderlich. Nach bisherigem Erkenntnisstand
ist die Anwendung von Chloroquin und Proguanil möglich. Mefloquin sollte nicht im 1. Trimenon
und in der Stillzeit eingenommen werden. Zu Atovaquon/Proguanil liegen bisher keine
ausreichenden Daten vor. Doxycyclin ist in der Schwangerschaft und Stillzeit kontraindiziert.
Bei Kindern sollte die Malariavorbeugung primär in einer konsequenten Expositionsprophylaxe
bestehen (Moskitonetze über Betten und Spielflächen). Die Gabe von Chloroquin und Proguanil
ist möglich, es sollten jedoch die geringeren Dosierungen laut Angaben der Hersteller beachtet
werden. Auch die Kombination Atovaquon/Proguanil ist für Kinder ab 11 kg Körpergewicht zur
Prophylaxe zugelassen. Mefloquin ist für Kinder unter 5 kg Körpergewicht und unter dem
3. Lebensmonat nicht geeignet. Doxycyclin darf erst ab dem 8. Lebensjahr verordnet werden.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Bei einer unklaren fieberhaften Erkrankung nach einem Aufenthalt in einem MalariaEndemiegebiet (ggf. auch in einem Gebiet mit potenziellem Vorkommen von Malaria), ganz
besonders nach einem Tropenaufenthalt, muss differenzialdiagnostisch immer eine Malaria in
Betracht gezogen werden.
Erhärtet sich der Verdacht auf eine Malaria, muss er rasch bestätigt oder ausgeschlossen
werden. Es ist zu beachten, dass die Erkrankung an Malaria unter Umständen noch Wochen
und Monate im Anschluss an eine Reise möglich ist. Bei entsprechenden klinischen
Verdachtsmomenten sind auch die selteneren Infektionsmöglichkeiten mit in Betracht zu
ziehen. Wird eine Malaria diagnostiziert, so muss unverzüglich die geeignete Therapie
eingeleitet werden. Diese sollte von einem tropenmedizinisch oder infektiologisch erfahrenen
Arzt oder zumindest nach Konsultation eines solchen durchgeführt werden. – Für
Kontaktpersonen sind keine Maßnahmen einzuleiten, da eine Übertragung von Mensch zu
Mensch nicht möglich ist. Zur Abwendung der Gefahr einer Übertragung von Malariaplasmodien
über Blutspenden werden Personen, die eine Malaria durchgemacht haben, und Personen, die
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sich in Malaria-Endemiegebieten aufgehalten haben, entsprechend den geltenden Richtlinien
zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten
(Hämotherapie) der Bundesärztekammer und des Paul-Ehrlich-Instituts von der Blutspende
zurückgestellt (s.u. http://www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Richtidx/Blutprodukte).
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Malaria kann in Endemiegebieten gehäuft auftreten. Die weltweite Surveillance durch die WHO
hat bewirkt, dass diese Endemiegebiete gut bekannt sind und daher Vorsichtsmaßnahmen in
Form der Expositions- und Chemoprophylaxe ergriffen werden können. Unter Beachtung dieser
Maßnahmen ist das Risiko bei Reisen in Endemiegebiete gering und kalkulierbar.
Die Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen sind in vielen Ländern mit endemischem
Auftreten wegen begrenzter Ressourcen gegenwärtig unzureichend. Die WHO hat zur
Unterstützung der Länder mit besonderen Problemen das Roll Back Malaria Programme
konzipiert. Eine Reihe bewährter Antimalaria-Maßnahmen (z.B. Moskitonetze, Insektizide,
Chemotherapeutika) sollen mit internationaler Unterstützung effektiv und gezielt eingesetzt
werden.
Meldepflicht
Nach § 7 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) besteht eine nichtnamentliche Meldepflicht des
direkten Nachweises des Krankheitserregers durch das Labor. Die Nachweise werden direkt an
das Robert Koch-Institut (RKI) auf einem Meldebogen des RKI gemeldet. Der Meldebogen ist
ein Durchschreibebogen, der vom Laborarzt und vom einsendenden Arzt ausgefüllt wird.
Meldebögen und Freiumschläge für die Rücksendung an das RKI können im RKI angefordert
werden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 07.02.2006
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Masern
Erreger
Die Erkrankung wird durch ein ausschließlich humanpathogenes RNA -Virus hervorgerufen; es
gehört zum Genus Morbillivirus in der Familie der Paramyxoviren. Das Masernvirus ist sehr
empfindlich gegenüber äußeren Einflüssen wie erhöhten Temperaturen, Licht, UV-Strahlen,
fettlösenden Substanzen und Desinfektionsmitteln. Masernviren sind antigenisch stabil und
bilden nur einen Serotyp. Virus-neutralisierende Antikörper sind hauptsächlich gegen das virale
Oberflächenglykoprotein Hämagglutinin gerichtet.
Auf genomischer Ebene können Masernviren typisiert werden; die Genotypisierung basiert auf
der Nukleotidsequenzanalyse eines variablen Abschnittes auf dem N-Gen sowie des H-Gens.
Entsprechend der aktuellen WHO-Konvention werden die bisher bekannten Masernviren 8
Clades (A, B, C, D, E, F, G, H) mit insgesamt 23 Genotypen zugeordnet.
Die Genotypisierung ist für die Unterscheidung von Impf- und Wildviren, für epidemiologische
Analysen, aber auch für die Erkennung von Transmissionswegen und Infektionsquellen von
Bedeutung. So waren z. B. die im Jahr 2005 in Hessen und Bayern beobachteten lokalen
Masernausbrüche durch die Genotypen D4 bzw. D6 ausgelöst worden, die vermutlich nach
Deutschland „importiert“ worden waren.
Vorkommen
Masern sind weltweit verbreitet. Aus globaler Sicht ist die Bedeutung der Masern in
Entwicklungsländern, besonders in Afrika, am größten. Hier gehören sie zu den zehn häufigsten
Infektionskrankheiten und der Anteil tödlicher Verläufe ist besonders hoch.
In Deutschland ist die Häufigkeit der Masern durch die seit etwa 30 Jahren praktizierte Impfung
im Vergleich zur Vorimpfära zwar insgesamt deutlich zurückgegangen, doch kommt es immer
wieder zu kleinräumigen Ausbrüchen.
Seit Einführung der Meldepflicht gemäß IfSG im Jahre 2001 ging die Zahl der jährlich
übermittelten Erkrankungsfälle von 6037 (2001) auf 121 Fälle im Jahr 2004 (Datenstand
01.03.2005) zurück.
Es ist davon auszugehen, dass die Zahl der tatsächlichen Erkrankungen wesentlich höher ist,
da einerseits ein großer Teil der Erkrankten nicht vom Arzt behandelt wird und andererseits
nicht jede ärztlich behandelte Erkrankung zur Meldung kommt. Es wird erwartet, dass die
Morbidität durch steigende Impfraten insgesamt weiter zurückgeht.
Reservoir
Das natürliche Reservoir des Masernvirus bilden infizierte und akut erkrankte Menschen. Es
besteht fort, solange eine ausreichende Zahl empfänglicher Individuen eine Zirkulation des
Erregers ermöglicht. (Bedeutung einer möglichst kompletten Durchimpfung der Bevölkerung)
Infektionsweg
Masern – eine der ansteckendsten Krankheiten – werden durch das Einatmen infektiöser
Exspirationströpfchen (Sprechen) bzw. Tröpfchenkerne (Husten, Niesen) sowie durch Kontakt
mit infektiösen Sekreten aus Nase oder Rachen übertragen. Das Masernvirus führt bereits bei
kurzer Exposition zu einer Infektion (Kontagionsindex nahe 100 %) und löst bei über 95 % der
ungeschützten Infizierten klinische Erscheinungen aus.
Inkubationszeit
Gewöhnlich 8–10 Tage bis zum Beginn des katarrhalischen Stadiums, 14 Tage bis zum
Ausbruch des Exanthems; bis zu 18 Tage bis zum Fieberbeginn sind möglich.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit beginnt bereits 5 Tage vor Auftreten des Exanthems und hält bis 4
Tage nach Auftreten des Exanthems an. Unmittelbar vor Erscheinen des Exanthems ist sie am
größten.
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Klinische Symptomatik
Masern sind eine systemische, sich selbst begrenzende Virusinfektion mit zweiphasigem
Verlauf. Sie beginnen mit Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen, Husten und einem Enanthem am
Gaumen. Pathognomonisch sind die oft nachweisbaren Koplik-Flecken (kalkspritzerartige weiße
Flecken an der Mundschleimhaut). Das charakteristische makulopapulöse Masernexanthem
(bräunlich-rosafarbene konfluierende Hautflecken) entsteht am 3.–7. Tag nach Auftreten der
initialen Symptome. Es beginnt im Gesicht und hinter den Ohren und bleibt 4–7 Tage bestehen.
Beim Abklingen ist oft eine kleieartige Schuppung zu beobachten. Am 5.–7. Krankheitstag
kommt es zum Temperaturabfall. – Eine Masernerkrankung hinterlässt lebenslange
Immunität.
Die Masernvirus-Infektion bedingt eine transitorische Immunschwäche von etwa 6 Wochen
Dauer. Die Folgen können bakterielle Superinfektionen sein, am häufigsten Otitis media,
Bronchitis, Pneumonie und Diarrhoen. – Eine besonders gefürchtete Komplikation, die akute
postinfektiöse Enzephalitis, zu der es in 0,1 % der Fälle kommt, tritt etwa 4–7 Tage nach
Auftreten des Exanthems mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum
Koma auf. Bei etwa 10–20 % der Betroffenen endet sie tödlich, bei etwa 20–30 % muss mit
Residualschäden am ZNS gerechnet werden.
Die subakute sklerosierende Panenzephalitis (SSPE) stellt eine sehr seltene
Spätkomplikation (nach Literaturangaben 7–11 Fälle pro 100.000 Erkr.) dar, die sich nach
durchschnittlich 6–8 Jahren manifestiert. Beginnend mit psychischen und intellektuellen
Veränderungen entwickelt sich ein progredienter Verlauf mit neurologischen Störungen und
Ausfällen bis zum Verlust zerebraler Funktionen. Die Prognose ist stets infaust.
Abgeschwächte Infektionsverläufe („mitigierte Masern“) werden bei Menschen beobachtet, bei
denen infolge mütterlicher oder transfundierter Antikörper (Neugeborene oder nach
Antikörpersubstitution) oder einer nicht vollständig ausgebildeten Impfimmunität die
Virusreplikation beeinträchtigt bzw. gestört ist und eine reduzierte Virämie vorliegt. Das
Exanthem ist in diesen Fällen nicht voll ausgebildet, so dass eine klinische Diagnose erschwert
ist; mit Ansteckungsfähigkeit muss jedoch gerechnet werden.
Bei Immunsupprimierten oder bei zellulären Immundefekten verläuft die Maserninfektion
zwar nach außen hin schwach – das Masernexanthem tritt nicht oder nur atypisch in
Erscheinung –, dagegen können sich als schwere Organkomplikationen eine progrediente
Riesenzellpneumonie oder die Masern-Einschlusskörper-Enzephalitis entwickeln, die mit
einer Letalität von etwa 30 % einhergehen.
Nach Literaturangaben entfällt auf etwa 10.000–20.000 Masernerkrankungen eine Erkrankung
mit tödlichem Ausgang. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gab es seit 1998 pro
Jahr 1–2 Masernsterbefälle (mit einer Ausnahme: 1999 wurden 4 Sterbefälle registriert). Aus
der gleichen Quelle ist ersichtlich, dass die Zahl der stationären Behandlungen in den letzten
Jahren rückläufig war. Im Jahr 2003 wurden 94 Personen wegen Masern stationär behandelt.
Diagnostik
Die Masern weisen ein relativ typisches klinisches Bild auf, so dass in der Vergangenheit
Laboruntersuchungen zur Bestätigung der klinischen Diagnose zu den Ausnahmen zählten. Mit
Einführung der Schutzimpfungen ist das Krankheitsbild bei uns wesentlich seltener geworden,
so dass die klinische Diagnose unzuverlässiger wird und die Labordiagnostik eine zunehmende
Bedeutung erlangt hat.
Therapie
Erkrankte Personen sollten in der akuten Krankheitsphase Bettruhe einhalten. Eine spezifische
antivirale Therapie gibt es nicht. Die symptomatische Therapie ist abhängig von den
Organmanifestationen. Neben fiebersenkenden Medikamenten und Hustenmitteln ist bei
bakteriellen Superinfektionen, z. B. Otitis media und Pneumonie, eine antibiotische Therapie
indiziert.
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Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Weil der Mensch der einzige Wirt des Masernvirus ist, der Erreger antigenisch weitgehend stabil
ist und ein geeigneter Impfstoff zur Verfügung steht, ist eine wirksame Prävention bis hin zur
weltweiten Elimination möglich.
Seit 1984 ist daher die Elimination der Masern durch Impfprogramme ein wesentliches
gesundheitspolitisches Ziel der Weltgesundheitsorganisation (WHO), auf das die Regierungen
der Mitgliedsländer hinarbeiten. Durch groß angelegte Impfkampagnen, die die regulären
Impfprogramme ergänzen, wurden im Weltmaßstab bereits deutliche Erfolge erzielt. Anfang der
90er Jahre wurde in vielen europäischen Ländern eine drastische Reduktion der Morbidität und
Mortalität erreicht.
Wegen verschiedener Hemmnisse und besonders auch erheblicher Rückschläge im Osten
Europas in den letzten Jahren wurde die ursprünglich für das Jahr 2000 vorgesehene
Zielstellung der Elimination der Masern in Europa um 10 Jahre verschoben.
Im Gegensatz zu Ländern mit sehr hohen Impfraten und entsprechend niedriger Morbidität (wie
z.B. Finnland, Schweden, die Niederlande und Großbritannien) gehört Deutschland ebenso wie
z.B. Frankreich, Italien, Österreich, die Schweiz und die GUS zu den Ländern mit noch
ungenügenden Masernimpfraten. Die Einführung der Masernimpfung (DDR: 1967, alte
Bundesländer: 1973) hat zwar zu einem Rückgang der Masernerkrankungen in Deutschland
geführt, wegen der nur suboptimalen Impfraten konnten die Masernviren jedoch weiter
zirkulieren. Ende 1999 wurde nach längerer Vorbereitung und Abstimmung ein nationales
Programm zur Elimination der Masern in der Bundesrepublik Deutschland gestartet, in
dem Aufgaben, Ziele und Lösungswege im Einzelnen festgelegt sind. Leitziel ist eine Senkung
der Maserninzidenz auf < 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner/Jahr. Diese Inzidenz wurde im
Jahr 2003 erstmalig erreicht. Entscheidende Fortschritte im Interventionsprogramm erfordern
Impfraten von mindestens 95% im frühen Kindesalter und setzen eine hohe Bereitschaft zur
Unterstützung in der Bevölkerung und innerhalb der Ärzteschaft voraus. Die
Maserndurchimpfung zum Schuleingang lag im Jahr 2004 bei 93,5% für die erste Dosis und
65,7% für die 2. Impfdosis.
Zur Unterstützung des Interventionsprogramms wurde ein leistungsfähiges System der
Surveillance etabliert. Hauptelemente sind die Meldungen nach § 6 und § 7 IfSG, die SentinelSurveillance durch die Arbeitsgemeinschaft Masern – AGM – mit der integrierten
laborgestützten Surveillance durch das NRZ und örtliche Laboratorien sowie die
Serosurveillance (systematische Untersuchungen zur Populationsimmunität).
Bei dem Impfstoff handelt es sich um einen Lebendvirusimpfstoff, hergestellt aus
abgeschwächten Masernviren, die auf Hühnerfibroblasten vermehrt werden. Die Impfstoffe
werden als Monovakzine und in kombinierter Zusammensetzung mit dem Mumps- sowie
Rötelnvirus angeboten (MMR-Vakzine). Als Impfstoff der Wahl gilt die MMR-Vakzine.
Die Erstimpfung sollte im Alter von vollendetem 11. bis zum 14. Monat, d.h. nach dem
Verschwinden der maternalen Antikörper, erfolgen. Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe
bewirken bei über 90 % der einmal Geimpften eine Serokonversion. Bis zu 5 % der Impflinge
zeigen die sogenannten „Impfmasern“ mit mäßigem Fieber, flüchtigem Exanthem und
respiratorischen Symptomen, meist in der 2. Woche nach der Impfung. Die durch die Impfung
bewirkte Immunantwort ist nach 4–6 Wochen nachweisbar. Die mittleren Antikörpertiter liegen
niedriger als nach natürlicher Infektion. Die empfohlene Zweitimpfung (die keine
Auffrischimpfung ist!) soll den Kindern, die – aus unterschiedlichen Gründen – nach der
Erstimpfung keine Impfimmunität entwickelt haben, eine zweite Chance geben. Dies sichert
erfahrungsgemäß ein Maximum der Impfimmunität der zu impfenden Jahrgänge. Seit Juli 2001
wird die Zweitimpfung bereits im Alter von 15–23 Monaten empfohlen. Die zweite MMR-Impfung
kann 4 Wochen nach der ersten MMR-Impfung erfolgen.
Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert KochInstitut wird eine Impfung – vorzugsweise mit MMR-Impfstoff – auch allen ungeimpften und
noch nicht erkrankten Personen in medizinischen Einrichtungen zur Behandlung von Kindern
sowie in Kindertagesstätten, Kinderheimen u.ä. empfohlen.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Masern sind aufgrund möglicher Komplikationen keine harmlose Erkrankung. Das Auftreten von
Masern bedingt Maßnahmen, um infektionsgefährdete Personen in der Umgebung zu schützen
und der weiteren Ausbreitung vorzubeugen:
Gemäß § 34 IfSG dürfen Personen, die an Masern erkrankt oder dessen verdächtig sind, in
Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen
Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem
Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Dieses
Verbot gilt gemäß Satz 2 der Vorschrift entsprechend auch für die in
Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Masern. Sie dürfen die dem Betrieb der
Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten oder Einrichtungen benutzen und
an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung
zum Besuch von Gemeinschaftseinrichtungen ist nach Abklingen der klinischen Symptome,
jedoch frühestens 5 Tage nach Exanthemausbruch möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist
nicht erforderlich.
Für empfängliche Personen, die in der Wohngemeinschaft Kontakt zu einem
Masernerkrankungsfall hatten, legt § 34 Abs. 3 IfSG einen Ausschluss vom Besuch einer
Gemeinschaftseinrichtung für die Dauer von 14 Tagen nach der Exposition fest. Der Besuch
von Gemeinschaftseinrichtungen ist für diese Personen dann möglich, wenn ein Impfschutz
besteht, eine postexpositionelle Schutzimpfung durchgeführt wurde oder eine früher
abgelaufene Erkrankung ärztlich bestätigt ist. Darüber hinaus sollten zur Verhütung der
Weiterverbreitung der Masern gegebenenfalls auch Kontakte zu ärztlich bestätigten Masern, die
sich an anderer Stelle als in der Wohngemeinschaft ereignet haben, Beachtung finden
(Rettungsdienst Mitarbeiter).
In Einrichtungen des Gesundheitswesens sollen an Masern Erkrankte zum Schutz
infektionsgefährdeter Personen isoliert werden.
Bei ungeimpften, immungesunden Kontaktpersonen kann der Ausbruch der Masern durch eine
rechtzeitige postexpositionelle Impfung wirksam unterdrückt werden (s. a. Abschnitt 3). Bei
abwehrgeschwächten Patienten und chronisch kranken Kindern ist eine postexpositionelle
Prophylaxe von Masern auch als passive Immunisierung durch eine Gabe von spezifischem
humanem Immunglobulin innerhalb von 2–3 Tagen nach Kontakt möglich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei einem Masernausbruch in einer Gemeinschaftseinrichtung ergeben sich Maßnahmen des
Gesundheitsamtes im Zusammenwirken mit der Leitung der Einrichtung und den beteiligten
Ärzten (z. B. Kontrolle der labordiagnostischen Sicherung, Information, Überprüfen des
Impfstatus aller Personen, Schutz empfänglicher Personen). Mindestens bei der
Indexerkrankung und sonst bei ausgewählten Erkrankungsfällen sollte die Diagnose
labordiagnostisch gesichert werden. Das Nationale Referenzzentrum für Masern, Mumps,
Röteln bietet bei Erkrankungshäufungen Beratung zur Diagnostik und kostenfreie virologische
und molekularbiologische Untersuchungen an. – Bei Masernausbrüchen in einer
Gemeinschaftseinrichtung sollten alle Mitarbeiter, bei Kindereinrichtungen auch die Eltern der
betreuten Kinder über die Erkrankungen, das Infektionsrisiko und die Möglichkeiten des
Schutzes informiert werden (§ 34 Abs. 8 u. 10 IfSG).
Die weitere Ausbreitung kann durch die postexpositionelle Immunisierung ungeimpfter bzw. nur
einmal geimpfter Kontaktpersonen (Riegelungsimpfung), die möglichst innerhalb der ersten 3
Tage nach Exposition erfolgen sollte, verhindert werden. (In größeren Einrichtungen und
Schulen ist eine Riegelungsimpfung meist auch noch zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoll.)
Neuaufnahmen sind nur möglich, wenn ein Impfschutz besteht, eine postexpositionelle
Schutzimpfung durchgeführt wurde oder eine früher abgelaufene Erkrankung ärztlich bestätigt
ist.
Zur Begrenzung des Ausbruchs sollten Kontakte inkubierter empfänglicher Personen aus der
betroffenen Einrichtung zu anderen Einrichtungen oder Gemeinschaften (z. B. in Sportvereinen,
auf Schulfesten und Gruppenfahrten) während der Inkubationszeit von 14 Tagen nach
Möglichkeit unterbleiben. Ob bei einem
Masernausbruch in einer größeren
Gemeinschaftseinrichtung nicht geschützte Personen, die aus medizinischen oder persönlichen
Gründen keine Postexpositionsimpfung erhalten können, für einen bestimmten Zeitraum vom
Besuch der Einrichtung ausgeschlossen werden, ist eine Ermessensentscheidung der
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zuständigen Gesundheitsbehörde, bei der die Umstände des Einzelfalles abzuwägen wären.
Grundsätzlich kann eine solche Maßnahme, wenn sie z. B. zur Sicherung des Erfolges der
Maßnahmen zur Bekämpfung eines bestimmten Ausbruchs für notwendig gehalten wird, auf
den § 28 IfSG gestützt werden.
Anmerkung: Die heutige Einstellung zum Infektionsschutz in Gemeinschaftseinrichtungen, hier
in Verbindung mit dem nationalen Masern-Interventionsprogramm, legt ein differenzierteres
Vorgehen als in der Vergangenheit nahe, das sowohl den Schutz der Gesundheit des Einzelnen
als auch der Gemeinschaft berücksichtigt. Dies entspricht dem Verfahren in Ländern, in denen
das Durchführen öffentlich empfohlener Impfungen bereits mehr zur Norm geworden ist als
gegenwärtig in Deutschland. Obwohl ein direkter Vergleich schwer möglich ist, sei
beispielsweise auf die im Red Book der American Pediatric Society beschriebene und in den
USA empfohlene Strategie hingewiesen.
Meldepflicht
Nach § 6 IfSG ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod an Masern namentlich
an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Gemäß § 7 IfSG besteht für Leiter von
Untersuchungsstellen eine Meldepflicht für den direkten oder indirekten Nachweis einer akuten
Masernvirus-Infektion.
Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 Abs. 6 IfSG die Pflicht, das
zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis gelangte Auftreten zu
benachrichtigen und dazu krankheitsbezogene Angaben zu machen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006
Fazit:
Dran denken bei entsprechendem Hautausschlag oder anderweitigem Verdacht. Meldepflicht
beachten, eigenen Impfstatus bedenken, Frühzeitig über die Leitstelle den Fachdienst
informieren, da hohe Kontagiösität besteht.
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Maul- und Klauenseuche
Die Maul- und Klauenseuche ist eine Erkrankung vor allem von Klauentieren, wie Schafen,
Schweinen, Rindern, Ziegen, Büffeln und Rot- und Dammwild. Die Infektion gilt neben BSE als
die wirtschaftlich einschneidenste Tiererkrankung überhaupt. Sie wird durch das Aphten-Virus,
einem Virus aus der Gruppe der Picornaviren, hervorgerufen und ist extrem infektiös. Für
erkrankte Tiere ist die Erkrankung sehr schmerzhaft und verläuft für Jungtiere oft tödlich. Eine
Therapie gibt es nicht.
In sehr seltenen Fällen ist eine Übertragung auf den Mensch, z.B. bei Melkern, Schlachtern
oder Tierärzten beobachtet werden; die Krankheit verläuft aber beim Menschen relativ milde.
Die Krankheit ist nach dem Tierseuchengesetz und der MKS-Verordnung meldepflichtig.
Der Erreger
Der Erreger ist ein Virus mit dem deutschen Namen Maul- und Klauenseuche-Virus, auch als
Aphtenvirus bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein Virus aus der Gruppe der Picornaviren
(pico=sehr klein). Picornaviren sind die kleinsten bekannten RNA-Viren mit einem Durchmesser
von ca. 20-30 nm (1 nm = 1 Milliardstel Meter). Der Erreger wird durch Temperaturen über 56 C
abgetötet. Außerdem ist er säureempfindlich.
Infektionswege
Die Viren werden vor allem über den Speichel, sowie durch die geplatzten Aphten bei den
infizierten Tieren ausgeschieden. Unter Aphten versteht man kleine infektiöse Bläschen,
vergleichbar denen bei einer Herpesinfektion im Mundbereich. Der Begriff entstammt dem
Griechischen und bedeutet Schwämmchen.
Die Aufnahme durch andere noch nicht infizierte Tiere erfolgt vor allem über den NasenMundbereich, also oral. Aber auch Tierprodukte wie Milch und Fleisch können zu Infektionen
führen.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit, also die Zeit zwischen der Infektion und dem Ausbruch der Erkrankung,
beträgt beim Schaf 1 bis 6 Tage, beim Rind zwischen 2 bis 7 Tagen, und beim Schwein
zwischen 2 bis 12 Tagen.
Symptome und Verlauf
Die Symptome sind beim Schwein, Schaf und Rind teilweise etwas unterschiedlich. Aber
allgemein lässt sich feststellen:
Die Tiere bekommen so genannte Aphten an den Schleimhäuten im Maulbereich und an den
Eutern, dabei sinkt die Milchproduktion. Später breitet sich die Erkrankung über die Speiseröhre
bis in die Mägen aus, so dass die Tiere, die unter starken Schmerzen leiden, und nicht mehr
fressen. An den Klauen treten ebenfalls schwere Symptome auf, die soweit gehen, dass die
Tiere unter großen Schmerzen auf der Lederhaut laufen müssten.
Schafe beginnen zu lahmen und Schweine bewegen sich nur noch rutschend von der Stelle.
Bei älteren Tieren endet die Erkrankung selten tödlich, jüngere Tiere, vor allem Rinder,
dagegen versterben häufiger. Die Kälber versterben meist an akutem Herzversagen oder an
den Folgen einer Herzmuskelentzündung.
Diagnose
Bläschen und auffälliger Speichelfluss, Fieber sowie Fressunlust gelten als Verdachtsdiagnose.
Die eigentliche Diagnose erfolgt über den Virus - und einen Antikörpernachweis.
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Therapie
Eine Therapie gegen das Virus gibt es nicht. Die Tiere werden getötet, obwohl, wie erwähnt,
erwachsene Tiere die Erkrankung in der Regel überleben. Bei Jungtieren ist mit einer höheren
Todesrate und mit Schäden am Herzmuskel zu rechnen.
Impfungen
Es gibt Impfstoffe, die jedoch nur im Notfall, also zum Schutz von Tieren in der weiteren
Umgebung beim Ausbruch einer Seuche Anwendung finden dürfen. Aber auch diese Tiere
müssen später getötet werden. Ein vorbeugender Impfschutz ist in der EU seit 1991 verboten.
Die Gründe dafür sind rein wirtschaftlicher Art, da z.B. Japan und die USA für geimpfte Tiere ein
Einfuhrverbot verhängt haben, da man infizierte Tiere und geimpfte Tiere bisher nicht
unterscheiden kann.
Es wird aber an einer so genannten Peptidimpfung gearbeitet, die im Gegensatz zu den früher
verwendeten Totimpfstoffen gegen eine Vielzahl von Virusstämmen schützen können. Tiere, die
mit Peptiden geimpft worden sind, können auch von infizierten Tieren unterschieden werden.
Der Mensch
Der Mensch kann - wie bereits erwähnt - in seltenen Fällen ebenfalls erkranken. Er stellt dann
für das Virus einen so genannten Fehlwirt dar. Die Erkrankung verläuft beim Menschen jedoch
relativ harmlos, oft sind nur Antikörper nachweisbar, ohne dass bemerkbare Symptome
aufgetreten sind. Hin und wieder können leichte Entzündungen mit Bläschenbildung im Mundund Rachenraum festgestellt werden. Beobachtet wurden derartige Infektionen aber nur bei
Menschen, die sehr intensiven Kontakt zu den Tieren haben, so z.B. bei Melkern, Schlachtern
oder Tierärzten.
Aber: ein infizierte Mensch kann als Virusträger andere Tiere anstecken!
Rechtliches, Vorbeugung
Alle Maßnahmen erfolgen in Deutschland nach dem Tierseuchengesetz und der daraus
hervorgegangenen Rechtsverordnung, der MKS-Verordnung.
Danach kann ein betroffener Betrieb (Hof) vollständig gesperrt werden. Je nach Lage kann um
den Betrieb herum ein ca. 3 km großer Sperrbereich mit entsprechenden
Zugangsbeschränkungen für Mensch und Tier errichtet werden. Falls erforderlich, kann um den
Hof zusätzlich eine Beobachtungszone von 10 km und - mit einem noch größeren Radius - bei
Bedarf eine Schutzzone eingerichtet werden. Die Beschränkung aufgrund des Gesetzes
und/oder der Verordnung können für Mensch und Tier ganz erheblich sein.
Aufgrund der Säureempfindlichkeit der Erreger werden Personen und Gegenstände, wie z.B.
Kfz, mit Hilfe von Zitronen- oder Ameisensäure oder auch Formaldehyd desinfiziert, um die
Erreger zu inaktivieren. Dies kann durch Desinfektionsbäder oder -matten, über die man laufen
oder fahren muss, geschehen. Es kann aber auch durch das Absprühen der gesamten Person,
des gesamten Kfz. oder anderer Gegenstände erfolgen.
Die Einfuhr aller potentiellen Virusträger, bis hin zu Lebensmitteln für den persönlichen Bedarf,
kann untersagt werden.
Bedeutung als biologische Waffe
Es ist relativ leicht, in den Besitz des die MKS auslösenden Virus zu gelangen. Es wäre auch
relativ einfach, mehr oder weniger unbemerkt, eine größere Anzahl von Tieren zu infizieren.
Damit ließe sich längerfristig ohne Zweifel u.a. ein beträchtlicher volkswirtschaftlicher Schaden
erreichen. Eine Gefährdung von Menschen würde jedoch nicht stattfinden. Aber eine öffentlich
wirksame große Aufmerksamkeit und Aufregung würde damit sicherlich erzeugt, insofern ist ein
Anschlag mit MKS-Viren nicht auszuschließen.
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Meningitis
Definition
Bei der Meningitis handelt es sich um eine Entzündung der Hirnhäute (Meningen). In manchen
Fällen weitet sich die Infektion auf das Gehirn aus. Es entsteht eine Gehirnentzündung
(Enzephalitis). Die Kombination aus beiden Erscheinungen wird als Meningoenzephalitis
bezeichnet.
Formen der Meningitis
Grundsätzlich treten zwei Formen der Meningitis auf: Die häufig diskreter verlaufende virale,
nicht eitrige Meningitis und die meistens stark ausgeprägt verlaufende bakterielle, eitrige
Meningitis.
Erreger
Die meisten Bakterien und Viren können eine Entzündung der Meningen auslösen. Eine virale
Hirnhautentzündung wird oft in Verbindung mit einer anderen Viruserkrankung beobachtet.
Beispielsweise haben 40 Prozent der Mumpspatienten eine virale Meningitis. Die häufigsten
bakteriellen Erreger sind Meningokokken, Pneumokokken oder Hämophilus influenzae. Es ist
nicht geklärt, warum völlig gesunde Menschen plötzlich eine bakterielle Meningitis bekommen.
Meningokokken sind ein normaler Bestandteil des Nasenrachenraumes. Dort richten sie aber
keinen Schaden an.
Akutsymptome
- hohes Fieber
- Schüttelfrost
- Kopfschmerzen
- Nackensteifigkeit
- Übelkeit und Erbrechen
- Bewusstseinsstörungen
- Lichtscheue
- Kiefersperre
- Schonhaltung (Orpisthotonus)
Symptome im weiteren Verlauf
- Krämpfe
- Persönlichkeitsveränderungen
- Ausfall von Hirnnerven
- Ausfall diverser ZNS-Funktionen
Komplikationen der Meningitis
Neben möglichen neurologischen Folgeschäden einer Meningitis droht bei einer systemischen
Infektion mit Meningokokken ein septischer Schock (Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom). Bei
der Meningokokken- Meningitis können kleine Blutungen in der Haut auftreten, so genannte
Petechien. Die Hautblutungen sind ein Zeichen dafür, dass die Bakterien in die Blutbahn
gelangt sind. Dieser Zustand ist äußerst ernst und muss unverzüglich antibiotisch behandelt
werden.
Schutzmaßnahmen im Rettungsdienst
Die drei genannten Bakterien und die meisten Viren werden durch Tröpfcheninfektion
übertragen. Es ist daher im Rettungsdienst bei Verdacht auf Meningitis Schutzkleidung
(Einmalschutzanzug, Mundschutz, Einmalhandschuhe und Überschuhe) zu tragen. Ein
Mundschutz für den Patienten wird bei stabilem respiratorischem Zustand empfohlen.
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Seite 103 von 205
Desinfektionsmaßnahmen
Das Infektionsschutzgesetz und die Empfehlungen des Robert-Koch-Institutes fordern eine
volle Schlussdesinfektion des Fahrzeugs. Die Desinfektionsmittel, Dosierungen sowie
Gebrauchs- und Sicherheitshinweise sind den jeweiligen Hygieneplänen zu entnehmen.
Erweiterte präventive Maßnahmen
Bei durch Liquordiagnostik bestätigter Meningokokken- Meningitis wird für alle Kontaktpersonen
die antibiotische Postexpositionsprophylaxe (PEP) empfohlen.
Praktisches Vorgehen und Regelung
Ein bestätigter Verdacht auf bakterielle Meningitis muss umgehend dem zuständigen
Gesundheitsamt gemeldet werden. In der Regel bekommen auch die Leitstellen eine
Information der behandelnden Klinik, da auf diesem Weg die betroffenen Mitarbeiter der
Hilfsorganisationen weiterinformiert werden können. Selbst sollte man an dem Informationsfluss
auch Interesse haben und sich ggf. weiter in der Klinik zeitnah erkundigen.
Sofern eine solche Meldung an die Leitstelle gelangt, wird umgehend der Rufbereitschaftsdienst
des Gesundheitsamtes informiert. Der zuständige Arzt nimmt so dann die Ermittlungen im
Umfeld der betroffenen Person auf, um ggf. weitere Personen die sich angesteckt haben
könnten zu identifizieren.
Die Besatzungen der Rettungsmittel müssen sich nicht beim D-Arzt vorstellen. Die Unfallkasse
akzeptiert die Meldung des Arbeitgebers. Wenn der Arzt des Fachdienstes feststellt, das eine
Übertragung durch Kontakt möglich sein konnte, werden Antibiotika Tabletten an die
betroffenen Mitarbeiter ausgeteilt. Hierfür sind in der Leitstelle Ciprofloxacin 500 mg Tabletten
eingelagert und werden dort auf Anweisung des Arztes dann auch abgegeben. Für die PEP
muss man einmalig eine Tablette einnehmen. Sollte aus anderen Gründen Rifampicin verordnet
werden, so kommt eine Dosis von 10 mg / KgKG, maximal 600 mg Tablette; zweimal am Tag
über 2 Tage zum Einsatz.
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Seite 104 von 205
Milzbrand
Definition
Der Milzbrand ist eine bakterielle (Bazillus anthracis) Infektions-Erkrankung, die hauptsächlich
bei Tieren auftritt und demzufolge als Zoonose bezeichnet wird. Der Name ergab sich aus der
Beobachtung, dass sich die Milz bei erkrankten Tieren vergrößert und schwärzlich, wie
verbrannt, aussieht.
Vorkommen
Die Erkrankung tritt bevorzugt in warmen Ländern auf. Betroffen sind häufig Huftiere, wie
Schweine, Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde. Eine Übertragung des Milzbrandes auf den
Menschen kommt normalerweise nur bei Berufsgruppen vor, die engen Kontakt zu diesen
Tieren oder deren Produkte (Tierhäute, Fleisch oder Milch) haben. In den meisten Fällen ist der
Milzbrand daher eine Berufskrankheit. In Deutschland ist diese Erkrankung beim Menschen
selten.
Infektionsweg
Die Ansteckung kann durch direkten Hautkontakt, durch das Einatmen von Sporen oder durch
den Verzehr von erkrankten Tieren bzw. Tierprodukten geschehen. Das Übertragungsrisiko von
Mensch zu Mensch ist gering.
Biologische Waffe
Weil die Erkrankung für den Menschen sehr gefährlich ist, wurde schon früh mit Milzbrand als
biologischer Waffe experimentiert. Die Sporen der Milzbrandbakterien können sich
jahrzehntelang in der Umwelt halten. Heute besitzen eine Reihe von Staaten Milzbranderreger
als Kampfmittel, die z. B. mit Granaten verschossen oder mit Raketen über große Entfernungen
an ihr Ziel gebracht werden können. Auch terroristische Anschläge, z. B. über das
Trinkwassersystem einer Großstadt sind vorstellbar und möglich. Die Aktualität dieser Gefahr
haben insbesondere die USA erkannt und damit begonnen, ihre Soldaten gegen Milzbrand zu
impfen.
Inkubationszeit
Sie beträgt 1 – 7 Tage, meist ca. 48 Stunden
Symptome
Der Milzbrandbazillus ist in der Lage, wichtigen Abwehrmechanismen zu entgehen. Er bildet vor
allem bei seiner Zerstörung Giftstoffe, die an die Umgebung abgegeben werden. Diese
schädigen die Adern bis in die kleinsten Aufzweigungen, so dass die Gefäßwände durchlässig
werden. Folge sind Entzündungsreaktionen und Blutungen. Beides äußert sich als eine
blutdurchtränkte Schwellung des betreffenden Gewebes. Bevorzugt betroffen sind die Lunge,
der Darm und die Haut.
Die häufigste Milzbranderkrankung beim Menschen ist der Hautmilzbrand. Durch direkten
Kontakt gelangen Milzbrandsporen in kleine oberflächliche Hautverletzungen. Nach kurzer Zeit
entsteht ein rotes Knötchen mit einem schwarzen Zentrum. Daraus entwickelt sich schnell ein
eitergefülltes Bläschen. Mit einer weiteren Ausdehnung der Erkrankung treten neue Bläschen
auf und verschmelzen schließlich zum Milzbrandkarbunkel. Wenn ein solches Karbunkel
Anschluss an ein Blutgefäß bekommt, kann dies zu einer Sepsis führen.
Wesentlich seltener ist beim Menschen der Lungenmilzbrand. Die Infektion erfolgt hier durch
das Einatmen von Sporen. Sie haften oft an Tierhäuten und Tierhaaren und sind meist über
Jahre ansteckend. Der Lungenmilzbrand verläuft wie eine schwere Lungenentzündung mit
starkem blutigem Auswurf. Die Patienten haben hohes Fieber, häufig Schüttelfrost, Husten und
Atemnot.
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Der Darmmilzbrand entsteht durch den Verzehr von rohem Fleisch oder ungekochter Milch von
erkrankten Tieren. Im Vordergrund stehen hier blutiges Erbrechen und blutige Stühle aufgrund
der schweren hämorrhagischen Darmentzündung.
Diagnose
Der Verdacht ergibt sich aus der Krankengeschichte, z. B. Tierkontakte, Beruf und den
Symptomen. Die Diagnose wird durch eine Untersuchung von Körpersekreten (Flüssigkeit aus
Bläschen, Blut, Bronchialsekret sowie Stuhl) gesichert.
Komplikationen
Entwicklung der Milzbrandsepsis mit Fieber, Schüttelfrost, Hautblutungen, Milzvergrößerung
und Kreislaufschock. Diese Sepsis führt sehr schnell zum Tode.
Therapie
Die Behandlung muss frühstmöglich mit hochdosierter Antibiotikagabe erfolgen (vorrangig
Chinolone oder Penicillin, alternativ Tetracycline, Erythromycin oder Chloramphenicol)
Chirurgische Eingriffe bei Hautmilzbrand sind strikt verboten, da sie die Gefahr einer Streuung
und Sepsis bergen. Patienten müssen isoliert werden. Im Krankenhaus besteht für das
Personal die Pflicht, Handschuhe zu tragen.
Sterblichkeit
Ohne antibiotische Therapie verlaufen ca. 5-20% der Hautmilz-brandfälle tödlich. Bei rechtzeitig
begonnener Behandlung ist die Prognose jedoch gut. Lungen- und Darmmilzbrand verlaufen
ohne oder bei verspäteter Therapie meist innerhalb von 2-3 Tagen tödlich.
Prophylaxe, Impfungen
Am wichtigsten ist normalerweise die Vermeidung des Kontaktes mit erkrankten Tieren und
ihren Produkten.
Ein zugelassener Impfstoff existiert wegen zahlreicher Nebenwirkungen und unkalkulierbaren
Risiken weltweit bisher nicht.
An einem Wirkstoff zur Schluckimpfung wird zurzeit von mehreren Forschergruppen gearbeitet.
Im Verdachtsfall ist die prophylaktische Einnahme von Antibiotika möglich.
Die Empfehlungen für die richtige Verhaltensweise der Bevölkerung bei waffengemäßem
Gebrauch von Milzbrandbakterien unterscheiden sich nicht von denen für chemische
Kampfstoffe: Sofortiges Aufsuchen von Häusern, Ablegen möglicherweise kontaminierter
Kleidung und das Schließen von Fenstern und Türen sind die effektivsten ersten
Schutzmaßnahmen.
Bei Verdacht auf Freisetzung von Milzbrandsporen in Räumen sollen diese nach Ablegen
möglicherweise sporenhaltiger Kleidung möglichst ohne Hektik (um Sporenaufwirbelungen zu
vermeiden) verlassen werden und anschließend zumindest Gesicht und Hände sorgfältig
gewaschen werden, wenn möglich eine Körperdusche erfolgen.
Fazit:
Seit den Milzbrand Alarmen im Jahr 2001, die bei uns in Deutschland alle Fehlalarme waren,
hat dieses Szenario nicht mehr statt gefunden. In den USA sind im gleichen Zeitraum
Menschen bei terroristischen Anschlägen dieser Art ums Leben gekommen.
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MRSA
Erreger
Staphylokokken sind als Besiedler der Haut sowie der Schleimhäute des Oropharynx beim
Menschen und bei Tieren weit verbreitet, als Infektionserreger sind sie fakultativ pathogen. Die
stärkste Pathopotenz der bekannten Staphylokokken-Spezies besitzt Staphylococcus (S.)
aureus.
Staphylokokken sind nicht bewegliche, nicht sporenbildende grampositive, katalasepositive
Kokken, die im mikroskopischen Präparat einzeln, als Paare, als kurze Ketten oder als
unregelmäßige Anhäufungen auftreten. Sie können unter verschiedenen Umweltbedingungen
wachsen, am besten jedoch bei Temperaturen zwischen 30°C und 37 °C. Eine weitgehende
pH-Toleranz und Resistenz gegen Austrocknung machen sie vergleichsweise unempfindlich.
Mit seltenen Ausnahmen sind Staphylokokken fakultativ anaerob.
Anbibiotikaresistenz: Resistenz gegen β-Laktamase-empfindliche Penicilline (Benzylpenicillin
als Testsubstanz) ist weit verbreitet (70–80% aller Isolate). Resistenz gegen andere Antibiotika
tritt häufig als Mehrfachresistenz auf, dabei überwiegend bei Methicillin-resistenten S. aureus
(MRSA).
Der Anteil von MRSA an S. aureus aus Infektionen in Krankenhäusern stieg von 1998 bis 2004
von ~15 auf über 20%. 72% aller MRSA aus Mitteleuropa sind resistent gegen Erythromycin,
93,89% resistent gegen Chinolone, 66% resistent gegen Clindamycin.
Bestimmte MRSA-Stämme, die durch molekulare Typisierung gut definiert werden können,
haben eine besondere Fähigkeit, sich epidemisch auszubreiten. Diese Eigenschaft der
Ausbreitungsfähigkeit, die als „epidemische Virulenz“ bezeichnet wird, charakterisiert eine
komplexes Verhalten von S.-aureus-Stämmen, die von Faktoren der Stämme selbst
(Widerstandsfähigkeit, Ausstattung mit Pathogenitätsfaktoren; sog. „intrinsische Virulenz“) und
Faktoren ihrer Umwelt (hygienische und antibakterielle Maßnahmen) bestimmt werden. Das
Maß der Ausbreitungsfähigkeit entscheidet mit darüber, ob Einzelerkrankungen oder Ausbrüche
auftreten. Die rasche asymptomatische Besiedlung von Kontaktpersonen und die Tatsache,
dass vorangegangene Besiedlung oder Infektion mit MRSA nicht vor einer neuen Infektion
schützt, erhöhen das Ausbreitungspotenzial.
Vorkommen (bezogen auf MRSA)
MRSA sind weltweit verbreitet. Sie besitzen eine große Bedeutung als Verursacher von
nosokomialen Infektionen. Wie S. aureus allgemein, so können auch MRSA Besiedler sein.
Diese Besiedlung betrifft insbesondere hospitalisierte Patienten, bisher vergleichsweise
geringer auch Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Bei der gesunden Bevölkerung sind sie
in Mitteleuropa noch selten. Neben dem Nasenvorhof sind Rachen, Perineum und
Leistengegend wesentliche Prädilektionsstellen.
MRSA in Krankenhäusern: Das Auftreten von MRSA in Krankenhäusern ist charakterisiert
durch die Aufnahme besiedelter bzw. infizierter Patienten sowie die potenzielle Übertragung
durch die Hände des medizinischen Personals, die Möglichkeit einer monatelangen Persistenz
bei nasaler Besiedlung bzw. bei Infektionen mit diesem Erreger sowie durch die
Umweltresistenz (Tenazität).
Faktoren, die Bedeutung für die zunehmende Verbreitung von MRSA haben sind:
Selektionsvorteil der MRSA bei Anwendung von Antibiotika (z.B. Chinolone) (s. SARI),
Fehler oder Inkonsequenz im Hygieneregime,
Zunahme von MRSA-Infektionen bei prädisponierten Patienten,
Zunahme intensivmedizinischer Maßnahmen und Implantationen,
mangelnde Information der Nachfolgeeinrichtungen bei Verlegungen von MRSAkolonisierten oder -infizierten Patienten innerhalb der eigenen Klinik oder in andere
Einrichtungen einschließlich inkonsequenter Nachbetreuung.
Gegenwärtig haben die MRSA in Deutschland einen mittleren Anteil von 20,7% an allen
untersuchten S. aureus aus klinisch relevantem Untersuchungsmaterial (überregionale
multizentrische Studie der Paul-Ehrlich-Gesellschaft im Herbst 2001; 2). Für die
skandinavischen Länder und die Niederlande liegt dieser Wert deutlich niedriger (< 1%).
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Auf Intensivstationen liegt der Anteil nosokomialer MRSA-Infektionen – bezogen auf alle S.aureus-Infektionen – bei 36,6% (KrankenhausInfektionsSurveillanceSystem (KISS), Stand
2005).
MRSA in Alten- und Pflegeheimen: In den Jahren 1999–2001 ergaben 6 unabhängig
voneinander durchgeführte Studien in verschiedenen Bundesländern bei Alten- und
Pflegeheimbewohnern MRSA-Besiedelungsraten zwischen 0 und 3% bezogen auf die
Bewohnerzahl. Die dabei aufgetretenen MRSA gehörten zu den in den Krankenhäusern der
jeweiligen Region auftretenden epidemischen MRSA. Ausbreitung zwischen Bewohnern eines
Heimes wurde nur vereinzelt bei Unterbringung im Doppelzimmer beobachtet. In der Regel
handelte es sich um eine Besiedlung.
MRSA bei der nicht hospitalisierten Bevölkerung (community acquired MRSA,
"c-MRSA"): MRSA werden mit unterschiedlicher Häufigkeit auch als Besiedler des
Nasenvorhofes sowie von Wundabstrichen in der nicht hospitalisierten Bevölkerung
nachgewiesen. Dabei kann es sich um Patienten mit vorherigem Aufenthalt in Krankenhäusern
oder anderen stationären Pflegeeinrichtungen handeln, die noch einen MRSA-Hospitalstamm
tragen. In den letzten 7 Jahren sind aber weltweit MRSA auch unabhängig von
Krankenhausaufenthalten als Infektionserreger und Besiedler aufgetreten, die deshalb als
community MRSA (cMRSA) bezeichnet werden. cMRSA werden überwiegend im
Zusammenhang mit tiefgehenden und nekrotisierenden Haut-Weichteilinfektionen isoliert,
insbesondere der Furunkulose.
Reservoir
Für S. aureus als Infektionserreger ist der Mensch das Hauptreservoir, aber auch Tiere können
betroffen sein.
Beim Menschen ist bevorzugt der Nasen-Rachen-Raum besiedelt. Die Rate der Träger eines in
der Regel antibiotikasensiblen S. aureus variiert bei gesunden Erwachsenen zwischen 15% und
40%.
Die
Trägerrate
ist
höher
bei
Personen,
die
häufig
gegenüber
S. aureus exponiert sind und bei denen die Haut nicht intakt ist. So findet sich z.B. eine
Besiedlung häufiger bei im Gesundheitswesen tätigen Personen, Patienten mit großflächigen
Wunden (z.B. Hautulcus, Gangrän, tiefe Weichteilinfektion, chronische Wunden oder
Brandverletzungen), Patienten mit Tracheotomien oder liegenden Kathetern, Dialysepatienten,
Diabetikern,
Atopikern,
Patienten
mit
chronischer
Pflegebedürftigkeit
und
i.v.
Drogenabhängigen.
Übertragungweg
Wie bei S. aureus allgemein, können auch MRSA-Stämme, die zu einer Infektion führen, zum
einen vom betroffenen Patienten selbst stammen (endogene Infektionen [9]), oder exogen von
anderen Menschen oder Tieren bzw. über die unbelebte Umgebung (z. B. gemeinsam benutzte
Badetücher) übertragen werden. In den meisten Fällen erfolgt die Übertragung durch die Hände
z.B. des Pflege- und ärztlichen Personals. Bei nasaler Besiedlung kann sich der Erreger
ausgehend vom Vestibulum nasi, dem eigentlichen Reservoir für S. aureus, auf andere
Bereiche der Haut (u.a. Hände, Axilla, Perinealregion) und Schleimhäute (z.B. Rachen)
ausbreiten.
Prädisponierend für S.-aureus-Infektionen wirken vor allem: Diabetes mellitus,
Dialysepflichtigkeit
Vorhandensein von Fremdkörpern (Plastikmaterialien wie z.B.
Venenkatheter, Urethralkatheter, Tracheostoma, Metalllegierungen wie z.B. Gelenkersatz),
Verletzungen der Haut als äußere Barriere, Immunsuppression oder bestimmte Infektionen, z.B.
mit Influenza-A-Viren.
Inkubationszeit
Bei Intoxikationen mit oral aufgenommenen Staphylokokkentoxinen beträgt die Inkubationszeit
wenige Stunden (etwa 2–6 Stunden), bei Infektionen 4–10 Tage. Bei Personen mit einer
Besiedlung kann eine endogene Infektion auch Monate nach der initialen Kolonisation
entstehen.
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Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht insbesondere während der Dauer klinisch manifester
Symptome. Die Erreger können aber auch von klinisch gesunden Personen mit einer
Staphylokokken-Besiedlung übertragen werden.
Klinische Symptomatik
Die durch S. aureus einschließlich MRSA verursachten Erkrankungen lassen sich in lokalisierte
oder generalisierte pyogene Infektionen und durch Toxine vermittelte Erkrankungen gliedern:
1. Pyogene und invasive Infektionen
Dazu gehören Furunkel, Karbunkel, Pyodermie, Abszesse, Empyeme, Wundinfektionen, Otitis
media, Sinusitis, eitrige Parotitis, Mastoiditis, (sekundäre) Meningitis, Pneumonie,
Osteomyelitis, Endokarditis, Sepsis, Fremdkörperinfektionen, Pyomyositis. Invasive S.-aureusErkrankungen können als lokale (oberflächliche), tiefgehende und systemische Infektionen
auftreten. Lokale Infektionen betreffen zunächst die Haut und ihre Anhangsgebilde (Talgdrüsen,
Haarbälge) und sind als Furunkel (wenn zusammenfließend Karbunkel), Pyodermien und bei
der verletzten Haut als Wundinfektionen bekannt.
Tiefer gehende Infektionen sind die Parotitis, die Mastitis puerperalis und die Osteomyelitis (mit
exogener oder hämatogener Genese). Die Pneumonie mit S. aureus kann infolge einer
Influenza-A-Virusinfektion auftreten, tritt aber auch als nosokomiale Pneumonie bei beatmeten
Patienten auf. Ausgehend von lokalen Infektionen kann sich S. aureus in andere Organsysteme
absiedeln mit Abszessbildung sowie Empyemen in Körperhöhlen (Pleura, Gelenke). Die
Bakteriämie infolge Keimausschwemmung in die Blutbahn kann in eine Sepsis übergehen
(Letalität bei an sich antibiotikaempfindlichen Stämmen noch immer bis zu 15%!) und auch zur
Endokarditis führen. Letztere nimmt im Vergleich zu Endokarditiden mit Enterokokken und mit
oralen Streptokokken z.T. einen foudroyanten Verlauf.
Wie auch von den koagulase-negativen Staphylokokken bekannt, vermag S. aureus sehr gut an
hydrophobe Oberflächen wie Plastikmaterialien und Edelstahllegierungen zu adhärieren mit der
Folge von Infektionen bei Kathetern und shunts sowie auch bei Gelenkersatz und
Stabilisierungsmaßnahmen in der Traumatologie und Orthopädie. Entgegen früheren
Auffassungen sind MRSA in Bezug auf invasive Infektionen nicht weniger oder mehr virulent als
S. aureus allgemein. Durch Verzögerungen bei der adäquaten Therapie ist die Infektion jedoch
mit einer höheren Letalität belastet, dies betrifft insbesondere die Sepsis.
2. Toxin-vermittelte Erkrankungen
Staphylococcal scalded skin syndrome (SSSS): Durch die von bestimmten S.-aureusStämmen gebildeten exfoliativen Toxine (ETA, ETB, ETC) wird die staphylogene toxische
epidemische Nekrolyse (TEN; Synonym: staphylococcal scalded skin syndrome, SSSS)
verursacht. Der Erkrankung liegt eine intradermale Spaltbildung mit nachfolgendem Ödem
zwischen unterem Stratum spinosum und oberem Stratum granulosum zugrunde. Bullöse
Impetigo und Pemphigus neonatorum sind lokal begrenzte Verlaufsformen. Die generalisierte
Verlaufsform resultiert aus der Toxinausschwemmung über den gesamten Makroorganismus
infolge des Fehlens einer ausreichenden Bildung spezifischer Antikörper (Dermatitis exfoliativa
Ritter von Rittershain). Überwiegend sind Säuglinge, seltener ältere und immunsupprimierte
Patienten betroffen. Obgleich die Dermatitis exfoliativa vorwiegend als Hospitalinfektion sowie
als Gruppeninfektion in Kindertagesstätten auftritt, ist darauf hinzuweisen, dass toxinbildende
S.-aureus-Stämme auch in der gesunden Bevölkerung verbreitet sind. MRSA sind bisher erst in
einem klinischen Fall als Verursacher von Dermatitis exfoliativa beschrieben worden.
Toxic shock syndrome (TSS, Toxisches Schock-Syndrom): Diese lebensbedrohliche
Infektion ist durch folgende Symptome gekennzeichnet: Fieber (über 39°C), diffuses makulöses
Exanthem, Hypotonie. TSS ist mit einem Multiorganversagen verbunden, für die
Diagnosestellung „TSS“ müssen drei oder mehr der folgenden Organsysteme beteiligt sein:
Gastrointestinaltrakt (Erbrechen, Übelkeit oder Diarrhoe), Muskulatur (ausgeprägte Myalgien mit
Erhöhung des Serumkreatinins bzw. der Phosphokinase), Schleimhäute (vaginale,
oropharyngeale oder konjunktivale Hyperämie), Nieren (Erhöhung von Harnstoff oder Kreatinin
im Serum, Pyurie ohne Nachweis einer Harnwegsinfektion), Leber (Erhöhung von
Transaminasen, Bilirubin oder alkalischer Phosphatase), ZNS (Desorientiertheit,
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Hygiene im Rettungsdienst
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Bewusstseinsstörung). Eine bis zwei Wochen nach Krankheitsbeginn kann eine Hautschuppung
vor allem an den Handflächen und Fußsohlen auftreten.
Das TSS beruht auf der Superantigenwirkung des Toxic-shock-syndrome-Toxins (TSST-1), es
sind auch Fälle bekannt, in denen es durch Enterotoxin B oder Enterotoxin C (ebenfalls
Superantigene) ausgelöst wurde. An TSS erkranken fast immer jüngere Personen, im späteren
Erwachsenenalter besitzen mehr als 90% aller Menschen Antikörper gegen TSST-1. Etwa 92%
der bisher beschriebenen Fälle traten bei menstruierenden Frauen (Durchschnittsalter 23 Jahre,
vor allem im Zusammenhang mit Tampongebrauch) auf, die Häufigkeit liegt bei 3–6 Fällen auf
100.000 Frauen im sexuell aktiven Alter. TSS kann auch als Komplikation bei Frauen mit
Diaphragma, im Wochenbett, mit infektiösem Abort sowie in der nicht geburtshilflichen
gynäkologischen Chirurgie auftreten. Das TSS kann darüber hinausgehend von
Hauterkrankungen, Verbrennungen, Insektenstichen, Varizella-Läsionen und chirurgischen
Wunden unabhängig von der Geschlechtszugehörigkeit ausgehen.
Lebensmittelintoxikationen: Die Lebensmittelvergiftung wird durch die Aufnahme von
Enterotoxinen verursacht, die von S. aureus in kontaminierten Lebensmitteln vor der
Nahrungsaufnahme produziert wurden. Durch die hohe Hitzestabilität werden S.-aureusEnterotoxine auch bei der Lebensmittelzubereitung nicht abgetötet. Bereits 2–6 Stunden nach
Aufnahme des kontaminierten Lebensmittels treten abrupt Übelkeit, Erbrechen, krampfartige
Bauchschmerzen und Durchfall auf. In den meisten Fällen ist die Erkrankung selbstlimitierend
und endet nach 8–24 Stunden. In schweren Fällen kann es zu Hypovolämie und Hypotonie
kommen.
Therapie
Für die Behandlung von Infektionen mit Oxacillin-empfindlichen S. aureus gelten
penicillinasefeste Penicilline (z.B. Flucloxacillin) sowie Cephalosporine der 1. Generation und
inhibitorgeschützte Penicilline als Mittel der Wahl, bei generalisierenden Infektionen kombiniert
mit einem Aminoglykosid. Alternativen sind Kombinationen mit Rifampicin. Für die Behandlung
von Haut-Weichgewebeinfektionen sind seit kurzem Tigezyklin und Daptomycin (europäische
Zulassungen) verfügbar.
Für Infektionen mit MRSA sowie schwere S.-aureus-Infektionen im Allgemeinen sollten
grundsätzlich keine ß-Laktamantibiotika eingesetzt werden. Hier sind Kombinationen von
Glykopeptiden mit Rifampicin, mit Clindamycin oder Gentamicin (je nach Antibiogramm)
indiziert. Als weitere Kombinationspartner stehen Fosfomycin und Fusidinsäure zur Verfügung.
Schließlich steht noch das Linezolid aus der Substanzgruppe der Oxazolidinone zur
Monotherapie zur Verfügung (orale bzw. i.v. Applikation möglich). Falls erforderlich, ist für die
Behandlulng von Haut-Weichgewebeinfektionen auch die Kombination von Rifampicin und
Cotrimoxazol geeignet [21]. Der Kliniker sollte seine Antibiotikatherapie nicht allein von der „in
vitro“ Empfindlichkeit ableiten.
Sanierung einer MRSA-Besiedlung: Standardverfahren zur Sanierung einer nasalen MRSABesiedlung ist die Verwendung von Mupirocin-Nasensalbe.
Zur Sanierung eines Befalls des Rachens bzw. einer Besiedlung der Haut mit MRSA sind
zusätzlich desinfizierende Mundspülungen bzw. Ganzkörperwaschungen der intakten Haut
unter Einschluss der Haare mit antiseptischen Seifen und Lösungen mit nachgewiesener
Wirksamkeit zu empfehlen.
Zur Erfolgskontrolle sind frühestens 3 Tage nach Abschluss der Sanierungsmaßnahmen bzw.
nach Therapie Kontrollabstriche (z.B. Nase, Rachen, Leiste, perneal, falls vorhanden Wunde,
Zugang zentraler Venenkatheter und ursprünglicher Nachweisort) vorzunehmen.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen in klinischen Einrichtungen
Situationsgerechte Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen sind Grundvoraussetzungen, um
MRSA-Übertragungen zu vermeiden oder die Verbreitung einzudämmen.
Der Umgang mit MRSA-besiedelten bzw. infizierten Patienten erfordert speziell im klinischen
Bereich ein konsequentes und systematisches Hygienemanagement (MRSA-Management).
Entscheidende Maßnahmen zur Kontrolle der MRSA-Situation umfassen:
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eingehende Information und Schulung des Personals,
frühzeitiges Erkennen und Verifizieren von MRSA-Kolonisation bzw. Infektion
(Screening)
konsequente (Kohorten-)Isolierung [22] MRSA-kolonisierter/-infizierter Patienten,
strikte Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen [22],
den Versuch der Sanierung bekannter MRSA-Träger,
sowie den kontrollierten Umgang mit Antibiotika.
Bei Verlegungen in andere medizinische oder pflegerische Einrichtungen ist die entsprechende
Zieleinrichtung vorab über die MRSA-Besiedlung/-Infektion des zu verlegenden Patienten zu
informieren. Die Begleitunterlagen sollten geeignete Informationen enthalten. Nur so können
entsprechende Maßnahmen zur Prävention der Weiterverbreitung getroffen werden.
Maßnahmen beim Transport durch den Rettungsdienst
Die Festlegung von Hygienemaßnahmen und deren Überwachung im Rettungsdienst obliegt
den Bundesländern.
In Anbetracht auch unerkannter MRSA-Träger ist die konsequente Einhaltung von
Standardhygienemaßnahmen beim Transport und der Behandlung von Patienten von
hervorragender Bedeutung (z.B. Abdecken offener Wunden mit einem Verband, korrekte
Durchführung der Händedesinfektion nach Kontakt zum Patienten, Schutzkittel bei engem
Kontakt oder Kontaminationsgefahr mit Sekreten/Exkreten, Wischdesinfektion der
Patientenkontaktflächen nach Transport) und sollte generelle Anwendung finden. Auch das
Begleitpersonal muss eine hygienische Händedesinfektion durchführen.
Das Tragen von speziellen Schutzanzügen/Overalls ist beim Transport von MRSA-positiven
Personen aus hygienischen Gründen nicht erforderlich und wird in Hinblick auf die von dieser
Schutzkleidung ausgehenden unnötigen Verunsicherungen nicht empfohlen.
Eine Entlassung von Patienten kann unabhängig von der MRSA-Besiedlung erfolgen. Der
weiterbehandelnde Arzt muss jedoch informiert und ggf. beraten werden, welche weiteren
Maßnahmen zu veranlassen sind. Die Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass kein
Infektionsrisiko für gesunde Kontaktpersonen besteht (Ausnahmen: Personen mit offenen
Wunden oder ekzematöser Haut, Immunsupprimierte, Früh- und Neugeborene).
MRSA-Träger unter dem Personal sollten nach Möglichkeit bis zur nachgewiesenen
Sanierung keine Patienten behandeln oder pflegen. Ist dies organisatorisch nicht zu erzielen,
müssen sie konsequent besondere hygienische Maßnahmen ergreifen (z.B. Mund-NasenSchutz, vor jedem Patientenkontakt Händedesinfektion).
Eine Sanierung ist grundsätzlich zu empfehlen. Wird dabei kein MRSA nachgewiesen, ist eine
Aufnahme der Tätigkeit mit den generell üblichen Hygienemaßnahmen in der direkten
Patientenbetreuung wieder möglich.
Aufgrund der komplexen Problematik wird an dieser Stelle auf die detaillierten Darstellungen
der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention „Empfehlung zur Prävention
und Kontrolle von MRSA in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen“ sowie
auf die Fachtagung MRSA ausdrücklich hingewiesen.
2. Präventionsmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen
Das Auftreten von mehrfachresistenten Erregern in Alten- und Pflegeheimen erfordert eine
spezifische Risikobewertung. Dafür sind Kenntnisse über die Übertragungswege
mehrfachresistenter Erreger – insbesondere MRSA – und von Hygienemaßnahmen beim
Personal erforderlich.
Nach dem heutigen Stand der Erfahrungen besteht für MRSA-besiedelte Personen keine
Kontraindikation zur Aufnahme in Heime. Bei Kenntnis der MRSA-Besiedlung eines Bewohners
muss jedoch individuell entschieden werden, welches Risiko der Weiterverbreitung tatsächlich
besteht.
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Eine Weiterverbreitung von MRSA ist bei MRSA-positiven Bewohnern/Patienten mit
produktivem Husten, Tracheostoma oder offenen Hautläsionen eher zu erwarten als bei
Bewohneren ohne Risikofaktoren.
In der Regel können Heimbewohner mit MRSA-Besiedlung am Gemeinschaftsleben und an
Therapiemaßnahmen teilnehmen, wenn angemessene Präventionsmaßnahmen zum Schutz
empfänglicher Mitbewohner eingehalten werden.
Dringend erforderlich ist hierbei die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Heimleitung,
betreuenden Hausärzten und verlegender Einrichtung. Das gilt besonders für die gegenseitige
Vorabinformation über den Besiedlungsstatus von zu verlegenden MRSA-positiven
Bewohnern/Patienten.
Auf die Empfehlung „Infektionsprävention in Heimen“ der Kommission für Krankenhaushygiene
und Infektionsprävention wird an dieser Stelle ausdrücklich hingewiesen.
3. Prävention im ambulanten Pflegebereich
Bei den „ambulanten“ MRSA (außerhalb der klinischen Einrichtungen) handelt es sich meist um
Epidemiestämme, die bei Krankenhausaufenthalten erworben wurden und längere Zeit bei den
Patienten als Besiedler persistierten.
Auch das ambulante Pflegepersonal muss sich daher auf den Umgang mit pflegebedürftigen
MRSA-Trägern einstellen. Dazu ist zunächst eine Information über den Trägerstatus durch die
Klinik an den weiterbehandelnden Hausarzt erforderlich. Dieser sollte dann den zuständigen
Pflegedienst informieren. Es gilt dann für das Pflegepersonal auch hier, die Weiterverbreitung
auf andere Patienten zu vermeiden. Das bedeutet auch hier hygienische Händedesinfektion
vor und nach jeder Tätigkeit am Patienten mit Körperkontakt. Weiterhin sind
Einmalhandschuhe (vor und nach jedem Anlegen der Einmalhandschuhe ist eine
Händedesinfektion notwendig) und patientengebundene Schutzkittel bei der Versorgung von
Wunden, Tracheostomata, Kathetern und Sonden oder bei möglichem Kontakt mit
Körpersekreten oder -ausscheidungen zu tragen. Zur Verhinderung der Besiedlung der Nase
des Personals empfiehlt sich bei Tracheostomapflege und Bettenmachen das Tragen eines
Mund-Nasen-Schutzes. Pflegehilfsmittel sollten patientengebunden verwendet bzw. nach
Gebrauch desinfiziert werden. Es wird empfohlen, die anfallende Wäsche desinfizierend zu
waschen. Zur weiterführenden Orientierung kann auch die Empfehlung „Infektionsprävention in
Heimen“ dienen.
Darüber hinaus empfiehlt sich das gleiche Vorgehen für alle Familienmitglieder, da sonst durch
enge Kontakte immer wieder eine Übertragung zwischen Familienmitgliedern erfolgen kann.
4. Prävention im häuslichen Milieu
Es ist üblich, dass von einer MRSA-Infektion genesene Patienten mit noch bestehender
asymptomatischer MRSA-Besiedlung in Nase, Rachen, Wunde oder auf der Haut (z.B.
perianal) nach Hause entlassen werden. Das Ansteckungsrisiko für Angehörige eines solchen
MRSA-Trägers ist in der Regel nicht sehr hoch. Durch Kuss- oder enge Körperkontakte kann es
zu einer passageren Besiedlung von Familienmitgliedern kommen, welche für diese in der
Regel keine Bedrohung darstellt. Durch eine Infektion gefährdet sind Personen mit offenen
Wunden oder Hautläsionen sowie mit bekannten Dispositionen für eine Infektion mit S. aureus
(z.B. Diabetiker, dialysepflichtige Patienten). In diesen Fällen ist eine Distanzierung von MRSATrägern bis zur erfolgreichen Sanierung geboten.
Problematisch sind MRSA-besiedelte diabetische Ulcera. Eine Sanierung ist hier meist nicht
möglich. In diesen Fällen ist eine fachkundige Wundbehandlung und sorgfältiges Abdecken der
Wunde essentiell.
Ein Risiko durch MRSA besteht auch für stark immunsupprimierte Personen – auch hier ist eine
Distanzierung von MRSA-Trägern geboten. Sanierungsversuche mit Mupirocin-Nasensalbe,
Rachendesinfizienzien und antiseptischen Bädern von Patienten oder kolonisierten
Angehörigen, die selbst in einem stationären Bereich tätig sind, sollten vom Hausarzt veranlasst
werden.
Für Schwangere und die Frucht besteht zunächst keine Gefahr, da die Staphylokokken nicht die
Placentaschranke passieren. Es empfiehlt sich aber, bei bekanntem MRSA-Trägerstatus der
Schwangeren nach Eintritt des Mutterschutzes Abstriche aus dem Genitalbereich zu
entnehmen. Bei etwaigem Nachweis von MRSA ist eine Sanierung der Scheide und im NasenRachenraum noch vor der Entbindung ratsam, da es zu Wundinfektionen oder Besiedlung des
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Neugeborenen kommen könnte. Die Schwangere sollte sich im Zeitraum des Trägerstatus
sorgfältig die Hände desinfizieren.
MRSA-Besiedlungen der Brust bzw. der Brustdrüsengänge der Mutter eines Neugeborenen
sind ebenso wie die Übertragung von MRSA auf das Neugeborene in der Literatur beschrieben.
Die Entscheidung, ob ein Säugling bei MRSA Besiedlung der Brust der Mutter gestillt werden
kann, sollte daher nach einer Risikoeinschätzung und unter Berücksichtigung der individuellen
Gegebenheiten für das Kind durch den behandelnden Kinderarzt erfolgen. Gegebenenfalls ist
nach möglichen Alternativen zu suchen.
Maßnahmen bei Ausbrüchen
Ausbrüche von MRSA-Infektionen stellen ein ernstes krankenhaushygienisches Problem dar.
An dieser Stelle wird auf die bestehende Meldepflicht (siehe unten) und die Empfehlungen der
Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention zum Ausbruchmanagement und
zu MRSA hingewiesen. Bei gehäuftem Nachweis von MRSA bei mehreren Patienten, die in
einem räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen, ist eine Genotypisierung zur
Verifizierung der Klonalität (Identität der Stämme) anzustreben. Im Falle eines Ausbruchs sollte
immer ein Screening (Abstriche der Nasenvorhöfe und des Rachens) aller Patienten der
betroffenen Behandlungseinheit sowie des medizinischen Personals, das Kontakt zu dem
MRSA-Patienten hatte, erfolgen. Kommt es zu einer Besiedlung beim Personal, sollten auch die
Familienangehörigen (Partner) mit untersucht werden, da auch Familienmitglieder (und z.T.
auch Haustiere) Quelle für erneute Besiedlungen sein können.
Meldepflicht
Das Auftreten von Krankheitserregern mit speziellen Resistenzen und Multiresistenzen soll
innerhalb einer Organisationseinheit fortlaufend aufgezeichnet und ausgewertet werden (§23
IfSG). Einzelne S.-aureus- oder MRSA-Erkrankungen oder -Besiedlungen sind nicht
meldepflichtig. Gemäß § 6 Abs. 3 IfSG ist jedoch das gehäufte Auftreten nosokomialer
Infektionen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird,
unverzüglich dem Gesundheitsamt als Ausbruch zu melden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 09.02.2007
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Mumps
Erreger
Das Mumpsvirus ist ein umhülltes einsträngiges RNA-Virus aus der Familie der
Paramyxoviridae. Die Innenseite der Hülle wird von einem Matrixprotein ausgekleidet, die
Negativstrang-RNA ist von einem Nukleokapsid umgeben. Die Glykoproteine Hämagglutinin
und Neuraminidase sowie das Fusionsantigen bilden aus der Virushülle herausragende
„Spikes“.
Von Mumpsviren ist nur ein Serotyp bekannt. Mögliche Kreuzreaktionen mit dem
Parainfluenzavirus sind zu beachten. Obwohl Mumpsviren genetisch nur relativ geringfügig
variieren, lassen sich durch Sequenzvergleiche Unterschiede zwischen einzelnen Stämmen
feststellen. Damit ist auch eine Unterscheidung zwischen Impf- und Wildvirus möglich, was bei
der
Beurteilung
eventueller
Impfkomplikationen
von
Bedeutung
ist.
Einzelne
Mumpsvirusstämme unterscheiden sich auch in ihren biologischen Eigenschaften, wie z.B. der
Neurovirulenz.
Vorkommen
Infektionen mit dem Mumpsvirus sind weltweit endemisch verbreitet und betreffen in
ungeimpften Populationen überwiegend das Kindes- und Jugendalter. Sie treten während des
ganzen Jahres, jedoch gehäuft im Winter und Frühjahr auf. In Deutschland kommt es bei den
gegenwärtigen Impfraten noch zu Erkrankungswellen im Abstand von einigen Jahren. Unter
dem Einfluss der zunehmend verbesserten Impftätigkeit sind häufiger als früher Erkrankungen
im Erwachsenenalter zu verzeichnen.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Erregerreservoir.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt vor allem aerogen durch Tröpfcheninfektion, seltener durch mit
Speichel kontaminierte Gegenstände. Die mögliche Virusausscheidung im Urin und in der
Muttermilch hat keine praktische Bedeutung für die Übertragung.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 16–18 Tage (12–25 Tage sind möglich).
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit ist 2 Tage vor bis 4 Tage nach Erkrankungsbeginn am größten.
Insgesamt kann ein Infizierter 7 Tage vor bis 9 Tage nach Auftreten der Parotisschwellung
ansteckend sein. Auch klinisch inapparente Infektionen sind ansteckend.
Klinische Symptomatik
Mumps ist eine systemische Infektionskrankheit. Sie führt in der Regel zu lebenslanger
Immunität; Zweiterkrankungen sind möglich, aber selten.
Mindestens 30–40 % der Infektionen verlaufen subklinisch. Besonders bei Kindern unter 5
Jahren kann die Mumpsinfektion unter dem Bild einer akuten respiratorischen Erkrankung
ablaufen (40–50 % der Fälle). Das typische Erkrankungsbild ist eine Entzündung der
Speicheldrüsen – Sialadenitis (ein- oder doppelseitiger Befall der Glandula parotis, teilweise
auch Glandula submandibularis oder Glandula sublingualis) – in Verbindung mit Fieber. Auch
andere Drüsen können betroffen sein.
Zu den wichtigen Manifestationen gehört eine seröse Meningitis ein (klinisch auffällig in etwa 3–
10 % der Fälle, sehr viel häufiger unbemerkt). Die Mumpsmeningitis kann in Verbindung mit
einer Akustikus-Neuritis und Labyrinthitis sehr selten eine Innenohrschwerhörigkeit zur Folge
haben (1 Fall auf 10.000 Erkrankte). Seltenere Manifestationen, vor allem postpubertär, sind
Pankreatitis, Orchitis, Epididymitis, Oophoritis oder Mastitis. Die Orchitis kann in seltenen Fällen
zur Sterilität führen. Sehr seltene Komplikationen sind: Thyreoiditis, Myelitis, Myokarditis,
Arthritis, Entzündungen an den Augen und Nieren und eine thrombozytopenische Purpura.
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Unter den sehr seltenen Komplikationen hat die Meningoenzephalitis eine besondere
Bedeutung, sie führt in 50% der Fälle zu Dauerschäden.
Bemerkenswert ist, dass alle Manifestationen und Komplikationen auch ohne manifeste
Parotitis auftreten können. In der Schwangerschaft kann die Erkrankung, vor allem wenn sie
während des 1. Trimesters auftritt, zu Spontanaborten führen. Fetale Missbildungen oder
Frühgeburten sind nicht bekannt.
Die Dauer der manifesten Erkrankung beträgt in der Regel 3–8 Tage. Mit zunehmendem
Lebensalter werden schwere Verlaufsformen, z.B. Manifestationen am ZNS, häufiger. Die Zahl
der Krankenhausbehandlungen wegen Mumps ist in den letzten Jahren zurückgegangen.
Therapie
Die Therapie ist ausschließlich symptomatisch (z.B. Analgetika, Antipyretika).
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Die wirksamste präventive Maßnahme ist die Schutzimpfung gegen Mumps, für die ein
attenuierter Lebendimpfstoff zur Verfügung steht. Von der Ständigen Impfkommission (STIKO)
am Robert Koch-Institut wird eine Schutzimpfung mit einer trivalenten Vakzine gegen Masern,
Mumps und Röteln (MMR-Impfstoff) empfohlen. Die erste Impfung soll zwischen dem 12. und
dem 15. Lebensmonat durchgeführt werden. Die zweite MMR-Impfung soll im Alter von 15 bis
23 Monaten, möglichst vor Aufnahme in eine Kindereinrichtung, allerspätestens aber bei der
Schuleingangsuntersuchung erfolgen. Eine Altersbegrenzung existiert allerdings nicht.
Arbeitsmedizinische Impfindikationen bestehen für ungeimpfte bzw. empfängliche Personen in
Einrichtungen der Pädiatrie, in Kindereinrichtungen (Vorschulalter) und Kinderheimen.
Anzumerken ist, dass Erkrankungen Geimpfter möglich, aber selten sind.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
An Mumps erkrankte Patienten sollten bei stationärer Behandlung von anderen Patienten
getrennt untergebracht werden.
Maßnahmen bei Erkrankten: Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen,
die an Mumps erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine
Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie
Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der
Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in
Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten, die an Mumps erkrankt sind, die dem Betrieb der
Gemeinschaftseinrichtung
dienenden
Räume
nicht
betreten,
Einrichtungen
der
Gemeinschaftseinrichtung nicht nutzen und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung
nicht teilnehmen.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann nach Abklingen der klinischen
Symptome, frühestens 9 Tage nach Ausbruch der Erkrankung erfolgen. Ein schriftliches
ärztliches Attest ist nicht erforderlich.
Maßnahmen bei Kontaktpersonen (gilt analog auch für Rettungsdienst Mitarbeiter):
Personen, die in der Wohngemeinschaft Kontakt zu einer ärztlich bestätigten Mumpserkrankung
(oder einem Verdachtsfall) hatten, dürfen eine Gemeinschaftseinrichtung für die Dauer der
mittleren Inkubationszeit von 18 Tagen nicht besuchen oder nicht in ihr tätig sein (§ 34 Abs. 3
IfSG). Dies entfällt, wenn sie nachweislich früher bereits an Mumps erkrankt waren, früher
bereits geimpft wurden (bei nur einmaliger Impfung wird aktuell die 2. Dosis gegeben) sowie
nach postexpositioneller Schutzimpfung, falls diese innerhalb von 3 (maximal 5) Tagen nach
erstmals möglicher Exposition erfolgte.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen sollen über die Mitteilungspflicht der Leitung der
Einrichtung gemäß § 34 Abs. 6 IfSG dem zuständigen Gesundheitsamt zur Kenntnis gelangen.
Wird ein örtlich gehäuftes Auftreten von Mumpserkrankungen außerhalb einer
Gemeinschaftseinrichtung durch einen Arzt festgestellt, sollte dieser das zuständige
Gesundheitsamt informieren. Neben der beratenden Tätigkeit können ggf. Maßnahmen zur
Verhütung der Weiterverbreitung eingeleitet oder auch kontrolliert werden.
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Eine postexpositionelle Impfung wird als Riegelungsimpfung zur Bekämpfung von Ausbrüchen
besonders in Kindereinrichtungen bei ungeimpften bzw. einmal geimpften Kindern mit
aktuellem Kontakt zu an Mumps erkrankten Personen empfohlen. Je nach Impfanamnese wird
die erste oder zweite MMR-Impfung gegeben. Zur Verhütung von Folgeerkrankungen der
zweiten Generation sollte die postexpositionelle Impfung innerhalb von 3 Tagen (maximal 5
Tagen) nach erstmals möglicher Exposition durchgeführt werden. Bei Häufungen in
Kindereinrichtungen und Schulen sind Riegelungsimpfungen in der Regel auch nach dem
optimalen Zeitpunkt noch sinnvoll, weil dadurch Kontaktfälle, die von den Erkrankten der
zweiten Generation ausgehen könnten, verhindert werden.
Erkrankungsfälle in Kindereinrichtungen und Schulen sollten grundsätzlich dazu genutzt
werden, den Impfstatus im Umfeld zu kontrollieren und ggf. durch Impfung zu aktualisieren.
Meldepflicht
Das IfSG sieht eine allgemeine Meldepflicht nicht vor. In einigen Bundesländern (Berlin,
Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) existiert auf
der
Basis
von
länderspezifischen
Meldeverordnungen
eine
Meldepflicht
für
Mumpserkrankungen.
Nach § 34 Abs. 6 IfSG hat die Leiterin/der Leiter einer Gemeinschaftseinrichtung das
zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über Mumpserkrankungen, von denen die Einrichtung
betroffen ist, zu informieren (Mitteilungspflicht).
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006
Fazit:
Wichtig ist es den eigenen Impfstatus zu kennen. Bei Kontakt zu einem ansteckenden Patienten
ist eine Impfung im Zeitfenster möglich. Kontakt über die Leitstelle mit dem Fachdienst
aufnehmen und sich beraten lassen
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Noroviren - Noroinfektionen
Erreger
Noroviren
(früher
als
Norwalk-like-Viren
bezeichnet)
wurden
1972
durch
elektronenmikroskopische Untersuchungen entdeckt. Sie gehören zur Familie der Caliciviridae.
Gemäß einer Festsetzung des „International Committee on Taxonomy of Viruses“ (ICTV) erfolgt
eine Unterteilung der humanen Caliciviren in die beiden Genera „Norovirus“ (NV) und
„Sapovirus“ (SV).
Das Norovirus zeichnet sich durch eine ausgeprägte Genomvariabilität aus. Aufgrund von
genetischen Unterschieden in der Polymerase- und Kapsidregion unterteilt man in
fünf Genogruppen (GG I bis V). Die Noroviren der Genogruppe I und II werden wiederum in
wenigstens 20 Genotypen aufgeschlüsselt. Hinzu kommt, dass verstärkt auch rekombinante
Noroviren gefunden werden. Noroviren der Genogruppe III (Jena Virus) und V (Maus Virus)
sind nicht humanpathogen. Humane Noroviren lassen sich bisher nicht auf Zellkulturen
vermehren.
Vorkommen
Noroviren sind weltweit verbreitet. Sie sind für einen Großteil der nicht bakteriell bedingten
Gastroenteritiden bei Kindern (ca. 30 %) und bei Erwachsenen (bis zu 50 %) verantwortlich. Die
Meldedaten des IfSG bestätigen, dass Kinder unter 5 Jahren und ältere Personen über
70 Jahre besonders häufig betroffen sind. Dies trägt dazu bei, dass Norovirus-Erkrankungen die
überwiegende
Ursache
von
akuten
Gastroenteritis-Ausbrüchen
in
Gemeinschaftseinrichtungen, Krankenhäusern und Altenheimen sind. Sie können aber
auch für sporadische Gastroenteritiden verantwortlich sein. Bei Säuglingen und Kleinkindern
stellen sie nach den Rotaviren die zweithäufigste Ursache akuter Gastroenteritiden dar.
Infektionen mit Noroviren können das ganze Jahr über auftreten, wobei ein saisonaler Gipfel in
den Monaten Oktober bis März zu beobachten ist.
In den Wintermonaten der Jahre 2002/2003, 2004/2005, 2006/2007 und 2007/2008 wurde eine
erhebliche Zunahme an Norovirus-Ausbrüchen in Deutschland und auch in einigen
europäischen Nachbarländern beobachtet.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir des Erregers. Der Nachweis von Caliciviren bei
Tieren (Schweinen, Katzen und Kaninchen) steht derzeit in keinem erkennbaren
Zusammenhang mit Erkrankungen des Menschen.
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Infektionsweg
Die Viren werden über den Stuhl und das Erbrochene des Menschen ausgeschieden. Die
Infektiosität ist sehr hoch, die minimale Infektionsdosis dürfte bei ca. 10–100 Viruspartikeln
liegen. Die Übertragung erfolgt fäkal-oral (z.B. Handkontakt mit kontaminierten Flächen) oder
durch die orale Aufnahme virushaltiger Tröpfchen, die im Rahmen des schwallartigen
Erbrechens entstehen. Das erklärt die sehr rasche Infektionsausbreitung innerhalb von
Altenheimen, Krankenhäusern und Gemeinschaftseinrichtungen.
Die direkte Übertragung von Mensch zu Mensch ist in erster Linie die Ursache für die hohe Zahl
an Norovirus-Infektionen. Infektionen können aber auch von kontaminierten Speisen (Salate,
Krabben, Muscheln u.a.) oder Getränken (verunreinigtes Wasser) ausgehen.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt ca. 6–50 Stunden.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Personen sind während der akuten Erkrankung hoch ansteckungsfähig. Unter pragmatischen
Gesichtspunkten kommt daher im Hinblick auf die Vermeidung der Weiterverbreitung der
symptomatischen Phase einschließlich der ersten 48 Stunden nach Sistieren der Symptome
(d.h. bis zur sicheren Beendigung von Durchfall oder Erbrechen) die größte Bedeutung zu.
Untersuchungen haben allerdings gezeigt, dass das Virus in der Regel noch 7–14 Tage, in
Ausnahmefällen aber auch noch über Wochen nach einer akuten Erkrankung über den Stuhl
ausgeschieden werden kann. Daher ist auch nach der akuten Phase eine sorgfältige Sanitärund Händehygiene noch weiter erforderlich.
Klinische Symptomatik
Noroviren verursachen akut beginnende Gastroenteritiden, die durch schwallartiges heftiges
Erbrechen und starke Durchfälle (Diarrhöe) gekennzeichnet sind und zu einem erheblichen
Flüssigkeitsdefizit führen können. In einzelnen Fällen kann die Symptomatik auch auf
Erbrechen ohne Diarrhöe oder auf Diarrhöe ohne Erbrechen beschränkt sein. In der Regel
besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit abdominalen Schmerzen, Übelkeit,
Kopfschmerzen, Myalgien und Mattigkeit.
Die Körpertemperatur kann leicht erhöht sein, meist kommt es jedoch nicht zu hohem Fieber.
Wenn keine begleitenden Grunderkrankungen vorliegen, bestehen die klinischen Symptome
etwa 12–48 Stunden. Auch leichtere oder asymptomatische Verläufe sind möglich.
Therapie
Die Therapie erfolgt symptomatisch durch Ausgleich des z.T. erheblichen Flüssigkeits- und
Elektrolytverlustes. Eine kausale antivirale Therapie steht nicht zur Verfügung. Insbesondere
bei betroffenen Kleinkindern und älteren Personen kann eine kurzzeitige Hospitalisierung
notwendig sein. Der Einsatz von Antiemetika bei Patienten mit starkem Erbrechen kann
erwogen werden.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Wichtig ist die konsequente Einhaltung der allgemeinen
Hygieneregeln in Altenheimen, Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen und Küchen. Zur
Vermeidung einer Übertragung durch kontaminierte Speisen sollten insbesondere Gerichte mit
Meeresfrüchten gut durchgegart sein.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen (s. auch Punkt 3)
Maßnahmen zum Schutz von Patienten und Kontaktpersonen sollten bei begründetem
Verdacht sofort eingeleitet werden, d.h. ohne eine Laborbestätigung abzuwarten. Zur
Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege oder beim Erbrechen sind, insbesondere
in der symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten:
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Absonderung der erkrankten Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von
Handschuhen, Schutzkittel, ggf. geeigneter Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im
Zusammenhang mit Erbrechen, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion
von patientennahen Flächen, Toiletten, Waschbecken, Türgriffen.
Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit [1]
(www.rki.de > Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Informationen zu ausgewählten
Erregern > Norovirus > FAQ) geeignet.
Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis
erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Die
Einrichtung sollte erst 2 Tage nach dem Abklingen der klinischen Symptome wieder besucht
werden. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Allerdings sollte auch dann noch
verstärkt Wert auf die Hygiene gelegt werden.
Ebenso dürfen erkrankte Personen nicht in Lebensmittelberufen (definiert in § 42 IfSG) tätig
sein. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte frühestens 2 Tage nach dem Abklingen der
klinischen Symptome erfolgen. In den folgenden 4–6 Wochen ist die Händehygiene am
Arbeitsplatz besonders sorgfältig zu beachten. Bei Wiederauftreten der Symptomatik wird eine
erneute Freistellung erforderlich.
[1] S. Prüfung und Deklaration der Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln gegen Viren.
Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2004; 47: 62–66.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Beim Auftreten von Norovirus-Erkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen
oder Altenheimen bildet die rasche klinische Abgrenzung auftretender Norovirus-Infektionen
von anderen, z.B. durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, die Grundlage
einer effektiven Ausbruchsprävention. Wenn die typische Symptomatik und die
epidemiologischen Merkmale auf eine Norovirus-Infektion hindeuten, sollten aufgrund der
epidemischen Potenz präventive Maßnahmen rasch und konsequent ergriffen werden, auch
ohne die Bestätigung durch virologische Untersuchungen abzuwarten.
Es empfiehlt sich, dass erkrankte Personen während der symptomatischen Phase keine
betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben.
Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen sind:
Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; ggf.
Kohortenisolierung;
Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene,
Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel (s. auch
Punkt 2) und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen, Schutzkittel und ggf.
geeignetem Atemschutz zur Vermeidung einer Infektion im Zusammenhang mit
Erbrechen;
Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid
wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor
Verlassen des Isolationszimmers;
tägliche (in Sanitärbereichen ggf. häufigere) Wischdesinfektion aller patientennahen
Kontaktflächen
inkl.
Türgriffen
mit
einem
Flächendesinfektionsmittel
mit
nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder
Aldehyde bevorzugt werden);
kontaminierte Flächen (z.B. mit Stuhl oder Erbrochenem) sofort nach Anlegen eines
Atemschutzes gezielt desinfizierend reinigen;
Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren;
Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack
transportieren und in einem (chemo-thermischen) Waschverfahren ≥ 60°C zu reinigen;
Geschirr kann in der Regel wie üblich maschinell gereinigt werden;
Kontaktpersonen (z.B. Besucher, Familie) sind auf die mögliche Mensch-zu-MenschÜbertragung durch Kontakt oder virushaltige Tröpfchen beim Erbrechen hinzuweisen
und in der korrekten Händedesinfektion zu unterweisen;
Minimierung der Patienten-, Bewohner- und Personalbewegung zwischen den
Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu
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verhindern (Hinweis auf die Infektionsgefahr bei notwendiger Verlegung eines
Erkrankten auf eine andere Station);
strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb
von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die
aufnehmende Institution ist vorab zu informieren.
Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Norovirus-Ausbruches für Neuaufnahmen
von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach
Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder
geöffnet werden.
Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei geringen
gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst frühestens 2 Tage
nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorgfältiger Beachtung der
Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der
Virusausscheidung ist nicht angezeigt.
Meldepflicht
Für Leiter von Laboratorien ist nach § 7 IfSG der direkte Nachweis von Noroviren
meldepflichtig.
Für Ärzte sind nach § 6 IfSG Krankheitsverdacht und Erkrankung an einer akuten infektiösen
Gastroenteritis meldepflichtig, wenn die erkrankte Person eine Tätigkeit im Sinne des § 42 IfSG
ausübt oder wenn zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein
epidemiologischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird.
Modifiziert nach RKI, Stand: 24.07.2008
Fazit:
Der Norovirus ist ein zuverlässiger Prüfstein für die eigenen Hygienemassnahmen. Kleinste
Nachlässigkeiten führen zur Infektion. Die Desinfektionsmittel müssen bei Noroviren
entsprechend angepasst werden; siehe Hygieneplan
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Pertussis (Keuchhusten)
Erreger
Bordetella (B.) pertussis ist ein kleines, unbewegliches, bekapseltes, aerobes, gramnegatives
Stäbchen. Es bildet eine Vielzahl von Toxinen und Virulenzfaktoren wie Pertussis-Toxin (PT),
filamentöses Hämagglutinin (FHA), Trachea-Zytotoxin, Pertactin, hitzelabiles Toxin und
Adenylatzyklase-Toxin. Auf der Oberfläche des Bakteriums befinden sich äußere
Membranproteine und Agglutinogene (Fimbrien).
Die Vermehrung der Bordetellen erfolgt auf dem zilientragenden Epithel der
Atemwegsschleimhäute. Sie verursachen dort eine lokale Zerstörung der Mucosa. Eine Reihe
von Toxinen verschlechtert zusätzlich lokal die Abwehrkräfte und verursacht Gewebeschäden.
B. pertussis ist der hauptsächliche Erreger des Keuchhustens. Infektionen mit B. parapertussis
können ebenfalls zu einem keuchhustenähnlichen Krankheitsbild führen, das aber meist leichter
und kürzer als bei einer Erkrankung durch B. pertussis verläuft.
Vorkommen
Die höchste Inzidenz wird in Mitteleuropa im Herbst und Winter beobachtet, jedoch ist die
Saisonalität nicht besonders stark ausgeprägt.
In Deutschland kam es durch den Wegfall der Keuchhusten-Impfempfehlung für die alten
Bundesländer in den Jahren 1974 bis 1991 zu einem Anstieg der Keuchhusten-Inzidenz mit bis
zu 160 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner. Durch die Impfempfehlung der Ständigen
Impfkommission (STIKO) am RKI im Jahr 1991 und den vermehrten Einsatz von
Kombinationsimpfstoffen mit der azellulären Pertussis-Komponente stieg seit 1995 der
Durchimpfungsgrad deutlich an und erreichte bei eingeschulten Kindern im Jahr 2004 ca. 90%.
Die Zahl der seit 1993 erfassten Hospitalisierungen wegen Pertussis bei Kleinkindern ging in
den alten Bundesländern deutlich zurück, so dass man auch von einem Rückgang der Inzidenz
ausgehen kann. Auf Grund der unzureichenden Surveillance ist dies jedoch nicht direkt
belegbar.
Aus den Daten über gemeldete Pertussis-Erkrankungen in den neuen Bundesländern geht
hervor, dass dort die in den 80iger Jahren durch den hohen Durchimpfungsgrad erreichte
niedrige Morbidität von weniger als 1 Erkrankung pro 100.000 Einwohner nach 1991 wieder
angestiegen ist. Eine Verschiebung der Erkrankungen in das Jugend- und Erwachsenenalter
wird dabei deutlich. Während in den neuen Bundesländern 1980 noch etwa 50 % der
Erkrankungen im ersten Lebensjahr und weniger als 5 % bei den ≥ 15-Jährigen auftraten, hat
sich dieses Verhältnis gegenwärtig umgekehrt. So betrafen in den Jahren 2000 bis 2004 nur
noch 1,2 % der Erkrankungen Kinder im ersten Lebensjahr und ca. 71% der Erkrankten waren ≥
15 Jahre alt. Dies ist neben anderen auch eine Folge des Rückgangs der Immunität mit
zunehmendem Abstand zur Impfung bzw. Erkrankung. Zur Verschiebung der Altersverteilung
hat allerdings auch die Veränderung der Diagnostik mit zunehmender Erfassung
oligosymptomatischer Erkrankungen bei Jugendlichen und Erwachsenen wesentlich
beigetragen.
Die STIKO hatte aufgrund der epidemiologischen Lage bereits im Jahr 2000 eine
Auffrischimpfung für Jugendliche empfohlen, die jedoch noch nicht ausreichend umgesetzt wird.
Seit 2002 wird außerdem ein deutlicher Anstieg der Pertussis-Inzidenz auch bei jüngeren
Kindern ab dem Alter von 5 Jahren beobachtet, von denen ein hoher Anteil vollständig geimpft
ist. Daher hat die STIKO im Januar 2006 empfohlen, die Auffrischimpfung im Alter von 5 bis 6
Jahren gegen Tetanus und Diphtherie durch eine Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und
Pertussis (TdaP) zu ersetzen. Die Auffrischimpfung gegen Pertussis mit 9–17 Jahren soll
beibehalten werden.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Reservoir für B. pertussis. B. parapertussis wird bei Menschen und
Schafen gefunden.
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Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion, die durch einen Kontakt mit einer infektiösen
Person, innerhalb eines Abstandes bis zu ca. 1 Meter durch Husten, Niesen oder Sprechen
erfolgen kann. Auch gegen Pertussis Geimpfte können nach Kontakt mit dem Erreger
vorübergehend Träger von Bordetella sein. Ein langdauernder Trägerstatus bei Gesunden ist
bisher nicht dokumentiert worden. Jugendliche und Erwachsene spielen als Überträger eine
zunehmende Rolle.
Inkubationszeit
7–20 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit beginnt am Ende der Inkubationszeit, erreicht ihren Höhepunkt
während der ersten beiden Wochen der Erkrankung und kann bis zu 3 Wochen nach Beginn
des Stadium convulsivum (s.u.) andauern. Bei Durchführung einer antibiotischen Therapie
verkürzt sich die Dauer der Ansteckungsfähigkeit auf etwa 5 Tage nach Beginn der Therapie.
Klinische Symptomatik
Pertussis ist in der Regel eine Erkrankung über mehrere Wochen bis Monate. Die typische
Erstinfektion bei Pertussis wird in drei Stadien eingeteilt:
Stadium catarrhale (Dauer 1–2 Wochen): Es ist durch grippeähnliche Symptome wie
Schnupfen, leichten Husten, Schwäche und kein oder nur mäßiges Fieber
gekennzeichnet.
Stadium convulsivum (Dauer 4–6 Wochen): In diesem Stadium kommt es zu
anfallsweise auftretenden Hustenstößen (Stakkatohusten), gefolgt von inspiratorischem
Ziehen. Die Hustenattacken gehen häufig mit Hervorwürgen von zähem Schleim und
anschließendem Erbrechen einher. Die Attacken können sehr zahlreich sein und treten
gehäuft nachts auf. Das typische Keuchen wird bei ca. der Hälfte der kindlichen Fälle
beobachtet; es kommt durch die plötzliche Inspiration gegen eine geschlossene Glottis
am Ende des Anfalles zustande. Fieber fehlt oder ist nur geringfügig ausgeprägt. Wenn
es vorhanden ist, deutet es in der Regel auf eine bakterielle Sekundärinfektion hin.
Stadium decrementi (Dauer 6–10 Wochen): Es kommt zum allmählichen Abklingen
der Hustenanfälle.
Pertussis verläuft bei Jugendlichen und Erwachsenen oftmals als lang dauernder Husten ohne
die typischen Hustenanfälle. Bei Säuglingen findet man häufig kein ganz charakteristisches
Bild, hier stehen als Symptomatik nicht selten Apnoen (Atemstillstände) im Vordergrund.
Komplikationen können insbesondere im ersten Lebensjahr auftreten. Die häufigsten
Komplikationen sind Pneumonien (15–20 % der stationär behandelten Pertussis-Patienten) und
Otitis media durch Sekundärinfektionen mit Haemophilus influenzae oder Pneumokokken,
seltener mit Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus aureus. Als sehr seltene
neurologische Komplikationen werden cerebrale Krampfanfälle und die hypoxische
Enzephalopathie beschrieben. Aus bislang nicht völlig geklärten Gründen besteht für Pertussis
kein oder nur ein geringer Nestschutz. Folglich sind Neugeborene und junge Säuglinge
besonders gefährdet; sie haben auch das höchste Risiko schwerwiegende Komplikationen zu
erleiden. Todesfälle als Folge einer Apnoe sind beschrieben.
Diagnostik
Bei einer "klassischen" Keuchhusten-Symptomatik wird die Diagnose häufig durch den
klinischen Befund gestellt. Eine Indikation für eine weiterführende Diagnostik besteht bei
längerem Husten ohne typische Hustenanfälle bei ungeimpften Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen aber auch bei Geimpften.
Die Labordiagnostik ist abhängig vom Krankheitsstadium.
Therapie
Eine antibiotische Therapie beeinflusst Dauer und Heftigkeit der Hustenattacken häufig nicht
wesentlich, da sie in der Regel nicht früh genug eingesetzt wird, um eine deutliche klinische
Verbesserung zu erzielen. Sie kann jedoch zur Unterbrechung der Infektionsketten von
erheblicher Bedeutung sein.
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Einsatz von Antibiotika ist nur sinnvoll, solange der Patient Bordetellen ausscheidet (Ende der
Inkubationszeit, Stadium catarrhale, bis zu 3 Wochen nach Beginn des Stadium convulsivum).
Langjährige Erfahrungen bestehen vor allem mit Erythromycin; andere Makrolide wie
Azithromycin, Clarithromycin und Roxithromycin sind jedoch ebenso wirksam und sind
wegen ihrer besseren Verträglichkeit und Compliance heute Mittel der Wahl. Als Alternative zu
den Makroliden kann Cotrimoxazol verwendet werden. Oral-Penicilline und Cephalosporine sind
nicht gegen B.pertussis wirksam.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Zur Prophylaxe stehen in Deutschland azelluläre Impfstoffe in Kombination mit anderen
Antigenen zur Verfügung. Empfohlen werden je eine Impfung im Alter von 2, 3 und 4 Monaten
und eine weitere Impfung im Alter von 11 bis 14 Monaten. Die Impfung wird mit
Kombinationsimpfstoffen (z.B. gegen Diphtherie, Tetanus, Pertussis, Poliomyelitis, Hepatitis B,
Haemophilus influenzae Typ b) durchgeführt. Weiterhin wird eine Auffrischimpfung im Alter von
5 bis 6 Jahren in Kombination mit Tetanus und Diphtherie empfohlen. Zwischen 9 und 17
Jahren ist eine weitere Auffrischung empfohlen. Seit dem Jahr 2004 empfiehlt die STIKO eine
Impfung ausdrücklich auch für Personen im häuslichen Umfeld von Säuglingen, die über keinen
adäquaten Immunschutz gegen Pertussis verfügen (Kokonstrategie). Zudem sollte Personal in
Einrichtungen der Pädiatrie, der Schwangerenbetreuung und der Geburtshilfe sowie in
Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und in Kinderheimen über einen adäquaten
Impfschutz gegen Pertussis verfügen. Eine Empfehlung zur generellen Impfung von
Erwachsenen ist damit jedoch nicht verbunden.
Aus heutiger Sicht ist eine Eradikation von Pertussis im Gegensatz zu anderen
impfpräventablen Krankheiten nicht möglich. In Anbetracht der Schwere des klinischen Verlaufs
von Pertussis sollte aber die Erkrankungshäufigkeit entscheidend reduziert werden. Wegen der
begrenzten Dauer der Immunität sowohl nach natürlicher Erkrankung – 4 bis 20 Jahre – als
auch nach vollständiger Impfung – etwa 4 bis 12 Jahre – können sich auch vollständig
immunisierte Kinder, Jugendliche und Erwachsene wieder neu infizieren. Ziele der
gegenwärtigen Impfstrategie in Deutschland sind daher ein möglichst frühzeitiger und
vollständiger Impfschutz für die besonders gefährdeten Säuglinge und Kleinkinder
(Grundimmunisierung) der sowohl im Vorschul- als auch im Jugendalter aufgefrischt werden
sollte.
Durch die Einstellung der Produktion des monovalenten Pertussisimpfstoffes im Frühjahr 2005
werden die Möglichkeiten, ältere ungeimpfte und bisher nicht an Pertussis erkrankte Kinder,
Jugendliche und Erwachsene gegen Pertussis zu impfen, eingeschränkt. Die empfohlene
Auffrischimpfung im Vorschul- und Jugendalter eines nach Impfkalender im Säuglingsalter
Geimpften kann mit jedem für diese Altersgruppe zugelassenen Impfstoff mit aP-Anteil
vorgenommen werden – z.B. mit TdaP oder mit TdaP+IPV. Der Abstand zur letzten DT/TdImpfung sollte mindestens 5 Jahre betragen. Neuere Studien mit kürzeren Impfabständen
zeigen, dass eine Impfung bei Jugendlichen bei bestehender Indikation bereits nach ca. 18
Monaten ohne schwerwiegende und mit nur einer geringfügig höheren Wahrscheinlichkeit von
lokalen Nebenwirkungen durchgeführt werden kann. Möglich ist eine Boosterung auch bei
ungeimpften Kindern, Jugendlichen oder Erwachsenen, die sich mit dem Pertussis-Erreger
bereits im Rahmen einer Infektion oder Erkrankung auseinandergesetzt und deshalb ein
immunologisches Gedächtnis haben unter der Voraussetzung, dass die anderen Komponenten
des Impfstoffes indiziert, zumindest aber nicht kontraindiziert sind. Die Fachinformationen
einiger aP-haltiger Kombinationsimpfstoffe erwähnen ausdrücklich, dass eine fehlende
Grundimmunisierung gegen Pertussis keine Kontraindikation für diese Impfungen darstellt. Für
eine Grundimmunisierung eines älteren Kindes, das sich mit dem Erreger noch nie
auseinandergesetzt hat und das nicht entsprechend den Empfehlungen des Impfkalenders
grundimmunisiert wurde, gibt es zur vollständigen Grundimmunisierung derzeit keinen
zugelassenen Impfstoff. Besteht für diese nicht immunisierten, nicht durchseuchten Patienten
eine Indikation für eine Tetanus- oder Diphtherie- oder Polioimpfung, sollte die Verwendung
eines Kombinationsimpfstoffes mit Pertussis erwogen werden. In einzelnen Studien konnte
hierdurch bereits ein Anstieg Pertussis-spezifischer Antikörper erzielt werden.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Patienten mit Pertussis, die in einem Krankenhaus behandelt werden, sollten für 5 Tage nach
Beginn einer antibiotischen Behandlung von anderen Patienten getrennt untergebracht werden.
Personen, die an Pertussis erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen nach § 34 IfSG in
Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen
Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem
Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit Pertussis die dem
Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der
Gemeinschaftseinrichtung
nicht
benutzen
und
an
Veranstaltungen
der
Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann frühestens 5 Tage nach Beginn
einer effektiven Antibiotikatherapie erfolgen. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht
erforderlich. Ohne antimikrobielle Behandlung ist eine Wiederzulassung frühestens 3 Wochen
nach Auftreten der ersten Symptome möglich.
Für enge Kontaktpersonen in der Familie, der Wohngemeinschaft oder in
Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter besteht die Empfehlung einer
Chemoprophylaxe mit Makroliden (s. Therapie). Geimpfte Kontaktpersonen sind vor der
Erkrankung weitgehend geschützt, können aber vorübergehend mit Bordetellen besiedelt sein
und damit eine Infektionsquelle darstellen. Daher sollten auch enge Kontaktpersonen, die
geimpft sind, vorsichtshalber eine Chemoprophylaxe erhalten, wenn sich in ihrer Umgebung
gefährdete Personen, wie z.B. Säuglinge oder Kinder mit kardialen oder pulmonalen
Grundleiden, befinden.
In Zusammenhang mit erkannten Pertussis-Häufungen sollte bei Kindern und Jugendlichen mit
engem Kontakt zu Pertussis-Erkrankten im Haushalt oder in Gemeinschaftseinrichtungen die
Komplettierung einer unvollständigen Immunisierung erfolgen bzw. eine Boosterimpfung
erwogen werden, wenn die letzte Impfung länger als 5 Jahre zurückliegt.
Ein Ausschluss von Personen aus Gemeinschaftseinrichtungen, die Kontakt zu PertussisErkrankten hatten, ist nicht erforderlich, solange kein Husten auftritt. Bei Husten sind
Untersuchungen zur Feststellung oder zum Ausschluss von Pertussis angezeigt.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Das zuständige Gesundheitsamt sollte über Erkrankungshäufungen unbedingt informiert
werden, um Maßnahmen zur Verhinderung der Weiterverbreitung (z.B. Chemoprophylaxe)
einleiten zu können (s. auch Meldepflicht nach § 34 Abs. 6 IfSG im nächsten Abschnitt).
Meldepflicht
Eine Meldepflicht laut IfSG besteht nicht. In den Bundesländern Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen besteht eine Meldepflicht für die
Erkrankung an Pertussis auf der Basis von Länderverordnungen.
Nach § 34 Abs. 6 IfSG besteht eine Pflicht für Leitungen von Gemeinschaftseinrichtungen, das
zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über zur Kenntnis gelangte Erkrankungsfälle zu
informieren und krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Diese
Informationspflicht ist bei Erkrankungen in Einrichtungen mit Kleinkindern besonders zu
beachten.
Modifiziert nach RKI, Stand: 14.02.2008
Fazit:
Eigener Impfstatus sollte bekannt sein
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Pest
Definition
Die Pest (lat. = Seuche) ist eine hochgradig ansteckende, bakterielle Infektionskrankheit, die
sowohl als Beulen- als auch als Lungenpest auftreten kann.
Sie ist ihrem Ursprung nach eine bei wildlebenden Nagetieren vorkommende Erkrankung
(Zoonose). Die heutige Verbreitung der Krankheit wird nur noch aus den pestverseuchten
Reservoiren wildlebender Nager gespeist. Diese existieren in Zentralasien, Ost- und
Zentralafrika, Südamerika und den Rocky Mountains in den USA. Heute sind Bewohner von
Bergwäldern und Hochflächen sowie Jäger gefährdet.
In historischen Zeiten breitete sich die Pest wiederholt in schweren Seuchenzügen über Europa
und Asien aus. Erste Berichte über die Erkrankung reichen bis in die Antike zurück. Zwischen
1347 und 1352 breitete sich eine später als der "schwarze Tod" bezeichnete Pandemie, d.h.
eine über mehrere Länder verbreitete Epidemie, bis nach Island aus und forderte ca. 25
Millionen Tote. Dies entsprach etwa einem Drittel der damaligen Bevölkerung!
Erreger
Der Erreger der Pest ist Yersinia pestis, ein Bakterium. Es wurde 1894 von A.E. Yersin und S.
Kitasato entdeckt und nach dem ersteren benannt.
Infektionswege
Die Pest wird durch verschiedene Parasiten übertragen, die auf der Körperoberfläche ihrer
Wirte leben, wie z.B. Flöhe. Die Rattenpest ist ein häufiger Vorläufer von Epidemien beim
Menschen. Rattenflöhe infizieren sich an erkrankten Ratten und suchen nach dem Tod der
Ratten den Menschen als Ersatzwirt auf und infizieren ihn mit der Erkrankung. Über
Menschenflöhe wird die Erkrankung dann von Mensch zu Mensch weitergetragen. Eine
Ansteckung ist aber auch über infizierte Gegenstände und als Tröpfcheninfektion über die
Atemwege möglich.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt je bei der Lungenpest 1 Tag, bei der Beulenpest bis zu 6 Tagen.
Symptome
Die Erkrankung tritt je nach Übertragungsart und Verlauf in unterschiedlicher Ausprägung auf.
Es können 4 Formen unterschieden werden. Die am häufigsten auftretende Form ist die durch
Bisse des Rattenflohs übertragene Beulen- oder Bubonenpest. Sie beginnt nach einer
Inkubationszeit von 2-6 Tagen mit Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Benommenheit und
schwerem Krankheitsgefühl. Im Lymphabflußgebiet des Flohbisses kommt es zu einer äußerst
schmerzhaften Entzündung von Lymphgefäßen und Lymphknoten, die zu Beulen von bis zu 10
cm Größe anschwellen können. Nachdem sie eitrig eingeschmolzen sind, können sie dann als
Geschwür zerfallen. Brechen die Beulen auf oder werden sie künstlich eröffnet ist eine Heilung
möglich. Leider kommt es bei mehr als der Hälfte der Patienten zu einem tödlichen Verlauf der
Erkrankung durch Übertritt der Erreger in die Blutbahn (Septikämie) mit der Entwicklung einer
Lungenpest oder aber zu einer Streuung der Erreger mit ausgedehnten Hautblutungen
("schwarzer Tod").
Die Lungenpest kann sich im Verlauf der Beulenpest entwickeln (sekundäre Lungenpest), sie
kann aber auch direkt durch eine Tröpfcheninfektion, d.h. eine Übertragung von Mensch zu
Mensch, hervorgerufen werden (primäre Lungenpest). In diesem Fall ist die Inkubationszeit mit
1-2 Tagen sehr kurz. Sie beginnt meist stürmisch mit Atemnot, Husten, Blaufärbung der Lippen
und schwarz-blutigem Auswurf. Das Abhusten des hochinfektiösen Sputums ist sehr
schmerzhaft. Später entwickeln sich ein Lungenödem und Kreislaufversagen. Unbehandelt
verläuft die Lungenpest immer tödlich, meist zwischen dem 2. und 5. Krankheitstag.
Die Pestsepsis tritt nicht nur als Komplikation der Beulen- und Lungenpest auf, sie kann auch
primär ohne andere Symptome vorkommen. Sie endet fast immer tödlich. Neben diesen 3
schweren Verlaufsformen sind auch milde Verläufe möglich. Man spricht dann von der
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abortiven Pest. Sie geht oft nur mit mildem Fieber und einer geringen Lymphknotenschwellung
einher und verleiht eine lang anhaltende Immunität.
Diagnose
Die Verdachtsdiagnose ergibt sich aus dem Beschwerdebild des Patienten und den
Begleitumständen (Epidemiologie). Die Erreger werden mikroskopisch und kulturell in Sputum,
Blut oder im Lymphknoteneiter nachgewiesen. Die Diagnosestellung kann auch serologisch
erfolgen. Die ersten Fälle werden in der Regel nicht erkannt, besonders wenn es sich um die
Lungenpest handelt.
Therapie
Für eine erfolgreiche Therapie ist die Anwendung von Antibiotika so frühzeitig wie möglich
notwendig. Penizilline sind nicht wirksam. Eingesetzt werden Tetrazykline, Streptomycin,
Sulfadiazin oder Chloramphenicol.
Die Sterblichkeit beträgt bei der unbehandelten Pestsepsis und Lungenpest bis zu 100%.
Prophylaxe
Eine ausreichende Impfung gibt es nicht. Für Kontaktpersonen und sonstige Risikogruppen
stehen Sulfonamide oder Tetrazykline zur antibiotischen Prophylaxe zur Verfügung.
Die beste Prophylaxe besteht in der Bekämpfung von Ratten und Flöhen sowie der
Überwachung und Meldung von Nagetiersterben.
Meldepflicht
Die Pest gehört nach dem Infektionsschutzgesetz zu den meldepflichtigen Erkrankungen; zu
melden sind Verdacht, Erkrankung und Tod. Für erkrankte Personen besteht
Hospitalisierungspflicht.
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Pocken
Erreger
Das Variola-Virus ist ein Virus aus der Gruppe der Orthopoxviren.
Vorkommen
Die Eradikation des Pockenvirus aus natürlichem Vorkommen ist 1979 von der WHO zertifiziert
worden. Der letzte natürliche Erkrankungsfall mit Pocken trat 1977 in Somalia auf. Ein
natürliches Vorkommen des Pockenvirus besteht somit nicht mehr. Das Virus existiert zu
Forschungszwecken nur noch in zwei Laboratorien in Russland und den USA (CDC).
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Reservoir. Das Überleben des Virus außerhalb seines natürlichen
Reservoirs - des Menschen - ist in Abhängigkeit von Temperatur und Luftfeuchtigkeit möglich.
Das Vaccinia-Impfvirus kann als Aerosol ohne UV-Licht längstens 24 Stunden überleben. Für
das Variola-Virus werden ähnliche Bedingungen angenommen. Längere Überlebenszeiten
werden in eitrigen Sekreten oder Krusten beschrieben.
Infektionsweg
Eine Übertragung erfolgt von Mensch zu Mensch in der Initialphase über Tröpfcheninfektion als
Expirationströpfchen aus Nase, Mund, Rachen; seltener im weiteren Verlauf der Erkrankung
über Haut-zu-Haut-Kontakt. Die Übertragung durch kontaminierte Wäsche oder Abfall von
Erkrankten ist beobachtet worden. Die Übertragung von hustenden Patienten oder Erkrankten
mit einer hämorrhagischen Form der Pocken ist besonders wahrscheinlich.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt im Durchschnitt etwa 12 bis 14 Tage mit einer Streuung von 7 bis 17
Tagen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Erkrankte sind mit Beginn des Fiebers kontagiös und bleiben für die Dauer des Ausschlags
ansteckend (etwa 3 Wochen). Die Wahrscheinlichkeit der Ansteckung ist von der
Erkrankungsdauer abhängig. Die größte Ansteckungsgefahr besteht innerhalb der ersten
Krankheitswoche.
Klinische Symptomatik
Das akute klinische Bild kann zu Beginn anderen viralen Erkrankungen (z. B. Influenza) mit
unspezifischen Symptomen ähneln. Wegweisend können das abrupt einsetzende hohe Fieber
und Kopf-, Muskel-, und Rückenschmerzen sein. Nachfolgend erscheinen besonders im
Gesicht und an den Extremitäten schnell und synchron (im Unterschied zu den
Hauteffloreszenzen bei Windpocken, die in unterschiedlichen Stadien beobachtet werden
können („Sternenhimmel“) Papeln mit rötlichem Randsaum, die zu eitergefüllten Blasen und
verkrustenden Pusteln fortschreiten. Die Mehrzahl der an Pocken erkrankten Patienten überlebt
mit Narbenbildungen. Die Letalität der Erkrankung während großer Epidemien in Asien betrug
30 %. Fulminante hämorrhagische Verläufe mit kürzerer Inkubationszeit werden in jedem Alter
beobachtet. Mildere Verlaufsformen mit hohem Fieber und nur einzelnen Hauteffloreszenzen
werden besonders bei teilimmunen Patienten beobachtet, zeigen eine niedrigere Letalität
(~1%), sind aber ebenfalls hoch kontagiös (Alastrim, variola minor).
Diagnostik
Die Verdachtsdiagnose erfolgt in der Regel auf Grund des typischen klinischen Bildes. Zur
Klärung der häufig in Frage kommenden Differentialdiagnose „schwere Windpocken“ (z. B. als
Erstinfektion bei Erwachsenen), aber auch zum Direktnachweis der Pockenviren dient die
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elektronenmikroskopische
Schnelldiagnostik
aus
inaktivierter
(10
%
Formalin)
Bläschenflüssigkeit oder abtrocknenden Krusten. Die weitere Labordiagnostik muss in dafür
ausgerüsteten Labors (BSL-4) unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen durchgeführt werden.
Molekularbiologische Methoden (PCR) sind zur sicheren Diagnostik notwendig. Die
Virusanzucht mit typischem Wachstumsverhalten auf Zellen von Hühnerembryonen kann
ebenfalls hilfreich sein. Antikörperbestimmungen sind möglich, jedoch durch Kreuzreaktionen
mit anderen Viren der Orthopoxgruppe schwierig zu interpretieren. Für die notwendige
Schnelldiagnostik sind Antikörperbestimmungen nicht geeignet.
Therapie
Die symptomatische Therapie steht im Vordergrund. Die Wirkung von Virostatika ist nicht
bekannt, da seit über 20 Jahren mit Pockenviren des Menschen nicht mehr experimentiert
werden darf.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Impfung
Präexpositionell
Ein intradermal zu applizierender Lebendimpfstoff wurde bis Mitte der siebziger Jahre in
Deutschland angewandt. Die Zulassung dieses Impfstoffes ist formal im Jahr 1991 ausgelaufen.
Impfstoffreserven mit der Möglichkeit der Wiederaufnahme der Impfstoffproduktion sind national
und international vorhanden. Der Impfstoff hatte eine hohe Reaktogenität und Komplikationsrate
(insbesondere das Zentralnervensystem betreffend, vor allem bei Erstimpfungen). Eine
lebenslange Immunität wird durch die Impfung wahrscheinlich nicht erreicht. Eine allgemeine
präexpositionelle Impfung ist derzeit weder möglich noch empfohlen oder notwendig.
Postexpositionell
Eine postexpositionelle Impfung (möglichst innerhalb von 4 Tagen nach Exposition) für alle
Kontaktpersonen ist notwendig. Deren Effektivität hängt vom Zeitpunkt der Impfung nach
Exposition ab und sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Erkrankung kann nicht immer
verhindert werden, aber die Abschwächung des Erkrankungsverlaufs ist möglich und auch die
Virusausscheidung ist beim Geimpften vermindert. In Deutschland sind derzeit 60, in Kürze 100
Millionen Dosen Impfstoff verfügbar.
Für die Impfung mit Lebendimpfstoffen gelten die bekannten Kontraindikationen
(Immunsuppression, HIV, Schwangerschaft, offenes Ekzem), diese sind jedoch im individuellen
Fall gegen das Erkrankungsrisiko abzuwägen.
Eine Gabe von Anti-Vaccinia-Immunglobulin, das zur Therapie von Impfkomplikationen
eingesetzt wurde, ist postexpositionell ebenfalls zu erwägen (0,6 ml/kg KG i.m. in verteilten
Dosen für 24 bis 36 Stunden, Wiederholungsgaben nach 2 bis 3 Tagen sind möglich). Dieses
Immunglobulin ist derzeit weltweit praktisch nicht verfügbar. Ergebnisse zur postexpositionellen
Gabe von Virostatika beim Menschen liegen nicht vor. Symptomatische, unterstützende
Therapien und die Behandlung von Sekundärkomplikationen (z. B. mit Antibiotika) sind möglich.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Erkrankte sind in der Regel in besonders dafür ausgestatteten Einrichtungen
(Behandlungszentren) zu isolieren.
Strenge Absonderung - Quarantäne für Erkrankte sowie für Exponierte und Kontaktpersonen
nach einem plötzlichen Fieberanstieg auf > 38 °C bzw. nach dem Auftreten des typischen
Ausschlags. Gesundheitskontrolle unter stationären Bedingungen für die maximale
Inkubationszeit von 17 Tagen - für Exponierte, Kontaktpersonen (Kohortenisolierung) sowie das
die Erkrankten betreuende Personal.
Nicht inaktiviertes Untersuchungsmaterial soll ausschließlich in Hochsicherheitslaboratorien
(BSL-4) mit entsprechend geschultem und ausgebildetem Personal untersucht werden. Für den
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Transport von Probenmaterial sind ebenfalls höchste Sicherheitsvorkehrungen zu treffen (z. B.
bei Probengewinnung, Verpackung und Versand, Spezialtransport).
Der Schutz der Einsatz- und Pflegekräfte hat eine sehr hohe Priorität für die Sicherstellung der
Einsatzfähigkeit dieses Personenkreises. Maßnahmen zur Verhinderung aerogen übertragbarer
Infektionen sind Atemschutzmasken (FFP-Klasse 3), Handschuhe, Schutzoverall mit
Kopfbedeckung, Überschuhe und Schutzbrille.
Postexpositionell
Eine postexpositionelle Impfung (möglichst innerhalb von 4 Tagen nach Exposition) für alle
Kontaktpersonen ist notwendig. Deren Effektivität hängt vom Zeitpunkt der Impfung nach
Exposition ab und sollte möglichst frühzeitig erfolgen. Eine Erkrankung kann nicht immer
verhindert werden, aber die Abschwächung des Erkrankungsverlaufs ist möglich und auch die
Virusausscheidung ist beim Geimpften vermindert. In Deutschland sind derzeit 100 Millionen
Dosen Impfstoff verfügbar.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen (insbesondere nach absichtlicher Ausbringung der
Erreger bei bioterroristischen Attacken).
Die Anwendung im Rahmen eines terroristischen Angriffes ist hypothetisch möglich und als
sehr gefährlich einzuschätzen. Es kann nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgegangen
werden, dass das Virus für terroristische Gruppen nicht zugänglich ist. Eine besondere
Gefährdungssituation im Vergleich mit anderen Ländern besteht für Deutschland nicht.
Ein Aufenthaltsverbot für kontaminierte Gebiete muss umgehend verfügt werden (sofern diese
bekannt sind). Die Aufklärung des Ortes der Exposition ist von äußerster Wichtigkeit, wenn - wie
zu erwarten - eine gezielte Ausbringung des Erregers nicht sofort bemerkt und das Problem erst
durch das Erkennen der ersten Erkrankungsfälle bekannt wird. Wegen der nicht
auszuschließenden Gefahr einer Weiterverbreitung der Pocken bzw. der Kontamination der
Exponierten mit dem Erreger oder einem infektiösen Vehikel sollte von Evakuierungen oder
dem Transport der Erkrankten möglichst abgesehen werden. Es sind im Gegenteil Maßnahmen
zu erwägen, die eine ungeordnete Bewegung von infizierten oder kontaminierten Personen
unterbinden. Die Unterbringung von bestätigten und verdächtigen Fällen in einer
Sondereinrichtung mit Unterdruckisolation (Behandlungszentren) ist zu veranlassen.
Eine postexpositionelle Impfung (< 4 Tage) kann den Ausbruch der Erkrankung mildern oder
verhindern (siehe postexpositionelle Impfung).
In Eiter und Schorf wurden lange Überlebenszeiten des Virus beschrieben.
Fazit:
Weltweit sind die Pocken ausgerottet. Es gibt derzeit keinen Anhalt für eine Bedrohung durch
entsprechende Terrorakte, wie 2003 vermutet. National ist entsprechender Impfstoff
eingelagert, Pläne zum Betrieb eines Isolierkrankenhauses, Pläne zur Durchimpfung der
Bevölkerung sind für unseren Kreis vorhanden. Sollte wirklich ein ernster Verdacht auf eine
Pockenerkrankung festgestellt werden, sollte der Patient nicht transportiert werden. Über die
Leitstelle ist der Fachdienst zu informieren, um weitere Abklärungen vorzunehmen. Ist der
Betroffene schon im Fahrzeug, verbleibt er dort. Keinesfalls erfolgt die ungenehmigte
Einlieferung in eine Klinik oder sonstige Einrichtung. Oberste Priorität hat in einem solchen
Verdachtsfall die Unterbrechung der Infektionskette, also weitere Kontakte / Kontaminationen
verhindern. Daran denken ist alles!
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Poliomyelitis (Kinderlähmung)
Erreger
Polioviren sind kleine, sphärische, unbehüllte RNA-Viren, die dem Genus Enterovirus und der
Familie der Picornaviridae zugehörig sind. Basierend auf serologischer Typisierung werden 3
Typen von Polioviren unterschieden (I, II, III). Polioviren sind wie alle anderen Enteroviren als
Voraussetzung für die Magen-Darm-Passage bei niedrigem pH-Wert (< pH 3) stabil und gegen
eine Vielzahl proteolytischer Enzyme resistent. Wegen der fehlenden Lipidhülle ist das Virus
resistent gegen lipidlösliche Mittel (Äther, Chloroform, Detergenzien).
Vorkommen
Polioviren waren weltweit verbreitet; vor Einführung der oralen Impfung war die Verbreitung
auch in Mitteleuropa so ausgeprägt, dass der Kontakt mit dem Erreger meist schon im
Kindesalter erfolgte (›Kinderlähmung‹). Im Jahre 1988 initiierte die WHO auf der Basis des
weltweiten Einsatzes der oralen Polio-Vakzine (OPV) das Globale PoliomyelitisEradikationsprogramm, das ursprünglich die Eradikation der Poliomyelitis bis zum Jahre 2000
zum Ziel hatte. Diese Initiative wurde international akzeptiert und hat – obwohl sich das
Erreichen des Zieles verzögert hat – zu beachtlichen Erfolgen geführt. Der gesamte
amerikanische Kontinent ist seit 1994 und der westpazifische Raum seit dem Jahr 2000
poliofrei. In der WHO-Region Europa wurden letztmalig 1998 in der Türkei 26 endemische
Polio-Erkrankungen gemeldet, seit 1999 sind keine autochthonen Polio-Erkrankungen mehr
bekannt geworden und im Juni 2002 wurde auch die Europäische Region von der WHO als
poliofrei zertifiziert.
Die letzte in Deutschland erworbene Erkrankung an Poliomyelitis durch ein Wildvirus wurde
1990 erfasst. Die letzten beiden importierten Fälle (aus Ägypten und Indien) wurden 1992
registriert. In Zusammenhang mit der oralen Polio-Lebendimpfung kam es jedoch in
Deutschland jährlich zu ein bis zwei Vakzine-assoziierten paralytischen PoliomyelitisErkrankungen. Daher wurde 1998 die Empfehlung des Einsatzes von OPV aufgehoben und
stattdessen der generelle Einsatz von inaktiviertem Polio-Impfstoff durch die STIKO empfohlen,
dieser Empfehlung schlossen sich die obersten Landesgesundheitsbehörden an.
Endemische Erkrankungen durch Polio-Wildviren betreffen gegenwärtig nur noch wenige
Länder in Afrika (Ägypten und in der Subsahara-Region Nigeria, Niger) sowie in Asien (Indien,
Pakistan und Afghanistan). Nach der Einstellung der Impfprogramme in Kano/Nigeria im Jahr
2003 aufgrund von religiös bzw. politisch begründeten Gerüchten über negative Folgen der
Polio-Impfung, kam es dort zu einer Polio-Epidemie und in 12 afrikanischen Ländern, in denen
die Polio z.T. bereits seit mehreren Jahren nicht mehr vorgekommen war, traten
Importerkrankungen auf. Auch nach Wiederaufnahme der Impfaktionen in Nigeria und anderen
westafrikanischen Ländern ist noch nicht klar, ob die Situation in Afrika kurzfristig wieder unter
Kontrolle gebracht werden kann. Vor der Einreise in die endemischen Gebiete sowie in Länder
Westafrikas ist deshalb der Impfschutz unbedingt aufzufrischen.
Reservoir
Das einzige Reservoir für Polioviren ist der Mensch.
Infektionsweg
Das Poliovirus wird hauptsächlich fäkal-oral übertragen. Schon kurz nach Infektionsbeginn
6
9
kommt es zu massiver Virusreproduktion in den Darmepithelien, so dass 10 –10 infektiöse
Viren pro Gramm Stuhl ausgeschieden werden können. Wegen der primären Virusvermehrung
in den Rachenepithelien kann das Virus kurz nach Infektion auch aerogen übertragen werden.
Schlechte hygienische Verhältnisse begünstigen die Ausbreitung von Poliovirus-Infektionen.
Inkubationszeit
Ca. 3-35 Tage
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht, solange das Virus ausgeschieden wird. Das Poliovirus ist in
Rachensekreten frühestens 36 Stunden nach einer Infektion nachweisbar und kann dort
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Seite 130 von 205
etwa eine Woche persistieren. Die Virusausscheidung im Stuhl beginnt nach 72 Stunden und
kann mehrere Wochen dauern. In Einzelfällen, z.B. bei Immuninkompetenten, kann sie auch
länger dauern. Säuglinge seropositiver Mütter sind wegen des Vorhandenseins diaplazentar
übertragbarer IgG-Antikörper in den ersten Lebensmonaten gegen eine Infektion geschützt.
Klinische Symptomatik
Die Mehrzahl der Infektionen (> 95 %) verlaufen asymptomatisch unter Ausbildung von
neutralisierenden Antikörpern (stille Feiung). Manifeste Krankheitsverläufe können
verschiedener Art sein:
Abortive Poliomyelitis: Nach einer Inkubationsperiode von etwa 6–9 Tagen kommt es
bei 4–8 % der Infizierten zu kurzzeitigen unspezifischen Symptomen wie Fieber,
Übelkeit, Halsschmerzen, Myalgien und Kopfschmerzen; Zellen des ZNS sind bei
dieser Form nicht von der Infektion betroffen.
Infiziert das Poliovirus Zellen des ZNS, kommt es zu einer nichtparalytischen (1–2 %) oder zu
einer paralytischen (0,1–1 %) Poliomyelitis:
Nichtparalytische Poliomyelitis (aseptische Meningitis): Etwa 3–7 Tage nach der
abortiven Poliomyelitis kommt es zu Fieber, Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und
Muskelspasmen. Im Liquor finden sich eine lymphozytäre Pleozytose, normale
Glukosespiegel und normale oder etwas erhöhte Proteinspiegel.
Paralytische Poliomyelitis: Nach einem oder mehreren Tagen kommt es bei
Patienten mit nichtparalytischer Poliomyelitis neben schweren Rücken-, Nacken- und
Muskelschmerzen zur schnellen oder schrittweisen Entwicklung von Paralysen.
Mitunter erscheint die Erkrankung biphasisch, die Symptome der aseptische Meningitis bessern
sich zunächst, aber nach etwa 2-3 Tagen kommt es zu einem Fieberanstieg und Auftreten von
Paralysen. Dieser biphasische und rasche Verlauf der Erkrankung ist bei Kindern häufiger als
bei Erwachsenen. Die motorische Schwäche tritt üblicherweise asymmetrisch auf und kann
Bein- (am häufigsten), Arm-, Bauch-, Thorax- oder Augenmuskeln betreffen. Die bulbäre Form
tritt seltener auf und hat wegen der Schädigung von zerebralen bzw. vegetativen Nervenzentren
eine schlechte Prognose.
Postpolio-Syndrom: Jahre oder Jahrzehnte nach der Erkrankung kann es zu einer
Zunahme der Paralysen mit Muskelschwund kommen. Man nimmt an, dass es infolge
einer chronischen Überlastung und nachfolgenden Degeneration der ursprünglich nicht
durch die Krankheit geschädigten Motoneurone zu dieser chronisch progredient
verlaufenden Muskelschwäche kommt (die Axone der nicht geschädigten Motoneurone
haben Verzweigungen zur Versorgung der denervierten Muskelzellen gebildet und
müssen nach schweren Erkrankungen fünf- bis zehnmal so viele Muskelzellen
versorgen wie bei Gesunden). Für eine persistierende Poliovirus-Infektion gibt es beim
Postpolio-Syndrom keine gesicherten Hinweise.
Labordiagnostik
Virusnachweis: Zum Nachweis von Polioviren eignen sich am besten Stuhlproben,
Rachenabstriche oder -spülwasser und bei ZNS-Manifestation Liquor. Aus dem Stuhl gelingt die
Erregerisolierung in den ersten 14 Tagen der Erkrankung zu 80 %. Zur Virusisolierung werden
permanente Monolayer-Zellkulturen verwendet. Methode der Wahl ist die Virusidentifizierung
mittels Neutralisationstest (NT) mit Antiseren bekannter Spezifität. Die Differenzierung zwischen
Wildtyp- und Impfstämmen erfolgt durch intratypische Differenzierung mit antigenen (z.B.
ELISA) und molekularen Methoden (PCR, Sequenzierung).
Antikörpernachweis: Zum serologischen Nachweis einer frischen Poliovirus-Infektion ist die
Untersuchung eines Serumpaares (mindestens 4facher Titeranstieg im NT bei zwei Seren, die
im Abstand von 7–14 Tagen gewonnen sind) notwendig. Zur Serodiagnostik sollte der NT
eingesetzt werden.
Therapie
Da eine spezifische Therapie mit antiviralen Substanzen nicht verfügbar ist, erfolgt die
Behandlung symptomatisch. Im Anschluss an die akute Behandlung sind meist längere
physiotherapeutische und orthopädische Nachbehandlungen erforderlich.
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Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Als Polio-Impfstoff für die Routine-Impfung wird in Deutschland nur die inaktivierte PolioVakzine (IPV) empfohlen, ein zu injizierender Impfstoff, der sicher wirksam ist und keine
Vakzine-assoziierte paralytische Poliomyelitis (VAPP) verursachen kann. Auch Personen mit
Immunschwäche können deshalb risikolos mit IPV geimpft werden.
Die Grundimmunisierung beginnt entsprechend dem Impfkalender für Säuglinge, Kinder und
Jugendliche im 3. Lebensmonat und umfasst in der Regel bei der Verwendung von
Kombinationsimpfstoffen mit IPV-Anteil 3 Dosen im ersten und eine weitere zu Beginn des 2.
Lebensjahres. Sofern kein Kombinationsimpfstoff verwendet wird, werden 2 Impfungen im
ersten bzw. drei Impfungen im ersten und zweiten Lebensjahr durchgeführt. Für Kinder und
Jugendliche im Alter von 9-17 Jahren wird eine Auffrischimpfung mit einem IPV-haltigen
Impfstoff empfohlen.
Indikationen der Polio-Impfung bei Erwachsenen:
Erwachsene mit ≥ 4 dokumentierten OPV- bzw. IPV-Impfungen im Kindes- und Jugendalter
bzw. nach einer Grundimmunisierung im Erwachsenenalter gelten als vollständig immunisiert.
Ungeimpfte Personen erhalten IPV entsprechend den Angaben des Herstellers. Ausstehende
Impfungen der Grundimmunisierung werden mit IPV nachgeholt. Eine routinemäßige
Auffrischung wird nach dem vollendeten 18. Lebensjahr nicht empfohlen.
Angehörige folgender Gruppen sollten über eine aktuelle Polio-Impfimmunität verfügen
(Auffrischung der Polio-Impfimmunität durch IPV, falls die letzte Impfstoffgabe länger als 10
Jahre zurückliegt, ggf. Grundimmunisierung oder Ergänzung fehlender Impfungen):
Reisende in Regionen mit Infektionsrisiko (s.o.; die aktuelle epidemische Situation ist zu
beachten, insbesondere die Meldungen der WHO)
Aussiedler, Flüchtlinge und Asylbewerber, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, bei
der Einreise aus Gebieten mit Polio-Risiko
Personal der oben genannten Einrichtungen
Medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Erkrankten haben kann
Personal in Laboratorien mit Poliomyelitis-Risiko
Bei einer Poliomyelitis-Erkrankung sollten alle Kontaktpersonen unabhängig vom Impfstatus
ohne Zeitverzug eine Impfung mit IPV erhalten.
OPV-Impfstoff darf nur noch zur Abriegelung von eventuellen Polio-Ausbrüchen nach
ausdrücklicher Anordnung durch die Gesundheitsbehörden angewandt werden.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Besteht der Verdacht auf eine Poliomyelitis, so muss eine sofortige Krankenhauseinweisung
erfolgen. Polio-Verdachtsfälle sollen räumlich getrennt von anderen Patienten untergebracht
werden. Konsequente Hygienemaßnahmen tragen zur Verhütung von Infektionen bei. Dazu
gehören insbesondere die Vermeidung von fäkal-oralen Schmierinfektionen durch
Händewaschen und -desinfektion, auch bei Kontaktpersonen.
Eine Wiederzulassung zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen ist frühestens 3
Wochen nach Krankheitsbeginn und nur nach Vorliegen von 2 negativen Stuhluntersuchungen
möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich.
Bei Kontaktpersonen sollte so früh wie möglich eine Schutzimpfung mit IPV-Impfstoff erfolgen.
Bei
Kontaktpersonen
mit
Grundimmunisierung
ist
ein
Ausschluss
von
Gemeinschaftseinrichtungen nach postexpositioneller Schutzimpfung in der Regel nicht
erforderlich. Wenn es sich um eine Boosterung handelt, ist der Schutz gegen eine Erkrankung
umgehend vorhanden. Eine Garantie gegen die Virusausscheidung im Darm ist mit IPV
allerdings nicht erreichbar.
Bei ungeimpften Kontaktpersonen ist eine Wiederzulassung 3 Wochen nach letzter Exposition
und negativen virologischen Kontrolluntersuchungen möglich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Es wird dringend empfohlen, in jedem Verdachts- und Erkrankungsfall die oberste
Gesundheitsbehörde des Bundeslandes und das Robert Koch-Institut zu informieren. Zur
Verhinderung der Ausbreitung von Infektionen können Riegelungsimpfungen mit OPV und ggf.
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weitere seuchenhygienische und diagnostische Maßnahmen durch die Gesundheitsbehörden
angeordnet werden.
Meldepflicht
Dem Gesundheitsamt wird gemäß § 6 IfSG der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der
Tod an Poliomyelitis (als Verdacht gilt jede akute schlaffe Lähmung einer Extremität, außer
wenn traumatisch bedingt), sowie gemäß § 7 der direkte oder indirekte Nachweis von
Poliovirus, soweit er auf eine akute Infektion hinweist, namentlich gemeldet.
Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2004
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Q - Fieber
Erreger
Erreger des Q-Fiebers (Query fever) ist Coxiella (C.) burnetii, ein kleines, unbewegliches,
polymorphes, gramnegatives Bakterium. Taxonomisch werden die Coxiellae in die Familie der
Rickettsiaceae mit einem eigenen Genus eingeordnet. Neuere molekularbiologische
Untersuchungen zeigen eine enge Verwandtschaft mit Legionellen. C. burnetii vermehrt sich
nur intrazellulär in eukaryotischen Zellen. Der Erreger kann in zwei antigenen Formen
existieren: Phase I und Phase II. Bei Menschen und Tieren existieren die Organismen in Form
von Phase I, die sehr infektiös ist. Wenn C. burnetii in Zellkulturen oder befruchtete Hühnereier
überführt wird, unterliegen die Liposaccharide einem Wandel, der einen antigenen Wechsel
(Phasenvariation) von Phase I in Phase II bewirkt, die deutlich weniger virulent ist. C. burnetii
weist eine relativ hohe Resistenz gegenüber chemischen und physikalischen Einflüssen auf.
Die Fähigkeit, Dauerformen zu bilden, und die hohe Resistenz gegenüber Austrocknung
ermöglichen es, außerhalb von Zellen in Staub, auf Heu, Wolle usw. jahrelang zu überleben.
Vorkommen
Q-Fieber ist eine mit Ausnahme von Neuseeland und der Antarktis weltweit verbreitete
Zoonose. Gefährdet sind insbesondere Personen, die engen Umgang mit Tieren haben, z.B.
Schlachter, Tierfellverarbeiter, Tierhalter und veterinärmedizinisches Personal. Es besteht auch
eine Gefährdung für Laborpersonal, die durch Laborinfektionen belegt ist. Q-FieberKleinraumepidemien treten vor allem in ländlichen Gebieten oder Randlagen der Städte auf.
Durch die Möglichkeit einer Übertragung auf dem Luftweg über weite Distanzen (s.
Infektionsweg) kann bei Ausbrüchen in Tierpopulationen auch die Bevölkerung in der
Umgebung gefährdet sein.
Die in Deutschland gemeldeten Erkrankungen haben – speziell seit 1995 – zugenommen. In
den Jahren 2001 und 2002 wurden insgesamt 293 bzw. 191 Fälle von Q-Fieber an das RKI
übermittelt (0,36 bzw. 0,23 Erkr. pro 100.000 Einw.), 76% bzw. 41% der gemeldeten Fälle
traten im Rahmen von Häufungen auf.
Reservoir
Das epizootologisch bzw. epidemiologisch relevante Reservoir stellen infizierte Paarhufer
(Rinder, Schafe, Ziegen) dar, darüber hinaus können auch Katzen, Hunde, Kaninchen und
Wildtiere (Rehe, Füchse etc.) sowie Vögel Reservoirwirte sein. C.burnetii konnte häufig auch
aus Arthropoden, Läusen, Milben, Fliegen sowie über 40 Zeckenspezies isoliert werden;
letztere sind zugleich Reservoir und wichtige Vektoren.
Infektionsweg
C. burnetii wird hauptsächlich durch Inhalation infektiösen Staubes oder durch direkten Kontakt
zu infizierten Tieren übertragen. Die infizierten Tiere sind meist nur subklinisch erkrankt.
Während einer Gravidität wird die Infektion reaktiviert, vor allem die Gebärmutter und die
Mammae können den Erreger beherbergen. Daher sind besonders Geburtsprodukte sowie die
damit kontaminierten Neugeborenen für den Menschen potenziell hoch infektiös. Menschliche
Infektionen durch Inhalation von Staub, der C. burnetii enthält, wurden bis zu 2 km entfernt von
infizierten Tierherden verzeichnet. Bei der indirekten Übertragung über längere Strecken spielt
auch kontaminierte Kleidung eine Rolle.
Zecken
(in
Deutschland
gewöhnlich
Dermacentor
marginatus)
spielen
durch
Übertragungsvorgänge zwischen Haus- und Wildtieren eine wichtige Rolle im Infektionszyklus.
Für die direkte Infektion des Menschen sind sie jedoch nicht bedeutsam. – Das Verarbeiten von
Fleisch- oder anderen tierischen Produkten kann durch direkten Kontakt ebenfalls zu
Infektionen führen. Eine Übertragung durch Nahrungsmittel (Rohmilch, Rohkäse) ist möglich,
spielt im Infektionsgeschehen aber eine eher untergeordnete Rolle. Eine horizontale MenschzuMensch-Übertragung von Q-Fieber wurde nur selten beschrieben, z.B. bei Kontakt mit
infizierten gebärenden Frauen, nach Bluttransfusionen oder Knochenmarktransplantationen
oder bei einer Autopsie. Da C. burnetii sich auch in der menschlichen Plazenta vermehrt, kann
es zur vertikalen Übertragung auf den Feten kommen.
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Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt in der Regel 2 bis 3 Wochen; sie ist abhängig von der
Infektionsdosis und verkürzt sich bei massiver Exposition.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Übertragung von einem Menschen mit einer floriden C.-burnetii-Infektion auf einen anderen
Menschen ist auf seltene Ausnahmefälle beschränkt (s. unter Infektionsweg).
Klinische Symptomatik
Ca. 50 % aller Infektionen verlaufen asymptomatisch oder mit milden grippeähnlichen
Symptomen und heilen spontan in 1 bis 2 Wochen aus.
Die akute Infektion beginnt meist mit hohem Fieber, Schüttelfrost, Muskelschmerzen und
ausgeprägten Stirnkopfschmerzen. Im weiteren Verlauf kann eine interstitielle Pneumonie oder
eine Hepatitis auftreten. Seltener kommt es zur Myokarditis bzw. Perikarditis oder zur
Meningoenzephalitis. Bei Infektionen oder reaktivierten Erkrankungen in der Schwangerschaft
kann es zum Abort oder zur Frühgeburt kommen. Das Risiko für einen Abort scheint bei einer
Primärinfektion im 1. Trimenon besonders hoch zu sein: Im Rahmen einer französischen Studie
wurde eine kleine Gruppe von sieben schwangeren Frauen nachverfolgt, die während des
1. Trimenons an Q-Fieber erkrankten. Bei allen kam es danach zum Abort.
In etwa 1 % aller Infektionen entsteht eine chronische Infektion. Der Erreger kann in vielen
Organen persistieren. Die häufigste Organmanifestation ist die Q-Fieber-Endokarditis, die aber
fast nur bei vorbestehender Herzklappenerkrankung oder bei Immunsuppression entsteht. Das
Risiko der Entwicklung einer Q-Fieber-Endokarditis bei vorbestehendem Vitium oder
Herzklappenprothese wird auf 39% geschätzt. Eine Endokarditis kann 6 Monate bis zu 10 Jahre
und länger nach der Primärinfektion entstehen. In seltenen Fällen kann es zu chronischen
Knochen-, Lungen- und Leber-Infektionen kommen. Besonders auch Primärinfektionen
während der Schwangerschaft können zu chronischen Infektionen führen.
Die Erkrankung hinterlässt eine lang andauernde sowohl zelluläre als auch humorale Immunität;
dennoch kann der Erreger unter Umständen in Makrophagen überleben. Dies erklärt auch,
warum es zu einer Reaktivierung der Krankheit kommen kann, z.B. während der
Schwangerschaft oder bei Immunsuppression.
Diagnostik
Bei Verdacht auf Q-Fieber ist ein gezieltes Erheben der Anamnese wichtig. Bei sporadischen
Erkrankungsfällen ist es oft nicht einfach, die Diagnose zu stellen. Bei Fieber unklarer Genese
gehört Q-Fieber in die Differentialdiagnose. Eine klinische oder klinisch-epidemiologische
Verdachtsdiagnose kann durch serodiagnostische Verfahren mittels Nachweis von Antikörpern
(gegen Coxiellen-Ag Phase II sowie gegen Phase I) auch labordiagnostisch gesichert werden.
Therapie
Mittel der Wahl bei akutem Q-Fieber ist die Gabe von Doxycyclin über einen Zeitraum von 2 bis
3 Wochen (Leberwerte besonders beachten!). Die Behandlung kann in speziellen Fällen mit
Clarithromycin oder einem Fluorochinolon der Gruppe 3 oder 4 kombiniert werden. Bei
Meningoenzephalitis kommen alternativ Chinolone oder Chloramphenicol in Betracht.
Die Behandlung der chronischen Infektion ist schwierig und sollte von erfahrenen Infektiologen
durchgeführt werden. Sie erfolgt durch eine mindestens einjährige Kombinationstherapie, meist
mit Doxycyclin und einem Chinolon (vorzugsweise der Gruppe 3 oder 4) oder ggf. Rifampicin.
Günstige Ergebnisse wurden auch mit einer Kombination von Doxycyclin und Chloroquin
beschrieben.
Hinweise zur Therapie von Risikopersonen
Wegen des hohen Risikos für Sekundär- bzw. Folgeerkrankungen sollten Risikopersonen
(Schwangere, Personen mit Herzvitien oder Herzklappenprothesen) mit labordiagnostisch
nachgewiesenen akuten QFieber-Infektionen für eine langfristig vorbeugende Therapie in
Betracht gezogen werden. Dabei sind im Einzelfall mögliche unerwünschte Wirkungen der
Therapie gegen das hohe Risiko des Abortes bzw. der Endokarditis abzuwägen.
Bei einem Laborergebnis, das auf eine akute Infektion hinweist (vgl. Falldefinition), und sich der
Arzt für eine prophylaktische Therapie entscheidet, sollte wie folgt vorgegangen werden:
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Patienten mit Herzklappenanomalien:
Doxycyclin 200 mg pro Tag
Hydroxychloroquin 600 mg pro Tag (angestrebte Plasmakonzentration: 0,8–1,2 mg/l),
beide Medikamente für die Dauer von 12 Monaten.
Die Patienten sollten auf die Gefahr der Entwicklung einer Photosensibilisierung durch
Doxycyclin und mögliche Schutzmaßnahmen hingewiesen werden. Die HydroxychloroquinPlasmaspiegel sollten alle 3 Monate kontrolliert werden. Alle 3 bis 6 Monate sollte eine
ophthalmologische Kontrolle erfolgen, um retinale Ablagerungen von Hydroxychloroquin
frühzeitig zu entdecken.
Schwangere:
Trimethoprim-Sulfamethoxazol (160/800 mg) 2 Kapseln pro Tag, für die Dauer der
Schwangerschaft. (Auf die Entwicklung einer megaloblastären Anämie sollte geachtet
werden!)
Nach Beendigung der Schwangerschaft sollten die Frauen auf eine chronische Infektion
getestet werden. Bei Vorliegen einer chronischen Infektion anschließende Behandlung mit
Doxycyclin und Hydroxychloroquin, wie bei Patienten mit Herzklappenanomalien, d.h. für die
Dauer eines Jahres. Frauen mit akuter Q-Fieber-Infektion wird vom Stillen abgeraten,
unabhängig, ob sie prophylaktisch behandelt wurden oder nicht, da C. burnetii in die
Muttermilch übertreten kann und Trimethoprim- Sulfamethoxazol als bakteriostatisch wirksames
Antibiotikum möglicherweise die Ausscheidung von Bakterien in die Muttermilch nicht
vollständig verhindern kann.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Voraussetzung für die Maßnahmen der Verhütung und Bekämpfung dieser Infektion beim
Menschen ist das rechtzeitige Erkennen von Infektionen bei Nutztieren. Eine erfolgreiche
Prävention muss direkte Kontakte zu infizierten Tieren oder von ihnen ausgehende
Kontaminationen ausschließen.
Obwohl ein großer Teil der präventiven Maßnahmen im Verantwortungsbereich der
Veterinärmedizin liegt, werden wichtige Maßnahmen und Grundsätze im Interesse eines guten
gegenseitigen Verständnisses und der gegenseitigen Unterstützung hier mit aufgeführt.
Einige wichtige – auf Praxiserfahrungen beruhende – Empfehlungen zur Bekämpfung von QFieber- Ausbrüchen sind:
Die Kontamination der Umgebung mit Geburtsprodukten von infizierten Tieren sollte
minimiert werden, um eine Luftübertragung der hoch infektiösen Materialien zu
verhindern.
Das Ablammen oder -kalben sollte in ausreichender Entfernung von der
Wohnbebauung, in geschlossenen Ställen und möglichst in getrennten Boxen
stattfinden.
Die Muttertiere und die neu geborenen Lämmer dürfen frühestens 14 Tage nach der
Geburt aus den Ställen gebracht werden.
Die
Nachgeburten
und
Totgeburten
sollten
in
geschlossenen,
flüssigkeitsundurchlässigen
Behältnissen
gesammelt
und
durch
Tierkörperbeseitigungsanstalten entsorgt werden. Nach Abholung der Tierkörperteile
durch die Tierkörperbeseitigungsanstalt ist der Behälter unverzüglich zu reinigen und
mit einem DVG-geprüften Desinfektionsmittel auf Aldehydbasis (mindestens 5%ige
Lösung) zu desinfizieren.
Keine Tiere im letzten Trächtigkeitsdrittel ausstellen
Vorherige zeckenwirksame Ektoparasitenbehandlung der auszustellenden Tiere
Nur zeckenfreie, saubere Schafe (frei von Zeckenkot) ausstellen
In "Streichel-Zoos" sollten die dort gehaltenen Schafe wegen des engen Kontakts
jährlich serologisch auf AK gegen C. burnetii untersucht werden.
Tiere, die auf Ausstellungen oder durch Besuchergruppen zu einem erhöhten Maß
direkten Kontakt zur Allgemeinbevölkerung haben, sollten vorher serologisch auf C.
burnetii getestet werden.
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Neuere Studien haben gezeigt, dass die Erhitzung von lediglich gelagertem,
gestapeltem oder gepacktem Festmist oftmals nicht ausreichend hoch ist, um
Krankheitserreger zu inaktivieren. Daher wird zur Abtötung von Keimen in Festmist
generell das Aufsetzen von Düngerpackungen unter der Verwendung von Branntkalk
empfohlen. Da C. burnetii durch das Bilden von Sporen-ähnlicher Formen besonders
hitzeresistent ist, ist davon auszugehen, dass Düngerpackungen ohne Branntkalk eine
Abtötung dieses Keimes tatsächlich nicht gewährleisten. Obwohl Untersuchungen zu
verschiedenen thermischen Desinfektionsverfahren speziell für C. burnetii bislang nicht
durchgeführt wurden, lassen entsprechende Untersuchungen zur Abtötung von
Salmonella senftenberg (ein Keim der hitzeresistenter ist als C. burnetii) in Festmist
jedoch schlussfolgern, dass die Abtötung von C. burnetii mittels Erstellung einer
Düngerpackung durch das Hinzugeben von Branntkalk sowie das Abdecken der Miete
mit stabiler Silofolie gewährleistet werden kann. Nach 5 Wochen kann die
Düngerpackung umgesetzt werden und auf unbestelltes Ackerland aufgebracht und
sofort untergepflügt werden. Wenn die Möglichkeit des Unterpflügens nicht gegeben ist,
muss die Düngerpackung nach dem ersten Umsetzen weitere 10 Wochen gelagert
werden. Eine Anleitung zum Aufbau einer Düngerpackung mit Branntkalk befindet sich
in sowie in der Richtlinie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten über Mittel und Verfahren für die Durchführung der Desinfektion bei
anzeigepflichtigen Tierseuchen (331/322-3602-19/1 Stand Februar 1997).
Die Stallungen sollten desinfiziert werden (10–20%ige Chlorkalklösung, 1%ige LysolLösung oder 5%ige Wasserstoffsuperoxid-Lösung).
Die Exposition gegenüber infektiösem Staub aus dem Schaffell (getrockneter
Zeckenkot) kann durch Scheren minimiert werden. Das Scheren der Schafe sollte
möglichst nur außerhalb von Wohngebieten und immer in geschlossenen Räumen
erfolgen. Die Personen, die sich bei diesen Arbeiten in den Ställen aufhalten, müssen
dabei eine Schutzmaske gegen Staub tragen. Die Wolle muss bis zum Abtransport in
geschlossenen Räumen gelagert werden.
Schafherden sollten nicht näher als 500 m an die Wohn- oder Industriebebauung
herangeführt werden.
Eine Akarizidbehandlung (Zeckenbad) der Schafe stellt eine prophylaktische
Maßnahme dar und ist i.d.R. nicht geeignet, die aktuelle Situation zu beeinflussen; sie
ist in folgenden Situationen einzusetzen:
vor der Zeckenbefallssaison in Herden, von denen mutmaßlich eine Infektion
ausging,
vor der Zeckenbefallssaison bei Herden in den bekannten DermacentorBiotopen.
In Gebieten mit einer Zunahme der Q-Fieber-Erkrankungen sollte eine systematische
Erfassung der Durchseuchung der Tierherden angestrebt werden.
In Gebieten mit einer Zunahme der Q-Fieber-Erkrankungen ist die systematische
Untersuchung von Nachgeburten bzw. Totgeburten bei Schafherden beziehungsweise
Rinderherden zu empfehlen.
Eine Impfung sowohl für beruflich exponiertes Personal (z.B. Veterinäre, Labor- und
Schlachthofarbeiter) als auch für Tiere steht in einigen Ländern zur Verfügung, ist in
Deutschland jedoch nicht zugelassen.
Eine Pasteurisierung zerstört die Erreger zuverlässig. – Tätigkeiten, die mit einem erhöhten QFieber-Risiko einhergehen, sind das Halten von Schafen oder Rindern, das Schlachten, die
Milch- und Fleischverarbeitung und Tätigkeiten in der Veterinärmedizin. Personen, die in
diesen Bereichen tätig sind, sollten auf C.-burnetii-Antikörper untersucht werden. Seronegativen
Personen, die Umgang mit infizierten Beständen haben, wird empfohlen, bei Tätigkeiten mit
erhöhter Infektionsgefahr (z.B. Reinigungsarbeiten) Schutzkleidung, insbesondere eine
Schutzmaske zu tragen. An die Dekontamination der Schutzkleidung und deren strikter
Trennung von der Alltagskleidung ist zu denken.
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2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine Isolierung von Patienten ist in der Regel nicht erforderlich. Es besteht jedoch eine
Infektionsgefahr für das geburtshilfliche Personal, wenn die Gebärende infiziert ist. Hier ist die
strikte Einhaltung von Standardhygienemaßnahmen sowie spezieller Schutzmaßnahmen
(Schutzkittel; Handschuhe/Händedesinfektion; Mund-Nasen-Schutz; gesonderte Behandlung
der Wäsche, sorgfältige Desinfektionsmaßnahmen erforderlich, um eine Infektionsgefährdung
während der Geburt und des Wochenbettes zu vermeiden (s.a. Epid Bull 49/97). Bei anderen
Kontaktpersonen entfallen spezielle Maßnahmen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Mit Ausbrüchen ist auf Höfen mit Tierhaltung, insbesondere bei der Haltung von Schafherden,
zu rechnen. Auch in Tierkliniken und Forschungseinrichtungen, in denen Schafe gehalten
werden, kam es verschiedentlich zu Ausbrüchen. Durch konsequentes Einhalten der o.g.
Hygiene- und Verhaltensregeln kann die Zahl der Erkrankungsfälle wirksam reduziert werden.
Meldepflicht
Nach § 7 (1) IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis von C. burnetii meldepflichtig, sofern
der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist.
Anmerkung: Nicht meldepflichtig ist der Krankheitsverdacht, definiert als klinisches Bild
vereinbar mit Q-Fieber ohne labordiagnostischen Nachweis und ohne Nachweis eines
epidemiologischen Zusammenhangs.
nach RKI, Stand: 23.06.2008
Fazit:
Q-Fieber kommt immer wieder, auch in unseren Nachbarlandkreisen vor.
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Rotaviren
Erreger
Rotaviren gehören zur Familie Reoviridae. Es handelt sich um nichtumhüllte Viruspartikel
(Durchmesser etwa 75 nm), die strukturell dreischichtig sind (äußeres und inneres Kapsid und
Core-Schale). In der Core-Schale liegt das aus 11 diskreten Segmenten einer doppelsträngigen
RNA bestehende virale Genom. Diese Segmentierung kann bei Doppelinfektionen über einen
Segmentaustausch (Reassortment) zu neuen Rotavirusvarianten führen.
Man unterscheidet 7 Serogruppen (A–G). Rotaviren der Gruppe A kommt weltweit die größte
epidemiologische Bedeutung zu. Die Antigenität des Virus wird von zwei Oberflächenproteinen
(VP4 und VP7) bestimmt, anhand derer auch die Einteilung der Viren einer Serogruppe in
unterschiedliche Serotypen (Genotypen) nach einem binären System erfolgt. Man
unterscheidet 14 VP7-Typen ("G-") und 20 VP4-Typen ("P-"). Der größte Anteil der
Rotaviruserkrankungen in Deutschland wird durch Rotaviren des Typs G1P[8], gefolgt von
G9P[8] verursacht. Rotaviren sind umweltresistent.
Vorkommen
Rotaviren sind die häufigste Ursache viraler Darminfektionen bei Kindern. In den westlichen
Industrieländern erkranken am häufigsten Säuglinge und Kinder im Alter von 6 Monaten bis zu
2 Jahren. Dies basiert auf einer besonders hohen Empfänglichkeit aufgrund noch fehlender
Immunität (im Laufe der ersten Lebensjahre werden infolge von Kontakten mit dem Erreger
rasch zunehmend Antikörper gebildet). Bei Neugeborenen und Kleinkindern sind Rotaviren die
Hauptursache für nosokomiale Darminfektionen. Die Erkrankungshäufigkeit ist in den Monaten
Februar bis April am höchsten.
Im Erwachsenenalter treten Erkrankungen – meist milder verlaufend – vor allem als
Reisediarrhoe, bei Eltern erkrankter Kinder oder im Rahmen von Ausbrüchen in Altenheimen in
Erscheinung. Bei Personen über 60 Jahren nimmt die Erkrankungshäufigkeit zu. Nach den
Meldedaten des RKI müssen 35% der gemeldeten Rotavirus-Infizierten in dieser Altersgruppe
im Krankenhaus behandelt werden.
Mit Inkrafttreten des IfSG wurde im Januar 2001 in Deutschland eine Meldepflicht für
Rotavirusinfektionen eingeführt. Im Jahr 2006 wurden 67.016 Erkrankungsfälle übermittelt. 70%
dieser Erkrankungen (47.092) betrafen Kinder im Alter bis zu 5 Jahren. Von diesen Kindern
benötigten 21.936 (47%) eine Krankenhausbehandlung. 12% der Erkrankungen (7.878) traten
bei Personen über 60 Jahre auf.
Es ist zu beachten, dass Rotaviruserkrankungen, die im stationären Bereich diagnostiziert
wurden, sicher in den Meldedaten des RKI überrepräsentiert sind, da eine Stuhldiagnostik in
der alltäglichen Routine nur bei schwer verlaufenden Erkrankungen oder bei
Erkrankungshäufungen durchgeführt wird.
In Entwicklungsländern haben Rotaviruserkrankungen eine besondere Bedeutung, weil sie
maßgeblich zur Mortalität im Kindesalter beitragen. Es wird geschätzt, dass in Afrika, Asien und
Lateinamerika jährlich über 100 Millionen Kinder erkranken und etwa 600.000 bis zu einer
Million Kinder durch Rotavirusinfektionen sterben.
Reservoir
Hauptreservoir für Rotaviren ist der Mensch. Rotaviren sind auch bei Haus- und Nutztieren
gefunden worden, doch besitzen die hier vorkommenden Viren wahrscheinlich eine geringe
Bedeutung für Erkrankungen von Menschen.
Infektionsweg
Rotaviren werden fäkal-oral besonders durch Schmierinfektion, aber auch durch kontaminiertes
Wasser und Lebensmittel übertragen. Das Virus ist sehr leicht übertragbar; bereits 10
9
11
Viruspartikel reichen aus, um ein Kind zu infizieren. Bei akut Infizierten werden 10 –10
Viren pro g Stuhl ausgeschieden. Subklinisch Erkrankte (vor allem Neugeborene und
Erwachsene) sind als Überträger des Virus wichtig.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 3 Tage.
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Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während des akuten Krankheitsstadiums und solange das
Virus mit dem Stuhl ausgeschieden wird. In der Regel erfolgt eine Virusausscheidung nicht
länger als 8 Tage, in Einzelfällen (z.B. Frühgeborene, Immundefiziente) wurden jedoch auch
wesentlich längere Virusausscheidungen beobachtet.
Klinische Symptomatik
Zur Pathogenese: Das Virus vermehrt sich in den differenzierten Epithelzellen an den Spitzen
der Dünndarmzotten. Nekrose und Abstoßung der oberen Zellschicht führen dabei zur
Malabsorption, die anschließende reaktive Hyperplasie wird von einer verstärkten Sekretion
begleitet.
Die Symptomatik der Rotavirusinfektionen reicht von subklinischen Infektionen über leichte
Diarrhoen bis zu schweren Erkrankungen. Die Erkrankung beginnt akut mit wässrigen
Durchfällen und Erbrechen. Im Stuhl findet man oft Schleimbeimengungen. Fieber und
abdominelle Schmerzen können auftreten. Die Rotavirus-bedingte Enteritis kann klinisch nicht
von anderen infektionsbedingten Gastroenteritiden unterschieden werden. Sie verläuft bei
Säuglingen und Kleinkindern durchschnittlich schwerer als Durchfallerkrankungen durch andere
Erreger. Die gastrointestinalen Symptome bestehen in der Regel 2 bis 6 Tage. In mehr als der
Hälfte der Fälle sind unspezifische respiratorische Symptome zu beobachten. Kompliziert sind
die Erkrankungen, in deren Verlauf es zur Dehydratation kommt. Diese kann, wenn nicht
rechtzeitig adäquat behandelt wird, zur Todesursache werden.
Nach Ablauf der Infektion lässt sich eine im Wesentlichen serotypspezifische, humorale
Immunität nachweisen, die jedoch nicht dauerhaft ist.
Diagnostik
Die labordiagnostische Methode der Wahl ist der Nachweis eines gruppenspezifischen Antigens
des inneren Kapsids aus dem Stuhl mit dem „Enzym-Immun-Test“ (EIA). Der direkte
Virusnachweis mittels Elektronenmikroskopie ist leicht möglich, wird aber wegen des hohen
Aufwandes nur selten durchgeführt (ein Vorteil dieses Verfahrens ist die breite virale
Differenzialdiagnostik). Die Virusanzucht ist schwierig und daher keine Routinemethode.
Infektketten können am besten durch molekularbiologische Untersuchungsverfahren (RTPCRReverse Transkription-Polymerasekettenreaktion und Sequenzierung des Amplifikats)
rekonstruiert werden. Aussagekräftige serologische Standardtests existieren nicht.
Therapie
In der Regel ist eine orale Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten ausreichend. Die
Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung ergibt sich, wenn eine intravenöse
Flüssigkeitszufuhr erforderlich ist. Eine antivirale Therapie existiert nicht. Antibiotika und Mittel,
die die Darmmotilität hemmen, sind nicht indiziert.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Seit Februar bzw. Juni 2006 stehen in Deutschland zwei Lebendimpfstoffe gegen Rotaviren zur
Verfügung. Derzeit wird die Impfung gegen Rotaviren im Säuglingsalter von der Ständigen
Impfkommission (STIKO) nicht empfohlen. Bei der Bewertung der Impfung gegen Rotaviren im
Säuglingsalter spielte eine Rolle, dass sich die Krankheitslast von Rotaviruserkrankungen in
Deutschland aus der Häufigkeit der Erkrankung und der Anzahl der Hospitalisierungen, jedoch
nicht aus der Schwere der Erkrankung (bleibende Schädigung oder Todesfälle) ergibt. Die
STIKO hat aber in einer "Frage und Antwort" (FAQ) betont, dass die Impfung junger Säuglinge
entsprechend einer individuellen Risiko-Nutzen-Abwägung sinnvoll sein kann. Die Wirksamkeit
(Effektivität) beider Rotavirusimpfstoffe ist hoch. In den Zulassungsstudien (> 130.000
Studienteilnehmer) konnte für die Verhinderung einer schweren Rotaviruserkrankung eine
Effektivität von 96–98 % nachgewiesen werden. Zudem weisen die Impfstoffe geringe
unerwünschte Wirkungen auf.
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Seite 140 von 205
Beide Impfstoffe werden – je nach Impfstoff in 2 bzw. 3 Dosen – oral verabreicht. Die erste
Gabe des Impfstoffs erfolgt ab der 6. Lebenswoche, die letzte Dosis sollte entsprechend des
zugelassenen Impfschemas vor Vollendung der 24. bzw. 26. Lebenswoche verabreicht
werden. Der eng umschriebene Zeitraum für eine Immunisierung gegen Rotaviren soll die
Gefahr einer Invagination (Darmeinstülpung) minimieren. Invaginationen wurden im
Zusammenhang mit der Gabe eines Rotavirusimpfstoffs beschrieben, der 1998 in den USA
zugelassen war und nach wenigen Monaten wegen der vermehrt beobachteten Invaginationen
wieder vom Markt genommen wurde. In den Zulassungsstudien der aktuell in Deutschland
zugelassenen Rotavirusimpfstoffe konnte wissenschaftlich valide gezeigt werden, dass das
Risiko einer Invagination nach zulassungskonformer Gabe der Impfstoffe im ersten
Lebenshalbjahr nicht erhöht ist.
Derzeit wird davon ausgegangen, dass nach einer Grundimmunisierung ein Schutz gegen
Rotavirusinfektionen für eine Dauer von 2–3 Saisons besteht. Bei älteren Kindern und bei
Erwachsenen stehen weiterhin ergänzende präventive Maßnahmen im Vordergrund. Die
Ausbreitung von Rotavirusinfektionen in Kinderkliniken, Kindergärten und ähnlichen
Einrichtungen kann dabei nur durch das strikte Befolgen konsequenter Hygienevorschriften
verhindert werden. Ziel ist es, den fäkal-oralen Übertragungsweg zu unterbrechen. Die
Händehygiene muss besonders beachtet werden! Praxiserfahrungen zeigen, dass
Folgeinfektionen u.U. nur sehr schwer zu verhindern sind. Das Virus bleibt auf
kontaminierten Oberflächen oder Händen lange infektionstüchtig.
Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit geeignet (siehe
Liste der vom RKI geprüften Desinfektionsmittel und -verfahren gemäß § 18 IfSG).
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen (siehe auch Punkt 3)
Zur Vermeidung einer Übertragung auf fäkal-oralem Wege sind, insbesondere in der
symptomatischen Phase, die Hygienemaßnahmen auszuweiten: Absonderung der erkrankten
Personen, ggf. Kohortenisolierung/-pflege, Tragen von Handschuhen und Schutzkittel zur
Vermeidung einer Infektion, konsequente Händehygiene, Händedesinfektion, Desinfektion von
patientennahen Flächen und häufigen Handkontaktflächen (z.B. Türgriffe) sowie Toiletten und
Waschbecken.
Zur Desinfektion sind nur Präparate mit nachgewiesener viruzider Wirksamkeit gemäß
Herstellerangaben in entsprechender Konzentration und Einwirkzeit (www.rki.de >
Infektionsschutz > Krankenhaushygiene > Desinfektion) geeignet.
Nach § 34 Abs. 1 IfSG dürfen Kinder unter 6 Jahren, die an einer infektiösen Gastroenteritis
erkrankt oder dessen verdächtig sind, Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen. Die
Einrichtung sollte erst 48 Stunden nach dem Abklingen der klinischen Symptome wieder
besucht werden. Allerdings sollte auch dann noch verstärkt Wert auf die Hygiene gelegt
werden. Ebenso dürfen erkrankte Personen nicht in Lebensmittelberufen (definiert in § 42 IfSG)
tätig sein. Eine Wiederaufnahme der Tätigkeit sollte frühestens 2 Tage nach dem Abklingen der
klinischen Symptome erfolgen. In den folgenden 4 bis 6 Wochen ist die Händehygiene am
Arbeitsplatz besonders sorgfältig zu beachten. Bei Wiederauftreten der Symptomatik wird eine
erneute Freistellung erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Beim Auftreten von Rotaviruserkrankungen in Krankenhäusern, Gemeinschaftseinrichtungen
oder Altenheimen bildet die rasche klinische Abgrenzung auftretender Rotavirusinfektionen von
anderen, z.B. durch Lebensmitteltoxine verursachten Gastroenteritiden, die Grundlage einer
effektiven Ausbruchsprävention. Wenn die typische Symptomatik und die epidemiologischen
Merkmale auf eine Rotavirusinfektion hindeuten, sollten aufgrund der epidemischen Potenz
präventive Maßnahmen rasch und konsequent ergriffen werden, auch ohne die Bestätigung
durch virologische Untersuchungen abzuwarten.
Es empfiehlt sich, dass erkrankte Personen während der symptomatischen Phase keine
betreuenden Tätigkeiten in Gesundheits- und Gemeinschaftseinrichtungen ausüben sollten.
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Die wichtigsten empfohlenen Maßnahmen sind:
Isolierung betroffener Patienten in einem Zimmer mit eigenem WC; ggf.
Kohortenisolierung;
Unterweisung der Patienten und des Personals hinsichtlich korrekter Händehygiene,
Händedesinfektion mit einem viruzid wirksamen Händedesinfektionsmittel (s. auch
Punkt 2) und Pflege der Patienten mit Einweghandschuhen und Schutzkittel;
Durchführung einer sorgfältigen Händehygiene, Händedesinfektion mit einem viruzid
wirksamen Händedesinfektionsmittel nach Ablegen der Einweghandschuhe und vor
Verlassen des Isolationszimmers;
tägliche (in Sanitärbereichen ggf. häufigere) Wischdesinfektion aller patientennahen
Kontaktflächen
inkl.
Türgriffen
mit
einem
Flächendesinfektionsmittel
mit
nachgewiesener viruzider Wirksamkeit (als Wirkstoffe sollten Perverbindungen oder
Aldehyde bevorzugt werden);
kontaminierte Flächen (z.B. mit Stuhl) sofort gezielt desinfizierend reinigen;
Pflegeutensilien personenbezogen verwenden und desinfizieren;
Bett- und Leibwäsche als infektiöse Wäsche in einem geschlossenen Wäschesack
transportieren und in einem (chemo-thermischen) Waschverfahren ≥ 60°C reinigen;
Geschirr (in der Regel) wie üblich maschinell reinigen;
Kontaktpersonen (z.B. Besucher, Familie) auf die mögliche Mensch-zu-MenschÜbertragung durch Kontakt hinweisen und in der korrekten Händedesinfektion
unterweisen;
Minimierung
der
Patientenund
Bewohnerbewegung
zwischen
den
Bereichen/Stationen, um die Ausbreitung innerhalb der Einrichtung nach Möglichkeit zu
verhindern (Hinweis auf die Infektionsgefahr bei notwendiger Verlegung eines
Erkrankten auf eine andere Station);
strenge Indikationsstellung bei akut Erkrankten hinsichtlich der Verlegungen innerhalb
von stationären Bereichen, Altenheimen oder Gemeinschaftseinrichtungen. Die
aufnehmende Institution ist vorab zu informieren.
Stationen oder Bereiche, die aufgrund eines Rotavirusausbruches für Neuaufnahmen
von Patienten gesperrt waren, sollten unter Berücksichtigung der Inkubationszeit nach
Auftreten des letzten Krankheitsfalles erst nach erfolgter Schlussdesinfektion wieder
geöffnet werden.
Bei größeren Ausbrüchen ist es nicht notwendig, bei allen Betroffenen eine Diagnostik
durchzuführen. In diesen Fällen genügt der Nachweis in der Regel bei maximal 5 der
betroffenen Personen, um dann bei den anderen Erkrankten aus der gleichen Umgebung mit
ähnlichen Symptomen ebenfalls eine Rotavirusinfektion zu diagnostizieren. Wichtig ist darauf
hinzuweisen, dass hygienische Maßnahmen auch nach Sistieren der akuten Symptomatik von
ausschlaggebender Bedeutung sind. Der Erregernachweis im Stuhl kann noch über längere
Zeit nach Abklingen der Symptomatik positiv sein. Auf eine sorgfältige Händehygiene muss
daher im Folgezeitraum geachtet werden.
Im Hinblick auf die Vermeidung von Ausbrüchen sollte erkranktes Personal auch bei geringen
gastrointestinalen Beschwerden von der Arbeit freigestellt werden und erst frühestens 2 Tage
nach Ende der klinischen Symptomatik die Arbeit unter sorgfältiger Beachtung der
Händehygiene wieder aufnehmen. Ein Monitoring bezüglich Überwachung der
Virusausscheidung ist nicht angezeigt.
Meldepflicht
Nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist der direkte Nachweis von Rotaviren aus dem
Stuhl meldepflichtig, sofern der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist.
Nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2. IfSG sind Krankheitsverdacht und Erkrankung meldepflichtig, wenn die
erkrankte Person eine Tätigkeit im Sinne des § 42 ausübt oder wenn zwei oder mehr
gleichartige Erkrankungen auftreten, bei denen ein epidemiologischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist.
Modifiziert nach RKI, Stand: 29.06.2007
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Röteln
Erreger
Das Rötelnvirus ist ein genetisch stabiles RNA-Virus, das in der Familie der Togaviridae dem
Genus Rubivirus zugeordnet wird. Das sphärische Viruspartikel (50–70 nm) besteht aus der
Lipidhülle mit den Glykoproteinen E1 und E2 und einem isometrischen Nukleokapsid aus
Coreprotein, das die Einzelstrang-RNA positiver Polarität umgibt. Das Strukturprotein E1 besitzt
Hämagglutininfunktion und ist deshalb einerseits für die Infektion der Wirtszellen, andererseits
für die Diagnostik von großer Bedeutung. Es bildet im reifen Virion Heterodimere mit E2 und ist
in dieser Konfiguration Ziel neutralisierender und hämagglutinationshemmender Antikörper. Es
existiert nur ein Serotyp. Obwohl es strukturelle Verwandtschaft zu den von Arthropoden
übertragenen Alphaviren der Familie der Togaviren gibt, sind keine Kreuzreaktionen zu diesen
Viren nachgewiesen. Der Mensch ist der einzige bekannte natürliche Wirt für das Rötelnvirus.
Vorkommen
Das Rötelnvirus ist weltweit endemisch verbreitet. In Populationen, in denen nicht geimpft wird,
erfolgen 80–90 % der Infektionen im Kindesalter.In gemäßigten Klimazonen wird im Frühjahr
die höchste Erkrankungshäufigkeit beobachtet. In Deutschland (BRD) wurde 1974 die
Rötelnimpfung eingeführt. Sie wird seit 1980 als Kombinationsimpfung (mit Masern und Mumps)
empfohlen. In der DDR war die Rötelnimpfung nicht allgemein verfügbar. Seit 1990 wird auch in
den neuen Bundesländern die MMR-Impfung angewendet. Wie in Westdeutschland hat sie im
Vergleich zur Vorimpfära zu einem deutlichen Rückgang der Rötelnmorbidität geführt.
Zur Immunitätslage in Deutschland liegen Seroprävalenzstudien aus den Jahren 1990 bis 1998
vor: Selektive Impfungen von jungen Mädchen und Frauen ab dem 13. Lebensjahr haben in der
weiblichen Bevölkerung erreicht, dass die bei der natürlichen Durchseuchung noch
bestehenden Immunitätslücken im jungen Erwachsenenalter zunehmend besser geschlossen
wurden. 1998 waren bei den 18- bis 30-jährigen Frauen nur bei 0,8–3 % keine Antikörper gegen
Rötelnvirus nachzuweisen; das sind allerdings immer noch 52.000 bis 194.000 junge Frauen
(bei den Männern gleichen Alters waren 5–13 % seronegativ).
So kommt es trotz der allgemein verfügbaren Impfprophylaxe in Deutschland immer noch zu
konnatalen Rötelnerkrankungen. Im Jahr 1999 wurden vier, im Jahr 2000 fünf Fälle gemeldet;
es gibt allerdings Hinweise auf eine erhebliche Untererfassung. Auf der Basis von
Laborbefunden (G. Enders, Stuttgart) wird geschätzt, dass die Zahl der Erkrankungen
möglicherweise um den Faktor 10 höher liegt. Nach Einführung der Meldepflicht von konnatalen
Rötelninfektionen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) im Jahre 2001 wurden in den Jahren
2001 und 2002 je eine Rötelnembryopathie gemeldet.
Im Vergleich zu Ländern wie Finnland, Schweden oder den USA, die der Elimination der
konnatalen Röteln nahe sind, besteht in Deutschland im Kindes- und Jugendalter gegenwärtig
noch ein erhebliches Potenzial von Empfänglichen. Die endemische Viruszirkulation hält an und
gefährdet die Frauen in der Frühschwangerschaft, die Hauptzielgruppe der Rötelnprophylaxe.
Erst wenn Impfraten von über 90 % der Kleinkinder im Laufe des 2. Lebensjahres erreicht
werden, können auch in Deutschland die konnatalen Röteln ausgerottet werden. Die WHO hat
das Ziel formuliert, das kongenitale Rötelnsyndrom (CRS) in Europa bis zum Jahre 2010 zu
eliminieren.
Reservoir
Der einzige natürliche Wirt ist der Mensch.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt aerogen durch Tröpfcheninfektion. Das Virus dringt in die Schleimhaut
des oberen Respirationstraktes ein, vermehrt sich vornehmlich im lymphatischen Gewebe und
führt zu einer ausgeprägten Virämie mit der Möglichkeit der diaplazentaren Übertragung in der
Schwangerschaft.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 14–21 Tage.
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Seite 143 von 205
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit besteht bereits eine Woche vor Ausbruch des Exanthems und dauert
bis zu einer Woche nach dem Auftreten des Exanthems.
Klinische Symptomatik
Die Röteln sind eine klassische „Kinderkrankheit“. Etwa 50 % der Infektionen im Kindesalter
verlaufen asymptomatisch. Die Erkrankung ist durch ein kleinfleckiges makulöses oder
makulopapulöses Exanthem gekennzeichnet, das im Gesicht beginnt, sich über Körper und
Extremitäten ausbreitet und nach 1–3 Tagen wieder verschwindet. Weiter können
Kopfschmerzen, subfebrile Temperaturen, Lymphknotenschwellungen (besonders der nuchalen
und retroaurikulären Lymphknoten), ein leichter Katarrh der oberen Luftwege und eine
Konjunktivitis auftreten.
Seltene (jedoch mit zunehmendem Lebensalter der erkrankten Person häufigere)
Komplikationen sind Arthritiden, Bronchitis, Otitis, Enzephalitis, Myo- und Perikarditis. Durch
eine Thrombozytopenie können Purpura und Hämorrhagien entstehen.
Obwohl eine postnatale Rötelninfektion selten mit Komplikationen einhergeht, verursacht eine
über die Plazenta der Mutter erfolgte Infektion des sich entwickelnden Fetus schwere Schäden,
deren Häufigkeit und Schweregrad vom Infektionszeitpunkt während der Schwangerschaft
abhängen (beobachtet wurden Schäden in 90% bei Infektionen in den ersten 8
Schwangerschaftswochen, Schäden in 25%–35% bei während des zweiten Trimesters). Eine
Rötelnprimärinfektion im 1.–4. Schwangerschaftsmonat kann zum Spontanabort, zur
Frühgeburt oder zum CRS führen. Die im Stadium der Organogenese entstehenden Schäden
beinhalten in der Regel die klassische Trias mit Defekten an Herz (offener Ductus arteriosus),
Augen (Katarakt) und Ohren (Innenohrtaubheit) – das Gregg-Syndrom. Weitere mögliche
Folgen
sind
ein
geringes
Geburtsgewicht,
thrombozytopenische
Purpura,
Hepatosplenomegalie, Enzephalitis, Hepatitis, Myokarditis oder Mikrozephalie. So löst eine
Infektion des Fetus in der 4. Gestationswoche das Vollbild der Erkrankung aus, während z..B.
durch eine Infektion in der 20. Woche eine isolierte Taubheit entstehen kann. Die
Gesamtletalität des CRS beträgt 15–20 %. – Trotz hoher Titer spezifischer neutralisierender
Antikörper können Kinder mit CRS das Rubellavirus aus dem Respirationstrakt und über den
Urin bis zu einem Alter von 2 Jahren ausscheiden.
Diagnostik
Eine Diagnose aufgrund des klinischen Bildes ist sehr unzuverlässig; ähnliche Exantheme
können bei einigen anderen fieberhaften Erkrankungen auftreten (z.B. Masern, Ringelröteln,
Scharlach) oder auch arzneimittelbedingt sein. Bei wichtigen Entscheidungen wie
Rötelnverdacht bzw. -kontakt bei einer Schwangeren und dem klinischen Verdacht auf
konnatale Röteln sollte daher unbedingt eine serologische Abklärung erfolgen. Die Immunität
gegenüber Rötelnvirus sollte möglichst vor Eintritt einer Schwangerschaft geprüft werden, um
gegebenenfalls noch impfen zu können.
Therapie
Eine spezifische kausale Therapie der Rötelnvirusinfektion existiert nicht. Fieber, Arthritiden
oder Arthralgien werden symptomatisch behandelt.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Zur Prophylaxe der Röteln steht ein attenuierter Lebendimpfstoff zur Verfügung. Die RötelnSchutzimpfung wird von der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut
empfohlen. Sie sollte mit einer trivalenten Vakzine gegen Masern, Mumps und Röteln (MMRImpfstoff) durchgeführt werden. Die Impfung soll in der Regel zwischen dem 12. und dem
15. Lebensmonat, möglichst bis zum Ende des 2. Lebensjahres erfolgen, um den
frühestmöglichen Impfschutz zu erreichen. Steht bei einem Kind die Aufnahme in eine
Kindereinrichtung an, kann die MMR-Impfung auch ab dem 9. Lebensmonat erfolgen. Sofern
die Erstimpfung vor dem 12. Lebensmonat durchgeführt wurde, muss die Impfung unbedingt
bereits im 2. Lebensjahr wiederholt werden, da im 1. Lebensjahr persistierende maternale
Antikörper die Impfviren neutralisieren können. Zur Erfassung von Nonrespondern (etwa 5 %)
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Seite 144 von 205
und damit zur Schließung von Immunitätslücken empfiehlt die STIKO generell eine 2. MMRImpfung. Diese kann frühestens vier Wochen nach der 1. MMR-Impfung erfolgen; sie sollte
möglichst bereits im 2. Lebensjahr, spätestens aber vor der Aufnahme in eine Kindereinrichtung
durchgeführt werden. Aus epidemiologischer Sicht ist die Schuleingangsuntersuchung der
späteste Zeitpunkt, die 2. MMR-Impfung zu veranlassen. Sollte auch dieser Termin versäumt
worden sein, kann die 2. MMR-Impfung bis zum vollendeten 18. Lebensjahr nachgeholt werden;
bei seronegativen Frauen auch noch später, damit der unverzichtbare Schutz vor einer
Rötelnembryopathie gesichert ist. Auch bei anamnestisch angegebener Rötelnerkrankung sollte
die 2. MMR-Impfung durchgeführt werden. Es gibt in der Fachliteratur keine Hinweise auf
Nebenwirkungen nach mehrmaligen MMR-Impfungen. Eine Altersbegrenzung besteht nicht, die
Impfung kann daher in jedem Alter erfolgen. Empfehlenswert ist die MMR-Impfung für alle
ungeimpften Personen in Einrichtungen mit erhöhter Übertragungsgefahr wie Einrichtungen der
Pädiatrie,
der
Geburtshilfe
und
der
Schwangerenbetreuung
sowie
in
Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter und in Kinderheimen und selbstverständlich
für alle seronegativen Frauen mit Kinderwunsch.
Das in Deutschland gegenwärtig zu lösende Problem besteht darin, die vorhandenen
Impfempfehlungen erfolgreich umzusetzen. Während die 1. MMR-Impfung noch eine
vergleichsweise hohe Akzeptanz besitzt (erreichte Impfraten um 80–85 %), sind die Impfraten
der 2. MMR-Impfung immer noch sehr unbefriedigend. Der Impfschutz gegen Röteln liegt bei
den Schulkindern in den alten Bundesländern noch um fast 10 % niedriger als in den neuen, da
einige Eltern ihre Kinder nur gegen Masern und Mumps impfen lassen. Sowohl Ärzte als auch
Eltern sollten berücksichtigen, dass die 2. MMR-Impfung zum Erreichen eines sicheren
Immunschutzes unerlässlich.
Wirksame Hygienemaßnahmen zur Verhütung von Rötelninfektionen existieren nicht.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Alle
exponierten
ungeimpften
oder
nur
einmal
geimpften
Personen
in
Gemeinschaftseinrichtungen sollten möglichst frühzeitig eine MMR-Impfung erhalten. Ein
Ausschluss von Erkrankten oder Kontaktpersonen von Gemeinschaftseinrichtungen aus
epidemiologischen Gründen ist nicht erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Das zuständige Gesundheitsamt sollte informiert werden, um neben einer Beratung ggf.
Maßnahmen zur Verhütung der Weiterverbreitung einleiten zu können.
Meldepflicht
Nach § 7 Abs. 3 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist der direkte oder indirekte Nachweis
des Rubellavirus bei konnatalen Infektionen nichtnamentlich direkt an das Robert Koch-Institut
zu melden. Meldepflichtig sind die Leiter der Einrichtungen, an denen die Erregerdiagnostik
durchgeführt wurde. Im RKI wird gegenwärtig eine Falldefinition für konnatale Röteln erarbeitet.
Der einsendende Arzt ist verpflichtet, den Meldepflichtigen durch die Übermittlung der für die
Meldung erforderlichen Informationen zu unterstützen. – In einigen Bundesländern existiert eine
Meldepflicht für die Erkrankung an Röteln auf der Basis einer Länderverordnung (bzw. ist deren
Einführung geplant).
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.11.2003
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RSV Respiratory Syncytial Virus
Erreger
Das RSV, ein von einer lipidhaltigen Virushülle umgebenes RNA-Virus, gehört zur Familie der
Paramyxoviridae (Genus Pneumovirus). Es ist der bedeutendste Erreger von Infektionen der
Atemwege bei Säuglingen und Kleinkindern. Erst in jüngerer Zeit wurde die Bedeutung von
RSV bei Atemwegsinfektionen in jedem Lebensalter erkannt: Auch bei älteren Menschen und
Personen mit Immundefizienz oder unter Immunsuppression kann es zu Erkrankungen der
unteren Atemwege und Exazerbationen einer chronischen Lungenerkrankung kommen.
Es gibt zwei serologisch unterscheidbare Gruppen A und B, wobei Hinweise auf eine höhere
Pathogenität der Gruppe A vorliegen.
RSV kann in respiratorischem Sekret 20 Minuten auf nicht desinfizierten oder ungewaschenen
Händen überleben, 45 Minuten auf Papierhandtüchern und Baumwollkitteln, bis zu 5 Stunden
auf Einmalhandschuhen, bis zu 6 Stunden auf Stethoskopen und bis zu 7 Stunden auf
Kunststoffoberflächen. Gegenüber Desinfektionsmitteln und Detergenzien ist der Erreger aber
sehr empfindlich.
Pathogenese: Die Vermehrung des RSV erfolgt auf den Schleimhäuten der Atemwege, deren
zilientragendes Epithel durch die Synzytienbildung und die körpereigene Immunreaktion
vorübergehend zerstört wird. Der dabei entstehende Zelldetritus sowie einwandernde
unspezifische und spezifische Abwehrzellen verlegen die kleinen Atemwege und begünstigen
die Entstehung von nicht belüfteten Bezirken sowie auch von kompensatorisch zu stark
belüfteten Arealen der Lunge. Durch noch nicht abschließend erforschte immunologische und
neuroregulatorische Mechanismen kann im Gefolge der akuten RSV-Infektion eine anhaltende
Hyperreagibilität des Bronchialsystems auftreten.
Vorkommen
RSV ist weltweit verbreitet. Es kann in jedem Lebensalter Atemwegserkrankungen hervorrufen.
Bei Säuglingen besteht in den ersten 4–6 Wochen ein Schutz durch diaplazentar übernommene
mütterliche Antikörper. Bis zum Ende des 2. Lebensjahres haben nahezu alle Kinder
mindestens eine Infektion mit RSV durchgemacht. Eine langfristige Immunität besteht nicht und
Reinfektionen sind häufig.
Die höchste Inzidenz wird in Mitteleuropa in den Monaten von November bis April (RSV-Saison)
beobachtet, jedoch kommen auch in den Sommermonaten sporadische Infektionen vor.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige Reservoir für RSV.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion bei engem Kontakt (Entfernung < 2 m), wobei
Konjunktiven und Nasenschleimhäute die Eintrittspforte bilden. Eine Übertragung ist auch durch
kontaminierte Gegenstände (z.B. Pflegehilfsmittel, Stethoskope, Kugelschreiber) sowie über
kontaminierte Oberflächen (auch kontaminierte Hände) möglich. Jugendliche und Erwachsene
spielen als asymptomatische oder symptomarme Überträger eine Rolle. Auch passiv mit
monoklonalen Antikörpern gegen RSV immunisierte Kinder können vorübergehend Überträger
von RSV sein, da die Antikörper nicht die Infektion der oberen Luftwege verhindern (s.a.
„Präventive Maßnahmen“). Bei unzureichender Händehygiene und Autoinokulation der
Schleimhäute können Kontaktpersonen zum Vektor einer raschen, auch nosokomialen
Ausbreitung werden.
Inkubationszeit
2–8 Tage, im Mittel 4 Tage bis zur pulmonalen Erkrankung.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit besteht in der Regel 1–5 Tage, sie erreicht ihren Höhepunkt während
der ersten Tage der Erkrankung und klingt bei immunkompetenten Patienten meist innerhalb
einer Woche ab. Frühgeborene, Neugeborene, immundefiziente oder immunsupprimierte
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Hygiene im Rettungsdienst
Seite 146 von 205
Patienten können das Virus über mehrere Wochen, im Einzelfall über Monate ausscheiden.
Klinische Symptomatik
Eine „klassische“ RSV-Symptomatik existiert nicht. Die Diagnose kann nicht allein aus dem
klinischen Bild gestellt werden, da RSV ein breites Spektrum respiratorischer Erkrankungen
verursachen. Die RSV-Infektion ist eine akute Erkrankung der Atemwege mit Rhinitis,
Pharyngitis, Tracheobronchitis und Bronchiolitis, die nur in 20 % der Fälle mit Fieber über 39 °C
einhergeht. Das klinische Bild der Bronchiolitis (Befall der tiefen, kleinlumigen Atemwege) ist
gekennzeichnet durch einen reduzierten Allgemeinzustand, beschleunigte Atmung, Husten,
Hypoxämie und Ernährungsschwierigkeiten (Trinkverweigerung, Reflux, Erbrechen,
Dehydratation). Sie äußert sich oft auch nur als „stumme Bronchiolitis“ mit Tachypnoe und
schlechter peripherer Kreislaufperfusion, während bei der exspiratorischen Bronchiolitis das
exspiratorische Giemen im Vordergrund steht.
Die häufigsten Komplikationen sind Pneumonien, die bei bis zu 40% der stationär behandelten
Fälle auftreten.
Infektionen mit RSV können beim Säugling zu einem Keuchhusten-ähnlichen Krankheitsbild
(Pseudo-Krupp) führen. Die schwere RSV-Infektion der tiefen Atemwege kann eine bis zu
mehrere Jahre anhaltende Hyperreagibilität des Bronchialsystems nach sich ziehen, die
wahrscheinlich eine vorübergehende, Virus-getriggerte Form des kindlichen Asthma bronchiale
darstellt.
Weitere Komplikationen sind eine akute Otitis media oder durch bakterielle Superinfektion
ausgelöste Otitiden.
Risikopatienten sind Frühgeborene mit vorgeschädigter Lunge (z.B. bronchopulmonale
Dysplasie), Kinder mit Herzfehlern, insbesondere bei vermehrter Lungendurchblutung, sowie
Kinder mit Immundefekten oder unter Immunsuppression. Ihre Letalität liegt auch unter
heutigen intensivmedizinischen Bedingungen bei etwa 1 %. Schwere Verläufe sind jedoch nicht
auf die definierten Risikogruppen beschränkt. Auch bei älteren Erwachsenen (z.B. oft in
Altenheimen) und bei Patienten mit Immunschwäche können schwere Infektionen des unteren
Respirationstraktes bis hin zur Pneumonie auftreten.
Die nosokomiale RSV-Infektion ist die häufigste nosokomiale Infektion (auch die häufigste im
Krankenhaus erworbene Pneumonie) in der stationären Kinderheilkunde. Die Vermeidung
nosokomialer RSV-Infektionen und die rasche Eindämmung von RSV-Ausbrüchen im
Krankenhaus ist – insbesondere vor dem Hintergrund fehlender kausaler Therapieoptionen –
eine Aufgabe mit höchster Priorität.
Diagnostik
Erregernachweis: Die Viruskultur ist der Goldstandard in der Labordiagnostik zum Nachweis
von RSV. Sie erfordert Fachpersonal und ist zeitaufwändig (die zytopathischen Effekte treten
erst nach 4–7 Tagen auf). Voraussetzung ist die Verwendung von frischem, nicht mit anderen
Erregern (z.B. Pilzen) kontaminiertem Material.
Antikörpernachweis: Die Serodiagnostik tritt in ihrer Bedeutung hinter dem Erregernachweis
zurück, da Antikörper nur in geringfügiger Konzentration gebildet werden. Um einen Titeranstieg
zu erfassen, müssen zwei Seren mit mindestens 2–4 Wochen Abstand untersucht werden.
Therapie
Eine wirksame kausale Behandlung der RSV-Infektion existiert nicht. Die Therapie ist
symptomatisch: ausreichende Flüssigkeitszufuhr zur Sekretmobilisation, Sauerstoffgabe bei
transkutaner Sauerstoffsättigung unter 94 %, ggf. Atemunterstützung mit CPAP-Maske oder
Intubation und Beatmung.
Steroide (inhalativ oder systemisch) sind sowohl in der Akutbehandlung als auch in der
Prävention der bronchialen Hyperreagibilität des Bronchialsystems unwirksam. Bei einem Teil
der Patienten verbessern Betamimetika oder inhalatives Adrenalin die klinische Atemnot. Da sie
die Hypoxämie verschlimmern können, ist eine Überwachung der Sauerstoffsättigung zu Beginn
der Inhalationsbehandlung erforderlich. Eine antibakterielle Therapie beeinflusst weder den
klinischen Verlauf noch die Dauer der Ansteckungsfähigkeit; sie ist auch bei stationär
behandelten Patienten nicht routinemäßig indiziert. Auf Antitussiva, Sedativa und Mukolytika
sollte verzichtet werden.
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Eine inhalative Ribavirin-Behandlung kann unter bestimmten Voraussetzungen (nur auf
Intensiv-Stationen mit entsprechend ausgebildetem Personal) in Erwägung gezogen werden.
Der Nachweis einer Wirkung liegt jedoch nur in vitro vor. In Plazebo-kontrollierten Studien
wurde bisher kein Einfluss auf Verlauf und Schwere der Infektion nachgewiesen. Außerdem ist
der toxische Effekt auf das betreuende Personal (teratogen) zu beachten.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Bislang ist kein Impfstoff zur aktiven Immunisierung verfügbar. – Zur passiven Immunisierung
steht für bestimmte Risikokinder (s.u.) ein gegen das F-Protein des RSV-Virus gerichteter
monoklonaler Antikörper (Palivizumab) zur Verfügung. Aufgrund der erheblichen Kosten
empfiehlt die pädiatrische Fachgesellschaft DGPI das während der RSV-Saison monatlich i.m.
zu applizierende Präparat bislang nur für Frühgeborene mit chronischer Lungenerkrankung als
Folge einer bronchopulmonalen Dysplasie (BPD) bis zum Alter von 24 Monaten, wenn sie in
den letzten 6 Monaten behandlungsbedürftig waren (Steroide, Sauerstoff, Diuretika). Bei
Frühgeborenen ohne BPD mit einem Gestationsalter zwischen 32 und 35 Wochen soll
individuell über die Prophylaxe entschieden werden, falls zusätzliche Risikofaktoren vorliegen.
Eine Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Kinderkardiologie zum Einsatz von
Palivizumab bei Kindern mit angeborenen Herzfehlern und Shuntvitium befindet sich in
Vorbereitung.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Patienten mit RSV-Infektion, die in einem Krankenhaus behandelt werden, sollten für
mindestens 7 Tage nach Beginn der klinischen Symptomatik von anderen Patienten räumlich
getrennt untergebracht werden. Eine Kohortenisolierung mehrerer RSV-Infizierter ist möglich.
Wegen der manchmal protrahierten Virusausscheidung ist im Krankenhaus eine Kontrolle des
Antigenbefundes vor Aufhebung der Isolierung wünschenswert (maximal einmal pro Woche).
Neben der zeitnahen Diagnostik, der gezielten prospektiven Infektionssurveillance durch das
Hygienefachpersonal und der Isolierung der Patienten ist die hygienische Händedesinfektion
die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung nosokomialer RSV-Infektionen.
Die Händehygiene ist mit einem Desinfektionsmittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen
behüllte Viren (= begrenzt viruzid) durchzuführen. Bei engem Patientenkontakt (Pflege,
klinische Untersuchung etc.) sollten Kittel und Einmalhandschuhe – nach dem Ablegen der
Einmalhandschuhe müssen die Hände desinfiziert werden! – sowie ein Mund-Nasenschutz
getragen werden; letzterer auch, um die Berührung der eigenen Schleimhäute mit
kontaminierten Händen zu vermeiden (Virusinokulation!). Eine Kontamination der
patientennahen Oberflächen und anderen Gegenstände ist über Handkontakt möglich. Für die
Flächendesinfektion können ebenfalls Mittel mit nachgewiesener Wirksamkeit gegen behüllte
Viren eingesetzt werden.
Damit Geschwisterkinder, Eltern und Mitbewohner mit Atemwegsinfekten nicht zur Gefahr für
Risikopatienten werden, müssen Kontaktpersonen die hierzu erforderlichen Schutz- und
Hygienemaßnahmen kennen. Eine Möglichkeit der Chemoprophylaxe für Kontaktpersonen
besteht nicht.
Bei schwer immunsupprimierten Patienten unmittelbar vor oder nach Stammzelltransplantation
führen einige Arbeitsgruppen eine experimentelle Therapie mit Ribavirin-Inhalationen durch,
sobald RSV im Nasopharyngealsekret nachgewiesen wurde.
Ein
Besuchsverbot
von
Erkrankten
oder
deren
Kontaktpersonen
für
Gemeinschaftseinrichtungen ist nach § 34 Abs. 1 bzw. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) nicht
erforderlich. Diese Frage stellt sich aber in der Praxis bei ambulanter Behandlung in der Regel
ohnehin nicht, da die meisten Kinder bis zum Alter von 24 Monaten eine RSV-Infektion
durchgemacht haben und laufend mit den epidemisch zirkulierenden Virusstämmen in Kontakt
kommen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Im Falle eines Ausbruchs in Krankenhäusern oder anderen Gesundheitseinrichtungen müssen
die oben beschriebenen Grundregeln der Hygiene konsequent umgesetzt werden und es muss
ein Ausbruchsmanagement erfolgen. Erkranktes medizinisches Personal sollte (insbesondere
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in Risikobereichen) von der Arbeit freigestellt werden und generell, auch in der
Rekonvaleszenz, sorgfältig auf die persönliche Händehygiene achten.
Ein RSV-Ausbruch in Hochrisikobereichen, z.B. auf einer neonatologischen Intensivstation, mit
kritisch kranken Frühgeborenen oder langzeitbeatmeten Kindern mit bronchopulmonaler
Dysplasie, kann gravierende Folgen für (im Verlauf nosokomial infizierte) Mitpatienten haben.
Neben der strikten Einhaltung des Hygienestandards (s.o.) sollte daher in diesen Bereichen
beim ersten Nachweis unter sorgfältiger Abwägung der Indikationen eine passive
Immunisierung besonders gefährdeter Mitpatienten erwogen werden. Für diese Situation gibt es
bisher allerdings keine kontrollierten Studien.
Meldepflicht
Das zuständige Gesundheitsamt sollte nach § 6 Abs. 3 IfSG über gehäuft auftretende
nosokomiale RSV-Infektionen informiert werden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 21.01.2004
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Ruhr / Shigellenruhr / Shigellen-Dysenterie
Erreger
Erreger der Shigellose (Shigellenruhr, Shigellen-Dysenterie) sind unbewegliche, gramnegative
Bakterien der Familie der Enterobacteriaceae, Gattung Shigella. Es besteht eine enge
Verwandtschaft zu Escherichia coli. Sie werden nach biochemischen Merkmalen und
spezifischen O-Antigenen in folgende Serogruppen unterteilt:
Gruppe A: Shigella dysenteriae,
Gruppe B: Shigella flexneri,
Gruppe C: Shigella boydii,
Gruppe D: Shigella sonnei.
Stämme der Gruppen A bis C können bestimmten Serovaren zugeordnet werden (insgesamt 13
Serovaren bei Shigella (S.) dysenteriae, 8 Serovaren bei Shigella (S.) flexneri, 18 Serovaren bei
Shigella (S.) boydii, einem Serovar mit 2 serologischen Formen bei Shigella (S.) sonnei).
Alle Shigellen besitzen ein aus Lipopolysacchariden bestehendes Endotoxin, das zur
entzündlichen Reizung der Darmschleimhaut beiträgt. Nur Shigella dysenteriae Typ 1 bildet
zusätzlich ein Exotoxin, das Shiga-Toxin 1, das zu schweren toxischen Krankheitsbildern
führen kann.
Vorkommen
Shigellen sind weltweit verbreitet. Die Infektion zeigt eine charakteristische Häufung in warmen
Monaten, Kinder sind besonders häufig betroffen.
In Deutschland sind hauptsächlich Infektionen durch S. sonnei (Anteil gegenwärtig 70–80%)
und S. flexneri (Anteil gegenwärtig 10–20%) von Bedeutung. Diese beiden Spezies führen
überwiegend zu leichteren Erkrankungen, die aber hochakut beginnen und sehr infektiös sein
können. Eine Analyse des Auftretens der Shigellose auf der Basis von Informationen aus den
neuen Bundesländern ergab, dass die Shigellose heute fast ausschließlich von Reisenden
importiert wird (1999: 86% der Fälle). Die Quelle für Infektionen durch S. dysenteriae und S.
boydii lag in allen Fällen außerhalb Deutschlands. Shigellosen wurden in den letzten Jahren vor
allem in Ägypten, Tunesien, in der Dominikanischen Republik, der Türkei und in Jugos¬lawien
erworben.
Viele
asiatische
Länder
sind
ebenfalls
bekannte
Infektionsgebiete.
In Deutschland besteht laut IfSG eine Meldepflicht für Shigellosen.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige relevante Reservoir für Shigellen.
Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt fäkal-oral, überwiegend durch direkten Kontakt von Mensch zu Mensch.
Infektionen durch kontaminiertes Trinkwasser oder Lebensmittel besitzen vor allem in den
wärmeren Ländern Bedeutung, hier ist auch mit einer Übertragung in kontaminierten
Badegewässern zu rechnen. Fliegen besitzen als mechanische Vektoren nicht nur in tropischen
Ländern eine praktische Bedeutung.
Shigellen können schon bei einer minimalen peroral aufgenommenen Dosis (10–200 Keime!)
klinische Symptome auslösen.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit ist nur selten länger als 12–96 Stunden.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Eine Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Infektion und solange der Erreger mit
dem Stuhl ausgeschieden wird, dies kann 1–4 Wochen nach der akuten Krankheitsphase der
Fall sein. Eine Ausscheidung über einen längeren Zeitraum ist sehr selten; sie ist z. B. bei
mangelernährten Kindern beobachtet worden.
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Klinische Symptomatik
Nach oraler Aufnahme erfolgt eine Invasion in die Kolonmukosa. Die Erkrankung beginnt meist
als wässrige Diarrhö und kann in eine inflammatorische Kolitis übergehen. Die Krankheit variiert
zwischen leichten Verlaufsformen mit geringer wässriger Diarrhö und schweren Erkrankungen
mit Fieber, blutiger und eitriger Diarrhö. Das Auftreten blutig-schleimiger Stühle entspricht dem
klinischen Bild der ›Ruhr‹ (daher die Bezeichnungen ›Shigellenruhr‹, ›Bakterienruhr‹).
Abdominelle Krämpfe (Koliken und Tenesmen) sind typisch für eine Shigellose. Im weiteren
Verlauf kann es zu fokalen Ulzerationen, vorwiegend im distalen Kolon, im Extremfall bis hin zur
Kolondilatation und Kolonperforation kommen. Weitere mögliche Folgen sind eine
Dehydratation und Proteinverluste.
Die Infektion bleibt in der Regel auf das Kolon beschränkt. In seltenen Fällen (1–3%) kann es
zu Komplikationen kommen, die sich außerhalb des Darmes manifestieren: ein hämolytischurämisches Syndrom (HUS) wird verursacht durch ein Zytotoxin (Shiga-Toxin), das von
S. dysenteriae Serovar 1 gebildet und mit dem Shiga-Toxin 1 (Verotoxin 1) enterohämorrhagischer E. coli (EHEC) nahezu identisch ist. Weitere mögliche Komplikationen sind Infektarthritiden und das Reiter-Syndrom.
Diagnostik
Klinisch bzw. klinisch-epidemiologisch kann nur eine Verdachtsdiagnose gestellt werden. Die
Diagnose wird durch die bakteriologische Untersuchung gesichert. Als Untersuchungsmaterial
eigen sich frische Stuhlproben oder frisch entnommene Rektalabstriche in einem
Transportmedium.
Therapie
Neben der Cholera, dem Typhus und Paratyphus wird auch bei der Shigellose aufgrund der
hohen Infektiosität eine Antibiotikabehandlung generell empfohlen. Die Bakterienausscheidung
wird hierdurch reduziert und die Krankheitsdauer verkürzt.
Eine Therapie sollte nach Antibiogramm erfolgen. Prinzipiell geeignet sind Antibiotika aus der
Gruppe der Chinolone, Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Azithromycin, Tetracyclin, Doxycyclin
und Ampicillin. Letztere vor allem zur Langzeitbehandlung von Ausscheidern.
Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand kann auch eine symptomatische Therapie mit oralem
Flüssigkeitsersatz ausreichend sein. Bei Patienten mit chronischen Grundkrankheiten und bei
sehr jungen sowie alten Patienten müssen Flüssigkeits- und Elektrolytverluste parenteral
ausgeglichen werden.
Motilitätshemmer sollen zur Behandlung nicht eingesetzt werden.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Grundlage der Verhütung sind hygienisch einwandfreie Bedingungen (persönliche Hygiene,
Trinkwasser- und Lebensmittelhygiene, Hygiene in Gemeinschaftseinrichtungen, Verhütung des
Fliegenbefalls). Da die Übertragung in der Regel durch direkten Kontakt von Mensch zu
Mensch erfolgt, ist eine wirksame Händehygiene zur Vermeidung von fäkal-oralen
Schmierinfektionen die entscheidende präventive Maßnahme.
In Ländern mit schlechten hygienischen Verhältnissen gilt zur Vermeidung von Infektionen
durch kontaminiertes Wasser oder ungekochte Speisen (z.B. Salate) die Regel »Peel it, boil it,
cook it or forget it.« (»Dass Dich nicht der Durchfall quält, sollst Du trinken oder essen, was
erhitzt, gekocht, geschält, und das andere vergessen!«)
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung ist zur Vermeidung von Folgeinfektionen von großer
Bedeutung. Während der gesamten Erkrankungsdauer soll eine laufende Desinfektion aller
Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit infektiösen Ausscheidungen des
Kranken in Berührung gekommen sein können. Ausscheidungen, die nicht über ein reguläres
Abwassersystem entsorgt werden können, sind ebenfalls zu desinfizieren. Die laufende
Desinfektion findet auch bei Ausscheidern Anwendung. Leib- und Bettwäsche, Taschen- und
Handtücher sind im Kochwaschgang, mindestens jedoch bei 60°C zu waschen.
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Bei nicht hitzebeständiger Wäsche oder falls Maschinenwäsche nicht möglich ist, ist die
Wäsche 12 Stunden in geeignete Desinfektionslösungen einzulegen und anschließend wie
normale Haushaltswäsche zu waschen. Toilettensitz, Toilettendeckel sowie Bettgestell,
Waschbecken und Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen täglich zu desinfizieren.
Bei der Händehygiene wird das gründliche Händewaschen mit Wasser und Seife ergänzt
durch eine Händedesinfektion, bei der eine intensive Benetzung der Hände mit einem
alkoholischen Desinfektionsmittel erforderlich ist (Anwendungshinweise des Herstellers sind zu
beachten). – Im häuslichen Bereich sind Hände- und Toilettenhygiene ausreichend.
Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen ist nach klinischer Genesung von einer
Shigellose bzw. nachdem Shigellen ausgeschieden wurden bei Vorliegen von drei negativen
Befunden einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen)
möglich. Die erste Stuhlprobe sollte frühestens 24 Stunden nach Auftreten von geformtem Stuhl
bzw. 24 Stunden nach Ende einer Antibiotikatherapie erfolgen. Ein schriftliches ärztliches Attest
ist erforderlich. Bei längerer Erregerausscheidung sollte gemeinsam mit dem Gesundheitsamt
eine individuelle Lösung gefunden werden, um ggf. eine Zulassung zu ermöglichen
(§ 34 Abs. 2 Nr. 5 IfSG).
Personen, die auf der Grundlage des § 42 IfSG zeitweilig nicht tätig sein durften, weil sie an
Shigellose erkrankt waren oder Shigellen ausgeschieden hatten, können die Tätigkeit wieder
aufnehmen, wenn dem behandelnden Arzt drei negative Befunde einer bakteriologischen Stuhluntersuchung (Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen) vorliegen und Einvernehmen mit dem
Gesundheitsamt besteht.
Kontaktpersonen (insbesondere aus der häuslichen Gemeinschaft des Erkrankten) müssen für
die Dauer der Inkubationszeit eine besonders gründliche Händehygiene einhalten. Am Ende der
Inkubationszeit ist eine Stuhlprobe zu entnehmen und ein negativer Befund nachzuweisen. Von
dieser Regel kann abgewichen werden, solange keine verdächtigen Symptome auftreten und
die Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen sicher gewährleistet ist
(§ 34 Abs. 3 i.V. m. Abs. 7 IfSG).
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Wegen der relativ leichten Übertragbarkeit der Erreger kann sich die Shigellose bei engem
Personenkontakt und Mängeln der Hygiene vor allem in Gemeinschaftseinrichtungen aller Art
leicht ausbreiten. Bei Hinweisen auf einen Ausbruch ist ein schnelles Ermitteln der
Infektionsquelle/n und beteiligter Übertragungsfaktoren (z. B. Lebensmittel) erforderlich, um
gezielt Maßnahmen zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das
zuständige Gesundheitsamt sollte bei einem entsprechenden Verdacht zum frühestmöglichen
Zeitpunkt informiert werden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 17.12.2007
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Salmonellosen
Erkennung, Bekämpfung und Verhütung
1. Allgemeines
Die infektiöse Gastroenteritis (syn. infektiöse Darmerkrankung bzw. Durchfallerkrankung) des
Menschen stellt keine ätiologische Einheit dar. Das Krankheitsbild wird durch das Leitsymptom
Durchfall (Diarrhöe) geprägt, also durch das gehäufte Absetzen von Stühlen mit verminderter
Konsistenz unabhängig von einem speziellen Krankheitserreger. Als Ursache der Erkrankung
sind vor allem Salmonellen, Campylobacter, Yersinien, Shigellen, darmpathogene Escherichia
coli, weitere Erreger bakterieller lebensmittelbedingter Erkrankungen oder deren Toxine,
verschiedene Viren und darmpathogene Protozoen in Erwägung zu ziehen.
Eine besondere epidemiologische Bedeutung hat heute die Salmonella-Erkrankung des
Menschen (Salmonellose oder Salmonella-Enteritis). Nicht zu diesen Erkrankungen gehören
Typhus und Paratyphus, bei denen es sich um systemische Infektionen mit Darmbeteiligung
handelt. Sie werden, wie die Shigellenruhr, in gesonderten Merkblättern behandelt.
Dieses Merkblatt befasst sich ausschließlich mit der Salmonellose des Menschen.
2. Erreger, Übertragung und Epidemiologie
Salmonellen sind in der Regel bewegliche, gramnegative Stäbchen, die aufgrund der Struktur
ihrer Körper(O)- und Geißel(H)-Antigene nach dem Kauffmann-White-Schema geordnet und
anhand einer Seroformel als Serovare deklariert werden. Von den bisher bekannten über 2.400
Salmonella (S.)-Serovaren haben praktisch nur 20 bis 30 als Erreger von lebensmittelbedingten
Erkrankungen eine epidemiologische Bedeutung. Andere Serovare können darüber hinaus aber
jederzeit regional oder temporär besonders in Erscheinung treten. Langzeitanalysen zeigen,
dass weltweit S. Typhimurium und seit Mitte der 80er Jahre S. Enteritidis epidemiologisch im
Vordergrund stehen. Salmonellen wachsen im Temperaturbereich von 10–47°C, in einigen
Fällen bereits ab 6–8°C. In der Umwelt und in oder auf verschiedenen Lebensmitteln sind sie
bis zu mehreren Monaten überlebensfähig. Durch Einfrieren werden sie nicht abgetötet.
Abhängig von der Disposition des Erkrankten und den Erregereigenschaften führt die Infektion
meistens zu wässrigen, oft auch Cholera-ähnlichen Durchfällen (selten blutig). Bei etwa 5 % der
Infizierten verläuft die Erkrankung zusätzlich systemisch (tiefgreifende Erkrankungsbilder).
Salmonellosen des Menschen sind zumeist lebensmittelbedingte Erkrankungen und treten
weltweit als sporadische Fälle, Familienerkrankungen oder als Epidemien auf. Gehäufte
Einzelerkrankungen in einer bestimmten Region können auf eine noch nicht erkannte
Gruppenerkrankung hinweisen, die auf eine gemeinsame Infektionsquelle zurückzuführen sein
könnte.
Primäre Infektionsquellen sind besonders von Geflügel, Rindern und Schweinen stammende
Lebensmittel, wobei die Tiere in den seltensten Fällen klinisch erkrankt sind. An der Spitze der
Infektionen verursachenden Lebensmittel stehen Geflügel – Huhn, Ente, Gans und Pute – und
vor allem rohe Eier und Speisen, die Rohei enthalten, z.B. Eischäume, Cremes,
Konditoreiwaren, Mayonnaise und Speiseeis. Letztere sind besonders durch eine
hygienewidrige Behandlung – etwa durch ungekühlte und zu lange Aufbewahrung oder
Lagerung oder entsprechende Bedingungen beim Transport – gefährdet, da hierdurch hohe
Keimzahlen erreicht werden. Salmonellen können auf der Eischale oder im Eiinhalt vorhanden
sein. Die Kontamination der Eischale kann äußerlich über Salmonella-haltige Faezes oder
bereits im Eileiter während der Eischalenbildung erfolgen. Der Eiinhalt wird neuesten
Erkenntnissen zufolge vor allem durch S. Enteritidis transovariell oder zumindest intravital in
0,01–0,1 % der Fälle infiziert. Eine Kontamination des Eiinhalts kann infolge der Passage von
Salmonella-Serovaren durch die Eischale erfolgen, wenn höhere Raumtemperaturen und hohe
Feuchtigkeit auf der Eischale sowie eventuell Schalendefekte vorhanden sind. Eine weitere
wichtige Infektionsquelle sind rohes Fleisch bzw. nicht oder nicht ausreichend erhitzte
Fleischprodukte (etwa Schlachtgeflügel, Hackfleisch, Rohwurstsorten, besonders frische
Mettwurst, Fleischsalate). Inzwischen wurden Salmonellen in verschiedenen Ausbrüchen aber
auch mit dem Verzehr von Sprossen, Tomaten oder geräuchertem Aal in Zusammenhang
gebracht.
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Die Infektion erfolgt in der Regel durch den Verzehr infizierter oder kontaminierter Lebensmittel.
4
6
Die Infektionsdosis für den erwachsenen Menschen liegt bei 10 bis 10 Keimen. Wenn sich
Salmonellen in stark fetthaltigen Lebensmitteln wie Käse, Hamburger, Schokolade, Salami oder
auch Gewürzen befinden, oder bei besonderer Disposition, z.B. Abwehrschwäche (Säuglinge,
Kleinkinder, alte Menschen), sind jedoch Erkrankungen bereits bei Infektionsdosen unter 100
Keimen beobachtet worden.
Für die Verbreitung der Erkrankung ist die Kontamination von Lebensmitteln von besonderer
Bedeutung. Durch Berührung solcher Lebensmittel können die Erreger übertragen werden und
andere Lebensmittel, Gegenstände oder evtl. Personen kontaminieren (Kreuzkontamination).
Die Problematik der Salmonellose wird durch weitere Glieder in der Infektionskette wie Vögel,
Vorratsschädlinge, Nager, Insekten, Heimtiere, aber auch Abwässer verschärft.
Durch direkten Kontakt mit salmonellenausscheidenden Tieren erfolgt sehr selten eine
Übertragung auf den Menschen. Dieser Übertragungsweg ist nur bei Heimtieren
wahrscheinlicher. Eine direkte oder indirekte Übertragung von Mensch zu Mensch – vor allem
von verschiedenen mehrfachresistenten Salmonella-Serovaren – kann als Hospitalinfektion bei
besonders disponierten Personen oder unter hygienisch ungünstigen Bedingungen erfolgen.
Dies verursacht dann häufig typhöse Verlaufsformen. Bei dieser Infektion ist eine sehr hohe
Kontagiosität zu verzeichnen.
3. Krankheitsbild
Die Inkubationszeit beträgt 6–72 Stunden (meist 12–36 Stunden) und ist abhängig von der
Infektionsdosis. Die Salmonellose beginnt meist plötzlich mit zahlreichen wässrigen Stühlen,
Leibschmerzen, (im Verlauf der Erkrankung zunehmend mit Blutbeimengungen), teilweise mit
Fieber, Übelkeit, Erbrechen und Kopfschmerzen. Die Symptome dauern in der Regel nur
wenige Stunden oder Tage. Bei schweren klinischen Fällen treten Schüttelfrost, höheres Fieber,
Kollaps und weitere systemische Krankheitsbilder mit typhoidem Verlauf auf. Oft kommt ein
leichter oder symptomloser Verlauf vor, der u.a. auch von der aufgenommenen Keimzahl
abhängig ist. Die Keimausscheidung von Enteritis-Salmonellen dauert im Mittel 3–6 Wochen,
bei Säuglingen aber auch über Monate. Dauerausscheidung über 6 Monate ist relativ selten.
Diese gelegentlich bei Kindern vorkommenden Langzeitausscheider bedürfen keiner weiteren
Behandlung (s.a. Zulassung zu Kindereinrichtungen). Mitunter können bei vorgeschädigten
Patienten, aber auch sonst gesunden Personen, extraintestinale Infektionen wie Perikarditis,
neurologische Erkrankungen, reaktive Arthritis, Spondylitis, Osteomyelitis u.a. festgestellt
werden.
Differenzialdiagnostisch sind akute Gastroenteritiden anderer Ätiologie abzuklären. Häufig
kommt es zur Verwechslung mit dem "akuten" Bauch. Die Letalität liegt bei < 0,1%, und es
sterben vornehmlich ältere sowie abwehrgeschwächte Personen.
4. Diagnose
Beim Auftreten des Leitsymptoms Durchfall ist eine bakteriologische Abklärung der Ursache
erforderlich. Der Erregernachweis erfolgt aus Stuhl, Rektalabstrichen, Erbrochenem, aber auch
aus verdächtigen Lebensmitteln und Speisen. Bei typhösem Verlauf sind Blutkulturen
angezeigt.
5. Behandlung
Bei gastroenteritischem Verlauf soll keine antibakterielle Chemotherapie erfolgen, da dadurch
die Bakterienausscheidung verlängert werden kann. Normalerweise gilt es, nur den
Flüssigkeits- und Elektrolytverlust auszugleichen. Bei typhösem Verlauf oder Erkrankungen im
ersten Lebensjahr ist auch wegen der Gefahr einer Absiedlung in andere Organe eine
Chemotherapie indiziert. Dies gilt ebenfalls für durch schwere Grundkrankheiten wie Leukämie,
AIDS, nach Organtransplantationen oder durch höheres Alter abwehrgeschwächte Personen.
Bisher wurden Co-Trimoxazol (Erwachsene zweimal täglich zwei Tabletten) oder Ampicillin
(Erwachsene täglich 3–4 g, Kinder 100 mg/kg) für die Therapie eingesetzt. Bei Erwachsenen
können auch Fluorochinolone wie Ofloxacin (zweimal täglich 0,4 g) oder Ciprofloxacin (zweimal
täglich 0,5 g) angewendet werden. Letztere Präparate können auch zur Behandlung von
Ausscheidern eingesetzt werden, die nach klinischer Genesung oder auch ohne
vorangegangene klinische Erkrankung Salmonellen länger als sechs Monate ausscheiden.
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Im Zusammenhang mit einer Chemotherapie ist immer eine Resistenzbestimmung des Erregers
erforderlich.
6. Meldepflicht
Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der Verdacht auf oder die Erkrankung
an akuter infektiöser Gastroenteritis meldepflichtig, wenn eine Person betroffen ist, die im
Lebensmittelbereich tätig ist oder zwei oder mehr gleichartige Erkrankungen auftreten, bei
denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird. Nach § 7 ist
jeglicher Nachweis von Salmonellen unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 24 Stunden
durch das untersuchende Labor dem für den Einsender zuständigen Gesundheitsamt zu
melden.
7. Verhütung und Bekämpfung
a) Verhütung der Übertragung in Schulen und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen
inkl. Säuglingsheimen und Kindergärten
Nach § 34 Abs. 1 IfSG gilt für Lehrer, Schüler, Schulbedienstete und Beschäftigte in anderen
Kindergemeinschaftseinrichtungen, die an Salmonellose erkrankt oder dessen verdächtig sind,
keine Einschränkung mehr, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung zu benutzen und an
deren Veranstaltungen teilzunehmen. Kinder unter 6 Jahren, die an infektiöser Gastroenteritis
erkrankt oder dessen verdächtig sind, dürfen Gemeinschaftseinrichtungen nicht besuchen und
an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen, bis nach ärztlichem Urteil
eine Weiterverbreitung der Erkrankung nicht mehr zu befürchten ist. Ansonsten ist eine
Zulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen nach Abklingen des Durchfalls (geformter Stuhl)
möglich. Die Vorlage eines schriftlichen ärztlichen Attests ist nicht erforderlich.
b) Verhütung der Übertragung in Lebensmittelbetrieben
Nach § 42 IfSG dürfen Personen, die an Salmonellose erkrankt, dessen verdächtig sind oder
Salmonellen ausscheiden, beim gewerbsmäßigen Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen
der in Absatz 2 dieser Vorschrift aufgelisteten Lebensmittel nicht tätig sein oder beschäftigt
werden, wenn sie dabei mit den Lebensmitteln in Berührung kommen. Dies gilt sinngemäß auch
für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten, Kantinen, Krankenhäusern, Säuglings- und
Kinderheimen,
Kinderkrippen,
Kindergärten
sowie
in
weiteren
Bereichen
der
Gemeinschaftsverpflegung.
§ 43 Abs. 1 IfSG regelt für die genannten Beschäftigten nach schriftlicher und mündlicher
Belehrung die Ausstellung einer Bescheinigung darüber durch das Gesundheitsamt sowie die
Bedingungen für die Fortführung oder Wiederaufnahme der Tätigkeit.
c) Verhütung der Übertragung bei anderen beruflichen Tätigkeiten
An Salmonellose Erkrankten, Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und
Ausscheidern kann die Ausübung bestimmter beruflicher Tätigkeiten ganz oder teilweise
untersagt werden (§ 31 IfSG).
8. Hygienemaßnahmen
a) in Schulen und ähnlichen Gemeinschaftseinrichtungen inkl. Säuglingsheimen und
Kindergärten
Die wichtigste Maßnahme zur Prophylaxe der Übertragung ist das Waschen der Hände vor
allem nach jedem Besuch der Toilette, nach Kontakt mit vermutlich kontaminierten
Gegenständen (z.B. Windeln), Nahrungsmitteln (z.B. Geflügel) und vor der Zubereitung von
Mahlzeiten. Händewaschen führt zwar nicht zur Erregerelimination, wohl aber zur drastischen
Reduzierung der Keimzahl an den Händen. In Säuglingsheimen ist besonders die Einhaltung
der Hygienemaßnahmen durch das Personal zu beachten.
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b) in Lebensmittelbetrieben
In Lebensmittelbetrieben zusätzlich zum Händewaschen weitergehende Maßnahmen
angezeigt: Zur Händedesinfektion sind alkoholische Desinfektionsmittel geeignet. Das
Desinfektionsmittel wird dazu nach Angaben des Herstellers in die Hände eingerieben,
Nagelfalze und Fingerkuppen sind besonders sorgfältig zu behandeln. Wasser und Seife dürfen
erst nach Ablauf der angegebenen Einwirkzeit verwendet werden.
c) in Krankenhäusern u.a. Gesundheitseinrichtungen
Die direkte Übertragung soll auch hier durch Händewaschen und Händedesinfektion verhindert
werden. Zusätzlich sollte während der gesamten Erkrankungsdauer eine laufende
Desinfektion aller Gegenstände und Flächen durchgeführt werden, die mit potentiell infektiösen
Ausscheidungen des Kranken in Berührung gekommen sind oder sein können. Toilettensitz und
Toilettendeckel sowie Bettgestell, Waschbecken, Badewanne sind in Gesundheitseinrichtungen
ggf. mit einem Desinfektionsmittel zu behandeln. Dabei ist die Einwirkzeit zu beachten.
9. Prophylaxe
Neben der Schaffung und Erhaltung der Voraussetzung für die Produktion von Salmonellafreien Lebensmitteln und der strikten Einhaltung der Hygienevorschriften bei der Gewinnung,
Be- und Verarbeitung, Lagerung, Transport und Verkauf von Lebensmitteln, insbesondere
tierischen Ursprungs, können folgende individuelle Maßnahmen vorbeugend wirken:
Alle Speisen und Lebensmittel, die viel Eiweiß und Wasser enthalten, müssen entweder
heiß oder unterhalb 10 °C, also im Kühlschrank aufbewahrt werden. Rohe Fleisch- und
Wurstwaren, Schlachtgeflügel, Seetiere, Eier, Cremes, Salate und Mayonnaisen mit
Rohei sowie Speiseeis sind stets nach dem Einkauf in den Kühlschrank zu bringen und
dort aufzubewahren.
Speisen dürfen nicht längerfristig warm, d.h. unter 60 °C gehalten werden. Eine sichere
Abtötung der Salmonellen wird bei Temperaturen über 70 °C für mindestens zehn
Minuten Garzeit erreicht.
Bei vorgekochten Speisen muss die Abkühlzeit zwischen 60 ºC und 10 ºC kurz gehalten
werden. Warme Speisen sollen innerhalb von zwei Stunden nach der letzten Erhitzung
verzehrt werden.
Beim Auftauen von gefrorenem Geflügel und Wild enthält das Auftauwasser oft
Salmonellen. Auftauwasser separat auffangen und sofort in den Ausguss schütten (heiß
nachspülen). Alle Gegenstände, die damit in Berührung gekommen sind, und die
Hände sofort danach gründlich mit möglichst heißem Wasser reinigen.
Beim Kochen mit der Mikrowelle keine zu kurzen Garzeiten wählen, damit die Speisen
auch im Innern ausreichend erhitzt werden. Beim Aufwärmen von Speisen müssen 70
°C überschritten werden.
Instantprodukte sind immer nur kurz vor dem Verzehr zuzubereiten.
Strenge Beachtung der persönlichen Hygiene.
Verwendung und häufiger Wechsel von kochbaren Küchentüchern.
Modifiziert nach RKI, Stand: 05.07.2007
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Scharlach
Erreger
Zur Gattung Streptococcus gehört eine Reihe von Spezies grampositiver Kokken, die sich in
Ketten oder Paaren lagern. Streptokokken sind typische Schleimhautparasiten. Ein wichtiges
Kriterium der Einteilung ist das Hämolyseverhalten auf hammelbluthaltigen Nährböden. Diese
wichtige Gruppe der Beta-hämolysierenden Streptokokken (sie bewirken eine vollständige
Hämolyse, d. h. durchscheinende Höfe um die Kolonien) wird aufgrund unterschiedlicher
Antigene des C-Polysaccharids in verschiedene Serogruppen (A-T) eingeteilt (Schema nach
Rebecca Lancefield).
Streptokokken der Serogruppe A (A-Streptokokken, Streptococcus - S. - pyogenes) werden
durch die Reaktion spezifischer Antiseren mit Antigenen der Zellwand und weitere Merkmale
identifiziert. Das Hauptoberflächenprotein von S. pyogenes ist das M-Protein, das in mehr als
80 durch unterschiedliche Antigenausprägungen unterscheidbaren Typen vorkommt und die
Basis für die Serotypisierung der verschiedenen Stämme durch spezifische Antisera darstellt.
Das Vorhandensein des M-Proteins korreliert mit der Fähigkeit eines Stammes, sich der
Phagozytose in frischem menschlichen Blut zu widersetzen. Die Typisierung erfolgt heute meist
aufgrund der Sequenzierung der Gene der M-Proteine (emm-Gene); dabei lassen sich mehr als
150 verschiedene emm-Typen unterscheiden, die wahrscheinlich einer ebenso großen Zahl
von M-Proteinen entsprechen.
Bestimmte Typen sind mit Erkrankungen des Rachens, andere eher mit Haut- bzw. Wund- oder
septischen Infektionen korreliert; ähnliches gilt für die nicht eitrigen Spätfolgen >akutes
rheumatisches Fieber< (ARF) und >akute Glomerulonephritis< (AGN). S. pyogenes exprimiert
in unterschiedlichem Ausmaß eine aus Hyaluronsäure bestehende Polysaccharidkapsel.
Bestimmte Stämme bilden durch die Produktion großer Mengen Hyaluronsäure eine dicke
Kapsel, was der bakteriellen Kolonie ein charakteristisches Aussehen verleiht. Dieses
Kapselpolysaccharid spielt ebenfalls eine Rolle in der Protektion der Organismen vor Aufnahme
und Killing durch Phagozyten. Im Gegensatz zum M-Protein ist die Hyaluronsäurekapsel nicht
immunogen.
S. pyogenes erzeugt eine große Anzahl von extrazellulären Produkten, von denen man
annimmt, dass sie eine Bedeutung für die lokale und systemische Toxizität besitzen und die
Ausbreitung der Infektion im Gewebe erleichtern: Dazu gehören Streptolysin S und O, Toxine,
welche die Zellmembran schädigen und eine Hämolyse bewirken, weiterhin Streptokinase,
Hyaluronidase, DNasen, Proteasen und die pyrogenen Exotoxine A, C und weitere sog.
Superantigene. Diese pyrogenen Exotoxine verursachen das makulöse Exanthem beim
Scharlach.
Vorkommen
Racheninfektionen durch S. pyogenes sind weltweit verbreitet. Sie gehören zu den
häufigsten bakteriellen Erkrankungen im Kindesalter und weisen einen Gipfel in der
Altersgruppe der 4- bis 7-Jährigen auf. Ausbrüche sind allerdings auch in allen anderen
Altersgruppen möglich. Die Zahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird
auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt (Basis: Daten aus Skandinavien, Daten zur
Verschreibung oraler Penicilline unter der Indikation >Pharyngitis<). StreptokokkenPyodermien kommen bevorzugt in tropischen und subtropischen Klimaregionen vor und treten
vor allem im Kleinkindesalter auf. Die Prävalenz dieser Erkrankungen ist sehr stark vom
ökonomischen Status und der persönlichen Hygiene abhängig.
Für die Bundesländer Deutschlands, in denen Scharlach meldepflichtig ist (Brandenburg,
Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) betrug im Jahre 1999 die vorläufige Zahl der gemeldeten
Scharlacherkrankungen 7.572 (1998: 8.699), d. h. rund 62 Erkrankungen pro 100.000
Einwohner, bei wahrscheinlich hoher Dunkelziffer.
Reservoir
Das Reservoir für S. pyogenes ist der Mensch. Insbesondere in den Wintermonaten ist eine
asymptomatische Besiedlung des Rachens bei bis zu 20 % der Bevölkerung nachweisbar.
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Hygiene im Rettungsdienst
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Infektionsweg
Die Streptokokken-Pharyngitis wird hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion übertragen, selten
durch kontaminierte Lebensmittel und Wasser. Eitrige Hautinfektionen durch S. pyogenes
entstehen durch Kontakt- bzw. Schmierinfektion. Enges Zusammenleben (z.B. in Schulen,
Kasernen, Heimen) begünstigt in jedem Lebensalter die Ausbreitung des Erregers.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt 2-4 Tage.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Patienten mit einer akuten Streptokokken-Infektion, die nicht spezifisch behandelt wurde,
können bis zu 3 Wochen kontagiös sein. Nach Beginn einer wirksamen antibiotischen Therapie
erlischt die Ansteckungsfähigkeit nach 24 Stunden.
Klinische Symptomatik
S. pyogenes kann eine Vielzahl von Krankheitsbildern verursachen, wichtige Gruppen sind
lokale eitrige Infektionen des Rachens oder der Haut,
generalisierte und toxinvermittelte Krankheitsbilder,
Spätfolgen der Infektion.
Lokalisierte Erkrankungen des Rachens (Tonsillopharyngitis) äußern sich mit Halsschmerzen,
Fieber, Schüttelfrost, Unwohlsein und besonders bei Kindern mit Bauchbeschwerden und
Erbrechen. Die Symptome können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein und reichen von
leichten Halsschmerzen mit minimal auffälligem Untersuchungsbefund bis zu hohem Fieber,
starken Halsschmerzen mit ausgeprägtem Erythem und Schwellung der Pharynxschleimhaut
sowie eitrigem Exsudat. Die Erkrankung kann begleitet sein von einer Sinusitis, Otitis media
oder Pneumonie. Die wichtigste lokale Komplikation ist der Peritonsillarabszess.
Haut- und Weichteilinfektionen durch S. pyogenes können die Haut, das Unterhautgewebe,
Muskeln und Faszien betreffen. Impetigo contagiosa (ansteckende Borkenflechte, Pyodermie)
ist eine oberflächliche Hautinfektion, die häufig im Gesicht (insbesondere um Mund und Nase)
und an den Beinen auftritt. Es bilden sich pustulöse Effloreszenzen, die aufbrechen und zu
Verkrustungen führen. Fieber tritt bei der Impetigo nicht auf und der Patient macht keinen
kranken Eindruck. Bei Fieber sollte an eine Beteiligung tieferer Gewebsschichten gedacht
werden.
Weitere wesentliche Streptokokken-Infektionen der Haut und Weichteile sind das Erysipel,
phlegmonöse Entzündungen des Subkutangewebes sowie nekrotisierende Fasziitiden (Fasciitis
necroticans, flesh eating disease), welche die oberflächlichen und/oder tiefer gelegenen
Muskelfaszien sowie die Muskeln (Myositis) befallen können.
Generalisierte Infektionen können bei jeder lokalisierten Erkrankung entstehen. Das
Einschwemmen des Erregers in die Blutbahn kann zur S.-pyogenes-Sepsis führen. Eine
spezielle Form - die Puerperalsepsis - besitzt in den weniger entwickelten Ländern heute noch
eine erhebliche Bedeutung. Zu den toxinvermittelten Erkrankungen zählen Scharlach und
das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrome (STSS). Der Scharlach ist eine StreptokokkenInfektion, meist eine Angina, die von einem charakteristischen Exanthem begleitet wird. Das
Exanthem entsteht durch die Einwirkung eines der pyrogenen Streptokokken-Exotoxine
(Superantigene).
Das Scharlachexanthem, bestehend aus kleinfleckigen Papeln, beginnt am ersten oder zweiten
Krankheitstag am Oberkörper und breitet sich zentrifugal unter Aussparung der
Handinnenflächen und Fußsohlen aus. Zu den zusätzlichen Symptomen gehören die periorale
Blässe und die Himbeerzunge (vergrößerte Papillen auf einer belegten Zunge, die sich später
schält). Das Exanthem verschwindet nach 6-9 Tagen. Einige Tage danach kommt es zur
Abschuppung der Haut, insbesondere der Handinnenflächen und Fußsohlen. Eine Immunität
wird immer nur gegen das bei der abgelaufenen Infektion vorherrschende Toxin erzeugt; das
bedeutet, dass mehrfache Erkrankungen an Scharlach möglich sind.
Das Streptokokken-Toxic-Shock-Syndrome wird nach heutiger Kenntnis ebenfalls wesentlich
durch die erythrogenen Toxine (Superantigene) verursacht. Durch Schock und
Multiorganversagen wird eine Letalitätsrate von rund 30 % erreicht. Wegen des raschen und
potenziell tödlichen Verlaufes ist es bei einem sich entwickelnden STSS besonders wichtig,
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frühzeitig die Diagnose zu stellen, um eine effektive intensivmedizinische Behandlung
durchführen zu können.
Spätfolgen von Streptokokken-Infektionen können das akute rheumatische Fieber (ARF) und
die akute Glomerulonephritis (AGN) sein. Das ARF tritt nur nach Racheninfektionen mit einer
durchschnittlichen Latenz von 18 Tagen auf. Die Latenzzeit für die AGN beträgt nach
Racheninfektionen ca. 10 Tage, nach Hautinfektionen ca. 3 Wochen.
Diagnostik
Der mikroskopische Nachweis grampositiver Kettenkokken im Untersuchungsmaterial ist bei
typischer Klinik zwar richtungweisend, aber wenig spezifisch, da morphologisch kein
Unterschied zu anderen Streptokokken besteht. Methode der Wahl ist der kulturelle Nachweis
von S. pyogenes (Bestimmung der Serogruppe). Typischerweise wird er aus Tonsillen- oder
Wundabstrichen, Punktaten oder Blutkulturen geführt.
Therapie
Bisher sind in Deutschland keine Resistenzen gegen Penicillin bekannt. Therapie der Wahl bei
Rachen- und Hautinfektionen mit S. pyogenes ist daher die 10-tägige Gabe von Penicillin (oral
oder parenteral). Ein kürzeres Regime erhöht die Rückfallquote. Bei Penicillin-Allergie ist die
Gabe von Erythromycin indiziert, allerdings sind Resistenzen bekannt. Alternative
Therapiekonzepte mit einer 5- bis 10-tägigen Gabe verschiedener Oral-Cephalosporine oder
Makrolide zeigen ähnlich gute Ergebnisse. Co-trimoxazol und Chinolone wirken nicht
zuverlässig.
Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, STSS, Fasciitis necroticans) wird eine Gabe
von Clindamycin zusätzlich zur parenteralen Penicillin-Therapie empfohlen. Patienten mit
rheumatischem Fieber sollten eine Rezidivprophylaxe mit Penicillin erhalten. Bezüglich der
Dauer der Prophylaxe gibt es keine einheitliche Auffassung. Sie sollte mindestens über 5 Jahre
gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang.
Präventiv- und Bekämpfungsmassnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Wegen der weiten Verbreitung von S. pyogenes sind die Möglichkeiten der Prävention
begrenzt. Eine Schutzimpfung existiert nicht. Die Prävention der Streptokokken-Pyodermien
erstreckt sich im Wesentlichen auf die Einhaltung wirksamer Hygienemaßnahmen und auf die
generelle Verbesserung des Lebensstandards der Bevölkerung in tropischen und subtropischen
Ländern.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine S.-pyogenes-Infektion sollte rasch erkannt und schnellstmöglich antibiotisch behandelt
werden. Das Auftreten von S.-pyogenes-Infektionen im Krankenhaus verpflichtet zu besonderen
Hygienemaßnahmen. Das frühzeitige Einleiten einer 10-tägigen antibiotischen Therapie
verkürzt zugleich die Zeit der Kontagiosität und reduziert die Wahrscheinlichkeit einer
Nachfolgeerkrankung nach einer Pharyngitis. - Symptomlose Keimträger werden nicht
behandelt.
Nach einer Erkrankung ist die Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung unter
antibiotischer Therapie und bei Fehlen von Krankheitszeichen ab dem 2. Tag möglich. Ein
schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich. Für Kontaktpersonen sind keine speziellen
Maßnahmen erforderlich, sie sollten jedoch über ihr Infektionsrisiko und die mögliche
Symptomatik aufgeklärt werden, um im Erkrankungsfall den rechtzeitigen Arztbesuch und eine
Therapie zu gewährleisten.
Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (§ 45 BSeuchG) dürfen Personen, die an Scharlach
oder sonstigen Streptococcus-pyogenes-Infektionen erkrankt oder dessen verdächtigt sind, in
Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen
Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem
Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist.
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Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen Betreuten mit StreptokokkenInfektionen die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten,
Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen und an Veranstaltungen der
Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
Nach § 42 des Infektionsschutzgesetzes (§ 17 BSeuchG) dürfen Personen, die "an infizierten
Wunden oder an Hautkrankheiten erkrankt sind, bei denen die Möglichkeit besteht, dass deren
Krankheitserreger über Lebensmittel übertragen werden können" - hier vor allem anzuwenden
auf Impetigo contagiosa - nicht tätig sein oder beschäftigt werden,
beim Herstellen, Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter (in § 42 Abs. 2 IfSG
genannter) Lebensmittel, wenn sie mit diesen in Berührung kommen, oder
in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur
Gemeinschaftsverpflegung.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen ist die Diagnose schnellstmöglich zu sichern und bei allen Erkrankten - auch
denen mit einem symptomarmen Verlauf - eine antibiotische Therapie einzuleiten, um eine
weitere Ausbreitung zu verhindern. Das über Ausbrüche informierte zuständige
Gesundheitsamt - Ausbrüche in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 34 (6) IfSG, in
Gesundheitseinrichtungen nach § 6 (3) - kann dann beratend tätig werden und ggf. zur
Verhütung der Weiterverbreitung notwendige Schutzmaßnahmen anordnen.
Meldepflicht
Nach dem Bundes-Seuchengesetz waren bisher die Puerperalsepsis und der Tod an Scharlach
meldepflichtig. In einigen Bundesländern Deutschlands ist gegenwärtig auch die Erkrankung an
Scharlach meldepflichtig. Nach Inkrafttreten des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) besteht die
Meldepflicht gemäß BSeuchG nicht mehr.
Für die Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen (definiert im § 33 des IfSG) besteht gemäß §
34 (6) IfSG die Pflicht, das zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das zur Kenntnis
gelangte Auftreten bestimmter Infektionen und Erkrankungen, bei denen die Gefahr der
Weiterverbreitung besteht, zu benachrichtigen und dazu krankheits- und personenbezogene
Angaben zu machen. Dies betrifft nach § 34 (1) auch Impetigo contagiosa sowie Scharlach oder
sonstige Streptococcus-pyogenes-Infektionen.
Die nach § 6 IfSG (1) 5 b bestehende allgemeine Meldepflicht im Falle des Auftretens »von
zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang
wahrscheinlich ist oder vermutet wird«, dürfte dagegen auf Streptococcus-pyogenes-Infektionen
und Scharlach in der Regel nicht zutreffen, weil bei diesen Krankheiten eine gleichzeitig
geforderte »schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit« nicht gegeben ist. Allerdings sind
gehäuft auftretende nosokomiale Streptokokken-Infektionen nach § 6 (3) IfSG unverzüglich
als Ausbruch an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.10.2008
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Schweres akutes respiratorisches Syndrom (SARS)
Empfehlungen zum Transport von SARS-Verdachtsfällen
Seit Februar sind in einigen Regionen Asiens, insbesondere Hongkong und der Provinz
Guandong (China), Singapur und Hanoi, Vietnam, Häufungen schwerer akuter respiratorischer
Erkrankungen
bekannt
geworden.
Diese
Erkrankungen
werden
von
der
Weltgesundheitsorganisation Severe Acute Respiratory Syndrome, kurz SARS genannt. Bis
zum 24.3.2003 wurden über 450 Fälle, darunter 17 Todesfälle, aus 13 Ländern auf drei
Kontinenten bekannt. Bisher erkrankten fast ausschließlich enge Kontaktpersonen Erkrankter,
d. h. Familienmitglieder, Freunde und ungeschütztes medizinisches Personal.
Nach bisherigen Informationen wird die Erkrankung direkt von Mensch-zu-Mensch,
wahrscheinlich durch Tröpfcheninfektionen übertragen. Mehrere Länder berichten, dass nach
Einführung konsequenter Hygienemaßnahmen keine weiteren Infektionen unter medizinischem
Personal aufgetreten sind. Da die Ursache des SARS nicht bekannt ist, ist die derzeitige
Definition eines SARS-Verdachtsfalls nicht präzise (sehr unspezifisch). Es muss davon
ausgegangen werden, dass sich viele Verdachtsfälle im weiteren Verlauf nicht bestätigen,
sondern an anderen fieberhaften Infekten, z. B. einer Influenza, erkrankt sind.
Im Juni 2003 wurden unter Länder und Regionen, in denen in den letzten 20 Tagen
wahrscheinliche SARS Fälle mit lokaler Weiterverbreitung in der Bevölkerung (gemäß
Falldefinition) aufgetreten sind, nur noch Kanada und China aufgezählt.
Ein Verdachtsfall von SARS ist gegeben wenn:
Erkrankungsbeginn nach dem 1. November 2002
UND
Fieber > 38 °C
UND
mindestens eines der respiratorischen Symptome Husten oder Atemnot
UND
mindestens eine der folgenden Expositionen innerhalb von 10 Tagen vor Beginn der Symptome
vorliegt:
•
•
Enger Kontakt mit einem Verdachts- oder wahrscheinlichen Fall für SARS
Aufenthalt in einer Region, aus der in den letzten Wochen lokale Übertragungen
von SARS berichtet wurden (siehe Dokumentation des RKI „Betroffene Länder und
Regionen im sinne der Falldefinition“ in seiner jeweils aktuellen Version)
Ein wahrscheinlicher Fall von SARS ist gegeben, wenn:
Kriterien für einen SARS-Verdachtsfall erfüllt sind
UND
mindestens eine der folgenden Bedingungen vorliegt:
• Röntgenbefund weist auf eine Pneumonie oder auf Bestehen eines akuten
Atemnotsyndroms (ARDS) hin
• Ungeklärte Atemwegserkrankung mit Todesfolge sowie Autopsiebefund mit Hinweisen
auf Akutes Atemnotsyndrom (ARDS) ohne feststellbare Ursache
• Positiver Coronavirus-Nachweis
Ausschlusskriterium
• Vorliegen einer laborchemisch gesicherten anderen Diagnose, die das Krankheitsbild
vollständig erklären kann.
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Hinweise zur Anwendung der Falldefinition
1. Bei SARS handelt es sich derzeit um eine Ausschlussdiagnose
2. Die Ummeldung von einem Verdachtsfall zu einem wahrscheinlichen Fall
aufgrund eines positiven Coronarvirus-Nachweises sollte nur erfolgen, wenn
das betreffende Labor die nötigen Qualitätskontrollen durchführt und die unten
stehenden Hinweise zur Labordiagnostik befolgt wurden.
3. Im Rahmen der Einstufung gemäß Falldefinition sollte keine Unterscheidung
zwischen wahrscheinlichen Fällen mit oder ohne positiven CoronavirusNachweis gemacht werden.
4. Ein Verdacht, der die klinischen Kriterien erfüllt, sollte nicht aufgrund eines
negativen Laborbefundes ausgeschlossen werden.
5. SARS kann zusätzlich auch begleitet sein von Kopfschmerzen,
Muskelsteifigkeit, Appetitverlust, Übelkeit, Verwirrtheit, Ausschlag oder
Durchfall. Diese hier genannten Symptome sind jedoch keine Kriterien der
Falldefinition.
6. Enger Kontakt ist definiert als:
• Pflegen (auch körperliche Untersuchung) eines Falles, oder
• Gemeinsame Wohnung mit einem Fall, oder
• Direkter Kontakt mit Atemwegssekreten oder Körperflüssigkeiten eines
Falles
Fazit:
SARS war die erste Pandemie des neuen Jahrtausends. Vielfach hat insbesondere der
unvorbereitete und auch nachlässige Umgang mit der Erkrankung in den betroffenen Kliniken
gerade auch unter dem Personal Todesopfer gefordert.
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Skabies (Krätzmilben)
1 Wesen der Erkrankung
Die Scabies ist eine ausschließlich durch die Krätzmilbe (Sarcoptes scabiei scabiei) verursachte
Hauterkrankung des Menschen, die i.d.R. mit einem starken Juckreiz einhergeht.
2 Pathogenese
Die Schädigung der Haut resultiert aus der Reizung und Gewebszerstörung durch diese
Grabmilben, hauptsächlich durch die Weibchen aufgrund deren Bohrtätigkeit im Stratum
corneum. Die Schadwirkung wird verstärkt durch die aus den Bohrgängen auf die Haut in kleine
Bohrtaschen auswandernden Larven. Diese und die sich entwickelnden Nymphen sowie die
dort lebenden Männchen und die jungen Weibchen üben ebenfalls Reizwirkung auf die Haut
aus. Die von den Taschen aus sich in das Stratum corneum einbohrenden, bereits begatteten
Weibchen setzen weitere Gewebeschäden. Die erste Phase des Befalls ist in zwei bis sechs
Wochen nach Befallsbeginn abgeschlossen. Ihr folgt eine zweite Befallsphase, die in vielen
Fällen durch allergische Abläufe bestimmt sein kann. Zunächst tritt eine Allergie vom Soforttyp
auf. Ihr kann eine vom Spättyp folgen. Ausgelöst wird die Allergie durch Allergene, die über die
Ausscheidungen oder über zerfallende Körper toter Milben ins Gewebe gelangen. Die
Hautreaktionen beschränken sich oftmals nicht nur auf das Gewebe und den Sitz bzw. die
Zerfallsstelle der Milben oder die Orte ihrer Ausscheidungen, sondern sie erstrecken sich
gelegentlich auch auf Stellen, die vor längerer Zeit mit Milben oder anderen parasitären
Gliedertieren befallen waren. Die Symptomatik kann durch Einschleppung von Erregern in die
Bohrgänge, durch Kratzeffekte sowie indirekt durch synchrone Erkrankungen z.B. der Leber
und des Blut- bzw. des Immunsystems (u.a. Tumorerkrankungen, Leukämie oder HIVInfektionen), Zn-, Mg oder Vitamin-A-Mangel, Cortison-Applikationen, Bestrahlungen oder
Operationen (z.B. eine Milzexstirpation) verstärkt werden. In Ausnahmefällen können die mit
Milben hineingetragenen Erreger ursächlich für eine Abzessbildung, eine Lymphangitis oder
eine akute Glomerulonephritis sein. Für den Ausbruch der mit erheblichen, ausgebreiteten
Hautveränderungen einhergehenden krustösen Krätze werden in einer Reihe von Fällen ein
beeinträchtigtes Immunsystem und/oder Mangelerkrankungen (s.o.) verantwortlich gemacht.
3 Milbenzyklus
Die Entwicklung der Milben (Abb. 1) erfolgt in und auf der Haut: Aus den im parallel zur
Hautoberfläche im Stratum corneum verlaufenden, blind endenden Hautbohrgang von
Weibchen abgesetzten Eiern schlüpfen sechsbeinige Larven. Sie durchbohren die Gänge und
wandern zur Hautoberfläche. Dort entwickeln sie sich zu den achtbeinigen Nymphen. Nach
kurzem Reifevorgang entstehen daraus die Männchen und etwas verzögert die Weibchen (mit
ebenfalls jeweils vier Beinpaaren). Männchen und Weibchen kopulieren in den Bohrtaschen,
bevor die Weibchen mit der Anlage der Bohrgänge beginnen. Pro Tag schaffen die Weibchen
0,5-5,0 mm Bohrgangslänge. Bei der mit starker Krustenbildung verlaufenden Scabies
norvegica (s.u.) sitzen die Milbenweibchen häufig auf deren parakeratotischem Grund in
Furchen. Dort findet im Falle einer solchen Erkrankungsform auch die Eiablage und der
Larvenschlupf statt. Die Gesamtentwicklungszeit dauert für Männchen 9-14, für Weibchen 12
bis 21 Tage. Pro Weibchen werden durchschnittlich 40-50 längsovale, weißliche, 0,16-0,19 x
0,08-0,10 mm große Eier erzeugt. Die Lebensdauer der Weibchen erreicht drei bis acht
Wochen.
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Abb.1: Schematische Übersicht über den Aufenthalt der Krätzmilbe (Sarcoptes s. scabiei) auf
und in der Haut während der unterschiedlichen Phasen ihrer Entwicklung
4 Morphologie der Milben
Einen Überblick über die diagnostisch wichtigsten morphologischen Merkmale der Krätzmilbe
geben die Abb. 2 a-g
Abb.
2a-g:
Morphologie
der
Krätzmilbe
in
verschiedenen
Stadien
a:
Embryoniertes Ei b:
Larve (ca. 0,15 bis
0,20 mm lang, rundlich
und mit sechs Beinen)
c: Capitulum (vorn
abgerundet)
d:
Vorderbein (kurz mit
untergliedertem,
langen
Stiel
und
Haftschale)
e:
Abdomenende
des
Männchens (ventral,
Größe: ca. 0,20-0,30 x
0,15-0,20
mm)
f:
Abdomenende
des
Weibchens (ventral) g:
Körperansicht
des
Weibchens (dorsal, weißgrau, rundoval, beschuppt und bedornt, Größe ca. 0,30-0,50 x 0,200,40 mm)
5 Epidemiologie
Die Milben leben von Zellflüssigkeit, Lymphe und Epidermiszellen. Sie werden insbesondere in
der Familie und in Gemeinschaftseinrichtungen (vornehmlich in Jugend- und Altenheimen sowie
Krankenhäusern) relativ
schnell verbreitet. Vor allem enge Hautkontakte wie
Geschlechtsverkehr, Stillen und Kuscheln aber auch asymptomatisch befallene Personen
tragen erheblich zur Milbenverbreitung bei. Einem hohen Befallsrisiko sind grundsätzlich
Betreuer infizierter Personen ausgesetzt, wenn sie engen körperlichen Kontakten zu den
Betreuten nicht ausweichen können. Hoch milbenhaltig sind z.B. die Krusten bei der Scabies
norvegica.
Beengte
und
hygienisch
mangelhafte
Wohnverhältnisse
sowie
Sekundärerkrankungen begünstigen die Ausbreitung des Befalls. Gelegentlich werden die
Milben auch über ausgetauschte, nicht oder unzulänglich gewaschene Kleidung, Bettwäsche
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Seite 164 von 205
und Matratzen, Bettvorleger, Decken, Plüschtiere, Kissen, Handtücher, Thermometer,
Blutdruckmanschetten und dem Körper eng anliegende textile Haltebänder übertragen.
Die Krätzmilbe ist kosmopolitisch verbreitet. Ihre Einschleppung über den Reiseverkehr ist
jahreszeitlich nicht beschränkt. In Europa nördlich der Alpen ist jedoch die Ausbreitungsgefahr
der Krätze im Herbst und im Winter größer als zu anderen Jahreszeiten.
Die Übertragung der Milben findet i.d.R. durch begattete Weibchen statt. Sie bohren sich binnen
30 Minuten in die Hornschicht der Haut ihres neuen Wirtes ein. Die extrakorporale
Überlebenszeit der Milben und die Bewahrung ihrer Einbohrfähigkeit hängen stark von der
Temperatur und Luftfeuchte ab. Bei Temperaturen bis 25°C und 90 % relativer Luftfeuchte oder
wechselnden Raumtemperaturen um 18°C können die Milben ein bis vier Tage befallsfähig
überleben, bei 12°C und feuchter Luft sogar bis 14 Tage. Die Grenze zur Immobilität liegt bei
16°C.
6 Krankheitsbild
Bei Erstbefall dauert es je nach der initialen Anzahl der Milben zwei bis sechs, im Durchschnitt
vier Wochen, bis die ersten Symptome auftreten. Sie bestehen in einem leichten Brennen bis zu
heftigem Juckreiz. Dieser ist in der Phase starker Milbenvermehrung und -bohrtätigkeit vor
allem nachts unter Bettwärme heftig. Ihm folgt eine stecknadelkopfgroße Vesikel-, dann eine oft
erythematöse Papel- und schließlich die Pustelbildung. Diese Erscheinungen können einzeln
oder in Gruppen vorliegen. Der zuweilen nachfolgende generalisierte Hautausschlag
(Sekundärexanthem) ist eine Folge der Sensibilisierung. Der Ausschlag tritt häufig um die
Brustwarze und am Handrücken auf. Er bleibt bei unzulänglicher antiparasitärer Therapie oder
fortwährender Reinfestation weiterbestehen oder wird sogar verstärkt. Eine solche Symptomatik
an den typischen Skabiesstellen und/oder an nicht-typischen Befallsstellen kann auch durch
einen fortlaufenden alleinigen oder erst zusätzlichen Kontakt zu Milben von Tieren (Tier- und
Trugkrätze (= Pseudoskabies)) bzw. freilebenden Milben ausgelöst bzw. weiter unterhalten
werden. Nur wenige Milben reichen zur Erzeugung einer Befallssymptomatik aus. Das
Krankheitsbild kann durch schwere, wie die zu zweitens aufgeführten immunitätsmindernden
Einflüsse, Mangelkrankheiten sowie durch Kratzeffekte deutlich verstärkt bzw. verändert
werden.
Prädilektionsstellen bei der gewöhnlichen, d.h. nicht-krustigen Form der Krätze sind die
Zwischenfingerräume, die Handgelenke, die Umgebung der Brustwarzen, die Ellenbogen, die
Leistenregion und der Penis. Vereinzelt tritt eine Ausbreitung auf Arme, Achseln, Schenkel,
später auf Finger und Nagelumgebung und/oder Fußsohlen, Bauch, Rücken, Nacken bzw. das
Gesicht einschließlich Ohren ein. Bei Säuglingen und gelegentlich bei Kleinkindern sind eher
Gesicht, behaarte Kopfhaut, Handflächen und/oder Fingerrücken befallen.
Prädilektionsstellen bei der hoch kontagiösen, nur noch schwachen oder keinen Juckreiz
aufweisenden, aber von starker Schuppen- und Borkenbildung begleiteten Scabies norvegica
sind die Finger, der Handrücken, die Haut über der Handwurzel und die Ellenbogen. Außer den
cremeartigen, grau, gelb, grünlich oder bräunlich gefärbten Borken sowie Krusten treten bei
dieser Krätzeform an den Streckflächen der Extremitäten Fissuren auf. Eine
Ausbreitungstendenz besteht in Richtung auf die Kopfhaut, die Ohren, die Zehen, die
Fußsohlen und den Rücken. Die Nägel können verfärbt, laminiert, verdickt, rauh oder/und
erweicht sein. Die Haut unter den 3-15 mm dicken Krusten, die meist lokal begrenzt auftreten,
ist rot, glatt, glänzend und zuweilen feucht. Bei der mehr erythematosquamösen Form der
Scabies norvegica sind die Krusten dünner, z.T. schuppig und mehr diffus verteilt.
Die knotige Form der Krätze wird als Ergebnis einer Überempfindlichkeitsreaktion auf die
Zerfalls- und Ausscheidungsprodukte der Milben gedeutet. Die nur geringfügig hervortretenden,
glatten, runden, festen, roten bis rotbraunen Knoten bilden sich an Stellen mit dünner Haut,
z.B. um die Genitalien und an den Achseln. Sie verschwinden i.d.R. binnen drei, in seltenen
Fällen erst nach zwölf Monaten.
7 Diagnostik
Krätzeverdächtig ist zunächst jede Person mit den o.g. typischen Hauterscheinungen,
insbesondere mit unerklärlich starkem Juckreiz. Abgeklärt wird ein vermuteter Krätzmilbenbefall
durch die Suche nach Bohrgängen, Papeln und Vesikeln unter Zuhilfenahme einer starken
Lupe.
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Die z.B. per Skalpell eröffneten Milbengänge können durch Einreiben von Tinte und durch ihr
anschließendes Abtupfen mit Ethylalkohol getränkten Tupferbällchen oder nach Klebefilmabriss
und Einfärben mit Filzstift sichtbar gemacht werden. Die Milben selbst sind aus den Gängen
durch Kratzen mit einem Rundkörperskalpell oder mit einem scharfen Löffel zu gewinnen. Die
herauspräparierten Materialien (Geschabsel) werden in einem Blockschälchen in 5 ml 20 %iger
Kalilauge über eine Stunde bei ca. 20°C mazeriert, dann bei 1500 U über vier Minuten
zentrifugiert und der Bodensatz mikroskopisch auf Milben und deren Eier untersucht. Eine
leichte, weitere Erwärmung des Hautmaterials z.B. auf der Heizung beschleunigt den
Mazerationsprozess.
Der Bohrgangsinhalt kann ferner mit einer Nadel entnommen und unmittelbar danach unter
Erwärmung in einem Deckglaspräparat in Kalilauge unter Zusatz von zwei Tropfen Mineralöl
untersucht werden. Die Herstellung von Hautschnitten aus Biopsie-Material ist eine weitere
Möglichkeit zum Milbennachweis, ebenso die Entnahme von Gewebe des parakeratotischen
Randes der Fingernagelplatte. Papulöse Herde im Gesicht enthalten fast nie Milben. Gelingt der
Milbennachweis
mehrfach
nicht,
etwa
bei
einer
starken,
ausgebreiteten
Überempfindlichkeitsreaktion, so kann das Ergebnis einer antiparasitären Probebehandlung
Aufschluss über einen eventuellen Befall geben. Die Behandlung sollte als sog.
"Sicherheitsbehandlung" (Ganzkörper ohne Kopf) erfolgen. Auch Borken können stark
milbenhaltig sein, etwa bei Scabies norvegica. Im Falle des Verdachts auf Befall mit Milben vom
Tier oder mit freilebenden Milben (s.o.) helfen ebenfalls Hautproben weiter.Die Tier- bzw.
Trugkrätze-Milben weichen morphologisch von Sarcoptes scabiei scabiei ab, und ihre Anzahl ist
i.d.R. geringer als bei Krätzmilbenbefall.
8 Differentialdiagnose
Differentialdiagostisch ist die Diagnose "Krätze" je nach Befallssymptomatik abzugrenzen
gegen parasitär bedingte Erkrankungen wie Tier- und Trugkrätze, die Demodexinfektion,
Herbstmilbendermatitis (Erntekrätze), Körper- und Filzlausbefall sowie gegen nicht parasitär
verursachte Hauterkrankungen. Hierzu gehören bakteriell infizierte Erkrankungen der Haut ,
Ekzeme wie das postskabiöse Ekzem oder postskabiös persistierende Papeln, Pityriasis rosea,
manche Formen von Urticaria, Sabra-Dermatitis, symptomatischer Juckreiz bei Diabetes
mellitus, Schilddrüsen- oder Lebererkrankungen, Tinea corporis und inguinalis,
Insektenstichreaktionen und Insektenwahn mit Kratzeffekten an der Hand (Symptom-Ursachen
bei letzterem: Kratzen oder Eigentherapie).
Die klinischen Bilder bei der Tier- und der Trugkrätze können denen der Krätze sehr ähnlich
sein. In der Regel verschwinden die klinischen Erscheinungen alsbald nach Absterben der
TierKrätzmilben in der Haut bzw. binnen acht Tagen nach Einstellung des Kontakts zu den
Milbenquellen (Wirtstiere). Wie die Symptome der Tierkrätze verschwinden auch die der
Trugkrätze binnen weniger Tage nach Beendigung des Kontakts mit der Milbenquelle (z.B.
Nahrungs- und Futtermittel, Gegenstände oder Raumflächen).
9 Bekämpfung
A. Therapie
Im Allgemeinen beginnt die Therapie mit einem Ganzkörper-Bad. Vor der Anwendung des
gewählten Mittels muß die Haut trocken und wieder auf die normale Hauttemperatur abgekühlt
sein. Bei Antikrätzesprays (Wirkstoff: S-Bioallethrin) kann das Bad entfallen. Soweit notwendig,
bzw. bei Scabies norvegica in jedem Fall, muss vor der Krätzmilben tötenden Mittelapplikation
zudem eine hornschichterweichende Behandlung stattfinden.
Das gewählte Antikrätzepräparat sollte vor dem Zubettgehen auf alle Befalls- und potentiellen
Befalls-, besonders intensiv auf die Prädilektionsstellen aufgetragen werden. Immer ist der
ganze Körper mit Ausnahme von Gesicht und behaartem Kopf in die Behandlung
einzubeziehen. Alle Personen mit Hautkontakt zum Befallenen, auch die ohne
krätzeverdächtige Symptome, sind als potentielle Verbreiter mitzubehandeln. Eine zusätzliche
Behandlung von Kopfhaut, Gesicht und Nacken kann bei Kleinstkindern und im Falle von
Scabies norvegica erforderlich werden.
Die Behandlung muss in der folgenden Nacht und ggf. in weiteren Nächten wiederholt werden,
soweit nicht ausdrücklich anderes in der Gebrauchsanweisung vorgeschrieben ist. Ein
nachfolgend erforderliches Bad darf je nach Krätzemittel erst 12 bis 24 Stunden post
applicationem stattfinden. Eine kürzere Einwirkzeit der Mittel und eine zweiseitige
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Halbkörperbehandlung sowie das deutlich frühere Baden ist i.d.R. jedoch bei Kleinkindern
unumgehbar.
Sehr häufig wird die Organochlorverbindung Lindan (g-HCH) gegen die Milben eingesetzt. Sie
kann in Form von Cremes, Lotios, Gels, Pudersprays und Emulsionen verwendet werden. Die
Emulsion kommt z.B. 0,3 %ig bei Erwachsenen und Kindern ab zehn Jahre an drei
aufeinanderfolgenden Abenden zum Einsatz und wird am folgenden Morgen abgeduscht. Bei
Drei- bis Neunjährigen sind i.d.R. zwei Applikationen in eintägiger Folge und mit einer
Einwirkzeit von drei Stunden ausreichend. Bei 0,3 %igen Lindan-Mitteln sollte die Behandlung
gegen nachgeschlüpfte Larven sicherheitshalber nach sieben bis acht (- zehn) Tagen
wiederholt werden. Bei 1%igen Präparaten ist die Wiederholung im Allgemeinen nicht
notwendig, jedoch ist bei diesen Mitteln die absorbierte Wirkstoffmenge zumeist deutlich höher
als bei 0,3 %igen. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis drei Jahre sind nur 0,3 %ige Präparate
an lediglich zwei aufeinanderfolgenden Tagen für jeweils drei Stunden anzuwenden. Ggf. ist die
Anwendungsfläche und -häufigkeit durch körperhälften- oder sogar körperabschnittsweises
Vorgehen zu strecken.
Als weiterer Wirkstoff wird gegen Krätzmilbenbefall - vor allem auch der schwer therapierbaren
knotigen Krätze - Crotamiton, ein organisches Säureamid in Form von Cremes oder Lotio
verwendet, letztere z.B. 10 %ig über zwei bis fünf aufeinanderfolgende Nächte. Danach wird die
Haut gewaschen. Crotamitonpräparate wirken zusätzlich juckreizmindernd. Zugleich sind sie
irritierend für nicht intakte Haut und Schleimhäute.
Zugelassen ist ferner ein mit Piperonylbutoxid synergisierter S-Bioallethrin-Ganzkörperspray.
Trotz seiner kurzen Einwirkzeit ist der Spray auch bei knotiger Scabies wirksam. Die unter
Umständen Reizungen erzeugende Benetzung von Schleimhaut kann durch Abdeckung mit
Handtüchern verhindert werden. Stellen im Gesicht, die nicht besprüht werden können, sind
z.B. über benetzte Wattetupfer behandelbar. Die Behandlungen mit dem Spray sollten,
insbesondere wenn mehrere Personen unmittelbar nacheinander zu therapieren sind, in gut
durchlüfteten Räumen vorgenommen werden. Die einmalige Behandlung reicht i.d.R. aus.
In vielen Fällen wirkt das Benzylbenzoat, 10 bis 30 %ig als Emulsion, mit einem ca. 5 cm
breiten Pinsel auf die Haut aufgetragen, befallstilgend nach einer Einwirkzeit von mind. fünf bis
15 Minuten. Danach ist das Mittel abzuwaschen. Die Behandlung ist je nach Stärke der
Symptomatik nach einem Tag bzw. einer Woche ein- bis zweimal zu wiederholen. Vollbäder
sollten aber erst 48 Stunden nach der letzten Applikation genommen werden. Benzylbenzoat
wirkt stark reizend auf die verletzte Haut und Schleimhäute. Dies ist bei Krätze insbesondere für
excoriierte oder ekzematös veränderte Hautzonen, z.B. die Skrotalregion zu beachten.
Benzylbenzoat kann auch im Wechsel mit Crotamiton- oder Disulfirammitteln in sonst
therapietoleranten Fällen in z.B. viertägigen Abständen verwendet werden.
Präzipitatschwefel kann in Salbenform (5 bis 15 %ig, bei Kindern 2,5 bis 3 %ig) gegen
Krätzmilben ebenfalls befallstilgend wirksam sein. Er ist auch bei Stillenden und Schwangeren
sowie Kleinkindern verwendbar, billig und leicht rezeptier- und applizierbar. Bei Kindern kann
auch der Kopf mit solcher Salbe behandelt werden. Das Abwaschen des Schwefels erfolgt am
3. Tag post applicationem.
Mittel zur oralen Behandlung sind in Deutschland nicht zugelassen.
Im Falle der zuweilen auftretenden Toleranz gegen die in Deutschland zugelassenen Mittel
können andere z.B. auf Schwefelverbindungen oder auf Birkenteer (Unguentum antiscabiosum)
basierende oder im Ausland vertriebene, äußerlich anwendbare Präparate mit nachstehend
aufgeführten Wirkstoffen befallstilgend wirksam sein, wie
das ölig-flüssige oder als Shampoo formulierte 2,7-Dimethylthianthren, das selbst bei
nur einmaliger therapeutischer Applikation befallstilgend wirken kann,
das Tetraethylthiurammonosulfid (25 %ig), dessen Präparate mit Wasser 2-3fach
verdünnt auf die gereinigte Haut - ausgenommen das Gesicht und Kopfhaar - an zwei
bis drei aufeinanderfolgenden Tagen aufgetragen werden (Unverträglichkeiten können
bei Kindern und nach Alkoholgenuss auftreten),
das Disulfiram (2 %ig), in wässriger Lösung,
oder Mittel mit Wirkstoffen aus anderen chemischen Gruppen wie
Malathion, Trichlorfon, Permethrin und Dixanthogen, Niem-Öl und Ivermectin bzw.
Thiabendazol.
In letzter Zeit wird häufiger von Befallstilgungserfolgen mit dem für humanmedizinische
Indikationen in Deutschland nicht zugelassenen makrocyklischen Lakton Ivermectin berichtet.
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Therapieversuche mit solchen Mitteln in Deutschland, die über sog. Auslandsapotheken
beschafft wurden, verliefen - soweit bisher bekannt - befallstilgend. Der aus dem Ausland
vereinzelt berichtete, d.h. unterstellte letale Ausgang oraler Behandlungen mit Ivermectin bei
älteren Patienten (> 60 Jahre alte), der z.T. erst nach Wochen oder Monaten auftreten soll,
wurde aus Deutschland bisher nicht bekannt. Das insektizid, akarizid und anthelmintisch
wirkende Ivermectin wird in Eigenverantwortung des verordnenden Arztes gegen Krätzmilben
ein bis maximal zweimal – dann je nach Präparat im Abstand von ein bis acht Tagen – in einer
Dosis von (jeweils) (200) bis 250 µg/kg KGW pro Person verwendet.
Auch Thiabendazol, im Ausland per os verwendet, wurde in Deutschland zur Anwendung gegen
Krätze bisher nicht zugelassen. Es verursacht nicht selten erhebliche Nebenwirkungen.
Die möglicherweise auftretende o.g. Allergie vom Spättyp (postscabiöses Ekzem oder
ekzemartige Sekundärveränderungen) im Anschluss an eine befallstilgende Lokaltherapie lässt
sich z.B. mittels Ölbädern oder weicher Zinkpaste (2 %ig) oder kortikoidhaltiger Salben
beherrschen. Knotige Prozesse sind u.a. mit 10-20%iger Ichthyolsalbe oder 3 bis 5 %igem
Salicylsäure-Öl oder 5 %iger Vaseline, entzündliche Abläufe z.B. mit Kortikoiden und
Antiseptika enthaltenden Salben, u.U. letztere im Wechsel mit Salicylsäure-Vaseline
anzugehen. Hydrocortison-Creme 1 % hilft gegen den stark lästigen Juckreiz, der trotz
spezifischer, erfolgreicher Antimilbenbehandlung noch einige Zeit weiterbestehen kann
(postskabiöses Ekzem).
B. Hygienemaßnahmen und Entwesung
Der Wechsel der Körper- und der Unterkleidung sowie der Bettwäsche und ggf. der Bettdecken
sollte alle 12 bis 24 Stunden vorgenommen werden. Die Handtücher sind zweimal täglich zu
wechseln. Ein Wechsel der durch das Krätzemittel via Haut imprägnierten Nachtkleidung ist erst
nach einigen (bei Lindanmitteln i.d.R. vier) Tagen angezeigt. Die Mittelrestwirkung macht die
Milben befallsunfähig.
Die Oberbekleidung braucht nur in Ausnahmefällen entwest zu werden, z.B. durch mind.
siebentägiges Durchlüften oder chemische Reinigung. Für Bettwäsche, Unterbekleidung,
Blutdruckmanschetten und Handtücher reicht dafür das normale Waschen bei 60°C aus. Auch
ein bis 14-tägiges Unbenutztlassen der Textilien in Plastiksäcken schädigt die Milben so, dass
sie nicht mehr befallsfähig sind. Möbel, wie Betten, Sessel und Fußbodenbeläge sind mittels
starker Staubsauger von Milben befreibar. Ein wiederholtes Staubsaugen ist im Falle von
Scabies norvegica unverzichtbar. Plüschtiere und Schuhe können schnell durch Einfrieren
milbenfrei gemacht werden.
Der Einsatz chemischer Mittel zur Entwesung milbentragender Gegenstände und Räume ist
i.d.R. nicht erforderlich, da die o.g. nicht-chemischen Maßnahmen fast immer ausreichen. Ist die
Anwendung chemischer Mittel nicht zu umgehen, werden als wirksame chemische Mittel
Flüssigpräparate auf Malathion- und Puder auf Temephosbasis empfohlen. Nach der
Entwesung kann eine sachgerechte Dekontamination und Reinigung der behandelten
Gegenstände erforderlich sein.
10 Gesetzliche Bestimmungen
Nach § 34 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an Krätze erkrankt
oder dieser verdächtig sind, in Einrichtungen, in denen überwiegend Säuglinge, Kinder oder
Jugendliche betreut werden (Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG), insbesondere
Kinderkrippen,
-gärten,
-tagesstätten
oder
–horte,
Schulen
oder
sonstige
Ausbildungseinrichtungen, Heime, Ferienlager oder ähnliche Einrichtungen, keine Lehr-,
Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstige Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu
den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krätze durch
sie nicht mehr zu befürchten ist.
Danach darf von dem Patienten keine Weiterverbreitungs- und somit keine Ansteckungsgefahr
mehr ausgehen. Es ist für die Erteilung der Erlaubnis zum Wiederbesuch der
Gemeinschaftseinrichtungen daher entscheidend, dass überlebende Milben nicht mehr in der
Lage sind, einen neuen Krätzefall zu verursachen.
Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist, hängt also vom Zeitpunkt des Eintritts des Verlustes der
Fähigkeit der Milben zur Infektion aufgrund der Therapie- und Entwesungsmaßnahmen ab. Es
kommt demnach nicht auf die Dauer der absoluten Überlebenszeit der Milben an, sondern auf
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die Zeitdauer ihrer Fähigkeit im Anschluss die Therapie und die Entwesung an, neue Personen
über den direkten oder indirekten Kontakt (z.B. über eine Blutdruckmessmanschette oder eine
Decke) zu befallen und sich auf ihnen fortzupflanzen. Der Zeitpunkt der praktischen
Milbenfreiheit bzw. der des Auffindens von ausschließlich toten Milben ist das sicherste
Kriterium für die Beendigung der Ansteckungsgefahr. Dennoch wird der Termin des Verlustes
der Fähigkeit der Milben zur Neuinfestation i.d.R. erheblich früher erreicht. Das heißt, der
zeitliche Ablauf der Wirkung der eingesetzten therapeutischen Akarizide sowie der der
eingesetzten Entwesungsmittel und -verfahren bestimmt den Termin des Verlustes der
Fähigkeit der Milben zur Neuinfestation entscheidend mit. Die letale Schädigung der Milben
kann bereits nach wenigen Stunden, aber auch erst nach mehreren Tagen, zuweilen erst nach
ein bis drei Wochen erreicht sein.
Sofern schon unmittelbar nach der ersten Mittelapplikation, d.h. binnen eines halben Tages alle
auf der Haut befindlichen oder die auf die Haut auf- und auswandernden Krätzmilben letal
geschädigt sind und die notwendigen Entwesungsmaßnahmen ebenfalls in letal
milbenschädigender Weise sachgerecht durchgeführt wurden, besteht kein Grund den
Befallenen den Besuch von Schulen und den von anderen Gemeinschaftseinrichtungen länger
als einen Tag zu verwehren. Erst nach der letzten sachgerechten Mittelanwendung und einer
Erfolgskontrolle in entsprechendem Abstand ohne den Nachweis von lebenden Milben kann die
endgültige Milbenfreiheit durch den behandelnden Arzt bescheinigt werden. Ein schriftliches
ärztliches Attest ist erforderlich.
Die Tilgung der Milbenpopulation am Krätzepatienten geht aber nicht unbedingt mit klinischer
Symptomfreiheit einher. Die Abheilung der Hautveränderungen kann noch Tage bis einige
Wochen nach Abschluss der befallstilgenden Therapie und der wirksamen Entwesung von
befallener Kleidung, Wäsche und Gegenständen anhalten. Die Ursache dessen liegt in einer
allergischen Reaktion auf das Vorhandensein lebender, aber nicht mehr vitaler sowie toter
Milben und von Milbenteilen bzw. in einer sensibilisierenden Lokaltherapie oder in einer
Fremdkörperreaktion auf die Parasiten und die Reste von diesen.
Anders als bei der Verlausung lösen bei der Krätze bereits begründete Verdachtsfälle
angemessene Maßnahmen aus.
Bekannte Tatsachen zum Auftreten oder zum Verdacht des Auftretens von Krätze haben die
betroffenen Personen oder in bestimmten Fällen der Sorgeinhaber der Leitung der
Gemeinschaftseinrichtung unverzüglich mitzuteilen (§ 34 Abs. 5). Die Leitung der Einrichtung
benachrichtigt unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt unter Angabe krankheitskrätzeund personenbezogener Daten (§ 34 Abs. 6). Das Gesundheitsamt kann gegenüber der Leitung
der Gemeinschaftseinrichtung anordnen, dass das Auftreten der Erkrankung an Krätze oder
eines hierauf gerichteten Verdachtes ohne Hinweis auf die Person in der
Gemeinschaftseinrichtung bekannt gegeben wird (§ 34 Abs. 8). Personen, die in den
Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder
sonstige Tätigkeiten regelmäßig ausüben und Kontakt mit den dort Betreuten (Kindern und
Jugendlichen) haben, sind vor der erstmaligen Aufnahme ihrer Tätigkeit und im Weiteren
mindestens im Abstand von zwei Jahren von ihrem Arbeitgeber über die gesundheitlichen
Anforderungen und Mitwirkungspflichten nach § 34 IfSG zu belehren (§ 35). Die
Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 IfSG sowie Krankenhäuser, Vorsorge- und
Rehabilitationseinrichtungen, Einrichtungen für ambulante Operationen, Dialyseeinrichtungen,
Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Einrichtungen nach § 1 Abs. 1, 1a des
Heimgesetzes, vergleichbare Behandlungs-, Betreuungs- und Vorsorgeeinrichtungen sowie
Obdachlosenunterkünfte, Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber, Spätaussiedler und
Flüchtlinge sowie sonstige Massenunterkünfte und Justizvollzugsanstalten legen in
Hygieneplänen innerbetriebliche Verfahrensweisen zur Infektionshygiene, also auch zum
Schutz gegen Krätze, fest. Das Gesundheitsamt überwacht diese Einrichtungen
infektionshygienisch (§ 36 Abs. 1).
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.06.2006
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Syphilis (Lues)
Erreger
Treponema (T.) pallidum (subspecies pallidum), der Erreger der venerischen Syphilis, gehört
zur Gattung Treponema in der Familie der Spirochaetaceae und ist für den Menschen obligat
pathogen. Das gramnegative Bakterium ist spiralig gewunden und zeigt im Lichtmikroskop
(Dunkelfeld) Rotationen um die Längsachse sowie Beugebewegungen ohne selbständige
Fortbewegung. T. pallidum färbt sich nur schlecht durch Anilinfarben an (pallidum = bleich). Es
überlebt außerhalb des Körpers nur kurze Zeit, länger unter reduzierter Sauerstoffspannung
(mikroaerophil). In gekühlten Blutkonserven waren noch nach 5 Tagen vitale Treponemen
nachweisbar. Da der Erreger auf bestimmte Nährstoffe aus dem Organismus angewiesen ist,
die er nicht synthetisieren kann, ist eine kulturelle Anzüchtung in vitro nicht möglich, sie gelingt
in Kaninchenhoden.
Die Gattung Treponema umfasst pathogene und apathogene Arten: humanpathogen sind
neben T. pallidum ssp. pallidum die Erreger der nichtvenerischen Treponematosen, die
außerhalb Europas vorkommen. T. pallidum ssp. endemicum verursacht die endemische
Syphilis oder Bejel (Nordafrika, Mittlerer Osten), T. pallidum ssp. pertenue verursacht die
Frambösie (Afrika, Lateinamerika, Asien) und Treponema carateum verursacht die Pinta
(Zentral- und Südamerika). Nichtpathogene Arten – T. denticola, T. minutum, T. refringens, T.
vincentii und T. phagedenis – sind im Oral-, Anogenital- und Intestinaltrakt innerhalb der
normalen Flora zu finden. T. denticola spielt eine Rolle bei der Pathogenese der Paradontitis.
Die apathogenen Spirochäten sind länger und weisen weniger Windungen auf.
Vorkommen
Die venerische Syphilis, die am häufigsten durch sexuelle Kontakte übertragen wird, gehört zu
den weit verbreiteten chronisch zyklischen Infektionskrankheiten. Die Entwicklung des
Penicillins hatte mit der Möglichkeit einer kausalen Therapie einen entscheidenden Einfluss auf
das Vorkommen der Krankheit. Die Zahl der gemeldeten Syphilisfälle war in Deutschland (wie
in anderen westlichen Industrieländern) besonders seit Ende der 70er Jahre des 20.
Jahrhunderts stark rückläufig. Männer erkrankten etwa doppelt so häufig wie Frauen. Die
Aussagekraft der Daten war allerdings durch eine Untererfassung beeinträchtigt. Ende der 90er
Jahre erreichte die Inzidenz der gemeldeten Fälle mit 1,4 pro 100.000 Einwohner ihren
niedrigsten Stand. Seit 2001 steigen die Inzidenzen wieder deutlich an. Im Jahr 2002 wurden
2,8 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner gemeldet. Dies geht hauptsächlich auf eine Zunahme
von Infektionen bei homosexuellen Männern in großstädtischen Ballungsräumen (Hamburg,
Berlin, Frankfurt, Köln, Städte des Ruhrgebiets, München u.a.) zurück, eine Entwicklung, die
auch in anderen europäischen Großstädten beobachtet wird. Der Anteil der Männer an den
2003 gemeldeten Erkrankungen ist auf 90% gestiegen. Das Maximum der Morbidität liegt
gegenwärtig im 3. und 4. Lebensjahrzehnt. Die Zahl der Neuerkrankungen bei Frauen und der
Erkrankungen, die Männer im Rahmen heterosexueller Kontakte erworben haben, hat sich
bisher nicht wesentlich verändert. Zu beachten sind aber Syphilisausbrüche in Osteuropa und
auf dem Balkan auf der Basis heterosexueller Kontakte, die einen Einfluss auf das
Infektionsgeschehen in Deutschland haben (belegt durch importierte Fälle). Insgesamt hat die
Syphilis, die in Deutschland seit Inkrafttreten des IfSG recht gut erfasst wird (s.u.), eine in Mittelund Westeuropa vergleichsweise große Häufigkeit erreicht.
In den letzten Jahren hat die Syphilis weitere Bedeutung dadurch erlangt, dass sie nicht selten
als Koinfektion bei HIV-Infizierten in Erscheinung tritt (syphilitische Ulzera begünstigen das
Zustandekommen einer Infektion mit dem HIV; eine floride Syphilis kann den Verlauf einer HIVInfektion ungünstig beeinflussen und umgekehrt).
Der gegenwärtig zu beobachtenden Ausbreitung unter homosexuellen Männern liegt nach
den dazu vorliegenden Daten eine differenzierte Veränderung sexuellen Risikoverhaltens
zugrunde. HIV-positive Männer verzichten in steigendem Umfang und auch mit z.T. häufig
wechselnden HIV-serokonkordanten Partnern auf Kondome. Darüber hinaus schließt der unter
dem Einfluss der AIDS-Prävention erreichte Verzicht auf Analverkehr oder der Gebrauch von
Kondomen beim Analverkehr erhebliche Übertragungsrisiken für Syphilis (aber auch für
Gonorrhoe oder Chlamydieninfektionen) nicht aus, die durch ungeschützte genital-orale und
oral-anale Kontakte entstehen. Die heute mögliche Therapie der HIV-Infektion hat auch die
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Zahl wechselnder Partner und den Anteil riskanter sexueller Kontakte wieder ansteigen lassen.
Reservoir
Einziges Reservoir des Erregers ist der Mensch.
Infektionsweg
T. pallidum wird am häufigsten durch direkte sexuelle Kontakte übertragen und dringt dabei
durch Mikroläsionen der Schleimhaut oder Haut in den Organismus ein. Übertragungsvorgänge
durch kontaminierte Nadeln o. a. kontaminierte Gegenstände sind selten. Praktisch wichtig ist
ferner die diaplazentare Übertragung von einer infizierten Mutter auf ihr ungeborenes Kind.
Übertragungen durch Bluttransfusionen sind durch systematische Testung aller Spenden
extrem selten und in Deutschland seit über 20 Jahren nicht mehr berichtet worden.
Geschlechtsverkehr mit einem infizierten Partner führt in etwa 30% zu einer Infektion.
Hochinfektiös sind Patienten mit Syphilis im Stadium I, infektiös im Stadium II, im Stadium III
besteht trotz schwerwiegender Krankheitserscheinungen keine Infektiosität mehr.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit beträgt durchschnittlich 14–24 Tage, kann aber zwischen 10 und 90 Tagen
liegen.
Klinische Symptomatik
Nur etwa die Hälfte aller Infektionen mit T. pallidum führt zu einem symptomatischen Verlauf.
Die akute Infektion kann in einen chronischen Prozess übergehen, der in mehreren Stadien
verschiedene Organsysteme betreffen kann. Bei etwa 30 % der unbehandelten Syphilisfälle tritt
im Laufe von Jahren eine Spontanheilung ein (Oslo-Studie). Der klinische Verlauf der
Erkrankung wird eingeteilt in die Frühsyphilis und die Spätsyphilis. Die Frühsyphilis (bis 1 Jahr
nach Infektion) umfasst die primäre Syphilis (Lues I), in der die Krankheitsmanifestationen am
Ort des Eindringens lokalisiert sind, und die sekundäre Syphilis (Lues II) mit generalisierten
Krankheitserscheinungen. Zur Spätsyphilis zählen die tertiäre Syphilis (Lues III) und die
Neurosyphilis, auch als quartäre Syphilis bezeichnet.
Latente Syphilis (Lues latens): Neben den klinischen Stadien der Lues II und Lues III wird die
durch serologische Befunde definierte früh latente und spät latente Syphilis unterschieden.
Bis zu 1 Jahr nach Infektion liegt bei fehlenden klinischen Befunden eine früh latente Syphilis,
danach eine spät latente Syphilis vor.
Eine gezielte Anamnese ist neben der klinischen Untersuchung wichtig, um die klinischen und
serologischen Befunde korrekt zu bewerten und die Therapie optimal zu gestalten. Zur
Ermittlung des Infektionszeitpunktes können sowohl Daten einer möglichen Exposition als
auch Angaben zu früheren Krankheitssymptomen (z. B. Exanthem, Ulkus durum), die damals
u. U. verkannt wurden und zu keiner Therapie geführt haben, hilfreich sein.
Stadien der Erkrankung im Einzelnen:
Primäre Syphilis (Lues I): Klinische Zeichen des Primärstadiums der Syphilis sind
eine derbe Induration an der Eintrittspforte des Erregers, aus der im Verlauf ein
schmerzloses Ulkus entsteht (Synonyme: Primäraffekt, Ulkus durum, harter
Schanker)
regionale Lymphadenopathie
Das Ulkus durum bildet mit den geschwollenen Lymphknoten den sog. Primärkomplex.
Der Primäraffekt beginnt als Papel in Gestalt eines derben hirsekorngroßen Knotens. Daraus
entsteht das Ulkus durum mit einem scharfen abgesetzten wallartigen Rand und geringgradig
eingesunkenem Zentrum. Im Gegensatz zum Ulkus molle bestehen keine unterminierten
Ränder. Beim Mann sind meist die Glans penis und der Sulcus coronarius, bei der Frau häufig
die Labien betroffen. In dieser typischen Lokalisation sind die Ulzera in der Regel schmerzarm.
Je nach Art der ausgeübten Sexualpraktiken finden sich extragenitale Primäraffekte aber auch
an den Lippen, in der Mundhöhle und im Rachen sowie am Anus und im Rektum; diese
extragenital lokalisierten Ulzera können schmerzhaft sein. Der Primäraffekt heilt nach 4–6
Wochen spontan ab. Charakteristisch für die regionale Lymphknotenschwellung sind das
langsame Anschwellen der Lymphknoten, die geringe Schmerzhaftigkeit, das Fehlen von
Entzündungszeichen und Einschmelzungen. Differenzialdiagnostisch sollte an Herpes genitalis,
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Karzinome und Ulkus molle gedacht werden. Ohne Therapie ist der Übergang in weitere
Stadien möglich.
Sekundäre Syphilis (Lues II): Diese Phase der hämatogenen und lymphogenen
Aussaat beginnt 4–10 Wochen nach der Infektion und kann durch eine vielfältige
klinische Symptomatik gekennzeichnet sein.
Zu Beginn des Sekundärstadiums können Fieber, Müdigkeit, Kopf-, Gelenk- oder
Muskelschmerzen auftreten. Gleichzeitig besteht fast immer eine harte Schwellung vieler
Lymphknoten (Polyskleradenitis). Es folgen spezifische Exantheme und Enantheme,
Syphilide genannt, mit einer hohen Variabilität. Typischerweise tritt ein erst stammbetontes, oft
kaum erkenntliches masernähnliches Exanthem ohne Juckreiz auf (makulöses Syphilid oder
Roseola). Differenzialdiagnostisch sollte an eine Pityriasis rosea, Psoriasis, ein
Arzneimittelexanthem, aber auch an akute Virusexantheme (HIV-Infektion!) gedacht werden.
Bei ungewöhnlich schlechter immunologischer Abwehrlage können frühzeitig ulzerierende und
nekrotisierende Herde auftreten (Lues maligna). Während des Sekundärstadiums können über
1 bis 3 Wochen Rezidivexantheme auftreten. Diese verlieren immer mehr ihre
charakteristischen Eigenschaften, sind oft mehr papulös als makulös, können sich gruppieren
(serpiginöse Formen, Lichen syphiliticus und korymbiformes Syphilid) und konfluieren. Erste
Exanthemstellen bleiben von den Rezidiven verschont.
Im Kopfhaarbereich kann es zu mottenfraßartigem Haarausfall kommen (Alopecia specifica
areolaris). Im Bereich des behaarten Kopfes und besonders im Bartbereich treten himbeer- bis
blumenkohlähnliche Papillome auf (frambösiformes Syphilid). Im Bereich der seitlichen
Halsabschnitte beobachtet man häufig postinflammatorische Depigmentierungen („Halsband
der Venus“). Im Bereich der Mundhöhle können sich verschiedene Plaques bilden (düsterrote
Plaques muqueuses, gefurchte Plaques lisses auf der Zunge, derbe weißliche Leukoplakia
oris). Begleitend kann es zum Auftreten einer Angina specifica kommen.
Neben den Syphiliden der Hohlhand oder der Fußsohlen (Palmoplantarsyphilide) beobachtet
man häufiger übermäßige Hornhautbildung (Clavi syphilitici). Im Bereich der intertriginösen
Areale können sich derbe Papeln bilden, die später zu erregerreichen vegetierenden
Papelbeeten konfluieren (Condylomata lata). Etwa 2 Jahre nach Infektion klingen die
Hauterscheinungen ab (Lues latens seropositiva).
Tertiäre Syphilis (Lues III): Bei unbehandelter und nicht spontan ausgeheilter
Frühsyphilis können nach einer bis zu mehreren Jahren dauernden Phase ohne
klinische Symptomatik (Lues latens) folgende Erscheinungen auftreten:
tuberöse Hautveränderungen,
ulzerierende granulomatöse Veränderungen, sog. Gummen (dabei kann jedes
Organ beteiligt sein),
kardiovaskuläre Veränderungen (Mesaortitis luetica, Aneurysmen).
Bei der Lues tuberosa sieht man gruppiert liegende, oft halbmondförmige, plane, flach
erhabene oder tuberöse Effloreszenzen. Es kommt zu einem bogenförmigen, zentrifugalen
Weiterwachstum der Hautveränderungen mit zentraler Rückbildung und Atrophie oder
Ulzerationen (tuberoulzeroserpiginöses Syphilid) mit teils austernschalenartiger Krustenbildung.
Wichtig ist die Abgrenzung gegenüber dem Lupus vulgaris, der Sarkoidose und der Mycosis
fungoides. Bei der Lues gummosa treten subkutane schmerzlose Tumore von deutlich
elastischer Konsistenz auf. Es folgt die zentrale langsam fortschreitende Einschmelzung
(Gumma) und Entleerung einer fadenziehenden, käsigkrümeligen Flüssigkeit. 10–30 Jahre
nach Infektion kann es zur Spontanruptur luetischer Aneurysmen der Aorta kommen. Durch die
Penicillintherapie ist die tertiäre Syphilis heute selten geworden.
Neurosyphilis (Quartäre Syphilis, Lues IV)
Unter Neurosyphilis werden die Manifestationen der Spätsyphilis am ZNS zusammengefasst,
sie waren selten geworden, haben aber heute durch das nicht allzu seltene Zusammentreffen
von Syphilis und HIV-Infektion eine aktuelle Bedeutung erlangt. Bei 15–40% der unbehandelten
Patienten mit Lues I und Lues II können nach langjährigem Verlauf der Infektion Treponemen
im Liquor nachgewiesen werden. Unterschiede ergeben sich nach den betroffenen Abschnitten
des ZNS.
Formen einer ZNS-Beteiligung:
asymptomatische Neurosyphilis;
Tabes dorsalis, Folge einer Degeneration der Hinterstränge des Rückenmarks, die bei
einem Drittel der unbehandelten Neurosyphilis-Fälle durchschnittlich 20 Jahre nach
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Erstinfektion auftritt; typisch sind in Unterbauch und Beine einschießende Schmerzen sowie
Sensibilitätsverluste;
syphilitische Meningitis mit Hirnnervenparesen oder intrakranieller Drucksteigerung,
gekennzeichnet durch eine aseptische Meningitis, entzündliche Liquorveränderungen
und spezifischen Antikörpernachweis im Liquor und Blut. Bei chronischer Meningitis
können eine meningovaskuläre Syphilis des Spinalkanals mit Parästhesien bzw.
Paraplegie oder eine vaskuläre Syphilis mit Hemiparesen oder -plegie, Aphasie oder
Krampfanfällen entstehen. Bei fehlender Behandlung entwickelt sich nach 15–20
Jahren eine parenchymatöse Syphilis (progressive Paralyse) mit zahlreichen
neurologischen und psychiatrischen Auffälligkeiten (typisch ist das Argyll-RobertsonPhänomen, d. h. die Beeinträchtigung der Lichtreaktion bei erhaltener
Konvergenzreaktion). Im Vordergrund steht das hirnorganische Psychosyndrom.
Unbehandelt führt die progressive Paralyse nach 4–5 Jahren zum Tod (diagnostisch
hilft eine CT-Untersuchung).
Besonderheiten des Verlaufs bei einer HIV-Infektion: Bei retrospektiven Untersuchungen fiel
auf, dass HIV-positive Syphilispatienten häufiger an einer Syphilis maligna (7%) und einer
Neurosyphilis (20%) erkrankten. Die sonst selten gesehene Syphilis maligna wurde bei HIVInfektion bisher unter dem Bild eines pustulo-nekrotischen Syphilids, einer Rupia syphilitica
(austernschalenartige Krustenbildung) oder am häufigsten eines Ecthyma syphiliticum gesehen.
Gleichzeitig bestehen nicht selten Allgemeinsymptome wie erhöhte Temperaturen oder
Abgeschlagenheit, eine Skleradenitis fehlt.
Sonderform: Lues connata: Die transplazentare Infektion des Föten kann in jedem Stadium
der Gravidität und in jedem Luesstadium der nicht oder ungenügend behandelten Mutter
erfolgen. Die Übertragungsrate ist um so höher, je kürzer die vergangene Zeitspanne seit der
Infektion der Mutter ist. Infiziert sich die Mutter während der Schwangerschaft, beträgt die
Übertragungsrate bis 100%. Die meisten Schwangeren, bei denen eine Lues diagnostiziert
wird,
befinden
sich
im
Stadium
einer
Lues
latens.
Die intrauterine Infektion durch Treponema pallidum führt bei ausbleibender Therapie in etwa
30-40% der Fälle zu Abort, Totgeburt, Exitus letalis kurz nach der Geburt oder Frühgeburt.
Ein wesentlicher Anteil der Kinder ist bei der Geburt unauffällig, die meisten erkranken aber
innerhalb der ersten 8 Monate.
Bei der Lues connata werden zwei Phasen unterschieden:
Lues
connata
präcox
(Neugeborene
und
Säuglingsalter):
Etwa 50-60% der infizierten Kinder sind bei der Geburt unauffällig. Nur ein kleiner Teil
zeigt unmittelbar post partum klinische Symptome (meist Frühgeborene), z.B. das
Atemnotsyndrom des Neugeborenen („Respiratory Distress Syndrom of the Newborn“),
Ödeme, Hydrops, Hepato- bzw. Hepatosplenomegalie, Hauteffloreszenzen, geblähtes
Abdomen, Anämie, Ikterus. Ab der 3.-10. Lebenswoche treten Symptome wie z.B.
Fieber, makulopapulöse oder vesikuläre Effloreszenzen (meist an Handinnenflächen
und Fußsohlen), Petechien, Fissuren, Blässe, Ikterus, Ödeme, Hepato- bzw.
Hepatosplenomegalie, Rhinitis, nachlassende Trinkleistung, Schleimhautulzera,
Pseudoparalyse, Lymphknotenschwellung, Condyloma lata, Enteritis oder Laryngitis
auf. Klinische Symptome einer Meningitis treten meist erst zwischen dem 3. und 6.
Lebensmonat auf. Die ZNS-Beteiligung kann sich auch als Hydrozephalus, durch
Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle manifestieren.
Lues
connata
tarda
(ab
dem
3.
Lebensjahr):
Im Kleinkind- oder späteren Kindesalter können unbehandelt klinische Symptome an
verschiedenen Organen auftreten, z.B. Uveitis, interstitielle Keratitis, sog.
Tonnenzähne, Schwellung der Kniegelenke, Veränderungen an Tibia, Gaumen, Stirn,
Nase („Sattelnase“), Taubheit, Rhagaden (perioral, perinasal, perianal), Hydrozephalus,
Hirnnervenausfälle oder Krampfanfälle .
Diagnostik
Direktnachweis des Erregers: Bei einem Primäraffekt oder bei Condylomata lata kann der
Direktnachweis der lebenden Spirochäten mittels Dunkelfeldmikroskopie versucht werden.
Auch der Direktnachweis mittels Silberfärbung ist möglich. Die sensitivste Methode ist der
direkte Immunfluoreszenztest. Der Erregernachweis mit PCR (polymerase-chain-reaction)
bleibt speziellen Fragestellungen vorbehalten.
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Antikörpernachweis: In aller Regel erfolgt die Diagnose der Syphilis serologisch.
Therapie
Die Therapie der ersten Wahl ist in allen Stadien bis heute Penicillin, eine Resistenz von
Treponema pallidum ist bisher nicht bekannt. Die deutschen und europäischen Richtlinien
sowie die Empfehlungen in den USA (http://www.cdc.gov/mmwr/pdf/rr/rr5106.pdf) weichen nur
geringfügig voneinander ab. Wegen des langsamen Reproduktionszyklus von Spirochäten ist
zur erfolgreichen Therapie der Syphilis ein kontinuierlicher Serumspiegel des Antibiotikums
notwendig.
Hinweis: Durch raschen Erregerzerfall infolge der Therapie kann es zu toxischen systemischen
Reaktionen kommen (Schüttelfrost, Fieber, Kopfschmerzen). Diese sog. Jarisch-HerxheimerReaktion kann durch Cortison-Präparate behandelt werden.
Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Eine Impfung steht nicht zur Verfügung. Die primäre Prävention gründet sich auf
Empfehlungen zur Expositionsprophylaxe, speziell zur Reduzierung von sexuellem
Risikoverhalten. Eine zentrale Botschaft ist, dass die korrekte Anwendung von Kondomen einen
guten Schutz gegenüber einer T.-pallidum-Infektion bietet. Da aber jeder Kontakt mit dem
Erreger zur Infektion führen kann (z.B. Übertragung beim Küssen bei oralem Ulkus), lässt sich
die Ausbreitung in sexuell aktiven Zielgruppen nicht allein durch Verhaltensänderungen
vermindern. Eine wirkungsvolle Verhinderung von Neuinfektionen v. a. in Bevölkerungsgruppen
mit höherer Prävalenz ist daher nur durch suffiziente Therapie als Ergänzung zu
primärpräventiven Botschaften zu erreichen. Insofern kommt der therapeutischen Intervention
hier auch eine entscheidende primärpräventive Bedeutung zu.
Die erforderliche Information und Aufklärung hat drei Ebenen zu berücksichtigen:
Allgemeinbevölkerung:
Wissensvermittlung
und
Schaffung
eines
Problembewusstseins im Rahmen von Gesundheitserziehung und gesundheitlicher
Aufklärung durch Medien und einschlägige Organisationen.
Zielgruppen
mit
unterschiedlichem
Gefährdungsgrad
durch
Lebensphase/Lebensstil und/oder Prävalenz: Vermittlung gruppenspezifischer
Präventionsbotschaften durch geeignete Multiplikatoren (z.B. Lehrer, Erzieher,
Sozialarbeiter, „Szenemedien und –multiplikatoren“)
Betroffene und/oder konkret gefährdete Menschen: persönliche Beratung durch
Ärzte und Mitarbeiter von Beratungsstellen.
Hierbei ist wesentlich, die sexuell übertragbaren Erkrankungen bzw. Infektionen (STD, STI) im
Zusammenhang zu sehen und sowohl allgemeine Merkmale als auch Besonderheiten der
einzelnen Infektionen herauszuarbeiten. Das Bewusstsein für die Bedeutung der sexuell
übertragbaren Erkrankungen und die Möglichkeit der eigenen Betroffenheit ist, wenn man von
der HIV-Infektion absieht, in der Allgemeinbevölkerung nur marginal vorhanden.
Aufmerksamkeit für entsprechende Symptome und die Bereitschaft, diese beim Arzt abklären
zu lassen, obwohl es sich um einen schambesetzten Bereich handelt, müssen geweckt werden.
Wichtige Akteure auf dem Feld der STD-Prävention sind die Bundeszentrale für gesundheitliche
Aufklärung (BZgA) Köln, die Gesundheitsämter mit ihren Beratungsstellen, nichtstaatliche
Organisationen wie z.B. die Deutsche STD-Gesellschaft (DSTDG), die AIDS-Hilfe und Pro
Familia, niedergelassene Fachärzte der Venerologie oder Gynäkologie und weitere Ärzte mit
spezieller Erfahrung auf dem Gebiet der STD. Für behandelnde Ärzte ist es wichtig, die Syphilis
wieder differenzialdiagnostisch mit zu berücksichtigen. Es erscheint sinnvoll, im Rahmen der
ärztlichen Fort- bzw. Weiterbildung auf Besonderheiten der Symptomatik, Diagnostik und
Therapie einzugehen. Frühdiagnose und Frühbehandlung sind anzustreben.
Der Lues connata kann durch Screening im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wirksam
vorgebeugt werden. Im Blutspendewesen bieten die Vorauswahl der Spender und das
Screening der Spenden sicheren Schutz vor einer Übertragung infektiösen Blutes (eine
bestehende oder abgelaufene Syphilis bedingt einen dauernden Ausschluss als Blutspender,
Antikörper gegen T. pallidum enthaltende Seren dürfen nicht zur Spende eingesetzt werden).
Eine effiziente Surveillance bildet die Grundlage gezielter präventiver Maßnahmen und einer
Optimierung der medizinischen Betreuung. Hier sind in Deutschland durch die Veränderung
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der Meldepflicht für die Syphilis nach dem Infektionsschutzgesetz und die angelaufene STDSentinelerhebungen wichtige Fortschritte erreicht worden.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Jeder Syphilispatient sollte gründlich über die möglichen Übertragungswege des Erregers und
präventive Maßnahmen informiert werden. Bis zum Nachweis des Therapieerfolges darf kein
ungeschützter Geschlechtsverkehr ausgeübt werden. Bei jeder Syphilis ist eine komplette STIDiagnostik (einschließlich eines HIV-Tests) dringend zu empfehlen. Besondere Desinfektionsoder Isolierungsmaßnahmen sind bei üblichen sozialen Kontakten nicht nötig.
Alle in Frage kommenden Sexualpartner des Patienten sollten mit beraten, untersucht und ggf.
behandelt werden. Bei einer primären Syphilis sollten dies die Partner der vergangenen 3
Monate sein, bei sekundärer oder früh latenter Syphilis wäre ein Zeitraum von bis zu 2 Jahren
zu berücksichtigen. Gefährdete wie auch Ärzte sollten auf das mögliche Auftreten verdächtiger
Symptome nicht nur an den Genitalien und im Anal-/Rektalbereich, sondern auch an den
Lippen, im Mund- und Rachenbereich eingestellt sein.
Vor allem STD-Untersuchungs- und Beratungsstellen in Großstädten verfügen über große
Erfahrungen und durch das IfSG gegebene Möglichkeiten, Angehörigen von Gruppen mit
erhöhtem Infektionsrisiko spezielle Beratungs-, Untersuchungs- und Behandlungsangebote zu
machen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Eine örtliche Ausbreitung der Syphilis sollte rasch zur Kenntnis der zuständigen
Gesundheitsbehörde und Ärzte der Region gelangen. Sie erfordert situationsgerechte
Maßnahmen der Prävention, vor allem in den als gefährdet erkannten Personenkreisen
(spezifische Information, Aufklärung, Angebote der Beratung, Untersuchung und Behandlung).
Meldepflicht
Bis Ende 2000 war die Syphilis nach dem Gesetz zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten
(GeschlkrG) durch den behandelnden Arzt an das zuständige Gesundheitsamt meldepflichtig.
Anfang 2001 wurde die Meldepflicht durch das IfSG neu geregelt: Laborleiter, in deren
Verantwortungsbereich eine akute T.-pallidum-Infektion oder eine zuvor nicht erkannte, noch
aktive Infektion in einem späteren Stadium festgestellt werden, sind auf der Grundlage des § 7
(3) IfSG zu einer nichtnamentlichen Meldung direkt an das Robert Koch-Institut verpflichtet.
Nicht behandlungsbedürftige oder früher abgelaufene und ausgeheilte Infektionen fallen nicht
unter die Meldepflicht.
Der Meldebogen hat einen zweiten Teil, der für die Vervollständigung durch den einsendenden
Arzt vorgesehen ist. Der die Untersuchung anfordernde Arzt ist laut IfSG verpflichtet, die
Meldung des Labors durch demographische Angaben, Angaben zum klinischen
Erscheinungsbild und zu dem wahrscheinlichen Übertragungsweg zu unterstützen. Diese
Angaben sind oft unerlässlich, um einen serologischen Befund im Rahmen der Surveillance
korrekt zu bewerten. Angaben zur Postleitzahl des Patienten und zur Untersuchungsindikation
(Erstuntersuchung, Therapiekontrolle) sind darüber hinaus notwendig, um Doppelmeldungen zu
erkennen. Die behandelnden Ärzte werden daher gebeten, den Durchschlag des Meldebogens,
den sie vom Labor erhalten, mit den entsprechenden Angaben zu komplettieren und an das
Robert Koch-Institut zurückzusenden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 11.12.2007
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Tollwut (Rabies)
Erreger
Die Krankheit – eine Zoonose – wird durch neurotrope Viren der Familie der Rhabdoviren,
Genus Lyssaviren, verursacht (innerhalb des Genus Lyssaviren existieren verschiedene Serotypen und Genotypen).
Vorkommen
Die Tollwut ist in weiten Teilen der Welt verbreitet. Nach Schätzungen der WHO werden jährlich
rund 35.000 Tollwuterkrankungen beim Menschen registriert, wobei jedoch mit einer
erheblichen Dunkelziffer, insbesondere in Asien und Afrika, zu rechnen ist. Deutschland gehört
zu den Ländern Europas, in denen durch systematische Bekämpfungsmaßnahmen, vor allem
durch die orale Immunisierung der Füchse als hauptsächliche Virusträger, die Tollwut bei Wildund Haustieren – trotz einiger Rückschläge – nahezu vollständig eliminiert werden konnte.
Neben der Schweiz erlangten auch Finnland, die Niederlande, Italien, Luxemburg, Frankreich,
Belgien sowie die Tschechische Republik durch die orale Immunisierung der Füchse offiziell die
Tollwutfreiheit. In Osteuropa wurden zwar Fortschritte erreicht, die Tollwut bei Wild- und
Haustieren bleibt aber noch ein Problem. In Deutschland entstehen gegenwärtig
Infektionsrisiken für Menschen fast ausschließlich bei Reisen in Länder mit häufigem
Vorkommen der Tollwut bzw. in Gebieten, in denen noch Tollwutrestherde vorkommen.
So trat ein Tollwutfall mit tödlichem Ausgang in Deutschland im Jahre 1996 auf. Es handelte
sich um einen Mann aus Nordrhein-Westfalen, der in Sri Lanka von einem Hund gebissen
wurde. Zu einer weiteren Tollwuterkrankung mit tödlichem Ausgang kam es im Jahre 2004 bei
einem Mann aus Bayern nach einem Indienaufenthalt, bei dem er Kontakt mit streunenden
Hunden gehabt hatte.
Reservoir
Träger des Tollwutvirus waren in der Vergangenheit in unseren Breiten hauptsächlich wild
lebende Fleischfresser wie Füchse, Dachse, Marder sowie Rehe und bei den Haustieren
Weidetiere (Rinder, Schafe, Ziegen, Pferde) sowie Hunde und Katzen. Die häufigste
Infektionsquelle der Tiere ist der Fuchs, der das hauptsächliche Virusreservoir darstellt. Hunde
und Katzen spielen vor allem als Expositionstiere für den Menschen eine wichtige Rolle.
Nagetiere (z. B. Eichhörnchen, Ratten und Mäuse) haben in Deutschland als Reservoir in der
Regel keine Bedeutung. Obwohl die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch Nagetiere sehr
gering ist, kann sie aber nicht 100%ig ausgeschlossen werden und hängt erheblich von der
Situationsbeschreibung ab. In Amerika stellen Stinktiere, Waschbären, Fledermäuse und
Füchse die Hauptreservoire dar. Seit einigen Jahren wurde in Europa (auch in Deutschland),
ein Tollwutvirusreservoir bei Fledermäusen auffällig, das jedoch mit der Tollwut bei Füchsen
nichts zu tun hat, da die Fledermaustollwut durch andere Viren (Europäische
Fledermaustollwutviren) hervorgerufen wird.
Infektionsweg
Nach der Infektion beim Tier kommt es am Ende der Inkubationszeit zur Virusvermehrung im
ZNS und von dort zur Erregerstreuung, wobei das Virus massenhaft im Speichel
ausgeschieden wird. Die Übertragung auf den Menschen erfolgt in der Regel durch einen Biss,
ist jedoch auch über Hautverletzungen oder direkten Kontakt des infektiösen Materials (z. B.
Speichel) mit der Schleimhaut möglich.
Ob es nach einer Exposition bei nicht geimpften Personen zu einer Erkrankung kommt, hängt
wesentlich von der Lokalisation der Verletzung sowie Art und Ausmaß der Exposition ab. So
erkranken beim Vorliegen mehrerer tiefer Bissstellen im Gesicht bis zu 60% der betroffenen
Personen, während bei oberflächlichen Bissverletzungen im Gesicht nur bis zu 10% und bei
oberflächlichen Bissverletzungen an der Hand nur bis zu 5% erkranken.
Tollwütige, wildlebende Tiere verlieren nicht selten zu Beginn der Erkrankung ihre Scheu vor
den Menschen. Bei diesem Verhalten von sonst scheuen Tieren ist besonders auf Distanz zu
achten.
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Inkubationszeit
In der Regel 3–8 Wochen, selten kürzer als 9 Tage, in Einzelfällen bis zu einem oder sogar
mehreren Jahren. Die Zeit bis zum Ausbruch der klinischen Symptomatik ist abhängig von der
Lokalisation der Bissstelle. Bei ZNS-nahen Eintrittspforten werden kürzere Inkubationszeiten
beschrieben.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die vorhandenen Kenntnisse stützen sich auf Ergebnisse epizootiologischer Studien. So wurde
festgestellt, dass Füchse, Hunde und Katzen gewöhnlich 3–7 Tage vor Auftreten von klinischen
Symptomen sowie während der gesamten Dauer der Erkrankung das Virus im Speichel
ausscheiden und damit ansteckend sind.
Klinische Symptomatik
Die Tollwut lässt sich beim Menschen in folgende Stadien einteilen:
1. Prodromalstadium: Es bestehen uncharakteristische Beschwerden, z.B. Kopfschmerzen
und Appetitlosigkeit. Fieber ist nicht immer anzutreffen. Weiterhin werden Brennen, Jucken und
vermehrte Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bisswunde angegeben.
2. Akute neurologische Phase: Bei der enzephalitischen Form, die überwiegend durch
zerebrale Funktionsausfälle gekennzeichnet ist, kommt es meist zu einer ausgeprägten
Hydrophobie. Beim Schlucken bestehen Krämpfe der Schlundmuskulatur, wodurch eine
erhebliche Angst vor dem Trinken besteht und der Speichel aus dem Mund fließt. Bereits die
optische oder akustische Wahrnehmung von Wasser führt zu Unruhe und Krämpfen, die sich
auf die gesamte Muskulatur erstrecken können. Der Gemütszustand wechselt zwischen
aggressiver und depressiver Verstimmung.
Bei der paralytischen Form mit überwiegenden Veränderungen an Nerven des Rückenmarks
und peripheren Nerven stellen sich zunehmend Lähmungen, vor allem der Hirnnerven, ein, so
dass diese Manifestationsform schwer gegenüber dem Guillin-Barré-Syndrom abzugrenzen ist.
3. Koma: Der Tod tritt in der Regel im Koma und unter den Zeichen der Atemlähmung ein.
Zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und dem Tod liegen maximal 7 Tage.
Diagnostik
Der Verdacht auf das Vorliegen einer Tollwuterkrankung beim Menschen ergibt sich zunächst
aus den klinischen Symptomen und einer gründlichen Anamnese.
Diagnostisch ist zu Lebzeiten der Patienten ein Antigen- bzw. Tollwutvirus-RNA-Nachweis in
Epithelzellen der Cornea, in Nackenhautbiopsien, im Speichel oder im Liquor grundsätzlich
möglich. Ebenso kann ein Virusnachweis über Zellkulturen angestrebt werden. Alle intravitam
eingesetzten diagnostischen Verfahren erbringen jedoch nicht selten negative Resultate und
stellen folglich keine Ausschlusskriterien dar.
Die Bestätigung der klinischen Verdachtsdiagnose gelingt sicher erst post mortem,
beispielsweise aus Proben vom Ammonshorn, aus dem Cerebellum und dem Hirnstamm.
Der Nachweis von Negri-Einschlusskörperchen in Schnittpräparaten von Gehirngewebe kann
eine ätiologische Zuordnung zur Tollwut bei Todesfällen unklarer Genese nach neurologischer
Symptomatik erlauben.
Zum Nachweis von Impftitern können Antikörper mit dem Neutralisationstest (RFFIT – rapid
focus fluorescent inhibition test) nachgewiesen werden.
Therapie
Die kontaminierte Wunde sollte postexpositionell sofort und ausgiebig mit Seifenlösung oder
Wasser gereinigt („Auswaschen des Erregers“) und mit Alkohol desinfiziert werden. Tiefe
Bisswunden kann man mittels Kathetern spülen. Verätzung und Nähen der Wunde sollten nicht
erfolgen. Neben der aktiven und passiven Immunisierung gegen Tollwut ist auch an die
Tetanusprophylaxe zu denken.
Die Behandlung erfolgt symptomatisch unter intensivmedizinischen Bedingungen (Kontrolle von
Atmung, Kreislauf, ZNS-Symptomen). Wenn die Krankheit bereits ausgebrochen ist, so verlief
sie in der Vergangenheit immer tödlich. Anfang 2005 wurde jedoch in den USA ein Fall
berichtet, wo eine 15-jährige ungeimpfte Jugendliche die Erkrankung nach einer
experimentellen virustatischen Behandlung und mehrwöchigen Intensivtherapie überlebt hat.
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Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Die bisher erfolgte Immunisierung einer großen Zahl von Haustieren, insbesondere von
Hunden, hat bereits zu einer effektiven Einschränkung der Übertragung auf den Menschen
geführt. Erst die orale Immunisierung der Füchse hat jedoch zu einer wirkungsvollen
Bekämpfung und Ausrottung der Tollwut in weiten Teilen Europas geführt, da durch die Impfung
die Infektkette innerhalb des Hauptvirusreservoirs erfolgreich unterbrochen werden kann.
Da eine Erkrankung in der Vergangenheit immer zum Tod geführt hat, müssen präventive
Maßnahmen bei potenziell Exponierten besonders wirksam sein und ohne Zeitverzug
durchgeführt werden. Die WHO empfiehlt, epidemiologische Hintergrunddaten (Tollwutsituation
im betreffenden Gebiet, Impfstatus des Expositionstieres) heranzuziehen, um zu entscheiden,
ob eine Behandlung abgebrochen oder weitergeführt werden kann bzw. muss.
Eine Indikation für eine präexpositionelle Immunisierung besteht gegenwärtig noch bei
Tierärzten, Jägern, Forstpersonal, Personen bei Umgang mit Wildtieren in Gebieten mit
Wildtollwut sowie ähnlichen Risikogruppen (z.B. Personen mit beruflichem oder sonstigem
engen Kontakt zu Fledermäusen). Eine präexpositionelle Impfung muss weiterhin bei Personal
in Laboratorien mit Tollwutinfektionsrisiko erfolgen. Nach einer kompletten Grundimmunisierung
beträgt die Schutzdauer bis zu 5 Jahren. Bei Personen mit weiter bestehendem
Expositionsrisiko sollten regelmäßig Auffrischungsimpfungen entsprechend den Angaben der
Hersteller durchgeführt werden. Zur Festlegung des exakten Auffrischungszeitpunktes ist eine
Titerkontrolle empfehlenswert. Bei Personen, die einem hohen kontinuierlichen Risiko
ausgesetzt sind (vor allem berufliche Exposition in Laboratorien mit Tollwutrisiko) wird eine
halbjährliche Kontrolle auf neutralisierende Antikörper empfohlen. Eine Auffrischungsimpfung ist
bei Titern < 0,5 IE/ml Serum indiziert.
Weiterhin sollte eine Impfung bei Reisenden mit einem entsprechenden Expositionsrisiko (z.B.
bei Trekkingtouren) in Regionen mit hoher Tollwutgefährdung (z.B. durch streunende Hunde)
durchgeführt werden.
Postexpositionelle Immunprophylaxe:
Die Maßnahmen der postexpositionellen Tollwutprophylaxe sind dann durchzuführen, wenn der
Verdacht auf eine Tollwutvirusinfektion nicht entkräftet werden kann. Bei Grad-III-Expositionen
erfolgt die simultane Gabe von Tollwut-Immunglobulin zur passiven Immunisierung und RabiesVakzine zur aktiven Immunisierung (s.Tab. 1). Die aktive Immunisierung erfolgt gemäß den
Angaben der Hersteller nach verschiedenen Schemata. Ein übliches Schema sind Impfungen
an den Tagen 0, 3, 7, 14, 28. Rechtzeitig appliziert, liegt die Schutzrate nach einer aktiven
Immunisierung bei peripheren Verletzungen bei 100%.
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Tab. 1: Indikationen für eine postexpositionelle Tollwut-Immunprophylaxe
Die einzelnen Impfungen und die Gabe von Tollwut-Immunglobulin sind sorgfältig zu
dokumentieren.
Ein Tier, welches bei einem Menschen eine Verletzung verursacht hat, ist dann nicht
ansteckungsverdächtig, wenn es sich ausschließlich in einem tollwutfreien Gebiet aufgehalten
hat, regelmäßig gegen Tollwut geimpft wurde oder ein Tierarzt bescheinigen kann, dass klinisch
kein Verdacht auf Tollwut besteht. Ob ein Gebiet amtlich frei von Tollwut eingestuft ist, kann
durch umgehende Nachfrage beim örtlichen Veterinäramt in Erfahrung gebracht werden. Ist
eine Exposition durch ein ansteckungsverdächtiges, aber bekanntes Tier erfolgt, sollte dieses
zur Beobachtung 10 Tage isoliert werden und parallel dazu die Impfung begonnen werden. Ein
infiziertes Tier entwickelt in dieser Zeit typische Tollwutsymptome. Sollten keine Symptome
auftreten, können weitere Impfungen bei der exponierten Person eingestellt werden. Allerdings
gilt diese „10-Tage-Regel“ nur für eine Exposition durch Hunde und Katzen. Bei anderen
Spezies können die Zeiträume bis zum Ausbruch von Tollwutsymptomen wesentlich länger
sein. Bei einer Verletzung durch ein ansteckungsverdächtiges Tier ist in Anbetracht des
tödlichen Ausgangs dieser Krankheit grundsätzlich so schnell wie möglich nach der Verletzung
eine Postexpositionsprophylaxe (siehe Tab. 1) durchzuführen. Eine indizierte
Postexpositionsprophylaxe sollte aber immer durchgeführt werden, unabhängig von der Zeit,
die seit der Verletzung verstrichen ist.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Besteht ein Verdacht auf Kontakt mit tollwütigen oder tollwutverdächtigen Tieren, ist umgehend
das Gesundheitsamt zu verständigen. Der Verdacht auf eine Tollwuterkrankung beim
Menschen erfordert eine sofortige stationäre Einweisung und Betreuung des Patienten unter
intensivmedizinischen Bedingungen. Kontaktpersonen mit Wunden, bei denen der Verdacht
einer Kontamination mit dem Speichel von erkrankten Personen bestand, sollten umgehend
immunisiert werden.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Deutschland ist gegenwärtig nahezu frei von Tollwut bei Wild- und Haustieren, so dass die
Gefahr von Ausbrüchen momentan nur sehr gering ist. Es sollte jedoch beachtet werden, dass
Expositionen von Menschen mit potenziell Tollwut-positiven Fledermäusen zwar
Einzelereignisse darstellen, aber auch in Deutschland vorkommen und dann unmittelbare
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Schutzmaßnahmen erfordern. Ein Tollwutausbruch hat Kontroll- und Bekämpfungsmaßnahmen
der Veterinärbehörden zur Folge.
Meldepflicht
Nach § 6 IfSG besteht eine namentliche Meldepflicht für die Verletzung eines Menschen durch
ein tollwutkrankes, -verdächtiges oder -ansteckungsverdächtiges Tier sowie die Berührung
eines solchen Tieres oder Tierkörpers.
Entsprechend § 7 IfSG ist der direkte oder indirekte Nachweis des Rabiesvirus meldepflichtig.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.02.2005
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Tuberkulose
Erreger
Erreger der Tuberkulose sind aerobe, unbewegliche, langsam wachsende, stäbchenförmige
Bakterien der Familie Mycobacteriaceae, Genus Mycobacterium (M.). Aufgrund ihrer
Eigenschaften bei der Färbung für die Mikroskopie werden sie als „säurefest“ bezeichnet. Die
unter dem Aspekt der Pathogenität für den Menschen relevanten Arten werden als
Mycobacterium-tuberculosis-Komplex zusammengefasst: M. tuberculosis, M. bovis, M.
africanum sowie die Spezies M. microti und M. canetti. (Über die Bedeutung der Spezies M.
microti und M. canetti als Tuberkulose-Erreger bestehen unterschiedliche Ansichten, so dass
sie in Falldefinitionen internationaler Organisationen bisher nicht aufgeführt sind.) Der häufigste
Erreger von Tuberkulose-Infektionen des Menschen ist M. tuberculosis. M. bovis BCG
bezeichnet für die Impfung künstlich abgeschwächte Varianten und zählt daher nicht zu den
Tuberkulose-Erregern. – Insgesamt existieren in der Umwelt etwa 100 verschiedene
Mykobakterienarten.
Spezielle Virulenzfaktoren und Exotoxine sind nicht vorhanden, die Pathogenität der
Tuberkulose-Erreger beruht auf dem Wirken in der Zelle und der Induktion einer ausgeprägten
zellvermittelten Immunantwort.
Vorkommen
Die Tuberkulose ist weltweit verbreitet. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation
(WHO) erkrankten im Jahr 2000 8,4 Millionen Menschen neu an Tuberkulose. 80% aller neuen
Fälle treten in nur 23 Ländern auf. Es wird befürchtet, dass die Zahl der Tuberkulosefälle in den
nächsten Jahren weltweit um durchschnittlich 3% pro Jahr ansteigen wird, nur in den
Industrienationen gehen die Neuerkrankungen zur Zeit um 2–3% pro Jahr zurück. Eine
besonders große Bedeutung ergibt sich für die Entwicklungsländer; dort treten etwa 95% der
Erkrankungen auf. Etwa zwei Millionen Menschen sterben jährlich an der Tuberkulose; diese
Zahl erhöht sich durch tödliche Verläufe bei HIV-Patienten mit Tuberkulose-Koinfektion.
Besonders betroffen sind die afrikanischen Länder südlich der Sahara, der Süden und Osten
Asiens, einige lateinamerikanische Staaten und zunehmend auch die Nachfolgestaaten der
Sowjetunion. Begünstigend für die Ausbreitung der Tuberkulose wirken eine schlechte
medizinische Versorgung, rasches Bevölkerungswachstum unter Bedingungen von Armut,
Krieg und Migration. Damit ist Tuberkulose heute weltweit die häufigste zum Tode führende
Infektionskrankheit bei Jugendlichen und Erwachsenen und die führende Todesursache bei
HIV-Infizierten.
In Deutschland und vergleichbaren Industriestaaten kam es durch die allgemeine
Verbesserung der Lebensumstände schon vor der Ära der Chemotherapie zu einem deutlichen
Rückgang der Tuberkulose-Erkrankungen, der seit den 50er Jahren bis in die Gegenwart
anhält. Im Jahr 2000 wurden in Deutschland 9.064 Neuerkrankungen an aktiver Tuberkulose
gemeldet (11,0 Erkr. pro 100.000 Einw.; 1999: 9.974 Erkr., 12,1 Erkr. pro 100.000 Einw.).
Einheimische aus sozial benachteiligten Gruppen der Gesellschaft unterliegen einem höheren
Tuberkulose-Infektions- und Erkrankungsrisiko. Besonders gefährdet sind generell enge
Kontaktpersonen von an offener (d.h. infektiöser) Tuberkulose Erkrankten, Personen mit einer
unzureichend behandelten früheren Tuberkulose sowie HIV-Infizierte und Patienten mit
Krankheiten oder Behandlungen, die zu einer dauerhaften Schwächung des Immunsystems
führen.
Der alarmierende Anstieg der Tuberkulose-Erkrankungen und des Anteils resistenter Erreger in
den sog. Neuen Unabhängigen Staaten (NUS = GUS+ baltische Staaten) ist aufgrund der
geographischen Nähe und der Migration aus diesen Regionen auch für Deutschland
bedeutsam.
Die primäre Infektion erfolgt in einem Land mit hoher Tuberkulose-Inzidenz meist im frühen
Kindesalter. Dagegen verschiebt sie sich in Ländern mit niedriger Inzidenz und damit geringem
Infektionsrisiko zunehmend in das Erwachsenenalter.
Reservoir
Für M. tuberculosis und M. africanum sind Menschen das einzige relevante Reservoir, für M.
bovis bilden Mensch und Rind sowie manche Wildtiere das Reservoir.
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Infektionsweg
Die Infektion erfolgt fast immer aerogen durch feinste Exspirationströpfchen (Aerosole), die
insbesondere beim Husten und Niesen freigesetzt werden. Die Infektion mit Tuberkulose erfolgt
nicht so leicht wie bei anderen durch Aerosole übertragbaren Krankheiten (wie z.B. Varizellen).
Unter einer infektiösen Lungentuberkulose (offene Tuberkulose) versteht man Erkrankungen,
bei denen der Krankheitsherd Anschluss an die Luftwege hat. Ob es zur Infektion kommt, hängt
von der Häufigkeit und Intensität des Kontakts, der Menge und Virulenz der inhalierten Erreger
und der Disposition der exponierten Person ab. Von extrapulmonalen Tuberkulosen
(Lymphknoten, Urogenitalsystem, Knochen, Gelenke, Verdauungsorgane) geht nur dann ein
Infektionsrisiko aus, wenn der Krankheitsherd durch Fisteln einen Kontakt nach außen erhält.
Eine Übertragung durch nicht pasteurisierte Milch infizierter Rinder ist prinzipiell möglich, jedoch
in Mitteleuropa nicht mehr von Bedeutung, da der Rinderbestand weitestgehend tuberkulosefrei
ist.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit kann Wochen bis viele Monate betragen. Eine infektiöse Lungentuberkulose
tritt in der Regel 6 Monate nach einer Infektion auf, jedoch kann eine Erkrankung auch
wesentlich früher, sogar vor einer Tuberkulinkonversion, auftreten. Das Erkrankungsrisiko ist in
den ersten beiden Jahren nach der Infektion am höchsten. Reaktivierungen latenter Herde
können jedoch noch nach Jahrzehnten auftreten.
Der Zeitraum zwischen einer Erstinfektion und einer positiven Tuberkulinreaktion beträgt im
Mittel 6 Wochen (bis zu 12 Wochen). Diese zeitliche Verzögerung (sog. „präallergische Phase“)
ist
bei
der
Bewertung
von
Tuberkulin-Testergebnissen
bei
Kontaktpersonen
Tuberkulosekranker zu berücksichtigen (s. Tuberkulintest).
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit der Lungentuberkulose ist am höchsten, solange säurefeste
Stäbchen mikroskopisch nachweisbar sind (im Sputum, abgesaugtem Bronchialsekret oder
Magensaft). Die Infektiosität von Patienten, bei denen lediglich ein kultureller oder
molekularbiologischer Keimnachweis gelingt, ist demgegenüber wesentlich geringer. Erkrankte
Kinder gelten in aller Regel nicht als infektiös. Unter einer wirksamen antituberkulösen
Kombinationstherapie sind Patienten, die mit einem sensiblen Stamm infiziert sind, innerhalb
von 2–3 Wochen meist nicht mehr infektiös.
Klinische Symptomatik
Die Häufigkeit, mit der sich eine Tuberkulose bei gegebener Exposition entwickelt, ist von
verschiedenen Faktoren (u.a. Virulenz der Erreger, Alter, Abwehrlage des Infizierten,
Infektionsdosis) abhängig. Die Tuberkulose manifestiert sich bei etwa 80% der Erkrankten als
Lungentuberkulose, kann aber jedes Organ befallen. Dementsprechend vielgestaltig präsentiert
sich diese Erkrankung. Der Verlauf nach einer Primärinfektion kann in verschiedene Stadien
eingeteilt werden, auf die hier nicht näher eingegangen wird.
Initiale
Symptomatik: Meist keine charakteristischen Erscheinungen, mögliche
Allgemeinsymptome sind Einschränkungen des Allgemeinbefindens, Gewichtsabnahme,
Konzentrationsstörungen, Fieber, vermehrtes Schwitzen (besonders nachts), Appetitmangel,
Müdigkeit, allgemeine Schwäche, Zeichen eines grippalen Infektes. Erkrankte Kinder sind in
über der Hälfte der Fälle asymptomatisch oder fallen nur durch ein mangelndes Gedeihen auf.
Respiratorische Beschwerden können in Form von Husten, Thoraxschmerzen und Atemnot
auftreten. Jeder länger als 3 Wochen bestehender Husten sollte unbedingt abgeklärt werden.
Bei blutigem Auswurf ist eine sofortige Abklärung erforderlich!
Bei ungünstiger Abwehrlage (z.B. Immunschwäche, immunsuppressive Therapie,
prädisponierende Krankheiten wie Diabetes mellitus, Leberzirrhose, Alkoholkrankheit, Silikose)
kann es neben der lymphogenen Ausbreitung zusätzlich durch eine primäre Generalisation zu
einem Befall weiterer Organe kommen. Besonders gefährdet durch eine primär hämatogene
Aussaat sind Säuglinge und Kleinkinder. Die Hauptkomplikationen einer primären
Generalisation sind die Miliartuberkulose und die tuberkulöse Meningitis. Letztere ist heute
selten geworden; damit geht aber auch die Gefahr einher, dass sie gar nicht oder erst spät
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erkannt wird. Durch hämatogene Aussaat und Reaktivierung eines Organherdes können sich
nachfolgend unter anderem Knochen-, Gelenk- oder Urogenitaltuberkulose entwickeln.
Diagnostik
1. Tuberkulintest
2. Röntgendiagnostik
3. Bakteriologische Diagnostik
Therapie
Die Behandlung der Tuberkulose erfolgt ausschließlich mit einer Kombination von
Medikamenten, da bei einer Erkrankung an Tuberkulose immer Erreger vorhanden sind, die
natürlicherweise gegen ein bestimmtes Medikament resistent sind.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Entscheidend für eine effektive Tuberkulosebekämpfung ist die rasche Entdeckung erkrankter
und infektiöser Personen und eine schnell einsetzende effiziente Therapie. Die WHO und die
Internationale Union gegen Tuberkulose und Lungenkrankheiten (IUATLD) versuchen weltweit,
dies mit Hilfe der sogenannten DOTS-Strategie (directly observed treatment, short-course)
umzusetzen.
Unter
Einbeziehung
bereits
existierender
nationaler
TuberkuloseBekämpfungsstrukturen sollen durch ein modernes Gesundheitsmanagement hohe
Erkennungs- und Heilungsraten erzielt und das Risiko einer Resistenzentwicklung reduziert
werden.
In Deutschland ist die aktive Fallsuche eine wesentliche Voraussetzung für die Reduzierung der
Erkrankungshäufigkeit an Tuberkulose. Diese besteht in der Umgebungsuntersuchung von
Kontaktpersonen von Patienten mit infektiöser Tuberkulose. Zu den Zielgruppen für eine aktive
Fallsuche gehören darüber hinaus Personen aus Ländern mit hoher Tuberkulose-Prävalenz
(Asylsuchende, Flüchtlinge, Aussiedler, Migranten etc.) und Personengruppen mit erhöhtem
Infektionsrisiko, z.B. Obdachlose, Drogenabhängige, Gefängnisinsassen, aber auch HIVPositive.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Eine Krankenhausbehandlung ist bei offener Tuberkulose, insbesondere bei schwerem
Verlauf oder Problemen der Behandlung und Betreuung im Wohnmilieu, indiziert. Bezüglich der
zu beachtenden Hygienemaßnahmen wird insbesondere auf die „Empfehlungen zur
Infektionsverhütung bei Tuberkulose“ des DZK verwiesen. Eine abschließende
Raumdesinfektion wird auch bei offener Lungentuberkulose in der Regel nicht mehr für
erforderlich gehalten.
Nach § 34 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dürfen Personen, die an ansteckungsfähiger
Tuberkulose erkrankt oder dessen verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr-,
Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts-oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu
den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der Krankheit durch
sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch die in Gemeinschaftseinrichtungen
Betreuten, die an ansteckungsfähiger Tuberkulose erkrankt sind, die dem Betrieb der
Gemeinschaftseinrichtung dienenden Räume nicht betreten oder Einrichtungen benutzen und
an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen.
Wiederzulassung zu einer Gemeinschaftseinrichtung:
Bei initialem mikroskopischem Nachweis von säurefesten Stäbchen müssen nach
Einleitung einer wirksamen Therapie in drei aufeinanderfolgenden Proben von Sputum,
Bronchialsekret oder Magensaft mikroskopisch negative Befunde vorliegen,
bei initialem Fieber oder Husten ist eine 2 Wochen anhaltende Entfieberung oder
Abklingen des Hustens abzuwarten,
nach einer lege artis durchgeführten antituberkulösen Kombinationstherapie von in der
Regel 3 Wochen Dauer, wenn drei negative Befunde (siehe oben) vorliegen.
Ein schriftliches ärztliches Attest ist erforderlich.
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Seite 183 von 205
Kontaktpersonen unterliegen den üblichen Kontrollmaßnahmen, auf tuberkuloseverdächtige
Symptome, insbesondere Husten, ist besonders zu achten. Wichtig ist es, unter den
Kontaktpersonen (Familie, Bekanntenkreis, Arbeitsplatz, Personal in Einrichtungen u.a.) gezielt
nach Infektionsquellen zu suchen. Diese Umgebungsuntersuchung ist insbesondere im
Umfeld erkrankter Kinder sinnvoll, da Kinder nach einer Infektion häufiger und schneller an
einer Tuberkulose erkranken als Erwachsene. Bei Patienten, die einer der besonders
gefährdeten Gruppen angehören (z.B. HIV-Positive), sollte die Tuberkulose frühzeitig in die
Differenzialdiagnostik einbezogen werden.
Für Kinder unter 6 Jahren oder Kinder mit engem Kontakt zu einem ansteckenden Fall von
Tuberkulose (z.B. Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum-Direktpräparat eines Elternteils),
deren Tuberkulintest negativ ist und bei denen durch weitere Untersuchungen eine Erkrankung
an Tuberkulose ausgeschlossen wurde, wird eine Chemoprophylaxe mit INH über 3 Monate
empfohlen. Ist der Hauttest nach Ablauf dieser Zeit weiter negativ, so kann die INH-Prophylaxe
beendet werden. Kommt es jedoch unter Chemoprophylaxe nach 3 Monaten zu einer
Tuberkulinkonversion, so muss eine präventive Chemotherapie über insgesamt 9 Monate
durchgeführt werden. Bei Kindern mit initialem Nachweis einer Tuberkulinkonversion auch ohne
Nachweis einer Erkrankung muss ebenfalls eine präventive Chemotherapie über 9 Monate
erfolgen.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen von Tuberkulose-Erkrankungen (mehr als 2 Erkrankungen mit epidemiologisch
gesichertem Zusammenhang) ist eine durch das Gesundheitsamt koordinierte
Ausbruchsuntersuchung erforderlich. Der umgehende Nachweis des Erregers einschließlich
Kultur- und Resistenzprüfung sind besonders wichtig, um schnellstmöglich eine effektive
Therapie einzuleiten und die Möglichkeit einer Übertragung zu minimieren. Bei
Kontaktpersonen sollte gezielt und vollständig das Vorliegen einer Infektion oder Erkrankung an
Tuberkulose ausgeschlossen werden (situationsgerecht: Kontaktanamnese ermitteln und
werten, Tuberkulintestung, Beobachtung des Gesundheitszustandes, Röntgenuntersuchung bei
verdächtigen Befunden, Labordiagnostik bei klinischem Verdacht).
Die Feintypisierung isolierter Stämme durch molekulare Methoden und der anschließende
Vergleich dieser Stämme untereinander stellt ein weiteres Hilfsmittel bei der
infektionsepidemiologischen Aufklärung von Ausbrüchen dar. Daher sollten alle Isolate eines
vermuteten Ausbruchs einem Labor mit Möglichkeiten zu dieser Untersuchung zugeführt und
die Ergebnisse an die zuständige Gesundheitsbehörde mitgeteilt werden.
Meldepflicht
Nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist der feststellende Arzt nach § 6 Abs. 1 verpflichtet,
die Erkrankung sowie den Tod an einer behandlungsbedürftigen Tuberkulose zu melden, auch
wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt. In der Praxis wird somit jeder Fall
meldepflichtig, bei dem eine antituberkulöse Kombinationstherapie eingeleitet wurde. Bei der
Meldung ist zu beachten, dass bei der Tuberkulose weitere Angaben, wie z.B. das Geburtsland
und die Staatsangehörigkeit anzugeben sind und dass weitere Angaben im Rahmen einer
Nachmeldung erfolgen müssen (einschließlich des Behandlungserfolges).
Gemäß § 7 IfSG besteht für das Laboratorium eine Meldepflicht für den direkten
Erregernachweis von M.-tuberculosis-Komplex außer BCG sowie nachfolgend für das Ergebnis
der Resistenzbestimmung. Vorab ist bereits der Nachweis säurefester Stäbchen im Sputum an
das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
Modifiziert nach RKI, Stand: 01.03.2002
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Seite 184 von 205
Typhus abdominalis, Paratyphus
Erreger
Erreger sind Salmonella enterica Serotyp Typhi bzw. Paratyphi A, B und C. Sie sind
ausschließlich humanpathogen und gehören zur Familie der Enterobacteriaceae. Es handelt
sich um gramnegative, bewegliche, begeißelte Bakterien, die nicht sporenbildend und fakultativ
anaerob sind.
Für die wichtigsten Serotypen (Serovare) der Salmonella enterica, so auch für Salmonella (S.)
Typhi und S. Paratyphi, sind zur Feindifferenzierung verschiedene Systeme der Lysotypie
verfügbar. Lysotypen von S. Typhi werden fortlaufend mit A, B1, B2, E2 etc. und von 25 bis 66
bzw. für S. Paratyphi B mit 1, 2, 3b, Taunton, Dundee, Beccles, Jersey, BAOR etc. bezeichnet.
Des Weiteren können die Stämme mit verschiedenen molekularbiologischen Methoden (z.B.
Pulsfeld-Gelelektrophorese – PFGE, Plasmidanalyse) charakterisiert werden. Die
Feintypisierung kann zur Aufklärung von Ausbruchsgeschehen beitragen, indem sie auf
Infektionen aus gleicher Quelle hinweist.
Salmonellen des Serotyps Paratyphi B können sowohl enteritische als auch systemische
Verlaufsformen hervorrufen und werden demnach in zwei unterschiedliche Pathovare eingeteilt.
Die unterschiedlichen klinischen Eigenschaften scheinen sich auch in biochemischen und
molekularbiologischen Eigenschaften widerzuspiegeln: Der enteritische Pathovar (früher: S.
Java) ist Tartrat positiv, SopE negativ, avrA positiv, während der systemische Pathovar Tartrat
negativ, SopE positiv und avrA negativ ist.
Vorkommen
Beide Erreger sind weltweit verbreitet.
Die weltweite jährliche Inzidenz von Typhus abdominalis wird auf etwa 22 Millionen
Erkrankungen und 200.000 Todesfälle geschätzt. In Bezug auf Paratyphus geht man von
5,5 Millionen Erkrankungsfällen aus. In Ländern mit unzureichenden hygienischen
Bedingungen, z.B. in Afrika, Südamerika und Südostasien, sind besonders hohe
Erkrankungszahlen sowie wiederholte Ausbrüche und Epidemien zu verzeichnen.
In Deutschland konnte die Zahl der Erkrankungen seit 1951 (s.u.) durch eine erhebliche
Verbesserung der hygienischen Bedingungen stark vermindert werden. Entsprechend der
Meldepflicht nach IfSG wurden im Jahr 2006 an das RKI 75 Fälle von Typhus abdominalis
übermittelt (zum Vergleich: 2005: 80 Fälle; 2004: 82 Fälle; 2003: 65 Fälle; 2002: 59 Fälle; 2001:
89 Fälle). Die bundesweite Inzidenz lag im Jahr 2006 bei unter 0,1 Erkrankungen pro
100.000 Einwohner. 1951 betrug die Inzidenz noch 10,6 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner.
Rund 89 % der Erkrankungen im Jahr 2006 wurden importiert (z.B. aus Indien, Pakistan, Nepal
und der Türkei).
Auch die Inzidenz von Paratyphus ist in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland
deutlich zurückgegangen, hat sich in den letzten Jahren jedoch auf niedrigem Niveau
stabilisiert. Die Zahl der übermittelten Fälle betrug 73 im Jah""2006 (zum Vergleich: 2005:
56 Fälle; 2004: 106 Fälle; 2003: 72 Fälle; 2002: 67 Fälle; 2001: 72 Fälle). Damit lag die Inzidenz
im Jahr 2006 bei etwas unter 0,1 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Vergleich zu einer
Inzidenz von 10,3 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner im Jahr 1951. Knapp drei Viertel der
Erkrankungen an Paratyphus (74%) wurden im Jahr 2006 importiert (z.B. aus Indien, der
Türkei, Pakistan, Serbien).
Reservoir
Reservoir für S. Typhi und S. Paratyphi ist der Mensch. Bei der Verbreitung der Krankheit
spielen klinisch inapparent erkrankte Personen und Dauerausscheider (s.u.) eine besondere
Rolle. In seltenen Fällen können Haustiere Reservoir für S. Paratyphi B sein (z.B. Rinder). Die
in
den
letzten
Jahren
zunehmend
beobachteten
S.-Paratyphi-B-Stämme
aus
Geflügelbeständen beispielsweise gehören zu den enteritischen Pathovaren, die im Gegensatz
zum klassischen, systemischen Pathovar (s.o.) keine systemische Paratyphus-Erkrankung
hervorrufen können. Es können lediglich leichtere klinische Symptome, wie z.B. Durchfälle,
auftreten.
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Infektionsweg
Die Übertragung erfolgt vorwiegend durch die Aufnahme von Wasser und Lebensmitteln, die
durch Ausscheidungen (Stuhl, Urin) kontaminiert wurden. Eine direkte fäkal-orale Übertragung
von Mensch zu Mensch ist möglich, aber von untergeordneter Bedeutung. Die minimale
Infektionsdosis ist kleiner als bei den Enteritis-Salmonellen: die mittlere Infektionsdosis, die zu
5
einer Erkrankung führt, beträgt 10 Keime. Allerdings ist die erforderliche Zahl der Keime
abhängig von der Empfänglichkeit des Patienten (Alter, Immunitätslage, Grundleiden, pH-Wert
des Magens) und vom Vehikel der Übertragung (Wasser oder Lebensmittel).
Inkubationszeit
Typhus abdominalis: ca. 3–60 Tage; gewöhnlich 8–14 Tage
Paratyphus: ca. 1–10 Tage
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Ansteckungsgefahr besteht durch Keimausscheidung im Stuhl ab ungefähr einer Woche nach
Erkrankungsbeginn. Die Ausscheidung kann über Wochen nach dem Abklingen der Symptome
anhalten und in 2–5% der Fälle in eine lebenslange symptomlose Ausscheidung übergehen.
Klinische Symptomatik
Typhus und Paratyphus gehören zu den zyklischen, systemischen Infektionskrankheiten.
Typhus abdominalis: Das Prodromalstadium beginnt mit uncharakteristischen Beschwerden,
wie Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, evtl. auch subfebrilen Temperaturen. Bei
unbehandelten Fällen kommt es innerhalb von 2–3 Tagen zu einem hochfieberhaften
Krankheitsbild mit Temperaturen zwischen 39 °C und 41 °C und einem deutlichen allgemeinen
Krankheitsgefühl
(Kopfschmerzen,
beginnende
Somnolenz,
uncharakteristische
Abdominalbeschwerden, Gliederschmerzen). Die hohen Temperaturen um 40 °C können bis zu
3 Wochen anhalten (Kontinua). Es kann zunächst eine Verstopfung auftreten, später kommt es
häufig zu erbsbreiartigen Durchfällen. Zwar typisch, aber nur selten zu sehen sind hellrote,
stecknadelkopfgroße (2–4 mm), nichtjuckende Hauteffloreszenzen (Roseolen), zumeist an der
Bauchhaut. Auffällig ist eine relative Bradykardie, die aber nicht obligat ist.
Komplikationen wie Darmblutungen und -perforationen mit Peritonitis, nekrotisierende
Cholezystitis, thromboembolische Ereignisse, Osteomyelitis, Endokarditis oder Meningitis
können auftreten. Bei nicht antibakteriell behandelten Patienten schließt sich u.U. eine
verlängerte Phase der Rekonvaleszenz an. Bei weiterhin nachweisbaren subfebrilen
Temperaturen ist mit dem Auftreten eines Rezidivs zu rechnen. Auch mehrfache Rezidive sind
möglich. Bei Kindern unter 1 Jahr verläuft die Erkrankung schwerer und es treten häufiger
Komplikationen auf. Nach überstandener Erkrankung scheiden 2–5% der Infizierten dauerhaft
Erreger aus. Das bedeutet, dass Typhus- bzw. Paratyphus-Dauerausscheider (permanent
carriers) länger als 6 Monate und zwar lebenslang Erreger ausscheiden. Sie können so eine
Infektionsquelle für andere sein. In Deutschland bekannte Dauerausscheider sind meist älter als
50 Jahre und häufiger weiblich als männlich.
Paratyphus: Der klinische Verlauf bei Paratyphus ist ähnlich wie bei Typhus, er ist jedoch bei
Paratyphus meist leichter ausgeprägt. So treten häufiger gastroenteritische Verlaufsformen mit
Durchfällen, Übelkeit, Erbrechen, abdominellen Schmerzen und Fieber bis 39 °C auf. Die
Krankheitsdauer beträgt 4–10 Tage.
Eine überstandene Typhus-Erkrankung hinterlässt eine etwa ein Jahr anhaltende Immunität, die
jedoch mit einer hohen Infektionsdosis jederzeit durchbrochen werden kann.
Diagnostik
Typhus- und Paratyphus-Erkrankungen werden vielfach mit grippalen Infekten oder bei
Tropenrückkehrern mit einer Malaria verwechselt. Bei jeder über 4 Tage dauernden
hochfieberhaften Erkrankung ohne zunächst feststellbaren Organbefund müssen Typhus und
Paratyphus in die differenzialdiagnostischen Überlegungen einbezogen werden, insbesondere
nach Reisen oder längeren Aufenthalten in Typhus-Endemiegebieten.
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Folgende unspezifische Laborbefunde geben Hinweise auf Typhus- und ParatyphusErkrankungen:
Leukopenie,
Linksverschiebung des Blutbildes,
Aneosinophilie,
weitere: geringe Erhöhung der Leberenzyme, des C-reaktiven Proteins und der
Blutsenkungsgeschwindigkeit.
Erregernachweis: Die beweisende Diagnostik von Typhus oder Paratyphus ist der direkte
Erregernachweis, der aus Blut, Knochenmark, Harn, Stuhl und Duodenalsekret erfolgen kann.
Therapie
Bei Typhus und Paratyphus muss mit schweren klinischen Krankheitsbildern gerechnet werden.
An Typhus oder Paratyphus Erkrankte sollten in jedem Fall antibiotisch behandelt werden.
Besonders geeignet ist eine Therapie mit dem Gyrasehemmer Ciprofloxacin (nur für
Erwachsene) oder mit einem Breitspektrum-Cephalosporin wie z.B. Ceftriaxon über einen
Zeitraum von 2 Wochen. Die klassische Therapie mit Chloramphenicol hat bei gleicher oder
geringerer Wirksamkeit mehr mögliche Nebenwirkungen, so dass sie nicht mehr als Mittel der
Wahl anzusehen ist. Geeignete Substanzen sind außerdem Cotrimoxazol und Amoxicillin (ßLactamantibiotikum). Eine adäquate antibakterielle Typhus-Therapie ist vor allem im frühen
Stadium der Erkrankung sehr erfolgreich. Die Letalität liegt dann im Allgemeinen unter 1% und
Komplikationen treten selten auf. Wegen zunehmender Resistenzentwicklung (gegen
Chloramphenicol, Cotrimoxazol und Amoxicillin) in den Endemiegebieten hat die Gefahr eines
Versagens der Therapie zugenommen. Soweit möglich sollten deshalb die Erregerisolate
bezüglich ihrer Antibiotika-Sensitivität getestet werden.
Zur Sanierung von Dauerausscheidern wird die Gabe von Ciprofloxacin über einen Zeitraum
von 4 Wochen empfohlen. Gute Erfolge werden auch durch eine Therapie mit Ceftriaxon für 2
Wochen erzielt. Bei Dauerausscheidern mit Gallensteinen kann eine chirurgische Sanierung
mittels Cholecystektomie (nur unter gleichzeitiger Antibiotikatherapie) erforderlich sein.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Typhus-Erreger werden in den meisten Fällen über Trinkwasser übertragen; in
Endemiegebieten sollten Leitungswasser und damit hergestelltes Eis für Getränke nach
Möglichkeit gemieden werden. Auch rohe oder nicht ausreichend erhitzte Speisen, wie Blattund Feinkostsalate, Meeresfrüchte, ungeschältes Obst oder Säfte können mit Typhus- und
Paratyphus-Erregern kontaminiert sein. Es gilt deshalb in besonderer Weise die alte Regel
erfahrener Tropenreisender „Peel it, cook it, or forget it!“ („Schäle es, koche es oder vergiss
es!“). Im Übrigen gelten die allgemeinen küchenhygienischen Regeln zur Verhinderung der
Kontamination und Vermehrung von Krankheitserregern in Lebensmitteln.
Impfung: Es stehen ein oral und ein parenteral zu applizierender Impfstoff gegen Typhus zur
Verfügung, die besonders vor Reisen in die Endemiegebiete Asiens, Südamerikas und
Nordafrikas, speziell bei einfachen Lebensbedingungen, sowie bei Ausbrüchen oder
Katastrophen indiziert sind:
Der orale Lebendimpfstoff wird dreimal als magensaftresistente Kapsel im 2-TageAbstand eingenommen. Er besitzt eine gute Verträglichkeit und verleiht ca. 60% der
Geimpften Schutz für mindestens ein Jahr. Eine Auffrischimpfung ist bei bestehendem
Risiko nach einem Jahr indiziert.
Der parenteral zu verabreichende Impfstoff aus hochgereinigtem Vi-Antigen ist
ebenfalls gut verträglich und bietet nach einmaliger Gabe ca. 60% der geimpften
Erwachsenen und Kinder (über 2 Jahre) einen Impfschutz bis zu 3 Jahren.
Die bisherigen Studien zur Wirksamkeit gehen überwiegend von den induzierten Antikörpern
aus. Kontrollstudien bei Reisenden fehlen fast völlig.
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
An Typhus oder Paratyphus erkrankte Personen sollten antibiotisch und – in der Regel – in
einem Krankenhaus behandelt werden (Ausnahmen: leichter Verlauf, gute Betreuung). Die
Pflege der Patienten erfordert strikte hygienische Bedingungen, z.B. Unterbringung im
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Einzelzimmer, wirksame Händehygiene, Kitteltausch nach jedem Patienten. Nach der
Entlassung aus der stationären Behandlung bzw. nach dem Abschluss einer ambulanten
Behandlung können die Patienten durch das Gesundheitsamt weiter beobachtet werden (§ 29
Abs. 1 IfSG), bis ein negatives Ergebnis von insgesamt 3 Stuhluntersuchungen vorliegt (erste
Stuhlprobe frühestens 24 Stunden nach Abschluss der antimikrobiellen Therapie, Abstand der
Proben
1–2
Tage).
Eine
Wiederzulassung
zu
Schulen
und
sonstigen
Gemeinschaftseinrichtungen bzw. zu beruflicher Tätigkeit ist nach klinischer Genesung und
Vorliegen von 3 aufeinander folgenden negativen Stuhlbefunden möglich.
Personen, die an Typhus oder Paratyphus erkrankt sind oder bei denen der Verdacht auf eine
Erkrankung besteht, dürfen gemäß § 42 des Infektionsschutzgesetzes beim Herstellen,
Behandeln oder Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel (s. nachfolgende Aufstellung) nicht
tätig sein, wenn sie mit den Lebensmitteln in Berührung kommen. Das gilt auch für Personen,
die zeitweilige Ausscheider bzw. Dauerausscheider von S. Typhi oder S. Paratyphi sind sowie
für Beschäftigte in Küchen von Gaststätten und sonstigen Einrichtungen mit oder zur
Gemeinschaftsverpflegung.
Bei einer Tätigkeit in Lebensmittelbetrieben oder Gemeinschaftseinrichtungen sind nach einer
Erkrankung spätere Kontrolluntersuchungen zum Ausschluss einer langfristigen Ausscheidung
sinnvoll.
Lebensmittel gemäß § 42 IfSG sind:
Fleisch, Geflügelfleisch und Erzeugnisse daraus
Milch und Erzeugnisse auf Milchbasis
Fische, Krebse oder Weichtiere und Erzeugnisse daraus
Eiprodukte
Säuglings- und Kleinkindernahrung
Speiseeis und Speiseeishalberzeugnisse
Backwaren mit nicht durchgebackener oder durcherhitzter Füllung oder Auflage,
ausgenommen Dauerbackwaren
Feinkost-, Rohkost- und Kartoffelsalate, Marinaden, Mayonnaisen, andere emulgierte
Soßen, Nahrungshefen
Nach § 34 IfSG dürfen Personen, die an Typhus oder Paratyphus erkrankt oder dessen
verdächtig sind, in Gemeinschaftseinrichtungen keine Lehr- oder Aufsichtstätigkeiten bzw.
sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach
ärztlichem Attest eine Weiterverbreitung der Krankheit nicht mehr zu befürchten ist. Ebenfalls
gilt für in Gemeinschaftseinrichtungen betreute erkrankte Personen, dass sie diese nicht
besuchen dürfen, bis eine Weiterverbreitung der Erkrankung nicht mehr zu befürchten ist.
Bei Ausscheidern von S. Typhi oder S. Paratyphi ist eine Belehrung über hygienische
Verhaltensregeln und die Vermeidung von Infektionsrisiken erforderlich; eine Sanierung sollte
angestrebt werden (ggf. in einer Einrichtung mit spezieller Erfahrung). Im Falle der
beabsichtigten Aufnahme in ein Heim kann im Einverständnis mit der Einrichtung meist in
Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt eine individuelle Regelung (sanitärhygienische
Bedingungen, Verhaltensanforderungen) getroffen werden (z.B. eigene Toilette), die eine
Zulassung zu der Gemeinschaftseinrichtung ermöglicht.
Entsprechend
§
34
IfSG
ist
ein
Ausschluss
von
Kontaktpersonen
aus
Gemeinschaftseinrichtungen bis zum Vorliegen von 3 aufeinander folgenden negativen
Stuhlproben im Abstand von 1–2 Tagen notwendig. Ausnahmen können in Absprache mit dem
Gesundheitsamt erfolgen, wenn keine typhusverdächtigen Symptome vorliegen und wenn eine
strikte Einhaltung der Hygienemaßnahmen (s.u.) gegeben ist.
Die Übertragung von S. Typhi und Paratyphi kann wirksam durch das Vermeiden von fäkaloralen Schmierinfektionen, vor allem durch eine effektive Händehygiene (gründliches Waschen
der Hände nach jedem Stuhlgang und vor der Zubereitung von Mahlzeiten, Verwendung von
Einmal-Papierhandtüchern, Desinfektion mit alkoholischem Händedesinfektionsmittel), verhütet
werden.
Eine wirksame postexpositionelle Prophylaxe ist nicht bekannt.
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3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen ist das schnellstmögliche Ermitteln der Infektionsquelle bzw. des
übertragenden Vehikels entscheidend, um Maßnahmen zur Erfassung der möglicherweise
Infizierten und zur Verhinderung der weiteren Ausbreitung einleiten zu können. Das zuständige
Gesundheitsamt muss daher unverzüglich informiert werden. Besteht der Verdacht auf eine
Übertragung
durch
bestimmte
Lebensmittel,
muss
die
zuständige
Lebensmittelüberwachungsbehörde sofort in Kenntnis gesetzt werden. Isolierte Stämme
sollten zur weiteren Typisierung und Charakterisierung möglichst rasch an das NRZ gesandt
werden.
Meldepflicht
Nach § 7 IfSG besteht eine Meldepflicht für alle direkten Nachweise von Salmonella Typhi und
Salmonella Paratyphi. Gemäß § 6 IfSG sind Krankheitsverdacht, Erkrankung und Tod an
Typhus abdominalis und Paratyphus meldepflichtig.
Darüber hinaus stellt das Gesundheitsamt gemäß § 25 Abs. 1 IfSG ggf. eigene Ermittlungen an.
Modifiziert nach RKI, Stand: 08.05.2007
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Varizellen (Windpocken), Herpes Zoster (Gürtelrose)
Erreger
Das Varicella-Zoster-Virus (VZV) kann zwei verschiedene klinische Krankheitsbilder
verursachen: Varizellen (Windpocken) bei exogener Erstinfektion und Herpes zoster
(Gürtelrose) bei endogener Reaktivierung. Das Virus aus der Familie der Herpesviridae ist
neben dem Herpes-simplex-Virus 1 und 2 das dritte humanpathogene Alpha-Herpesvirus.
Außerhalb des Körpers kann es in Abhängigkeit von den Umgebungsbedingungen mindestens
einige Tage seine Infektiosität bewahren.
Vorkommen
Varizellen sind weltweit verbreitet. – In Deutschland sind Varizellen unter den
Infektionskrankheiten im Kindesalter, die prinzipiell durch Impfung vermeidbar sind, am
häufigsten. Bisher, d.h. im Zeitraum vor der allgemeinen Impfempfehlung, waren
durchschnittlich etwa 750.000 Erkrankungen pro Jahr zu erwarten. Die Häufigkeit der Varizellen
steigt nach dem Verschwinden der maternalen Antikörper im Kleinkindesalter stark an, so dass
die meisten Kinder schon im Schulalter seropositiv sind. Bei über 95% aller Erwachsenen sind
Antikörper gegen das VZV nachweisbar.
Der Herpes zoster tritt gehäuft bei älteren Menschen jenseits des fünften Lebensjahrzehntes
auf. Man kann davon ausgehen, dass etwa 20% der Bevölkerung einmal im Leben an einem
Zoster erkranken.
Reservoir
Der Mensch ist das einzige bekannte Reservoir für das VZV.
Infektionsweg
Varizellen sind äußerst kontagiös; nach einer Exposition erkranken über 90 von 100
empfänglichen, d.h. seronegativen Personen (Kontagionsindex nahe 1,0). Das Virus kommt
endemisch in der Bevölkerung vor und wird vor allem während saisonaler Häufungen – in
gemäßigten Breitengraden im Winter und Frühjahr – übertragen.
Die Übertragung erfolgt aerogen durch virushaltige Tröpfchen, die beim Atmen oder Husten
ausgeschieden werden (und u.U. im Umkreis von mehreren Metern zur Ansteckung führen
können). Ferner ist eine Übertragung durch virushaltigen Bläscheninhalt oder Krusten als
Schmierinfektion möglich. Bei Herpes zoster besteht eine geringe Kontagiosität, da nur die
virushaltige Bläschenflüssigkeit infektiös ist.
Eine diaplazentare Übertragung ist selten, kann aber in etwa 1–2% der Varizellenerkrankungen
bei Schwangeren zum fetalen Varizellensyndrom führen, sofern die Erkrankung zwischen der 5.
und 24. Schwangerschaftswoche aufgetreten ist. Eine mütterliche Erkrankung 5 Tage vor bis 2
Tage nach der Geburt stellt ebenfalls eine erhebliche gesundheitliche Bedrohung für das
Neugeborene dar (s.u.).
Von einem Herpes zoster der Mutter geht keine Gefahr für das ungeborene Kind aus.
Inkubationszeit
Die Inkubationszeit der Varizellen kann 8–28 Tage betragen, sie liegt in der Regel bei 14–16
Tagen.
Dauer der Ansteckungsfähigkeit
Die Ansteckungsfähigkeit beginnt 1–2 Tage vor Auftreten des Exanthems und endet 5–7 Tage
nach Auftreten der letzten Effloreszenzen.
Patienten mit Herpes zoster sind bis zur Verkrustung der Bläschen ansteckungsfähig
(Schmierinfektionen).
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Klinische Symptomatik
Varizellen
Nach uncharakteristischen Prodromi (1–2 Tage vor Krankheitsbeginn) beginnt die Erkrankung
mit einem juckenden Exanthem und Fieber, selten über 39°C, für einen Zeitraum von 3–5
Tagen. Die Hautläsionen, das Hauptmerkmal der Infektion, bestehen aus Papeln, Bläschen und
Schorf in verschiedenen Entwicklungsstadien („Sternenhimmel“). Diese Läsionen, die sich
innerhalb kurzer Zeit zu Blasen entwickeln, erscheinen zuerst am Stamm und im Gesicht und
können schnell auf andere Körperteile unter Einbeziehung der Schleimhäute und behaarten
Kopfhaut übergreifen. Der Schweregrad der Läsionen kann sehr unterschiedlich sein. Kleinere
Kinder bilden meist weniger Bläschen aus als ältere Personen. Varizellen weisen bei sonst
gesunden Personen in der Regel einen gutartigen Verlauf auf und heilen im Normalfall ohne
Narben ab. Durch starkes Kratzen oder bakterielle Superinfektionen können Narben
zurückbleiben.
Bei Neugeborenen, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten unter einer
immunsuppressiven Therapie (z.B. Glukokortikoid- oder zytostatische Therapie) können sich
jedoch schwere, auch hämorrhagische Krankheitsverläufe – nicht selten mit letalem Ausgang –
entwickeln. Schwere Krankheitsverläufe werden aber auch bei sonst gesunden Kindern
beobachtet.
Die Bedeutung der Windpocken ergibt sich vor allem aus den möglichen Komplikationen:
Die häufigste infektiöse Komplikation ist eine bakterielle Superinfektion der
Hautläsionen, meist verursacht durch Streptococcus pyogenes oder Staphylococcus
aureus.
Eine sehr schwerwiegende Komplikation ist die Varizellenpneumonie. Sie tritt häufiger
bei Erwachsenen (bis 20%) als bei Kindern auf und beginnt gewöhnlich 3–5 Tage nach
Krankheitsausbruch. Schwangere Frauen sind besonders gefährdet.
ZNS-Manifestationen sind in etwa 0,1% der Erkrankungen zu verzeichnen und äußern
sich in meningealer Reizung und akuter zerebellärer Ataxie, die jedoch eine günstige
Prognose besitzt. Weitere mögliche, auch schwerwiegendere Komplikationen, die das
Nervensystem betreffen, sind eine aseptische Meningitis, Enzephalitis, Myelitis
transversa, ein Guillain-Barré-Syndrom oder ein Reye-Syndrom.
In Einzelfällen kann es zu Myokarditis, kornealen Läsionen, Nephritis, Arthritis,
Blutungsneigung, akuter Glomerulonephritis und Hepatitis kommen.
Beim Auftreten von Varizellen im ersten und zweiten Trimenon der Schwangerschaft
kann das fetale Varizellensyndrom entstehen, das in seinem Vollbild durch segmental
angeordnete Hautveränderungen (Skarifikationen, Ulcera, Narben), neurologische
Erkrankungen
und
Fehlbildungen
(Hirnatrophie,
Paresen,
Krampfleiden),
Augenschäden (Mikrophthalmie, Chorioretinitis, Katarakt) und Skelettanomalien
gekennzeichnet ist.
Schwer verlaufende neonatale Windpocken können bei einer Erkrankung der
empfänglichen Mutter innerhalb von 5 Tagen vor der Geburt oder bis zu 48 Stunden
danach entstehen. Da das Neugeborene in diesen Fällen transplazentar keine
protektiven Antikörper erhält und ein unreifes Immunsystem hat, sind die Verläufe sehr
schwer und mit einer Letalitätsrate bis zu 30% verbunden. Das größte Risiko haben
Neugeborene, die zwischen dem 5. und 10. (12.) Lebenstag an Varizellen erkranken.
Herpes zoster
Der Herpes zoster stellt keine exogene Neuinfektion, sondern ein endogenes Rezidiv dar und
kann sich nur bei Individuen mit einer früheren VZV-Infektion ausbilden. Der in den Spinal- bzw.
Hirnnervenganglien des Organismus persistierende Erreger führt dann bei einer Reaktivierung
zum Herpes zoster. Vorwiegend tritt er bei immungeschwächten bzw. älteren Personen auf,
wird aber auch spontan bei Immunkompetenten und jüngeren Erwachsenen sowie bei Kindern
und Jugendlichen beobachtet.
Herpes zoster kann zwar auch bei Personen, die mit einer Lebendvakzine gegen Varizellen
geimpft wurden, auftreten. Studien zur Varizellenimpfung an Kindern mit Leukämie in
kompletter Remission haben jedoch ergeben, dass die Herpes-zoster-Inzidenz bei geimpften
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Kindern geringer war als in einer ungeimpften Kontrollgruppe (0,80 vs. 2,46/100 PersonenJahre).
Der Herpes zoster ist durch unilaterale, vesikuläre Eruptionen innerhalb eines Dermatoms mit
zum Teil starken Schmerzen gekennzeichnet. Die Dermatome von T3 bis L3 sind am häufigsten
betroffen. Bei Befall des Trigeminus (Nervus ophthalmicus) kommt es zum Zoster
ophthalmicus. Weitere Zostermanifestationen können der Zoster oticus und Zoster
maxillaris sein sowie der Zoster genitalis bei Befall der Nerven im Genitalbereich.
Bei Kindern verläuft die Erkrankung im Allgemeinen gutartig, bei Erwachsenen können
erhebliche Schmerzen durch eine akute Neuritis auftreten. Nach Abheilen des Zosters kann
eine postherpetische Neuralgie über lange Zeit, in Einzelfällen sogar lebenslang, erhebliche
Schmerzen bereiten.
Bei Immundefizienz kann es zum disseminierten Zoster kommen, der nicht mehr segmental
begrenzt ist, an multiplen Stellen auftreten und sekundär hämatogen generalisieren kann.
Solche Verläufe können lebensbedrohlich sein.
Ebenso wie bei den Varizellen kann auch bei Herpes-zoster-Erkrankung das ZNS in Form einer
meningealen Reizung oder Meningoenzephalitis betroffen sein. Seltene ZNS-Manifestationen
sind die granulomatöse Angiitis mit kontralateraler Hemiplegie sowie die aufsteigende Myelitis,
evtl. mit motorischen Paralysen.
Diagnostik
Erkrankungen an Varizellen/Herpes zoster sind in der Regel durch ein typisches klinisches Bild
gekennzeichnet, so dass eine spezifische Diagnostik nur in ausgewählten Fällen erforderlich ist.
Dies betrifft atypische Krankheitsbilder bei Patienten mit Immundefizienz, ZNS-Erkrankungen,
Pneumonie, Infektionen während der Schwangerschaft und des Neugeborenen sowie die
Unterscheidung von Impfvarizellen gegenüber natürlich erworbenen Varizellen.
Therapie
Varizellen
Die symptomatische Behandlung bei immunkompetenten Patienten soll die Beschwerden und
Begleiterscheinungen lindern und zugleich vermeidbaren Komplikationen vorbeugen.
Insbesondere bakterielle Superinfektionen der Haut können durch sorgfältige Hautpflege
(tägliches Baden, topische Verbände, Gabe von juckreizlindernden Medikamenten) vermieden
werden.
Herpes zoster
Bei immunkompetenten Patienten ist neben der sorgfältigen Hautpflege eine orale antivirale
Therapie mit Aciclovir, Brivudin, Famciclovir oder Valaciclovir (orales Prodrug von Aciclovir)
indiziert. Dadurch werden die Heilung der Läsionen und das Sistieren des mit Zoster
assoziierten Schmerzes beschleunigt.
Bei Immungeschwächten mit Windpocken oder Herpes zoster muss Aciclovir parenteral
verabreicht werden. Das gilt auch für die Behandlung von Komplikationen, z.B.
Varizellenpneumonie oder Zoster ophthalmicus. Die Therapie von Zostererkrankungen bei
immunsupprimierten erwachsenen Patienten sowie des Zoster ophthalmicus ist auch mit der
oralen Gabe von Famciclovir möglich.
Präventiv- und Bekämpfungsmaßnahmen
1. Präventive Maßnahmen
Seit August 2004 ist die Varizellen-Schutzimpfung von der STIKO für alle Kinder und
Jugendlichen empfohlen. Die Impfung sollte vorzugsweise im Alter von 11–14 Monaten
durchgeführt werden, kann jedoch auch jederzeit danach erfolgen. Noch ungeimpfte 9- bis 17Jährige ohne Varizellenanamnese sollten möglichst bald geimpft werden, da die Erkrankung bei
Ihnen mit einer höheren Komplikationsrate einhergeht. Die ausführliche Begründung der
Empfehlung ist hier verfügbar.
Neugeborene empfänglicher Mütter, Personen mit geschwächter Immunabwehr und Patienten
unter einer Glukokortikoidtherapie sowie Personen mit schwerer Neurodermitis sind in der
Regel durch schwere Krankheitsverläufe besonders gefährdet. Für diese definierten
Risikogruppen sind präventive Maßnahmen indiziert. Sinnvoll ist deshalb eine rechtzeitige
aktive Immunisierung empfänglicher Kontaktpersonen.
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Entsprechend den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ist eine Impfung
auch bei folgenden Personen indiziert:
Seronegative Frauen mit Kinderwunsch
Seronegative Patienten vor geplanter immunsuppressiver Therapie oder
Organtransplantation
Seronegative
Patienten
unter
immunsuppressiver
Therapie
Eine Impfung sollte jedoch nicht unter intensiver immunsuppressiver Therapie
durchgeführt werden (z.B. in der Anfangsphase der Behandlung).
Seronegative
Patienten
mit
Leukämie
Nach Abschluss der immunsuppressiven Therapie und vollständiger klinischer
Remission ≥ 12 Monate und vollständiger hämatologischer Remission
(Gesamtlymphozytenzahl ≥ 1.200/mm³ Blut)
Empfängliche
Patienten
mit
schwerer
Neurodermitis
(„empfängliche Personen“ bedeutet: anamnestisch keine Windpocken, keine Impfung
und bei serologischer Testung kein Nachweis spezifischer Antikörper)
Weiterhin sollte eine Impfung durchgeführt werden bei seronegativem Personal im
Gesundheitsdienst,
insbesondere
der
Bereiche
Pädiatrie,
Onkologie,
Gynäkologie/Geburtshilfe, Intensivmedizin und der Betreuung von Immundefizienten
sowie bei Neueinstellungen in Gemeinschaftseinrichtungen für das Vorschulalter
Bei Kindern vor dem vollendeten 13. Lebensjahr sollte eine Dosis gegeben werden, 2 Dosen im
Abstand von mindestens 6 Wochen werden bei Kindern ab 13 Jahren, Jugendlichen und
Erwachsenen gegeben (Hinweise der Hersteller beachten).
Empfehlungen zur postexpositionellen Varizellenprophylaxe Inkubationsimpfung:
Bei ungeimpften Personen mit negativer Varizellenanamnese und Kontakt zu Risikopersonen
ist eine postexpositionelle Impfung innerhalb von 5 Tagen nach Exposition* oder innerhalb von
3 Tagen nach Beginn des Exanthems beim Indexfall zu erwägen. Auf Vermeidung von
Kontakten zu Risikopersonen sollte strikt geachtet werden.
Postexpositionelle Prophylaxe durch passive Immunisierung mit Varicella-ZosterImmunglobulin (VZIG):
Eine postexpositionelle Varizellenprophylaxe mittels VZIG wird innerhalb von 96 Stunden nach
Exposition* für Personen mit erhöhtem Risiko für Varizellenkomplikationen empfohlen. Sie kann
den Ausbruch einer Erkrankung verhindern oder deutlich abschwächen.
Zu diesem Personenkreis zählen:
ungeimpfte Schwangere ohne Varizellenanamnese,
immundefiziente Patienten mit unbekannter oder fehlender Varizellenimmunität,
Neugeborene, deren Mutter 5 Tage vor bis 2 Tage nach der Entbindung an Varizellen
erkrankte
Für Applikation und Dosierung von VZIG sind die Herstellerangaben zu beachten.
Die Empfehlungen der STIKO zu Impfungen und zur Postexpositionsprophylaxe bei Varizellen
finden sich im Epidemiologischen Bulletin 30/2004.
* Exposition wird hier wie folgt definiert:
eine Stunde oder länger mit infektiöser Person in einem Raum
face-to-face-Kontakt
Haushaltskontakt
2. Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen
Im häuslichen Milieu sind spezielle Maßnahmen für Patienten und Kontaktpersonen in der
Regel nicht notwendig. Patienten mit Abwehrschwäche sollen keinen Kontakt zu Erkrankten
haben.
Unter stationären Bedingungen ist zur Vermeidung von nosokomialen Infektionen eine strikte
Isolierung (Luftführung der Klimaanlage beachten) von Patienten mit Varizellen erforderlich. Bei
Herpes zoster steht die Übertragung über Schmierinfektionen im Vordergrund. Bei strenger
Einhaltung der Standardhygiene und Abdeckung der Läsionen ist eine strikte Isolierung nur bei
möglichem Kontakt mit abwehrgeschwächten Personen erforderlich.
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Bei
Desinfektionsmaßnahmen zur Vermeidung
nosokomialer Infektionen, sollen
Desinfektionsmittel mit nachgewiesener begrenzt viruzider Wirksamkeit verwendet werden.
Nach dem Berufsgenossenschaftlichen Untersuchungsgrundsatz G 42 sollten alle
Beschäftigten in Risikobereichen des Gesundheitswesens immun sein.
Nach § 34 (1) IfSG dürfen an Varizellen erkrankte Personen in Gemeinschaftseinrichtungen
keine Lehr-, Erziehungs-, Pflege-, Aufsichts- oder sonstigen Tätigkeiten ausüben, bei denen
sie Kontakt zu den dort Betreuten haben, bis nach ärztlichem Urteil eine Weiterverbreitung der
Krankheit durch sie nicht mehr zu befürchten ist. Entsprechend dürfen auch Erkrankte, die in
Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, die dem Betrieb der Gemeinschaftseinrichtung
dienenden Räume nicht betreten, Einrichtungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht benutzen
und an Veranstaltungen der Gemeinschaftseinrichtung nicht teilnehmen. Eine Wiederzulassung
zu Schulen und sonstigen Gemeinschaftseinrichtungen ist eine Woche nach Beginn einer
unkomplizierten Erkrankung möglich. Ein schriftliches ärztliches Attest ist nicht erforderlich.
3. Maßnahmen bei Ausbrüchen
Bei Ausbrüchen sollte das zuständige Gesundheitsamt informiert werden, damit für gefährdete
Personen frühzeitig präventive Maßnahmen eingeleitet werden können (s. auch Maßnahmen
für Patienten und Kontaktpersonen).
Meldepflicht
Nach dem IfSG ist eine generelle Meldepflicht für Ärzte und Laboratorien nicht vorgeschrieben.
Gemäß § 6 (1) Nr. 5b IfSG ist jedoch das Auftreten von zwei oder mehr Erkrankungen, bei
denen ein epidemiologischer Zusammenhang vermutet wird, meldepflichtig, sofern eine Gefahr
für die Allgemeinheit besteht (bei Varizellen z.B. im Umfeld immungeschwächter Personen).
Nach § 6 (3) IfSG sind gehäuft auftretende nosokomiale Varizellen unverzüglich als Ausbruch
an das zuständige Gesundheitsamt zu melden.
Für Leiter von Gemeinschaftseinrichtungen besteht gemäß § 34 (6) IfSG die Pflicht, das
zuständige Gesundheitsamt unverzüglich über das Auftreten bestimmter Infektionen und
Erkrankungen, bei denen die Gefahr der Weiterverbreitung besteht, zu benachrichtigen und
dazu krankheits- und personenbezogene Angaben zu machen. Dies betrifft nach § 34 (1) IfSG
auch die Varizellen.
Modifiziert nach RKI, Stand: 25.08.2006
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Seite 194 von 205
VHF = Virusbedingtes Hämorrhagisches Fieber
° mit Blutungen einhergehend
Definition
Der Begriff VHF bezieht sich auf die vier Viren Lassa, Marburg, Ebola und Krim-Kongo, für die
eine direkte Übertragung von Mensch zu Mensch nachgewiesen werden konnte. Dieser
Risikofaktor unterscheidet sie von mehreren hämorrhagischen Krankheiten wie beispielsweise
dem Gelbfieber oder dem Denguefieber, die durch Insekten übertragen werden. So ist zunächst
einmal eine klare Falldiagnose notwendig, um eine Epidemie von Fehlalarmen zu vermeiden.
Das Übertragungsrisiko des VHF ist vor allem durch kontaminierte medizinische Instrumente
und Kontakt mit virushaltigem menschlichem (oder tierischen) organischem Material
nachgewiesen. Deshalb sind im Krankenhaus strikte Schutzmaßnahmen notwendig.
Symptome
Im Anfangsstadium allgemeine Symptome eines grippalen Infektes mit Fieber, Halsschmerzen,
Muskelschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen, die teils sehr akut (z. B. EbolaVirus) aber auch schleichend (z.B. Lassa-Fieber) einsetzen. Nach wenigen Tagen kommt es zu
Blutungen (Hämorrhagien) unterschiedlichen Ausmaßes, die
zunächst oft als
Schleimhautblutungen, Zahnfleischblutungen, blutiger Durchfall das Versagen des
Blutgerinnungssystems anzeigen und letztlich zu Nierenversagen und Herz-Kreiskauf-Schock
führen.
Therapie
Da es keine kurative Therapie gibt, kann die Behandlung nur rein symptomatisch erfolgen. Die
Patienten werden in entsprechenden Spezialzentren unter speziellen Schutzvorkehrungen
betreut.
Bislang bekannte VHF-Krankheiten
Ebola-Virus –Fieber und Marburg – Fieber
Erreger
zwei Unterformen der so genannten Filoviren.
Vorkommen
Ebola-Virus : Kongo, Uganda, Sudan, Gabun, Elfenbeinküste
Marburg-Virus : Uganda, Zimbabwe, Kenia, Kongo
Übertragungsweg
Die Übertragung der Infektion erfolgt hauptsächlich durch direkten, engen Kontakt von Mensch
zu Mensch, wahrscheinlich über bluthaltige Körpersekrete.
Inkubationszeit
2 – 21 Tage
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Krim-Kongo-Fieber
Erreger
Bunyaviren
Vorkommen
Krim, Ketsch-Halbinsel, Kasachstan, Usbekistan,Rostov-u.Astrakhan-Region Russland,
Albanien,Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Irak, Arabische Halbinsel, Pakistan, Westchina,
tropisches Afrika, Südafrika, Mauretanien.
Übertragungsweg
Das Virus wird hauptsächlich durch Hyaloma-Zecken übertragen, die gleichzeitig ein wichtiges
Erregerreservoir darstellen (diese Zecken kommen ausschließlich in wärmeren Regionen
südlich des Balkans vor). Domestizierte Tiere, wie Kühe, Schafe, Ziegen und Kamele, stellen
ebenfalls ein bedeutendes Reservoir dar. Eine Übertragung des Erregers kann auch bei
Kontakt mit infektiösem tierischem Blut (Inhalation von infiziertem Blut z.B.: beim Schächten von
Tieren möglich) oder Muskelfleisch erfolgen.
Inkubationszeit
2-9 Tage
Lassa Fieber
Erreger
Arenavirus
Vorkommen
Westafrika: Sierra Leone, Liberia, Guinea, Nigeria, Zentralafrika, Kongo, Mali, Senegal
Übertragungsweg
Chronisch infizierte Nagetiere (Mastomys natalensis) stellen das Erregerreservoir dar. Die
Übertragung auf den Menschen erfolgt hauptsächlich durch infektiöse Aerosole der
virushaltigen Nager-exkremente oder -blut. Saisonale Häufung während der Trockenzeit
(Januar-April).
Inkubationszeit
6 – 21 Tage, meist 7 – 12 Tage
Wie kann man sich schützen?
Eine Impfung gibt es nicht. Bei Reisen in entsprechende Endemiegebiete sollte man sich vorher
sorgfältig reisemedizinisch beraten lassen und entsprechend der Übertragungswege (siehe
umseitig) zusätzlich zu den allgemeinen hygienischen Vorsichtsmaßnahmen den Kontakt zu
Menschen mit fiebrigen Erkrankungen und zu Nagetieren konsequent meiden sowie
Vorsichtsmaßnahmen gegen Zeckenbisse ergreifen: Tragen dicht schließender heller Kleidung
aus glatten Stoffen, Zeckenschutzmitteln anwenden, nach einem Aufenthalt im Freien die
Kleidung und den Körper auf Zecken absuchen. Grundsätzlich ist unerklärliches Fieber bis zu
drei Wochen nach Rückkehr aus einem Endemiegebiet verdächtig. Suchen Sie in diesem Fall
unbedingt einen Arzt auf!
Wenn Sie in Deutschland erfahren, dass Sie innerhalb der letzten drei Wochen engen Kontakt
zu einem Erkrankten hatten, wenden Sie sich bitte umgehend an das nächstgelegene
Gesundheitsamt.
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Umgang mit hochkontagiösen lebensbedrohlichen
Erkrankungen
Hessisches Sozialministerium und Kompetenz-Zentrum für hochkontagiöse
lebensbedrohliche Erkrankungen am Stadtgesundheitsamt Frankfurt
Management bei Verdacht auf eine lebensbedrohliche hochkontagiöse Erkrankung (HKLE)
Falldefinition
Als lebensbedrohliche hochkontagiöse Infektionen werden gegenwärtig verschiedene durch
Viren ausgelöste hämorraghische Fieber (Ebola, Lassa, Marburg, Krim-Kongo und
möglicherweise weitere Erreger), sowie die Lungenpest und Infektionen durch Orthopoxviren
angesehen. Keine dieser Infektionen ist bislang originär in Deutschland aufgetreten. Allen
Infektionen ist gemeinsam, dass sie von Mensch zu Mensch übertragen werden können und
eine hohe Mortalitätsrate haben. Eine besondere Gefährdung besteht auf Grund des engen
Kontakts zu infektiösem Material für das versorgende Personal in Krankenhäusern.
In den letzten Jahren wurden in Deutschland und Europa mehrfach Patienten mit importierten
hochkontagiösen hämorrhagischen Fiebern (Lassa) und mehrere Verdachtsfälle in
Krankenhäusern
behandelt
und
eine
große
Unsicherheit
mit
den
nötigen
Sicherheitsvorkehrungen deutlich. Die vorliegenden Richtlinien sollen jetzt einen Rahmen
vorgeben.
Entscheidend ist, dass bei dem klinischen und anamnestischen Verdacht auf eine
hochkontagiöse lebensbedrohliche Erkrankung rechtzeitig die notwendigen Maßnahmen
ergriffen werden. Letztendlich ist die zeitnahe Erhebung der Verdachtsdiagnose die wesentliche
Voraussetzung für das adäquate Management von lebensbedrohenden hochkontagiösen
Infektionskrankheiten.
Das unverzüglich zu verständigende Gesundheitsamt soll die betroffenen Klinik/Praxis beraten
und notfalls die adäquaten Maßnahmen zum Schutz von Personal und Umgebung auch
anordnen.
Erreichbarkeit der Gesundheitsämter
Alle Gesundheitsämter müssen 24 Stunden täglich erreichbar sein, um im Falle einer
hochkontagiösen Erkrankung die notwendigen Maßnahmen koordinieren zu können.
Entsprechend müssen die Telefonnummern der Gesundheitsämter den Ärzten und Kliniken
regional bekannt gegeben werden. Außerhalb der Dienstzeit ist die Erreichbarkeit über die
jeweilige Rettungsleitstelle sicherzustellen. Sobald die Meldung eines Verdachtsfalles eintrifft,
muss die Amtsärztin/ der Amtsarzt oder die diensthabende Ärztin/ der Arzt eine
Plausibilitätskontrolle vornehmen. Insbesondere soll überprüft werden, ob wichtige
Differentialdiagnosen (z.B. Malaria) ausgeschlossen wurden. In der Regel ist dazu eine
Anamneseerhebung vor Ort notwendig.
Begründeter Verdachtsfall
Sobald eine Klinik/Arzt einen Verdachtsfall gemeldet hat, ist vom Arzt/in des Gesundheitsamtes
an Hand der klinischen Daten, der Symptome und vor allen Dingen der (Reise)Anamnese,
festzustellen ob eine lebensbedrohende hochkontagiöse Erkrankung vorliegen kann
(begründeter Verdachtsfall).
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Bei der Anamneseerhebung sind durch Befragung der behandelnden Ärzte, von Angehörigen
oder dem Patienten einige für die Einordnung des Falles wichtige Daten zu erheben. Dazu
gehören:
Beschreibung der Symptome
Festlegung des Beginns der Symptome (Ansteckungsgefahr)
Welche Laborbefunde liegen bis jetzt vor (z.B. Malaria ausgeschlossen)
Feststellung der Daten – wann ist der Patient im Ausland gewesen, wann ist er
zurückgekehrt, wo genau ist er zu welchen Zeitpunkten gewesen
Prophylaxe: wurde Malariaprophylaxe betrieben, welche Medikamente, Compliance?
Welche Impfungen wurden durchgeführt (Impfpass kontrollieren)
Einschaltung des Kompetenzzentrum FFM
Bei weiter bestehendem Verdacht ist Rücksprache mit dem Kompetenzzentrum in Frankfurt
erforderlich. Dieses soll eine Beratung über die vorliegenden Befunde, mögliche Diagnosen,
erforderliche Diagnostik und notwendige Schutzmaßnahmen durchführen. Je nach
Fallkonstellation kann eine Besichtigung vor Ort erforderlich sein.
Das Kompetenzzentrum hilft bei der Einordnung des Falles und der Entscheidung über
Verlegung bzw. zur Ergreifung von Maßnahmen bei Verbleib im aufnehmenden Krankenhaus.
Die verantwortliche Stelle bleibt das zuständige Gesundheitsamt.
Transport des Patienten in ein geeignetes Krankenhaus
Sobald die Isolierstation in Frankfurt eingerichtet ist, soll bei einem begründeten Verdacht die
Verlegung möglichst umgehend erfolgen. Bis dahin soll eine Verlegung nur erfolgen, wenn das
betroffene Krankenhaus keine Möglichkeit zur adäquaten medizinischen Versorgung (z.B.
Intensivtherapie/Dialyse etc.) hat.
Die Anforderung des Sondertransportes muss über das Kompetenzzentrum Frankfurt erfolgen,
da derartige Transporte in Hessen nur mit einem geeigneten Fahrzeug und ausgebildetem und
mit entsprechender Schutzausrüstung versehenem Personal durchgeführt werden dürfen.
Ausgewiesen dafür ist nur die Feuerwehr in Frankfurt am Main.
Die fachgerechte Desinfektion im Anschluss an den Transport erfolgt in der Anlage zur
Formaldehydverdampfung an der Feuerwache 5 in Frankfurt am Main.
Bis zum Beginn des Patiententransportes ist eine Vorlaufzeit von einer Stunde zuzüglich
der Fahrzeit bis zum Einsatzort zu kalkulieren. Patienten außerhalb med.
Versorgungseinrichtungen, bei denen ein entsprechender Anfangsverdacht geäußert
wird, sind vom örtlich zuständigen Rettungsdienst mit den Schutzvorkehrungen (Mundund Augenschutz, Handschuhe, Schutzkittel) zu transportieren und bei vitaler Gefahr
auch zu versorgen.
Vorläufige Isolierung des Patienten
Bis zum Transport oder bis auf weiteres, falls der Patient nicht verlegt werden kann, ist eine
provisorische Isolierung durchzuführen. In einer Klinik müssen mindestens die nachstehend
aufgeführten Vorkehrungen getroffen und vom Gesundheitsamt notfalls auch angeordnet
werden (vorläufige Isolierung - und Schutzanzüge)
Der Patient muss in einem Einzelzimmer mit (provisorischer) Schleuse versorgt werden,
verbundene raumlufttechnische Anlagen müssen ausgeschaltet sein, der Zugang ist auf das
absolut notwendige Mindestmaß zu beschränken.
• Das Personal muss die nötige Schutzkleidung wie Anzüge, Masken, Schutzbrille evtl.
Respiratoren tragen
• Das (Routine) - Labor muss benachrichtigt werden. Proben von Körpersekreten des
Verdachtsfalles zur Routinediagnostik müssen besonders gekennzeichnet sein. Das mit der
Probenbearbeitung betraute Personal muss bei kontaminationsgefährlichen Handlungen
ebenfalls geeignete Schutzkleidung tragen und die üblichen Sicherheitsbestimmungen zum
•
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Arbeiten mit infektiösem Material streng beachten! Wenn vorhanden, sollte die
Probenaufbereitung unter einer CLEAN BENCH erfolgen und die Bearbeitung von der
übrigen Routine getrennt erfolgen.
• Der kontaminiere Abfall (möglichst Einmalmaterialien verwenden) muss in verschließbaren
Behältnissen gesammelt, gekennzeichnet und anschließend autoklaviert werden. Er kann
dann normal entsorgt werden. Ist eine Autoklavierung nicht möglich, müssen die Behältnisse
vorläufig gesammelt werden und später, wenn erforderlich, nochmals verpackt und
desinfiziert zur Verbrennung in die HIM GmbH (Hessische Industriemüll –
Verbrennungsanlage ) in Biebesheim gebracht werden.
• Kontaminierte Materialien und Flüssigkeiten dürfen nicht in die normale
Abwasserentsorgung eingebracht werden. Die Entsorgung sollte, wie oben beschrieben, als
Abfall erfolgen. Im Übrigen eignet sich Perchloressigsäure zur Desinfektion und Abtötung
einiger hier angesprochener Keime. Die Patienten dürfen Toiletten und Wascheinrichtungen,
die an die normale Kanalisation angeschlossen sind, nicht benutzen. Geeignet sind
beispielsweise Toilettenstühle, wobei die Auffanggefäße nur einmal verwendet werden
dürfen. Die Auffanggefäße mit den Ausscheidungen des Patienten sind in verschließbaren,
wasserdichten Kunststoffsäcken zu autoklavieren und dann zu entsorgen.
• Kontaminierte Räume sind vorläufig zu schließen und später entsprechend der Richtlinien
für
Krankenhaushygiene
und
Infektionsprävention
zu
desinfizieren
Das Gesundheitsamt muss nach der Feststellung eines begründeten Verdachtfalles die
eingeleiteten Maßnahmen im Krankenhaus vor Ort überprüfen.
Spezielle Diagnostik
In Deutschland gibt es ein Konsiliarlabor für importierte Virusinfektionen mit einer 24 stündigen
Bereitschaft (Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin) und ein Konsiliarlabor für Filoviren
(Virologisches Institut
der Universität Marburg), die unter den notwendigen
Sicherheitsvorkehrungen die Anzüchtung und Diagnostik entsprechender Viren durchführen
können und dürfen. Der Probenversand für die spezielle Diagnostik muss in besonderen
Sicherheitsgefäßen, spezieller Verpackung und Beschriftung mit besonderen Begleitpapieren
erfolgen. Gefäße und Papiere müssen zumindest an einer Stelle im Landkreis/Stadt vorhanden
und jederzeit zugänglich sein (Rufbereitschaft des Fachdienstes Gesundheit hat diese
Materialien verfügbar). Die Gesundheitsämter sollen sich über Transportmöglichkeiten vor Ort
informieren (Telefonnummern von Courierunternehmen u.ä.)
(Versand von BSL 4-Erreger-verdächtigem Untersuchungsmaterial).
Todesfall
Für den Todesfall müssen Flüssigkeits- und luftdicht verschließbare Leichensäcke verwendet
werden, die an einer Stelle im Landkreis bzw. der kreisfreien Stadt vorgehalten werden sollen.
Das Pflegepersonal in Schutzanzügen sollte die Leiche in den Leichensack legen, diesen von
außen desinfizieren und die Leiche am üblichen Ort lagern (Pathologie).
Unter Aufsicht des Gesundheitsamtes ist die Leiche in dem Leichensack in einen Holzsarg zu
betten und in das nächste Krematorium zu bringen. Der Sarg darf nicht mehr geöffnet werden.
Grundsätzlich ist eine Verbrennung der Leiche erforderlich und notfalls auch anzuordnen.
Eine Obduktion soll in der Regel nicht erfolgen, Blutproben oder z.B. ein Leberbiopsiezylinder
sind für die Diagnostik oft ausreichend. Wenn eine Obduktion erforderlich sein sollte, ist diese
auch bei Verdachtsfällen unter Sicherheitsbedingungen (Schutzkleidung mit Respiratoren,
anschließende Raumdesinfektion etc.) durchzuführen.
Listen der Kontaktpersonen
Solange der Verdacht noch nicht bestätigt ist, sollten nur die Namen der Personen ermittelt
werden, die engeren Kontakt zum Indexfall hatten (Pflegepersonal, Ärzte, Laborpersonal,
Rettungsdienst bei vorangegangenem Transport und Familien-angehörige).
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Achtung: der entscheidende Zeitpunkt zur Erfassung von Kontaktpersonen ist der Beginn der
Symptome beim Indexpatienten!
Nach Bestätigung der Diagnose sollten alle bekannten Kontaktpersonen genauer befragt
werden. Dazu ist es sinnvoll, einen Fragebogen zu entwerfen, der die Einordnung in die
Risikogruppen ermöglicht, z. B. wer hatte direkten, ungeschützten Kontakt zu Blut oder anderen
Körpersekreten, gab es Verletzungen durch Nadelstiche oder ähnliches. (Differenzierung von
VHF-Kontaktpersonen nach Risiken bzw. Erfassungsbogen für Kontaktpersonen)
Maßnahmen und Risikoeinstufung bei Kontaktpersonen
Die anzuordnenden Maßnahmen für Kontaktpersonen nach Bestätigung der Diagnose richten
sich nach der Risikoeinstufung (Maßnahmen bei Kontaktpersonen eines nachgewiesenen
Falles einer hochkontagiösen Erkrankung). Nach Bestätigung der Diagnose sind alle
Kontaktpersonen zu informieren und zur Eigenüberwachung anzuleiten. Bei Personen der
Risikogruppe I a/b ist z.B. bei Lassa Fieber an eine medikamentöse Prophylaxe zu denken.
Tätigkeitsverbote sind in der Regel erst bei Auftreten von Symptomen bei der Kontaktperson
notwendig. Die Aufnahme von Kontaktpersonen auf die Isolierstation ist nur notwendig, wenn
Symptome auftreten, die auf eine Infektion mit der in Frage stehenden Erkrankung hindeuten.
Lediglich für Kontaktpersonen der Risikogruppe I a soll immer eine Krankenhausaufnahme
unter Isolierungsbedingungen (gegebenenfalls zur Durchführung einer medikamentösen
Prophylaxe) erfolgen.
Die Aufklärung der Kontaktpersonen erfolgt durch das Gesundheitsamt – in Kliniken
Idealerweise in Zusammenarbeit mit der Klinik- und Pflegedienstleitung. Die Aufklärung kann je
nach Sachlage auf andere Ärzte z.B. der Klinik übertragen werden. Insbesondere in den
Kliniken hat sich herausgestellt, dass die psychologische Belastung des Personals sehr hoch
ist. Bei bestätigter Diagnose ist unbedingt eine intensive Personalbetreuung, wenn möglich mit
psychologischer Unterstützung, sicherzustellen. Das unmittelbar den Patienten betreuende
Personal, soll bereits bei dem Verdacht auf die Erkrankung aufgeklärt werden – auf den Einsatz
®
schwangerer Frauen soll verzichtet werden (evtl. notwendige Ribavirin [Virazole ]-Prophylaxe).
Das Kompetenzzentrum FFM übernimmt in Absprache mit dem HSM die Koordination bei
Maßnahmen gegenüber Kontaktpersonen, wenn mehrere Landkreise/Städte betroffen sind.
Meldeverpflichtungen
Der Verdachtsfall ist in der Regel vom feststellenden Arzt (§§ 6,8 IFSG) unverzüglich dem
zuständigen Gesundheitsamt zu melden. Der Vertreter des Gesundheitsamtes muss ebenfalls
unverzüglich die oberste Landesgesundheitsbehörde informieren (§ 12 IfSG).
Die oberste Gesundheitsbehörde verständigt das RKI (§ 12 IFSG) und wenn notwendig das
BMG und andere Bundesländer (§ 5 IFSG). Das RKI übernimmt die internationalen
Meldeverpflichtungen (WHO, EU).
Informationsfluss
Organisatorisch soll im Gesundheitsamt ebenso wie in der Klinik eine Person bestimmt werden,
die nur für die Zusammenführung der Informationen, vorausschauende Planung, Presse und
Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. Es ist angebracht in einem solchen Fall spezielle, nicht
öffentlich bekannte Rufnummern einzurichten.
Die örtlich zuständige Behördenleitung (z.B. Landrat) sowie die örtliche Pressestelle sollten
spätestens bei Bestätigung der Diagnose informiert werden.
Eine aktive Information der Öffentlichkeit ist nur notwendig, wenn ein übergeordnetes
Interesse zum Schutz anderer Menschen besteht, z.B. weil Kontaktpersonen ermittelt
werden müssen oder bei ähnlichen Sonderfällen. Ansonsten gilt die ärztliche
Schweigepflicht.
Die Presseinformation zum Fall sollte die betroffene Klinik übernehmen, eine Koordinierung mit
dem Gesundheitsamt und dem Sozialministerium ist unbedingt anzuraten.
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Sollte ein Medieninteresse vorhanden sein, ist die Durchführung von gemeinsamen
Pressekonferenzen (mindestens Klinik, Gesundheitsamt) zu empfehlen. Die Einrichtung eines
Bürgertelefons ist bei Berichterstattung in der Presse erfahrungsgemäß ebenfalls notwendig.
Die Liste wichtiger Telefonnummern sollte um örtlich relevante Anschlüsse ergänzt werden.
Das Vorgehen bei einem Verdachtsfall hochkontagiöser lebensbedrohlicher Infektionen muss
allen Ärzten der Gesundheitsämter in Hessen bekannt sein. Es ist darauf zu achten, dass die
örtlichen Krankenhäuser das entsprechende Vorgehen in die jeweiligen Hygienepläne
aufgenommen haben. Für den Ablauf in der Klinik dient das Schema Management bei Verdacht
auf gefährliche, von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheiten.
Schutzkleidung
Jede Einrichtung, die in die Versorgung von Patienten mit V.a. eine
hochkontagiöse Erkrankung involviert werden könnte, sollte über eine
Grundausrüstung mit Schutzkleidung verfügen.
Weitere Sets mit Schutzkleidung und Respiratoren (Bevorratung nicht
empfohlen) sind im Notfall über das Kompetenzzentrum in Frankfurt zu
beziehen.
Kategorie III Typ4
z.B.
Kleenguard IPP Overalls
NuFab Seuchenschutzanzug; Fa ProUmwelt
alternativ:
Tyvec Schutzanzug,
notfalls:
Op-Mantel und Op-Vollhaube
(Klinidrape No 865610)
Mundschutz (Halbmasken mit Filter)
Atemschutzhalbmaske mit Filter FFP3S
Schutzhandschuhe
z.B.
3M Atemschutzmaske
notfalls: Mundschutzmaske
Schutzhandschuhe doppelt, z.B. Op-Handschuhe (unsteril) Latex unter einen
unterarmbedeckenden, den Ärmel überlappenden, oberen Handschuh z. B. „Hi Risk“,
puderfrei mit besonders langem Rand (28,5 cm) oder „Chemotherapie-Handschuhe“
Schuhe
desinfizierbare Schuhe oder flüssigkeitsdichte und rutschfeste Einmalüberschuhe;
alternativ:
Einwegüberziehstiefel (Schafthöhe 43 cm)
notfalls:
OP-Schuhe oder Gummistiefel
Arbeitschutzbrille (mit seitlichem Schutz)
gut sitzend mit seitlichem Spritzschutz
Diese Materialien sind für alle Krankenhäuser im Wetteraukreis einheitlich definiert und im
aktuellen Hessischen Krankenhaus Einsatzplan (HKEP) so abgestimmt worden.
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Differenzierung von VHF-Kontaktpersonen nach Risiken
Entscheidender Zeitpunkt ist der Beginn der Symptome beim Indexpatienten!
Kategorie Ia: Kontaktpersonen mit hohem Risiko
•
Personen, die direkten Schleimhaut- oder invasiven Hautkontakt mit Blut, anderen
Körperflüssigkeiten oder Geweben des Patienten hatten (z. B. durch eine
Nadelstichverletzung, bei einem invasiven Eingriff, einer Reanimation oder einer Autopsie)
Kategorie Ib: Kontaktpersonen mit erhöhtem Risiko
•
Personen, die Kontakt mit Blut, anderen Körperflüssigkeiten oder Geweben des Patienten
auf intakter Haut oder als Aerosol hatten (z.B. Krankenpflege- oder ärztliches Personal,
Labormitarbeiter, Reinigungspersonal in vorbehandelnden Einrichtungen, ggf. Mitarbeiter
externer Untersuchungslabors),
•
Personen, die mit dem Blut, Exkreten, Geweben oder dem Kadaver eines Tieres, das
nachweislich mit VHF infiziert war, in Berührung gekommen sind.
Kategorie II: Kontaktpersonen mit mäßigem Risiko
•
Personen, die den Patienten gepflegt oder Untersuchungsproben von ihm bearbeitet haben
(z. B. Mitglieder einer Lebens- oder Wohngemeinschaft, betreuende Freunde oder
Nachbarn, ggf. vor der Krankenhausaufnahme konsultierte Ärzte,
Krankentransportpersonal, betreuendes Krankenhauspersonal einschl. Ärzten,
Reinigungspersonal etc.),
•
Personen, die unmittelbaren Kontakt mit der Leiche eines an VHF verstorbenen Patienten
oder dessen Verdächtigen hatten, bevor der Sarg verschlossen wurde,
•
•
Personen, die Kontakt zu einem Tier hatten, das mit VHF infiziert war,
•
Personen, die direkten Kontakt mit der Kleidung, dem Bettzeug oder anderen
Gegenständen hatten, die mit Blut, Urin oder anderen Körperflüssigkeiten des Patienten
kontaminiert gewesen sein könnten.
Personen mit längerem direkten Kontakt zum Indexpatienten, sofern dieser bereits
symptomatisch war (z.B. Flugnachbarn)
Kategorie III: Kontaktpersonen mit geringem Risiko
•
jegliche andere Art von Kontakten zum Indexpatienten (z.B. Aufenthalt im gleichen Raum,
Benutzung der gleichen öffentlichen Transportmittel, allgemeine soziale Kontakte),
•
medizinisches Personal mit provisorischer Schutzkleidung
(nach: Fock et al., 2000)
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Vorläufige Isolierung bei Verdachtsfällen (HKLE)
Räumliche Unterbringung
•
•
Patient immer allein in ein Zimmer legen,
wenn vorhanden Zimmer mit Schleuse und zusätzlichem Außenzugang. Bei dem potentiell
schweren Verlauf von HKE ggf. direkte Aufnahme auf der Intensivstation
großer Vorraum zum Einzelzimmer
Dient als provisorische Schleuse zum Wechseln und Aufbewahren der Schutzkleidung und
als Aufbewahrungsraum für kontaminiertes Material und Geräte. Bei fehlendem Vorraum
kann ein Teil des Korridors vor dem Zimmer unter Sperrung des Durchganges abgetrennt
werden (klare Markierung anbringen).
Maßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung
die Klimaanlage des Raumes abschalten
Patient darf das Zimmer nicht verlassen, Kein direkter Kontakt zu Mitpatienten und
Angehörigen
Dusche und Toilette soll vom Patienten nicht benutzt werden können (Toilettenstuhl,
Waschschüssel). Die Entsorgung der Exkremente soll trocken (Zellstoff) in dichten
Plastikbehältern erfolgen
alle kontaminierten Abfälle in dichten Plastikbehältern sammeln und später
autoklavieren
Einmalartikel verwenden
Diagnostische Proben im Schleusenraum äußerlich desinfizieren, zusätzlich verpacken
und kennzeichnen
Kontakt mit medizinischem Personal nur mit entsprechender Schutzkleidung. Das
Personal ist über die Infektiosität aufzuklären, die Arbeit sollte freiwillig erfolgen
Schutz des Laborpersonals bei der Durchführung von „Routinediagnostik“
•
•
•
Proben dürfen nur nach vorheriger tel. Ankündigung und durch aufgeklärtes Personal in das
Labor gebracht und dort direkt dem bezeichneten Mitarbeiter übergeben werden.
Die Bearbeitung dieser Proben muss unter strengster Beachtung der Regeln zum
Infektionsschutz (Schutzkleidung) und möglichst gesondert von der normalen Routine
erfolgen, Anzahl des Personals begrenzen!
Soweit bei der Probenbearbeitung das Gesicht bespritzt werden kann, soll ein
Gesichtsschutz getragen werden.
Die Vorgaben des Hygieneplans bzw. der Gefahrengutverordnung (Probenuntersuchung außer
Haus!) sind strikt einzuhalten. Der leitende Laborarzt sollte die Maßnahmen überwachen
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C
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Besondere und „neue“ Gefahren:
Mitarbeiter im Rettungsdienst können unverhofft in Situationen geraten, die einerseits aus
Gründen des Selbstschutzes relevant sind, andererseits auch ein erhöhtes Mass an Umsicht
verlangen. Insbesondere bei Kontakt mit krankmachenden Substanzen ist hier ein schnelles
Erkennen und Handeln erforderlich.
Nachfolgend sind ein paar „Entwicklungen“ aufgezeigt, über die man zumindest schon mal was
gehört haben sollte.
Schlechte Zeiten für Menschen mit Allergieproblemen
Ab jetzt beginnt die Blüte von Ambrosia artemisiifolia
Das Beifußblättrige Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia) ist eine Pflanze, die
ursprünglich aus Nordamerika stammt. Seit gut hundert Jahren wird ihre
Ausbreitung in Europa beobachtet. Mittlerweile ist sie in Süd- und Osteuropa
verbreitet, kommt in Teilen Österreichs vor und macht ihren Vormarsch über
Südwestdeutschland auch bis zu uns ins Rhein-Main-Gebiet.
Es gibt Beobachtungen, das über die Verbreitung durch Wind ein weit
reichender Pollenflug aus z.B. Osteuropa bis in unsere Regionen statt findet. In
den Regionen in denen sich die Pflanze ausbreitet, zeigen bis zu 10 % der Bevölkerung
allergische Reaktionen gegenüber Ambrosia.
Ambrosia wächst besonders gern an Straßenrändern, in Kiesgruben, an Bahndämmen, auf
Baustellen und Schutthalden, aber auch in Gärten, besonders unter Vogelfutterplätzen.
Vogelfutter kann durch Ambrosia-Samen verunreinigt sein.
Ambrosia wächst gewöhnlich 20 cm bis 1,5 m hoch. Im Unterschied zum gemeinen Beifuß sind
die Stängel leicht behaart, die Blütenstände gedrungener und die Wuchsform ist kugelig. Die
einjährige Pflanze blüht von Juli bis Oktober mit fingerförmigen, grüngelblichen Blütenständen,
die kleine, unscheinbare gelbe Blütenköpfchen tragen und bis zu einer Milliarde Pollen pro
Pflanze produzieren. Außerdem entstehen 3.000 bis 60.000 Samen, welche bis zu 40 Jahre
lang keimfähig bleiben können.
Die Pollen des Traubenkrauts gehören zu den stärksten Allergie-Auslösern. Bereits
ab sechs Pollen pro Kubikmeter Luft reagieren empfindliche Personen allergisch, ab
elf Pollen je Kubikmeter wird von einer starken Belastung gesprochen
(zum Vergleich: bei Gräserpollen wird eine Konzentration von mehr als
50 Pollen pro Kubikmeter als starke Belastung bezeichnet). Die
unbehandelte Allergie kann allergische Reaktionen der Augen und der
Atemwege auslösen und im schlimmsten Fall somit auch zu Asthma
führen. Der späte Blütezeitpunkt der Ambrosia von Juli bis Oktober
bedeutet eine zusätzliche Belastung der Pollenallergiker durch eine
Verlängerung der Pollensaison, wenn die Gräserpollen nur noch in
geringen Mengen fliegen.
Außerdem sind Kreuzreaktionen mit Goldrute, Sonnenblume, Kamille,
Arnika und allen Blumen, die wie Margeriten oder Gänseblümchen
aussehen, möglich. Eine Kreuzreaktion mit Pilzsporen ist auch nicht
auszuschließen.
Die Pflanzenbestände lassen sich am effektivsten durch Ausreißen reduzieren. Die Pflanze darf
dabei nur mit Handschuhen berührt werden, weil allein die Berührung allergieauslösend sein
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kann. Mähen vor der Blütezeit ist nicht effizient, da geschnittene Pflanzen rasch neue
blütentragende Zweige bilden können. In der Hauptwachstumsphase (Juli bis September) kann
durch mehrmaliges, tiefes Abmähen im Abstand von drei bis vier Wochen die Pflanze so
geschwächt werden, dass sie es nicht mehr schafft, neue Triebe und Blütenstände zu bilden.
Diese Methode eignet sich am besten, wenn die manuelle Entfernung aufgrund der
örtlichen Gegebenheiten nicht möglich ist.
Wenn man das Traubenkraut zur Blütezeit ausreißt (besser wäre es vorher), sollte man sich mit
einer Staubmaske vor den Pollen schützen. In jedem Fall sollte man bei den Arbeiten
Handschuhe tragen, weil auch durch Hautkontakt eine Sensibilisierung (Steigerung der
Empfindlichkeit) ausgelöst werden kann. Wer bereits unter Allergien leidet, sollte diese Arbeit
nicht durchführen. Das beim Ausreißen anfallende Grüngut sollte möglichst verbrannt oder in
Plastiksäcken verpackt der Müllabfuhr zugeführt werden.
In zahlreichen Vogelfuttern sind ebenfalls Traubenkrautsamen enthalten. Im Handel sollte
gezielt nach ambrosiasamenfreiem Vogelfutter gefragt werden, da andernfalls die Gefahr groß
ist, dass heruntergefallene Ambrosiasamen mit dem Kehricht in fruchtbaren Boden gelangen.
Weitere Informationen unter www.ambrosia.de
Eichenprozessionsspinner
Die Bevölkerung wird gleichwohl gebeten, weiterhin aufmerksam zu
sein. Die Gifthaare, die der Eichenprozessionsspinner ab dem dritten
Larvenstadium entwickelt, können heftige allergische Reaktionen auf
der Haut und den Schleimhäuten auslösen. Einzelne Haare können
auch nach dem Entfernen des Nestes noch vorhanden sein und durch
Wind über weite Strecken verteilt werden. Auch kann trotz der
vorgenommenen Untersuchung nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden, dass es noch
weitere Populationen des Eichenprozessionsspinners im Bad Vilbeler Wald gibt. Dieses Risiko
besteht aber in nahezu allen Wäldern in Süddeutschland.
Der
Eichenprozessionsspinner
ist
eigentlich
ein
Forstschädling, der bevorzugt Eichen im Wald befällt. Der
wärmeliebende,
eher
unscheinbare
graubraune
Nachtfalter ist an sich harmlos, doch seine Larven
entwickeln ab dem dritten Larvenstadium Gifthaare, die
beim Menschen heftige allergische Reaktionen auf der
Haut und den Schleimhäuten auslösen können. So können
bei Kontakt mit den Raupenhaaren Hautrötungen mit
Schwellungen und Juckreiz bis hin zu asthmatischen
Anfällen und allergischen Schockreaktionen auftreten.
Diesen
allergischen
Reaktionen
sind
besonders
Spaziergänger, Ausflügler und Personen ausgesetzt, die
sich berufsbedingt in den betroffenen Gebieten aufhalten.
Berühren Sie keinesfalls herabgestürzte Teile von Nestern
oder Raupenhüllen. Kinder dürfen auf keinen Fall die
lebenden Raupen berühren oder mit ihnen spielen.
Sollten Sie nach einem Aufenthalt in betroffenen Gebieten
einen juckenden Ausschlag bekommen, wechseln Sie die
Kleidung und duschen Sie sich gründlich mit handwarmen
Wasser. Geben Sie die Kleidung in die Waschmaschine. Bei stärkeren Ausschlägen sowie beim
Auftreten von Allgemeinsymptomen sollten Sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
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Liste der Abkürzungen
ESBL - Extended-Spectrum-Beta-Lactamase
CDAD – Clostridium difficile assoziierte Diarrhoe
MRSA - Methicillin-resistenter Staphylococcus aureaus (Multi-resistenter Staph.
aureus)
ORSA - Oxacillin-resistenter Staphylococcus aureus
STIKO - Ständige Impfkommission (beim Robert-Koch-Institut)
TRBA - Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe
FFP3 - Filtering Facepiece (partikelfiltrierende Gesichts – Halbmaske,
Schutzklasse 3)
FMSE - Frühsommer-Meningo-Enzephalitis
PEP - Postexpositionsprophylaxe
IfSG - Infektionsschutzgesetz
LAGA - Bund / Länder Arbeitsgemeinschaft Abfall
Impressum
Herausgeber:
Fachdienst Gesundheit,
Rettungsdienst, Katastrophenund Brandschutz
Mit Beiträgen von: Dr. Reinhold Merbs,
Dr. Heidrun Benzinger,
Hans Hofmann,
Dennis Knau und
Kurt Jungkind
Grafik und Layout: Marie-Kristin Moritz
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