65 Bundeswehr lässt Gewehrmunition im Wert von mindestens 46
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65 Bundeswehr lässt Gewehrmunition im Wert von mindestens 46
65 Bundeswehr lässt Gewehrmunition im Wert von mindestens 46 Mio. Euro verrotten (Kapitel 1416) Kat. B 65.0 Die Bundeswehr hat seit den 1960er-Jahren Gewehrmunition beschafft und so gelagert, dass sie zu großen Teilen korrodiert ist. Daher ist ausbildungs- und einsatzrelevante Gewehrmunition im Wert von 46 Mio. Euro mittlerweile unbrauchbar. Noch funktionsfähige Munition muss zeit- und kostenaufwendig von Hand aussortiert werden. In der Folge steht der Bundeswehr für die Ausbildung nicht genügend Gewehrmunition zur Verfügung. 65.1 Bereits im Jahr 2002 hatte der Bundesrechnungshof in seinen Bemerkungen auf Mängel bei der Munitionsüberwachung der Bundeswehr hingewiesen. Er hatte festgestellt, dass diese Mängel sowohl vermeidbare Ausgaben verursachten als auch die Funktionsfähigkeit der gelagerten Munition grundsätzlich gefährden können. Der Bundesrechnungshof hatte u. a. empfohlen, • eine Steuerstelle einzurichten, die laufende Kontrollen der Munition plant, • ein wirksames Überwachungsmanagement zu erarbeiten und • die Munitionsbestände auf das notwendige Maß zu reduzieren. Das Bundesverteidigungsministerium sagte seinerzeit zu, die Empfehlungen umzusetzen. Aussagen zur Funktionsfähigkeit eines Munitionstyps und -loses seien jedoch uneingeschränkt möglich. Anfang 2011 untersuchte der Bundesrechnungshof, ob das Bundesverteidigungsministerium seine Zusagen eingehalten hat. Dabei stellte er fest, dass die Bundeswehr einen Bevorratungsbedarf von 28 Millionen Patronen Gewehrmunition des Kalibers 7,62 x 51 mm hat. Tatsächlich lagerte sie 227 Millionen Patronen dieses Typs mit einem Buchwert von 116 Mio. Euro. Die Bundeswehr hat den überschüssigen Teil dieser Gewehrmunition nicht verwertet und lagert noch immer alte Bestände, deren Beschaffung bis auf die 1960er-Jahre zurückgeht. Seither hat sie nicht vorrangig die alten Bestände aufgebraucht, sondern auch inzwischen neu beschaffte Gewehrmunition verwendet. Gemäß den logistischen Dienstvorschriften der Bundeswehr ist ältere vor neuer Munition zu verbrauchen. Dabei sind Ablaufdaten zu beachten. Sowohl eine zentrale Steuerstelle als auch die Munitionsdepots sollen die Funktionsfähigkeit der eingelagerten Munition regelmäßig mittels repräsentativer Stichproben überprüfen. Die Munition ist für das Sturmgewehr G3 bestimmt, welches seit dem Jahr 1998 schrittweise abgelöst wird. Mittlerweile nutzt die Bundeswehr die Gewehrmunition hauptsächlich zur Herstellung von Patronengurten für das Maschinengewehr MG3 sowie für die noch verbliebenen Sturmgewehre G3. Beide Waffen setzt die Bundeswehr auch in Afghanistan ein. Bis zum Jahr 2004 bemerkte die Bundeswehr keine Korrosionsschäden an der gelagerten Gewehrmunition. Erst bei der Vorbereitung von Gewehrmunition zur Lieferung an Truppenteile stellten Beschäftigte der Munitionsdepots vereinzelt Korrosionsschäden an den Patronenhülsen fest. Daraufhin ließ die Bundeswehr eine Probe augenscheinlich schadhafter Munition durch das Wehrwissenschaftliche Institut für Werkund Betriebsstoffe (Institut) untersuchen. Nachdem das Institut die Korrosionsschäden bestätigt hatte, ordnete die Bundeswehr an, 1 % der auffälligen Lose zu überprüfen. Im Mai 2010 entschied die Bundeswehr, alle 227 Millionen Patronen auszupacken und einzeln zu prüfen. 16 Depotmitarbeiter, unterstützt von 14 sachkundigen Soldaten, sollen die schadhaften Patronen aussortieren. Einen Verbesserungsvorschlag, der eine automatisierte Prüfung der Patronen ermöglicht hätte, griff die Bundeswehr erst Anfang 2011 auf. Sie bestellte einen Sichtungsautomaten, der jedoch nicht vor März 2012 zur Verfügung stehen wird. Auch das Institut stellte im Jahr 2011 erneut fest, dass die schadhafte Munition nicht verwendungsfähig ist. Ursache der Schädigung seien bekannte chemische Reaktionen, die zu einer „Entzinkung“ und zu „Lochkorrosionen“ der Messinghülsen führen. Ausschlaggebend hierfür seien lange Lagerzeiten bei Feuchtigkeit sowie der Kontakt mit Inhaltsstoffen des Verpackungsmaterials. Allein durch eine bloße Inaugenscheinnahme der Patronen sei deren Funktionsfähigkeit nicht zu beurteilen. Korrodierte Munition müsse entsorgt werden. Das Bundesverteidigungsministerium geht davon aus, dass 40 % der 227 Millionen Patronen im Wert von rund 46 Mio. Euro unbrauchbar sind. Dies ist durch die bisherigen Sichtungsergebnisse belegt. Eine noch größere Menge schadhafter Munition kann die Bundeswehr nicht ausschließen. Verschiedene Truppenteile der Bundeswehr teilten dem Bundesrechnungshof bei seinen Erhebungen mit, dass die Gewehrmunition kontingentiert und die Schießausbildung dadurch eingeschränkt werde. Die Bundeswehr beabsichtigt, 25 Millionen neue Patronen zu beschaffen, um die Versorgungssicherheit zu erhöhen. Dadurch entstehen zusätzliche Ausgaben von voraussichtlich 17 Mio. Euro. 65.2 Der Bundesrechnungshof hat beanstandet, dass das Bundesverteidigungsministerium seine Zusage, die Munitionsüberwachung zu verbessern, nicht wirksam umgesetzt hat. Fast zehn Jahre nach den ersten Hinweisen hat die Bundeswehr noch immer keine wirksame Munitionsüberwachung eingeführt, um den Zustand der gelagerten Munition rechtzeitig erkennen und Schäden vermeiden zu können. Insbesondere ist nicht sichergestellt, dass ältere vor neu beschaffter Munition verbraucht wird. Da nach Einschätzung der Bundeswehr 40 % der Gewehrmunition schadhaft sind sowie 25 Millionen neue Patronen gekauft werden müssen, beläuft sich der Schaden inzwischen auf mindestens 63 Mio. Euro. Eine noch größere Menge unbrauchbarer Munition ist nicht auszuschließen. Hinzu kommt der erhebliche Aufwand für das manuelle Sortieren und Neuverpacken der Gewehrmunition. Der Bundesrechnungshof hat gefordert, die Munitionsüberwachung umgehend so zu gestalten, dass weitere Lagerschäden vermieden werden und die Ausbildungs- und Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht gefährdet wird. 65.3 Das Bundesverteidigungsministerium hat betont, dass die Munitionsüberwachung ausreichend sei, um die Nutzungssicherheit und Funktionsfähigkeit der Munition sicherzustellen. Auf eine pauschale Entsorgung vorhandener Munitionsaltbestände werde verzichtet. Die Korrosionsschäden an der Gewehrmunition seien auf eine nicht geeignete Verpackung der Patronen in Verbindung mit langen Lagerzeiten zurückzuführen. Sie seien nicht Folge einer unzureichenden Munitionsüberwachung. Die Munitionsbestände würden sukzessive gesichtet und in den nächsten Jahren soweit möglich aufgebraucht. Damit hofft das Bundesverteidigungsministerium, noch 60 % der Altbestände an Munition retten zu können. Nach Einschätzung des Bundesverteidigungsministeriums sei der derzeitige Bestand geprüfter Gewehrmunition für den Einsatz noch unkritisch. Für die Schießausbildung werde die Gewehrmunition kontingentiert zugewiesen. Die Versorgung der Streitkräfte für ihre Einsatzvorbereitung sei jedoch sichergestellt. Außerdem werde sich die Versorgungslage durch den Kauf von 25 Millionen neuen Patronen verbessern. 65.4 Der Bundesrechnungshof bezweifelt nach wie vor, dass die Maßnahmen der Bundeswehr ausreichend sind, jederzeit Aussagen über den Zustand gelagerter Munition treffen zu können. Der große Überbestand und unzureichende Verfahren haben wesentlich dazu beigetragen, dass große Mengen der Munition zu lange gelagert wurden und verrottet sind. Hätte die Bundeswehr rechtzeitig nach den Hinweisen des Bundesrechnungshofes ihre Munitionsüberwachung wirksam gestaltet, wären ihr die seit Jahren bestehenden Probleme nicht verborgen geblieben. Stattdessen braucht sie Jahre, um das gesamte Ausmaß des Schadens zu erfassen. Die Kontingentierung der Munition macht bereits deutlich, dass sie für die Ausbildung nicht im gewünschten Umfang zur Verfügung steht. Die Ungewissheit über den Zustand der noch nicht gesichteten 180 Millionen Patronen führt trotz des Überschusses an Munition dazu, dass erst eine Nachbeschaffung in Millionenhöhe die Versorgungslage der Bundeswehr sicherstellt. Für den Bundesrechnungshof ist nicht erkennbar, ob es gelingt, 60 % der Altbestände an Munition zu retten. Misslingt dies, ist der entstandene Schaden noch größer. Der Bundesrechnungshof empfiehlt dringend, seine seit langem bekannten Empfehlungen umzusetzen. Das Bundesverteidigungsministerium sollte umgehend eine wirksame Überwachung der Munition durchsetzen, Munitionsaltbestände auf den notwendigen Bedarf reduzieren sowie die Munitionslagerung verbessern.