unizeit 56 - Christian-Albrechts
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unizeit 56 - Christian-Albrechts
Eine Beilage der Kieler Nachrichten No 56 24. 10. 2009 Nachrichten und Berichte aus der Arznei und Psychologie S. 2 Angeklagt und abgeurteilt S. 3 Athleten und Spitzennoten S. 5 »Wenn wir Geschichte reduzieren auf das, was repräsentativ ist, haben wir ein sehr verzerrtes Bild. Das bedarf der Ergänzung.« Christian-Albrechts-Universität zu Kiel unizeit Im Namen der Demokratie Otto Ulbricht, außerplanmäßiger Professor für Geschichte 3 S. 3 »Es hat sich herausgestellt, dass Raufspiele eine sehr wichtige Sozialisationsfunktion haben.« Thomas Bliesener, Professor für Pädagogische Psychologie 3 S. 8 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, just an dieser Stelle bat ich Sie vergangenen Mai um einen Slogan für unsere Universität. Diesem Aufruf, der auch überregional im ganzen Bundesgebiet publiziert wurde, sind 2.766 Menschen gefolgt: Freunde, denen die Zukunft dieser Universität am Herzen liegt. Wir sind überwältigt von 16.699 Slogans, die uns erreicht haben – darunter mit Ernst geschaffene, kreative Vorschläge, aber natürlich auch Scherze und manches Augenzwinkernde. Eigentlich sollten alle den Preis gewinnen. Stattdessen mussten wir natürlich verfahren wie geplant. Unsere Jury hat getagt und drei Gewinnerslogans ermittelt: »Exzellenz im Norden. Seit 1665«, »Wo aus Forschung Zukunft wird« und »Zusammen auf Kurs«. Die Gewinner: Detlev Baumanns, Köln; Andreas Lauer, Oestrich-Winkel; Sebastian Dalkowski, Uedem. Eine Universität mit mehreren Tausend Beschäftigten sollte über ihren Slogan auch intern diskutieren können. Deshalb hat sich die Jury nicht auf eine Formulierung festgelegt, sondern mit ihrer Entscheidung eine Beratungsphase innerhalb der Universität eröffnet. Darüber hinaus sind nun auch die Juristen im Spiel, die natürlich eine rechtliche Klärung über die Originalität herbeiführen müssen. Völlig unabhängig davon, welchen Slogan die Universität für sich wählt, war die gewagte, weil ungewöhnliche MarketingKampagne ein überaus schöner Erfolg: Die wichtigen überregionalen Tageszeitungen haben ausführlich berichtet, unsere Aktion war in der Wissenschaftsgemeinschaft ein Thema, und in der Landeshauptstadt Kiel sind wir mit der Kampagne zum Stadtgespräch geworden. Unsere Universität hat also durch eine ungewöhnliche Aktion von sich reden gemacht und ganz überwiegend positive Resonanz erhalten. Ich möchte sowohl dem Urheber dieser Idee, Michael Schirner, als auch dem Kuratorium »pro universitate«, das uns zu der Kampagne ermutigt hat, sowie den Spendern und Stiftern, die die Aktion finanziell trugen, herzlich danken. Sie haben uns gelehrt: »Der Weg ist das Ziel!« Professor Gerhard Fouquet Universitätspräsident Bewaffnete US-Soldaten bringen verhaftete Iraker gefesselt und mit Säcken über dem Kopf zum Verhör. Das sieht relativ harmlos aus, ist aber psychisch extrem belastend und trägt dazu bei, die Gefangenen mürbe zu machen. Foto: Picture Alliance US-amerikanische Psychologen entwickeln neue Foltermethoden, um terrorverdächtige Gefangene zu verhören und ihren Willen zu brechen. Die Auswirkungen stehen denen der körperlichen Folter in nichts nach. Militärpsychologen der USA sehen es als einen ›Beitrag zum Schutz der Nation‹, wenn sie entgegen ihren ethischen Verpflichtungen als Wissenschaftler Foltermethoden entwickeln, die das international verankerteabsolute Folterverbot verletzen. Eine Situation, die während der Bush-Ära von der amerikanischen Regierung geduldet, gefördert und vertuscht wurde. »Für vereinzelt bekannt gewordene Folterskandale hat man schwarze Schafe unter den Soldaten und Gefängniswärtern gefunden. Dass ein System hinter diesen Vorkommnissen steckt, ist dabei den wenigsten bewusst«, erklärt Professor Rainer Mausfeld vom Institut für Psychologie. Schilderungen von Gefangenen wie Mohamed al-Kahtani, laut US-Verteidigungsministerium Beteiligter am Attentat des 11. September, sind erschreckende Zeugnisse dieses Systems. Wie er berichtet, saßen die Terrorverdächtigen tagelang in engen Kisten, die sie in die Embryonalstellung oder zum Stehen zwangen. Bis zu acht Mal pro Tag erlebten sie den Beinahe-Tod durch Ertrinken, während sie einer Dauerbeschallung mit Lärm ausgesetzt waren. Sie mussten sich vor weiblichen Gefängniswärtern nackt ausziehen, in Dessous posieren und auf den Koran urinieren. Für die häufig zutiefst gläubigen Menschen bedeutete dies nicht nur eine schwere sexuelle sondern auch eine kulturelle Erniedrigung. Diese und viele andere ›innovative Verhörme- Vorlesungsnacht Am 15. Januar 2010 findet die fünfte Night of the Profs der Kieler Uni statt. Unter dem Motto ›Energie: Wissen und Verantwortung‹ erwartet die Besucher eine Vielfalt von Beiträgen aus allen Fakultäten. Von der Archäologie der Winde über die Kraft des Heiligen Geistes bis zur kontrollierten Kernfusion bietet die lange Vorlesungsnacht eine Kombination aus interessanten Diskussionen, spannenden Experimenten und kreativen thoden‹ werden Weiße Folter genannt, denn sie hinterlassen keinerlei körperliche Male. Eine Verbindung dieser Techniken ist sehr viel wirksamer als physische Folter, wenn es darum geht, den Willen eines Menschen zu brechen. Mausfeld: »Die meisten Menschen unterschätzen gravierend, was es bedeutet, diese Methoden in Kombination anzuwenden. Innerhalb von 48 Stunden lässt sich jeder Mensch in eine schwere Psychose treiben. Niemand kann solche Maßnahmen ungeschädigt überstehen, denn sie zerstören nicht den Körper eines Menschen, sondern seine Seele.« Die Ergebnisse der Befragungen sind zudem kaum verwertbar. Viele Gefangene wie alKahtani gestehen alles, um weiterer Folter zu entgehen. Die Dokumentationen der angewendeten Verhörmethoden sind zahlreich und vielfältig. Offizielle Protokolle und inoffizielle Film- und Photoaufnahmen schildern in nüchternen Worten und stummen Bildern die ›optimale‹ Anwendung unsichtbarer Foltermethoden, wie sie in geheimen Verhörhandbüchern gelehrt werden. Autoren sind in der Regel Militärpsychologen der APA (American Psychological Association), der größten Organisation von Psychologen weltweit. Die APA rechtfertigt sich, indem sie den Schutz der Nation über das Wohl eines Einzelnen stellt. »Diese Argumentation ist seit den Nürnberger Prozessen ein gravierender Verstoß gegen die Ethik von Heilberufen. Staaten, die nicht auf das Machtinstrument der Folter verzichten wollen, versuchen daher, das Verbot durch eine enge Definition von Folter zu unterlaufen«, so Mausfeld weiter. Das heißt, dass sie nur extremste körperliche Schädigungen als Folter verstehen. Neben Streckbank und Nagelbett wirkt langes Stehen oder ›ein biss chen laute Musik‹ tatsächlich eher harmlos. Eine gefährliche Selbsttäuschung, durch die Bevölkerung und Psychologen die Gefahren von Weißer Folter massiv unterschätzen. »Foltern tun immer die Anderen. Wir wenden nur besondere Mittel an, um den Frieden zu verteidigen«, berichtet Mausfeld über die Denkweise seiner amerikanischen Kollegen. Neue Hoffnung setzt der Kieler Psychologe aber nicht allein in den US-Präsidenten Barack Obama oder die kürzlich eingesetzte Sonderkommission des Justizministeriums. Mausfeld: »Die Verschleierung der Weißen Folter im Irak und in Guantánamo Bay war nur möglich, weil wir allzu bereit sind, wegzuschauen und zu vergessen. Nur durch eine wache Gegenöffentlichkeit können wir uns davor schützen, dass nicht bei nächster Gelegenheit der Schutz und die Menschenwürde des Einzelnen wieder dem vermeintlich übergeordneten Interesse des Staates zum Opfer fallen.« Claudia Eulitz Auseinandersetzungen mit dem Thema Energie. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, das Wissenschaftsjahr 2010 zur Energie gemeinsam mit der CAU einzuläuten. Die Vorträge finden ab 18 Uhr zu jeder vollen Stunde im Audimax der Christian-AlbrechtsUniversität statt. Das Programm ist auf der Internetseite einsehbar. Der Eintritt ist frei. cle night www.uni-kiel.de/night of the profs 15.1.10