Organisation des Lernzentrums
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Organisation des Lernzentrums
nds 10-2007 LernZentrum am Albertus-Magnus-Gymnasium in Beckum Nicht alleine s(chw)itzen lassen! „Wenn schon nicht verhindern, dann doch wenigstens mindern“, so das Motto des Albertus-Magnus-Gymnasiums (AMG) im münsterländischen Beckum zum Thema ‚Sitzenbleiben’. Im schuleigenen LernZentrum können hier Kinder und Jugendliche die Angst vor dem Zeugnis verlernen. Das neue Jahrtausend läutete für das Lehrerkollegium des AMG Beckum auch in pädagogischer Hinsicht eine neue Epoche ein. „Unbehagen und Unzufriedenheit mit dem Versagen in und an der Schule“ und der „Leichtigkeit und Zwangsläufigkeit, mit der gerade das Gymnasium sich dieses Problems entledigt“ motivierte immer mehr Kolleginnen und Kollegen der Schule, ihr bisheriges berufliches Selbstverständnis zu überdenken. Zwar kam niemand auf die Idee, das Sitzenbleiben einfach abzuschaffen. Doch lange bevor die neue NRW-Landesregierung die Versetzung zum Normalfall erklärte, dachte man in Beckum, angeregt durch eine pädagogische Konferenz im Jahre 2000 mit K. J. Tillmann und eine kleine Forschungsarbeit des Leistungskurses Erziehungswissenschaft, darüber nach, wie man die Sitzenbleiber-Quote nachhaltig senken kann. Und so Kindern und Jugendlichen eine Erfahrung zu ersparen, die diese nicht als Chance, sondern als persönliche Niederlage und Demütigung erleben. Wer das LernZentrum besucht und am Nachmittag in kleinen Lern-Gruppen an seinen Defiziten arbeitet, kann seine Noten im Schnitt um einen Zähler nach oben verbessern. Insgesamt konnte so auch die Wiederholungsquote gesenkt worden. Foto: AMG sen Mittelpunkt das schuleigene LernZentrum steht. Ein intensiver Ort des individuelleren Lernens (siehe Kasten, S. 15), wo seit gut fünf Jahren wöchentlich zahlreiche Förder- und Trainingskurse Wissenslücken schließen helfen oder „X“tra-Kurse Spezialwissen vermitteln. Außerdem steht ein ruhiger Hausaufgabenraum zum konzentrierten Arbeiten zur Verfügung und im Selbstlernzentrum können AMGSchülerinnen das Internet und andere Medien nutzen. Mit Erfolg: Wer das LernZentrum besucht und am Nachmittag in kleinen LernGruppen von höchstens vier SchülerInnen an seinen Defiziten arbeitet, dessen Noten verbessern sich durchschnittlich um einen Zähler nach oben: 90 Prozent aller Traningskurs-Absolventen verbesserten auf diese Weise ihren Zensurenstand. Insgesamt konnte die Wiederholungsquote gesenkt worden. Engagiertes Förderkonzept Um unterschiedlichen Lerntypen und Präferenzen gerecht zu werden, entwickelte die Schule ein engagiertes Förderkonzept, in des- Nichts Spektakuläres? „Förderkonzepte hat eigentlich jede Schule“, meint Eberhard Kleinlosen, Koordinator dieser ef- fektiven außerunterrichtlichen Lernangebote. „Das ist nichts Spektakuläres. Wir machen es nur sehr konzentriert und begründet.“ Etwas Besonderes ist dieses Konzept schon: Denn die Förder- und Trainingskurse werden nicht etwa von FachlehrerInnen verordnet und erteilt, sondern von Schülerinnen und Schülern der Oberstufe angeboten und betreut, die für diese Aufgabe von ausgebildeten Pädagogen wie Eberhard Kleinlosen intensiv vorbereitet werden. Die jungen TutorInnen erhalten von jedem Teilnehmer zwei Euro pro Stunde. Doch das Geld (und die Bescheinigung auf dem Zeugnis) ist nicht der einzige Grund für den engagierten Einsatz der Jugendlichen. Julia, die seit vier Quartalen jüngeren Mitschülern „zeigt, wie man richtig lernt“, erklärt: „Die Fünft- und Sechstklässler sollen nicht solche Probleme haben, wie ich sie einmal hatte.“ Aus eigener Erfahrung weiß die junge Frau, dass Schulprobleme Kindern das Leben schwer machen können. „Nach dem Schulwechsel nds-Serie „Unsere Schule” Seit einiger Zeit stellen wir in der nds in loser Folge Schulen vor, die schon vor PISA Konzepte und Programme für bessere Lernmöglichkeiten, Chancengleichheit und mehr Bildungsqualität entwickelt haben und sich trotz z.T. schlechter Ausgangsbedingungen nicht entmutigen ließen. In dieser Ausgabe geben wir Einblicke in die Arbeit des LernZentrums am Albertus MagnusGymnasiums in Beckum. Kontakt: Albertus-MagnusGymnasium, Paterweg 2 59269 Beckum www.amg-beckum.de 13 thema Erläuterungen zum Schaubild: International anerkannte Sprachprüfungen: DELF (Diplôme d’études en langue francaise), DELE (Diplomas de EspaÀol), FCE (First Certificate in English), TRKI (standardisierte Prüfung in Russisch für Ausländer der Moskauer Lomonossow-Universität) Ler nZentr um am AMG Bechum Föderkurse DELF, FCE, TRKI, DELE Drehtürmodell (Latein ab Klasse 6) Studieren ab 16 Wettbewerbe Überspringen einer Jahrgangsstufe Runder Tisch Trainingskurse Klassen- und fachbezigene Kleingruppen (max.4 TN) X-tra-Kurse Neigungsgruppen angebote: - Tastaturtraining - Zeichnen - S/W-Fotografie - Videofilm - E-Gitarre - Werken - Kochen - Methodenlernen - Mitarbeit .... Hausaufgabenraum Unter Aufsicht kann man hier in ruhiger Atmosphäre Hausaufgaben bearbeiten: das ermöglicht konzentrierteres Arbeiten für Schülerinnen in beengten oder unruhigen Wohnsituationen, bietet berufstätigen Alleinerziehenden ein wenig Spielraum und entlastet nicht zuletzt die durch Hausaufgaben oft belastete häusliche Atmosphäre. mit Kritik bedacht werden. „Manches können wir besser vermitteln als die Lehrer. Die erklären Inhalte oft einfach nicht so, dass Kinder und Jugendliche sie verstehen können. Und außerdem merken die Lehrer oft gar nicht, dass die Kleinen Angst vor ihnen haben. Mit Angst kann man einfach nicht so gut lernen.“ Maren (Jahrgangsstufe12, Bildmitte) und die Teilnehmer/innen des Mathematik-Trainingskurses Klasse 8. musste ich in der fünften Klasse ziemlich kämpfen. Ich kam mit dem Lernen plötzlich nicht mehr zurecht und hatte immer weniger Lust auf den Unterricht. Doch ich hatte Glück. Meine Tante ist Lehrerin und die zeigte mir andere Lernmethoden. Damit funktionierte das Lernen immer besser, und ich hatte wieder Spaß daran.“ Ihre Erfahrung und ihr Wissen möchte sie heute weitergeben, ergänzt um fachkundige Anleitung von Eberhard Kleinlosen und anderer LehrerInnen, die jedoch von ihren jungen „KollegInnen“ auch 14 Gefragt, was die Pädagogen denn besser machen könnten, muss sie nicht lange überlegen: „Weniger Frontalunterricht und mehr selber lernen lassen.“ Aber ihre Kollegin Camille weiß auch, dass Unterrichten nicht immer so einfach ist. „Irgendwie steht man immer so ein bisschen unter Druck. Ich habe manchmal ein richtig schlechtes Gewissen, wenn meine Schüler sich nicht verbessern. Aber manchmal kommen auch Kinder, die von ihren Eltern gezwungen werden – die sind dann ziemlich passiv und wollen aktiv nichts tun.“ Im Gegensatz zu Julia will sie auch „ganz sicher“ nicht Lehrerin werden. Fehler im System Eberhard Kleinlosen lacht: „Ja, manchmal fragen sogar Schüler nach Disziplinierungsmöglichkei- Drehtürmodell – Teilnahme am Lateinunterricht der nächsthöheren Klasse Studieren ab 16 – Teilnahme an Veranstaltungen des Grundstudiums. Wettbewerbe z.B.: Schreib-, Vorlese- oder Geschichtswettbewerbe, Mathematik-, Russisch- oder internationale Biologie- oder ChemieOlympiaden, Bundeswettbewerbeusw. Runder Tisch Eingerichtet für eine kleinere Zahl besonders begabter Schüler/innen, die trotz aller Intelligenz im Schulsystem zu scheitern drohen. Hier besprechen Lehrer, Eltern und externe Experten Möglichkeiten ihrer Förderung. Abb.: AMG ten.“ Doch er kann auch mit der Kritik am Unterricht umgehen. „So erfolgreich unser Förderkonzept auch ist – dass es überhaupt notwendig ist, verweist auf systemische Fehler. Wer zu langsam oder zu schnell lernt, wer eigenartig und seltsam denkt, wer sich auffällig benimmt, wer seine Neigungs- und Leistungsschwerpunkte außerhalb des schulischen Fächerkanons findet, versagt in und an der Schule. Differenz als allgemeines Prinzip geregelten Lernens zuzulassen statt sich am scheinbar normalen Mittelmaß zu orientieren, wäre natürlich ein lohnenswertes Ziel.“ Um dieses Ziel aktiv anzugehen, müssten die Lernbedingungen geändert werden, bei denen so viele Kinder und Jugendlichen auf der Strecke bleiben. Dafür wünscht er sich „Taten, die den Erklärungen von Politikern zur Lösung der Sitzenbleibermisere folgen mögen“ und die über einen Reparaturbetrieb hinausgehen. „Solange das so ist, kann es uns aber nicht egal sein, dass der Unterricht denjenigen, um die es eigentlich geht, oft so wenig gerecht wird.“ Ulrike Büttner-Freunscht nds 10-2007 Das LernZentrum – ein Ergänzungsprogramm des AMG Mit dem LernZentrum will die Schule Schwächen ausgleichen und besondere Fertigkeiten ausbauen. „Wer zusätzlich oder ergänzend lernen will, wer die drohende Nichtversetzung durch eigene Anstrengungen vermeiden möchte oder sich schneller durch die Schulzeit katapultieren will, darf nicht allein gelassen werden. Wo die normale unterrichtliche Binnendifferenzierung die Leistungsfähigkeit einzelner SchülerInnen nicht mehr erreicht und sie zeitweise deutlich überfordert oder unterfordert, will das AMG SchülerInnen und LehrerInnen durch nachmittägliche Lernangebote unterstützen“, heißt es im InfoMaterial der Schule. „Eine Besonderheit ist das Tutorenprogramm: Nach dem Schüler-helfen-Schülern-Prinzip unterrichten SchülerInnen der Jahrgänge 10 – 13 jüngere Schüler in kleinen Gruppen bis vier Teilnehmern, was beiden Seiten Vorteile bringt: Die Jüngeren bauen ein unverkrampftes Lernverhältnis zu den ‚Großen’ auf, die Tutoren lernen im Rollentausch Vermittlungsmethoden, machen pädagogische Erfahrungen und wiederholen nebenbei den Stoff der Sekundarstufe I. Die Schule qualifiziert die TutorInnen in internen Fortbildungsveranstaltungen und gibt ihnen fachliche Hilfestellung.“ Das Angebot orientiert sich an der Nachfrage, wird von einem Koordinator organisiert und mit den FachlehrerInnen abgestimmt. Die TutorInnen dokumentieren den Lernerfolg ihrer Lerngruppe auf einem dafür entwickelten Beobachtungsbogen. Die Kurse finden zu festen Zeiten in einem eigens dafür eingerichteten Bereich statt. Mindestens eine erwachsene Person ist immer als Ansprechpartner anwesend. Auch während der Schulferien finden Kurse statt, in denen sich Schüler sich auch auf Nachprüfungen vorbereiten können. Schüler/innen, die mehr lernen wollen, als der normale Unterricht bietet, finden am LernZentrum Förderkurse für international anerkannte Sprachprüfungen in Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch (Preliminiary English Test, FCE, Certificate in Advanced English, Cambridge University, DELF, DELE, TRKI, Abk. vgl. Schaubild S. 14). Angeboten werden auch Gitarren-, Foto-, Tastatur- oder Videokurse und AGs (u.a. Rechtschreibkurse, Übungen zur Verbesserung der mündlichen Mitarbeit, wettbewerbsbegleitende Unterstützung, z.B. Chemie-Olympiade) an. Drehtürmodelle oder Hilfen beim Überspringen einer Klasse, Studieren ab 16, Wettbewerbe und der „Runde Tisch” sind weitere Förderangebote. In Trainingskursen wiederholen und festigen Schüler/innen ab Klasse 6 den Unterichtsstoff. Dabei lernen sie in Kleingruppen (s. Tutorenprogramm). Tutorin Laura versorgt sich mit Lernmaterialien aus dem LernZentrums-Pool Fotos (2): AMG X-tra-Kurse ergänzen das AG-Programm, orientieren sich nicht am schulischen Fächerkanon und ermöglichen offenere Arbeitsformen. Neben dem Hausaufgabenraum gibt es inzwischen als fünfte Säule das Selbstlernzentrum, in dem rechnergestütztes Arbeiten mit Internetzugängen möglich ist. An den Kosten des LernZentrums beteiligen sich die SchülerInnen mit zwei Euro pro Stunde (drei Euro für 90 Minuten) für Trainingskurse und X-tra-Kurse. Etwaige Defizite werden von der Schule ausgeglichen. Mehr Informationen: Albertus-Magnus-Gymnasium, Paterweg 2, 59269 Beckum, www.amg-beckum.de Auf der Homepage der Schule finden sich umfangreiche Hintergrundtexte zum LernZentrum und zu verschiedenen Themen, unter anderem der Text „Sitzenbleiben: Wenn schon nicht verhindern, dann mindern“, von Eberhard Kleinlosen sowie „Vom Sitzen bleiben und Versagen in und an der Schule“, ein Projekt des Leistungskurses Erziehungswissenschaft, Jahrgangsstufe 13, Schuljahr 2001/02. Kontakt: [email protected] 15