ard-morgenmagazin – service 31.01.2013

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ard-morgenmagazin – service 31.01.2013
ARD-MORGENMAGAZIN – SERVICE 31.01.2013
THEMA:
2013 – E EUES RECHT
Autor:
Heinz Pohl
EXPERTE IM STUDIO:
WOLFGANG BÜSER
Funktion:
Morgenmagazin-Rechtsexperte
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Echte Karnevalisten lassen in der fünften Jahreszeit „fünfe Gerade“ sein. Was natürlich nicht bedeutet, dass „alles“ erlaubt wäre. Schließlich gibt es auch weniger fröhliche Zeitgenossen, die
sich auf den Schlips getreten fühlen könnten. Wird selbiger auch noch abgeschnitten, kommt es
zum Streit. Was ist erlaubt? Was verboten? Und was ist umstritten? Fragen, Antworten und Urteile zum Thema:
Muss mir mein Chef „karnevalsfrei“ geben?
Nein. Grundsätzlich gilt: Wer feiern will, der muss Urlaub nehmen. Sogar vor dem Landesarbeitsgericht
Köln, der angeblich närrischsten aller Karnevalshochburgen, verlor ein Jeck den Prozess. Dort hatte ein
Arbeitgeber seine jahrelange Übung eingestellt, an einem oder an mehreren Karnevalstagen bezahlt frei
zu geben. Freistellen wollte er seine Mitarbeiter zwar nach wie vor, aber nicht mehr bezahlen. Das Gericht stimmte dem zu. (AZ: 6 Ta 76/06)
Wie viel Lärm von einer Karnevalsfeier muss ich tolerieren?
Die von traditionellen Karnevalsveranstaltungen ausgehende – wenn auch an sich „unzumutbare“ Lärmbelästigung muss von den Anwohnern grundsätzlich hingenommen werden. Bedingung: Die Festivitäten (hier in einem Zelt auf einer Grünfläche im Wohnbereich) zählen zum „kulturellen Brauchtum“ und
haben eine „erhebliche Bedeutung für das örtliche Gemeinschaftsleben“. Das Oberverwaltungsgericht
Rheinland Pfalz erkannte das für die Kappensitzung und für Weiberfastnacht an. (AZ: 6 B 10279/04)
Mich trifft eine Kammelle hart. Kann ich Schadenersatz fordern?
Nein - Zuschauer eines Rosenmontagszugs haben im Regelfall keinen Anspruch auf Schadenersatz und
Schmerzensgeld, wenn sie von „Wurfgeschossen“ der - auf den vorbeiziehenden Karnevalswagen stehenden Jecken - getroffen werden. Eine Frau aus dem Aachener Raum war von einer scharfkantigen
Pralinenschachtel auf der Stirn getroffen worden und verlangte Schmerzensgeld. Das Amtsgericht Aachen winkte ab: Es sei allgemein bekannt, dass bei Karnevalsumzügen von den Festwagen aus süße
Gegenstände geworfen werden. Jeder Zuschauer willige deshalb durch seine Teilnahme an dem Umzug
„stillschweigend in ein naheliegendes Verletzungsrisiko“ ein. (AZ: 13 C 250/05)
Darf „mit Maske“ Auto gefahren werden?
Natürlich, solange es den Autofahrer nicht in seiner Sicht behindert. Entsprechendes gilt für „Maskeraden“ am restlichen Körper, die die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Urteile dazu sind nicht bekannt. ABER:
Muss die Kfz-Haftpflichtversicherung leisten, wenn wegen (nachweislich) „beschränkter“ Sicht oder pompöser Kleidung ein Unfall passiert ist? Ja, da ein anderer nicht unter der Unvorsichtigkeit eines Autofahrers leiden soll. Allerdings: Die Vollkaskoversicherung des Autofahrers könnte sich wegen grober Fahrlässigkeit wenig karnevalistisch zeigen...).
Darf an „Weiberfastnacht“ jede Krawatte abgeschnitten werden?
Nur wenn der Besitzer damit einverstanden ist. Das Einverständnis könnte unterstellt werden, wenn er
sich im „Karnevalstreiben“ befindet, also „mitfeiert“ – und an Weiberfastnacht weiß - oder wissen müsste , dass dieser Brauch verbreitet ist. Aber...: Eine Angestellte eines Reisebüros schnitt an Weiberfastnacht
einem Kunden den Schlips ab. Der Anti-Karnevalist wollte das gute Stück ersetzt haben und verlangte 20
Euro Schadenersatz. Die beiden trafen sich vor Gericht. Das Amtsgericht Essen stellte fest, dass die
Dame dem Herrn – bevor sie die Schere ansetzte - nicht wenigstens die Chance gegeben hatte, sich zu
„wehren“. Hätte sie jedoch besser gemacht. Denn nicht jeder Binderträger ist an Karneval bereit, seine
Krawatte zu opfern (zumal hier bereits das „äußerst gepflegt gekleidete“ Auftreten des Kunden die Frau
hätte „warnen“ müssen). (AZ: 20 C 691/87)
Dürfen Polizisten im Überschwang der Gefühle mit derben Worten belegt werden?
Besser nicht darauf ankommen lassen. Zwar hat das Landgericht Münster entschieden, dass das Beschimpfen eines Polizisten (hier mit „Arschloch“ und „Scheißbulle“) nicht beleidigend sei, weil damit nicht
der Ordnungshüter persönlich gemeint sein könne, sondern nur allgemein die Eigenschaft als Ordnungshüter. Wird ein Polizist jedoch bespuckt, so ist von einer Körperverletzung auszugehen, die (hier mit 250
Euro) zu sühnen ist. (AZ: 8 S 210/02)
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Dürfen Auto- oder Motorradfahrer am „Morgen danach“ zur Arbeit (oder sonst wohin) fahren?
Natürlich. Aber: Nicht vergessen, dass noch Restalkohol im Blut sein könnte. In einem Fall vor dem Oberlandesgericht Hamm fuhr ein Karnevalist am nächsten Tag noch mit mehr als 1,1 (!) Promille Auto. Er
baute einen Unfall, den seine Kfz-Haftpflichtversicherung entschädigte. Er wurde allerdings von seiner
Versicherung – erlaubt – mit 5.112 Euro ersatzpflichtig gemacht. (AZ: 27 U 163/02)
Weitere Urteile zum Thema Karneval:
Bei Ausnahme-Veranstaltungen darf es außergewöhnlich laut sein - Das Verwaltungsgericht Köln
hat entschieden, dass auf einem städtischen Veranstaltungsplatz für die Karnevalszeit (hier insgesamt 5)
Karnevalsveranstaltungen durchgeführt werden dürfen. Die Stadt dürfe Genehmigungen dafür erteilen,
wenn sie gleichzeitig Auflagen mit auf den Weg gibt, die hier unter anderem daraus bestanden, vor jeder
Party Soundchecks durchführen zu müssen, Schallpegelmesser zu installieren oder Vorgaben über die
Aufstellung der Lautsprecher einzuhalten, damit der Lärm "erträglich" bliebe. Eine Nachbarin könne sich
jedenfalls nicht mit Blick auf die Störung der Nachtruhe gegen die Veranstaltungen wehren - bei seltenen
Ereignissen dürfen die üblichen Freizeit-Richtlinien bezüglich der Lärmwerte ausnahmsweise überschritten werden. (VwG Köln, 13 L 139/12)
Karneval: In Köln gibt es Kölsch teils nur aus Pappbechern - Das Oberverwaltungsgericht (OVG) für
das Land Nordrhein-Westfalen hat das von der Stadt Köln zum Karneval für bestimmte Viertel ausgesprochene „Glasverbot“ bestätigt. Ein solches Verbot sei gerechtfertigt, um die Verletzungsgefahr durch
Glasbruch zu verringern und den Gefahren durch das "Scherbenmeer" (unter anderem die in der närrischen Zeit häufig auftretenden Reifenpannen sowie die Behinderung der Rettungsfahrzeuge) entgegenzuwirken. Die besonderen Verhältnisse des Kölner Straßenkarnevals rechtfertigten nach den Erfahrungen eine differenziertere Betrachtung, weil es jährlich durch am Boden liegende Glasflaschen und Scherben inmitten dicht gedrängter Menschenmassen zu einer Störung der öffentlichen Sicherheit komme.
(OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, 5 A 2375/10 u. a.)
Zeltverleih haftet, wenn eigene Leute aufbauen - Auch wenn in einem Mietvertrag über ein (hier 20
mal 40 m großes) Festzelt regelt, dass der Mieter (hier ein Karnevalsverein) "Auf- und Abbau" des Zeltes
zu organisieren habe, indem er "die hierzu erforderlichen Hilfskräfte zur Verfügung stellt und ihren Arbeitseinsatz regelt", so muss dennoch der Vermieter haften, wenn er einen qualifizierten "Zeltmeister"
abstellt, der die Arbeiten führt und ein Mitarbeiter des Karnevalvereins - trotz eines Kabelplans - mit einem Nagel ein Stromkabel eines Energieversorgers zerstört, das in 50 Zentimeter Tiefe liegt. Der Zeltmeister kann nicht argumentieren, das Kabel hätte an einer Stelle gelegen, an der es - laut Plan - nicht
hätte liegen dürfen. Wird so tief gegraben (hier bis zu 80 Zentimeter), müsse verlässlich geklärt werden,
wo und wie die Kabel liegen. Gerade ein - auch im Tiefbau - erfahrener Zeltmeister müsse wissen, dass
insbesondere innerstädtisch die Lage der Kabel von den Plänen abweichen könne. (Saarländisches
OLG, 4 U 437/06)
Dass ein Arbeitgeber im Rheinland eine Betriebsvereinbarung „angleicht“, die bisher für die Mitarbeiter vorsah, an Weiberfastnacht, Rosenmontag sowie am Fastnachtdienstag bezahlt frei zu
bekommen, ist für einen echten Jecken wohl unvorstellbar. Nicht jedoch für die nüchternen Richter am Landesarbeitsgericht, und das ausgerechnet in der Karnevalshochburg Köln.
Dort konnte sich ein Unternehmer gegen seinen Betriebsrat mit der Forderung durchsetzen, die bisher
bezahlten freien tollen Tage im Rahmen einer „Angleichung der Betriebsvereinbarung“ neu zu regeln.
Von der Arbeit fern bleiben dürfen die Mitarbeiter weiterhin – allerdings unter Anrechnung der Fehlzeit. Es
sei den Beschäftigten zuzumuten, die Minusstunden mit Freizeitansprüchen zu verrechnen oder sie
nachzuarbeiten. (AZ: 6 Ta 76/06)
Weitere „närrische“ Urteile:
Auch nach der Trennung dürfen Mariechen tanzen - Trennt sich eine karnevalistische Tanzmariechengruppe (hier das "1. Bischöfliche Münsterische Offizierscorps") vom Karnevalsverein (hier die "Phaolsbürger" aus Münster), für den sie bisher aufgetreten ist, und tritt die Gruppe fortan unabhängig vom
Verein - jedoch mit dem ursprünglichen Namen - auf, so darf der Verein nicht per einstweiliger Verfügung
und per Gerichtsvollzieher die Kostüme (hier unter anderem "Spitzenhöschen und Turnschläppchen")
beschlagnahmen. Das Landgericht Münster kassierte die Verfügung. (AZ: 2 O 664/05)
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Haftung für Vergesslichkeit auch ohne Vertrag - Der Kaskoversicherer eines Mietwagens kann gegen
eine Bekannte des Mieters Schadenersatzansprüche geltend machen, wenn sie - vom Mieter genehmigt das Auto nach einer durchzechten Karnevalsnacht in der Stadt stehen lässt, ihre Jacke samt Schlüssel in
der Gaststätte vergisst und der Wagen gestohlen wird. Auch wenn sie nicht Vertragspartner der Versicherung war, muss sie Schadenersatz leisten: Sie hat das "Tun der Diebe provoziert". (Oberlandesgericht
Hamm, 9 U 161/03)
Am Morgen nach Karnevalsnacht nicht ans Steuer - Wer nach ausgiebiger Zecherei an Weiberfastnacht am nächsten Morgen Auto fährt und mit mehr als 1,1 Promille Alkohol im Blut einen Unfall auf einer
(vereisten) Kreuzung verursacht, der hat seiner Kfz-Haftpflichtversicherung wegen grober Fahrlässigkeit
den von ihr übernommenen Schaden bis zu 5.000 Euro zu ersetzen. Daran ändert nichts, dass er sich
nach dem morgendlichen Duschen "frisch gefühlt" hat. (Oberlandesgericht Hamm, 27 U 163/02)
Traditioneller Karneval kommt vor dem Trommelfell - Die von traditionellen Karnevalsveranstaltungen
ausgehende - auch an sich "unzumutbare" - Lärmbelästigung muss von den Anwohnern grundsätzlich
hingenommen werden. Bedingung: Die Festivitäten (hier in einem Zelt auf einer Grünfläche im Wohnbereich) zählen zum "kulturellen Brauchtum" und haben eine "erhebliche Bedeutung für das örtliche Gemeinschaftsleben". (Hier anerkannt für die "Kappensitzung" und an Weiberfastnacht.) (OVG Rheinl.Pfalz,6 B 10279/04)
"Sehr selten" darf es sehr laut sein - Öffentliche Veranstaltungen (hier ging es um eine Karnevalssitzung) dürfen dann (auch nach 24 Uhr) einen Lärmpegel von 55 Dezibel überschreiten, wenn sie als "sehr
seltenes Ereignis" mit einer "besonderen Bedeutung für die örtliche Gemeinschaft" zu bewerten ist. Wird
dieses Kriterium erfüllt, müssen die Anwohner Lärm auch bis 2 Uhr hinnehmen. Welche Feste so eingestuft werden, ist sehr streng zu prüfen. (Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 6 A 10947/04 u.a.)
"Bullen" dürfen beschimpft, nicht aber bespuckt werden - Beschimpft ein betrunkener Karnevalist
einen Polizisten als "Arschloch" und "Scheißbulle", so wird der Beamte nicht beleidigt, weil sich die Bemerkungen nicht gegen ihn persönlich, sondern gegen seine „Eigenschaft als Ordnungshüter“ richten.
Wird er jedoch zusätzlich bespuckt, so ist von einer Körperverletzung auszugehen (die hier mit 250 Euro
gesühnt wurde.) (Landgericht Münster, 8 S 210/02)
"Karnevalsfrei" gibt es nicht per Betriebsvereinbarung - Der Betriebsrat eines Kölner Versicherungsunternehmens hat grundsätzlich bei der Arbeitszeitverteilung mitzubestimmen. Gibt es in dem Unternehmen allerdings eine - vom Betriebsrat bestätigte - Betriebsvereinbarung, nach der die Tage Montag bis
Freitag reguläre Arbeitstage sind, so muss der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht einschalten, wenn er
"Arbeit am Karnevalsdienstag" (der allerdings in jahrzehntelanger Praxis frei war) anordnet. Es müsste
schon die Betriebsvereinbarung geändert werden. (Bundesarbeitsgericht, 1 ABR 31/03)
Karnevalsmusikant darf ohne Tuba pinkeln gehen - Ein Musiker, der während einer Karnevalsveranstaltung die Tuba spielt, kann den vollen Ersatz für sein Musikinstrument verlangen, wenn er "einem dringenden Bedürfnis nachgeht" und seinen Bläser vor der Toilette abstellt, wo er von einem Jecken demoliert wird. Die Privathaftpflichtversicherung des Zerstörers muss voll leisten; die Tuba musste nicht mit auf
die Toilette genommen werden. (Amtsgericht Siegburg, 2a C 232/02)
An Karneval haben die Narren die Macht - Überquert ein Mädchen eine Straße, über die sich ein Karnevalszug hinwegbewegt, und verliert sie beim Zusammenstoß mit einem "Narren" zwei Schneidezähne,
so kann die Mutter keinen Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vom Veranstalter des Zuges verlangen, da an Karneval die Narren die "Herrschaft" haben (und hier der Umzug zudem von Ordnern begleitet wurde). (Amtsgericht Waldkirchen, 1 C 12/99)
Kamelle-Geschoss bleibt ohne Folgen - Wird der Besucher eines Karnevalzuges von einem Bonbon
getroffen, wodurch ein Schneidezahn verloren geht, so kann er keinen Schadenersatz vom Veranstalter
fordern, weil es nicht zu seiner Verkehrssicherungspflicht gehört, den Teilnehmern des Umzuges "Anweisungen über das Werfen von Süßigkeiten in die Zuschauermenge" zu geben. (Landgericht Trier, 1 S
150/94)
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Vorsicht vor Alkohol am Steuer:
Das ist nicht nur während „toller Tage“ für Autofahrer ein Problem: Setze ich mich am „Morgen danach“,
also nach einer „durchzechten Nacht“, ans Steuer und fahre wie üblich ins Büro, an die Werkbank oder
zum Außentermin? Oder lasse ich mich im eigenen Wagen oder per Taxi fahren? Oder habe ich vorgebaut und bleibe zunächst einmal zu Hause...?
Man kann es drehen wie man will: Die Lösungen 2 und 3 können die günstigsten – weil preiswertesten sein. Denn wenn in der Nacht zuvor der Alkohol in Strömen geflossen ist, dann befindet sich garantiert
am nächsten Morgen noch ein „Rest“ davon im Blut. Und dies wird meistens nicht wahr-, zumindest nicht
ernst genommen. Er kann aber schlimme Folgen haben, wie mehrere Urteile belegen.
In der ersten Entscheidung ging es um einen Autofahrer, der am Morgen nach einer Feier von der Fahrbahn abkam und nicht überzeugend darlegen konnte, dass er durch einen anderen Verkehrsteilnehmer
zu einem Ausweichmanöver gezwungen worden war. Den angerichteten Schaden ersetzte seine KfzHaftpflichtversicherung zwar. Doch nahm sie ihren Versicherten in Regress (was bis zu 5.000 € möglich
ist), auch wenn er mit „nur 0,65 Promille“ unterwegs war. Das Oberlandesgericht Hamm bestätigte dies.
(AZ: 20 U 179/02) Dasselbe Gericht kam zum selben Ergebnis im Fall eines Autofahrers, der noch mit
„mehr als 1,1 Promille“ am Morgen nach Weiberfastnacht unterwegs war. Sein Argument, er habe sich
nach dem Duschen „frisch gefühlt“, zog nicht. (AZ: 27 U 163/02)
Im dritten Fall hatte ein Autofahrer, ohne dass andere Verkehrsteilnehmer beteiligt waren, mittags einen
Unfall verursacht, nachdem er bis morgens um 4 Uhr noch kräftig dem Alkohol zugesprochen hatte. Bei
dem Mann, der vor dem Landgericht Kaiserslautern stand, wurden vier Stunden nach dem Unfall ein
Blutalkoholgehalt von 0,79 Promille ermittelt, was auf einen Wert von 1,14 Promille zum Unfallzeitpunkt
schließen ließ. Seine Vollkaskoversicherung ließ ihn wegen grober Fahrlässigkeit abblitzen. (AZ: 3 O
507/04) Ob dies auch nach neuem, seit 2009 geltendem Recht zu 100 Prozent hätte der Fall sein dürfen,
steht dahin.
Am schlimmsten traf es einen Arbeitnehmer, der um 9 Uhr vormittags nach einer feucht-fröhlichen Nacht
am Steuer seines Pkw bei einer Routinekontrolle angetroffen wurde. 1,35 Promille „Restalkohol“ wurden
– trotz Toleranzabzugs – festgestellt, der Führerschein sofort eingezogen. Als Kraftfahrer war er für seinen Arbeitgeber, der ihm keinen anderen Arbeitsplatz anbieten konnte, nicht mehr tragbar. Der Entlassung folgte kurz darauf der nächste Schreck.
Denn die Arbeitsagentur stellte fest, dass der Mann durch seine „strafbare Handlung“ seinen Job grob
fahrlässig aufs Spiel gesetzt habe. Die Folge: Für die ersten zwölf Wochen gab es kein Arbeitslosengeld
I. Und das Sozialgericht Aachen bestätigte diese Sperrzeit und lehnte es ab, seiner Argumentation zu
folgen, er hätte mangels „medizinischer Kenntnisse“ die Wirkung des Restalkoholgehalts unterschätzt.
Gerade als Berufskraftfahrer hätte er über ein „gesteigertes Wissen von alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit“ verfügen müssen. (AZ: S 11 AL 97/06)
Die Lösung für solcherlei Unbill liegt auf der Hand: Hände weg vom Steuer eines Kraftfahrzeugs, wenn
Restalkohol dazu führen kann, die Fahrerlaubnis zu verlieren. Wer dann aufs Rad umsteigt, hat grundsätzlich bessere Karten – wenn auch nicht unbegrenzt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden,
dass der Führerschein auch dann eingezogen werden kann, wenn ein Radler mit mindestens 1,6 Promille
Alkohol im Blut unterwegs ist. In dem Fall ging es um einen Mann, der mit 2,09 Promille Alkohol im Blut
angetroffen wurde. Zwei medizinisch-psychologische Untersuchungen brachten anschließend das Ergebnis, dass er „zwischen Alkoholkonsum und dem Führen von (Kraft-)Fahrzeugen“ nicht „hinreichend
trennen“ könne. Führerschein auf unbestimmte Zeit adé... (AZ: 3 C 32/07)
Übrigens: Sogar gegen einen Rollstuhlfahrer wurde ein „Fahrverbot“ verhängt, da er mit 1,66 Promille
Alkohol im Blut „am Straßenverkehr teilgenommen“ hatte. Das Amtsgericht Löbau stellte ihn einem Fahrradfahrer gleich. (AZ: 5 Ds 430 Js 17736/06)