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Kino NUMMER 68 DONNERSTAG, 21. MÄRZ 2013 Braut auf Weltreise Kino kompakt EIN MORDSTEAM Ein ungleiches Ermittlerpaar in Paris Spaß mit Pärchen: „Der Nächste bitte!“ Er war der Star in der französischen Komödie „Ziemlich beste Freunde“ (2012). Jetzt Omar Sy in dem Krimi „Ein Mordsteam“ den Polizisten Ousmane in der berüchtigten Pariser Vorstadt Bobigny. Zusammen mit dem versnobten Ermittler François ermittelt er unkonventionell im Mordfall einer IndustriellenEhefrau. Das ungleiche Duo rauft sich allmählich zusammen, ermittelt sogar nackt in einem Swingerclub und kommt korrupten Verwicklungen in Frankreich auf die Schliche. Regisseur David Charhon hat einen unterhaltsamen Action-Krimi inszeniert. (dpa) *** O Filmstart in Augsburg, Königsbrunn, Neu-Ulm OSTWIND Freundschaft mit einem ungestümen Hengst Das ist die Strafe der Eltern dafür, dass Mika das Klassenziel nicht erreicht hat: kein Spaß im Feriencamp, stattdessen Bücher wälzen bei der strengen Großmama, der ein Pferdegestüt gehört. Der Teenager hat jedoch noch ganz andere Dinge im Kopf: In einer düsteren Ecke des Pferdestalls stößt Mika auf ein pechschwarzes Pferd – den ungestümen und scheuen Hengst Ostwind. Entgegen aller Warnungen, Ostwind gelte als unzähmbar, nähert sich Mika dem Tier – der Beginn einer besonderen Freundschaft. Regisseurin Katja von Garnier („Bandits“, „Abgeschminkt!“) hat den Jugendfilm mit Hanna Höppner, Jürgen Vogel und Tilo Prückner gedreht. (dpa) *** O Filmstart in Aichach, Augsburg, Dillingen, Donauwörth, Kaufbeuren, Kempten, Königsbrunn, Landsberg, NeuUlm, Nördlingen, Ulm THE BEST OFFER Der Kunsthändler und die geheimnisvolle Frau Der in die Jahre gekommene Kunsthändler Virgil Oldman (Geoffrey Rush) verliebt sich Hals über Kopf in eine geheimnisvolle junge Frau, die er anfangs nie zu Gesicht bekommt. Oldmans junger Freund, der Restaurator Robert (Jim Sturgess), ermutigt den Einzelgänger Oldmann, die Frau zu erobern. Mit fatalen Folgen. Der Italiener Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“) hat eine Mischung aus Kunstkrimi und Liebesdrama in Szene gesetzt, mit einem souveränen Hauptdarsteller, aber einem leider vorhersehbaren Buch. (dpa) ** Auf Wiedersehen, alte Welt! Vater Grugs Steinzeitfamilie überlebt dank Guys Erfindergeist die Teilung der Erdplatten. Foto: Dream Works Animation Raus aus der Höhle Die Croods Eine Steinzeitfamilie muss sich bewähren, als ihre Erde auseinanderfällt VON MARTIN SCHWICKERT „Habt niemals keine Angst“ lautet das Credo, auf das Vater Grug seine Familie einschwört. Denn wer keine Angst hat, wird gefressen, so wie der Rest der Verwandtschaft, die im steinzeitlichen Überlebenskampf den Kürzeren gezogen hat. In einer finsteren Höhle wohnt Grug mit Frau, drei Kindern und einer Schwiegermutter. Die unwirtliche Behausung wird nur zur Nahrungsaufnahme verlassen und schon bei der Frühstücksbeschaffung fährt der Darwinismus seine Krallen aus. In Kampfformation tritt die Familie heraus, um einem wehrhaften Vogel das Ei zu stehlen. Die anschließende Verfolgungsjagd durch die verödete Wüstenlandschaft gleicht einem Rugby-Spiel, bei dem mit vollem Lebenseinsatz gespielt wird. Überall schnellen Tiere hervor, deren scharfe Gebisse nach den Menschen schnappen. So viel Stress für ein paar Tropfen Protein – das Leben in der Steinzeit ist kein Zuckerschlecken und die pubertierende Tochter Eep hat genug vom Höhlendasein. Sie trägt genau jene Neugierde in sich, vor der sie ihr Vater immer gewarnt hat. Eines Nachts treibt es sie hinaus, als ein Lichtschein durch einen Spalt in die Höhle dringt. Draußen schleicht ein schmucker Junge mit einer Fackel durch die Dunkelheit und nicht allein das ihr unbekannte Feuer weckt das Interesse des abenteuerlustigen Mädchens. Guy ist nicht nur ein hübscher Bursche, sondern auch ein helles Köpfchen, der den Herausforderungen des Überlebenskampfes mit Erfindergeist entgegentritt. „Ideen“ – wieder so ein Wort, das Grug verabscheut. Aber als ein Erdbeben ihr Zuhause zerstört, muss sich die Familie mit dem feschen Schlaumeier zusammentun. Denn die Welt fällt auseinander, die Kon- tinentalplatten beginnen sich zu verschieben und nur wer zu Neuem aufbricht, kann überleben. „Die Croods“ setzt weniger auf eine stringente Story und ausgetüftelte Plotkonstruktionen, als auf eine episodenhafte Erzählstruktur, die mit regelmäßigen Actioneinlagen aufgeladen wird. Die Familienstrukturen scheinen vom kriselnden Patriarchen, über die rebellische Tochter und den linkischen Sohn bis zur garstigen Schwiegermutter direkt aus der Seifenoper importiert. Unter das steinzeitliche Off-RoadMovie haben die Filmemacher Chris Sanders und Kirk DeMicco jedoch einen metaphorischen Resonanz- Die Regisseure Chris Sanders (geboren am 12. März 1962 in eine Künstlerfamilie in Colorado, absolvierte das Animation Program am California Institute of the Arts und arbeitete für Marvel und für Disney. Er zeichnete für „Die Schöne und das Biest“, „Aladdin“, „Der König der Löwen“. Regie führte er erstmals für „Lilo & Stitch“ (2002). Sein Film „Drachenzähmen leicht gemacht“ (2010) war für den Oscar nominiert. Kirk DeMicco (aufgewachsen in New Jersey) absolvierte 1991 die University of Southern California. Drei Jahre arbeitete er als Journalist in Italien. Sein erstes Drehbuch „A Day in November“ kaufte Warner für eine Million Dollar. Sein erster Film war „Quest for Camelot“ (1998). Immer wieder führte er auch Regie, u.a. für „Space Chimps – Affen im All“ (2008). „Die Croods“ ist sein vierter Film. (loi) raum gezogen, in dem allerhand Lebensweisheiten verhandelt werden. Wenn der Familie im Zuge der Erdplattenverschiebung buchstäblich der Boden unter den Füßen wegbricht und angesichts der Katastrophe der Glaube an den Fortschritt gepriesen wird, dann wirkt der Film teilweise wie eine Sonntagspredigt, die ihre Botschaft der Hoffnung unter das wirtschaftskrisengeschüttelte Volk bringen will. „Folge dem Licht“ heißt es mehr als einmal auf der Reise ins Unbekannte, die von Wüsten- und Bergregionen bis hin zu farbenprächtigen Dschungelwelten durch überwältigende 3-D-Landschaften führt. Wenn dann schließlich die Erde aufreißt und sich die neue Welt von der alten löst, muss sich die Familie entscheiden, wohin sie gehört. Mit dem Exodus ins Unbekannte werden hier nicht nur biblische Motive, sondern vor allem auch uramerikanische Pioniermythen zitiert. So sehr „Die Croods“ die Neugier und Innovationskraft des menschlichen Wesens beschwört, nährt sich das aufdringlich positive Denken des Films jedoch von allzu altbewährten Glaubensbekenntnissen. *** O Filmstart in vielen Kinos der Region Zehn Jahre lang lebt Isabelle (Diane Kruger) nun schon mit ihrem Freund Pierre (Robert Plagnol) zusammen. Die beiden bilden ein in perfekter Routine eingespieltes Team – gemeinsame Zahnarztpraxis, einmal die Woche Bowling, einmal essen gehen, Sex am festen Termin. Liebend gerne würde Isabelle ihren Pierre heiraten, wäre da nicht dieser ominöse Fluch, der seit Generationen über den Frauen in ihrer Familie liegt: Die ersten Ehen scheiterten allesamt, erst beim zweiten Mal kam das Glück. Also kommt Isabelle auf die glorreiche Idee, in Dänemark einen Unbekannten zu heiraten, sich gleich wieder scheiden zu lassen, um dann endlich mit ihrem Pierre in zweiter Ehe glücklich zu werden. Natürlich kommt es in Pascal Chaumeils gut gelaunter, manchmal auch nur alberner Komödie „Der Nächste, bitte!“ ganz anders, als sich das die Braut vorstellt: Anstelle des Bräutigams macht Isabelle die Bekanntschaft des aufdringlichen Reisejournalisten Jean-Yves (Dany Boon aus „Willkommen bei den Sch’tis“). Der Typ ist eine echte Nervensäge, aber solo. Isabelle wittert ihre Chance, heftet sich an die Fersen des skurrilen Weltenbummlers, der sie zuerst nach Kenia und dann ins eisig kalte Moskau führt. Der Film betreibt ein wenig Sightseeing mit afrikanischen Löwen, Sternenhimmel in der Wüste und reichlich Wodka im Schatten des Kremls. Die gewohnt elegante Diane Kruger und der verwuschelte Spaßvogel Dany Boon geben ein ansehnliches ChaosPärchen ab. **** Johannes von der Gathen, dpa O Filmstart in Aichach, Augsburg, Füssen, Günzburg, Kaufbeuren, Neu-Ulm, Ulm Bei den Frauen fühlt sich der Reisejournalist (Dany Boon) wohl. Foto: Universum O Filmstart in Augsburg, Ulm Den Naturgewalten ausgeliefert Fanatisch katholisch Weiter sehenswert Kon-Tiki Aus Thor Heyerdahls Expedition wird großes Abenteuer-Kino Paradies: Glaube Ulrich Seidl wieder gnadenlos ● Les Misérables **** Das Musical als opulenter, gut besetzter Film ● Song for Marion **** Lebenslust im Schatten des nahen Krebstodes ● Take this Waltz **** Über die Liebe und ihre tragischen Untiefen VON ANDRÉ WESCHE Unsere Wertungen * sehr schwach ** mäßig *** ordentlich **** sehenswert ***** ausgezeichnet I Bei uns im Internet ● Alle Programme Die Filme sämtlicher Kinos in der Region. ● Trailer Eindrücke der aktuellen Filme vermitteln unsere Trailer. ● Tickets gewinnen Wir verlosen täglich Eintrittskarten fürs Kino. ● Quiz Kennen Sie sich aus mit Klassikern? Testen Sie Ihr Wissen. ● Hollywood An welchen Projekten arbeiten Regisseure und Stars? I Direkt ins Kino-Special unter augsburger-allgemeine.de/kino Im Jahre 1937 brechen Thor Heyerdahl (gebührend charismatisch: Pål Sverre Hagen) und seine Frau Liv (Agnes Kittelsen) alle Brücken hinter sich ab, um auf einer einsamen polynesischen Insel von dem zu leben, was die Natur ihnen bereitstellt. Der norwegische Wissenschaftler erforscht Land und Leute und stößt dabei immer wieder auf Hinweise, die auf eine Besiedlung der Inseln aus Richtung Osten hindeuten. Nach einem Jahr ist das Dschungelcamp zwar gescheitert, die Besiedlungsidee aber lässt Heyerdahl nicht los. Von den Gelehrten seiner Zeit und nicht zuletzt von seinem Verleger erntet Heyerdahl (1914–2002) nur Spott: „Dann bauen Sie doch ein Floß und beweisen Sie Ihre Theorie!“ Das muss man einem Sturkopf nur einmal sagen. Heyerdahl schart fünf Freunde und Abenteuerlustigen um sich und geht 1947 mit seinem aus Balsa-Holz gefertigten Floß, das den Namen „Kon-Tiki“ trug, auf Fahrt von Peru nach Polynesien. Mit ihrem kaum steuerbaren Gefährt begeben sie sich in die Hände der Naturgewalten. Der Film „Kon-Tiki“ von Joachim Ronning und Espen Sandberg („Max Manus“) ist eine runde Sache. Er macht den Zuschauer eingehend mit dem Helden der Geschichte vertraut, bevor er ihn auf große Fahrt gehen lässt. Die Reise selbst beschränkt sich auf spektakuläre Ereignisse wie Stürme, Hai-Angriffe und zwischenmenschliche Auseinandersetzungen. Es wäre sicherlich authentischer und gefühlsechter gewesen, auch die vielen Tage der Flaute und des Nichtstuns zu zeigen. Aber wer möchte sich das schon anschauen? Eine exzellente Besetzung, die liebevolle Ausstattung, die sehr ordentlichen Spezialeffekte und die passgenaue Platzierung zwischen Kunst und Kommerz machen „Kon-Tiki“ zu großem europäischen Abenteuer-Kino. Die Nominierung für einen Oscar als bester nicht-englischsprachiger Film war absolut gerechtfertigt. **** O Filmstart in Aichach, Augsburg, Ulm Wissenschaft im abenteuerlichen Experiment: Mit dem Balsa-Floß „Kon-Tiki“ sticht Thor Heyerdahl im Februar 1947 von Callao aus in See. Foto: DCM VON FRED DURAN „Die Mutter Gottes kommt zu Ihnen zu Besuch“, ruft Anna Maria (Maria Hofstätter) freudestrahlend aus, als sich die Wohnungstür öffnet. Im Arm hält sie eine Marienstatue, mit der sie durch die wenig feinen Viertel Wiens stolziert, um die Menschen zum rechten Glauben zu bekehren. Anna Maria ist eine überzeugte Katholikin mit einem unbezwingbaren Missionierungsdrang. Die katholische Missionarin Anna Maria (Maria Hofstätter). Foto: Neue Visionen Denn die Welt ist voller Sünde und Anna Maria ist bereit dafür zu büßen. „So viele Menschen sind besessen vom Sex. Befreie sie von ihrer Triebhaftigkeit“, betet sie und geißelt sich – das Kruzifix fest im Blick – mit der neunschwänzigen Katze. In „Paradies: Glaube“ blickt Ulrich Seidl mit gewohnter Gnadenlosigkeit auf die Niederungen des Katholizismus. Aber sein Film bleibt nicht bei einer dokumentarischen Satire stehen, sondern entwickelt aus der Figur der christlichen Fanatikerin ein beklemmendes Drama. In Anna Marias ritualisierte Einsamkeit dringt der nach langer Abwesenheit zurückkehrende Ehemann Nabil (Nabil Saleh), der Moslem ist und seine ehelichen Rechte wieder geltend macht. Widerwillig versorgt Anna Maria den Querschnittsgelähmten, schließt sich aber nachts in ihr Gebetszimmer ein. „Glaube“ ist der zweite Teil von Seidls Paradies-Trilogie. Hier arbeitet er das masochistische Verhältnis zum eigenen, als unvollkommen empfundenen Selbst stärker heraus mit einer radikalen Unnachgiebigkeit, gleichzeitig aber auch mit einer hohen Sensibilität gegenüber seiner Hauptfigur. *** O Filmstart in Augsburg, Ulm