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Informationen zur Raumentwicklung Heft 4 / 5.2002 277 Entwicklungsimpulse durch Vermarktung regionaler Qualitätsprodukte Ilona Grünewald Das Beispiel der Serra da Estrela (Portugal) 0 0 25 50 km 25 50 mi SPAIN Viana do Castelo Braga Porto North Atlantic Ocean Aveiro Covilha Colmera Portalegre SPAIN LISBON Barreiro Setúbal Beja Faro Golfo de Cádiz Es gibt viele Gründe, seinen Urlaub in der Serra da Estrela, dem höchsten Gebirgszug Portugals, fern ab der bekannten Strände im entlegenen Landesinneren des Landes zu verbringen. Neben dem größten Gletschertal Europas, der höchsten Erhebung des portugiesischen Festlandes, dem ersten Ski-Resort Portugals, dem Naturpark, der rund 20 % der Rote Liste-Arten des Landes beherbergt, lädt zweifellos die regionale Küche auf der Basis einheimischer Produkte zu besonderen Genüssen von Landschaft und Kultur ein. Zwei dieser für ihre Herkunftsregion charakteristischen Erzeugnisse tragen das Europäische Siegel „Geschützte Ursprungsbezeichnung“. Seitdem werben sie europaweit mit ihrer Qualität und Herkunft aus der Serra da Estrela: Der Schafskäse „Queijo Serra da Estrela“ und das Schafsfleisch „Borrego Serra da Estrela“. Durch ihre Einbettung in Geschichte und Kultur der Region sind ihre Produktion und Vermarktung derzeit ein wichtiger Bestandteil der regionalen Entwicklungsstrategie. Die Zertifizierung und damit verbundene Kriterien sowie ein gezieltes regionales und überregionales Marketing tragen maßgeblich zum Erfolg dieser Strategie bei. Nach Angaben der Europäischen Kommission sind bereits rund 500 Produkte in der Europäischen Union als Geschützte Ursprungsbezeichnung1 bzw. Geschützte Geographische Angabe „namentlich und somit gegen Missbrauch und Nachahmung“ gesichert.2 Das neue Siegel bescheinigt, dass die Besonderheit des Produktes in seiner geographischen Herkunft begründet liegt und ist damit Garant für Authentizität.3 Mit der geographischen Herkunftsgarantie werden das Image und die Kultur der Region gezielt zur Vermarktung der Produkte eingesetzt; gleichzeitig wird ein Beitrag zur Erhaltung und Förderung regionaler Identität und Traditionen geleistet. Weiterhin garantiert das Siegel dem Verbraucher die Anwendung bestimmter Herstellungs-, Erzeugungs- und Verarbeitungstechniken. Er erhält eine Orientierungshilfe zu bestimmten, mit der Zertifizierung verbundenen Merkmalen des Produktes, wie zum Beispiel zu der „handwerklichen“ und nicht voll mechanisierten Erzeugung eines Produktes. Am Beispiel des Käses aus der Serra da Estrela soll im Folgenden verdeutlicht werden, welchen starken Bezug dieses Produkt zu der Geschichte und Kultur dieser Region aufweist und dass seine Herstellung und Produkteigenschaften Ausdruck eben dieser Kultur sind. Beim Käse Serra da Estrela sind beide Merkmale der Geschützten Ursprungsbezeichnung, also die geographische Herkunft und die Produktionstechniken, untrennbar miteinander verbunden. Serra da Estrela Land: Portugal Region: Centro Concelhos: Celorico da Beira, Fomos de Algodres, Gouveia Manteigas, Seia, Teile des Concelho Guarda Bevölkerungsdichte: 51,7 Einwohner/km2 Beschäftigte nach Sektoren: Primärer Sektor 27,3 % Sekundärer Sektor 31,5 % Tertiärer Sektor 41,1 % Arbeitslosenquote: 6,1 % Quelle: Dados de Rede Portuesa Leader 2000 Ilona Grünewald Dipl.-Umweltwiss. TAURUS-Institut an der Universität Trier Universitätsring 15 54286 Trier 278 Ilona Grünewald: Entwicklungsimpulse durch Vermarktung regionaler Qualitätsprodukte 1 Die Rolle der Schafzucht für Wirtschaft, Landnutzung, Kultur und Identität der Region (1) Denominação Protegida de Origem (2) Die geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) besagt, dass Erzeugung, Verarbeitung und Herstellung eines Erzeugnisses in einem bestimmten geographischen Gebiet nach einem anerkannten und festgelegten Verfahren erfolgen müssen (Die Europäische Kommission 2001: Qualitätspolitik. http://europa.eu.int/ comm/agriculture/qual/de/ aoig_de.htm) Der Käse Serra da Estrela ist einer von 12 Käsesorten Portugals. Das Borrego Serra da Estrela konkurriert derzeit mit weiteren 4 Schafs-Frischfleischerzeugnissen des Landes. (3) Vgl. Europäische Kommission: Qualitätspolitik. www.europa. eu.int/comm/agriculture/qual/ de/ ereig_de.htm (2001) (4) Vgl. Ribeiro, O.: Contribuicao para o estudo do pastoreio na Serra da Estrela. O.O., o.J., S. 254 (5) Bei der Transhumanz handelt es sich um eine Art der Fernweidewirtschaft ähnlich dem Nomadismus. Im Gegensatz zum Nomadismus bleiben die Herdenbesitzer jedoch sesshaft und betreiben Ackerbau. Zur Begleitung der Herde während der Wanderung werden Hirten beauftragt. Die Transhumanz vereinigt somit die Anbauwirtschaft und Schafhaltung als besitzmäßige, aber nicht zwingend betriebsmäßige Einheit. (6) Vgl. Parque Natural da Serra da Estrela: À descoberta da Estrela. – Lisboa 1998 Bereits seit Ende der 80er Jahre setzten sich lokale und regionale Akteure gezielt für die Zertifizierung des Schafkäses und Schafsfleisches der Serra da Estrela ein. Jahrhundertelang prägten jahreszeitliche Wanderungen großer Schafherden das Leben und Wirtschaften der Bevölkerung sowie Natur und Kultur des Gebirgszugs. Zu Beginn des Jahrhunderts zogen jährlich zehntausende Schafe, hunderte Hirten, Hirtenhelfer, Lastesel und Hirtenhunde mehrere hundert Kilometer quer durch Spanien und Portugal. Alleine in der Kleinstadt Idanha beispielsweise erreichten zeitweise 10 000 bis 15 000 Tiere aus der Serra da Estrela ihr Ziel.4 Nach der in der Wissenschaft als Fernweidewirtschaft oder Transhumanz5 bezeichneteten Art wanderten die Tiere im Wechsel der Jahreszeiten zwischen den ertragreichen, saftig grünen Sommerwiesen des Gebirgszugs und den winterlich schneefreien Tiefebenen des Alentejo, des Douro-Flusses oder der Region um Idanha. Dies machte zusätzliche Fütterungen der Tiere überflüssig und erlaubte bei relativ geringem Grundeigentum der Herdenbesitzer einen vergleichsweise hohen Tierbesatz. Ähnlich der in Mitteleuropa aus dem Mittelalter dokumentierten Allmende, existieren als portugiesische Besonderheit die so genannten „baldios“. Diese waren einst, als nicht ackerbaulich genutzte Flächen, im Besitz der Allgemeinheit und der Nutzung durch die Hirten vorbehalten. Im Naturpark Parque Natural da Serra da Estrela sind zum Bespiel rund 30 000 ha, damit 32 % der Gesamtfläche des Naturparks offiziell als „baldios“ deklariert.6 Ehemals Grundlage der Transhumanz, wird in ihnen heute ein beträchtliches Flächennutzungspotenzial der Region gesehen. Entsprechend sind sie in mancher Gemeinde als Bauland oder Aufforstungsflächen hart umkämpft. Verschwanden bzw. verkürzten sich die Herdenwanderungen auch im Laufe der Jahrzehnte, kommt der Schafzucht und den weiterverarbeitenden Industrien in der Region auch gegenwärtig eine zentrale Bedeutung zu. So finden sich heute noch zahlreiche Hinweise auf die „Hirtenkultur“ der Region: Zum Beispiel werden jährlich in den Monaten April und Mai in vielen Dörfern der Serra die Feste und Märkte zum traditionellen Herdenauftrieb ausgerichtet. Ursprünglich dienten diese Märkte dem „Anheuern“ der Hirten und dem Zusammenstellen der Herden. Im September wird entsprechend, in traditionelle Hirtenmäntel gekleidet und mit viel Gesang, die Rückkehr gefeiert. Solche Feste gelten heute zum Teil als Ausdruck regionaler Kultur und Identität. In anderen Orten sind sie allerdings nicht mehr weit von einer Entwicklung zur „Touristenfolklore“ entfernt. Findige Landwirte sichern sich bereits seit Jahren mit Zucht und Verkauf des Hirtenhundes „Cão Serra da Estrela“ zusätzliches Einkommen. Als regionale Rasse des Gebirgszugs bekannt geworden, kann dieser mittlerweile sogar direkt über Züchter in Deutschland, Skandinavien und den USA bezogen werden. Die Textilfabriken am Fuße des Gebirgszugs waren bis in die 80er Jahre die wichtigsten Arbeitgeber des sekundären Sektors der Region. Neben der Verfügbarkeit der Wolle war einst vor allem der Wasserreichtum des Gebirges als Energiequelle und zum Färben und Waschen der Stoffe bedeutender Standortfaktor zur Ansiedlung. Heute sind die Fabriken der Konkurrenz des Weltmarktes kaum noch gewachsen. Zahlreiche kleinere Produktionsstätten wurden bereits stillgelegt. Die ehemalige Textilfabrik in Covilhã wurde inzwischen mit Geldern des EU-Strukturfonds zum regionalen „Woll-Museum“ (Museu de Lanifícios) umgebaut. Der landwirtschaftliche Strukturwandel im Ungunstraum sowie die industrielle Monostruktur stellen derzeit zentrale Probleme für die zukünftige Entwicklung des Gebirgsraums dar. Auch die Siedlungsstruktur, Bauweisen und Hausformen sind noch vielfach Zeugen einstiger Prägung der Region durch Schafzucht und Viehtrieb. Die Viehtriebwege, einst bedeutende Handelsrouten, führen heute als Wanderwege durch den Naturpark. Informationen zur Raumentwicklung Heft 4 / 5.2002 279 2 Regionale Qualitätsprodukte und ihre Herstellung – das Beispiel des „Queijo Serra da Estrela“ Foto: I. Grünewald Vielfalt regionaler Produkte. Seia / Serra da Estrela (Portugal) Der charakteristische Schafskäse „Queijo Serra da Estrela“ ist als Produkt der Region Beispiel für die Ausprägungen regionaler Geschichte und Kultur. Verfahren der Herstellung sowie Inhaltsstoffe können dabei als Hinweise seiner Bindung an die Region gelten. Zur Käseherstellung werden traditionell charakteristische Hilfsmittel benutzt, wie die typischen Kannen zum Erwärmen der Milch oder das Sieb zum Auspressen der Molke und Verdichten der Käsemasse. Geheime Zutat und Besonderheit des Käses, der die Erzeugung zum Handwerk macht, ist jedoch die Herstellung und Verwendung des Milch-Gerinnungsmittels. Dieses wird aus einer Distelart der Region namens „Cardus cardunculus“ gewonnen. Aus der Pflanze wird entweder Presssaft oder ein getrocknetes und zerriebenes Blattsubstrat hergestellt. Dem Auspressen und Verdichten der Käsemasse folgen mindestens 30 Tage der Trocknung, Reifung und kühlen Lagerung. Ein Käse wiegt bei einem Durchmesser von 15 – 20 cm und 4 – 6 cm Höhe zwischen 1 und 1,7, meist allerdings 1,3 bis 1,5 Kilogramm. Zur Herstellung werden vier bis sechs Liter Milch benötigt. Der Schafskäse enthält ausschließlich die Inhaltsstoffe Milch, Salz und Spuren der Distelart. Da die Käseherstellung nach überlieferten Handwerkstechniken erfolgt und sehr wissens- und arbeitsintensiv ist, wird die Produktion als „artesanal“ bezeichnet, was künstlerisch bzw. handwerklich bedeutet.7 Produziert wird in kleinen und mittleren Betrieben. Die Herstellung erfolgt ausschließlich in den Monaten Oktober bis April. Da sich die Milch in Abhängigkeit von der jahreszeitlichen Fütterung in ihrer Qualität verändert, werden die besten Käse angeblich zwischen Dezember und Februar hergestellt. Eine zeitliche Ausdehnung der Produktion über das gesamte Jahr erfolgte bislang nicht, da die Lagerräume ohne zusätzliche Kühlmöglichkeit in vielen Betrieben nur für die kühlen Wintermonate ausreichen. Weiterhin ruhen nur während dieser Zeit zwischen Ernte, Einsaat und Feldbestellung die Feldarbeiten – nur jetzt ist eine Käseproduktion verbunden mit hoher Arbeitsbelastung möglich. Das Schaf bietet Fleisch, Milch, aus der der Käse gemacht wird, Wolle, die Teile der Textilfabriken der Region versorgt, Dung, der die Felder düngt: es bildet die Herden und dominiert das gesamte Hirtenleben. Ribeiro, O.; a.a.O., S. 238 3 Ziele, Kriterien und flankierende Maßnahmen zur Umsetzung der Zertifizierung von Käsereien Landwirtschaftliche Interessengruppen gaben die Impulse zur Siegeleinführung und trieben die Zertifizierung von Käsereien zunächst voran. Unter ihrer Federführung bildete sich die heute bestehende Organisations- und Vermarktungsstruktur mit einer in Celorico da Beira gegründeten Zentrale heraus. Grundlegendes Ziel war eine Abfederung des landwirtschaftlichen Strukturwandels durch Einkommenssicherung und -schaffung für die Landwirte der Region. Dieses sollte durch die Erschließung neuer Absatzmärkte und damit verbunden durch die Erhöhung der Absatzmengen erreicht werden. Die Modernisierung und der Ausbau vorhandener Strukturen der traditionellen Viehwirtschaft, verbunden mit den Instrumenten der Zertifizierung und Qualitätskontrolle, schienen dabei Erfolg versprechend. Prozessbegleitend erkannte auch die Verwaltung des Naturparks Serra da Estrela die Erhaltung der Weidewirtschaft und bäuerlich-handwerklichen Käseproduktion als wichtiges Ziel an und erklärte diese zu einem ihrer zentralen Aufgabenbereiche. (7) Vgl. Santos, J.; Solar do Queijo Serra da Estrela: V Festa convivo dos Produtores de Queijo Serra da Estrela e outros queijos artesanais de ovelha. – Celorico da Beira 1998, S. 12; Martinho, A.: O Pastoreio e o Queijo da Serra. In: Secretatia de Estado do Ordenamento a Ambiente /Servico Nacional de Parques Reservas e Património Paisagístico N 3 (1981), 2a deição, S. 70 280 Ilona Grünewald: Entwicklungsimpulse durch Vermarktung regionaler Qualitätsprodukte Die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Landwirte sollte dabei vor allem der Bevölkerungsfixierung, der Erhaltung traditioneller Bewirtschaftungstechniken und somit schließlich der Erhaltung der einzigartigen Kulturlandschaft des Gebirgszugs dienen. Die Serra da Estrela wird als eine der vielleicht best erhaltensten Kulturlandschaften Europas bezeichnet. Die Einzigartigkeit der Kulturlandschaft ist gleichzeitig Grundlage der Entwicklung eines landschaftsbezogenen und weitgehend umweltverträglichen Tourismus als auch eines modernen „Naturschutzes durch Nutzung“. Die Aufgabe von Betrieben stellt derzeit die größte Gefahr für den Biotopund Artenreichtum des Gebirges dar. Der Naturpark kooperierte im Rahmen der Siegeleinführung mit zahlreichen weiteren Partnern. zialität zusätzlich in einem eigens dafür eingerichteten „Regionalladen“ in der Hauptstadt Lissabon erhältlich.11 Auch Bestellungen des Schafskäses ins Ausland über das Internet sind möglich. Nur vom Stammsitz der Vereinigung8 in Celorico da Beira zertifizierte Käsereien sind berechtigt, den Schafskäse mit dem kennzeichnenden Siegel zu versehen. Das Siegel zeichnet den Käse als Qualitätsprodukt aus und soll zu dessen Verbreitung sowie der Qualitätssicherung beitragen. 4 Erste Erfolge der Einführung des Siegels Die Vielzahl unterschiedlicher Zertifizierungskriterien spiegelt die Hauptziele der Siegeleinführung sowie die variierenden Interessenslagen der an der Siegeleinführung Beteiligten wider. Folgende Kriterien9 sind Voraussetzung zur Zertifizierung: • Die landwirtschaftliche Aktivität findet in der ausgewiesenen Region des Käses der Serra da Estrela statt.10 • Die Milch stammt aus der Region Serra da Estrela und von Schafen der Rasse „ovelhas bordaleiras Serra da Estrela“. (8) Solar do Queijo Estrela 1998, S. 9 Serra da (9) Zu den Kriterien vgl. Santos/ Solar do Queijo Serra da Estrela (10) Região Demarcada do Queijo da Serra da Estrela (11) Loja do Solar do Queijo Serra da Estrela, Centro Comercial Espaço Chiado, Rua da Misericórdia, n°12 a20, Lisboa • Die Herde ist in gutem Gesundheitszustand. • Die Verarbeitung der Milch erfüllt hygienische Anforderungen und erfolgt unter Verwendung definierter Inhaltsstoffe. • Bei der Käseerzeugung werden definierte Herstellungspraktiken eingesetzt. • Die Einrichtungen der Käseproduktion sind lizenziert. Als flankierende Maßnahmen zur Umsetzung wurde im Norden des Gebirgszugs, in Celorico da Beira, eine zentrale Stelle zur Vermarktung des Käses etabliert, die informiert, organisiert und ein gezieltes Marketing betreibt. Neue Absatzmärkte konnten hierdurch erschlossen werden. Seit Oktober letzten Jahres ist die regionale Spe- Von der Regionaldirektion Landwirtschaft wurden die Siegeleinführung begleitende Förderprogramme eingerichtet. Finanzielle Förderungen ermöglichten zahlreichen Betrieben die Einrichtung einer eigenen Käserei bzw. eine Modernisierung der vorhandenen Einrichtungen. Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitszustandes der Herden sowie der Aufbau von Zuchtbeständen stellten weitere Programmbereiche dar. In diesem Rahmen wurden beispielsweise umfangreiche Impfungen der Tierbestände durchgeführt. Die Einrichtung bzw. der Ausbau und die Modernisierung betriebseigener Käsereien ermöglichte zahlreichen landwirtschaftlichen Betrieben eine betriebsinterne Weiterverarbeitung der Milch; sie schaffte Unabhängigkeit von den Molkereien und neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Diese Wirkungen dürfen vor allem in den entlegenen Gemeinden des Gebirgszugs nicht unterschätzt werden. Da sich Investitionen bei Betrieben mit bereits überdurchschnittlich hoher Produktion bereits innerhalb vergleichsweise kurzer Zeitintervalle rentierten, wurden Betriebsausbauten und -modernisierungen allerdings fast ausschließlich bei größeren Betrieben durchgeführt. Dieses stellt zweifellos einen der zentralen Kritikpunkte dar. Zertifizierte Betriebe können ihren Käse im Vergleich zu nicht zertifizierten heute zu höheren Preisen vermarkten. Die Verkaufspreise des in der Serra da Estrela gefertigten Käses variierten im Jahr 2000 in Abhängigkeit von den Betriebs- und Vermarktungsstrukturen beträchtlich. Sie lagen zwischen 2 500 und 5 000 Escudos (ca. 12 bis 25 €) pro Kilogramm. Höhere Preise werden ausschließlich von Käsen mit Siegel erzielt. Im als Herkunftsregion gekennzeichneten Gebiet waren 2000 nach Angaben des Stammsitzes in Celorico da Beira rund 400 Betriebe mit Schafskäseproduktion bekannt. Davon waren rund 40, also ein Zehntel bereits zertifiziert. Weitere 60 Betriebe hatten eine Zertifizierung beantragt oder befanden sich im Prozess der Zertifizierung. Informationen zur Raumentwicklung Heft 4 / 5.2002 Als zentraler Erfolgsfaktor zur Erhöhung der Absatzmenge bzw. der Erschließung neuer Absatzmärkte gilt der Imagegewinn durch die Garantie der Einhaltung hygienischer Mindestanforderungen der Produktion gegenüber dem Verbraucher. Bei der bisherigen Direktvermarktung ist die Kontrolle der Einhaltung hygienischer Mindestanforderungen aufgrund bestehender persönlicher Kontakte kaum von Bedeutung. Dies gilt jedoch nicht für den Fall der überregionalen Vermarktung, zum Beispiel über Supermarktketten. Mindestanforderungen und Kontrollen bieten nicht nur den Konsumenten, sondern auch den Händlern die nötige Sicherheit. Vor allem durch die Errichtung der zentralen Zertifizierungs- und Vermarktungsstelle konnten neue Absatzmärkte im In- und Ausland erreicht und bedient werden. Die Verbesserung des Gesundheitszustandes der Herden sowie die Zucht und Erhaltung der autochthonen Schafrasse scheinen derzeit gesichert. 281 5 Schlussfolgerungen Kritikpunkte an der Siegeleinführung finden sich vor allem in der starken Gewichtung von Marketingstrategien und wirtschaftlichen Aspekten. So könnten von Zertifizierungen noch in stärkerem Umfang Impulse zur Förderung regionaler Handwerkstechniken und Identität ausgehen. Erste Initiierungen und Ausrichtungen von Wettbewerben, Regionalmärkten und öffentlichkeitswirksamen Hirtenfesten gehen in die von regionalen Akteuren vielfach gewünschte Richtung. Neben der Kritik an Teilbereichen einzelner Zertifizierungskriterien stehen die Vorzeichen zur Erreichung einer Vielzahl der mit Einführung der Zertifizierung verbunden Ziele heute äußerst gut. So konnten neue Absatzmärkte erschlossen, höhere Preissegmente und Einkommensverbesserungen erreicht, der Gesundheitszustand der Herden verbessert und die autochthone Schafrasse erhalten werden. Auch in Zukunft werden die regionalen Produkte der Serra da Estrela ihren Platz im Regionalmarketing einnehmen und einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Region leisten können. Zusätzliche Informationen Queijo Serra da Estrela Kategorie: Käse Sub-Kategorie: Käse Schutzsystem: Geschützte Ursprungsbezeichnung (g.U.) Name der Herstellergruppe: Estrelacoop – Cooperativa de Preodutores de Queijo da Serra da Estrela, C.R.L. Anschrift: Rua Miquel Bombarda, 20 6360 Celorico da Beira Portugal Kontrollorgan: Faproserra – Federação das Associações de Produtores de Queijo Serra da Estrela Mercato Municipal de Celorico da Beira Portugal