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BUSINESS BRIEFING
NACHHALTIGE
12.12.2014 | Nr. 12
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INVESTMENTS
TOPTHEMA: Verantwortliches Investieren in den USA 2
Eine Flucht –
keine Strategie
Inhalt
TOPTHEMA
US-Investoren: andere
Schwerpunkte als Europäer......2
Mit einem Paukenschlag läutete Johannes Teyssen den Dezember ein: Der achtgrößte Energieversorger der Welt spaltet sich
auf. Künftig soll Eon sich auf erneuerbare Energien und Netze fokussieren. Das Kerngeschäft – alle konventionellen Energieträger
und der Energiehandel – soll eine neue Gesellschaft übernehmen
und 2016 an die Börse gehen. Wegen des verordneten Atomausstiegs – zugegeben: eine schwierige Lage – und des Kohleausstiegs, wurde insinuiert. Keine Rede von zehn Jahren hausgemachter strategischer Fehlentscheidungen: Die Akquisition von Ruhrgas sowie Zukäufe in Spanien, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Brasilien – alle zerlegt, verkauft oder mit Milliardenbeträgen abgeschrieben. Der Schuldenberg zwang zum Handeln.
ASSET MANAGEMENT
Gold: Heikler Glanz....................... 5
Überblick: Wirkung im Visier...6
Der Beschluss sieht mutig aus. Eon als Energiewendevorreiter. Entlarvend aber,
wie sich Vorstandschef Teyssen gegen den Verdacht sträubt, Firma X diene als
„Bad Bank“: So stelle man nicht ein Unternehmen auf, an dessen Erfolg man
glaube. Es sei nicht ausgemacht, welches Unternehmen das erfolgreichere werde. Die Manager haben noch immer nicht begriffen, woher der Wind weht. Immer mehr Großanleger kehren sich von fossilen Geschäftsmodellen ab. Letzte
Woche etwa hat der norwegische Versicherer und Vermögensverwalter KLP
Aktien von 27 Konzernen mit starkem Kohleanteil veräußert.
KÖPFE & AUSSENANSICHT
Glatteis: Ausschlusskriterien..14
PRODUKTE & KONZEPTE
Hürden: Regulatoren im Weg
der Mikrofinanzierung.................7
INITIATIVEN & AKTIONEN
Ernüchterung im Südsudan......11
WISSEN & WERT...........................13
MELDUNGEN & AUSBLICK....... 15
Mit Unterstützung von
Eon mag überleben, sofern denn die Düsseldorfer das Denken in kleinen Strukturen lernen, wie bei Erneuerbaren nötig. Aber das Problem des Kerngeschäfts
ist nicht gelöst. Zumal der Energieriese zur Absicherung der Atomfolgen mit
seiner ganzen Kraft geradestehen sollte, nicht nur mit dem schwächelnden Altgeschäft. Vorausschauend wäre (gewesen), sich (schon vor zehn Jahren) der
absehbar nötigen Energiewende progressiv zu stellen und das Geschäftsmodell
sukzessive von fossilen „Altlasten“ weg zu entwickeln, hin zu zukunftsträchtigen Energieträgern, Netzen und Speicherung. Angesichts langer Investitionszeiträume mag das schwierig sein. Aber gut durchdacht, gut begründet und
konsequent realisiert, finden sich auch Aktionäre, die genug Ausdauer haben,
um den Weg mitzugehen. Nun aber soll das belastete Geschäft weitermachen
wie bisher, ohne Strategie. Der Spin-off-Beschluss soll ein Jahr lang „gereift“
sein, ist aber keine wirklich reife Leistung, sondern eine Flucht. Er wirkt wie eines der Ausschlusskriterien, die nachweislich kaum Wirkung zeigen (S. 15).
Eine spannende, nützliche Lektüre wünscht Ihnen Ihre Susanne Bergius
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Diesseits und jenseits
des großen Teichs
Nachhaltiges und verantwortliches Investieren verbreitet sich beiderseits des Atlantiks. Trotzdem sind
Erhebungen dazu kaum vergleichbar. Große Anleger setzen unterschiedliche Schwerpunkte.
Europäer pochen auf die Einhaltung der Menschenrechte. Auch US-Präsident Barack
Obama hat unlängst der Führung Chinas deutlich gemacht, dass sie die Menschenrechte einhalten sollen; und er forderte transparente und freie Wahlen in Hongkong.
Andererseits haben ausgerechnet die USA als eines von nur zwei Ländern die vor 25
Jahren von den Vereinten Nationen verabschiedete » Kinderrechtskonvention nicht
ratifiziert – neben dem Sudan (siehe Seite 12). Zudem praktizieren manche US-Bundesstaaten noch immer die Todesstrafe.
Derartige Diskrepanzen zwischen Europa und den USA bestehen bei anderen Themen ebenfalls, auch im Kreise der Anleger. So sind Investments in Rüstungshersteller
für viele europäische Anleger inzwischen Tabu, in den USA hingegen gilt die Ablehnung von Rüstungsinvestitionen als unpatriotisch.
US-Großanleger thematisieren in Hauptversammlung überwiegend GovernanceThemen wie Vorstandsvergütungen und Board-Besetzungen, während europäische
Institutionelle bei ihren aktiven Dialogen vermehrt kontroverse Aktivitäten wie Korruption und Verstöße gegen Umwelt- und Sozialstandards ansprechen.
Ähnliche Definitionen – andere Inhalte
Was diesseits und jenseits des großen Teichs unter „nachhaltigem Investment“ verstanden wird, differiert folglich aus kulturellen und historischen Gründen erheblich.
Trotzdem haben sich die Definitionen dessen, was unter dem international verwendeten Kürzel „SRI“ verstanden wird, gleichermaßen erweitert. Das zeigen die kürzlich
veröffentlichten Erhebungen der Branchenorganisationen beider Regionen. Vor wenigen Jahren wurde unter SRI das ’Socially Responsible Investment’ verstanden: gesellschaftlich verantwortliches Investieren. Inzwischen verstehen die Akteure beiderseits des Atlantiks darunter alle Anlagestrategien, die irgendetwas mit Nachhaltigkeit
zu tun haben, vage und punktuelles Handeln genauso wie strenge Ansätze.
Gleichwohl sind die Statistiken nicht 1:1 vergleichbar. Die Blickwinkel und Schwerpunkte der Organisationen sind recht unterschiedlich.
Starkes Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks
Nachhaltige, verantwortliche und wirkungsorientierte Investitionen sind in den USA
zwischen Anfang 2012 und Anfang 2014 um 76 Prozent auf 6,57 Billionen Dollar (umgerechnet rund 5,24 Billionen Euro) gewachsen, teilte die amerikanische Branchenorganisation US Sif im November in ihrem » „Report on US Sustainable, Responsible
and Impact Investing Trends 2014“ mit. SRI mache mehr als ein Sechstel des professionell gemanagten Kapitals in den USA aus. Eine beachtliche Größenordnung.
Die europäische Branchenorganisation Eurosif hingegen hält sich mit derartigen
Zahlen zurück, wegen der Definitionsproblematik. Leser ihrer » „European SRI Study
2014“ müssen sich Gesamtvolumina aus Grafiken errechnen. Der Bericht bezieht sich
nur auf die einzelnen Anlagestrategien. Alle wachsen - wenn auch mit unterschiedlich hohen zweistellige Raten - schneller als der gesamte europäische Investmentmarkt, dessen Zuwachs auf 22 Prozent geschätzt wird. Insgesamt scheint das SRI
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TOPTHEMA
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USA: 18 Prozent des
verwalteten Vermögens
Zu Jahresbeginn hielten in den
USA 480 institutionelle Investoren, 309 Geldhäuser und 880 Vermögensverwalter 6,20 Billionen
Dollar an Investments, für die sie
verschiedene Umwelt-, Sozialund Governance (ESG)-Kriterien
bei Titelanalyse und Portfolioauswahl anwenden.
Weitere 1,72 Billionen Dollar halten Großanleger oder Asset Manager, die zwischen 2012 bis 2014
Aktionärsresolutionen zu ESGAspekten lancierten.
Nach dem Abzug von Doppelzählungen - Kapital, das beide Strategien anwendet - bleibt ein SRIGesamtvolumen von 6,57 Billionen Dollar.
Das über nachhaltige, verantwortliche und wirkungsorientierte Investmentpraktiken anlegte Kapital machte laut US Sif Anfang
2014 fast 18 Prozent aller verwalteten Vermögen aus.
Nachhaltige und
verantwortliche Investments
in den USA
von 1995 - 2014, in Mrd. US-$
7000
6000
5000
4000
3000
2000
1000
0
1995 1999 2003 2007 2012
1997 2001 2005 2010 2014
ESG Incorporation Only
Shareholder Resolutions Only
Overlapping Strategies
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Quelle: US SIF Foundation
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in Europa von Ende 2011 bis Anfang 2014 um 86 Prozent auf 19,4 Billionen Euro gestiegen zu sein. Darin sind aber längst nicht alle europäischen Staaten enthalten.
Für beide Regionen trifft zu, was Lisa Woll, Vorstandschefin des US Sif, so formuliert: „Nachhaltige Anlagestrategien werden über Anlageklassen hinweg verwendet,
um unternehmerische Verantwortung zu fördern, langfristigen Wert für die Unternehmen und ihre Anspruchsgruppen aufzubauen und Geschäfte zu stärken, die gesellschaftlichen und ökologischen Nutzen bringen.“
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TOPTHEMA
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Ähnliche Markttrends
Die starke Zunahme der ESG-Integration bei Vermögensverwaltern und Anlageprodukten habe verschiedene Gründe. Es gebe eine zunehmende Marktdurchdringung
von SRI-Produkten, auch weil viele neue Produkte die Anlagemöglichkeiten erweiterten. Zudem integrierten zahlreiche große Vermögensverwalter ESG-Kriterien breiter
über große Anteile ihrer Portfolios hinweg.
Außerdem hätten Institutionelle in den zurückliegenden Jahren zunehmend die
UN-Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI) unterzeichnet. So ist Ende November die Bank of America Merrill Lynch, der erste große US-Broker, dem Kreis der
gut 1300 Finanzakteure mit 45 Billionen Dollar verwalteten Vermögen beigetreten.
Ähnliche Trends lassen sich auch im europäischen Raum feststellen: Die Institutionellen sind die Treiber (siehe » November-Ausgabe). Damit hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Die Herangehensweisen der Organisationen an die Datenerhebung und die Berichterstattung sind sehr verschieden.
Eurosif differenziert Strategien – US Sif die Anlageklassen
Während Eurosif seinen Bericht entlang von sieben Anlagestrategien untergliedert
und Investoren entsprechend befragt, unterscheidet US Sif grundsätzlich zwei Strategien: die Integration verschiedener Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Kriterien bei Titelanalyse und Portfolioauswahl sowie das Lancieren von Aktionärsresolutionen. Unterschiedliche Investmentansätze wie reine Ausschlusskriterien,
Best-in-Class, Umwelttechnik oder aktive Investor-Dialoge mit Vorständen
(Shareholder Engagement) kommen in
dem nur käuflich zu erwerbenden Bericht so nicht vor.
Stattdessen hat das US Sif unterschiedliche Anlagevehikel und Asset
Klassen erhoben. Außerdem schlüsselt
es auf, für welche Volumina hier Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte
angewendet werden sowie produktspezifische Kriterien – etwa der Ausschluss
von Tabak- und Alkoholherstellern.
Schwerpunkt ist in den USA eindeutig
die Vermeidung von sozialen Missständen, das ist der Fokus für 4,27 Billionen
Dollar. Zentrale Sorge sind die Zustände
im Sudan – die Institutionellen haben für
2,7 Billionen Dollar Investmentrestriktionen eingeführt für Unternehmen, die
dort Geschäfte machen (siehe Seite 12).
Zum Vergleich: Unternehmensführung
(Governance) ist für 3,53 Billionen Dollar
des verwalteten Vermögens das
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TOPTHEMA
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Hauptthema, Umweltaspekte für 2,94 Billionen Dollar.
Zudem macht der Bericht deutlich, dass die Amerikaner andere thematische
Schwerpunkte als die Europäer setzen. So unterstützten Investoren stark eine Petition an die Börsenaufsicht US Securities and Exchange Commission (SEC), diese möge
von Unternehmen verlangen, ihre Spenden an politische Parteien und Kandidaten offen zu legen. Die SEC habe mehr als eine Million Kommentare dazu erhalten, was ein
Rekord in der Geschichte ihrer Regelsetzung gewesen sei, heißt es.
Auch aktuelle Ereignisse bewirken ein Umdenken: Seit dem Amoklauf in einer
Grundschule in Newtown/Connecticut im Dezember 2012 gehen Investoren zunehmend restriktiv mit Investitionen in Waffen um. Das Volumen der nach diesem Kriterium verwalteten Gelder hat sich bei Vermögensverwaltern fast vervierfacht und bei
Kapitaleignern nahezu verfünffacht - addiert auf insgesamt 943 Milliarden Dollar.
Branchenorganisation macht Klimaschutz zum Topthema
Ökologische Themen gewinnen aber auch an Bedeutung, selbst wenn in der Politik
widersprüchliche Entwicklungen zu beobachten sind. Zwar hat Obama unlängst
beim UNO-Klimagipfel verkündet, den amerikanischen CO2-Ausstoß unter Umgehung der innenpolitischen Opposition bis 2020 um 17 Prozent unter den Wert von
2005 drücken zu wollen. Und im November hat der US-Präsident überraschend einen Umwelt-Pakt mit China geschlossen. Danach wollen die USA bis 2025 den Ausstoß von Treibhausgasen um 26 bis 28 Prozent gegenüber 2005 reduzieren.
Dagegen haben jedoch führende Republikaner heftigen Widerstand angekündigt.
Während sie noch immer den von Menschen gemachten oder verstärkten Klimawandel bezweifeln, obwohl Anfang November der fünfte Bericht des Weltklimarats IPCC
an Deutlichkeit kaum zu übertreffen war, fordern Großanleger Klima-Fakten von Unternehmen. Denn sie haben die Klimarisiken erkannt.
Mehr noch: Das US Sif, das mehr als 300 Vermögensverwalter, Kapitaleigner und
Finanzdienstleister repräsentiert, hat die US-Börsenaufsicht SEC Anfang November
aufgefordert, zu handeln. „Vier Jahre nachdem die SEC Leitlinien zur Offenlegung
von Klimainformationen ausgab… sorgen wir uns, dass diese kaum wirken“, schrieb
Vorstandschefin Woll. Rund die Hälfte der 3000 größten in den USA börsennotierten
Konzerne legten in Jahresberichten nichts dazu offen, heißt es in dem » Schreiben an
die SEC. Außerdem bestünden große Unterschiede in dem, was die Unternehmen der
Initiative CDP mitteilten und in den SEC-Einreichungen angäben. Dem CDP sind global 770 Investoren mit 92 Billionen Dollar verwaltetem Vermögen angeschlossen.
Mehr statt weniger Veröffentlichungspflichten gewünscht
US Sif drängt die SEC, die CDP-Berichte zu lesen – auch die zu Wasser, Wald und
Lieferketten - um „zusätzliche Anforderungen für Veröffentlichungen auf diesen Gebieten zu identifizieren.“ Es seien nicht weniger, sondern mehr Informationen erforderlich. Sprich: Die Institutionellen wünschen eine Berichtspflicht.
Das Schreiben erläutert überdies, dass Firmen wie Morgan Stanley, State Street,
Goldman Sachs, Bank of New York Mellon and Alliance Bernstein öffentlich die Relevanz von Umwelt- Sozial- und Governance-Aspekten (international kurz » ESG) untermauerten, indem sie entsprechende Anlageentscheidungen träfen. Dass aber ihr
Bemühen, ESG-Informationen zu integrieren, „behindert wird durch einen Mangel an
verständlichen, vergleichbaren und zuverlässigen Daten.“
Lisa Woll kritisiert: „Die vornehmlich freiwillige Natur der Nachhaltigkeitsberichterstattung bedeutet, dass die für Investoren zugänglichen Informationen inkonsistent
und unvollständig bleiben.“ Sie bezieht sich explizit auch auf die 2014 in der EU beschlossene Berichtspflicht zur unternehmerischen Verantwortung. Somit üben USGroßanleger einen inhaltlichen Schulterschluss zu ihren europäischen Kollegen, unabhängig von unterschiedlichen Statistiken.
Susanne Bergius
US-Investmentfonds
mit Beachtung von
ESG-Aspekten
von 1995 - 2014, in Mrd. US-$
Anzahl
der Fonds
1000
Anlagesumme
in Mrd. US-$
5000
800
4000
600
3000
400
2000
200
1000
0
1995
2001
Handelsblatt
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2007
0
2014
Quelle: US SIF Foundation
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Tonnenweise Glanz
Gold ist begehrt, es liegt physisch in vielen Depots.
Aber die öko-sozialen Risiken sind hoch. Anlagen in
das Edelmetall sind ambivalent.
Wussten Sie, dass die Menschen hierzulande Gold-Fans sind? Mit 8200 Tonnen halten die Deutschen im Herbst 2014 mehr Gold in ihrem Privatbesitz als die US-Notenbank eingelagert hat. Das ergab kürzlich eine » Studie der Berliner Steinbeis-Hochschule im Auftrag des Edelmetall Konzerns Heraeus.
Gold versteckt sich auch in ungenutzter Elektronik - die Recycling-Branche könnte
es wiedergewinnen (siehe Kontext). Das passiert erst in Ansätzen. Stattdessen wird
ungebremst fleißig nach Gold geschürft. Bis 2012 sind nach Expertenschätzungen
weltweit circa 170.000 Tonnen Gold zu Tage gefördert worden – die größten Mengen
ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wie die Berliner Wirtschafts- und Finanzstiftung (BWF) im November berichtete.
Fakten über die meist miserablen sozialen, gesundheitlichen und ökologischen Zustände bei der Goldförderung, die gefährlicher Chemikalien bedarf, hat die Stiftung
nicht zusammengetragen. Der Abbau von Gold und Industriemetallen belastet Bevölkerung und Umwelt beispielsweise in Peru schwer. Die Bundesrepublik heize den
Raubbau mit ihrer 2014 unterzeichneten Rohstoffpartnerschaft an, sagen » Kritiker.
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ASSET MANAGEMENT
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,Urban Mining’ kann
Edelmetalle heben
In Deutschlands gibt es über 100
Millionen ungenutzte Handys und
Smartphones. Daraus ließen sich
neben Hunderte von Tonnen Kupfer mehr als zwei Tonnen Gold
und zwanzig Tonnen Silber zurückgewinnen, erklärte die Deutsche Umwelthilfe anlässlich des
mit der Deutschen Telekom Mitte
November errichteten neuen
» Handy-Sammelcenters. In den
deutschsprachigen und europäischen Nachbarländern dürften
ebenfalls hohe Potenziale zu heben sein.
Asset Manager im Dilemma
Finanzakteure gehen mit der Anlageklasse zwiespältig um. Die Deutsche Bank steigt
aus dem physischen Handel mit Gold und anderen Edelmetallen aus. Aber nicht etwa
wegen ethischer Bedenken. Grund sind
schwache Margen im Handelsgeschäft,
die Renditen sollen steigen, so ein Sprecher zu Nachrichtenagenturen. Das Geschäft mit Finanzderivaten auf Gold
werde fortgeführt. Zudem werde künftig
auch in der Vermögensverwaltung mit
physischen Edelmetallen gehandelt.
Gold sei ein absolutes ‚No-go’, weil
die Gefahr groß sei, zu Umwelt- und
Menschenrechtsverstößen beizutragen,
sagt Manfred Wergen von der Schweizer
Vermögensverwaltung Wergen & Partner. Wenn ihnen etwas dazu bekannt sei,
ließen sie die Finger davon. Wovon? Von
Bergbauaktien und strukturierten Produkten. Aber: Physisches Gold sei bei jedem Kunden im Depot, weil es als finanzielle Sicherheit erforderlich sei. Dann
Die Börse für Niedersachsen. Mitten in Hannover!
zögert Wergen und räumt ein, hier bestehe ein Konflikt.
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und Nachhaltigkeit von Goldinvestments
bietet der Informationsdienst Ecoreporter in seiner » Rubrik „Gut erklärt“.
Susanne Bergius
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02.10.14 10:49
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Wirkung im Visier
Anleger wollen vermehrt Rendite und zugleich positive öko-soziale Effekte erreichen. Was bieten
Vermögensverwalter? Ein Überblick.
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ASSET MANAGEMENT
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Mit Unterstützung von
Im deutschsprachigen Raum wuchs der Markt des sogenannten „Impact Investing“
2013 um mehr als 50 Prozent und somit schneller als alle anderen Formen nachhaltigen und verantwortlichen Investierens, so kürzlich die DACH-Studie des Forums
Nachhaltige Geldanlagen. Die noch junge Anlageform macht mit 5,82 Milliarden Euro
erst vier Prozent dieses Marktes aus. Privatanleger finden dazu wenige Produkte, für
institutionelle Anleger ist die Auswahl größer, insbesondere weil sie spezialisierte
Vermögensverwalter einschalten können. Doch wer kommt in Frage? Wer ist seriös?
Hierzu hat die Denkfabrik und Beratungsfirma Impact in Motion jetzt Informationen zusammengetragen. In ihrer Publikation „Impact Asset Manager in der DACHRegion“ stellt sie 14 Vermögensverwalter vor – wohlgemerkt als „Momentaufnahme“
der bestehenden Landschaft, die sich rasch entwickelt.
Für die Auswahl der Akteure, die sich bewarben, galten einige Kriterien. Die Asset
Manager investieren privates Eigen- oder Fremdkapital und peilen mit den Produkten eine finanzielle Mindestrendite an, die mindestens Kapitalerhalt sicherstellt. Sie
verankern die positive soziale und/oder ökologische Wirkung der Geldanlage als Ziel
in ihrer Berichterstattung und messen diese Wirkung. Sie sind seit mindestens drei
Jahren in diesem Markt tätig und verwalten hier wenigstens fünf Millionen Euro.
Momentaufnahme ermöglicht ersten Vergleich
Die Akteure sind durch übersichtlich strukturierte Profile dargestellt. Aufgeführt wird
beispielsweise die Höhe des verwalteten Impact-Anlagevolumens, dessen Anteil am
verwalteten Gesamtvolumen, der Investmentansatz sowie die verwendeten Methoden zur Wirkungsmessung. Für einen ersten Vergleich ist das hilfreich. Das Unternehmen stellt klar: „Unsere Publikation ist weder Index noch Ranking noch Gütesiegel
und ist nicht als Investmentvermittlung oder -börse zu verstehen. Insbesondere wollen wir explizit keine Produktempfehlungen aussprechen.“
Es ist zum Beispiel zu ersehen, ob und wer sich bei der Wirkungsmessung an welchen Standards orientiert. Unklar ist allerdings, was Anleger mit der „Kumulativen
Erfahrung der Investment Manager“ bei Vermögensverwaltung und Impact Investing
sollen. Bei der Frankfurter Finance in Motion stehen je über 100 Jahre. Das klingt
nach viel, doch auf die durchschnittliche Erfahrung der 15 Mitarbeiter umgerechnet
kommt ein Schnitt von 1,5 Jahren heraus. Das ist eher wenig, etwa gegenüber den jeweils 20–30 Jahren der drei Investment-Manager von Impact Finance Management.
Auch zur Renditeerfüllung sind die Angaben unklar: Bei den meisten steht zur
Rendite des letzten Jahres und über drei Jahre „gemäß den Erwartungen“ – was die
Zielrendite(n) waren, wird nicht gesagt. Zwar geht das wohl nur auf Produktebene.
Doch so ist der Informationsgehalt gleich null. Jeder kann behaupten, seine eigenen
Erwartungen erfüllt zu haben, wichtig sind Nachweise. Hier sind Anleger gefordert,
den Vermögensverwaltern auf den Zahn zu fühlen. Angesichts dessen heben sich Impact Finance Management und Invest in Visions (IIV) hervor, die mutig zugeben, ihre
Renditen seien in der Start-up-Phase im Schnitt der drei Jahre unter den Erwartungen geblieben. Und IIV konkretisiert: Die Rendite sei leicht unter den Erwartungen
geblieben, aber über dem Durchschnitt anderer Mikrofinanzfonds. Dagegen macht
die Genfer Quadia gar keine Angaben dazu, ebenso wenig wie zum Anteil an Frauen
und unterrepräsentierten Gruppen auf der Investment-Mitarbeiter-Ebene und der
Führungsebene – aber auch das ist eine Aussage.
Susanne Bergius
Weiterführende Links
Informationsquellen zu weltweiten Anlagemöglichkeiten bieten
auch die Datenbanken „Impact
Assets 50“ und die „Impact Base“
des » Global Impact Investing
Network (GIIN).
Das globale » Netzwerk „Toniic“
prüft für seine Mitglieder weltweit
mehr als 200 Impact-Deals pro
Jahr. Es umfasst inzwischen 50
Investoren aus 20 Ländern, die
mit diversen Finanzinstrumenten
in 15 Ländern wirkungsorientiert
investieren.
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Steine im Weg der
Mikrofinanzierung
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PRODUKTE & KONZEPTE
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Die europäische und deutsche Regulierung dreht
einem Erfolgsmodell für Schwellen- und Entwicklungsländer die Luft ab. Die Nische wird trotzdem
für Anleger langsam größer.
Diese Geldanlagen passen genau in die Zeit. Ihre Renditen sind ordentlich und sie
gelten als sicher – aber für deutsche Anleger sind sie kaum verfügbar. Die Rede ist
von Fonds, die in Mikrokredite investieren. Wenn Bäuerinnen in Peru oder Einzelhändler in Kenia sich Geld leihen möchten, werden sie meist von Banken abgewimmelt. Unterstützung erhalten sie nur über spezialisierte Mikrofinanzinstitute (MFI).
Mikrokredite liegen zwischen wenigen zehn bis mehreren tausend Euro. Die Öffentlichkeit hat sie erst bejubelt, vor allem als deren Erfinder und Gründer der Grameen
Bank, Muhammad Yunus aus Bangladesch, 2006 den Friedensnobelpreis erhielt.
Erst überhöht, dann verdammt, jetzt herrscht Sachlichkeit
Wenige Jahre später schlug das Pendel in die andere Richtung aus. Selbstmorde im
indischen Bundesstaat Andrha Pradesh 2010 oder Portfolio-Probleme in Marokko
brachten das Instrument zu Unrecht in Verruf (siehe Kontext). Mittlerweile ist die Berichterstattung ruhiger geworden, und die Lage in den Ländern hat sich normalisiert
und in den betroffenen Regionen verbessert. „Nun haben wir eine Sachlichkeit, die
dem gut tut“, sagt Michael Sommer von der Bank im Bistum Essen (BIB). Das gelte
insbesondere für die Institute, die vor Ort Mikrokredite vergäben. Diese seien „professioneller und sensibler. Es wird viel mehr auf das Überschuldungsrisiko geachtet.“
Der Markt für Fonds, die diesen Mikrofinanzinstituten Kapital zur Verfügung stellen, wächst unterdessen stetig. Der Vermögensverwalter Symbiotics schätzt das Volumen in einem » Marktbericht auf mittlerweile zehn Milliarden Dollar. Der auf das
Thema fokussierte Schweizer Anbieter Responsability hat seine Investments in Indien
in den letzten drei Jahren vervierfacht auf 120 Millionen US-Dollar. Er schrieb jüngst
in einer » Länderstudie, der Sektor sei aus der Krise in Andhra Pradesh gestärkt hervorgegangen. Zudem können sich MFIs dort mittlerweile für eine Banklizenz bewerben und damit zu professionellen, regulierten Banken werden.
Unnötige Skandalisierung
Von Überschuldung, Wucherzinsen und sinnlosen Ausgaben war
2010 die Rede. Plötzlich schienen
Mikrokredite sogar schädlich. Die
„Taz“ warnte vor der „Armutsfalle“, der „Spiegel“ schrieb, negative Auswirkungen würden ausgeblendet.
Derartige Skandalisierungen ignorierten die Tatsache, dass nur vereinzelt und in wenigen Regionen
Überschuldungen auftraten, die
überdies vielfach andere Ursachen hatten (siehe » Ausgabe
September 2011)
Große Nachfrage vor Ort und stete Wertentwicklung
Von der Entwicklung profitierten auch die Fonds. So stieg der Wert des Responsability Global Microfinance seit 2007 um fast die Hälfte. Der Invest in Visions Mikrofinanzfonds hat seit 2011 gut 7,5 Prozent zugelegt und die institutionelle Tranche fast
neun Prozent. Mit durchschnittlichen zwei bis drei Prozent pro Jahr sind diese Anlagen angesichts der allseits niedrigen Zinsen durchaus attraktiv.
Gleichwohl bekamen manche Anbieter existierender Produkte sowie interessierte
Anleger zuletzt unerwartet einen Riegel vorgeschoben. Der Vertrieb des Global Microfinance Fund ist in Deutschland seit Juli 2014 nicht mehr zugelassen. Selbst Anleger, die schon investiert sind, können über ihre Hausbank nicht aufstocken. Der Good
Growth Fund, der 2008 mit einem 30-prozentigen Mikrofinanzanteil als Innovation
angetreten war, musste diesen 2014 drastisch kürzen. Darum hatten deutsche Privatanleger zuletzt noch weniger die Möglichkeit, in das Thema größer einzusteigen.
Schuld an der Misere ist die infolge der Finanzkrise entstandene gut gemeinte Idee,
Finanzmanager zu zügeln. Dazu verschärfte die Europäische Union unter ande-
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rem mit einer Richtlinie die Vorgaben für Hedgefonds und Private-Equity-Fonds. Sie
achtete dabei insbesondere auf Liquidität und Risikoabsicherung. Das Beispiel der
Offenen Immobilienfonds illustriert warum. Deren Vermögen steckte in Immobilien,
als während der Krise etliche Anleger ihr Geld abziehen wollten. Sie konnten es aber
mangels Liquidität nicht, die Fonds wurden eingefroren.
SEITE 8
PRODUKTE & KONZEPTE
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Gut gemeint und schlecht gemacht
Dasselbe Prinzip traf auch spezielle Themenfonds in der Nische. Denn Mikrokredite
lassen sich von Natur aus nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt zurückfordern. Bei
Fonds sind aber monatliche Ausschüttungen üblich. Der in Luxemburg aufgelegte
Good Growth Fund etwa musste alle seine reinen Mikrofinanzfonds aus dem Portfolio
nehmen, die unter die Liquiditätsregeln fielen.
Deutschland machte es mit der Umsetzung der Richtlinie noch schlimmer. Schon in
den vergangenen Jahren galten hierzulande hohe Auflagen nach dem ehernen Finanzgrundsatz: Geld verleihen dürfen nur Kreditinstitute. Anbieter wie Responsability nutzen darum das liberale Luxemburg, das Kreditzahlungen durch Fonds erlaubt.
Diese Fonds durften in Deutschland nicht vertrieben werden. Anleger konnten sie
aber von sich aus kaufen, dann handelte es sich nicht um aktive Bewerbung, sondern
um ein „Private Placement“. Die sind seit Juli tabu, seitdem gilt das Kreditanlagegesetz (KAGB). „Das KAGB macht keinen Unterschied mehr zwischen Privatplatzierung
und öffentlichem Vertrieb“, sagt Jens Steinmüller von der Kanzlei Pöllath + Partners.
Realitätsferne Regulierung
Michael Sommer von der Bistumsbank Essen spricht von einem echten Standortnachteil. Dass das speziell auf die ärmsten Menschen maßgeschneiderte Konzept der
Mikrofinanzierung blockiert wird, liegt aus seiner Sicht an dem neuen Grundsatz: ‘Nur
Kreditinstitute dürfen Kredite vergeben, Fonds nicht’. Letztere müssen stets eine
Bank als Mittlerin hinzuziehen. „Das macht das Thema Mikrofinanzfonds kompliziert,
teuer und aufwendig“. Außerdem geht eine derartige Regulierung an der Realität in
Entwicklungsländern vorbei: Weder dortige noch hiesige Banken vergeben vor Ort
Kredite an Arme. Es sind andere Finanzierungsvehikel erforderlich.
Für Anleger haben Mikrofinanzfonds jedoch ihren Reiz. Abgesehen von den regelmäßigen Renditen sind sie unabhängig von Turbulenzen an den Finanzmärkten, die
Volatilität ist gering und ihr Risiko gestreut. Die Rückzahlungsquoten sind sehr hoch,
im Schnitt fallen lediglich um die zwei Prozent der Kredite aus. Zur Risikominde-
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rung trägt auch die Regulierung bei: In Deutschland zugelassene Publikumsfonds
dürfen höchstens zehn Prozent des Vermögens bei einem einzigen Mikrofinanzinstitut investieren, in einem Land dürfen es nicht mehr als 15 Prozent sein.
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PRODUKTE & KONZEPTE
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Stete Renditen, geringe Risiken - Zulassung möglich
Zudem professionalisieren sich die kleinen Institute in den Entwicklungsländern zunehmend, wie Edda Schröder von Invest in Visions (IIV) beobachtet: Dazu gehöre etwa die Einführung von EDV, Sicherungssystemen, Managementstrukturen und Regulatoren. „Zum Beispiel haben Kambodscha und Tadschikistan Bonitätsprüfer eingeführt, um Überschuldungen zu vermeiden.“ Diese Kreditbüros arbeiten ähnlich wie
die Schufa und achten etwa darauf, dass Menschen keinen Mikrokredit aufnehmen,
um einen anderen abzulösen. Die Fondsprofis achten auf solche Sicherheiten. „Eine
systemische Kritik ist nicht gerechtfertigt. Mikrofinanz ist, professionell und seriös
gemacht, ein sinnvolles Instrument zur Armutsbekämpfung“, sagt Sommer.
Der einzige reine Mikrofinanzfonds, der in Deutschland zum Vertrieb zugelassen
ist, ist der IIV-Fonds. „Es war mir wichtig, nicht in einer rechtlichen Grauzone zu
sein“, sagt Edda Schröder. Der Fonds erhielt nach einem aufwendigen Verfahren 2011
den Segen der Aufsichtsbehörde Bafin. Wie gelang das? Um die rechtlichen Bestimmungen in Deutschland zu erfüllen, wonach Fonds anders als in Luxemburg nicht direkt Darlehen vergeben dürfen, haben die Emittenten eine sogenannte „Fronting
Bank“ dazwischen geschaltet. Das ist eine Firma, die vor Ort Darlehen vergeben
kann, aber nicht zwangsläufig eine Bank sein muss.
Diese schließt die Darlehensverträge mit den Mikrofinanzinstituten – und in derselben Minute werden die Forderungen daraus den Fonds abgetreten. „So fließen
die Zinszahlungen und die Darlehenstilgungsbeträge direkt in den Fonds“, erklärt
Schröder. Zwar nehme dies Vehikel eine Verwaltungsgebühr, aber die trage hälftig
vom Mikrofinanzinstitut. Was auf den Fonds entfalle, entspreche dem Ausgabeaufschlag anderer Fonds. „Das Verfahren ist für die Anleger nicht teurer als andere Mikrofinanzfonds.“ Die Gesamtkostenquote von 1,97 Prozent liege im Mittelfeld.
Neue Wege in Aussicht
Neben diesem Fonds stehen Privatanlegern bislang wenige reine Mikrofinanz-Alternativen offen. Viele in der Tabelle (siehe nächste Seite) aufgeführte Optionen sind
nur für „qualifizierte“, also erfahrene, meist institutionelle Anleger zugelassen. Oder
sie unterliegen Verkaufsrestriktionen in einigen Ländern, die zu erfragen sind.
Die Lage wird sich allerdings voraussichtlich nächstes Jahr ändern. Der Schweizer
Vermögensverwalter Blue Orchard strebt eine Lizenz für den EU-weiten Vertrieb an
qualifizierte Anleger an. Die BIB arbeitet an einem Angebot für Privatanleger, das
2015 auf den Markt kommen soll. Sie hat damit Erfahrung, denn sie vertreibt seit
2009 an institutionelle Kunden den KCD-Mikrofinanzfonds (FIS), einen Luxemburger
Spezialfonds mit zwei Subfonds I „global“ und II “Lateinamerika“. Derjenige für Privatanleger wird wohl der KCD-Mikrofinanzfonds III. Sie hat auch ein BIB-Mikrofinanzsparen, dessen Kontingent allerdings zurzeit ausgeschöpft ist.
Manche Banken haben bereits ein neuen Weg für das Thema gefunden: Die Bochumer GLS Bank und die Deutsche Bank platzierten im Oktober gemeinsam mit der
KfW-Bank Anleihen des seit 2009 existierenden Microfinance Enhancement Facility
(MEF) zur Förderung des Mikrofinanzsektors. Die GLS sammelte 25 Millionen Dollar
ein, aus denen 7000 Mikrokredite vergeben werden können, die Deutsche Bank hat
zwölf Millionen Dollar untergebracht für 3300 Minikredite. Der MEF wurde für erfahrene Privatinvestoren und Stiftungen geöffnet, die rasch zugriffen.
Bei der GLS ist zudem ein ’Oikocredit’-Sparkonto zu haben. Zudem denken die Bochumer über ein neues Produkt nach. Die niederländische Triodos-Bank prüft ebenfalls die Einführung eines Produkts. Beide tun sich allerdings schwer, wie zu hören ist.
Überdies können sich Privatanleger mit verzinslichen Genossenschaftsanteilen
Zulassungshürde
In Luxemburg oder andernorts
existierende Mikrofinanzfonds
konnten bis Mitte 2014 über Private Placement an hiesige Privatanleger gebracht werden. Das ist
seit Juli untersagt.
Diese Fonds nun in Deutschland
zuzulassen, ist kaum möglich: Sie
haben bereits bestehende Portfolios und müssten für diese erst
Vehikel zur Darlehensvergabe dazwischen schalten und danach
folglich sämtliche Darlehensverträge umändern. Ein sehr aufwendiges und kostspieliges Verfahren.
Darum ist es wahrscheinlicher,
das neue Produkte für Privatanleger auf den Markt kommen.
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
SEITE 10
PRODUKTE & KONZEPTE
12.12.2014 | Nr. 12
direkt bei Oikocredit engagieren, einem der weltgrößten Mikrofinanzierer.
Hinzu kommen einige Zertifikate, etwa auf den Dual Return Fund der österreichischen Absolute Portfolio Management. Dem Vernehmen nach erwägt sie ein Produkt mit deutscher Zulassung. Die Schweizer Responsability arbeitet an einer Zulassung in Deutschland, aber nur für professionelle und semiprofessionelle Anleger. Und
im nächsten Jahr wird die EU-Richtlinie zu Alternativen Investmentfonds, die die
Grundlage für die deutschen Regeln bildet, überprüft. Vielleicht müssen deutsche
Anleger ihre Hoffnung auf anerkannte Mikrofinanzinvestments noch nicht begraben.
Julian Mertens, sbe
Geld- und Kapitalanlagen mit Mikrofinanz fördern Entwicklung
Stand: 31. Oktober 2014
Vol. in
Mio.€
Perf.
in % p.a.
Initiator / Berater /
Management
ISIN
Auflagedatum
Dual Return Fund - Vision Microfinance (P) *
LU0236782842
25.04.2006 Lux, Ö
28,87
k.A.
3,03
Absolute Portfolio M. /
Symbiotics / Axxion
Invest in Visions Mikrofinance (R) *
DE000A1H44T1
10.10.2011
D
25,50
4
2,51
Invest in Visions /
Hansainvest
Wallberg Invest (P) *
LU0375612230
31.10.2008
Lux
10,95
k.A.
3,1 0
Wallberg Invest /
Symbiotics
Pro-Credit-Bank
-
2013
D
59,0 **
bis 1,75
/
Pro-Credit-Bank
GLS Oikocredit Sparkonto
-
2011
D
15,7
0,2 (variabel)
/
GLS Bank
-
1975
NL, D, CH, Ö,
u.v.a.
630,6
***
2 (variabel)
/
Oikocredit
BN&P Good Growth Fund
LU0360706096
14.05.2008
Lux, D, Ö
11,30
aktuell: 3-4
-2,40
Hauck & Aufhäuser
Fairworldfonds
LU0458538880
11.03.2010
D
228,36
k.A.
4,20
Union Investment
Lux
212,28
6-Monatslibor
-100 Bp.
3,67
BlueOrchard Asset
Management
Name
Vertriebszulassung
Verzinsung
oder
Ziel­rendite
in % p.a.
für Privatanleger
reine Mikrofinanzfonds
verzinsliche Anlageoptionen
Oikocredit Genossenschaftsanteile
Mischfonds mit Mikrofinanzanteil
für Qualifizierte und institutionelle Anleger (Auswahl)
Mikrofinanzfonds und Mikrofinanz-Rentenprodukte
Blue Orchard
LU0164081316
07.10.1998
Dual Return Fund - Vision Microfinance (I) *
LU0306115196
25.09.2007 D, Lux, Ö
74,46
k.A.
3,94
Absolute Portfolio M. /
Symbiotics / Axxion
Invest in Visions Mikrofinanzfonds (I) *
DE000A1H44S3
10.10.2011
D
46,70
4
2,99
Invest in Visions /
Hansainvest
KfW-Mikrofinanzanleihe (platziert)
-
01.10.2014
D
37,00
k.A.
/
KfW / GLS / Dt. Bank
KCD-Mikrofinanzfonds (FIS) I global
LU0412316290
26.02.2009 Lux
94,99
k.A.
4,00
Bank im Bistum Essen
KCD-Mikrofinanzfonds (FIS) II Lateinamerika
LU0412316373
26.02.2009 Lux
31,00
k.A.
4,23
Bank im Bistum Essen
830,7
3-5 in 5 J
3,40
Responsability /
CS Lux
7,01
k.A.
3,56
Wallberg Invest /
Symbiotics
Responsability Glob. Microfinance Fund (Eur) LU0180190273
25.11.2003
CH, Lux, NL,
L, Singapur
Wallberg Invest (I) *
LU0375612404
31.10.2008
Lux
AIV-Vision Microfinance Zertifikat LC
XS0554549575
20.12.2010
D, Ö, Lux
12,00
bildet Fds. ab;
Libor +6
3,50
Oaklet GmbH /
Absolute Portfolio M.
AIV Vision Microfinance Zertifikat
XS0554544428
20.12.2010
D, Ö, Lux
10,00
bildet Fds. ab;
Leuribor +2
3,10
Oaklet GmbH /
Absolute Portfolio M.
Zertifikate
* Teilfonds, das gesamte Vermögen setzt sich aus der privaten und institutionellen Tranche zusammen
** Kundeneinlagen zum 31.12.2013
*** Genossenschaftsmitgliederkapital zum 31.12.2013
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Ernüchterung im Sudan
SEITE 11
INITIATIVEN & AKTIONEN
12.12.2014 | Nr. 12
Investoren drängten Unternehmen, zum Frieden
und der Einhaltung der Menschenrechte im Sudan
beizutragen. Die Lektion, die sie lernten, ist bitter.
Jahrzehntelang erschütterte ein heftiger Bürgerkrieg den Sudan, ein kolonial-künstliches Konstrukt. Zwiespältige Geschäftemacher profitierten davon. Vor Jahren taten
sich darum Großinvestoren zusammen zur „Sudan Engagement Group“ (SEG): Zwölf
Mitglieder mit einem verwalteten Vermögen von immerhin 2,1 Billionen Dollar forderten im Mai 2011 öffentlich die Unternehmen in ihren Portfolios auf, eine friedliche Teilung in Nord- und Südsudan und eine nachhaltige Entwicklung zu unterstützen.
Faire Verteilung der Ölmilliarden gefordert
Erforderlich sei, hieß es damals, eine faire Verteilung der Einnahmen der Ölförderung
zu vereinbaren, den Status der umkämpften Region Abyei zu klären und Bürger- und
Eigentumsrechte von Minderheiten in beiden Ländern zu etablieren. „Aktieneigner
können maßgeblich sein, indem sie unser Investitionskapital nutzen, um eine positive
Kraft für Menschenrechte, gesellschaftliche Entwicklung und wirtschaftliches Wachstum im Sudan zu sein“, betonte Doug Pearce, damaliger Finanzchef der British Columbia Investment Management. Seit 2008 hatten Investoren der UN-Prinzipien für
Verantwortliches Investieren (PRI) aktiv mit im Sudan tätigen Firmen gesprochen.
Was ist aus dieser gut gemeinten Initiative geworden? Und was aus der krisengeschüttelten Region? Der Sudan ist seit drei Jahren zweigeteilt: Der mehrheitlich
christliche Südsudan, die jüngste Nation der Welt, ist losgelöst vom islamisch-fundamentalistisch regierten Norden. Doch statt dass Frieden einkehrt, herrscht im Süden
ein erbitterter Machtkampf (siehe Kontext). Wer die Macht hat, hat Zugriff auf die Öleinnahmen – satte sechs Milliarden Dollar – und kann sich davon etwas abzweigen.
Von einer fairen Verteilung der Ölmilliarden kann keine Rede sein. Naheliegend, die
Investoren zu befragen. Doch die Webseite der „Sudan Engagement Group“ existiert
nicht mehr. Die PRI erklärt auf Anfrage: Die Gruppe „wollte die Risiken besser verstehen und die Schritte, die für in diesem Land tätige Unternehmen nötig sind, um eine
Verschärfung der Instabilität und ein schlechteres Geschäftsumfeld zu vermeiden.“
Ziel sei gewesen, dass die Firmen mehr Informationen offenlegen, verantwortlich
handeln, die Prinzipien des Global Compact (UN GC) beachten und Führungsqualitäten zeigen, „um ein nachhaltiges Geschäftsumfeld zu fördern und so zu dauerhaftem
Frieden in der Region beizutragen.“ Das klingt selbstsüchtiger als vor Jahren.
Lehren aus dem „Fall“ Sudan
Die Investoren hätten bis zur Gründung des Südsudan im Juli 2011 Dialoge mit Unternehmen geführt, so die PRI: „Angesichts der politischen Instabilität und geringer Beteiligungen hat die Gruppe entschieden, das Projekt zu beenden.“ Den Schlusspunkt
setzte sie mit einer Fallstudie über die gelernten Lektionen und Herausforderungen.
Sie ging ein in die PRI/UNGC-Leitsätze für verantwortliche Geschäfte in Konflikt- und
Hochrisikoregionen – » „Responsible Business Advancing Peace“ enthält Unternehmens-, Investoren- und Netzwerk-Beispiele aus verschiedenen Krisengebieten.
Der niederländische Investor MN Services, der die SEG anführte, schildert detailliert die Erfahrungen mit einem nicht genannten Ölkonzern, dem mehrere Empfehlungen gemacht worden waren (S. 75ff). Doch: „Die Analyse ergab kein Zeichen irgendeines Versuchs des Unternehmens, von den Regierungen Sudans und Südsudans die Einhaltung der Menschenrechte zu fordern.“ Zu seinen Beziehungen zur
neuen südsudanesischen Führung legte es kaum Informationen offen.
Unerbittliche Gegner in
der jüngsten Nation
Salva Kiir führte einst die Rebellen gegen den Norden, nun ist er
Präsident des Südsudan. Gegen
ihn kämpft der geschasste Vize
Riek Machar. Die Streitkräfte zerfielen in zwei Teile. Die verfeindeten Anführer treffen sich zu Friedensgesprächen und vereinbaren
Waffenstillstände, wie im Mai und
Juni. Doch diese halten nicht.
Rund 1,3 Millionen Menschen sind
auf der Flucht. Hilfsorganisationen sagen, Milliarden Dollar seien
sinnlos in das Land geflossen. Der
Südsudan drohe zu zerbrechen,
warnt ’Ärzte ohne Grenzen’.
Die Vereinten Nationen haben die
Staatsgründung unterstützt. Norwegen, Großbritannien und die
USA haben in der ersten Jahreshälfte laut Süddeutscher Zeitung
zugesagt, ihre Hilfsgelder auf 600
Millionen Dollar aufzustocken. Das
sei die Hälfte der nötigen Summe,
um eine Hungerkatastrophe abzuwenden. Die Friedensmission UN
Miss sei überfordert.
Deutsche Soldaten und
die Hoffnung auf Frieden
Der Bundestag verlängerte Mitte
November den Bundeswehreinsatz im ostafrikanischen Südsudan und der sudanesischen Krisenregion Darfur. Je 50 deutsche
Soldaten sollen dort laut der
Nachrichtenagentur dpa weiterhin zwei internationale UN-Missionen unterstützen. Sie wollen zum
Frieden beitragen und in Darfur
den immer wieder gebrochenen
Waffenstillstand zwischen Regierungstruppen und Rebellen überwachen. Deutschland ist dort der
einzige westliche Truppensteller.
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Nichtsdestotrotz habe die Konfrontation mit den Investorenerwartungen und den
PRI/UNGC-Leitlinien ein Bewusstsein in den vier angesprochenen Unternehmen geschaffen, so MN Services. Die Gruppe hatte CNPC/Petrochina, Sinopec, ONGC und
Petronas zunächst vertraulich und 2011 auch öffentlich aufgefordert, unverzüglich
konstruktive Gespräche mit Investoren, Regierungen und ihren weiteren Anspruchsgruppen aufzunehmen. Anders als Schlumberger, Total und Petrofac hatten sie zuvor
keinen Ausgleich zwischen ökonomischen und sozialen Interessen gesucht.
Zwei der vier Unternehmen seien Staatskonzerne und zum offenen Austausch bereit gewesen. Einer habe begonnen, seine Menschenrechtspolitik zu veröffentlichen
und im CSR-Bericht einen Absatz über seine sudanesischen Aktivitäten.
Das schwierigste Problem bleibt ungelöst
Doch der Berichterstatter konstatiert ernüchtert: „Das schwierigste Problem bleibt
ungelöst.“ Während viele Bedenken der Investoren über die Aktivitäten der Ölkonzern im Sudan beseitigt worden seien, „bleibt die SEG besorgt über die mögliche indirekte Verwicklung der Unternehmen in Menschenrechtsverbrechen infolge ihrer engen Geschäftsverbindungen mit der Regierung.“ Umso mehr erstaunt, dass sich die
SEG 2012 selbst begrub. Die Großanleger resignierten. US-Institutionelle sorgen sich
gleichwohl um die Zustände im Sudan. Sie haben für 2,7 Billionen Dollar Restriktionen eingeführt für Investments in Unternehmen, die dort Geschäfte machen.
Mitmauscheln kann Konsequenzen haben. So hat die französischen Bank BNP Paribas im Juni in den USA eine Geldstrafe von 8,97 Milliarden Dollar zahlen müssen und
den höchsten Quartalsverlust ihrer Geschichte verbucht. Grund: Sie hatte durch die
Finanzierung von Rohstoff-Deals zwischen 2002 und 2009 gegen das US-Embargo
gegen Schurkenstaaten wie den Sudan, Iran und Kuba verstoßen. Die Bank schickte
darum ihren stellvertretenden Generaldirektor Ende Juni vorzeitig in den Ruhestand.
Der Finanzplatz Genf befürchtete laut Medienberichten, in den Sog zu geraten, weil
ein Großteil der verdächtigen Transaktionen mit dem Sudan und dem Iran in der
Genfer Niederlassung der französischen Bank ihren Ursprung gehabt haben könnte.
Auch gegen die Deutsche Bank wird laut Nachrichtenagenturen ermittelt.
Unklare Aussichten
Mitte September verlangte der Sudan auf dem ‚Mining and Food Security Forum’ in
der Hauptstadt Khartoum 14 Milliarden Dollar an Investitionen, insbesondere von den
arabischen Ländern, um die Infrastruktur zu verbessern sowie die landwirtschaftliche
Entwicklung und die Bergbauproduktion zu fördern. Das berichtete die brasilianische
Nachrichtenagentur ANBA - Unternehmen beider Länder kooperieren. Die geforderte Summe würde in den Norden des geteilten Landes fließen.
Zum christlichen Süden hieß es Ende September in einer Reportage des Deutschlandfunks: „Der Südsudan wirkt bettelarm, trotz der sechs Milliarden US-Dollar, die
das Land jedes Jahr durch den Verkauf von Erdöl verdient. Nur eine neue politische
Elite hat von der Unabhängigkeit profitiert.“ Welche Aussicht kann es für den Südsudan geben, dessen Regierung behauptet, Sicherheit, demokratische Prinzipien,
Rechtsstaatlichkeit und gute Regierungsführung anzustreben?
Josef Tadros, gebürtig aus der umkämpften, geteilten Region Darfur, hält Lösungen für möglich: „Die politischen Gegner sollten sich einigen, gemeinsam zu regieren
oder jeder abwechselnd ein bis zwei Jahre.“ Der in Berlin lebende Architekt hatte
einst im Sudan ein Ökohaus aus nachwachsenden Rohstoffen und Solarstrom gebaut
– die Produktion ging nicht in Serie, weil er sich weigerte, einem Minister Bestechungsgeld zu zahlen. Korruption ist bis heute ein Kernproblem, wie die Investorengruppe hilflos feststellt. Die sudanesischen Staaten, so Tadros, müssten sich – wie
ganz Afrika – auf ihre Kulturgeschichte besinnen und nicht das falsche Afrikabild der
Europäer bestärken, es gebe dort nur Stammeskriege unter korrupten Regierungen.
Susanne Bergius
SEITE 12
INITIATIVEN & AKTIONEN
12.12.2014 | Nr. 12
Die Zukunft
könnte so aussehen
Der Südsudan hat Entwicklungschancen. So hat das Land laut Experten genug Wasser und fruchtbare Böden, um trockene Staaten
wie Saudi-Arabien mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Ananas und
Mangos auf deutschen Märkten
könnten von dort statt aus Brasilien kommen. Baumwolle, andere
landwirtschaftliche Produkte und
Rohstoffe könnten im Land selbst
industriell verarbeitet werden, damit die Wertschöpfung im Land
bleibt und der Bevölkerung nutzt.
Nicht tatenlos bleiben
Wenn selbst Großanleger die Flinte ins Korn werfen, können dann
Vermögende und Privatanleger irgendetwas tun, um zumindest
den Menschen zu helfen? Es ist
wenig, sollte aber genannt sein:
Über den » Steyler Fair und Nachhaltig Aktienfonds (ISIN:
DE000A1JUVL8) unterstützt die
Steyler Bank ein von ihren Missionsschwestern betriebenes Krankenhaus im Südsudan. Wie das?
Mit dem Anteil der Fondsverwaltungsgebühren, der über die Kostendeckung hinaus geht, finanziert sie Kauf, Transport und Installation der Solaranlage, die inzwischen den Strom liefert.
Dieser sozial sowie ökologisch
motivierte Solidaritätsbeitrag lieferte seit Fondsauflage im November 2012 bis Juni 2014 zwei
Drittel der Investitionssumme. Der
Fonds wird im Laufe der Zeit die
Gesamtkosten von 41.000 Euro
übernehmen.
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Wussten Sie schon, ...
… wie groß der Markt für grüne Technologien ist?
Das weltweite Marktvolumen für grüne Technologien betrug 2013
rund 2,5 Billionen Euro. Es wird sich bis 2025 auf fast 5,4 Billionen
Euro mehr als verdoppeln. Diese Zahlen zu einem der ‚nachhaltigen’ Megatrends sind dem aktuellen » „Greentech-Atlas 4.0“ des
Bundesumweltministeriums (BMU) zu entnehmen. Besonders dynamisch seien die Märkte für nachhaltige Mobilität, Rohstoff- und
Materialeffizienz, umweltfreundliche Produktion sowie Energiespeicherung und -verteilung, so der von der Unternehmensberatung
Roland Berger erstellte Bericht. Anstöße gäben neue Umweltrichtlinien sowie das steigende Umweltbewusstsein in vielen Ländern.
Auf diesen Märkten dürften sich nach Einschätzung von Beobachtern für Anleger künftig beträchtliche Chancen ergeben – mit allen
Risiken, die neuen Technologien anhaften. Deutschland werde als
Exportweltmeister für umweltfreundliche Technologien von der anziehenden Nachfrage stark profitieren, heißt es weiter. Das diene
direkt der Gesellschaft: Umwelttechnik und Ressourceneffizienz
schaffen laut der Prognose jährlich 6,7 Prozent neue Arbeitsplätze
bis 2018. Um sogenannte Greentech-Unternehmen zu unterstützen
und besser zu vernetzen, hat das BMU ein Internetportal ins Leben
gerufen: » www.greentech-made-in-germany.de
… dass sich unsere Abonnentenschar seit Anfang
2011 auf mehr als 12.000
Leser vervielfacht hat?
Reichweitenentwicklung
Handelsblatt Business Briefing
Nachhaltige Investments
15000
Handelsblatt-Abonnenten
Abonnenten der Unterstützer
12000
9000
6000
3000
0
50
2009 2010 2011 2012 2013 2014 Nov.
2014*
* alle anderen Abonnentenzahlen stammen aus dem
jeweiligen September des Jahres
Handelsblatt
SEITE 13
WISSEN & WERT
12.12.2014 | NR. 12
… dass der Klimawandel zu vertretbaren
Kosten bremsbar ist?
Diese und andere wichtige
Erkenntnisse hat der Weltklimarat (IPCC) im November im fünften Klimabericht veröffentlicht. Viele
der seit den 1950er Jahren
stattfindenden Veränderungen habe es so in den
vergangenen Jahrhunderten, ja sogar Jahrtausenden, nicht gegeben: etwa
die Erwärmung der Atmosphäre und der Ozeane,
der steigende Meeresspiegel und der Rückgang von
Schnee und Eis. » Zentrale
Aussagen des IPCC-Klimaberichts zeigt GreenWiwo
in elf Grafiken.
… was Sie zwischen den Jahren lesen könnten?
Einige neue Publikationen sollen Firmen helfen, Nachhaltigkeit in
ihren Wertschöpfungsketten zu realisieren. Sie geben auch Investoren Hinweise, worauf bei der Firmenbewertung zu achten ist.
Das Öko-Institut hat mit 17 europäischen Forschungspartnern einen » Leitfaden zur Umsetzung von Nachhaltigkeitsstrategien für
kleine, mittelständische und große Unternehmen entwickelt. Er
soll sie befähigen, Nachhaltigkeitsaktivitäten so anzugehen, dass
deren gesellschaftliche Wirkung möglichst groß ist. Die Wirtschaftsgruppe Econsense hat einen » praxisnahen Überblick über
Instrumente und Leitfäden veröffentlicht zur Umsetzung der UNLeitlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten. Eine » Broschüre
zum Lieferantenmanagement stellt webbasierte Plattformen und
Brancheninitiativen dar, die Self-Assessments, Monitoring und Entwicklung von Lieferanten einfacher und effektiver gestalten sollen.
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Ausschlusskriterien –
stellenweise Glatteis
Gastbeitrag: Tabukriterien in der Geldanlage sind
verlockend, aber haben viele zweifelhafte Seiten
und erzielen oft gar nicht die erhoffte Wirkung, sagt
Henry Schäfer von der Universität Stuttgart
Zur Jahresmitte machte das Ergebnis eines Tests zu Nachhaltigkeitsfonds durch die
Stiftung Warentest Schlagzeilen. Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass dieses Ranking von Investmentfonds ausschließlich dadurch entschieden wurde, wie in welchem Grad sie von dem Magazin zuvor gesetzte Ausschlusskriterien erfüllt haben.
Die Vielfalt der im Markt vorhandenen Formen nachhaltiger Geldanlagen - wie beispielsweise Best in Class-Ansätze, Themenfonds und andere mehr - wurde völlig
ignoriert. Was ist von einer solch einseitigen Fokussierung zu halten?
Nichts Gutes, denn Ausschlusskriterien sind trügerisch. Das praktische Problem:
Aktien und Anleihen verkörpern meist Großunternehmen, die in vielerlei Geschäftsbereichen tätig sind. Die Frage lautet: Ab welcher „Schmerzgrenze“ muss ein Titel
ausgeschlossen werden? Ein Beispiel: Ist es die Beteiligung der Muttergesellschaft an
einem Waffen produzierenden Tochterunternehmen ab fünf Prozent oder ab zehn
Prozent? Beide Grenzziehungen sind in Anlegerkreisen zu finden. Noch schwieriger
sind Einschätzungen beim „Dual Use“: Das sind Güter, die sowohl für friedliche als
auch kriegerische Zwecke verwendbar sein können. Wie soll man damit umgehen?
Viele Grenzziehungen bei Anlegern sind oft willkürlich und teilweise kurios.
Auch können Ausschlusskriterien gegenteilige Folgen bei den Adressaten erzeugen als die, die Anleger sich wünschen. So kann zwar der Ausschluss eines Unternehmens wegen Duldung von Kinderarbeit in seiner Wertschöpfungskette dazu führen,
dass dieses Unternehmen im Produktionsland keine Kinder mehr beschäftigt. Allerdings kann sich dadurch die Armut von Familien erhöhen.
Zudem ist zu hinterfragen: Ändert sich Unternehmensverhalten überhaupt aufgrund von Ausschlusskriterien? Hierzu sind die Gesetze des Finanzmarktes zu berücksichtigen. Ausschlusskriterien können nur über massive Verkäufe, einen dadurch
ausgelösten Kursrückgang und eine nachfolgende Erhöhung zukünftiger Finanzierungskosten eines Unternehmens theoretisch etwas bewirken. Die Hoffnung: Der
Vorstand wird mit dem Kursverfall für schlechte Umweltpolitik etc. abgestraft und so
zu einer nachhaltigeren Unternehmenspolitik gedrängt. Eine naive Vorstellung, schon
alleine weil ihm ungewiss sein dürfte, worauf der etwaige Kursverfall zurück zu führen wäre. Und mit welcher Sicherheit würde es tatsächlich zum Kursrückgang kommen? Selbst wenn ein Großteil des Aktienkapitals von nachhaltigen Investoren verkauft würde, würden sich konventionelle Anleger bei niedrigem Kurs nicht eindecken, um Kursgewinne zu erzielen - und so den Kursverfall stoppen oder umkehren?
Und was sind eigentlich die richtigen Ausschlusskriterien? Die Verbraucherzentrale
hat durch Infratest „die Privathaushalte“ befragen lassen. Daraus eine generalisierende normative Rechtfertigung abzuleiten ist mehr als zweifelhaft. So macht es einen
Unterschied, ob jemand nur einfach einmal so über Ausschlusskriterien befragt wird,
oder ob sein eigenes Anlagegeld dadurch betroffen wäre. Ansichten andere Anlegergruppen wie Kirchen, Stiftungen oder Altersversorger wurden gar nicht abgefragt.
Fazit: Ausschlusskriterien sind für viele nachhaltige Geldanleger verlockend. Aber
sie haben erhebliche Schwächen und sind kaum geeignet, um Verhaltensänderungen
bei Unternehmen zu bewirken - der ’Impact’ aber ist relevant.
SEITE 14
KÖPFE & AUSSENANSICHT
12.12.2014 | Nr. 12
Autor
Prof. Dr. Henry Schäfer
ist Inhaber des Lehrstuhls „Allgemeine Betriebswirtschaftslehre
und Finanzwirtschaft“ und Leiter
der Abteilung III des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart. Eine besondere Bedeutung hat der Forschungsbereich „Sustainability & Finance“.
Im August veröffentlichte er im
Universitätsverlag einen Forschungsbericht zu „Ausschlusskriterien in der nachhaltigen Geldanlage. Eine ökonomische Analyse.“,
ISSN 1864-0125
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BUSINESS BRIEFING NACHHALTIGE INVESTMENTS
Energieeffizienz wird endlich voran kommen
Jahre war das Thema Energiewende dominiert von hitzigen Diskussionen um die Art
der Stromproduktion, erneuerbare Energien und das Ökostrom-Einspeisegesetz EEG.
Die meisten Diskutanten hatten die Bedeutung nicht verbrauchten Stroms und nicht
benötigter Wärme nicht beachtet. Ohne diese aber, ohne Energieeffizienz, ist wirksamer Klimaschutz nicht zu haben. Mit dem Nationalen Aktionsplan Energieeffizienz,
den das Kabinett in Berlin jetzt verabschiedet hat, ist das Thema endlich oben angekommen. Geplant sind Steuererleichterungen und zinsgünstige Kredite für energetische Gebäudemodernisierungen. Und erstmals soll es wettbewerbliche Ausschreibungen für Energieeffizienz geben: Firmen mit unterschiedlichsten Techniken können
darum buhlen, wer möglichst preiswert eine vorgegebene Menge Energie einspart.
Zwar beinhaltet das Klimaaktionsprogramm mit rund 400 Einzelmaßnahmen einige Widersprüche und Ungereimtheiten. Bundesländer, die mit Einnahmeausfällen zu
rechnen haben, kündigten Widerstand an. Ebenso die Industrie gegen den Plan, dass
Kraftwerkbetreiber bis 2020 ihren Kohlendioxid-Ausstoß um bis zu ein Viertel senken
müssen. Darum ist unklar, ob die Anreize tatsächlich bis 2020 private Investitionen
von bis zu 70 Milliarden Euro auslösen.
Aber ein wichtiger, durchaus großer Schritt für den Klimaschutz ist gemacht. Dies
wird den Markt beleben für Energieeffizienzprodukte, Dienstleistungen und das
Handwerk. Für Anleger wird es künftig mehr Optionen geben zu investieren, in ökologische Baustoffhersteller, Fensterproduzenten, Erneuerbare-Wärme-Firmen, Maschinenbauer für sparsame Techniken oder Betriebe, die Effizienznetzwerke schmieden. Voraussichtlich können Investoren besser als bisher dazu beitragen, dass im
Jahr 2020 Deutschland 40 Prozent weniger CO2-Emissionen verursacht als heute.
Erscheinungsweise: monatlich
Erscheinungsart: kostenloses Abonnement
Konzeption & Organisation: Susanne Bergius
Redaktion:
Susanne Bergius, Jürgen Röder (Verantwortlicher im Sinne des §55 Abs.2 RStV)
Produktion: Heide Braasch
Internet: www.handelsblatt-nachhaltigkeit.de
Kontakt: [email protected]
+49(0)211/887–0
Anzeigenverkauf:
iq media marketing gmbh,
www.iqm.de/newsletter
Email: [email protected]
+49(0)211-887-3355
Verlag:
Handelsblatt GmbH
(Verleger im Sinne des Presserechts)
Kasernenstraße 67, 40213 Düsseldorf
Email: [email protected],
Tel.: 0800 723 83 12 (kostenlos)
Geschäftsführung:
Gabor Steingart (Vorsitzender), Frank
Dopheide, Claudia Michalski, Ingo Rieper
AG Düsseldorf HRB 38183, UID: DE 812813090
SEITE 15
MELDUNGEN & AUSBLICK
12.12.2014 | Nr. 12
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dort geltenden Rechtsvorschriften informieren und diese befolgen. Kein Teil dieses
Newsletters darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages verändert oder vervielfältigt werden.
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Die nächste Ausgabe erscheint am 09.01.2015.
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