Meilensteine der philatelistischen Literatur des 19
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Meilensteine der philatelistischen Literatur des 19
Wolfgang Maassen MEILENSTEINE DER PHILATELISTISCHEN LITERATUR des 19. JAHRHUNDERTS Supplement • Index Deutsche Übersetzung Meilensteine der Philatelistischen Literatur des 19. Jahrhunderts Deutsche Übersetzung Supplement Index Wolfgang Maassen ____________________________________________________________________________________ Impressum Meilensteine der Philatelistischen Literatur des 19. Jahrhunderts – Deutsche Übersetzung, Index und Corrigenda/Addenda zum Buch „Les Jalons de la Littérature Philatelique au XIXe Siècle“ / „Milestones of The Philatelic Literature of The 19th Century“ ISBN 978-3-932198-23-6 © Phil*Creativ GmbH, Schwalmtal 2014 Deutsche Übersetzung des Vorspanns, der Kap. 2.2 und 2.3 (Verfasser: Vincent Schouberechts), Kap. 6 (Verfasser: Yves Vertommen) sowie der Appendices 1 und 2 (Verfasser: Brian Birch) durch den Autor Wolfgang Maassen, ausgehend von der englischen Vorlage der Manuskripte. Die hier nicht genannten Kapitel wurden in deutscher Sprache von Wolfgang Maassen verfasst und nachfolgend in die französische und englische Sprache übertragen. Vincent Schouberechts betreute die Zentralredaktion und Organisation des Buches. Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieser Veröffentlichung darf ohne schriftliche Genehmigung der Phil*Creativ GmbH reproduziert, gespeichert sowie in Datenbanksystemen veröffentlicht oder in irgendeiner Form elektronisch, mechanisch, per Fotokopie oder Aufnahme wiedergegeben werden. 2 | ____________________________________________________________________________________ Inhaltsverzeichnis Vorwort 5 1. Anfänge. Von ersten Marken zur ersten Literatur 7 2. Das Jahrzehnt der Pioniere 13 2.1 Erste Preislisten – frühe Kataloge 15 2.2 Die ersten philatelistischen Fachzeitschriften des 19. Jahrhunderts 33 2.3 Erste philatelistische Artikel in Fachzeitschriften 38 2.4 Alben: Vom „Unikat“ zur ersten Mengenproduktion 42 3 Philatelie in der Krise – Neuanfänge (ca. 1871 bis 1885) 52 3.1 Kriege in Europa und ihre Folgen für Philatelie und Literatur 53 3.2 Erste Vereine – erste Vereinsliteratur 58 3.3 Die Ausbreitung des Handels: Bedeutende Kataloge und Auktionen 61 3.4 Die Bedeutung und Entstehung früher Monografien, Handbücher und Spezialkataloge 70 3.5 Wachstum weltweiter Philatelie und philatelistischer Literatur 77 4 Briefmarken als Massenprodukt, Spezialisierung als Reaktion 85 4.1 Philatelistische Profilbildung mit Handbuch-Reihen und besonderen Editionen 87 4.2 Anspruchsvolle Fachzeitschriften mit Niveau 93 4.3 Alben und Kataloge als Massenprodukte 98 4.4 „Eintagsfliegen“ und Inseratenblätter 4.5 Ausstellungs- und Auktionskataloge als neue Formen der philatelistischen Literatur 107 113 | 3 5 Versuche weltweiter literarischer Erfassung der Philatelie 121 5.1 Bibliografien philatelistischer Literatur 122 5.2 Das „Kohl-Handbuch“ 129 5.3 Publikationen über Fälschungen 134 6 Die philatelistische Literatur des 20. Jahrhunderts 144 Anhang 1 Ausgewählte Kurzbiografien einiger namhafter Autoren und Herausgeber in der Philatelie 157 Anhang 2 Pseudonyme 173 Corrigenda/Addenda 189 Personen Index 192 ____________________________________________________________________________________ Vorwort ____________________________________________________________________________________ Als im Herbst 2011, wenige Monate vor der MONACOPHIL, der Präsident der AIJP, der Association Internationale des Journalistes Philatéliques, Wolfgang Maassen, den Vorschlag machte, man könnte doch einmal zur Würdigung des Jubiläums „150 Jahre philatelistische Literatur“ eine Sonderschau zu diesem Thema gestalten, war dies eine Anregung, die der Club de Monte Carlo gerne aufgenommen hat. Bereits Ende 2011 stand damit fest, dass es einen solchen Schwerpunkt Ende 2013 geben könnte, dazu aber nicht nur eine spezielle Ausstellung, sondern auch ein spezieller Katalog zu erarbeiten wäre. Ein solcher Beschluss mag schnell getroffen werden und leicht fallen. Die Verwirklichung eines solchen Vorhabens innerhalb eines derart kurzen Zeitraums stellt große Ansprüche an die, die sich solch einem Vorhaben verpflichtet fühlen. Bereits Ende November trafen sich interessierte Kenner und Literatursammler in Monte Carlo, um die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit zu erörtern. Mit dabei waren u.a. David Beech, Tomas Bjäringer, Cheryl Ganz, Dr. Jan Huys, Birthe und Chris King, Wolfgang Maassen, Vincent Schouberechts und Charles Verge. Es lag auf der Hand, dass weder Jahre für notwendige Recherchen in bekannten philatelistischen Bibliotheken dieser Welt zu investieren waren, noch bei einer Ausstellung, selbst nicht in einem Katalog 150 Jahre philatelistischen Literaturschaffens auch nur annähernd „komplett“ zu zeigen wären. Dem Prinzip des „Exemplarischen“ musste also zu folgen sein, wobei aber dabei die Bedeutung der frühen Anfänge weltweiten Schaffens nicht aus dem Auge zu verlieren war. Speziell im Vergleich zu der Ende 2012 in Mainz durchgeführten Internationalen Philatelistischen Literatur-Ausstellung IPHLA, die an 150 Jahre deutschsprachiger philatelistischer Literatur, u.a. auch mit einem Raritätenkabinett und Sonderschauen erinnerte, sollte bei der MONACOPHIL 2013 die Internationalität im Vordergrund stehen. Eben die Entwicklung der frühen ersten philatelistischen Literatur in vielen Ländern. Dank der großzügigen Bereitschaft zahlreicher teils bereits schon zuvor erwähnter Literaturexperten war es nicht schwierig, denkbare Ausstellungsexponate in nennenswerter Zahl zu einem Ausstellungskonzept zu vereinen. Weniger einfach erwies sich das Vorhaben, einen Ausstellungskatalog, den es in dieser Form als Fachbuch noch nicht gegeben hatte, zu realisieren. Aufgrund der knappen nur einjährigen Zeit, die für ein solches Projekt zur Verfügung stand, aber auch mangels eines Experten, der in der Lage gewesen wäre, die Literaturentwicklung in allen Ländern der Welt auf knappen Raum detailliert und dennoch fundiert zu bearbeiten, wurde einem dezentralen Ansatz der Vorzug gegeben. Wolfgang Maassen aus Schwalmtal war der Hauptautor, assistiert von Vincent Schouberechts aus Brüssel. Beide genannten Philatelisten verfügten über exzellente Kontakte zu zahlreichen Sammlern philatelistischer Literatur, was es ihnen ermöglichte, seltene und oft einzigartige Ausstellungsstücke zu organisieren und das Wissen sowie die „Schätze“ dieser Bibliophilen aber auch für den Katalog zu berücksichtigen. Besuche bei der Royal Philatelic Society, London, Recherchen in der dortigen Bibliothek, aber auch bei der legendären Diena-Bibliothek in Rom, deren Möglichkeit zur Auswertung Raffaele Diena großzügig zur Verfügung stellte, folgten. Bereits von daher legte sich der Titel dieses Kataloges, der ausgewählten „Meilensteine“, nahe, der nachfolgend zum leitenden Grundaspekt bei der Erstellung des Kataloges wurde. Leider kam ein Kontakt zu Dr. Manfred Amrhein, dem wohl besten Kenner weltweiter Literatur in San José in Costa Rica, nicht zustande, so dass die Schriftleitung sich zwar auf dessen großartiges vierbändiges Werk stützen konnte, sich aber nicht seiner direkten Mitwirkung zu versichern vermochte. Seine Studien und Ausarbeitungen werden aber an vielen Stellen in diesem Buch eingehend gewürdigt und berücksichtigt, wofür ihm nur zu danken ist. | 5 ____________________________________________________________________________________ Im Vergleich zu Amrheins umfassenden Werk schien es uns erforderlich, auch eigene Akzente zu setzen, was einerseits durch das reichhaltige Bildmaterial bislang noch nie zu sehender besonderer Ausgaben früher Literatur aus Bibliotheken namhafter bibliophiler Sammler möglich wurde, aber auch durch so manche Daten und Fakten, die bislang noch nicht veröffentlich worden waren. Nicht selten kamen dabei auch „Schätze“ zum Vorschein, die bislang in keiner Bibliografie erfasst sind. Andererseits bedingte es der zu begrenzende Umfang, auf spezielle literarische Produkte und deren näherer Beschreibung völlig zu verzichten, z.B. auf frühe postgeschichtliche Werke, die nur insofern Berücksichtigung fanden, als sie einen direkten Bezug zur Philatelie aufwiesen. Auch BriefmarkenPolkas oder Organisationsliteratur von Vereinen, Adressbücher des Handels oder der Sammler und dergleichen blieben außen vor. Die Kapitel 1 bis 5.3 legen den Schwerpunkt jeweils auf die frühe weltweite Literatur, speziell des 19. Jahrhunderts, während gerade das Kapitel 6 deren weitere Entwicklung im 20. Jahrhundert anhand neuer Trends, aber auch ganz besonders herausragender Werke näher beschreibt. Damit schließt sich ein Kreis, der die Bedeutung der philatelistischen Literatur früher wie heute beispielhaft akzentuiert, aber auch aufzeigt, dass die Literatur zu jeder Zeit die Grundlage der philatelistischen Entwicklung in allen Ländern war. Technisch wurde dieses Buch und dessen einzelne Kapitel mehrheitlich auf der Basis deutscher Manuskripte umgesetzt, die dann Übersetzungen in die französische und englische Sprache erfuhren, aber auch nachfolgende Ergänzungen durch andere Kenner der jeweiligen nationalen Literaturszene. Wir möchten Brian Birch, Eduardo Escalada und Yves Vertommen unseren besonderen Dank für ihre bedeutsame Unterstützung bei der Herstellung dieses Buches aussprechen, Rainer von Scharpen und Nick Martin für ihre umfangreiche Übersetzungsarbeit, ebenso Marc Lebrun und James von der Linden für ihr Lektorat bestimmter Artikel. Das Herausgeberteam dankt den nachfolgend aufgeführten Institutionen und Philatelisten für ihre Unterstützung, ohne die dieses Werk nicht in dem vorliegenden Gehalt zu erstellen möglich gewesen wäre. Wolfgang Maassen, FRPSL, AEP, AIJP Vincent Schouberechts, FRPSL, AEP Nachfolgend aufgeführte Experten und Institutionen haben das Projekt unterstützt und dazu beigetragen: Brian Birch Tomas Bjäringer Alberto Bolaffi Federico Borromeo d‘Adda The British Library, London, Kurator der Philatelistischen Sammlungen, David R. Beech Raffaele Diena Eduardo Escalada Heinz Glaettli Chris King / Royal Philatelic Society, London Museum für Kommunikation, Berlin / Archiv für Philatelie, Bonn, Dr. Andreas Hahn Leonhard H. Hartmann Christoph Hertsch Auktionshaus Heinrich Köhler (Dieter Michelson / Karl Louis), Wiesbaden Wolfgang Maassen 6 | Wade Saadi Vincent Schouberechts Auktionshaus Hans-Joachim Schwanke, Hamburg Smithonian National Postal Museum und Smithsonian Institution Library des NPM, Washington, Chefkuratorin für Philatelie, Dr. Cheryl R. Ganz, und Kurator für Philatelie, Daniel Piazza Schwedisches Postmuseum Herbert Trenchard Jan Vellekoop Charles Verge Die Vincent Graves Greene Philatelic Research Foundation (VGG) und die Harry Sutherland Philatelic Library der VGG Yves Vertommen Jean Voruz Paul Wijnants ____________________________________________________________________________________ 1 Anfänge. Von ersten Briefmarken zur ersten Literatur ____________________________________________________________________________________ Gedanken zur Abgrenzung Mit einer Geschichte der philatelistischen Literatur ist die Geschichte der ersten frühen Sammler untrennbar verbunden. Insofern ist Literaturgeschichte stets auch eine Beschreibung philateliegeschichtlicher Art, ohne mit dieser identisch zu sein. Ihr Schnittpunkt ist in der Regel dort zu finden, wo Sammler schriftliches, heute noch Dokumentiertes hinterlassen haben, wo sie selbst zum Urheber dessen wurden, was wir gängigerweise als Literatur bezeichnen: Preislisten und Kataloge, Monografien oder Studien in Form von Fachbeiträgen in Zeitschriften. Damit verewigten sie ihren Namen, nicht selten auch ihre eigene Geschichte, wurden so zu einem historisch bedeutsamen Teil der Geschichte der Philatelie selbst. Bibliophile Sammler wissen diese Verknüpfung umso mehr Wert zu schätzen, sofern Spuren solcher literarischer Erstversuche verknüpft sind mit Autographen und Widmungen von Autoren in ihren frühen Werken. Dann entsteht nicht selten ein Netz voller lebensgeschichtlicher, biografischer, aber auch für die Verbindungen – zum Teil sogar über Ländergrenzen weit hinausreichender – bedeutsamer Kontakte. Insofern ist die Geschichte der Literatur mit der Philateliegeschichte verwandt oder verschwägert, aber sie unterscheidet sich auch. Denn sie begrenzt sich primär auf eben heute noch Nachweisbares, auf das, was in gedruckter Form aus der Hand einzelner Verfasser vorliegt und nachweisbar ist. Dies zu betonen, scheint wichtig, denn gerade über die Ursprünge der ersten Phasen der Philate- lie, der dabei mitwirkenden Sammler, gar der Pioniere der Philatelie, gibt es zahllose Geschichten, die nicht selten aus heutiger wissenschaftlicher Sicht eher an Hörensagen und Gerede, an persönlichen Geltungs- und Profilierungsdrang erinnern, einer der ersten, vielleicht gar der erste Sammler überhaupt gewesen zu sein. Für Philateliegeschichtler mögen solche Beschreibungen – meist in späterer Zeit, als die Philatelie bereits in Blüte stand, entstanden – aufschlussreich sein und Einblicke in die Entwicklung, aber auch in die Psychogramme daran beteiligter und handelnder Personen vermitteln. Für Literaturgeschichtler sind solche Fragen eher von untergeordneter Bedeutung, lassen sich deren wahrheitsgemäße Gehalte doch heute nicht verifizieren. „Wer schreibt, der bleibt“, sagte ein geflügeltes Wort, genauer und hier treffender gesagt müsste es für Literatur heißen: Was gedruckt ist, ist nachweisbar, empirisch belegbar, kategorisierbar. Was nun allerdings bei weitem nicht heißt, dass alles, was gedruckt ist, deshalb auch der Wahrheit entspricht, ebenso wenig – ohne die kleine philosophische Betrachtung hier weiterzuführen – deshalb auch richtig ist. Denn auch dies belegt eine nähere Betrachtung der frühen ersten Spuren des um die Mitte des 19. Jahrhunderts neuen Hobbys, des Briefmarkensammelns: es war ein langer Weg bis zu verlässlichen und umfassenderen Werken, die für sich Geltung und überwiegende Richtigkeit in Anspruch nehmen konnten. Diesen Wegen folgten die großen Bibliografen der Vergan- | 7 ____________________________________________________________________________________ genheit, die den Vorteil hatten, zeitlich deutlich näher an der Entstehungszeit erster Literatur und deren Urheber ihre Werke zu schaffen. Unvergessen und bis heute eine hervorragende Quelle, zumal zur deutschsprachigen philatelistischen Literatur, ist Victor Suppantschitschs umfassende „Bibliographie zugleich Nachschlagebuch der gesamten deutschen philatelistischen Literatur seit ihrem Entstehen bis Ende 1891 nebst einem Abriss der Geschichte der Philatelie mit besonderer Berücksichtigung Deutschland’s und einer kurzen Geschichte der deutschen philatelistischen Literatur“, die 1892 in München erschien, der der Autor aber in den Folgejahren auch zahlreiche kleinere Studien zur philatelistischen Literatur anderer Länder folgen ließ. Übertroffen wurde dieses Monumentalwerk nur durch Edward Dennis Bacons „Catalogue of the Philatelic Library of the Earl of Crawford“ 1911, in dem der Bestand der Crawford-Bibliothek, der größten philatelistischen Bibliothek aller Zeiten, die alle weltweit bis damals erschienene Literatur, allerdings ohne Alben, exakt mit umfangreichen bibliografischen Angaben auflistete und nachgewiesen wurde. Einen vergleichbaren Versuch weltweiten Zugriffs hat in neuerer Zeit nur noch – sieht man von dem eher marginalen Beitrag in Carlrichard Brühls „Geschichte der Philatelie“ 1985/86 ab – Dr. Manfred Amrhein aus San José in Costa Rica unternommen. Sein bislang vierbändiges Werk „Philatelic Literature. A History And A Select Bibliography from 1861–1891“ erschien 1992 mit Band 1, 1997 mit Band 2, 2001 mit Band 3 und mit dem bisher letzten Band 4 im Jahr 2006. Zu dieser Zeit waren längst in zahllosen Ländern teils bemerkenswerte Einzelbibliografien publiziert worden1, die aber in keiner Weise diesen internationalen Überblick ersetzen konnten oder gar mit ihm in Konkurrenz treten wollten. Sie bleiben hier aufgrund ihrer jeweils nationalen Beschränkung auch außen vor. Wenn überhaupt ein Projekt einmal die Chance hat, diesen einmaligen Werken das Wasser zu reichen, wird es sicherlich das Vorhaben der Royal Philatelic Society, London, sein, mit Hilfe heute möglicher Computertechnik eine „Global Philatelic Library“, also eine alle Zeiten und Länder umfassende Bibliografie des philatelistischen Schrifttums dank der Bestände zahlreicher nationaler Bibliotheken zusammenzuführen, die nicht nur in wahrlich monumentaler Art und Weise alle bekannten Titel nachweist, sondern auch deren Standorte dokumentiert. 1 Eine der umfangreichsten, wenn nicht die größte überhaupt, dürfte die Anfang der 1950er-Jahre von Christian Otto Müller in München begonnene und bis heute von anderen weitergeführten „LiteraturNachrichten“ in deutscher Sprache sein, die auch auf der Webseite des Bundes Deutscher Philatelisten, www.bdph.de, Fortsetzung findet. 8 | Schon insofern erübrigt sich jeder weitere Versuch, derartige Vorhaben zu imitieren oder gar zu wiederholen. Wichtiger erscheint es, die großen Spuren nachzuzeichnen, mit denen namhafte Autoren Geschichte schrieben, ihre eigene und eben die der Philatelie. Hierzu ist das Prinzip des Exemplarischen unerlässlich, dem dieses Buch folgt. Die selbst gewählte Begrenzung soll dabei das deutlich machen, was das Wesentliche in der Philatelie ist: Forschung und Fortschritt oder Fortschritt dank immer wieder neuer Erforschung. Eben dies lässt sich seit den ersten dokumentierten Anfangen nachweisen. Anfänge. Erste Sammler Verständlicherweise kann das Ei nicht sein ohne das Huhn, wenngleich es stets schwierig ist, die Frage zu beantworten, wer denn zuerst da war. Bekannt ist, dass bereits in den 1860er-Jahren frühe Sammler, aber auch erste Literaten für sich in Anspruch nahmen, die ersten Sammler überhaupt gewesen zu sein. Ein „klassisches“ Beispiel für diesen Typus des Vorrechte geltend machenden Philatelisten war zweifelsohne Dr. John Edward Grey (1800–1875). Er soll sich bereits am 1. Mai 1840 einen (Vierer-?)block der „Penny Black“ gekauft haben und diesen als Erinnerungsstück zur Einführung der „Uniform Penny Postage“ zurückgelegt haben. Nach dem weiteren Erscheinen von Marken habe er auch diese erworben und veröffentlichte gar später, Ende 1862, einen der ersten Briefmarkenkataloge. Als Beleg für die Erwähnung Dr. John Edward Grays müssen wohl seine eigenen biografischen Aussagen herhalten, die er in einer Artikelserie „The Postage Stamps of the World“ im Juni 1862 in der Zeitschrift „Young England“ publizierte, aber auch in seinem erwähnten ersten Briefmarkenkatalog festhielt, der wenig später erschien. Dort schrieb er, dass er „shortly after the system was established“, also kurz nach Einführung der Briefmarken, und viele Jahre, bevor dies erst zur Mode wurde, mit dem Sammeln begann, und zwar, weil er damals schon vor Sir Rowland Hill den großen Nutzen des neuen Penny-PortoSystems erkannt habe und weil eine Sammlung dieses „Geldes“ in Form von Briefmarken höchst sicher und ökonomisch sei („I was the first that proposed the system of a small uniform rate of postage to be prepaid by stamps ...“). Es sei hier nur angemerkt, dass Grays Versuch, sich die „Patenschaft“ an Rowland Hills Taten zu sichern, schon wenig später den Widerspruch von eben diesem und von Charles Knight erhielt.2 2 Vgl. hierzu: Athenaeum 13., 20. und 27. Dezember 1862, 3. und 10. Januar 1863; zit. nach P. J. Anderson/ B. T.K. Smith: Early English Philatelic Literature 1862–1865, London 1912, S. 12; Grays vollständige Ausführungen zum Beginn seiner Sammlertätigkeit sind ____________________________________________________________________________________ Dr. Gray bekam später aber Konkurrenz durch einen Österreicher namens William Kratter in Sydney, der behauptete, sein nach Australien ausgewanderter Vater habe bereits 1838 mit dem Sammeln der seit dem 3. November des damaligen Jahres in Sydney herausgegebenen Stadtpost-Briefumschläge begonnen.3 Auch eine Engländerin, eine Miss Harrison aus Yorkshire, wurde 1910 literaturbekannt, als sie im Alter von 80 Jahren „Meekels Magazine“ mitteilte, sie habe 1840 – damals war sie zehn Jahre alt – seltene VR-Penny Blacks von einer der Hofdamen der Queen Victoria und später auch Essays und Proofs von Sir Rowland Hill erhalten. 1910 war sie immer noch als Sammlerin aktiv. Selbst auf der Isle of Wight soll eine Lady, eine „governess“, beheimatet gewesen sein, die schon 1841 mit dem Sammeln von Briefmarken begann – zu dieser Zeit gab es erst vier verschiedene, so dass sie sich für Quantität entschied, also möglichst viele zusammenzutragen. Da sie dies mit Hilfe ihrer Freunde und Bekannten jedermann wissen ließ, erregte dies angeblich die Aufmerksamkeit der postalischen Behörde, die gar eine Untersuchung startete und erst deren Ergebnisse, dass sie keine kriminellen betrügerischen Absichten im Sinn hatte, sie vor dem Gefängnis bewahrt haben soll.4 Alexander Bungerz glaubte 1923 einen anderen ersten Sammler ausfindig gemacht zu haben, nämlich den Pariser Graveur Auguste Mancin. Dieser habe bereits 1840 befreundete Angestellte gebeten, ihm alle neu auftauchenden Marken zu besorgen. Über 15 Jahre hinweg sammelte er, bis er an Tuberkulose erkrankte und sich genötigt sah, die Sammlung zu verkaufen. Damals soll es auch schon drei Briefmarkenhändler in Paris gegeben haben und an einen habe er dann gegen dessen Höchstgebot von 100 Franc verkauft.5 Der Gedanke der Seltenheit und des Wertes, der Sammelfähigkeit nach bestimmten Kriterien war in den 40erJahren des 19. Jahrhunderts noch nicht erfunden. Dieser konnte erst, als zunehmend mehr Marken aus diversen Ländern in verschiedenen Wertstufen und Verkaufsformen, in unterschiedlichen Druck- und Herstellungsverfahren erschienen, entwickelt werden. Zu Recht benannte Toni Abele, ein Schweizer Autor, der vor einigen Jahrzehnten auch wiedergegeben in: Charles J. Phillips: Stamp Collecting. The King of Hobbies and The Hobby of Kings, New York 1936, S. 35 und wurden nicht zuletzt festgehalten in James Mackays: Guiness Buch der Briefmarken, Ullstein Verlag Frankfurt – Berlin – Wien 1985, hier S. 146. 3 Illustriertes Briefmarken-Journal 1910, S. 164 4 Vgl. E. A. Smythies: The Lure of the Postage Stamp, in: The Stamp Lover, January–February 1955, S. 131 5 Alexander Bungerz: Großes Lexikon der Philatelie, München 1923, Stichwort „Mancin, Auguste“ (S. 443) eine hervorragende Übersicht zur philatelistischen Literatur der Schweiz publizierte, diese Phase des ersten Sammelns von Briefmarken auch als „Embryonal-Stadium“ der Philatelie, das er als „Parforce-Sammeln“ definierte, als ein „wahlloses Anhäufen von gestempelten Postwertzeichen, um dadurch z.B. eine Wette zu gewinnen ... oder auch, um damit ein Zimmer zu tapezieren oder ein Kleid aus Briefmarken für den nächsten Maskenball zu verfertigen.“ Diese Art „Sammelwut“ wurde bevorzugt von 1840 bis 1855, aber auch – wie zu zeigen ist – später noch in England favorisiert.6 Es verwundert deshalb auch nicht, dass diese frühen Zeugnisse eines neuen „Sammelsports“ zu Beginn der 1840er-Jahre mehr exotisch-lustigen Anstrich hatten, wozu man getrost die Notiz in der TIMES 1841 über Briefmarkentapeten (Briefmarken zur Ausschmückung des Ankleidezimmers für eine junge Dame) und verrückte Briefmarken-Wetten, wie viele Marken man in kurzer Zeit zusammentragen kann, zählen darf. Vergleichbar lustige Anzeigen erschienen u.a. auch im „The Spectator“, „The Art Union“ und in der „London and West Review“, 1842 im Magazine „Punch“7, 1842 und 1844 in „The Illustrated London News“, 1848 in: „La Presse“ zur Seite.8 Über diese „Embryonalphase“ der Philatelie wurde bereits von berufeneren Autoren viel geschrieben und zusammengetragen, so dass dies an dieser Stelle kaum zu wiederholen ist.9 Die Mehrzahl dieser frühen Sammler der 1840er- und 1850er-Jahre waren im heutigen Sinne keine Philatelisten, die die Marken und deren Entstehung nach briefmarkenkundlichen Kriterien erforschten, kategorisierten oder gar systematisierten, sie blieben in aller Regel eher der Quantität gleicher oder verschiedenfarbiger Marken und Markenbildnisse verhaftet oder betrieben dieses spleenige Hobby neben vielen anderen nur als Sport, als Manie. Ernsthafter schien da schon ein an einen Mr. Henry D. Davies, London, adressierter Brief zu sein, der von einem John M. Davenport aus Oxon am 14. Dezember 1841 versandt wurde. In diesem Brief fragt Davenport: „Lieber Henry, falls Du Dich zu etwas so Trivialem herablassen kannst, möchte ich Dich erneut bitten, alle Briefmarken, 6 Toni Abele: Die philatelistische Literatur der Schweiz, in: SBZ, Nr. 12/1944, S. 345 7 Punch, Vol. II, p. 76 sowie Vol. III, p. 166, 201 8 Vgl. Theodor Haas, Lehrbuch der Briefmarkenkunde, Leipzig 1905, S. 512; und L.N. und M. Williams: The Postage Stamp – Its History and Recognition, Penguin Books, London 1956 9 Vergleiche in jüngerer Zeit die Übersicht in dem umfangreichen Werk von Wolfgang Maaßen: Philatelie und Vereine im 19. Jahrhundert, erschienen in der Reihe „Chronik der deutschen Philatelie“, hier besonders Kapitel 2. Siehe auch Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Band I, San Jose/Costa Rica 1992, S. 6 | 9 ____________________________________________________________________________________ derer Du habhaft werden kannst, aufzuheben. Ich habe von anderer Seite eine Anfrage, aus solchen Marken eine Sammlung aufzubauen“.10 Bemerkenswert ist weniger der Hinweis, dass hier eine Sammlung solcher Briefmarken erstellt werden sollte, denn daraus lässt sich nicht ableiten, um was für eine Art „Sammlung“ es sich handelte. Eher die Tatsache, dass Davenport offenbar schon zum zweiten Mal anfragte, seine erste Anfrage also schon einige Zeit früher erfolgt sein muss. Es mag zutreffen, dass später berühmte Namen in der Philatelie ihre erste Handelstätigkeiten in den Anfang der 50er-Jahre oder gar früher datieren. Jean-Baptiste Moens behauptete später, er habe schon ab 1848 als Junge Briefmarken gesammelt und sei 1852 in den Handel eingestiegen. Dies wurde viele Jahre später von seinem Schwager, Louis Hanciau, in einer im „Stanley Gibbons Monthly Magazine“ veröffentlichten Artikelreihe bestätigt. Belegt ist auf jeden Fall seine literarische Tätigkeit, die zehn Jahre später, also 1862, begann und erste Anzeigen datieren noch früher. Aber erst ab Mitte der 1850er-Jahre kann man von einer breiter werdenden Entstehung eines ernsthafteren Sammelsports sprechen, der aber vorerst nicht differenziert für sich, sondern in der Regel mit anderen Objekten verbunden angesehen wurde. Also z.B. mit Münzen, Siegel, Autographen, Büchern und dergleichen.11 Spätere pressebelegte Anzeigen dokumentieren den Wandel, der offenbar in den 1850er-Jahren in England stattgefunden hatte. Hierfür ist auch eine Notiz, die am 23. Juni 1860 in Beeton’s „Boy’s Own Magazine“12 veröffentlicht wird, aufschlussreich: „Postage Stamps. – A boy in my form one day showed me a collection of from 300 to 400 different postage stamps, English and foreign, and at the same time 10 John R. Homersham: The second recorded mention of stamp collecting? In: London Philatelist 106:115, May 1997. Der Original-Brieftext lautet: „Dear Henry, If you can descend to any thing so trifling I will again ask you to put by all the postage stamps you can: I having had a request from another quarter to assist in making a collection of them”. 11 Ein solcher „Mischwaren-Verein“ ist unter dem Namen „OmnibusClub“ im Jahre 1856 in den USA bekannt geworden; man darf auch davon ausgehen, dass in den 50er- und 60er-Jahren in Deutschland – vergleichbar dem Vorbild der 1865 in Großbritannien gegründeten „Bridlington Amateur Association“, die sogar eine eigene Zeitschrift, „The Postmen’s Knock“, hielt – in deutschen Vereinen, lose und mit Reglement organisiert, schon an Briefmarken resp. Postwertzeichen interessierte Sammler waren. Da diesen Vereinen aber keine Dauerhaftigkeit beschieden war, fehlen hierzu jegliche Quellen und prüfbare Belege. 12 Nach Anderson, P. J./ Smith, B. T.K.: Early English Philatelic Literature 1862–1865, London 1912, S. 7, war die Quelle: Notes and Queries, Series II, Vol. IX, p. 482. 10 | stated that Sir Rowland Hill told him at that time there might be about 500 varieties on the whole. This seems a cheap, instructive, and portable museum for young persons to arrange; and yet I have seen no notice of catalogues or specimens for sale, such as there are of coins, eggs, prints, plants & c., and no articles in periodicals. Cheap facsimile catalogue, with nothing but names of respective states, periods of use, value, &c., would meet with attention. If there be a London shop where stamps or lists of them could be procured, its adress would be acceptable to me, and to a score young friends. S. F. Creswell, The School, Tonbridge” („Briefmarken. - Ein Junge in meiner Klasse zeigte mir einmal eine Sammlung von 300 bis 400 verschiedener Briefmarken aus dem In- und Ausland und meinte, dass Sir Rowland Hill ihm gesagt habe, es gäbe wohl insgesamt rund 500 verschiedene in der Welt. Dies scheint mir ein billiges, lehrreiches und leicht mit sich zu tragendes ‚Museum‘ zu sein, dass Jugendliche aufbauen können, allerdings habe ich bisher noch keinen Katalog oder Verkaufsangebote gesehen, wie dies z.B. für Münzen, Eier, Drucke, Pflanzen usw. bekannt ist, auch noch keinen Artikel in einer Zeitschrift dazu gelesen. Falls es in London ein Markengeschäft gibt, dass solche Listen herausgibt, wäre die Adresse mir und den Jugendlichen sehr willkommen. S. F. Creswell, Schule in Tonbridge“ Das Hilfegesuch belegt Jugendliche, die eine Schule in Tonbridge (Tonbridge Wells, ca. 25 km südlich von London) besuchten, einen Lehrer, der ihre Sammeltätigkeit unterstützte und offenbar auch selbst interessiert war. Und diese Anzeige löste, allerdings mit Verzögerung, eine „Lawine“ aus. So konnte man einige Monate später in der Zeitschrift „Young England“ 1860 hierzu das Angebot eines willigen Sammlers (?) lesen, „that if any of the readers of this journal happen to be making a collection of the postage stamps of different countries, I should be very happy to exchange some duplicates with them“. Und da ein solcher Tausch, offenbar ja nicht einfach zu bewerkstelligen war, weil ja keiner wusste, was dem anderen fehlte, bot dieser Leser an: „I should be willing to send to anyone who wished to make an exchange a catalogue of the stamps in my collection, so that he might know which I do not want“. Die Idee der Fehlliste war geboren, ein Vorläufer der späteren Kataloge!13 Und im Beeton’s „Boy’s Own Magazine“ konnte man 1861 nachlesen: 13 Young England, Oktober 1860, zit. nach: P. J. Anderson/ B. T.K. Smith: Early English Philatelic Literature 1862–1865, London 1912, S. 8. Das vollständige englische Zitat findet sich in: Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Band I, San Jose/Costa Rica 1992, S. 7 ____________________________________________________________________________________ „W. T. and J. F. C. should advertise in, say, for cheapness, the ‘Daily Telegraph’ for old foreign postage stamps. You cannot get them gratuitously. We know several collectors who have to pay for them”. (June 1861) “C. J. Armstrong, Bexley, Kent, will be glad to exchange foreign postage stamps. And S. G. L., Arbourfield, Streatham Hill, Surrey, has also a collection. The latter will exchange, but will accept no remittance beyond postage for his answers to enquiries.” (August 1861) “E. Pemperton, Warstone House, near Birmingham, would be glad to effect exchanges with stamp collectors per post” (September 1861) “Extra Prize for January. – We have received scores of applications from subscribers to open up a correspondence on the subject of Foreign Postage Stamps, giving the names and addresses of those who are desirous of exchanging or purchasing such stamps. As far as we could, we have done so; but finding it impossible to meet the requirements of all our applicants in this respect, we now offer one of our usual prizes to him who will, on or before the 5th of December next, send us the completest collection of Foreign Postage Stamps, such collection to be engraved and published in the ‘Boy’s Own Magazine’. The collection must be accompanied by an introduction.” (November 1861) “H. Barber, 44, Douglas Street, Deptford, S.E., wishes to announce that he has above 400 foreign postage stamps, many of them duplicates.” (December 1861)14 Die Notizen und Anzeigen mehrten sich und sie belegen, dass 1860/1861 augenscheinlich Sammler den Tauschund Kaufkontakt suchten, und dies in einer Zahl, dass die Zeitschrift sich gar genötigt sah, im Januarheft 1862 dem Thema durch Abdruck der komplettesten Sammlung, die von einem Leser nachgewiesen werden konnte, die Ehre zu geben. Der Leser wird auch den Namen „E. Pemperton“ mit Aufmerksamkeit registriert haben: Es handelt sich tatsächlich um die erste Anzeige des für die Pionierzeit in England wenig später so bedeutsam gewordenen Berufsphilatelisten Edward L. Pemberton, dem leider – er wurde 1844 geboren und starb schon früh, im Jahre 1878 – kein langes Leben vergönnt war. Gerade E. L. Pemperton bestätigte im Jahre 1863, dass ihm vor 1856 kaum mehr als drei oder vier Erwachsene als Sammler bekannt waren, selbst 1858 sich deren Zahl noch in überschaubaren Zahlen hielt, während sie danach geradezu explodierte.15 14 Zitiert nach: P. J. Anderson/ B. T.K. Smith: Early English Philatelic Literature 1862-1865, London 1912, S. 8–9 15 Dorning Beckton: The Evolution of Philately, in: Philatelic Journal of Great Britain, 1. April 1916, S. 51 Bei der letzten Anzeige, aufgegeben von H. Barber, handelt es sich wahrscheinlich um die erste oder eine der allerersten Händler-Anzeigen, die belegt sind, denn dieser H. Barber inserierte in dieser Form nunmehr monatlich. Eben diese und vergleichbare Anzeigen waren das erste literarische Produkt, dem das Wachsen und Entstehen der frühen Philatelie abzulesen ist. Diesen folgten dann – nahezu zeitgleich mit ersten Händlerlisten ab ca. 1861 – erste Beiträge in weiter verbreiterten Publikumszeitschriften, die mit dem Namen eines Franzosen, Natalie Rondot, eng verbunden sind (vergleiche Kapitel 2.2).16 Dr. J. E. Gray, Verfasser/Herausgeber einer der frühen schon 1862 erschienenen Briefmarken-Kataloge, reflektierte in seiner Katalogeinleitung die Realität jener Tage, als er schrieb: „The collecting of Postage Stamps is a fashion not confined to this country, or to a single class; for collections are frequently seen in the drawing-room of the luxurious, in the study of the enlightend (!), and the locker of the schoolboy. The fashion has been ridiculed, as all fashions will be; but if postage stamps are properly studied, collected and arranged, there is no reason why they may not be quite as instructive and entertaining as the collections of birds, butterflies, shells, books engravings, coins or other objects.”17 Ähnliches war von einem weiteren Katalogautor zu vernehmen, der im gleichen Jahr, im August 1862, einen Katalog veröffentlicht hatte (Aids to Stamp Collectors) und in der am 15. Dezember erstmalig erscheinenden Fachzeitschrift „The Monthly Intelligencer“ einen Beitrag veröffentlichte. Frederick William Booty ging in diesem Beitrag aber 16 Natalis Rondot veröffentlichte ab 21. Juni 1862 unter dem Titel „Les Timbres-poste de touts les États du Globe“ eine Artikelserie im „Magasin Pittoresque“, ab 26. Juli 1862 erschien diese auch in englischer Sprache in „Cassell’s Illustrated Family Paper“ unter dem Titel „Postage Stamps“ und ab 1. Oktober des gleichen Jahres unter dem Titel „Briefmarken und Briefmarken-Sammlungen“ in der Modezeitschrift „Der Bazar“. Wie Jan Vellekoop nachweisen konnte, gab es sogar eine Übersetzung ins Niederländische, die von 1862–1864 in den von S. Gille Heringa herausgegebenen Jahrbüchern (Nederlandsch jaarboekje der posterijen voor ... – Middelburg : Altdorffer, 1862–1864) mit 63 Illustrationen und fünf lithografischen Bildtafeln veröffentlicht wurde. In Deutschland folgte ein weiterer Beitrag über Briefmarken in der „Illustrierten Leipziger Zeitung“ Nr. 1014 am 6. Dezember 1862. 17 Zitiert nach Robert White: The first Stamp Collector and his Catalogue, in: Stamp Lover, Vol. 96, February 2004, S. 12. Grey hatte zuvor bereits „The Postage Stamps of the World“ in der Zeitschrift „Young England“ in London: Tweedie, 1862, ab Juni S. 91, publiziert, eine Serie, die in fünf Folgen erschien und die die Grundlage für seinen späteren Katalog darstellte. | 11 ____________________________________________________________________________________ auch besonders auf den Wandel der frühen Szene und im öffentlichen Bewusstsein ein: „Es ist schon merkwürdig, festzustellen, wie sehr sich die öffentliche Meinung über das Briefmarkensammeln geändert hat. Vor zwei oder drei Jahren, als man die Zahl der Sammler noch einzeln nennen konnte (nun zählen sie schon nach hunderten), wurden sie als hoffnungslose, allerdings auch harmlose Spinner verschrien und ihre Freunde bestätigten allzu bereitwillig deren Manie, zumal diese ja immer nur nach ‚alten Marken’ fragten, die von keinem Nutzwert außer für sie selbst gekennzeichnet waren. Wenn die gleichen Spötter nun heute die wirklich wunderschönen Markenbücher sehen könnten, die diese glücklichen, geschmacksvolle und erfolgreichen Sammler besitzen, dann wären sie wohl überzeugt und bereit zu akzeptieren, dass es wohl verborgene Schönheiten selbst bei misslungenen Briefmarken gibt.“18 Mit Booty, Grey und vielen anderen wurde ab 1861 das Zeitalter der philatelistischen Literatur eingeläutet, eben die Periode der Pionierzeit, in der das gedruckte Wort Verbreitung fand, sei es in Preis- oder Übersichtslisten existierender Briefmarken, in ersten Anzeigen, deren Suchund Tauschwünsche diese Listen als Angebote folgten bis hin zu Zusammenstellungen, die wirklich fundierte Überblicke zu all dem gab, was existierte. Kataloge wurden geboren und diesen folgten nahezu zeitgleich das Bedürfnis, sich über Neuerscheinungen und alle Aspekte des Sammelns auszutauschen: eben in periodisch publizierten Zeitschriften. Dass dem sich geradezu explosiv ausbreitenden Virus der Philatelie, also der ernsthafteren systematischen Be18 Zitiert nach L. N. und M. Williams: Centenary of the Philatelic Press, in: The Stamp Lover, October–November 1962, S. 63 12 | schäftigung des Sammelns von Briefmarken, auch eine weitere Literaturgattung, die Alben, an die Seite zu stellen waren, schien geboten, mehrte sich doch unübersehbar die Zahl der Briefmarken ab 1860 Jahr um Jahr. Diese waren als geschätzte Werte dauerhaft gesichert unterzubringen, aber auch zu repräsentieren. Aus dem frühen Spleen einiger „Verrückter“ wurde eine echte Liebhaberei mit Gehalt. All diese ersten literarischen Spuren – und noch zahlreiche andere hier nicht genannte mehr – führen primär nach Großbritannien und Frankreich, wo Oscar BergerLevrault aus Straßburg bereits 1861 eine erste Liste ihm bekannter Briefmarken mit Hilfe von Freunden und ihm bekannten Sammlern wie Dr. Amable Legrand oder JeanBaptiste Moens zusammenstellte. Warum gerade England und Frankreich? Dies dürfte wohl kaum durch die regionale Nähe des Lebensraumes bestimmt gewesen sein, sondern durch zwei Ereignisse, die das Sammeln von Briefmarken gewaltig gefördert hatten: die ersten beiden Weltausstellungen 1851 in London und 1857 in Paris. Bei beiden wurden Briefmarken als modernste Novität, als weltbewegende Neuheit, vorgestellt – und dieses für viele neue Produkt sprach weiteste Kreise, nicht nur Kinder und Jugendliche an. Aus einem Stein, der damit ins Wasser geworfen wurde, entstand eine Lawine, die in literarischer Form bis heute jeden in den Bann zieht, der sich näher mit der Literatur beschäftigt. Die Philatelie wurde geboren. Ihre unerlässliche Basis war die Veröffentlichung von gedruckter Literatur, denn nur diese machte orts- oder gar grenzüberschreitende Kommunikation, ein Miteinander von Sammlern möglich. ____________________________________________________________________________________ 2 Das Jahrzehnt der Pioniere ____________________________________________________________________________________ Eruptionen gehen nicht selten lange aufgestaute Energiemassen voraus, die sich dann unversehens auf einen Schlag zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem oder mehreren Orten entladen. Diesem Vergleich folgend, darf man auch die erste frühe philatelistische Literatur verschiedener Länder – vor allem in Frankreich, England, Belgien, Deutschland und den USA – nicht nur als einen kontinuierlich gewachsenen Prozess interpretieren, sondern als ein in verschiedensten Teilen der Welt damals – ohne jede Absprache oder Abstimmung – entfachtes Feuer, das plötzlich aufzulodern begann. Seit Mitte der 1850er-Jahre war das „Feuer der Philatelie“, also der ernsthafteren Beschäftigung mit bereits erschienenen oder ständig neu erscheinenden Briefmarken vieler Länder, erwacht. Mit der Zunahme der Zahl der Marken wuchs die Akzeptanz der 1840 in England erstmals eingeleiteten Postreform, damit aber gleichzeitig der Status der Briefmarken selbst. Weite Kreise, selbst der Bürgerschicht und des Hochadels, begannen sich für Briefmarken als damals neuem Medium der Kommunikationsmittelerleichterung, aber auch der Repräsentanz eigener Herrscher und Königshäuser zu interessieren und zunehmend damit zu identifizieren. Mochte der urmenschliche Trieb des Sammelns, Klassifizierens und Anhäufens von Objekten gewünschter Wahl bei Jugendlichen überwiegen, gar zum Motor einer nachfolgenden Entwicklung von Tausch, An- und Verkauf, damit auch des Niederschlags in den gedruckten Medien damaliger Zeit, werden, hielten sich Erwachsene zuerst noch vornehm zurück. Die Sorge, ihr „Spleen“ würde von anderen eher als infantiles Gehabe eingestuft, mag sie in die Anonymität dieser frühen Jahre der Philatelieentwicklung getrieben haben, was man noch heute über dieses „Jahrzehnt der Pioniere“, das man von ca. 1861 bis 1870 ansetzen kann, nachvollziehen kann. Denn in den ersten frühen Gazetten der damaligen Zeit finden sich viele Autoren und Leserbriefschreiber überwiegend nur mit Namenskürzeln aufgeführt. Ähnlich einem bald ausbrechenden Vulkan brodelte es aber allerorten. Junge Menschen dürften damals zwar erste verbürgte Spuren in allgemeinen Publikumszeitschriften mit ihren Sammlerwünschen hinterlassen haben, aber bereits zu dieser Zeit, 1860/61 gab es eine Art Parallelwelt: die Erwachsenen, die sich in kleinen Zirkeln Gleichgesinnter trafen, wie dies z.B. aus London bekannt ist, die die ersten Briefmarkenbörsen ab 1860 in Paris oder Buchhändler – wie Jean-Baptiste Moens in Brüssel – aufsuchten, der neben seinem Buch- eben auch ein Briefmarkenangebot spätestens seit 1858 pflegte. So verwundert es auch nicht, unter den Namen der ersten philatelistischen Literaturherausgeber auch bekannte Adressen namhafter Buchhändler der damaligen Zeit zu finden. Dies lag nahe, denn Buchhändler waren zu dieser Zeit in der Regel auch Verleger, und sobald sie Nachfrage bei ihren Kunden verspürten, produzierten sie entsprechende Angebote: sei es von Verzeichnissen und Katalogen, von Zeitschriften oder gar Alben zur Aufbewahrung. | 13 ____________________________________________________________________________________ Parallel entdeckt man einzelne Handelsfirmen, die sich mehr den Antiquitäten verpflichtet fühlten, wie z.B. die Leipziger Firma Zschiesche & Köder, die mit Münzen, Medaillen, Wappen und Siegel handelte, wozu ein Briefmarkenangebot ebenfalls bestens passte. Waren Paris und London zu dieser Zeit „Nabel der Welt“ – 1851, 1857 und 1861 fanden deshalb dort auch die ersten „Expos“, die ersten großen Weltausstellungen statt, auf denen die Novitäten aus Technik und Industrie, damit auch der Post und der neu eingeführten Briefmarken vorgestellt wurden – so war Leipzig eine weltbekannte Buch- und Buchhändler-Stadt. Ein Zentrum, in dem man sich traf, Neues entdeckte und sich über neue Trends austauschte, quasi ein Handelsplatz der aktuellen Kommunikation über all das, wozu man literarisch Neues produzieren konnte. Eine ähnliche Rolle dürfte jenseits des Ozeans New York zu dieser Zeit eingenommen haben, ein Schmelztiegel vieler Nationen, in dem ebenfalls neue Ideen für ihren Urheber ungeahnte Entwicklungen bereit halten konnten. So entzündete sich 1861 eine Flamme, die zum flächendeckenden Waldbrand werden sollte: Es begann das Zeitalter der philatelistischen Literatur. Zuerst noch zaghaft mit kleinen Listen, die Übersicht über Existierendes bie- 14 | ten sollten, denn mangels Vorläufer fehlte Sammlern dieser frühen Zeit bis dahin fundierte Kenntnis über das, was es überhaupt gab. Parallel entwickelten sich erste Preislisten und -angebote, ab 1862 auch Produkte, die heute als erste Kataloge bezeichnet werden. Damit wurde das Jahr 1862 zum eigentlichen Entstehungsjahr philatelistischer Literatur und die große Zahl verschiedener Kataloge und Zeitschriften, die im Laufe des Jahres entstanden, verblüfft noch heute jeden Kenner. Für all diese „Objekte“ der frühen Zeit gilt, dass sie selten, manche sogar nahezu einzigartig sind, weil sie eben nur als Einzel- oder in wenigen Exemplaren noch in öffentlichen oder privaten Bibliotheken belegt und erhalten geblieben sind. Mangels eindeutiger Herausgeber-Hinweise ist es bis heute nicht immer möglich, den genauen Erscheinungstermin jedes literarischen Objektes zu benennen, manche können nur annähernd zeitlich eingeordnet werden. Dennoch lassen sich heute dank zahlreicher Arbeiten von Kennern und Könnern die literarischen Verläufe dieses Pionierjahrzehnts so gut beschreiben, dass dieses Buch darauf aufbauend in diesem Kapitel einige Dinge wiedergeben kann, die vielleicht selbst manchen Experten bislang noch unbekannt sind. ____________________________________________________________________________________ 2.1 Erste Preislisten – frühe Kataloge ____________________________________________________________________________________ Es ist wohl kaum ein Zufall, dass zu Beginn der philatelistischen Fachliteratur katalogartige Verzeichnisse zu registrieren sind. Um 1860 lag die Zahl bereits herausgegebener Postwertzeichen schon bei rund 1 000 verschiedenen und es deuteten sich erste Probleme nicht nur der Beschaffung, sondern auch der Übersicht an. Manche Länder hatten schon eine größere Zahl von Briefmarken herausgegeben – wobei vielfach nicht bekannt war, in welcher Reihenfolge –, andere Marken tauchten erstmals auf oder waren vielen noch gar nicht bekannt. Gleichzeitig zeichnete sich deutlich ab, dass nicht wenige Marken offenbar wesentlich seltener als andere, andere kaum zu beschaffen waren. Zieht man in Betracht, dass um diese Zeit erste Briefmarkenbörsen die Kommunikation und den Wissenstand beflügelten, diese aber nur an wenigen Orten bis dahin verbreitet waren, gleichzeitig mehr und mehr private Nachahmungen, aus heutiger Sicht „Fälschungen“, verbreitet wurden, war das Bedürfnis nach einer Art verbindlichen Übersicht dessen, was existierte, verständlich. Aus diesem frühen und ersten Wissen entstand dann erst das, was man heute als Ursprungsmotive eines „Marktes“ bezeichnen kann. Nämlich das Bedürfnis, diese Erkenntnisse weithin zu verbreiten und allen mitzuteilen, was wenig später zu Funktionen erster Kataloge, aber auch von (Publikums- und späteren Fach-) Zeitschriften wurde. Mit den ersten „Katalogen“ ist allerdings auch die Trennung von ‚Spreu und Weizen‘ verbunden, so dass es nicht verwundert, dass nahezu zeitgleich erste Spezialau- sarbeitungen zum Thema „Fälschungsbekämpfung“ erschienen, worauf an anderer Stelle in diesem Buch noch zurückzukommen ist. Waren die ersten „Kataloge“ eigentlich noch eher „Listen“, Bestandslisten einzelner Sammler oder sogar wenig später Angebots-/Bestandslisten von Händlern (z.B. die von Zschiesche & Köder, Stanley Gibbons oder Scott), dann fällt die exakte Zuordnung auch hier – ähnlich der Einschätzung, wer ist als Sammler oder eher als Händler einzustufen – schwer. Das Beispiel von Christian Mann aus Leipzig, einem damals noch jugendlichen „Sammler“, mag stellvertretend für viele andere sein, denn mit Anzeigen warb er kurz nach Herausgabe seines Kataloges in der Fachpresse, bot und kaufte Marken an, wurde zum Händler. Die Unterscheidung zwischen Preislisten und Katalogen fällt dabei nicht einfach. Richtet man sich allein nach dem Umfang, bleiben 2-, 4- oder 8-seitige Listen, herausgegeben von Händlern aller Art, außen vor, selbst wenn sie ein „weltweites“ (aber eben nicht vollständiges) Angebot von Briefmarken zum Erwerb offerierten. Andererseits waren gerade solche Preislisten eine gute Basis, daraus vollständigere Werke, umfassendere Kataloge, nun sogar mit Preisen versehen, zu entwickeln. Ob diese von einem mit Marken handelnden Händler oder nur von einem diese Marken suchenden Sammler – die Grenzen zwischen Sammler und Händler waren damals, wie bereits gesagt, fließend – verfasst wurden, ist für die Einstufung des jeweiligen Objektes ohne Belang und bleibt deshalb hier | 15 ____________________________________________________________________________________ außer Betracht. Denn unter den ersten Katalogherausgebern, gerade in Paris oder in Brüssel, finden sich namhafte Pionierhändler, die mit Briefmarken ihr Geld verdienten, aber auch Sammler, die eben diese Briefmarken suchen, tauschten und kauften. Weitere – aus heutiger Sicht ebenfalls wichtige – Unterscheidungskriterien, wie z.B. Abbildungen, spielten zu Beginn ebenfalls noch keine Rolle. Solche kamen zwar vergleichsweise schnell in den Folgejahren dazu, aber es gab auch in zahlreichen Ländern noch bis in die 1870er-Jahre Katalogverfasser, die glaubten, darauf verzichten zu können, was in der Regel auch der nicht einfachen Herstellungs- und Beschaffungsfrage sowie den damit verbundenen Kosten geschuldet war. Der Umfang der Beschreibung einzelner Notierungen ist ebenfalls zu vernachlässigen, denn zum einen mehrte sich dieser bei zahlreichen Katalogen von Auflage zu Auflage, zum anderen entsprach deren Gestaltung eher primären Zielsetzungen, als möglichst inhaltsreiches Informations- oder als Angebotsprodukt potentielle Leser zu erfreuen. Bei allen Unterschieden spiegeln die teils zahlreichen Auflagen die enorme Nachfrage, die vielen dieser Katalogwerke zuteil wurde. Bei den ersten Katalogen des frühen Pionier-Jahrzehnts spielten – einmal mehr – die Länder Frankreich, England, Belgien, Deutschland und die USA eine hervorgehobene Rolle, wie die nachfolgend chronologisch gegliederte Übersicht dieser Werke bis ca. 1870 zeigt. Aber es sind auch „kleine“, deshalb nicht weniger bedeutende Länder, wie z.B. die Schweiz, die Niederlande, Italien und Spanien, bereits vertreten, was beweist, dass Briefmarkensammeln alles andere als ein territorial begrenztes Hobby war. Schon von 1870 bis 1900 mehrte sich diese Gattung der Literatur, speziell der „Spezial-Länder-/Gebiets- und Sondergebietskataloge“, derart, dass ihre Darstellung und nähere Beschreibung hier bei weitem den Rahmen sprengen würde.1 1861 Am Anfang der frühen philatelistischen Literaturentwicklung steht kein Katalog, sondern eine Ankündigung, besser gesagt eine Anzeige.2 Diese erschien am 4. Juni 1861 in Brüssel in der Zeitung „L’Étoile Belge“ und mit der An1 Interessenten an vollständigen Übersichten dieser Art seien die früheren und bis heute nützlichen Ausarbeitungen von Victor Suppantschitsch, besonders aber die ausgezeichnete Bibliografie von Manfred Amrhein, Philatelic Literature, Band I, San José 1992, empfohlen. 2 Der Autor verdankt die Vorlage dieser Anzeige Vincent Schouberechts aus Brüssel. 16 | zeige zeigte Jean-Baptiste Moens an, sein „Manuel du Timbromane ...“ sei in seiner Buchhandlung in der Galerie Bortier, 7 erhältlich. Er zeichnete als „M. J.-B.-Ph.-C. Moens, timbrophile“, also als Markenliebhaber und bot gleichzeitig noch seinen Bestand von 10 000 Marken aus „Ste-Hélène, Australie, Afrique, tous ceux des État Italiens supprimés, etc.“ zu konkurrenzlos günstigen Preisen an. Bei dieser Vorab-Anzeige, denn darum handelte es sich, war offenbar der Wunsch der Vater des Gedankens, denn zu dieser Zeit gab es dieses „Manuel de Timbromane“ noch nicht. Es war eher in Planung und dessen Idee vielleicht aus dem Gedankenaustausch Moens‘ mit seinem Schwager, Louis Hanciau, entstanden. Der Handbuch-Gedanke dürfte auch besonders durch einen Zeitgenossen inspiriert gewesen sein, der tatsächlich bereits zu dieser Zeit an einer „Liste“ aller ihm und seinen Freunden bekannten Marken arbeitete: Oscar Berger-Levrault. Denn das erste in der Geschichte der Philatelie zu benennende literarische Produkt war kein Katalog, auch keine Preisliste. Weder enthielt diese handschriftlich erstellte Liste Preise für die aufgeführten Briefmarken, noch wurde dieses Verzeichnis verkauft. Insofern ist diese eher ein „Vorläufer“, die allerdings im direkten Sinne zur Basis für die nachfolgenden Kataloge wurde, weil andere aus ihr, zumindest aber im Wissen um diese Liste, bereits Monate später die Literaturgattung schufen, die man heute als „Katalog“ einordnet. Der Buchhändler und Druckereibesitzer François Georges Berger-Levrault in Straßburg – er galt schon zu dieser Zeit als einer der großen Sammler, obwohl er erst 1859 oder 1860 mit dem Sammeln von Postwertzeichen begonnen hatte – beabsichtigte mit diesem „Katalog“ für sich und seine Freunde auf der Grundlage der eigenen Sammlung und ihm bekannter Informationen ein Verzeichnis, also eine Übersicht, zusammenzustellen. So entstanden mehrere handschriftliche, jeweils ergänzte Listen, die dann in nur ca. 40 bis 50 Exemplaren in seiner Druckerei zuerst kopiert, später auch lithographisch vervielfältigt wurden. Circa zehn solcher Exemplare behielt Berger-Levrault selbst, den Rest verschenkte er an Freunde, darunter Georges Herpin und Dr. Jacques Amable Legrand in Paris, mit denen er in enger und intensiver Korrespondenz und Gedankenaustausch stand.3 Dieses Verzeichnis diente seinen Freunden als Grundlage für eine Art Ergänzungsliste, in die sie neue „Funde“ eintrugen und dies wiederum nach Straßburg meldeten. So entstand die erste Markenliste (dies war im heutigen Sinne noch kein Katalog!), die am 17. September 1861 mit 3 Vgl. DBZ, Nr. 14/1903, S. 131–132; Manfred Amrhein: Philatelic Literature, San José 1992, Bd. I, S. 9 ____________________________________________________________________________________ zehn bzw. zwölf Seiten Inhalt/Umfang im Quartformat herauskam und 973 Postwertzeichen aufführte, allerdings ohne jedwede Abbildungen. Eine zweite Auflage erschien im Dezember 1861. Zwischen Januar 1862 bis 1864 publizierte Berger-Levrault weitere 14. Ab der dritten Auflage im Juni 1862 wurden diese bereits im Drucksatz hergestellt (die letzten hatten schon einen Umfang von 26 Seiten), die keinen Autorenhinweis enthielten, aber den Titel „Les Timbres-Poste“.4 Grundlage für diese „Markenliste“ des um 1825 geborenen François Georges Oscar Berger-Levrault war – wie schon erwähnt – dessen eigene Sammlung. Diese enthielt im September 1861 genau 673 Postwertzeichen, war aber schon bis August 1862 auf 1 142 Stücke angewachsen. Sie zählte im April 1863 genau 1 533 und im Juli 1864 insgesamt 1 857 verschiedene Exemplare. Dieser Bestand ließ sich später aus seinen Listen und Katalogen erschließen. Als ersten wirklich substantiellen Katalog mag man sein in deutscher Sprache verfasstes Werk „Beschreibung der bis jetzt bekannten Briefmarken ...“ aus dem Jahre 1864 (siehe auch dessen Erwähnung unter dem Jahr 1864 in diesem Teilkapitel!) ansehen, sein letztes Werk „Les Timbres-poste“ wurde 1867 veröffentlicht. Der deutschfranzösische Krieg ließ Berger-Levraults Bemühungen wenige Jahre später zu einem Endpunkt kommen. Zu dieser Zeit besaß er eine Sammlung mit 10 400 Marken, unter diesen 6 300 ungebraucht, außerdem 1400 Essays. Gleichzeitig hielt er fest, dass er „bis auf 50 zu dieser Zeit bekannte Marken, außerdem einigen australischen Marken mit ihren diversen unterschiedlichen Wasserzeichen, die er seit 1866 eingehend mit seinen Freunden F. A. Philbrick und Dr. Magnus erforschte, komplett sei.“5 Berger-Levrault lebte zwar noch bis zum 24. September 1903 in Nancy, aber der Krieg 1870 hatte ihm alle Lust zur weiteren literarischen Betätigung und zu neuen Katalogausgaben genommen.6 Er blieb aber der Philatelie verbunden. Der erste Katalog, der in der späteren Geschichte der philatelistischen Literatur auch als solcher jeweils genannt wird, ist das Werk von Alfred Potiquet, „Catalogue des 4 Weitere Informationen zu den diversen Listen Berger-Levraults sind dem „Bulletin de la Societé Francaise de Timbrologie, Juni 1877, zu entnehmen. Nach Angaben von C. Brühl <siehe Band 2, Seite 602>, der sich hier auf Georg Turner beruft, sollen heute noch vier von den wohl ursprünglich 40 bis 50 vervielfältigten Listen der ersten Auflage existieren. 5 L. N. und M. Williams: Centenary of the Stamp Catalogue, in: „The Stamp Lover“, August–September 1961, S. 37 6 Nähere Angaben zu Berger-Levrault und zu seiner Sammlung finden sich bei Fred J. Melville, in: „The Postage Stamp“, Vol. XV, S. 46 Timbres-Poste. Créés dans les divers États du Globe“, erschienen am 21. Dezember 1861 in der Buchhandlung Eugène Lacroix in Paris. Dieser erste Briefmarkenkatalog der Welt – er hatte einen Umfang von 43 Seiten, auf denen 1 080 Marken und 132 verschiedene Umschläge gelistet wurden – wird nicht selten in der Literatur unter dem Namen des Verkäufers, einer Buch- und Briefmarkenhandlung Laplante in Paris, als „Catalogue Laplante“ geführt, weil dieser den Zusatz enthielt: „en vente: chez Laplante marchand de timbres-poste pour collections 1, rue Christine, Paris“. Der Sammler Potiquet hatte Oscar Berger-Levraults Liste als Quelle genutzt, möglicherweise aber auch von diesem Hinweise und Hilfen erhalten, denn beide standen – wie schon erwähnt – in engem Briefkontakt. Im März 1862 erschien eine zweite Auflage im Umfang von 48 Seiten, bei der allerdings nicht mehr Laplantes Namen auf dem Titel zu sehen war. Aufschlussreich ist ein Autorenhinweis Potiquets auf der zweiten Umschlagseite dieser Zweitauflage, wo es hieß: „Als die erste Auflage des Catalogue des Timbres Poste erschien (21. Dezember 1861), war noch kein Pamphlet über Briefmarken veröffentlicht ..., aber dieser inhaltlich so reichlich dokumentierende Katalog eröffnete weiteren Publikationen dieser Art den Weg. Besonders zwei kleinen Broschüren, die nahezu vollständig von Mr. Alfred Potiquets Arbeit kopiert wurden, eine in Brüssel, die andere in Paris. Wir haben deshalb legale juristische Schritte vorgenommen gegen deren Autoren [...] .“7 --------------------------------Ein interessanter Hinweis für Bibliophile! Es ist für jeden Sammler höchst schwierig, ein Exemplar der ersten Auflage dieses allerersten Kataloges zu erwerben. Uns sind einige sehr seltene solcher Exemplare bekannt, die der Stolz und die Freude ihrer glücklichen Besitzer sind. Wenn man den von Pierre Mahé zur Zeit der Veröffentlichung seines Buches “Les Marchands de Timbres-Poste d’Autrefois” (Briefmarkenhändler der Vergangenheit) abgefassten Brief liest, bemerken wir, dass jeder Sammler dieses Kataloges ein Bibliophiler sein muss. Denn er braucht nicht nur ein Exemplar, sondern gleich drei bei der Suche nach dem „heiligen Gral“! Denn Mahé beschreibt in seinem Brief genau die verschiedenen Ausführungen dieses Kataloges, die durch seine Hände gingen. (Vergessen wir dabei nicht, dass Mahé einer der ers- 7 Bertram T. K. Smith: The Earliest Catalogues of Postage Stamps, in: The Philatelic Record, 1908, S. 71; L. N. and M. Williams: Stamps Day by Day, London 1950, hier: World’s first printed stamp catalogue (Alfred Potiquet’s), S. 235 ff. | 17 ____________________________________________________________________________________ ten Händler überhaupt war und er deshalb mit diesem Katalog handelte, um sein eigenes Geschäft zu fördern!) Ergebnis ist, dass die erste Auflage des Kataloges für 2 Franc verkauft wurde, wie es auch auf dem Titelblatt angezeigt wird. Als die zweite Auflage im März 1862 erschien, wurde der Verkaufpreis des Kataloges auf 1,25 Franc ermäßigt. Der Verleger, Lacroix, hatte aber noch Exemplare der Erstauflage auf Vorrat, so dass er für diese den Umschlag der Zweitauflage nutzte, um diese weiter verkaufen zu können. Mahé berichtete, dass ihm dabei Exemplare bekannt geworden seien, bei denen der aufgedruckte Preis handschriftlich und mit Tinte in 2 Franc geändert wurde. Somit gab es also drei Varianten dieses Kataloges, der bereits an sich extrem selten ist. Dank des Briefes von Mahé wissen wir so nicht nur über die erste und zweite Auflage Bescheid, sondern auch über die dritte Variante, die zweite Auflage zu 1,25 Franc, die aber für 2 Franc verkauft wurde. Ob wohl der gut laufende Katalogverkauf in den Folgemonaten den Verleger (oder Autor) bewogen haben mag, den Verkaufspreis für die Restexemplare hochzusetzen? --------------------------------------------Die Erstauflagen beider Werke, also der Listen von BergerLevrault wie der noch Ende 1861, also drei Monate später als Berger-Levraults Übersicht, erschienene Katalog von Potiquet, sind heute höchst seltene Raritäten, deren Existenz offenbar an einer Hand abgezählt werden kann. Derzeit ist bekannt, dass von Berger-Levraults Listen drei Exemplare noch im Smithonian Institute in Washington und ein weitgehend kompletter Bestand in der Crawford-Bibliothek aufbewahrt werden. Dr. Emilio Diena gab vor mehr als hundert Jahren an, dass neben der Erstausgabe vom September 1861 fünf weitere – die letzte war eine achte Ausgabe von 1864 – in seiner Bibliothek seien.8 Ähnlich wie Potiquets Werk dürften diese nur jeweils als Einzelexemplare überlebt haben, sieht man einmal von den gesetzlich vorgeschriebenen Belegexemplaren ab. 8 Mitte 2012 besuchten Vincent Schouberechts und Wolfgang Maassen die philatelistische Bibliothek der Familie Diena, die seit den 1880er-Jahren von Emilio Diena nachhaltig aufgebaut worden war. In ihr befindet sich noch heute ein Schatz alter Kataloge und Fachzeitschriften, aber auch von Preislisten und Werbeblättern, die auf den frühen italienischen Briefmarkenhändler E. C Usigli seit den 1860er-Jahren zurückgehen. Dennoch konnten viele der von Diena 1909 beschriebenen Werke (siehe „The Philatelic Library of Dr. Emilio Diena“, in: The Journal of the Philatelic Literature Society, Vol. II, April 1909, Nr. 2, S. 21–22), darunter auch die von Berger-Levrault, nicht mehr aufgefunden werden und ihr Verbleib ist derzeit noch ungeklärt. 18 | 1862 Mit dem Katalog von Potiquet schien der Damm gebrochen. Die Welle der Philatelie schwappte nun über und breitete sich ungehindert aus. 1862 erschienen bereits – nimmt man die Zweitauflage von Potiquets Werk und weitere Listen von Berger-Levrault aus – zehn (!) weitere Kataloge: nicht allein in Frankreich, sondern nun zuerst einmal in Belgien, dann in England und zum Jahresende in Deutschland. Das „Manuel de Collectionneur” (Handbuch für Sammler) von Jean-Baptiste Philippe Constant Moens in Brüssel eröffnete den bunten Reigen im Januar 1862. Es gilt als gesichert, dass Moens Potiquets Katalog als Vorlage nutzte, wenngleich Moens auch eigene Ergänzungen einfügte.9 Der Katalog hatte einen Umfang von 72 Seiten, wies aber noch keine Abbildungen auf. Er wurde auf grünlichem Papier gedruckt. Ähnlich wie beim Potiquet-Katalog sind auch hier zwei Herausgeber/Vertreiber angegeben: Moens selbst und der Pariser Buch- und Briefmarkenhändler Baillieu, der ein Kollege und Freund von Moens war. Ursprünglich sollte der Katalog wohl schon am 4. Juni des Vorjahres erscheinen (vergleiche die zu Beginn erwähnte Anzeige von J.-B. Moens!), aber Moens – so seine eigene Aussage – standen die benötigten Angaben nicht rechtzeitig zur Verfügung und er hatte außerdem Probleme mit seinem Drucker, was die Produktion des Kataloges weiter verzögerte. LaCroix beklagte ihn deshalb auch wenig später wegen unerlaubter Informationsnutzung aus dem bei ihm dann vorher erschienenen Potiquet-Katalog. Eine zweite Auflage, dieses Mal auf weißem Papier, erschien im Juni 1862. In dieser zweiten Auflage setzte sich Moens gegen den Plagiatvorwurf zur Wehr und verwies darauf, dass Potiquet ja von ihm zahlreiche Informationen erst erhalten habe und dann – als dieser mitbekommen hatte, dass er, Moens, einen Katalog machen wollte, sich beeilt habe, ihm zuvorzukommen.10 Auch gegen Laplantes Raubkopie wandte sich Moens. Es sei alles, was man irgendwo kopieren könne, fehlerhaft zusammengeschrieben. Zur zweiten Auflage erschien Anfang 1863 eine 16 Seiten-Ergänzung, die dann zusammen mit der zweiten auch als dritte Auflage angeboten wurde. Ebenfalls noch 1862 erschien von W. F. Dannenfelser in Utrecht/Niederlande eine Übertragung der zweiten Kata9 Moens war mit Potiquet gut bekannt, dieser mit Berger-Levrault, mit dem auch Moens vermutlich enge Kontakte pflegte, was auch bei dem engen Gedankenaustausch Gemeinsamkeiten und Übereinstimmungen erklären dürfte. 10 Zur Frage der Illustrationen von Moens vgl. Carlrichard Brühls Ausführungen in: Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, D. 632 ____________________________________________________________________________________ logauflage von Moens in die niederländische Sprache.11 Der Titel hieß nun: „Vade-Mecum voor verzamelaars van Postzegels of algemeene naamlijst van al de in de verschilldene staten aangenomen postzegels“ und beinhaltete 114 Seiten. Ob diese Herausgabe nun mit Genehmigung von Moens erfolgte, ist nicht bekannt. Dannenfelser veröffentlichte am 27. November 1862 eine Anzeige in der örtlichen Tageszeitung, in der man lesen konnte, dass diese Broschüre nun erhältlich sei – rechtzeitig zum Nikolaustag! Ebenso wenig bekannt bis heute ist W. F. Dannenfelsers zweiter völlig neuer Katalog, der der erste niederländische Katalog mit Preisangaben war.12 Kurz vor dessen Erscheinen hatte Dannenfelser noch den Katalog des Literarischen Museums in Leipzig im Programm, auf dem er einfach seinen Namen auf dem Umschlag hinzufügte. (Siehe hierzu auch die Anmerkungen von Bacon im Crawford-Katalog). Dieser neue Katalog erschien knapp zwei Jahre später, nunmehr aber nur noch 46 Seiten zählend, mit dem Titel: „Catalogus van alle bekende, van 1840 tot November 1864 uitgegeven postzegels, die tot nevenstaande prijzen te verkrijgen zijn bij den boekhandel van W. F. Dannenfelser te Utrecht“. Es wäre aber zweifellos interessant, den Inhalt des Kataloges mit zeitgleich erschienenen Werken aus Deutschland, speziell von Wuttig/Bauschke, abzugleichen, denn Dannenfelser bot auch Alben an, die – spätestens ab der 3. Auflage 1867 – nach deren Vorbild bearbeitet waren. Im Februar 1862 trat François Valléte mit seinen “Tablettes du collectioneur“ in Paris auf den Plan. Dieser 60-Seiten-Katalog ist heute kaum noch bekannt, zumal er als Erstversuch keine Fortführung erfuhr. Der Grund war, Valléte wartete mit einem völlig neuen, allerdings deutlich abweichenden Katalogisierungsprinzip auf. Er sortierte die Markenausgaben nicht nach Ländern und Ausgabedaten, sondern nach deren Bildmotiven, also heraldisch und genealogisch. Dies konnte sich auf Dauer gegenüber dem chronologischen Prinzip der anderen Listen und Katalog nicht durchsetzen, verdient hier aber festgelegt zu werden, weil dieser Katalog quasi als erster „thematischer Katalog“ der Philatelie anzusehen ist. Zeitgleich erschien Ende Januar/Februar 1862 Edard E.-A. Laplantes Katalog „Timbres-Poste” in Paris. Dieser 11 Amrhein gibt als Erscheinungsdatum 1863 an (siehe Band I, S. 54), aber laut Jan Vellekoop (siehe: 100 jaar verzamelen, in: FILACENTO Catalogus, Den Haag 1984, S. 125) ist dieser bereits 1862 erschienen. 12 Dieser bei Tiffany/Crawford nicht nachgewiesene Katalog befindet sich heute in der Bibliothek von Jan Vellekoop, dem der Verfasser auch diesbezügliche Hinweise verdankt. 100 Seiten umfassende und 1 233 Marken notierende Katalog war nichts anderes als eine Kopie des PotiquetKataloges, den der Pariser Buch- und Briefmarkenhändler Laplante nunmehr selbst vertrieb. Der Tatsache, dass bei der zweiten Auflage des Potiquet-Kataloges Laplantes Name nicht mehr auf dem Titel erschien, ist zu entnehmen, dass der der Raubkopie folgende Streit, in dem auch der Drucker des Potiquet-Kataloges, Eugene LaCroix, eine hervorgehobene Rolle mit spielte, die beiden vorher zusammenwirkenden Parteien getrennt hatte. Zu Edard (man findet auch die Schreibweise Eduard) E.A. (de) Laplante sind weitere Daten bekannt. Er nannte sich selbst „de Laplante“ und wurde 1820 geboren. Nach einer Berufsausbildung als Lithograph begann er eine erfolgreiche Karriere als Soldat, wurde Sekretär bei Prinz Jerome Napoleon, war danach Postmeister verschiedener kleinerer Postämter, dann Angestellter einer Polizeipräfektur und begann schließlich den Briefmarkenhandel im Jahre 1861. 1869 verkaufte er sein Geschäft an Wilhelm Georg in Basel, um sich anschließend als Winzer in Algerien niederzulassen, wo er wohl 1881 gestorben ist.13 Der französisch sprechenden Welt folgten nun erst einmal die Engländer. Im April 1862 wartete Frederic (Frederick) W. Booty mit seinen „Aids to Stamp Collectors: being a List of English and Foreign Postage Stamps in Circulation since 1840”, verlegt bei H. & C. Treacher in Brighton auf, einem Katalog, der innerhalb weniger Monate mit drei Auflagen erschien. Ebenfalls noch 1862, möglicherweise bereits im August, erschien eine vierte Auflage, allerdings unter leicht veränderten Titelbeginn, der nun lautete: „The Stamp collector’s guide; being a list of English and foreign postage stamps with 200 facsimile drawings“.14 Dies war der erste mit Handzeichnungen illustrierte Briefmarken-Katalog. Er enthielt bereits rund 200 Abbildungen, allerdings in einfacher lithographischer Qualität. Bemerkenswerter ist die Tatsache, dass Booty seine Abbildungen Facsimiles nannte, ein Begriff, der in der Philateliegeschichte schon bald zu anrüchigem Ruhm gelangen sollte. Aufschlussreich bis heute ist Bootys damaliger Hinweis in der Katalogeinführung: „Vor zwei oder drei Jahren konnte 13 Bertram T. K. Smith: The Earliest Catalogues of Postage Stamps, in: “The Philatelic Record”, 1908, S. 91 14 Abele datierte diese vierte Auflage quasi als Erstauflage des Katalog Bootys auf den August 1862, vgl.: Toni Abele: Die philatelistische Literatur der Schweiz, in: SBZ Nr. 12/1944, S. 346. Mit Carlrichard Brühl: Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, S. 606 und Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Bd. I, San José 1992, S. 11 ist die Erstausgabe allerdings im April 1862 anzusetzen. Weiterführende Angaben zu Bootys Katalogen finden sich auch im „Philatelic Record“, 1905, Vol. XXVII, S. 110, und im „Stamp Lover“, 1910, Vol. II, S. 211. | 19 ____________________________________________________________________________________ man die Sammler noch einzeln zählen, nun schon bereits nach Hunderten ...“. Der Katalog wurde im Steindruck im Format 7½ x 4½ Zoll hergestellt. Den Einband aus grünem Überzugpapier zierte eine seitwärts gestellte Mulready-Vignette, oben das Königliche Wappen, unten die Worte „Published by H. & C. Treacher, Brighton 1862“. Der Preis betrug drei Shilling, allerdings gab es zwei verschiedene Ausgaben: In der einen wurde die Einleitung nur einseitig gedruckt, in der anderen beidseitig. Der eigentliche Katalog ist in beiden Ausführungen gleich. Neuauflagen erschienen keine, da Booty wenig später, um 1864, das Sammeln von Briefmarken aufgab und Kunstmaler wurde.15 Später konnte der um 1842 geborene Booty aber für sich das Verdienst verbuchen, das erste illustrierte Druckwerk in der Geschichte der Philatelie herausgegeben zu haben, denn der nächste Katalog, der seinem Beispiel folgte, war der erst im Dezember 1863 erschienene Oppen-Katalog in 3./4. Auflage. Booty war zur Zeit der Erstausgabe seines Kataloges noch Schüler, vielleicht auch schon Student16 und lehnte sich wohl bei der Abfassung deutlich an den Potiquet- und Moens-Katalog an. Die Erstausgabe zeichnete er noch anonym als ein „stamp collector“. Die zweite Auflage war nahezu deckungsgleich mit der ersten, wies dabei sechs Seiten Ergänzungen und zwei Seiten „Errata“ auf. Die Angabe „2. Auflage“ war allerdings bei dieser ebenso wenig zu finden wie der Name des Autors. Dieser wurde erst bei der dritten Auflage als „Frederick Booty, Brighton“ ausgewiesen. Die 2. und 3. Auflage erschienen, wie bereits ausgeführt, ebenfalls 1862.17 Booty war der Sohn eines Kunstmalers aus Brighton und zur Entstehungszeit des Kataloges auch dort wohnhaft. Später siedelte er nach Yorkshire um, wo er seinen Lebensunterhalt als Aquarellmaler und Kunstlehrer verdiente. 1861 hatte er gemeinsam mit seinem Vater das Sammeln von Briefmarken begonnen. Ein Freund des Hauses förderte dies durch einen großen, offenbar schon Jahre zuvor angesammelten Bestand von nahezu einer hal15 Mehr zum Katalog ist dem „Philatelic Record“, 1905, Vol. XXVII, S. 110 sowie einem Beitrag von Fred J. Melville im „Stamp Lover“, 1910, Vol. II, S. 211 zu entnehmen. 16 Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Bd. I, San José 1992, S. 12 spricht davon, Booty sei zu dieser Zeit schon 20 Jahre alt gewesen. 17 Abele wie Manfred Amrhein stützten sich bei ihrer Zuordnung auf einen Artikel von Fred Melville <Mr. Frederick Booty: The first British Catalogue, in: „The Stamp Lover“, Vol. II (1910), Nr. 10, S. 211–214, der von vier Auflagen sprach, wobei Melville allerdings die dritte bereits als erste illustrierte im Juli ansetzte und die vierte im August 1862 mit geändertem Titel und nunmehr 98 Seiten – die Erstauflage hatte nur 32 Seiten – erschienen wäre. 20 | ben Million Marken, die er stiftete. So kam der Gedanke an eine Katalogisierung auf, wobei Booty selbst um das Jahr 1894 keinen Bezug auf andere Katalogisierungsversuche erwähnte, die schon vor seinem Katalog erschienen waren.18 Wohl erinnerte er sich an eine Anzeige in der „London News“, einer an seiner Schule zugelassenen Zeitung, in der er seinen im April 1862 erschienenen ersten Katalog anzeigte. Mit der Folge, dass dieser umgehend vergriffen war. Für eine zweite Auflage zeichnete er alle Steinzeichnungen der Marken selbst. Er besaß aber später, also 1894, selbst kein einziges Exemplar seiner Erst- und Zweitauflage dieser Kataloge mehr, eben so wenig seine ursprüngliche Sammlung, die kunstvoll als Album mit selbstgemalten Wappen und Flaggen von ihm gestaltet worden war, die er seinem Vater 1864, als er das Haus verließ, überlassen hatte und von diesem wohl ohne sein Wissen verkauft worden war. Mit dem Sammeln von Briefmarken hörte er, wie zuvor bereits gesagt, zeitgleich 1864 auf, erinnerte sich aber später schmerzlich des ursprünglich großen Markenbestandes und der „größten Seltenheiten“, die „zu Hunderten und Tausenden darin enthalten waren“. Wörtlich meinte er: „Das Mulready Couvert z. B. war so häufig darin, dass ich alle meine Freunde damit versorgen konnte und noch ein ganzes Lot an Stafford Smith, dessen Namen ich mich noch als einzigen entsinne, verkaufen konnte.“19 Frederick Booty folgte am 1. Mai 1862 W. Mount Brown (1837–1919). Mount Brown, 1837 in London (?) geboren, zumindest dort zur Schule gegangen, sammelte Briefmarken seit 1860. Im Gegensatz zu anderen Katalogherausgebern war er zu Beginn Sammler, also nicht professionell mit Briefmarken befasst. Schon bald hatte er 300 Marken zusammen und fand ständig neue, so dass er auf den Gedanken kam, eben eine Liste zu erstellen. So gab er Anfang 1862 Anzeigen in zwei Londoner und jeweils einer in Liverpool sowie in Manchester erscheinenden Tageszeitung auf, in der er bekannt gab, dass er einen Katalog seiner „großen“ Sammlung drucken wolle, sofern er 200 Interessenten dafür fände, die ihm jeweils einen solchen Katalog im Tausch für eine 1 Shilling-Marke abkaufen würden. Der Erfolg der Anzeigen war überwältigend, denn innerhalb von 14 Tagen war die potentielle Käuferzahl zusammen, so dass er nun in sechs Wochen harter Arbeit das angekündigte Werk zusammenstellte. 18 Vgl. hierzu: E. Stolpe: Der erste englische Briefmarken-Katalog, in: „Die Post“, 1905, hier S. 135 19 Zitiert nach: E. Stolpe: Der erste englische Briefmarken-Katalog, in: „Die Post“, 1905, hier S. 136; Übersetzung des Originalbeitrages aus: „Philatelic Record“, 1905, Vol. XXVII, S. 110 ____________________________________________________________________________________ Es war Browns erster „Catalogue of British Colonial and Foreign Postage Stamps”. Der Katalog basierte weitgehend auf der Sammlung von Reverend Francis J. Stainforth, einem der ersten Sammler überhaupt, der schon 1866 verstarb, folgte aber von der Anlage her auch den bereits erschienenen Katalogen von Potiquet und Moens. Die erste am 1. Mai 1862 erschienene Auflage enthielt auf 62 Seiten 1 200 Marken und wurde in einer Auflage von 500 Exemplaren gedruckt, die umgehend verkauft waren. Die zweite Auflage mit einem Umfang von 72 Seiten erschien schon gut einen Monat später, im Juni 1862, nunmehr in einer Auflage von 1 000 Exemplaren und sie beinhaltete 1 300 Marken. Es ist ein Brief von Mr. Mount Brown vom 4. Juni 1862 literaturbekannt20, in dem dieser an einen Mr. C. Coulthard schrieb: „Sir, – The first issue of my ‚Catalogue of British Colonial and Foreign postage stamps’ beeing sold, and the demand still continuing, I have the pleasure to inform you that a second edition is in the press. Since its circulation I have received many kind letters pointing out errors, and suggesting improvements, of which I have availed myself where I deemed it necessary. Nearly 100 additional stamps are described and, for the convenience of those who desire it, the Catalogue may be had: – 1st In paper cover, price 1 S., post free 1S. 1d. 2nd Strongly bound in cloth, price 1S 6d. 3rd Do. Do. and interleaved with blank paper, price 2S. I hope to issue this edition about the 14th inst. and shall be happy to forward a copy when ready, on receipt of order enclosing stamps. I remain, Yours obedly, Mount Brown …” Die zweite Auflage wird also nicht vor Mitte Juni 1862 erschienen sein und war ebenfalls schnell vergriffen. Für die dritte Auflage, nunmehr mit einem Umfang von 66 Seiten, die noch im Dezember des gleichen Jahres erschien, erhielt er die tatkräftige Unterstützung von Dr. Rix, einem engagierten ernsthaften Sammler, so dass nun eine Auflistung von 1 700 verschiedenen Marken möglich war. Erneut wurde die Auflage verdoppelt, dieses Mal auf 2000 Exemplare, die ebenso wie die ersten bei Mr. Passmore aus Cheapside „under the Tree“ erschienen (dies war Mount Browns Korrespondenzadresse). Zu dieser Zeit stand Mount Brown in engem persönlichen Kontakt mit namhaften Philatelisten jener Zeit, mit Reverend Francis J. Stainforth, Sir Daniel Cooper, Mr. Philbrick, Dr. Viner und manchen anderen. Man traf sich Samstagsnachmittag im Rektoratsgebäude von Reverend Stain- forth und glich die jeweils neuesten Entdeckungen miteinander ab. Wenig später, 1863, folgte die vierte Auflage (96 Seiten), wiederum im Mai, also ein Jahr nach Erstausgabe (ebenfalls in einer Auflage von 2 000 Exemplaren), und die fünfte im März 1864 in ähnlich hoher Auflage. Diese letztgenannte enthielt auf ebenfalls 96 Seiten schon 2400 katalogisierte Marken. Allein diese Angaben zeigen, dass gerade dieser Katalog eine hohe Nachfrage erfuhr und auch einige Ergänzungen in Fachzeitschriften jener Zeit dies bestätigen.21 Bis zu jener Zeit war Mount Brown in erster Linie Sammler gewesen, was auch daran ersichtlich ist, dass er die Kataloge gegen Briefmarken aus aller Welt tauschte und so an manche Neuheit kam, die sonst für ihn unerreichbar geblieben wäre. Für einige Jahre stieg er dann zwar in den Briefmarkenhandel ein, gab diesen allerdings spätestens 1870 schon wieder auf. Den Franzosen und Engländern folgten im Herbst 1862 erst einmal deutsche Katalogherausgeber. Im Oktober 1862 erschien in der Dürr’schen Buchhandlung ein „Handbuch für Briefmarken-Sammler. Anweisung zur zweckmäßigsten Einrichtung der Briefmarkensammlungen nebst vollständiger Übersicht und Beschreibung aller bis jetzt herausgegebenen Briefmarken“, Leipzig 1863. Die Jahreszahl „1863“ mag hier irre führen, da der Katalog Monate vorher erschien, wie zu belegen ist. Denn in einer von Dr. Gray erstellten Bibliographie wurde das „Dürr’sche Handbuch für Briefmarken-Sammler“ bereits aufgeführt. Da als gesichert gilt, dass Grays Katalog frühestens Anfang November 1862 gedruckt wurde, musste diesem das Handbuch bereits bekannt geworden sein.22 Ein Autor des Katalogwerkes wurde damals nicht angegeben, nur der Herausgeber. Mit Norbert Röhm23 darf allerdings angenommen werden, dass Friedrich Ludwig, der für die Redaktion der zeitgleich erscheinenden Alben der Dürr’schen Buchhandlung verantwortlich zeichnete, auch der Redakteur dieses ersten Kataloges war. Näheres weiß 20 Vgl.: A Mount Brown Circular of 1862, in: „The Stamp Lover“, Juni 1918, S. 12–13 23 Norbert Röhm: 125 Jahre deutsche Briefmarken-Kataloge, in: „Philatelie und Postgeschichte“, 1988, S. 46 21 Vgl. hierzu: „Stamp Collectors’ Review“, Vol I, p. 47; Stamp Collector’s Magazine Vol. II, S. 87, 99, 119, 135, 151, 167. Zu Mount Brown erschien eine Biografie im „Philatelic Record“ von 1894, Vol. XVI, S. 273–275, außerdem von F. J. Melville im „Stamp Lover“ 1908, Vol. I, S. 5, die hier ebenfalls verwertet wurden. 22 In früheren Veröffentlichungen, so auch von Norbert Breunig in „DBZ“, Nr. 6/1961, S. 453, findet sich aber zumeist die Jahresangabe 1863 statt 1862, aber schon C. Brühl wies nach, dass der Katalog auf jeden Fall vor dem 22. November 1862 erschienen sein muss. Vgl. Carlrichard Brühl: Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, S. 615. | 21 ____________________________________________________________________________________ man über ihn nicht, nach 1864 ist über ihn nichts mehr bekannt. Der Katalog – er gehört heute zu den seltensten frühen Literaturwerken der Philatelie und fehlte auch in der berühmten Crawford-Bibliothek, während wohl Victor Suppantschitsch und Arthur Ernst Glasewald noch je ein Exemplar besaßen – hatte ein Format von 12,5 x 18 cm und war bei A. Edelmann in Leipzig gedruckt worden. Während der Verbleib des Katalogexemplares aus der Suppantschitsch-Bibliothek, die 1922 von Theodore Edward Steinway gekauft und von diesem dem Collectors Club in New York gestiftet wurde, ungeklärt ist, wurde das GlasewaldExemplar nach dem Tode Ruprechts Glasewald als erstes seit 60 Jahren 1984 bei einer deutschen Auktion angeboten. Damals erwarb es Norbert Röhm24, der 2012 seine Bibliothek bei der Literatur-Auktion des Auktionshauses Heinrich Köhler während der IPHLA 2012 Mainz verkaufen ließ. Dabei war auch je ein Exemplar der ersten (und zweiten) Auflage des „Dürr‘schen Handbuches“. Röhm vermochte damals aufzuweisen, dass in diesem Katalog zum ersten Mal der Begriff „gezähnt“ verwendet wurde, dass der Katalog quasi „nach amtlichen Quellen“ erarbeitet wurde und er vermutete, dass dieser Katalog schon allein wegen der Buchmesse in Leipzig zu diesem Termin in Eile produziert worden war, wobei dann wohl ein Besucher der Messe den Katalog mit nach England genommen hat, wo er dann Dr. Gray in die Hände fiel. Der Katalog enthielt nur die Beschreibungen der erschienenen Briefmarken, ab und zu auch kleine weiterführende Hinweise. Instruktiv ist allerdings bis heute das Vorwort und die Einführung, denen z.B. interessante Hinweise zu „Francomarken-Sammlungen und deren Einrichtung“ zu entnehmen sind. Interessant ist auch die Aussage des Katalogherausgebers, dass zur Erscheinungszeit, also 1862, wohl schon um 1 100 bis 1 200 Marken erschienen seien, die sich auf 120 einzelne Staaten verteilten, von denen es aber wohl kaum eine „wirklich vollständige“ Sammlung geben würde. Der Katalog empfahl zur Aufnahme der Marken die „neuerdings in Gebrauch kommenden Albums“, wie sie „in der Dürr’schen Buchhandlung in Leipzig bereits in vielen Auflagen erschienen und zu den Preisen von 16 Ngr. bis 2 Thlr. 20 Ngr. durch alle Buch- und Kunsthandlungen zu beziehen sind“.25 24 Vgl. Röhms detaillierte Beschreibung des Handbuches in: „Philatelie und Postgeschichte“, Nr. 102/1988, S. 40–47, der bereits zu entnehmen war, dass er selbst auch Besitzer eines Exemplares war. In Deutschland ist ein weiteres Exemplar bisher nur in der Philatelistischen Bibliothek München nachgewiesen, das vom 2. bis 4. November 2012 bei der IPHLA in Mainz ausgestellt war. 25 Handbuch für Briefmarkensammler, Leipzig 1863, S. 14/15 22 | Eine „zweite umgearbeitete und vermehrte Auflage“ des Dürr’schen Kataloges erschien – nunmehr mit 64 statt 56 Seiten – ein Jahr später, im Frühherbst 1863, vielleicht pünktlich zur Michaelismesse in Leipzig, quasi als Konkurrenzprodukt zu dem nahezu zeitgleichen Zschiesche-Katalog. Diese zweite Auflage ist nicht so selten wie der Vorgänger. Sie befand sich u.a. in der bekannten Krötzsch-Bibliothek, die jeder noch heute in Leipzig einsehen kann.26 Einen zweiten deutschen Katalog, besser einen Vorläufer im Sinne einer Preis- und Verkaufsliste, gilt es hier zu erwähnen, die „Uebersicht über alle bekannten von 1849– 1862 emittierten Francomarken“ der Leipziger Antiquitätenhandlung Zschiesche & Köder. Die Angabe „1849“ ist ein Satzfehler, denn katalogisiert sind natürlich die Marken ab 1840. Etwas unklar war lange Zeit, wann diese achtseitige Preisliste oder diese erste Auflage eines später weithin verbreiteten Katalogwerkes genau erschienen ist, ob Ende 1862 oder erst 1863, wie früher meist angenommen wurde.27 Völlig abweichend ordnete dies A. F. Kumpf-Mikuli ein. Dieser sah es als möglich an, dass der „Katalog“ sogar schon Ende 1861 erschienen und damit der erste deutsche Katalog überhaupt sei. Dafür konnte er aber keinen Beweis erbringen.28 Es spricht viel für eine Veröffentlichung bereits im Herbst 1862, weil Carl Zschiesche, der Verfasser, sich wohl nach den Terminen der Leipziger Herbstmesse ausrichtete. Evtl. ist sie zeitgleich oder bereits früher als das „Dürr’sche Handbuch“ erschienen, das als erster deutscher Katalog gilt.29 Zschiesches Liste von 1862 zeigt noch seine handschriftlich eingetragenen Preise. Es ist bislang nur eine Original-Liste von 1862 in deutschen Privatbesitz bekannt und sie enthält acht Seiten, wie dies auch im CrawfordKatalog aufgeführt ist.30 Ein Nachdruck dieser Liste mit 26 Vgl. Wolfgang Maassen: Der „Schatz der Azteken“ ruht in Leipzig: Die Krötzsch-Bibliothek, in: philatelie, Nr. 253/2005, S. 70–76) 27 Vgl. Victor Suppantschitsch: Bibliographie zugleich Nachschlagebuch der gesammten deutschen philatelistischen Literatur seit ihrem Entstehen ..., München 1892, S. 26. In seinem Werk von 1901 ordnete er es aber erneut für 1862 ein; auch Norbert Röhm datierte den Katalog auf „Ende 1862“, Carlrichard Brühl auf Dezember 1862. 28 A.F. Kumpf-Mikuli: Die Geschichte der Philatelie, in: Katalogbeilage WIPA 1965, Wien 1965, S. 4 29Einen eindeutigen Hinweis, dass die Zschiesche-Preisliste 1862 (und nicht erst 1863) erschienen ist, bietet Alfred Moschkau, der in der Januar-Ausgabe der Zeitschrift „Der Philatelist“, 1912, S. 5, diese Datierung bestätigt. 30 Im Crawford-Katalog (Sp. 427, a.a.O.) und bei anderen ist von dieser achtseitigen Liste, hrsg. 1862, zu lesen. Der Autor konnte dies ____________________________________________________________________________________ verändertem Bezugsnachweis erschien Anfang 1863 bei der Hamburger Firma „Tramburg’s Erben“. Die Liste war identisch, lautete auch auf den Titel „Uebersicht aller bekannten, von 1949 (sic!) bis 1862 emittirten Franco-Marken, welche in grösserer Anzahl vorräthig (und unter der Ziffer ‚Ab 1863‘ ... zu bestellen sind.“ Die Jahresangabe „ab 1863“ war der neue Zusatz, der letztlich auch als Beweis gewertet werden kann, dass die Ursprungsliste von Zschiesche & Köder bereits deutlich vorher herausgegeben wurde, zumal Zschiesche oder die Hamburger Firma noch unbedeutende, aber kleinere Ergänzungen einfügten. Der Anspruch der unbebilderten Liste, eine vollständige Übersicht aller bekannten Briefmarken zu bieten, bestätigt das Recht, diese Preisliste durchaus auch als eine Art „Vorläufer“-Katalog zu sehen und entsprechend einzustufen. Die Grenzen waren hier noch fließend. Die Preise wurden allerdings, vergleichbar der Zschiesche-Liste, noch handschriftlich eingetragen! Bis 1879 sollen elf Ausgaben dieser „Listen“ erschienen sein.31 Das ist allerdings missverständlich, denn erst einmal erschien im August 1863 Zschiesche & Köders „Katalog über die seit 1840 bis Juli 1863 ausgegebenen Briefmarken aller Länder mit beigedruckten Verkaufspreisen“, der als zweite Auflage der 1862er-Übersicht zählte. Dieses Mal hatte diese „Liste“ allerdings bereits 80 Seiten und war allein von daher weit eher als Katalog einzustufen. Eine dritte Auflage erschien 1864 (80 Seiten, dazu ein Nachtrag von vier Seiten), die vierte im April 1865 (70 Seiten, wiederum mit vierseitigem Nachtrag), es folgte die fünfte im Mai 1866 (76 Seiten), die sechste im April 1867 (72 Seiten), eine siebte 1868 (71 Seiten) und eine achte Auflage ist für den Oktober 1870 (mit 79 Seiten und einem achtseitigen Nachtrag), eine neunte für 1872 (84 Seiten), eine zehnte 1876 (60 Seiten mit achtseitigem Nachtrag) und die letzte, die elfte (80 Seiten) für 1879 belegt. Das Katalogwerk sollte nicht mit dem von Carl Zschiesches Neffen, Alwin Zschiesche, verwechselt werden, der erst 1867 mit einem eigenen ersten Katalog antrat, wobei allerdings inhaltliche Ähnlichkeiten nicht zu übersehen waren. Noch im November 1862 erschien aus der Feder von Dr. John Edward Gray „The Hand-Catalogue of Postage Stamps for the Use of Collectors” in London bei R. Hardwicke mit XVI + 54 Seiten im Format 16 x 10,5 cm und einer Auflage von 1 000 Exemplaren, allerdings ohne Abbildungen. Der zu seiner Zeit bekannte Naturwissenschaftler (Zoologe) und Philatelist – er war auch Kurator im Britischen Museum – stellte seinen Katalog auf der Grundlage der ihm verfügbaren Literatur in den Familienillustrierten der Zeit bzw. einer von ihm veröffentlichten Artikelserie „The collecting of postage stamps“ (ab Juni bis September 1862 in „Young England“) her. So führte er bereits in der Erstauflage des Kataloges eine kleine Bibliographie mit 20 ihm bekannter Artikel zur Philatelie auf, womit er sich als „the Earliest Philatelic Bibliographer“32 in die Philateliegeschichte einschrieb. Dabei war der Katalog selbst eher ein „Simple“-(Einfach-)Katalog. Denn in der ersten Auflage fehlten noch Angaben zu Farben, Zähnung, Wasserzeichen, selbst zu Ausgabedaten. Angaben gab es nur zum Bildmotiv. Eine zweite Auflage („revised and enlarged“) erschien 1863. Der eigentliche Katalogumfang war zwar nicht deutlich angewachsen, er betrug nun 58 statt 54 Seiten, dafür kamen aber 32 Anzeigen dazu. Außerdem gab es den Katalog mit zwei Umschlagvarianten, mit dazwischen geschossenem Papier und sogar in einer Sonderedition mit Ledereinband („Postage stamps album and hand catalogue“). Vier weitere Ausgaben wurden von Alfred Smith & Co. in Bath im April 1865, 1866, 1870 und 1874, allerdings unter neuem Titel („The Illustrated catalogue of postage stamps for the use of collectors“) herausgegeben. Die dritte Auflage von 1865 war bereits illustriert. Sie hatte nun 16 Seiten Vorspann, 95 Katalogseiten und 14 Seiten Anzeigen. Bei der vierten Auflage von 1866 wuchs der Katalogteil auf fast das Doppelte, auf 180 Seiten, was die fünfte von 1870 mit 210 Seiten Kataloginhalt noch zu steigern wusste. Letztere war die erste von Overy Taylor als “The Illustrated Catalogue of Postage Stamps” fortgeführte Ausgabe.33 Die letzte (6.) Auflage des Grey-Kataloges soll in acht Monatslieferungen zwischen März und Oktober 1874 erschienen sein, die dann zu einer gebundenen Ausgabe an seinem Exemplar bestätigen. Das steht im Gegensatz zu Alfred Moschkaus Aussage („Der Philatelist“, 1912, S. 5), der in seinem Rückblick auf das damals 50jährige Jubiläum des ersten deutschen Albums und der ersten Kataloge davon sprach, dass Zschiesches vierseitige (also nicht achtseitige!) Preisliste „mit handschriftlich eingetragenen Preisen … in jener Zeit … die wichtigsten Ausrüstungsstücke eines Sammlers“ waren. 32 „The Journal of the Philatelic Literature Society“, 5. Jg. 1922, Nr. 2, Seite 27 – hier zit. nach Norbert Röhm: 125 Jahre deutsche Briefmarken-Kataloge, in: „Philatelie und Postgeschichte“, Nr. 102/1988, S. 41 31 Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Band I, San José 1992, S. 23 33 Zu den frühen Gray-Katalogen vgl. Beiträge von Fred J. Melville im „Journal of the Philatelic Literature Society“ (Vol. II, S. 43) bzw. „Stamp Lover“, 1908, Vol. I, S. 71, S. 98 und im „Stamp Lover“, Vol. 96, February 2004, S. 12. | 23 ____________________________________________________________________________________ zusammengefasst und im November oder Dezember angeboten wurden.34 Den Jahresabschluss markierte ein erster Katalog in den USA, der – verfasst von A. C. Kline – unter dem Titel „The Stamp Collector’s Manual: being a Complete Guide to the Collectors of American and Foreign Postage and Despatch Stamps“ in Philadelphia im Dezember 1862 herausgegeben wurde. Dieser erste amerikanische Katalog ist nahezu identisch mit dem englischen Mount Brown-Katalog, dem er also – drückt man es höflich aus – „nachempfunden ist”. Zu dieser Zeit gab es in den USA noch keinen Copyright-Schutz für Autorenwerke, so dass Verstöße – in diesem Fall war Mount Brown geschädigt – weder von England aus noch in den USA geahndet werden konnten. Unterschiede sind in den beiden Katalogen nämlich nur bei der Katalogisierung der US-Marken bzw. bei den Ausgaben der Konföderierten Staaten zu entdecken, die unter „S“ mit der Angabe „So-called Southern Confederacy“ einsortiert sind. Die Eigenleistung des Autors mag man in einer vergleichsweise vollständigen Liste der Postmeisterausgaben sehen, die das Werk ergänzte. Die erste Auflage hatte einen Umfang von 48 Seiten, auf der letzten Seite findet sich der Hinweis zur Druckerei T. Sinex, Printer, 619 Jayne Street. Zwei weitere Auflagen erschienen 1863 und 1865. Aus dem Jahr 1864 ist auch eine der frühesten Preislisten der USA belegt, die ebenfalls von A. C. Kline herrührt: „Unused Despatch and Express Stamps“.35 1863 Mount Browns beliebter Katalog resp. dessen dritte Auflage wurde im ersten Quartal 1863 in Gloucester mit einem weiteren fast identischen Werk nachgeahmt, das den Titel trug: „Catalogue of nearly Two Thousand Varieties of British, Colonial, and Foreign Postage Stamps“. Das Plagiat zeigte weder einen Verfassernamen noch einen Herausgeber oder eine Druckerei an. Es hieß nur anonym „by a collector“. Mount Brown erstattete Anzeige und die behördliche Ermittlung machte einen gewissen W. H. Wright aus Gloucester dingfest. Mount Brown untersagte W. H. Wright die Verbreitung und den Verkauf, dieser hatte die Restauflage an Mount Brown abzuliefern.36 Weit eigenständiger war da der im Februar 1863 in London gedruckte und angebotene Katalog von Edward A. Oppen, der „Catalogue of British and foreign postage 34 Manfred Amrhein: Philatelic Literature, Band I, S. 41 bzw. S. 54 35 Ein Exemplar befindet sich laut Aussage von Cheryl Ganz in der Bibliothek von Herbert Trenchard. 36 Vgl.: P. J. Anderson / B. T. K. Smith: Early English Philatelic Literature 1862–1865, London 1912, S. 21 24 | stamps“. Von allen englischsprachigen Katalogen fand dieser – so bereits Carlrichard Brühl37 – die weiteste Verbreitung, da er parallel zu den Alben von Oppen erschien und bis 1891 in 30 Auflagen verbreitet wurde. Die zweite Auflage erschien bereits im Mai 1863. Die Redaktion übernahm spätestens ab der dritten Auflage, nach Oppens Tod 1864, Henry Whymper, ab der 6. bis zur letzten Auflage Dr. Charles Viner.38 Oppens Katalog – der ursprüngliche Herausgeber starb bereits 1864 (in diesem Jahr kam damals die 4. Auflage heraus) – erschien parallel zu seinem Album, was für viele Sammler offenbar von besonderem Nutzen war. Von zweifellos geringerer Bedeutung und Einfluss auf den Philateliemarkt jener Zeit war ein kleines „Neuestes Verzeichnis aller bis jetzt ausgegebenen in- und ausländischen Briefmarken mit genauer Beschreibung derselben“, bearbeitet von C. Beyfuss, das in Hannover das Licht der Welt erblickte. Die 68 kleinformatigen Seiten waren ohne Markenabbildungen und Katalogpreise. Als Erscheinungstermin wird das erste Quartal 1863 angenommen, da noch keine Marken von diesem Jahr verzeichnet wurden. Es sollen insgesamt zwei Auflagen publiziert worden sein, die zweite 1865. Mit Pierre Mahé (1833–1913), dem seit 1862 in Paris tätigen Buch- und Briefmarkenhändler, betrat ein ganz anderes „Schwergewicht“ die Bühne. Mit dem später ebenso erfolgreichen Pariser Arthur Maury sollte Mahé als Pionierhändler die Generation der frühen Philatelie in Frankreich nachhaltig beeinflussen, zumal er auch mit zahlreichen Fachblättern und in seinem Verlag herausgegebenen Büchern in Erscheinung trat und als „Sekretär des Briefmarkenkönigs“ Philipp von Ferrari, also als Kurator für dessen riesige Sammlungen, ab 1874 wirkte. Mahés erstes Katalogwerk erschien 1863 in Paris und hieß: “Guide-Manuel du Collectionneur de Timbres-poste. Description raisonée espèces ou variétes de timbresposte, émis par tous les États du Globe”. Die Erstauflage hatte nur einen bescheidenen Umfang von 18 Seiten. Eine Ergänzung mit vier Seiten kam als Beilage zu Mahés 1864 gegründeter Zeitschrift ”Le Timbrophile” am 15. November 1864 heraus. Die dritte Auflage erschien unter leicht revidiertem Titel als „Nouveau Guide-Manuel du Collectionneur de Timbres-Poste. Description de 2,580 timbres-poste en vente aux prix marqués au bureau du 37 In: Geschichte der Philatelie, Hildesheim 1986, Band 2, S. 613 38 Es findet sich in der Literatur auch der Hinweis, dass Oppen die ersten fünf Auflagen selbst betreut habe, erst die sechste und siebte von Whymper verantwortet wurde. Der Autor folgt hier eher der Darstellung von Carlrichard Brühl, ergänzt um Feststellungen von Manfred Amrhein, der berichtet, dass Viner die Redaktion schon ab der 6., und nicht wie bei Brühl zu lesen, der 8. Auflage übernommen hatte. ____________________________________________________________________________________ journal Le Timbrophile“ und hatte nunmehr bereits 95 Seiten Umfang. Diese dritte Auflage wurde in 1400 Exemplaren 1865 produziert (davon gibt es eine spezielle Sonderausgabe auf farbigem Papier), wiederum ergänzt mit einem Nachtrag von 23 Seiten 1866. Ähnlich verlief es mit der vierten Auflage im Dezember 1867 und der Ergänzung von 1870 (79 und 33 Seiten). Diese vierte Auflage mit erneut leicht verändertem Titel „Nouveau Guide-Manuel du Collectionneur, d‘ après un plan nouveau. Description de 4,000 timbres-poste en vente aux prix marqués“ (als Verlagsangabe werden Paris, Pierre Mahé und Brüssel, Typ. De H. Thiry-Van Buggenhourdt benannt) bedeutete für die Katalogentwicklung einen großen Schritt vorwärts, entwickelte Mahé doch eine Standardisierungsform für die genaue Markenbeschreibung, die nun auch Markentönungen, Abarten, Zähnungen, Typen etc. umfasste. Auch von dieser vierten Auflage wurden spezielle Editionen auf stärkerem und farbigen Papier produziert, eben Liebhaber-Editionen.39 Im Juni 1863 meldete sich ein weiterer US-amerikanischer Katalogautor zu Wort, Georg Dexter, dessen ”Catalogue of Postage Stamps, American and Foreign, and U.S. Revenue Stamps” mit einem Umfang von 78 Seiten von der University Press, Cambridge, Mass./USA gedruckt und von Sever and Francis in einer Auflage von 1 000 Exemplaren herausgegeben worden war. Ebenfalls 1863, eventuell bis zur Jahresmitte, erblickte die Erstauflage des “Guide de l’amateur de Timbres Poste“ von Alexandre Baillieu (1842–1899) das Licht der Welt. Der Name des in Paris wirkenden Buchhändler war bereits einmal in diesem Kapitel aufgetaucht, nämlich bei dem „Manuel du Collectionneur de Timbres-Poste“ von J.B. Moens, das ab Januar 1862 in Brüssel und in Paris bei Baillieu erschienen war und vertrieben wurde. Baillieu war damals aber nicht der Autor – dies war Moens oder wohl eher Louis Hanciau, Moens‘ Ghostwriter und Schwager –, nur der Vertreiber, was bereits Carlrichard Brühl anmerkte.40 Die Erstauflage von Baillieus eigenem Katalog hatte einen Umfang von IV + 88 Seiten, 1864 erschien die zweite Auflage, nunmehr bereits mit VIII + 132 Seiten, während eine dritte von 1865 nur vier Seiten mehr zählte. Imitierte Imitationen? Auch das kann es geben, wenngleich vielleicht auch gewollt. Ein Beispiel ist indirekt mit dem Namen des Leipziger Buchhändlers Gustav Wuttig 39 Mahé verdankt die Philatelie wertvolle Einblicke in die Zeit des früheren Pariser Briefmarkenhandels und dessen erster Kataloge, setzte er diesen doch in seinem 1908 erschienenen Buch „Les Marchands des Timbres-poste d’autrefois et leur catalogues“ ein Denkmal. Zahlreiche der ersten Katalogwerke band er in dieses Buch als Faksimiléauszug ein. 40 Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie, Band II, S. 613/614 (ca. 1810, gest. um 1870) verbunden. Er war zu dieser Zeit Inhaber des „Literarischen Museums“ in Leipzig, einer bekannten Buchhandlung mit Verlag, Lesezirkel und Leihbibliothek, die er Ende 1864 aus Krankheitsgründen an Gustav Bauschke verkaufte, weshalb man auch zuweilen in den von ihm herausgegebenen Katalogen einfach nur „Literarisches Museum“ als Herausgeber benannt findet. Wuttig erweiterte sein Geschäft 1862/63 um eine Briefmarkenhandlung und gab sein erstes Album heraus. Verbürgt ist, dass am 10. September 1863 Wuttigs „Uebersicht aller bekannten von 1840 bis August 1863 ausgegebenen Franco-Marken (Timbres-Poste – PostageStamps)“ herauskam, ein Titel, der fast ein Jahr zuvor bereits von Zschiesche & Köder für dessen Preisliste (1. Auflage des nachfolgenden Katalogwerkes) benutzt worden war. Wuttigs Liste gilt deshalb auch als weitergeführte Kopie der ursprünglichen Zschiesche-Liste, wobei allerdings die vom September 1863 bereits in zweiter Auflage (mit 30 Seiten Umfang) herauskam, es vorher also auch eine Erstauflage gegeben haben muss, deren Datierung aber mangels Belege noch nicht geklärt ist. Eine dritte Auflage ist mit nahezu gleichem Titel als „Uebersicht aller bekannten von 1840 bis Juli 1864 ausgegebenen FrancoMarken“ im September 1864 erschienen. Die Wahl des Titels dieser Listen ist nahezu wortgleich denen der „Uebersichten“ von Zschiesche & Köder sowie Tramburg, aber auch einer weiteren von Leopold Priebatsch, dessen ebenfalls 30-seitige Liste im September 1863 in Breslau herausgegeben wurde. Priebatschs Katalog war eindeutig ein Imitat von Wuttigs Liste, trug nur den eigenen Anbieternamen. Gleiches hatte zuvor bereits für Wuttigs und Trambergs Listen in Relation zur der jeweils ursprünglichen von Zschiesche & Köder gegolten. Eine Entdeckung von Carl Lindenberg im Jahre 1896 verdeutlichte, wie diese weitgehend deckungsgleichen „Uebersichten“ zustande kamen. Er berichtete damals über einen Katalogfund in seiner Bibliothek, dessen Titel auffällig mit dem von Tramburg und Priebatsch übereinstimmte. Dieser lautete: „Uebersicht aller seit 1840 bis Juli 1864 ausgegebenen Franko-Marken, welche meistens in großeren Posten vorrätig und zu den beigesetzten Preisen bei Oscar Jann in Breslau (Schmiedebrücke No. 24) zu haben sind.“ Der dritte, revidierte und ergänzte Abdruck erschien am 1. August 186441, was die Annahme möglich erscheinen lässt, dass diese Kataloge nicht von dem genannten Händler, sondern vermutlich von einem größeren Händler in Hamburg produziert, von den Mengenabnehmern dann aber mit eigenem Titel ausgestattet wurden. Oscar Jann war Angestellter in der Weinhandlung 41 Vgl. DBZ 1896, S. 126 | 25 ____________________________________________________________________________________ Wuiteck in Breslau, die mit Briefmarken handelte, diese aber selbst von Dritten bezog. Man darf dieser Firma wohl kaum die nötige Kompetenz und Übersicht zuschreiben, um selbst einen Katalog herauszubringen. Das heißt, um Kosten zu sparen, wurden diese Listen jeweils in großer Auflage gedruckt, erhielten nur auf der Titelseite den jeweils abweichenden Zudruck des einzelnen Anbieters. Solche Vorgehensweisen sind auch von anderen Händler, selbst in späterer Zeit, mehrfach belegt, wobei es sich jeweils um abgesprochene, also vereinbarte Vorgehensweisen handelte, nicht um „Raubkopien“. Die dritte und letzte selbst von Gustav Wuttig betreute Auflage kam im September 1864 mit 27 Seiten Umfang heraus, eine vierte im April 1865, eine achte 1867, und eine elfte bereits ein Jahr später, 1868. Der Katalog wurde bis 1864 von Wuttig, danach von Gustav Bauschke unter dem Titel „Katalog aller bekannten Briefmarken ... Unter freundlicher Mitwirkung der ersten Sammlerautoritäten Deutschlands“ herausgegeben und ab 1868 von Julius Kümmel, der das „Literarische Museum“ übernommen hatte, mit einer 12. und 13. Auflage 1869 fortgeführt. Die 14. Auflage erschien 1870, weshalb man nicht selten auch jeden dieser drei genannten Namen als Herausgeber findet. Verlag war allerdings stets das „Literarische Museum“, das eben nur 1864 und 1868 jeweils den Besitzer gewechselt hatte. Der Katalog der vierten Auflage – Mitte 1865 erschienen – gilt gleichzeitig als erste Auflage des Kataloges von Gustav Bauschke, denn bereits die wenig später, aber noch im gleichen Jahr 1865 erschienene zweite Auflage des Kataloges zählte Gustav Bauschke als „zweiten Abdruck“ des nunmehr allein von ihm verantworteten Werkes, zu dem es sogar noch im November 1865 einen ersten Nachtrag gab.42 Über diesen Katalog schrieb die Schweizer Briefmarken-Zeitung 1950: Die vorhergehenden Kataloge waren nur „Aufstellungen der bis dahin bekannten Postwertzeichen, während ein wirklicher BriefmarkenPreiskatalog, der wie die heutigen als Bewertungsgrundlage diente, zum ersten Mal von dem damals bedeutendsten deutschen Briefmarkenhändler Gustav Bauschke in Leipzig erst 1866 herausgegeben wurde.“43 Das wird stimmen, denn die achte Auflage von 1867 zählte bereits 148 Seiten. 42 Unklarheiten bestehen bis heute für die 5.–7. Auflage, die 1866 erschienen sein sollen, dem Verfasser noch nicht vorlagen und für die keine Seitenzahlen bekannt sind. Möglicherweise handelte es sich nur um Nachträge oder ergänzte Nachdrucke zu der letzten 1865erAusgabe? 43 SBZ, Nr. 5/1950, S. 120 26 | Zum Jahresabschluss 1863 überraschte noch ein Katalog von Bellars and Davie mit dem Titel “Standard Guide to postage stamp collecting giving the Values and Degrees of Rarity“, der in London mit Hinweis 1864 gedruckt wurde. Wenn auch die Jahresangabe auf 1864 lautete, glaubte doch bereits Brühl, diesen Katalog auf November oder Dezember 1863 datieren zu können.44 Das XI + 100-Seiten-Werk – von diesem gab es auch eine Vorzugs-De-Luxe-Ausgabe in Leder gebunden und mit zwischen den Katalogseiten eingeschossenen Blättern – erschien 1864 in deutlich erweiterter zweiter Auflage (nunmehr XIII + 130 Seiten), allerdings unter ergänztem Titel „sixth thousand, revised and corrected, giving upwards of three hundred stamps not in the previous issue“, ebenfalls in London bei John Camden Hotten gedruckt. Diese Auflage gab es 1865 erneut als Nachdruck, beide wie die Erstausgabe auch in „de-luxe“-Version. 1864 Waren 1863 Franzosen, Engländer, Deutsche und Amerikaner noch unter sich, breitete sich 1864 die „Timbromania“ sichtbar aus, denn nun erschienen zusätzlich auch in anderen Ländern Preisverzeichnisse und Kataloge. Den Anfang machte vielleicht ein Werk von Pieter H. Witkamp aus den Niederlanden, das eventuell bereits Ende 1863 herauskam: “De Postzegels van alle Rijken en Staten“, ein zweibändiges Werk, das insofern von anderen Katalogen abwich, als es sich nur den Ausgaben Europas widmete (Band 1: Nordeuropa; Band 2: Mitteleuropa). Dafür enthielt es sehr detaillierte Angaben. Es gilt als der erste eigenständige Katalog, der in den Niederlanden erschienen ist. Zu Beginn des Jahres 1862 war in diesem Kapitel bereits etwas über die verschiedenen Ausgaben des Moens-Kataloges zu lesen, der sein „Manuel du Collectionneur“ seit der zweiten Ausgabe um Illustrationen ergänzt hatte, die separat bezogen werden konnten. Zwischen 1862 bis 1864 gab es 17 Lieferungen mit insgesamt 54 Bildtafeln. Der Publikaionsnachweis dieser Bildtafel findet sich in der ursprünglichen Quart-Ausgabe von „Le Timbre Poste“, der Zeitschrift von Moens, die noch in einem späteren Kapitel vorgestellt wird. Um den Verkauf dieser Bildtafeln zu fördern, kam Moens auf die Idee, Ausschnitte von diesen in die Zeitschrift zu integrieren, um damit auf die jeweiligen Lieferungen gleichzeitig aufmerksam zu machen. Der Katalog von Jean-Baptiste Moens wurde 1864 unter dem Titel „Les timbres-poste illustrés contenant la nomenclature générale de tous le timbres-poste et la reproduction de tous les types émis jusqu´à ce jour, dans les divers pays de l’univers. (1840–1864)“ fortgeführt. Eine 44 Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie, Band II, S. 618 ____________________________________________________________________________________ besondere Erwähnung verdient dieser 148-Seiten-Katalog mit seinen 54 Bildtafeln allein schon wegen seiner verschiedenen bibliophilen Ausführungen, die Moens dem Werk spendierte. Einmal mehr gab es eine „de-luxe-Version“ mit neu gestaltetem Titel, bei der die Bildtafeln auf erlesenem India-Papier gedruckt wurden. Allerdings nur in einer Auflage von 100 Exemplaren! Aber auch die Qualität der Abbildungen galt lange Jahrzehnte als unübertroffen in der Philatelie. Dieser Katalog von Moens verdient auch aus einem zweiten Grund Beachtung, denn er wurde von Dr. Charles Viner ins Englische übertragen und um die bis dahin neu erschienenen Ausgaben ergänzt. Der Titel lautete: „Postage stamps illustrated. A general nomenclature of every postage stamp and fac-similes of all types issued up to the present time in the different countries of the world (1840–1864) by J. B. M. translated by Dr. C. W. Viner, A.M. With the stamps that have appeared since the publication of the French edition added.“ Unter dem Titel „Illustration of postage stamps. Comprising upwards of 600 fac-similes engravings of the different types of stamps ad descriptions of more than 2 000 varieties“ wurde die englische Ausgabe von Moens Werk auch von Hall & Co. in London sowie von Stafford Smith & Co. in Brighton verbreitet. 45 Ein vollständig neu bearbeitetes Werk erschien allerdings erneut in Frankreich, dieses Mal aus der Feder von François Georges Oscar Berger-Levrault, aber abweichend von dessen Liste aus dem Jahr 1861 zuerst einmal in deutscher Sprache: „Beschreibung der bis jetzt bekannten Briefmarken (mehr als 2.200 Sorten) nebst Notizen über die nachgedruckten Marken und einer Anleitung zur Einrichtung von Sammlungen“, Straßburg, Wwe. BergerLevrault und Sohn, XIV + 103 Seiten. Der Katalog war zwar letztlich aus den von Berger-Levrault seit September 1861 kontinuierlich fortgeführten Listen hervorgegangen, nun aber wesentlich erweitert worden. Denn er enthielt zwar – wie manche anderen jener Jahre – keine Abbildungen und Katalogpreise, dafür aber eine Reihe interessanter weiterführender Hinweise, z.B. zu Essays, Neu- und Probedrucken sowie Fälschungen. Der Katalog kam wenig später, 1865, auch in einer erweiterten französischen Ausgabe unter dem Titel „Timbres-poste (and) Deuxième partie. Essais at timbres proposés“ in zwei Teilen mit insgesamt 153 Seiten heraus. Suppantschitsch, einer der besten Kenner der frühen philatelistischen Literatur überhaupt, sollte 1901 über den Katalog schreiben: „Er überragt alles, was bis dahin an Catalogen erschienen war und es ist geradezu wunderbar, welchen Scharfblick dieser Mann besass, denn viele der Grundsätze, welche er im Vorworte aufgestellt hat, sind noch heute in der ganzen philatelistischen Welt anerkannt und sein Catalog gibt über viele Dinge (Herstellungsart der Briefmarken, Umrandung etc.) Auskunft, die erst viel später die Aufmerksamkeit der Sammler zu erregen begannen“.46 Berger-Levrault krönte sein Katalogschaffen 1867 mit seinem letzten Werk, „Les Timbres-Poste. Catalogue méthodologique et descriptiv de tous les timbres-poste connus. Première partie. Timbres-poste proprement dits“, dem man die Berechtigung von Suppantschitschs Urteil ebenfalls nachempfinden kann. Von diesem Katalog soll im Juni 1867 ebenfalls eine de-luxe-Ausgabe in grünem Ledereinband angeboten worden sein. Völlig unbekannt bis 1864 war der Name eines „unmündigen Bürschchens“, der mit seiner Firma als Christian Mann junior auftrat, recht bald aber auch als Verkäufer von Faksimiles bekannt wurde, die er allerdings als Originale anbot.47 Die Erstauflage seines Katalogs – dies war nichts anderes als ein Plagiat des Katalogs des Literarischen Museums, der von G. Wuttig und Gustav Bauschke zuvor herausgegeben war – erschien Anfang 1864 unter dem Titel „Katalog über alle bekannten seit 1840 bis Januar 1864 ausgegebenen Briefmarken, die zu den beigefügten Preisen durch Chr. Mann junior bezogen werden können“, dessen 23 Seiten von ihm in Leipzig im Selbstverlag gedruckt worden waren.48 In der Diena-Bibliothek befindet sich ein Exemplar einer dritten Auflage, deren Titel lautet: „Katalog über alle bekannten seit 1840 bis Mai 1864 ausgegebenen Briefmarken, die zu den beigefügten Preisen durch Chr. Mann junior bezogen werden können“ (Hervorhebung durch den Autor), was die Vermutung nahelegt, dass es bereits zwischen Januar und Mai auch eine zweite Auflage gegeben haben kann. Dies widerlegt zuweilen anzutreffende Angaben, dass erst ein Jahr später eine „zweite“, bis August 1865 fortgeführte (29 Seiten) erschienen ist. 45 Amrhein erwähnt, das Charles Viners englische Übersetzung des Katalogs unter dem Titel „Postage Stamps illustrated“, allerdings mit Bildtafeln von abgenutzten Platten, in Paris erschien. Siehe Amrhein, Band I, S. 56 47 Vgl. Beilage zu Nr. 24 des „Magazin für Briefmarkensammler“; Brühl, a.a.O., Band I, S. 277 46 Victor Suppantschitsch: Die Entstehung und Entwicklung der Philatelistischen Literatur in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts, Selbstverlag Wien 1901, S. 15. An weiterer Literatur zu BergerLevrault vgl. das „Journal of the Philatelic Literature Society“, Vol. VII/1914, Nr. 1, S. 46 und das „Stamp Collector’s Magazine“, Vol. II/1864, S. 75 und Vol. V/1867, S. 139. 48 Die Ausgabe dieses Kataloges mit exakt diesem genannten Titel ist durch eine Abbildung bei C. Brühl (Band II, S. 622) belegt. | 27 ____________________________________________________________________________________ Zwar ist nicht eindeutig belegt, ob diese bis auf den Namen mit dem Katalog des Literarischen Museums identische Ausgaben mit Genehmigung herauskamen, allerdings legt eine Warnanzeige des Literarischen Museums von 1864 vor dem Fälschungsverkäufer Christian Mann nahe, dass deren Verhältnis nicht gerade „unbelastet“ war. Damit in direktem Zusammenhang mag auch ein gedruckter Hinweis in Gustav Bauschkes zweiter Auflage des „Katalog aller bekannten seit 1840 bis Mitte 1865 emittirten Briefmarken ...“ stehen, auf dessen Rückseite des Innentitels deutlich eine „Warnung vor Nachdruck“ zu lesen war, in der es hieß: „Jedweden Nachdruck, in welcher Form er auch sein möge, werden wir mit allen uns zu Gebote stehenden gesetzlichen Mitteln verfolgen.“ 1868 soll angeblich eine weitere, bislang von anderen meist als dritte Auflage gezählte Ausgabe des Mann-Kataloges erschienen sein. Belegt ist auf jeden Fall eine Neuauflage aus dem Jahr 1870 mit dem Titel „Katalog über alle bekannten seit 1840 bis December 1869 ausgegebenen Briefmarken, die von den beigefügten Preisen durch Christian Mann in Leipzig bezogen werden können“, zu der es auch einen Nachtrag gibt. 1864 traten mit ersten Herausgebern in Italien und Spanien auch völlig neue Herausgeber auf den Plan. In Florenz erschien ein „Guida-Manuale per far collezione di francobolli“ mit bescheidenem Umfang von 26 Seiten, zusammengestellt von Ullise Franchi. Kaum nennenswert umfangreicher war ein „Guida di tutti i francobolli emessi dal 1840 alla finedi Giugno 1864“ mit 36 Seiten, ebenfalls in Florenz verlegt, allerdings von einem anderen Herausgeber, G. Brecker. Dagegen nahm sich eine Neuerscheinung in Spanien schwergewichtiger aus. Es war das von J. M. Verges de Cardona verfasste ”Manual del Colleccionista de sellos de correo”, das in Barcelona 1864 publiziert wurde. Dieser 132 Seiten umfassende erste in Spanien erschienene Katalog wurde von der ältesten Marken- und Münzenfirma auf der iberischen Halbinsel, der Fa. von Narciso Ramírez in Barcelona, herausgegeben. Bei dem Katalog handelte es sich allerdings nur um eine Übersetzung des französischen Kataloges von Alexandre Baillieu, der 1863 erschienen war, mit zehn zusätzlichen Marken.49 Einige Jahre zuvor hatte Verges de Cardona sein „Centro Numismático Barcelonés“ gegründet, in dem er Münzen, Medaillen und Bücher über Numismatik seit 1854 anbot. Bibliophile haben keinen Aufwand gescheut, den Verfassernamen dieses „Manuals“ zu entschlüsseln, denn auf dem Titel wird dieser nur mit „D“ für „Don“ (Herr) bzw. „D. J. M. V. de C.“ angegeben. Selbst im Supplement zum 49 Gemäß Mitteilung von Eduardo Escalada, Madrid. 28 | Crawford-Katalog 1926 konnte dieser nicht benannt werden, erst 1944, als man ein Exemplar des Kataloges mit persönlicher Autoren-Widmung auffand.50 De Cardona war der erste Briefmarkenhändler in Spanien, der ergänzend zu seinem Münzangebot ab 1854 auch Briefmarken im „Centro Numismático Barcelonés“ anbot. Das Geschäft existierte bis 1874. Neu mit im Verbund war auch die Schweiz, für die Wilhelm Georg seinen „Catalog über alle seit 1840 bis 1864 erschienenen Briefmarken, welche zu den beigefügten Verkaufspreisen durch W.G. zu beziehen sind“, Basel, 100 Seiten 1864, herausgab. Es handelte sich offenbar um einen Händlerkatalog, der sich gleichzeitig als Lieferliste verstand und dieser ist – vor einem vergleichbaren Werk von Chapalay Fils et Cie in Genf („Guide manuel du collectionneur de timbres-postes ...“, 90 Seiten, 1865)51 – das erste Katalogwerk in der Schweiz. In England machte ein weiterer Pionierhändler von sich reden. William Lincoln in London gab seinen „Priced catalogue of foreign, colonial and English postage stamps, offered for sale by W. L., Jun. (a W. S. Lincoln and Sons)“ mit 34 + 2 Seiten Umfang heraus. Drei weitere Auflagen erschienen bereits bis 1870, aber auch danach wurde das Werk mit jeweiligen Neuauflagen aktualisiert (später hieß es: „The Lincoln Stamp Catalogue ...). Ebenfalls in England erschien im selben Jahr, von Steinau, Jones & Co. aufgelegt, ein „wholesale price current of foreign, and colonial postage stamps“, zuerst mit einem Blatt, dann aber noch im gleichen Jahr 1864 mit einer Broschüre von 32 Seiten. Bereits der Name der Urheberfirma, aber auch der Hinweis „For the trade only“, machten deutlich, dass es sich hier nicht um einen Weltkatalog, sondern um eine reine Händlerpreisliste handelte. Allerdings wurde diese im erweiterten Umfang 1865 neu aufgelegt, und nach dem Tod von Steinau erschien diese ab 1867 unter dem Herausgeber C. K. Jones & Co. noch jährlich 1865 bis 1869.52 Auf weitere Nennung von neuen Händler-Preislisten, wie z.B. der von Theophilu Creber & Co. und zahlreicher weiterer, auch von USamerikanischen Anbietern, ist hier zu verzichten, zumal zahlreiche dieser Publikationen meist nur begrenzten und einmaligen Veröffentlichungscharakter hatten. 50 Vgl. Oswald Schier: Handbuch der spanischen Philatelie, Band 1, 2. Auflage, Oberwil 2002, S. 84 51 1864 verbreitete aber J. Chapalay Fils &Cie. in Genf bereits zwei vervielfältigte „Prix Courant“, also Preislisten. Siehe: A. Abele, Basel: Die philatelistische Literatur der Schweiz 1864–1945, Bern 1946, S. 6 52 Die Ausgaben von 1865 bis 1867 sind in der Diena-Bibliothek nachweisbar, die nachfolgenden bei Crawford (a.a.O., Sp. 203). ____________________________________________________________________________________ Zuguterletzt ist noch für 1864 der „Catalog nebst Preisliste mit Beschreibung über alle seit Anbeginn der Ausgabe von Briefmarken überhaupt bis zum heutigen Tage ausgegebenen und projectirten Briefmarken und Stempel enthaltent bis dato 2.800 Nummern“, erschienen in Dresden mit 132 Seiten und verfasst von Ferdinand Elb, zu erwähnen. Nachträge zum Katalog erschienen 1864, 1866 und 1867. Suppantschitsch attestierte dem Katalog und seinen 2 800 aufgeführten Positionen, nach „amtlichen Quellen“, also nach Auskünften der Postverwaltungen, erarbeitet worden zu sein. Anderen galt Elb als früher Fälscher, der bereits seit 1859 Fälschungen verbreitete.53 1865 1865 traten eigentlich nur drei neue Katalogherausgeber an, Bewährtes selbst zu versuchen oder anders zu gestalten. Der bekannteste Namen ist zweifellos der von Arthur Maury, der Anfang 1865 den “Catalogue complet des timbres-poste...” (später: “Catalogue descriptive de tous les timbres-poste”) erstmals herausgab. Die dritte Auflage erschien 1868. Insgesamt wurden allein bis 1905 insgesamt 45 Auflagen gezählt. Ein Jahr zuvor hatte Maury, der als einer der erfolgreichsten Briefmarkenhändler zu seiner Zeit galt, die Zeitschrift “Collectionneur de Timbres-Poste” eingeführt.54 Er schrieb auch 1898 das erste Spezialwerk, das sich französischen Stempeln widmete. Als sein bestes (Spät-)Werk gilt seine noch kurz vor seinem Tod 1907 fertiggestellte zweibändige „Histoire des timbres-poste Français“, die 1907/08 erschien. Ein von Ernest Regnard verfasster „Catalogue de l’amateur de timbres-postes“, herausgegeben von Mme E. Nicholas in Paris 1865 mit einem Umfang von 72 Seiten, gesellte sich gleichwertig dazu. Madame Nicholas war eine der ersten Briefmarkenhändlerinnen in Paris und betrieb in der Rue Taitbout Nr. 37 mit ihrem Mann einen bescheidenen Buchladen. Mahé erwähnte später, dass sie ständigen Kontakt mit den namhaften Philatelisten ihrer Zeit in Paris hatte, z.B. mit George Herpin, Dr. Amable Legrand und Ernest Regnard sowie vielen anderen. Er, also Mahé, habe ihr gar die Erlaubnis gegeben, in ihrem von Regnard verfassten Katalog auch erstmals die bekannten Wasserzeichen jener Zeit abzubilden.55 53 Siehe www.nystamp.org 54 Eine erste Preisliste soll Maury bereits 1863 als einseitig bedrucktes Blatt mit dem Titel „Liste de timbres-poste, avec les prix auxquels on peut se les procurer chez Maury Fils“ in zwei Auflagen herausgegeben haben. Sie: C. Brühl, a.a.O., Band II, S. 625 55 Pierre Mahé: Les Marchands des Timbres-poste d’autrefois et leur catalogues, Paris 1908, S. 179/180 Das bereits zuvor kurz erwähnte „Guide manuel du collectionneur de timbres-poste. Catalogue de timbres avec les prix auxquels on peut seles procurer chez J. C. Fils et Cie.“, in Genf mit 87 + 3 Seiten von der Firma Chapalay Fils et Cie. herausgegeben, ist hier als weitere Schweizer Produktion zu nennen, ebenfalls ein „Vollständiger Catalog über alle erschienenen Briefmarken“ der Briefmarkenhandelsfirma A. Thiele & Comp. in Mannheim, den es mit 25 Seiten Umfang gab. Dies waren dennoch eher Handels- und Lagerübersichten bzw. -angebote, was beweist, dass zu dieser Zeit sich der Briefmarkenhandel bereits international organisierte und strukturierte. Dazu passt auch eine erste im November 1865 erschienene, von Edward Stanley Gibbons (1840– 1913), in dieser Zeit noch in Plymouth herausgegebene „Price List & Catalogue of British, Colonial & Foreign Postage Stamps“, gedruckt bei William Brendon, 26 George Street, Plymouth. Diese 16 Großoktav-Seiten umfassende Publikation war auch nur eine Preisliste (des Bestandes der Briefmarkenfirma), noch kein Katalog, wobei bis heute unklar ist, ob nicht sogar schon zuvor solche Listen erschienen sind. Die erste bislang belegte Liste befand sich in der bekannten Bibliothek von John Tiffany und ging später an Lord Crawford über.56 Markenvarietäten, z.B. Zähnungen und dergleichen, wurden in der Liste nicht aufgeführt, nur bildverschiedene Marken. Aus diesen Preislisten erwuchs aber mit den Jahren ein Katalogwerk, das einen weltweit anerkannten Namen erreichen sollte und bis heute noch international mit führend ist. Ähnlich wie Stanley Gibbons wurde auch die Liverpooler Firma Young & Stockall mit ihren Preislisten bekannt, die sogar umfangreicher waren als so mancher sog. Katalog, aber letztlich waren es doch Lagerlisten. Solche erschienen mindestens seit Juni 1864, ab Juli 1865 sogar nahezu monatlich und für den Zeitraum bis November 1870 wurden bereits im Crawford-Katalog 51 Listen nachgewiesen.57 Zu nennen wäre auch eine erste bisher belegte „Price List of Foreign Postage Stamps“ von C. & H. Gloyn’s in Manchester, die mit Datum vom Juni/Juli 1865 herauskam. Diese wurde – spätestens ein Jahr später ab Okto56 Im Crawford-Katalog sind diese in manchen Jahren nahezu monatlich erscheinenden Listen detailliert belegt (a.a.O., Sp. 132 ff.). Sie erreichten bis Ende der 1870er-Jahre meist nur einen Umfang von 30 bis maximal 40 Seiten. Crawford zählte erst „S. G. and Co.‘s descriptive catalogue and price list ...“ von 1879 als ersten Katalog, der fortan in zahlreichen Neuauflagen erschien. 57 Carlrichard Brühl, a.a.O., Band 2, S. 625, bezieht sich auf die Darstellung im Crawford-Katalog, Sp. 420–422. In der Diena-Bibliothek befanden sich insgesamt 37 solcher Preislisten seit Juni 1864 bis Mai 1872, eine weitere ohne Datierung (1873). Siehe: „The Journal of the Philatelic Literature Society“, April 1909, Vol. II, S. 22 | 29 ____________________________________________________________________________________ ber 1866 – unter neuem Titel „C. & H. Gloyn’s Monthly Price List of British and Foreign Postage Stamps containing Prices and Descriptions of all Stamps issued to the Present Time“ fortgeführt, wenn auch nicht monatlich, dann aber doch in kurzzeitigen Abständen. Bis November 1869 werden bei Crawford neun Ausgaben nachgewiesen.58 Der erste Stanley Gibbons-Katalog, der tatsächlich den Begriff „Katalog“ verdiente, erschien erst am 1. Juli 1879 (Titel nunmehr: “Stanley Gibbons and Co’s Descriptive Catalogue and Price List”). Auch dieser umfasste zu Beginn nur 58 Seiten Text, außerdem 41 Seiten mit Abbildungen von 1 234 Marken im Anhang, der Katalog listete nun aber auch Marken, die das Handelshaus nicht auf Vorrat hatte.59 1866 Ein vergleichbar uneinheitliches Bild bot das Jahr 1866. In Wien erschien erst- und einmalig von A. Storch „Der Briefmarkenfreund. Illustrirte Beschreibung aller Briefmarken der Erde“, Wien, Verlag der „Post“. Fasst man den Begriff „Katalog“ enger, dann ist selbst diese Publikation kein Katalog im üblichen Sinne, dazu fehlte es an Preisen und einer näheren Beschreibung der Marken und deren Varietäten. Der Verfasser war Postoffizial und Redakteur der damaligen Zeitschrift „Die Post“, die in Wien erschien. Den Ertrag des Werkes hatte Storch als Zustiftung dem „Peterspfennig“, einer jährlichen Sammlung zur Unterstützung der katholischen Kirche in Rom gewidmet.60 Immerhin: Österreich war damit ebenfalls in den Kreis der Katalogherausgeber eingetreten. E. Thirifocq wartete 1866 mit seinem “Catalogue de timbres-postes“, Paris 1866, auf. Hierbei handelte es sich aber nur um eine 24 Seiten umfassende Preisliste. Ein weiterer zu nennender Katalog war ebenfalls ein Händlerkatalog und zwar der von August Lauber: „Katalog aller bekannten seit 1830 bis Mitte 1866 angegebenen Briefmarken. Hrsg. von A. L. mit den Verkaufspreisen der Handlung von Hermann Goez in Stuttgart“. Dieser erschien im genannten Jahr in zwei Auflagen 1866, Stuttgart, bei E. Ebner, jeweils mit 83 Seiten Umfang. 58 Die Preisliste vom Juni/Juli 1865 befindet sich in der Diena-Bibliothek, die zusätzlich zu Crawford noch ein Exemplar mit Datum vom Januar 1870 nachweisen kann, die beide im Crawford-Katalog (siehe Sp. 144) nicht gelistet sind. 59 Zur Entwicklung dieser Gibbons-Kataloge vgl. William Finley: Centenary of Gibbons Catalogue, in: „Stamp Magazine“, February 1965, S. 96 ff.; „Gibbons Stamp Special“: Celebrating 150 years, 2005, S. 141 ff. 60 Vgl. Victor Suppantschitsch: Die Philatelie in Österreich, in: „AustriaPhilatelist“, 1. Jg./1894, S. 131 30 | Von der in Bath/England ansässigen Handelsfirma Alfred Smith & Co. war bereits Ende 1862 bei der Fortführung des Grey-Kataloges die Rede gewesen. 1866 gab das Haus auch eine 23-Seiten-Liste unter der Bezeichnung „A Descriptive price catalogue of British, Colonial and foreign postage stamps on sale at the Foreign Stamp and Crest Depot ...“ (bereits in sechster Auflage; 1865 ist eine 4. Auflage, allerdings unter Stafford Smith & Co. in Bath dokumentiert) heraus. Bis 1878 sollen davon 25 verschiedene Ausgaben erscheinen. Eine vom Namen leicht zu verwechselnde Firma in Brighton & London, Stafford Smith & Co., wartete fast zeitgleich mit „The Sixpenny Illustrated Catalogue of Postage Stamps on sale by S.S. and Co....“ auf, deren Umfang mit 37 Seiten und einer Bildtafel auch kaum größer war. Diese Liste erlebte 1868 noch eine Neuauflage, also die zweite Ausgabe. Da es sich bei den Inhaber beider Firmen um die wohl zu den ältesten Briefmarkenhändlern Englands zählenden Pioniere englischer Philatelie handelt, deren Name – die Rede ist hier von Henry Stafford und Alfred Smith aus Bath – auch als Herausgeber des ab 1863 publizierten „Stamp Collector’s Magazine“ bekannt wurde, sei ihr Wirken in dieser Phase kurz näher beschrieben. Henry Stafford Smith (1843–1890) war bereits mit 18 Jahren ein unheilbarer „timbromaniac“61 und fiel 1861 (richtiger ist wohl 1862) schon mit einer Anzeige in der „Times“ auf, mit der er eine Sammlung ausländischer Marken anbot.62 Da es über 150 Interessensanfragen gab, ließ er eine Preisliste drucken, die möglicherweise die älteste in England überhaupt ist. 1862 eröffnete er ein Briefmarkengeschäft in Bath. 1864 trennte er sich von seinem älteren Bruder Alfred (1837–1880), zog nach Brighton und machte dort ein Markengeschäft auf. Ab Dezember 1866 gab er auch die erste Nummer einer eigenen Zeitschrift, „The Philatelist“, mit zehn Jahrgängen und ein illustriertes Album heraus, das später als Permanent-Album bekannt wurde und von dem er um die 17 000 Exemplare verkaufte.63 Beide Smith-Brüder hatten zuvor Dr. Grays-Katalog zu neuen Auflagen geführt. 61 Der Ausdruck wird in einem biografischen Beitrag über Smith genannt, der im „Philatelical Journal of Great Britain“ (1. Mai 1892, S. 102) verwendet wurde. 62 Im „Philatelical Journal of Great Britain“ und dem dort abgedruckten Interview wird 1861 als Erscheinungstermin der Anzeige in der „Times“ genannt. In der DBZ 1912, S. 193 wurde in der Rubrik „Geschäftsjubiläen“ allerdings der 9. September 1862 als Erscheinungstag der Anzeige aufgeführt, also auf ein zu dieser Zeit 50jähriges Jubiläum aufmerksam gemacht. 63 „Philatelical Journal of Great Britain“, 1. Mai 1892, S. 104 ____________________________________________________________________________________ 1867 In Dresden bot Burdach`s Hofbuchhandlung 1867 einen „Führer im Labyrinthe der bisher erschienenen Briefmarken aller Länder etc. etc.“ an, der in vielen Übersichten zur frühen philatelistischen Literatur auch wohl deshalb fehlt, weil das Werk des königlich-sächsischen Kommissionsrates G. W. Schubert sich weniger als Katalog, eher als Hilfe für Sammler zur besseren Orientierung verstand. Dies mochte man auch bereits dem erweiterten Innentitel „...oder specielles Verzeichniß der auf den Briefmarken und Couverts vorkommenden Sinnbilder, Portraits und anderer Gebilde, Allegorien, Wappen, (verdeutschter) fremdländischer Werthbezeichnungen, der auf Marken repräsentirten Landeswappen, ingleichen der vom Jahre 1865 ab bis mit 1866 neu emittirten Marken etc. nebst anderen einschlagenden Notizen. Behufs leichterer Erkennung und sicherer Einschaltung derselben in die Markensammlungen zusammengestellt ...“ entnehmen, vielleicht auch der Tatsache, dass Schubert sein Werk seinen Enkeln Rudolf und Hanns „aus großväterlicher Liebe“ widmete. Schuberts Werk kann man – cum grano salis – durchaus als ein erstes „Lexikon der Philatelie“ ansehen, das alle geografischen, numismatischen, heraldischen etc. Fachbegriffe dem Leser erläuterte und „übersetzte“. Das Jahr 1867 sah allerdings auch den Namen eines bis heute unvergessenen amerikanischen Pionierhändlers, der als Herausgeber von Literatur weltbekannt werden sollte: John Walter Scott (1845–1919). Im Juni und Juli 1867 erschien jeweils „J. W. Scott und Co.‘s Monthly Price List“, von denen kein Exemplar mehr bekannt sein soll. Wohl aber von der dritten Ausgabe vom August 1867, die der damals 22 Jahre alte Scott zusammengestellt hatte.64 Amerikaner sehen diese gerne als die ersten Scott-Kataloge an, was allerdings – vergleichbar den zuvor erwähnten ersten Listen Stanley Gibbons aus dem Jahre 1865 – etwas schönfärbend ist, denn erst die 16. Preisliste Scotts im September 1868 (er zählte deren Ausgaben jeweils als Auflage durch!) bezeichnete der Herausgeber selbst als „Descriptive Catalogue of American and Foreign Postage Stamps, issued from 1840 to September 1868, splendidly illustrated with coloured engravings, and containing the current value of each variety (New York: J. W. Scott and Co.“. Dieser Katalog hatte einen Umfang von 20 Seiten, listete 1 900 Marken, enthielt eine Seite mit (ein-)farbigen 64 Laut Cheryl Ganz sollen sich im Smithsonian National Postal Museum eine frühe einseitig gedruckte Preisliste und eine „First large price list“, die nur in drei bzw. einem Exemplar heute noch belegt sind, befinden. Allerdings lassen sich diese mangels näherer Informationen den hier im Buch erwähnten ersten Preislisten Scotts nicht zuordnen. (jeweils in blau bzw. dunkelroten) Markenabbildungen65 und aus ihm entstand dann später ein bis heute weltweit renommiertes Katalogwerk, das bis 1885 (1870 war bereits die 18. Auflage erschienen) allein schon 46 Ausgaben – einschließlich diverser spanischer Ausgaben – umfasste. 1885 verkaufte Scott all seine Publikationen und Verlagsrechte an die Calman-Brüder. Zuweilen w ird auch der Name von Samuel Allan Taylor als Herausgeber eines vielleicht bereits 1867 in Boston erschienenen „Stamp Collectors‘ Hand-Book: A Guide to Collectors of the Postage Stamps of the World“ genannt. Dieses Werk gibt es, es wurde allerdings nicht 1867, sondern 1871 von Taylor herausgegeben und es war nichts anderes als eine Kopie der zweiten Auflage der Preisliste von William P. Brown, die nach 1868 erschien. Allerdings war Taylor tatsächlich schon einmal Jahre zuvor mit einem „Catalogue of American, Local and Miscellaneous Stamps“ in Erscheinung getreten. 1864 gab er einen solchen „Katalog“ heraus: Dieser war aber auch nichts anderes als eine Preisliste seiner Fälschungen und Phantasieprodukte, für die er bekannt werden sollte.66 Eine vergleichbare Preisliste gab es 1866 von Geo. Hussey, mit der ebenfalls Nachdrucke offeriert wurden. Allerdings erschien tatsächlich 1867 ein „Postage stampcollectors‘ hand-book. A complete descriptive catalogue of all postage stamps issued from 1840 to the present time“. Verfasser war Charles M. Seltz aus Boston, dessen richtiger Name Frederick Henry King lautete. King alias Seltz war bereits 1865 und 1866 mit zwei Preislisten (zwei bzw. vier Seiten) in Erscheinung getreten und der zuvor erwähnte 20+4-Seiten-Katalog von 1867 – auch kaum mehr als eine Preisliste – wurde von S. Allen Taylor, der ja ebenfalls in Boston ansässig war, aber auch von A. H. Wheeler in Lowell, Mass., genutzt.67 Seit Oktober 1867 war Edward Loines Pembertons “Catalogue of the fine and very complete collection of Postage Stamp ... comprising all the rarest varieties of perforation, watermarks etc., including a full series of the stamps of the various countries upon which Mr. Pemberton has been writing during the last year” erhältlich, ein Werk, das nicht nur die Wasserzeichen, sondern auch die Zähnungsverschiedenheiten sorgsam registrierte. Der bereits 65 Stafford Smith wünschte dem Katalog bei seiner Buchbesprechung (in: The Philatelist, Dec. 1, 1868, S. 164) „a continuance and increase of patronage“, merkte aber auch die aus seiner Sicht verhältnismäßig hohen Preise an, die offenbar in der „New World“ angesetzt würden. 66 Nachweis durch Cheryl Ganz in der Bibliothek von Herbert Trenchard. 67 In der Bibliothek von Herbert Trenchard ist ein Exemplar von C. M. Seltz aus dem Jahr 1867 nachgewiesen. | 31 ____________________________________________________________________________________ damals jahrelang bekannte Briefmarkenhändler Pemberton wusste, wie er seinen Katalog an den Mann bringen konnte, nämlich mit Original-Markenbeilagen. Aber auch ohne diese galt der Katalog vielen als das bedeutendste Katalogwerk jener Epoche. 1874, hier sei gerne vorgegriffen, erschien sein Werk „The Philatelical Catalogue: Being a Complete Catalogue of Postage Stamps, and Postal Envelopes and Cards with Voluminous Notes on Reprints, Forgeries, and Every Subjekt of Interest“, was erneut ein Meilenstein war. Mit exaktem Datum vom 18. September 1867 erschien in Boston/USA Ferdinand Marie Trifets erster Katalog: „ A descriptive Catalogue of American and Foreign Postage Stamps, Issued from 1840 to 1867, with the prices at which they can be had of F. Trifet, Wholesale and Retail Dealer in Postage Stamps ... Boston, Mass.“ Aufschlussreich war sein Hinweis, „All former prices cancelled“, was nahelegt, dass zuvor zumindest Preislisten bereits erschienen waren. Weitere Auflagen dieses neuen Werkes erschienen in kurzer Folge, die 9. und 10. Auflage bereits 1875, die 11. Auflage 1877 und eine 12. Auflage 1879. Spätere, seit 1890 unter seinem Namen erschienene Auflagen wurden allerdings nicht mehr von ihm betreut, sondern von der Scott Stamps & Coin Company verlegt. 1877 veröffentlichte Trifet außerdem den „Descriptive Catalogue of the Revenue Stamps of all Nations“, also seinen ersten Fiskalmarken-Katalog. 1868 Die Zahl der wirklichen Neuerscheinungen wurde immer kleiner, dafür die der Neuauflagen bereits gut eingeführter Werke größer. Einige Ausnahmen bestätigen diese Regel, Alwin Zschiesche und Jean-Baptiste Moens. Alwin Zschiesches „Katalog über alle seit 1840 bis Januar 1868 ausgegebenen Briefmarken mit beigedruckten Verkaufspreisen“ wurde von Reinherz Zschiesche (seinem Onkel) in Leipzig 1868 in erster und zweiter Auflage mit je 32 Seiten und einem zweiseitigen Nachtrag herausgegeben. Eine dritte Auflage erschien bereits 1869 (36 Seiten), eine vierte Auflage 1870 (38 Seiten mit achtseitigem Nachtrag). Bis 1888 erreichte der Katalog zwölf Auflagen, was verdeutlicht, wie beliebt der Katalog war. Die erste Auflage zählte 32 Seiten, selbst bei der letzten Auflage hatte er nur einen Umfang von 100 Seiten, was nahelegt, dass er kaum mehr als ein „simplified catalogue“ war, der zuweilen auch mit denen von Zschiesche & Köder große Übereinstimmungen aufwies. Carl Zschiesche, der Mitinhaber der Handlung Zschiesche & Köder, war vermutlich 32 | sein Onkel, was die gute familiäre Zusammenarbeit erklären könnte. Im gleichen Jahr kam ein neuer ”Catalogue prix-courant de timbres-poste. Essais divers, timbre-télégraphes, timbres fiscaux, timbres de Chemins de fer et autres. En vente aux prix marques” in Brüssel heraus, mit insgesamt 102 Seiten Umfang gedruckt. Herausgeber war einmal mehr Jean-Baptiste Moens. Auch dieser Katalog fand schnell seine Liebhaber. Die 1868er-Ausgabe beinhaltete 97 Seiten, die mit 86 Illustrationen ausgestattet waren. Angeboten wurde auch eine de-luxe-Ausgabe, gedruckt auf farbigem Papier. Dieser Katalog war bereits deutlich besser bearbeitet als der von 1864, so dass weitere Auflagen veröffentlicht werden konnten. Nach 1869 erschienen diese 1871, 1872/73, 1877, 1882 und letztmalig 1892/93. Insgesamt also in sieben Ausgaben. Die letzte davon bestand aus sieben Teilen, die Generationen von Philtelisten als Referenzquelle dienten, denn sie boten eine Fülle von Informationen über alle behandelten Themen, angefangen von Briefmarken bis zu Ganzsachen, Fiskalmarken und den Postwertzeichen aus aller Welt. Aus den USA gesellte sich ein weiterer Neuling dazu. William P. Brown aus New York gab im März 1868 seinen ersten „Descriptive Price Catalogue of Government Postage Stamps, for Sale by William P. Brown“ heraus. Zwar war diese bescheidene 18-Seiten-Broschüre eher eine Preisund Verkaufsliste, aber sie sollte in den Folgejahren bis 1887 zahlreiche Neuauflagen erleben, die der Herausgeber als „Descriptive price catalogue…“ und als „Price list …“ (ab Januar 1869) gut zu unterscheiden wusste, die aber auch inhaltsgleich von anderen Händler jener Zeit unter ihrem Namen verwendet wurden. Damit neigt sich die Zahl neu erschienener Kataloge bereits dem Ende zu. Nicht alle Auflagen, zumal in speziellen „de-luxe“-Versionen“, mögen genannt worden sein, ebenso wenig alle Preislisten früher Pionierhändler jener Zeit. Allein von C. K. Jones & Co. aus Manchester sind mindestens drei Ausgaben von 1865 bis 1867 bekannt, von Theophilus Creber & Co. aus Devonport eine aus 1864, C. & H. Gloyn in Manchester gaben zwischen Juni 1865 bis Januar 1870 ebenfalls fünf solcher Preislisten heraus, um nur einige Beispiele aus England zu nennen, die man sicherlich um die aus anderen Staaten ergänzen könnte. Hier ist noch heute viel an Forschung möglich, wobei all diese Preislisten – ebenso wie die Kataloge – Seltenheiten sind, eben die Erstlingswerke einer längst vergangenen Zeit, auf der spätere gut aufbauen konnten. ____________________________________________________________________________________ 2.2 Die ersten philatelistischen Fachzeitschriften des 19. Jahrhunderts ____________________________________________________________________________________ Die Philatelie entwickelte in den frühen 1860er-Jahren mit der Herausgabe spezieller Magazine sehr schnell Strukturen, die sich schrittweise in Europa verbreiteten, bevor sie langsam aber sicher sich auch in anderen Kontinenten ausdehnten. All dies geschah nicht ohne Probleme, die vielen kurzfristigen Versuchen folgten. Infolge des Fehlens größerer Leserzahlen und damit fehlender Profitabilität wurden zahlreiche Blätter bereits kurz nach Erscheinen ihrer ersten Nummer(n) wieder eingestellt. Wir begrenzen uns deshalb auf einen kurzen Überblick derjenigen Magazine, die wirklich Spuren in der ein oder anderen Weise in der Geschichte der Philatelie hinterlassen haben. Dabei zielen wir nicht auf eine lange Publikationsliste für jedes Land ab, da andere Autoren solche bereits in nennenswerter Vollständigkeit vorgelegt haben. Bewusst haben wir also solche Titel ausgelassen, die nur als „Eintagsfliegen“ in der Welt der Philatelie gelebt haben. 15. Dezember 1862: „The Monthly Adviser“ Dies war das erste Magazin, veröffentlicht in Liverpool von Edward Moore & Co. und es gilt schlechthin als erste Publikation dieser Art. Dessen erste Ausgabe beinhaltete einen Artikel von Frederick William Booty. Ab der zweiten Ausgabe erfuhr der Titel eine Änderung. Dieser lautete nun: „The Stamp Collector’s Advertiser“, was sicherlich für Sammler leichter zu verstehen war. Unabhängig davon, sah man ab der dritten Ausgabe eine weitere Titeländerung, nunmehr zu „The Stamp Collector’s Review and monthly Advertiser“, was den Inhalt dieses neuen Blattes noch stärker verdeutlichte. Edward Loines Pemberton wurde für einige Zeit dessen Herausgeber. Damit ist auch der Beginn einer kommerziellen Praxis zu identifizieren, die nachfolgend vielfach nachgeahmt wurde: Man gab den Lesern mit der Zeitschrift eine kostenlose Briefmarke. Es versteht sich wohl von selbst, dass dieses erste Fachblatt der Philatelie extrem selten auf dem philatelistischen Markt anzutreffen ist. Nur eine Handvoll kompletter Ausgaben sind heute noch bekannt. 1. Februar 1863: The Stamp Collector’s Magazine Diese Fachzeitschrift war die erste, die dank der Qualität ihrer Beiträge international bekannt wurde. Sie wurde zuerst von Henry Stafford Smith in Bath herausgegeben, ab 1866 von seinem Bruder und dessen Firma Alfred Smith & Co. Herausgeber war der bekannte Philatelist Charles W. Viner, dessen Rolle später George Overy Taylor übernahm. Die Namen von Mount Brown und Dr. J. E. Gray tauchten regelmäßig in dem Blatt auf. Das Blatt überstand eine bemerkenswert lange Zeit und wurde erst mit der 144. Ausgabe vom Dezember 1874 eingestellt. Mit Blick auf die vielfältigen Fakten und auf die die ersten Jahre der Philatelie betreffenden Studien bot die Zeitschrift wirklich eine Fülle von Informationen. Der Verleger spendierte der Zeitschrift luxuriös gestaltete Einbanddecken mit einer Originalmarke auf der Mitte des Einbandes. | 33 ____________________________________________________________________________________ 15. Februar 1863: Le Timbre-Poste Es ist das Verdienst von Jean-Baptiste Moens, die erste Fachzeitschrift auf dem Kontinent publiziert zu haben. Diese Publikation sollte sich über eine außerordentlich lange Zeit bewähren und wurde erst nach 38 Jahren, im Dezember 1900, eingestellt. Während dieser Zeit war Louis Hanciau als Schriftleiter die Hauptstütze und er verstand es ohne Fehl und Tadel, jeweils alle Informationen über die Neuausgaben der Postverwaltungen aus aller Welt zusammenzutragen, aber auch vorbildliche Artikel über eine Reihe von Themen zu verfassen. Über die Jahre baute er ein internationales Netzwerk an Kontakten auf, die ihn regelmäßig mit Material versorgten, das er monatlich veröffentlichten konnte. Ursprünglich war die Zeitschrift entstanden, weil die Portokosten für ein Journal geringer waren als bei Versand einer einfachen Preisliste. Nachdem Hanciau allerdings seine Fähigkeiten als Autor von Artikeln entdeckt hatte, nutzte er diese für ein Magazin, das fortan viel gelesen und von einer internationalen Klientel hoch geschätzt wurde. Im ersten Jahr erschien das Blatt im Quart-Format, was aber im Folgejahr schnell einem Oktav-Format weichen musste, da dieses leichter zu lesen und aufzubewahren war. Die ersten beiden Ausgaben waren schnell vergriffen und diese wurden in den nachfolgenden Monaten mit kleinen Änderungen neu aufgelegt. In Anbetracht der sorgfältigen Informationen, die die Zeitschrift bot und deren langes Erscheinen, gilt „TimbrePoste“ als eines der bedeutendsten Magazine seiner Zeit. 1. Mai 1863: „Magazin für Briefmarkensammler“ Kaum zwei Monate nach Erscheinen der belgischen Zeitschrift, erhielten auch deutsche Sammler ein eigenes Fachmagazin. Dies wurde von Zschiesche & Köder in Leipzig herausgegeben, einer Firma, die auf Münzen und Antiquitäten spezialisiert war. Schnell fand das Blatt weite Verbreitung und wuchs zu einer international bedeutenden Publikation heran. Das Magazin hatte aber nur eine kurze Lebensdauer und während der vierjährigen Bestehenszeit erschienen nur 48 Ausgaben. 1. Mai 1863: „The Liverpool Stamp Advertiser“ Am gleichen Tag wie das „Magazin für Briefmarkensammler“ erblickte auch in England eine neue Zeitschrift 34 | das Licht der Welt. Sie wurde ebenfalls in Liverpool verlegt und zwar von F. G. Jones. Die vierte Ausgabe zeigte einen längeren Titel „Liverpool and Newport Stamp Advertiser“, da das Blatt nun in Newport herausgegeben wurde. Es bestand aber kaum ein Jahr und stellte sein Erscheinen mit der 14. Ausgabe im Juni 1864 ein. 1. Januar 1864: „Börsenblatt für den Briefmarkenhandel“ Wie bereits der Titel dieses neuen in Kaufbeuren (Deutschland) herausgegebenen Journals verdeutlicht, war dies das erste von einem Briefmarkenhändler verlegte Nachrichtenblatt, welches das Geschehen zu jener Zeit mit Tausch, Kauf/Verkauf und dem philatelistischen Markt widerspiegeln sollte. Zwei Ausgaben erschienen pro Monat, aber einmal mehr bestand auch dieses Blatt nur für die kurze Zeit von sechs Monaten und wurde dann durch ein Nachfolgeblatt, die „Allgemeine Deutsche Briefmarken-Zeitung“, mit einem neuen Herausgeber ersetzt. 15. Januar 1864: „The London and New York Stamp Collector’s Review“ Dieses Blatt erschien in London und wurde von John G. Boel publiziert, assistiert von William P. Brown, der in New York ein Geschäft eröffnet hatte, um auch dort Fuß zu fassen. Das reichte allerdings nicht, um erfolgreich ein Magazin zu lancieren, so dass nach der zweiten Ausgabe das Blatt eingestellt wurde. Es ist aber bemerkenswert, dass in dieser Zeitschrift die allerersten Anzeigen von J. W. Scott erschienen, der zur damaligen Zeit gerade einmal 18 Jahre alt war und erst ein Jahr zuvor sich in New York niedergelassen hatte. 15. Februar 1864: „The Stamp Collector’s Record“ Das erste Magazin jenseits des Atlantiks erschien in Montreal, Kanada, und wurde von Samuel Allan Taylor herausgegeben. Ab der zweiten Ausgabe kam es in Albany und dann in Boston heraus. Somit wurde es auch die erste Fachzeitschrift in den USA. Bereits ab der ersten Ausgabe wurden die Leser vor Fälschungen gewarnt. Obgleich zwei Ausgaben veröffentlicht wurden, welche offensichtlich sehr selten sind (nur eine Handvoll Exemplare der zweiten Ausgabe wurden verbreitet), wurde das Magazin zeitweise eingestellt, bevor es dann erneut in einer sog. „neuen Serie“ in Albany, New York, im Dezember 1864 publiziert wurde. ____________________________________________________________________________________ 1. Juli 1864: „Allgemeine deutsche Briefmarkenzeitung“ Diese Zeitschrift führte das „Börsenblatt für den Briefmarkenhandel“ fort, erschien also unter einem neuen Titel und wurde nun von Ernst Roschlau aus Coburg herausgegeben. Sie erwies sich aber als ebenso erfolglos und wurde nach einem halben Jahr und 12 Ausgaben eingestellt. 15. Juli 1864: „Le Collectionneur de Timbre-Poste“ Arthur Maury gab ebenfalls seine eigene Zeitschrift heraus, welches die erste in Frankreich war. Die ersten drei Ausgaben wurden im Folio-Format gedruckt. Danach wechselte man schnell zu einer kleineren und eher handlicheren Größe. Die ersten drei Ausgaben wurden mit Datum vom 15. September 1864 in dem zuletzt erwähnten kleineren Format nachgedruckt. Nach einer zehnjährigen Unterbrechung – von Oktober 1874 bis Januar 1885 – erschien das Magazin erneut und zwar bis zum Zweiten Weltkrieg. 15. November 1864: „Le Timbrophile“ Maurys Mitbewerber in Paris, Pierre Mahé, verlor keine Zeit, ein eigenes Journal mit dem Titel „Le Timbrophile. Journal de la collection timbre-postale (et fiscale)“ auf den Markt zu bringen. Er stützte sich auf Autoren, die bereits als Autoritäten bekannt waren, z.B. auf Dr. Amable Legrand, der zu seinem Konkurrenten Abstand wahrte. Die Zeitschrift wurde Ende 1871 eingestellt, bevor sie wie ein Phönix aus der Asche unter dem neuen Namen, „La Gazette des Timbres“ wieder erschien, wiederum von Pierre Mahé herausgegeben. Juni 1865: „The Stamp Collector’s Monthly Gazette“ Das Blatt kam in St. John in Neuschottland (Kanada) heraus und bestand für nahezu zwei Jahre. George Stewart begann mit dessen Publikation, als er gerade einmal 17 Jahre alt war. Mai 1865: „The Star of Panama“ Dieses Magazin bestand nur ganz kurz. Es erschien nur eine Ausgabe zu 16 Seiten. Dennoch fühlen wir uns verpflichtet, es zu erwähnen, da es die allererste Zeitschrift war, die in Zentralamerika herauskam. Herausgeber war F. Lawley. Diese Zeitschrift gilt weithin als extrem selten und fehlte selbst in der berühmten Crawford-Bibliothek. Mai 1866: „The Postman’s Knock“ Ein weiteres Magazin erblickte in St. John, Neu-Braunschweig, das Licht der Welt. Herausgeber war E. A. Craig. Es erschien bis März 1870 mit 21 Ausgaben, die in unregelmäßigen Abständen veröffentlicht wurden. Die Ausgaben bestanden aus einem vierseitigen Editorial, sie waren allerdings – wenn man die Anzeigen mit in Betracht zieht – doppelt so umfangreich. In der ersten Ausgabe schrieb Craig: „Wir geben das Blatt nicht zur eigenen Selbstverherrlichung heraus!“ Januar 1866: „Der Briefmarken-Sammler“ Diese Zeitschrift gab G. Bauschke in Leipzig heraus und sie bestand fünf Jahre lang. 1868 verkaufte der Inhaber das Blatt an seinen Kollegen J. Kümmel. Seit 1867 war es die einzige Fachzeitschrift in Deutschland, nachdem das Konkurrenzblatt von Zschiesche & Köder eingestellt worden war. Die letzte Ausgabe erschien im März 1871. 20. Juni 1866: „Der Briefmarken-Anzeiger“ Dieses Magazin erschien in Triest, was zur damaligen Zeit zum österreichisch-ungarischen Kaiserreich gehörte. Carl von Cordona gab nur zwei Nummern heraus. Wenn man bedenkt, dass er damals gerade 13 Jahre alt war, wird vielleicht verständlicher, warum dieser junge von Cardona die Publikation einzustellen hatte. 1. Dezember 1866: „The Philatelist“ Stafford, Smith & Co. in Brighton – zur damaligen Zeit bereits eine weithin bekannte Firma – traten ebenfalls als erfolgreiche Verleger auf. In der Zeitschrift begegnen uns einige der bekanntesten Namen der Philateliegeschichte, die mit dieser Firma verbunden sind, so z.B. E. L. Pemberton, der bereits ab der ersten Ausgabe mitwirkte. Über die Jahre folgte ihm Frl. Lucy Fenton, die Beiträge unter ihrem Pseudonym „Fentonia“ publizierte, danach auch Westoby, Oscar Berger-Levrault, Dr. Amable Legrand und Charles Viner. Die Artikel von Reverend R. B. Earée sorgten für Aufsehen, als dessen legendäre „Spud Papers“ erstmals in diesem Fachblatt abgedruckt wurden. Die Zeitschrift lief über zehn Jahre, bevor sie dann 1876 durch einen anderen Titel „The Philatelic Quarterly“ ersetzt wurde. | 35 ____________________________________________________________________________________ 26. August 1867: „Nordisk Frimaerketidente“ Februar 1871: „El Colleccionista de Sellos“ Die erste skandinavische Zeitschrift erblickte das Licht der Welt in Kopenhagen, Dänemark. Sie kam nur für ein Jahr heraus und bis zu ihrem Ende im Juni 1868 gab es zwölf Ausgaben. Ein Jahr später gab es in Madrid ein zweites Magazin, welches 14täglich herauskam. Insgesamt vier Ausgaben der Zeitschrift „El Colleccionista de Sellos“ wurden von Februar bis März 1871 veröffentlicht. Es sollte weitere zwanzig Jahre dauern, bevor eine weitere Fachzeitschrift in Spanien herauskam. 1868: „American Journal of Philately“ In New York verlegte J. W. Scott ein eigenes Journal, welches zugleich für das erste Erscheinungsjahr das offizielle Sprachrohr der „New York Philatelic Society“ war. Somit wurde diese Zeitschrift die erste, die durch Vereine und Verbände herausgegeben wurde. Die Vereinsmitglieder erhielten spezielle Ausgaben, die während des ersten Jahres auf farbigem Papier gedruckt wurden. Insgesamt erschien die Zeitschrift für zehn Jahre. Von 1879–1886 kam sie unter dem neuen Titel „The American Journal of Philately and Coin Advertiser“ heraus, bevor sie dann von den Calman-Brüdern übernommen und unter ihrem ursprünglichen Titel weitergeführt wurde. Februar 1869: „The Continental Philatelic Magazine“ Dieses Magazin war das erste, das in den Niederlanden erschien und von C. van Rinsum herausgegeben wurde. Es war in englischer Sprache gedruckt, brachte es allerdings nur auf acht Ausgaben. Juli 1869: „De Timbrologist“ C. van Rinsum brachte aber nur wenige Monate später auch das erste Journal in niederländischer Sprache heraus. 13 Ausgaben erschienen bis Juni 1870. 1. Juli 1869: „Bazar für Briefmarkensammler“ Diese Zeitschrift war die erste, die von einem Briefmarkensammler-Verein in Deutschland herausgegeben wurde. Verleger war ein junge Student der Rechte in Heidelberg, Wilhelm Faber. Der Krieg von 1870 bedingte das frühzeitige Ende des Blattes im September 1870. Zum ersten Mal wurde Alfred Moschkaus Name in diesem Periodikum belegt. Juli 1870: „Indicador de los Sellos“ 1870 erschien in Madrid zum ersten Mal eine Zeitschrift, die nur der Philatelie gewidmet war. Der „Indicador de los Sellos“ bestand aus vier Seiten und eine einzelne Ausgabe kam im Juli 1870 heraus. 36 | Juli 1873: „Posta Mondiale“ Herausgegeben in Livorno, war dies die erste italienische Fachzeitschrift. Ihr Verleger, Placido Ramon de Torres, war spanischer Herkunft, hatte sich aber zuvor in Livorno niedergelassen, wo er ein Briefmarkengeschäft eröffnet hatte. Nach zwölf Ausgaben war es auch mit dieser Zeitschrift vorbei. Tatsachlich gehörte das Blatt allerdings Graf Cesare Giulio Bonasi, der allerdings sich öffentlich vom Briefmarkenhandel entfernt hielt und auch niemals in der Zeitschrift erwähnt wurde. August 1874: „Revista Philatelica“ Auch dieses Blatt hatte mit nur zwei Ausgaben ein kurzes Leben. Herausgeber war Victor Albornos und primär bedeutend war, dass es sich um die erste philatelistische Zeitschrift in Argentinien handelte. Sie gilt als extrem selten und – gemäß Crawford – sollen nur noch zwei Exemplare der ersten Ausgabe existieren. Oktober 1875: „Schweizerische Briefmarkenzeitung“ Diese erste Zeitschrift in der Schweiz wurde von Eduard Riesen in Schwanden verlegt. Ab der fünften Ausgabe wechselte der Titel und das Blatt hieß nun „Internationale Briefmarkenzeitung“. Es sollen nur zwei vollständige Ausgaben der Zeitschrift noch existieren, allerdings nicht in der Schweiz, sondern in der Emilio-Diena-Bibliothek und in der Philatelistischen Bibliothek München. Januar 1876: „Wiener Illustrirte BriefmarkenZeitung“ Wie bereits der Name der Zeitschrift sagt, erschien dieses Journal in Wien und es wurde von dem bekannten Briefmarkenhändler Sigmund Friedl verlegt. Nach einer Titeländerung zu „Weltpost“ im Jahr 1879 wurde das Blatt bis 1897 fortgeführt und wurde damit zu einer der bedeutendsten Zeitschriften der damaligen Zeit. ____________________________________________________________________________________ Januar 1878: „Guia del Colleccionista de Sellos de Correos“ Verlegt in Valparaiso war dies das erste Journal, das in Chile herauskam. Es erwies sich als kommerzieller Erfolg und blieb das einzige Magazin seiner Art über sieben Jahre. In den späteren Jahren wuchs die Zahl der Länder, in denen philatelistische Fachzeitschriften publiziert wurden, erheblich an. In einigen der frühen Länder, in denen bereits Journale erschienen waren, vermehrte sich im ausge- henden 19. Jahrhundert die Zahl der Periodika geradezu überproportional. Dies war besonders in Großbritannien und den USA der Fall. Gerade die USA wurde bei der Zahl erschienener Magazine zum führenden Land überhaupt. Dennoch: Die Mehrzahl all dieser Zeitschriften ging nach Herausgabe der ersten Nummern meist wieder ein. Nur die Blätter, die es verstanden, ihre Leser mit einem wirklich gut gemachten redaktionellen Inhalt und bedeutenden Informationen über Neuausgaben aus aller Welt zu versorgen, hoben sich von diesen ab und bestanden für längere Zeit. | 37 ____________________________________________________________________________________ 2.3 Erste philatelistische Artikel in Fachzeitschriften ____________________________________________________________________________________ Die Philatelie wurde erstmals in Tageszeitungen und Periodika (1862–1866) erwähnt. Le Magasin Pittoresque 1862–1866 Zwanzig Jahre nach Einführung der ersten Briefmarken in England fanden frühe Sammler erste grundlegende Informationen über Briefmarken in ihren bevorzugten Tageszeitungen und in anderen Periodika. Wie auch immer: der erste den Briefmarken gewidmete Beitrag erschien nicht in Großbritannien, wo die ersten Marken herausgegeben worden waren, sondern in Frankreich. Und zwar in einem Magazin, das bereits seit 1832 in Paris über 30 Jahre publiziert wurde. Das Magasin Pittoresque war ein Trendmagazin zu jener Zeit. Es ermöglichte einer großen Zahl von Lesern, sich über neue Entwicklungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu informieren. So enthielt die Zeitschrift eine große Spannbreite von Themen zu allen möglichen Gebieten, angefangen von Geschichte bis zur Geografie und Wissenschaft. Von 1862 bis 1866 erwarb ein Mann das Verdienst, eine eindrucksvolle Artikelserie einem neuen Hobby gewidmet zu haben, das mehr und mehr Enthusiasten aus allen Schichten der Gesellschaft ansprach. Natalis Rondot bot seinen Lesern genaue und zusammenhängende Informationen über die zahlreichen Briefmarkenausgaben eines jeden Landes. Er berichtete auch über die Zeit, als die Postreform in Kraft trat, die den Weg 38 | freimachte für die Herstellung von Briefmarken, die auf Briefen zu verwenden waren. Von Zeit zu Zeit bot er ebenso genaue und detaillierte Beschreibungen der Druckverfahren und andere Informationen, wie z.B. die Namen der Graveure, wo und wie die Marken gedruckt worden waren, zu den Prozentzahlen zu tatsächlich frankierter Briefe und auch sehr genaue Beschreibungen der Druckmethoden. Wenn man diese Informationen, die bereits in den Artikeln veröffentlicht waren, mit den unvollständigen oder einfach nicht korrekten Angaben der ersten Kataloge vergleicht, die zur gleichen Zeit herauskamen, wundert man sich, warum nur so wenige Sammler überhaupt etwas über diesen Autor wussten. Wie wir in dieser kurzen Studie sehen werden, gelang es ihm, viele andere Sammler jener Zeit mit seinen Beiträgen, die in verschiedenen europäischen Ländern erschienen, zu beeinflussen. Viele davon wurden vollständig übersetzt und erschienen in anderen populären Zeitungen. Wer war also Natalis Rondot? Wie gelang es ihm an diese eindrucksvolle Informationsfülle heranzukommen, die von anderen Autoren der ersten Briefmarkenkataloge einfach ignoriert wurde? ____________________________________________________________________________________ Natalis Rondot – „Eine philatelistische Persönlichkeit – viel zu häufig und unberechtigt vergessen“1 Dieses Zitat stammt aus einem Buch, das vor nahezu 80 Jahren von einem Briefmarkensammler-Verein in Antwerpen, Belgien, herausgegeben wurde. Es zollte Rondot Tribut, indem es seine im „Magasin Pittoresque“ erschienenen philatelistischen Artikel nachdruckte. Seine Artikel waren also bereits zur Geschichte der weltweiten Philatelie zu jener Zeit geworden! Schauen wir zurück auf Natalis Rondots beruflichen Werdegang, werden wir alsbald Anhaltspunkte finden, die es uns ermöglichen, zu verstehen, wieso dieser Mann so vorzüglich zu jener frühen Zeit informiert war, und dies in einem Umfeld, wo noch vieles zu vervollständigen blieb. Ein arbeitsreiches und aktives Leben:Geboren wurde Rondot 1822 in Saint-Quentin. Er verlegte sich auf Studien, die ihm eine Beschäftigung in der Wollwaren-Industrie ermöglichte. Schnell hob er sich auf diesem Gebiet von anderen ab und wurde bereits im Alter von nur 23 Jahren nach China geschickt, um die dortigen Marktverhältnisse zu untersuchen. Dabei wurde ihm als Aufgabe übertragen, die Wollwaren-Herstellung zu studieren und zu prüfen, ob Exportmöglichkeiten bestünden, die Waren zu dem Land zu exportieren, das zu dieser Zeit nur zeitweise für westliche Ökonomien offen stand. Nach seiner Rückkehr nach Frankreich arbeitete Rondot für die Pariser Handelskammer, für die er Statistiken über die industrielle Tätigkeit in Paris erstellte. 1860 wurde er zum Kommissar der französischen Regierung ernannt, mit der Aufgabe, neue Zolltarife für den Handel mit Großbritannien zu entwickeln. Er förderte die Seidenindustrie und den Seidenexport von China nach Lyon. Er wurde Botschafter der Stadt bei Ministerien und Verwaltungen, die sich in Paris befanden. Zur gleichen Zeit war er Mitglied der Jurys der Weltausstellungen und ihm wurden in nahezu jedem europäischen Land Verantwortungen übertragen. Mit dem Ergebnis, dass sich sein „Adressbuch“ rasch erweiterte, was ihm zugutekam, als er versuchte, an die Fülle der Informationen über neue Briefmarkenausgaben heranzukommen. So saß er wirklich in der ersten Reihe und das versetzte ihn auch in die Lage, sein Netzwerk an Kontakten zur Informationsbeschaffung bei Postverwaltungen zu nutzen. Die erhaltenen Informationen untersuchte er mit der wissenschaftlichen Genauigkeit, die für den Umgang mit komplexen Daten aufgrund seiner Ta- 1 Les Timbres-Poste de tous les États du Globe en 1862, ed. Philatélisme, Antwerp, 1935 lente als Industrieller, Ökonom, Statistiker und Historiker Standard war. Am meisten überrascht wohl, dass er selbst wohl nie die Briefmarken gesammelt hat, die er als erster in seinen Beiträgen beschrieb und die so gut dokumentiert waren, später aber trotz seiner Bemühungen vergessen wurden. Es bedarf kaum weiterer Ausführungen über den überzeugenden und unterschiedlichen Ansatz, den Natalis Rondot auf diesem neuen Feld in den 1860er-Jahren wählte. Es ist wirklich schade, dass nur einige wenige philatelistische Experten um seine Bedeutung als Autor wussten, dem wir hier mit unserem kleinen Beitrag unseren Respekt erweisen. Wie wir noch sehen werden, breiteten sich diese Beiträge, welche in Paris erschienen, wie durch ein Lauffeuer in anderen Magazinen in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden aus, nachdem sie in deren Sprachen übersetzt worden waren. Artikel aus dem „Magasin Pittoresque“ und deren Übersetzung In seiner umfangreichen Artikelserie von 53 Beiträgen beschrieb Rondot die Marken von nahezu jedem Land der Welt.2 Jedes Land wurde in einem eigenen Beitrag behandelt, der einen kurzen Überblick zum Postsystem, zu den Erscheinungsdaten der ersten Briefmarken, und zu allen Bezeichnungen der Ausgaben enthielt, die bei Veröffentlichung des Artikels zu belegen waren. Diese Beiträge wurden mit 460 Stichen illustriert, die die Haupttypen der Marken sehr wirklichkeitsgetreu wiedergaben, zumal, wenn wir die begrenzten Beschaffungsmöglichkeiten der Zeit in Betracht ziehen. Die Beiträge erschienen über eine relativ lange Zeit, beginnend im Juni 1862, und die Serie kam erst im Dezember 1866 zu einem Abschluss. Im letzten Beitrag war zu lesen, dass ein weiterer als „Fortsetzung im nächsten Jahrgang“ geplant sei; dieser erschien aber nicht mehr. Warum kam es also zu diesem Ende, wenn gleichzeitig mehr und mehr Leser offenbar immer neue Artikel lesen wollten? Das bleibt ein Geheimnis. Gab es vielleicht einen Disput zwischen Natalis Rondot und dem verantwortlichen Schriftleiter Edouard Charton? Das wäre reine Spekulation. Bis auf wenige Ausnahmen wurden die Beiträge von Natalis Rondot regelmäßig monatlich abgedruckt. Die Illustrationen waren sehr sorgfältig produziert und eindeutig von besserer Qualität als praktisch alle anderen, 2 Léon Galle: Natalis Rondot, sa vie et ses traveaux, éd. Bernoux, Cumikn et Masson, Lyon, 1902 | 39 ____________________________________________________________________________________ die in den frühen Händlerkatalogen jener Zeit zu finden sind. Wie wir noch sehen werden, erschienen Monate nach Natalis Rondots Erstveröffentlichung im Juni 1862 ähnliche Artikel in den Ländern, die ebenfalls zu den ersten Ländern zählten, in denen dieses neue Hobby gepflegt wurde. Dies waren entweder Übersetzungen oder vollständig neu bearbeitete Versionen. Casell’s Illustrated Family Paper Ab Juli 1862 erschienen in diesem in London von Casell, Peter & Gavin herausgegebenen englischen Magazin philatelistische Beiträge, die von jenen vorher in Paris veröffentlichten inspiriert waren. Sie wurden in zwei unterschiedlichen Serien publiziert. Die erste Serie bestand aus 36 Beiträgen und erschien vom 25. Juli 1862 bis zum 1. Oktober 1864. Die zweite bestand aus 39 Ausgaben, die von März 1866 bis Februar 1867 gedruckt wurden. Natalis Rondot begann seine ursprüngliche Artikelserie mit einer Beschreibung der Marken von Russland. Aber in England beschrieb sein erster veröffentlichter Artikel natürlich die Marken von Großbritannien, gefolgt von denen der verschiedenen britischen Kolonien. Die Abbildungen in diesen ersten Artikeln sind ebenfalls von denen in Frankreich publizierten unterscheidbar. Dennoch, wenn man die Beschreibung der Marken Russlands untersucht, ist festzustellen, dass die dafür genutzten Platten mit denen einige Monate zuvor im „Magasin Pittoresque“ benutzten identisch sind. Man sollte nicht vergessen, dass zu dieser Zeit noch jede Abbildung mit der Hand graviert werden musste und es war deshalb sicherlich bei weitem kostensparender, statt neu zu gravierender Platten bereits vorliegende erneut für den Druck zu nutzen. Der Bazar Diese in Berlin herausgegebene Zeitschrift veröffentlichte ab dem 1. Oktober 1862 ebenfalls die Beiträge, die im „Magasin Pittoresque“ erschienen waren. Die Originalbeiträge wurden zu einer Serie von 23 Artikeln mit 213 Illustrationen zusammengefasst und die Serie wurden am 15. März 1864 eingestellt. Der deutsche Titel lautete „Briefmarken und Briefmarken-Sammlungen“3. Der Bearbeitung des Britischen Weltreiches mit starker Berücksichtigung der ursprünglichen Beitragstexte folgten Artikel über die Marken Europas und deren letzter Beitrag beschrieb die Ausgaben von Griechenland. Zu Ende dieses Artikels schrieb der (immer noch unbekannte Autor), dass Phila3 Norbert Röhm, private Dokumente 40 | telie (obgleich dieser Begriff zu dieser Zeit noch nicht verwendet wurde) immer noch kaum mehr als ein „Spleen“ sei. Nederlandsch Magazijn Eine niederländische Version erschien in dem wöchentlich erscheinenden Blatt „Nederlandsch Magazijn“ zwischen Februar 1863 und Dezember 1864. Auch jeder dieser Beiträge wurde von Natalis Rondot selbst verfasst. Die nächsten 27 Beiträge wurden unter dem Namen von Pieter Harme Witkamp publiziert. Diese Version wurde dann vom gleichen Autor übernommen, der sie in zwei Broschüren veröffentlichte, die zwischen 1863 und 1864 erschienen und in Kapitel 2.1 näher beschrieben sind. Der Vollständigkeit halber sei noch eine weitere Version der Beiträge von Natalis Rondot erwähnt, ebenfalls in holländischer Sprache, die zwischen 1862 und 1864 im „Jaarboek der Nederlandsche Posterijen“ erschien, dieses Mal unter dem Namen von St. Gille Heringa, und ebenfalls mit Lithografien illustriert. Weitere Beispiele in anderen Journalen und Magazinen Neben den gut dokumentierten Beiträgen von Natalis Rondot und deren verschiedenen Übersetzungen waren bereits erste Artikel über Philatelie – oder über die Liebe zur Philatelie – in einer Reihe anderer Zeitschrift und allgemeinen Blättern erschienen. Zu jener Zeit galt Briefmarkensammeln noch als Obsession, als Vernarrtheit junger Menschen, die einfach nur auf bunte Bildchen aus waren. Ein früher Artikel, veröffentlicht in „Household Words“ am 21. Februar 1852, erschien unter dem Titel „The Queen’s Head“ und beschrieb, wie Perkins, Bacon & Petch die erste Briefmarkenserie Großbritanniens gedruckt hatte. Ein anderes britisches Journal, „Notes and Queries“, welches erstmals am 3. November 1849 erschienen war, ging auch auf Fragen seiner Leser ein und bot dazu Antworten. Im „Journal of the Philatelic Literature Society“ listete P. J. Anderson solche Beiträge, die Post und Briefmarken betrafen, einmal auf. Die nachfolgende Abbildung belegt das ab der zweiten Hälfte der 1850er-Jahre wachsende Interesse an Briefmarken. Die letzte Frage wurde von einem jungen Leser eingereicht, der wissen wollte, ob es bereits einen Katalog gäbe, in dem alle bislang erschienenen Briefmarken aufgeführt seien. In Frankreich folgte diesem Magazin das „L’Intermédiaire des Chercheur et Curieux“, welches erstmals ab 15. Januar 1864 herauskam. Eine kleine Anzeige erschien in ____________________________________________________________________________________ der Ausgabe vom 25. Juli von einem gewissen „King“, der Abbildungen von Marken für sein Buch über Briefmarken suchte. Bis heute weiß man nicht, ob er dabei erfolgreich war und ob dieses geplante Buch überhaupt jemals erschien. Am 19. Juli 1862 erschien in einem weiteren englischen Magazin mit dem Titel „All the Year Round“ der Beitrag „My Nephew’s Collection“ (die Sammlung meines Neffen). Ebenfalls 1862 wurden die weit mehr bekannten Beiträge von Dr. J. E. Gray in dem Blatt „Young England“ abgedruckt. 1867: Spanien – Revista de Correos Drei Jahre nach Erscheinen der ersten spanischen Veröffentlichung über Philatelie kam im Dezember 1867 ein Beitrag mit dem Titel „Los sellos para el franqueo de la correspondencia“ in einem Magazin der spanischen Post heraus, das von Francisquo Lopez Fabra betreut wurde. Der Autor beschrieb die seltsame fixe Idee, Briefmarken zu sammeln. Weit interessanter war aber eine Anzeige in der gleichen Ausgabe, die ein Briefmarkenhändler in Barcelona geschaltet hatte. Dieser suchte alte und neuere Briefmarken zu kaufen und zu verkaufen, seien es ungebrauchte oder gestempelte. Ausgenommen waren nur solche, die noch in Umlauf waren. Dies sind nur einige Beispiele solcher Artikel, von denen einige bereits vor den ersten eigentlichen BriefmarkenFachzeitschriften ab Dezember 1861 erschienen, obgleich die Mehrzahl erst nach diesem Datum entstanden. Sie zeigen, wie die fixe Idee junger Sammler in den 1850er-Jahren über die Zeit sich entwickelte und zu einem der beliebtesten Hobbys in der Mehrzahl der Haushalte heranwuchs, was für viele Jahrzehnte auch so bleiben sollte. Dies kann man mit zahlreichen Beiträgen dieser Art in nahezu allen allgemeinen Blättern belegen, in denen sich der Geschmack und das Interesse der Leser jener Zeit widerspiegeln. | 41 ____________________________________________________________________________________ 2.4 Vom „Unikat“ zur ersten Mengenproduktion ____________________________________________________________________________________ Bereits in Kapitel 1 klang an, dass nahezu zeitgleich mit den ersten Listen und Anzeigen in Zeitungen auch erste Bemühungen literarisch nachweisbar sind, Briefmarken dauerhaft aufzuheben und zu bewahren. Die Idee eines Albums, gefertigt in industrieller Mengen- oder gar späterer Massenproduktion war geboren. Dessen Vorläufer waren allerdings noch schlicht und einfach und erste Spuren führen 1861 nach Frankreich, vielleicht auch nach Deutschland. Ob diese sog. Alben allerdings die Bezeichnung „Album“ im heute verstandenen Sinne verdienen, ist eine Frage der Definition, bestanden diese doch aus einfachen losen kartonartigen Blättern, die nur gedruckte Rahmen als Feldeinteilung enthielten, in die man dann seine Marken einkleben konnte. Keine Ländernamen, keine Beschriftung und natürlich auch keine Markenabbildungen. Zuvor sollen bereits – wohl von Schülern – Schreibhefte ähnliche Zwecke erfüllt haben, wobei deren Beschriftung nicht vorgedruckt, sondern vom Besitzer vorgenommen wurden. Letztlich ist die Frage nach den ersten Alben stets auch eine Frage nach der Definition, mit deren Hilfe man Antworten dazu finden kann, welche Briefmarkenalben wirklich die ersten waren. Das mag banal klingen, wenn man sagt, ein Briefmarkenalbum enthält Briefmarken, besser: Briefmarkenausgaben, die über eine längere wie auch immer begrenzte Zeit gesammelt wurden. Damit scheidet aber zum Beispiel das einer Miss Barrington und einem Matthew Barrington zugeschriebene Autografenalbum, das neben 96 Briefvorderseiten aus der Zeit von 1795– 42 | 1839 auch die ersten Penny-Marken und einen MulreadyUmschlag auf zwei von 177 Seiten enthielt, bereits aus. Denn dies war eine um 1840 abgeschlossene Sammlung von Autografen, die die Briefvorderseiten zieren, die ersten englischen Postwertzeichen wurden nur als Neuheiten aufgenommen und nicht weitergeführt.1 Bewusst wird hier nur von Briefmarken gesprochen, womit dann vor 1840 erschienene Steuermarken und vergleichbare Wertstempel, Labels etc. ebenfalls ausscheiden, die im wohl ältesten Album dieser Art, ab 1774 von John Bourke in Irland zusammengetragen, überlebt haben.2 Auch dies war im engeren Sinne kein Briefmarkenalbum, durchaus aber eine Sammlung von Postwertzeichen, die allerdings unter dem Aspekt der amtlichen Dokumentation erschienener Wertzeichen vom verantwortlichen Amtsinhaber der für Fiskalmarken zuständigen Stelle belegt wurden. Unter „Briefmarken“ im engeren Sinne versteht die Philatelie die seit Rowland Hills Postreform 1840 in Großbritannien und anderen Ländern erschienenen Marken, mit denen der Käufer das Porto selbst entrichten, damit vorausbezahlen konnte. Deshalb kann ein solches Album erst ab und nach 1840 angelegt worden sein und es müsste – um dieses Album auch im Sinne einer Briefmarkensammlung im heutigen Verständnis zu werten – Brief1 Mehr zu diesem Album findet sich in Ken Lawrence Beitrag „The oldest stamp collection: a sequel“, in: Scott Stamp Monthly, December 2009, S. 16 ff. 2 Lawrence, S. 16 ____________________________________________________________________________________ marken dieser Art in größerer Vielfalt, also aus verschiedenen Jahren und Ländern, enthalten.3 Das „Royal Album“ – Das „Belvedere Album“ von 1854/55 Ein solches Album aus der Zeit vor 1860 gibt es tatsächlich und es führt in die Mitte der 1850er-Jahre zurück. Allerdings handelt es sich nicht um eine industrielle Fertigung, sondern um die von einem Künstlerstudio für eine hochstehende Persönlichkeit vorgenommene Einzelanfertigung, die heute als sog. „Belvedere-Album“ bekannt ist. Dieses in dunkelgrünes Leder gekleidete Album stammt aus dem Nachlass von Angela Lascelles, Ehefrau von Hon. Gerald Lascelles (1924–1998), einem Cousin Ihrer Majestät Queen Elizabeth II, Königin von England. Angela Lascelles gesamter Nachlass, also nicht nur das Album, kam 2007 – in diesem Jahr war sie verstorben, nachdem sie seit Mitte der 1950er-Jahre mit Ihrem Mann auf Fort Belvedere gelebt hatte – zur Versteigerung. Die erste nähere Analyse des Fundes ergab die meisterliche Einzelanfertigung. Das Album beginnt mit einem Index verschiedener Länder, die bereits Briefmarken herausgegeben hatten, wobei dafür jeweils Seiten, häufig auch mit Umrandungen für einzuklebende Marken, enthalten waren. In dem Album waren noch Briefmarkenoriginale, allerdings erst ab 1850 und nur bis 1854. Manche Seiten (z.B. für die Ausgaben der Niederlande 1852 oder Chile 1853) waren leer geblieben, andere enthielten Angaben zu Währungsrelationen der jeweiligen ausländischen Währung zur Britischen Währung (Sterling). Karl Louis, der dieses neu 2007/2008 erstmals entdeckte Briefmarkenalbum als erster näher beschrieb4, folgerte daraus, dass dieses Album 1854 oder 1855 entstanden sein musste. Dafür findet sich zwar kein eindeutiger Beweis im Sinne einer Jahreszahl der Entstehung, auch kein Besitzerhinweis, aber die logische Frage steht zu recht im Raum, warum bei deutlich späterer Entstehung als Mitte der 1850er-Jahre ein Besitzer nur Markenblätter für Aus- 3 In einem sehr interessanten Beitrag hat sich in jüngerer Zeit James E. Kloetzel über „The world’s first manufactured philatelic album brought to light“ (in: Scott Stamp Monthly, December 2009, S. 26 ff.) geäußert. Er beschrieb das „Union and Patriotic Album“, das zur Aufnahme von „Illustrated Envelopes“, also von Patriotic Covers gedacht war und bereits 1861 erschien. Dies war allerdings kein Briefmarkenalbum, wohl aber ein Album für Ganzstücke, die komplett in vorgesehene Felder eingesteckt werden konnten, vergleichbar frühen Fotoalben jener Zeit. 4 Karl Louis: Der „königliche Sammlungsfund“ von Fort Belvedere, in: philatelie, Nr. 376 (Oktober 2008), S. 44–46 gaben bis 1854 angelegt haben sollte, und nicht für die Länder, die danach Briefmarken herausgegeben hatten. Zwar kennt man keine eindeutige Benennung des Besitzers, wohl aber eine Bezeichnung des Urhebers dieses Kunstproduktes in Leder und mit goldfarbiger Titelprägung, das in seiner schlichten Schönheit und heute noch wundervollen Erhaltung die Zeiten überdauert hat, also offenbar stets gesichert aufbewahrt wurde. Denn auf dem Umschlagblatt innen befindet sich ein kleines Schild mit dem Namen „R. Ackermann“, ein typisches FabrikationsFirmenlabel. Hier fügen sich nun zwei Dinge zusammen. Denn unter diesem Namen von Rudolph Ackermann, auch zuweilen Ackerman geschrieben, ist ein 1764 in Stollberg im Kurfürstentum Sachsen geborener deutsch-britischer Buchhändler, Lithograph, Verleger und Unternehmer bekannt, der 1795 in London eine Druckerei und Zeichenschule eröffnete. Seine Lithographien zu Kunst, Literatur, Mode, seine späteren Jahrbücher und Landschaftsdarstellungen waren im London der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ebenso bekannt wie seine Erfindungen.5 Rudolph Ackermann starb zwar 1834 in London, aber seine Söhne führten seine Geschäfte unter gleichem Namen weiterhin erfolgreich fort. Da gehörte dessen Kunstgeschäft längst zu den königlichen Hoflieferanten des Buckingham Palastes und galt als eine der ersten Adresse in allen Angelegenheiten von künstlerischer Ausgestaltung in literarischer Form. Ein neu zu schaffendes Briefmarkenalbum war ein solches Produkt, das man auslegte, ansah und das man bewundern sollte. Ackermann junior war dessen Schöpfer und er schuf es nach kunstästhetischen Gesichtspunkten. Schlicht, aber wirkungsvoll. Damit hat man eine erste Verbindung zum königlichem Hof und der originären künstlerischen Herkunft, eine Verbindung, die weitere Spekulationen über den oder die ersten Besitzer dieses Albums nähren kann. Sollte es gar ein „Royal Album“, also ein Album von königlichem „Geblüt“ gewesen sein? Diese Vermutung mag eine weitere Tatsache unterstützen. Bekannt ist, dass Ackerman & Co. 1841 Karikaturumschläge der damals in der britischen Öffentlichkeit nicht selten der Lächerlichkeit preisgegebenen Mulready-Ganzsachen schuf. Belegt sind Beispiele mit den Themen „The Print Mill“, 15./17. Oct. 1841, „Palmer‘s Tun“, „The Civic“, 1841, aber auch ein Karikaturumschlag, der in diesem Zusammenhang aufhorchen lässt: „Royal Birth“. Dieser heute nur noch in einem Exemplar bekann5 Zu Rudolph Ackermann vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Rudolph_ Ackermann; dort auch den Link zur Encyclopaedia Britannica/Ackermann, Rudolph; www.spartacus.schoolnet.co.uk/Jackermann.htm; http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Ackermann,_Rudolf (hier auch Verweis zu seinen Söhnen); | 43 ____________________________________________________________________________________ te Umschlag aus der Ackermann’schen Produktion zeigt die öffentliche Vorstellung des neu geborenen Prinzen von Wales beim Lord Mayor von London (ex Grunin-Collection). Man darf sich wohl fragen, ob diese Nähe zum königlichen Hof, die gar so weit ging, damals weltbewegende Ereignisse in künstlerischer Form zu dokumentieren, Zufall ist. Zumal wenn man mehr über Fort Belvedere weiß, wo dieses Album die Zeiten überdauerte. Dieses Castle gehörte seit 1755 der Königlichen Familie. Zwischen 1929 und 1936 lebte dort Edward, der Prinz von Wales und spätere König Edward VIII., vor ihm seit 1911 Prinz Arthur, Herzog von Connaught. Selbst Königin Victoria war im 19. Jahrhundert häufiger Gast hinter den dicken Mauern des Forts, die auch ihre Kinder aufwachsen sahen. Zum Beispiel Prinz Alfred, den damals zwölfjährigen Herzog von Edinburgh, dessen Besuch der englischen Briefmarkendruckerei De La Rue 1856 – zusammen mit dem Prinzen von Wales – literarisch gut dokumentiert ist, denn es wurde damals für diese königlichen Besucher ein „Sonderdruck“ einer 6-Pence-Briefmarke mit einem handschriftlichem Vermerk versehen: „This small sheet of 6 d Postage Labels is a sixth part of the sheet Printed in the presence of His Royal Highness The Prince of Wales and (of His) Highness Prince Alfred – 8th. April 1856“. Heute gehört dieser Bogenteil zur „Royal Collection“ in London. War also das hier beschriebene Briefmarkenalbum ein Geschenk des königlichen Hoflieferanten um 1854/55 an einen für Briefmarken begeisterten Prinzen? Die spätere Sammelleidenschaft von Mitgliedern der königlichen Familie ist belegt.6 Für die Datierung dieses Albums sprechen der Inhalt, der über 1854 nicht hinausreicht, aber auch die zeittypisch ursprünglich enthaltenen Originalmarken, die durchwegs knapp geschnitten und mit ihrem Originalgummi auf den Seiten enthalten waren. Als das Album 2007 entdeckt wurde, waren die Betrachter überrascht von der Ursprünglichkeit der leuchtenden Markenfarben und es gelang, zahlreiche seltenste Stücke ohne Beschädigung von den Kartonblättern zu lösen, was allerdings auch die Auflösung der überwiegenden Zahl der Inhaltsseiten bedingte und so deren Auktionsverkauf ermöglichte, so dass heute nur noch das „Gerippe“ (Ein6 Sir John Wilson berichtete 1952 in seinem Monumentalwerk „The Royal Philatelic Collection“ über die Sammelleidenschaft der Königlichen Familie: „An order in 1864 to the firm of Perkins Bacon & Co, the Government printers of the time, to provide specimens of the 1 d Black… … is the earliest indication that any members of the Royal Family were interested in stamps. The stamps were ordered for some younger members of the Royal Family……but it has never been discovered for which members of the Royal Family they were required“. 44 | band, Innen-Titelseite, Index und einige Musterseiten mit Originalbriefmarken) von diesem Album, allerdings in sehr präsentabler Form erhalten ist. Ist der knappe Schnitt der Marken durchaus auch ein weiterer Hinweis, dass nicht die damals zeittypische „Verstümmelung“ von Marken angewandt, sondern das künstlerisch dem Markenbild gewidmete Auge hier Vorrang hatte, so gilt dies für die Art der Befestigung noch mehr. Das Aufkleben mittels des Originalgummis ist aus den 1850er-Jahren bisher aus keiner literarischen Quelle als Empfehlung her bekannt. Erst in den 1870er-Jahren kamen solche Vorschläge, allerdings nur vereinzelt, zu Wort, ebenso wie die Empfehlung Einzelner, man möge den Bogenrand zur Anbringung nutzen oder einen vergleichbaren Ersatz.7 Erst zehn Jahre später, um 1881, wurde der Falz erfunden. Dies war also kein Philatelist im späteren Sinne der 1860er-Jahre, der die Sammlung angelegt hatte. Denn der hätte vollflächigen Knochenleim, Gummi Arabicum oder Vergleichbares genommen. Wenn es also kein Briefmarkensammler im eigentlichen uns bekannten Sinne war, wer hat dann die Sammlung angelegt? Ein jugendlicher Prinz? Das ist völlig unwahrscheinlich, dass ein Prinz, ein Kind beinah noch, solch ästhetischen Kriterien der Anbringung und der Erhaltung der Marken zu einer Zeit entwickelt haben soll, in der es für solche Sammlungsanlagen noch gar keine Vorbilder gab. Außerdem: Kann man sich einen jungen Prinzen vorstellen, der selbst Hand anlegte? Das wäre ebenfalls völlig untypisch für die damalige Zeit, in denen selbst die Damen- und Herrschaften edlen und feineren Geblütes, selbst aus dem Hochbürgertum, sich nicht die Hände schmutzig machten, sondern andere für sich arbeiten ließen. Sammlungen ja, aber eigene handwerkliche Arbeit? Das ist kaum vorstellbar. Damit bleibt der Gedanke, dass dieses Album ein Geschenk war, ein Geschenk für einen Prinzen, dem man sich (vielleicht seit dessen Geburt) verpflichtet fühlte. Es war wahrlich auch ein fürstliches und aus dem Rahmen fallendes Geschenk, nur sehr aufwändig und arbeitsintensiv zu fabrizieren, wobei es die erste Weltausstellung in London 1851 sichtlich erleichtert haben dürfte, die ungebrauchten Marken aus aller Herren Länder zu beziehen. Dieses „Belvedere-Album“ wurde 2010 während der LONDON 2010 erstmals in England gezeigt und darf für sich in Anspruch nehmen, das erste Album der Philateliegeschichte zu sein. Entstanden um 1854/55, dokumentiert 7 Den Vorschlag, Falze (“charnières en papier“) zur Befestigung von Marken in einem Album zu verwenden, äußerte bereits Dr. Magnus (alias Dr. Legrand), erstmals in Le Timbrophile, Nr. 3/1867, S. 231– 234. ____________________________________________________________________________________ es bereits den Ansatz, Briefmarken nach Ländern differenziert zu sammeln, aber auch zu einzelnen Marken mehr als nur den Nennwert aufzuschreiben. Ein schlagender Beleg für diese Aussage war die ursprüngliche Seite mit den zwei Paaren der österreichischen Zeitungsmarken (gelber und blauer Merkur), die mit dem Hinweis „Note. These are sold wholesale to publishers only at the rate of 100 stamps for 2 sh sterling“ versehen war. Allein mit dieser und weiteren vergleichbaren Aussagen fachkundiger Art wurde aus einem reinen Marken-Aufbewahrungsheft ein literarisches Produkt, das hier zwar als Einzelanfertigung, ab 1862 aber in Mengenproduktion die Sammler von Briefmarken erfreuen sollte. Die frühen Briefmarkenalben industrieller Fabrikation Im Juni 1862 erschien, bearbeitet von Justin Lallier, das erste „Album Timbres-Poste orné de cartes“ im rechteckigen Querformat von 17,5 x 27 cm, verlegt bei A. Lenègre in Paris, Frankreich. Es gilt bis heute als das verbürgte in Serien gefertigte erste Briefmarkenalbum der Welt.8 Es erschien zuerst in französischer Sprache, wenig später – im August 1862 – in einer englischen Übersetzung („Postage Stamp Album. Illustrated with Maps“), die allerdings wegen der zahlreichen enthaltenen Fehler mancherlei Kritik hervorrief. Das umfangreiche Album enthielt links die Liste der auf der rechten Seite einzuklebenden (nicht abgebildeten) Marken, insgesamt waren auf 160 Seiten so 1 101 Wertzeichen unterzubringen. Zwischen 1862 und 1875 erschienen – in beiden Sprachversionen – insgesamt dreizehn Ausgaben des Albums, die der 1823 geborene Lallier – er starb am 12. August 1873 – selbst noch erlebte. Für die 14. Auflage zeichnete Pierre Mahé, der Herausgeber des „Timbrophile“ und der „Gazette des Timbres“ verantwortlich, der diese letzte Ausgabe im Hochformat (34,5 x 25,5 cm) unter dem Titel „Album Timbres-Poste et Cartes postales“ 1876 besorgte. Das Album hatte nun einen Umfang von 336 Seiten für insgesamt 6 589 Marken, präsentierte die Abbildungen, dem Beispiel der MoensAlben folgend, allerdings auf der linken Seite. Diese Alben zeigen häufig Lalliers persönliche Unterschrift und zuweilen sogar sein Porträt auf der Titelseite. 8 Apfelbaum (siehe: http://www.apfelbauminc.com/library/evolutionalbum.html) gibt als Erscheinungsdatum der Erstauflage Februar oder März 1862 an, was allerdings nicht zu dem Datumsvermerk im ersten Album passt. Lallier war Mitglied der Archäologischen Gesellschaft von Orleans und Mitglied der Französischen Gesellschaft für die Erhaltung historischer Monumente. Ob er selbst Briefmarken sammelte, ist nicht belegt, ist aber wohl anzunehmen, zumal er in der im Januar 1863 erschienenen zweiten, revidierten und überarbeiteten Auflage schrieb: „Die überraschend gute Aufnahme des Briefmarkenalbum durch das interessierte Publikum hat uns zu einer zweiten, sorgfältig überarbeiteten und nunmehr komplett bis zur gegenwärtigen Zeit geführten Auflage veranlasst. Wir geben nun die zutreffenden Formen vieler Marken wieder, welche uns letzten Juni unbekannt waren und wir haben alle Marken, die seitdem herausgegeben wurden, hinzugefügt, für deren Vorlage wir allen Sammlern (‚amateurs‘) und besonders dem Buchhändler M. Baillieu zu Dank verpflichtet sind. Nach jedem der fünf großen Weltteile haben wir jeweils eine Zahl von Blankoblättern zur Einfügung der Stempel und Postmarken, die künftig erscheinen, eingefügt.“ 1863 ließ J. Lallier auch eine Ausgabe seines Albums in spanischer Sprache herstellen. Er nutzte für die Übersetzung die dritte Auflage der französischen Ausgabe. Das Album bestand aus 168 Seiten. Es gab aber erneut eine größere Reihe von sprachlichen Fehlern und Irrtümern in der spanischen Übersetzung, so dass es bei spanischen Sammlern auch keine besondere Wertschätzung erhielt. Von allen Lallier-Editionen blieb dies die einzige in spanischer Sprache und da heute nur noch zwei Belegexemplare bekannt sind, gilt es als literarisches Juwel. Während Lalliers Stern in den 1870er-Jahren sank (dessen Alben wurden von Spezialisten auch vielfach wegen der zu kleinen Wertzeichenrahmen gerügt), ging ein anderer bereits ab 1866/67 auf. Arthur Maury aus Paris ergänzte mit eigenen Alben sein seit 1864/65 geführtes Katalog- und Fachzeitschriftenangebot. Seine Alben sollten später in Frankreich weite Verbreitung finden, spielten allerdings in den 60er-Jahren noch keine bedeutende Rolle.9 Das französische Beispiel scheint andere Macher inspiriert zu haben, zumal in Deutschland und England. In Deutschland soll es ebenfalls bereits 1861/62 ein erstes Album gegeben haben, allerdings noch ohne Bindung und Text. Die Herausgeber sind unbekannt und ein Exemplar ist bis heute nicht belegt, so dass diesem kein Begrün9 E. Requard und Laplante, beide in Paris, werden ebenfalls Albenproduktionen zugeschrieben, wobei die des letzteren ein halbes Jahr nach dem ersten Lallier-Album erschienen sein soll, nur aber ein Imitat war (http://www.apfelbauminc.com/library/evolutionalbum. html). Genauere Informationen liegen dem Verfasser hierzu aber noch nicht vor. | 45 ____________________________________________________________________________________ dungscharakter für eine neue philatelistischer Literaturgattung in Deutschland zugesprochen werden kann.10 Wohl aber zwei anderen Linien, die beiden nach Leipzig führen und deren erste Produkte bereits 1862, allerdings im Sommer/Herbst des Jahres erschienen. Zuerst ist hier der Leipziger Buchhändler Gustav Wuttig, Inhaber des dort angesiedelten Literarischen Museums, zu nennen. Sein „Album für Briefmarken“ bestand aus (ungebundenen) Blättern im Format Kl. 8°. Dieses Format blieb bis zur 6. Auflage 1863/1864, wobei die zweite bereits gebunden war, die 8. Auflage erschien dann im April 1864 im Quart 4°-Format.11 1864 übernahm Gustav Bauschke das „Literarische Museum“ von Gustav Wuttig und gab das Album im November in 9. Auflage heraus (auf der rechten Seite die Vierecke mit Nummern, denen auf der linken Albumseite entsprechend nummerierte Informationstexte entsprachen).12 Damals konnte dieses Album wohl rund 1 000 bis 1 200 Marken fassen. Die 14. Auflage erschien 1867, aber nunmehr im Hochformat 4°. Die 15. Auflage von 1868 erfuhr sogar eine Übersetzung in die holländische Sprache, nachdem bereits zuvor eine englische Ausgabe erschienen war. 1868 verkaufte Bauschke das Literarische Museum an seinen Mitarbeiter Julius Kümmel, der bereits 10 Theodor Haas vermutete, dass ein gewisser M. Schloss dessen Urheber war. Siehe: Haas, Lehrbuch der Briefmarkenkunde, Leipzig 1905, S. 530, S. 533. Alfred Moschkau beschrieb die einfache Gestaltung im „Illustrirten Briefmarken-Journal“ 1880 (S. 90) und Louis Senf wusste sich in der Zeitschrift „Die Post“ (Nr. 4/1912, S. 50) noch daran zu erinnern, dass nicht nur Wuttig in Leipzig, sondern auch die Fa. Ruhl <1862?> ein aus einzelnen Kartons mit Carrés ohne jede weitere Bezeichnung für die Aufbewahrung von Briefmarken herausgebracht habe. 11 Alfred Moschkau schrieb im Januar 1912 (siehe: „Der Philatelist“, 1912, S. 5) allerdings, dass das erste Album im Großoktav erschienen sei, 1862 das erste deutsche Marken-Album von G. Wuttig ein „kastenartiges Buch in Form der alten Stammbücher“ gewesen sei, in dem „eine Anzahl weißer Blätter mit rotem Quadrat-Vordruck“ lagen. Dem Autor liegt selbst nur eine 5. Auflage von 1863 (128 Seiten, Format ca. 15 cm breit, 20 cm hoch) vor, die tatsächlich diese Vordrucke auf den Blättern enthielten, allerdings auch schon Länderbeschreibungen. Gleiches gilt für das zweite in Deutschland noch nachgewiesene Exemplar (3. Auflage, 1863), das der Bund Deutscher Philatelisten besitzt. 12 Bauschke gab neben dem „Album für Briefmarken“ auch ein „Album Timbres-Poste“, also eine französische Ausgabe heraus, die erstmals am 1. Dezember 1865 erschien. Die zweite Auflage kam 1869 auf den Markt und war dann von seinem Nachfolger, Julius Kümmel, der 1869 das „Literarische Museum“ übernommen hatte, bearbeitet. 1867 versuchte sich Bauschke auch an einem Album für den englischen Markt: „Illustrated Postage Stamp Album, das in Leipzig erschien. Die zweite Auflage kam ein Jahr später auf den Markt, die dritte 1869, die beiden letztgenannten wurden ebenfalls von Julius Kümmel bearbeitet. 46 | zwei Jahre zuvor die Neuauflagen des Albums, aber auch die seit 1866 erscheinende Fachzeitschrift „Der Briefmarken-Sammler“ redaktionell betreut hatte. Ab der 18. Auflage 1869 war Julius Kümmel Herausgeber des Albums. Kümmels Frau, Theodore Rosalie Luise Kümmel, geb. Helfer, starb am 27. September 1870, Gustav Wuttig im gleichen Jahr und eine vorerst letzte, nämlich 19. Auflage war 1870 zu verzeichnen. Infolge seines zunehmenden Alkoholismus ruinierte Kümmel das zuvor erfolgreiche Verlagsgeschäft (ab 1868 gab er auch den in elfter Auflage zuvor von Gustav Bauschke bearbeiteten „Katalog aller bekannten, seit 1840 emitierten Briefmarken“ im Verlag des Literarischen Museums heraus). Um 1875 verkaufte Kümmel alle Rechte und Reste an Louis Senf in Leipzig und wanderte schließlich, nicht weit vom 50. Lebensjahr entfernt, in die USA aus, wo sich seine Spuren verloren. Eine letzte Auflage dieses ältesten deutschen Albums für Briefmarken, gilt es gesondert zu erwähnen, die 20. Auflage von 1878, die allerdings unter dem mehrsprachigen Titel „Album International pour Timbres Postes – Internationales Briefmarken-Album – Universal Stamp Album“ von dem Leipziger Verleger und Briefmarkenhändler Louis Senf vermarktet wurde. Die Sonderstellung dieser letzten Auflage ist nicht allein deshalb erwähnenswert, weil Senf 1878 wegen eines zu dieser Zeit anhängigen Prozesses um das Schaubek-Album keine andere Wahl hatte, auf dieses alte ebenfalls Jahre zuvor von ihm erworbene Produkt zurückzugreifen, sondern weil eine erhalten gebliebene Luxusausgabe dieser 20. Auflage Ende 2012 bei der IPHLA 2012 Mainz, während einer Auktion des Wiesbadener Hauses Heinrich Köhler, den höchsten Preis erzielte, der jemals für ein Album gezahlt wurde: 13 500 Euro, mit Aufgeld über 16 000 Euro! Angesichts der einmalig frischen, unberührten Erhaltung, dank höchster damaliger Buchbinderkunst gebunden in Pergament bei Gerhold’s graphischer Anstalt zu Leipzig und verschwenderisch mit Gold verziert. Das Album kostete bereits 1878 60 Goldmark, was einundeinhalb Monatslöhnen eines normalen Arbeiters entsprach. Die zweite Linie der frühen deutschen Alben-Entwicklung führt ebenfalls ins Jahr 1862 zurück nach Leipzig, wo Friedrich Ludwig im Verlag von G. E. Schulze in Leipzig ein „Briefmarken-Album“ erscheinen ließ. Die ersten Ausgaben dieses „Briefmarken-Album“ der Dürr’schen Buchhandlung in Leipzig, das wohl dem Formatvorbild der Lallier-Alben im Querformat folgte, umfasste 150 Seiten im Groß 8°-Format mit Landesname und Markenumrandungen und wurde bei G. E. Schulze in Leipzig verlegt. Meist findet man – Victor Suppantschitsch und Carlri- ____________________________________________________________________________________ chard Brühl folgend – für eine zweite Auflage das Jahr 1864 oder sogar 1865 angegeben, was aber kaum zutreffen kann, denn schon in dem Dürr’schen BriefmarkenKatalog, der erstmals im Oktober 1862 erschien, wird für dieses Album – aber in zweiter Auflage! – auf der letzten Seite geworben. So darf man eher annehmen, dass diese Zweitauflage bereits Ende 1862 erschienen ist. Wohl beide Auflagen, auf jeden Fall die zweite Auflage, erschienen in Form gebundener Alben-Bände und zwar in vier verschiedenen Qualitäts-Ausführungen, von denen die dritte Auflage auf 1863 und – wenn überhaupt – die vierte auf 1864 zu datieren ist, sofern sie nicht schon 1863, aber wie üblich vordatiert, erschien.13 Dafür spricht eine Werbeaussage in der zweiten Auflage des Dürr’schen Kataloges, in dem die Rede davon ist, dass die Alben „in der Dürr’schen Buchhandung in Leipzig in vielen Auflagen erschienen“ seien. „Viele“ – zwei oder drei sind nicht unbedingt viele, wie schon Norbert Röhm zu Recht annahm. Da heute nicht mehr genau zu eruieren ist, inwiefern hier die vier unterschiedlich teuren und ausgestatteten Albenarten mit zu den Auflagen gezählt wurden, lässt es sich letztlich nicht mehr genau bestimmen, wie viele tatsächlich schon 1863 oder dann 1864 erschienen sind. Tatsache ist, dass diese Alben im Quer-4°-Folioformat, dem Lallier’schen Beispiel folgend, herausgegeben wurden, weiterhin bearbeitet von Richard Claudius, nunmehr mit 128 Seiten Umfang. Spätestens im April 1865, vielleicht auch ein Jahr früher, kam es zur fünften Auflage, was zeigt, dass auch dieses Album sehr gefragt war. 1866 wurde dieses Claudius-Album bereits in sechster Auflage herausgegeben. Erst zwei Jahre später, 1868, stellte Alwin Zschiesche, der im gleichen Jahr die Bearbeitung übernahm, das Querformat erneut um, nun auf ein größeres Hochformat: Auf den linken Seiten waren nun Abbildungen, rechts die Markenfelder. In dieser Form erschienen eine neu gezählte erste und zweite Auflage 1869 und 1870. Erst mit dem Erscheinen eines eigenen „Illustrierten Briefmarken-Album“ im Juni 1872 stellte die Dürr’sche Buchhandlung die Produktion ein. Dieses Album erlebte einen großen Erfolg, weil es erstmals dreisprachig mit 720 Markenabbildungen versehen war. Bis 1893 wurde das Album von Zschiesche in insgesamt zwölf Auflagen gepflegt und in diversen Ausgaben wohl über 200 000 Mal verkauft, bevor Zschiesche es 1893 an den Leipziger Verleger Ernst Heitmann veräußerte.14 13 Vgl. hierzu Norbert Röhm: Anfänge der Philatelie vor 130 Jahren. Die Briefmarkensammlungen, in: Philatelie und Postgeschichte Nr. 113/1990, S. 45–46 14 1863 soll auch ein Album der Firma Calvary & Co. in Berlin herausgegeben worden sein. Nach Louis Senf (vgl.: Berliner Briefmarken- Ein Blick nach England zeigt, dass dort zur annähernd glei chen Zeit, ab Januar 1863, ebenfalls erste Albenprodukte angeboten wurden, die mit dem Namen eines Lehrers, nämlich Edward A. Oppen verbunden sind. Dessen „Postage Stamp“-Album (der vollständige Name lautete: „Postage Stamp Album, and Catalogue of British and Foreign Postage Stamps“ war das erste, das in kombinierter Form von Album und Katalog erschien und in England verlegt wurde, dabei mehrere Auflagen erlebte.15 Oppen gehört auch zu den frühen Katalogherausgebern in England, dessen Kataloge und Alben (letztere ab der 8. Auflage) von 1866 bis 1891 durch Dr. Charles W. Viner redaktionell besorgt wurden. Bis zur 5. Auflage (Oppens starb 1864) wurden die Albenkataloge von Henry Whymper betreut16, danach, also ab der 6. Auflage, war Dr. Charles Viner dafür verantwortlich. Die Kongruenz des Oppen-Albums zum Katalog erklärt sich daher, dass die Kataloge Anhänge zum Album waren. Von der vierten Auflage existiert allerdings auch ein Separatdruck des Kataloges. Nahezu zeitgleich, Ende 1862, ist ein Album einer weiteren englischen Firma zu nennen, das den Titel „The PostageStamp Collector’s Pocket Album. With a complete table of all the known Stamps“ trug. Es wurde in London von Johnson & Rowe verlegt und bestand aus rund 40 Seiten und einer sechsseitigen Einführung („Table of the number of Postage Stamps issued by different Countries, States etc.”. Eine zweite Auflage wurde für März 1863 angekündigt, allerdings ist nicht bekannt, ob diese jemals erschienen ist. Mit kaum nennenswert zeitlicher Verzögerung trat auch Jean Baptiste Moens 1862/63 in Belgien mit einem Album an die Öffentlichkeit. Sein „Album Timbres Postes“ Zeitung 1910, S. 215) erschien dieses Album allerdings erst 1865, wofür auch eine Notiz in der Zeitschrift der Gebr. Spiro „Der deutsche Briefmarken-Sammler“ (Nr. 3/20. Februar 1865, Seite 22) sprechen könnte, wenngleich Theodor Haas in seinem „Lehrbuch der Briefmarkenkunde“ das Jahr 1863 als Erstausgabejahr nannte. Es handelte sich um ein kleines Album mit Relief-Einband, das zahlreiche Illustrationen enthalten haben soll. David Beech, Kurator der philatelistischen Abteilung der British Library in London, führt in einer Auflistung der dort vorhandenen alten Alben ein „Post Marken Album“ (Ausgabejahr 1865) mit Verlag in Berlin auf, bei dem es sich eventuell um das hier in Frage stehende handeln könnte (vgl. Philatelic Literature Review Vol. No. 54, 1. Quartal 2005, S. 16). 15 Brühl datiert das Erscheinen der Erstauflage dieses Albums in das Jahr 1863, vgl. Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, S. 713, aber es könnte auch bereits Ende 1862 erschienen sein. 1863 erschienen zwei weitere Auflage, 1864/65 weitere drei. 16 Bei Wikipedia (http://en.wikipedia.org/wiki/Edward_A._Oppen) findet sich der Hinweis auf eine Buchrezension der 2. Auflage, in der es im The National Postage Stamp Express, 15 March 1864, p.13, hieß: „... much improved by that prince of engravers, Henry Whymper.“ | 47 ____________________________________________________________________________________ erschien zuerst im kleinen Quart-Querformat und erlebte bis 1887 über 16 Auflagen, wobei die siebte Auflage 1868 unter dem Titel „Album illustré pour timbres-poste“ erschien und auf 332 Seiten erstmals über 400 Abbildungen enthielt. Ein Jahr später waren es 537, bei der 9. Auflage 1872 dann 780 und die zehnte aus dem Jahre 1874 hatte sogar 1 100. Allerdings wurden diese Abbildungen jeweils auf der linken Seite beim Katalog untergebracht, so dass auf der rechten nur die jeweiligen Markenfelder zu sehen waren. Wenig bekannt ist die frühe Alben-Entwicklung in den Niederlanden, denn auch dort gab es bereits 1863 ein erstes „Album voor postzegels – voor elk werelddeel in alphabetische orde gerangschikt en geillustreerd met de wapens der verschillende landen“.17 W. F. Dannenfelser, der im gleichen Jahr sein „Vade-mecum“ publiziert hatte, gab auch dieses Album heraus, von dem 1863 nicht nur die erste, sondern auch bereits eine zweite Auflage in Utrecht erschien. Diese „2e druk“, die zweite Auflage, hatte einen Umfang von 120 Seiten, erschien nach dem „Vademecum“, bezog sich aber bereits darauf und die Wappen waren in farbiger Lithografie wiedergegeben. 1868 erschien das Dannenfelser-Album in dritter Auflage („Album voor postzegels: naar het Hoogduitsch van Wuttig, Bauschke en Kümmel ... door M. J. van Hasselt), ebenfalls von Dannenfelser verlegt, nunmehr mit 161 Seiten Umfang. Eine vierte Auflage (192 Seiten) ist für das Jahr 1872 bekannt, die fünfte erschien um 1875 mit bereits 335 Seiten, eine sechste 1878 mit 258 Seiten in leicht größerem Format und eine siebte mit 275 Seiten ist für das Jahr 1882 von Dannenfelser belegt. Ein kurzlebiges und ungewöhnliches Werk bleibt noch für die 1860er-Jahre zu nennen. Nämlich ein 1869 von C. Rinsum in den Niederlanden veröffentlichte „Permanent Stamp Album“, welches den Text neben Englisch, Französisch, Holländisch auch in deutscher Sprache enthielt. Es hatte einen Umfang von 227 unnummerierten Seiten im Royal-Quart-Format. Es wurde bei H. de Hoogh, einem Verleger, Buchhändler und Drucker in Amsterdam verlegt, konnte sich aber offenbar gegen andere Alben nicht durchsetzen. Es gab dieses Album auch in einer „deluxe“Ausgabe mit leicht verändertem Titel „Permanent Postage- Stamp Album in four languages, by C. van Rinsum, The only one perfect permanent. 1840–1868, Amsterdam, and H. de Hoogh“. Drei verschiedene Ausführungen dieses Albums wurden in der englischsprachigen Zeitschrift „Continental Philatelic Magazine“ in Nr. 4 vom Mai 1869 inseriert: 1. Stark gebunden in festem Einband (10/-), 2. 17 Die Informationen zur frühen Entwicklung in den Niederlanden stellte Jan Vellekoop zur Verfügung. 48 | mit kunstvoll geschmücktem Leinen-Einband, hübschen Design und goldenen Metallecken (12/6d) und 3. in bestem Marocco-Leder, mit eleganten Goldschmuck auf dem Titel und Goldecken (16/6d). Glücklicherweise gab es aber auch eine preiswertere Version, gedruckt in schwarz auf weißem Papier (6/-). Diese Alben zählen wie viele andere, auch die zuvor erwähnten Dannenfelser-Alben, heute zu den großen Seltenheiten der frühen Alben-Literatur. Last but not least sind die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) nicht zu vergessen. Deren erstes Sammelbuch hieß „Appleton’s Postage Stamp Album“ und wurde von der Fa. D. Appleton & Co. in New York 1863 herausgegeben.18 Der Einband des oktav-großen Albums bestand aus dunkelrotem Leder, in das der Titel „Album for Postage and Other Stamps, American and Foreign“ eingeprägt war. Es hatte bereits 208 Seiten Umfang, maß 18,5 x 23,5 cm und wies Felder für rund 4 000 Marken auf. Es waren keinerlei Illustrationen oder Markenbeschreibungen, bestenfalls kurze Angaben zu den Ländern mit dem jeweiligen Wappen enthalten, ansonsten nur leere gerahmte Markenfelder, die allerdings auf den Seiten gegenüberliegend angeordnet waren. Diese gab es für ca. 150 damals schon als Wertzeichen verausgabend geführte Gebiete, die wiederum in sieben „Kapitel“ eingeteilt wurden: Nord America; West-Indies, British Posessions, Spanish Possessions, Cuba und Puerto Rico, French Possessions, Danish Possessions; South America; Europe; Asia; Africa; Oceania. Ebenfalls 1863, vielleicht auch 1864 kam die erste Auflage von Hill’S Boston Album heraus, das weitaus aufwändiger als das doch recht einfache Appleton-Album fabriziert worden war. Herausgeber und Verleger waren W. H. Hill & Co. aus Boston, Redakteur und Autor ein Mr. M. Bennett aus Hartford, Connecticut. In einer Werbung, die im Februar 1868 im „American Stamp Mercury“ erschien, hieß es über das Album: „Hill’s Boston album contains places for three thousand stamps, including United States Revenues; is divided into countries, each country having sufficient squares for all past, present, and future issues, with 18 Angeblich gab es neben diesem großformatigen Album bereits eine kleinere Ausgabe im Dezember 1862. Die Firma Appleton & Co. konnte dies später mittels eigener Archivinformationen zwar nicht bestätigen, so dass die Aussagen eines frühen Sammlers hier bislang unbestätigt sind. Die Redaktion beider Alben wird J. Walter Scott zugeschrieben, der dies allerdings selbst nie bestätigte. Vgl. www.apfelbauminc.com: The Evolution of the Stamp Album, from Lallier to Mekeel. Ein Autor dieses Beitrages, der diesen wohl vor ca. 100 Jahren schrieb, wird dort leider nicht benannt, aber es handelt sich um den Beitrag von Lewis G. Quackenbush, den dieser im „Philatelic Journal of Great Britain“ (Vol. 11, 1894, Nr. 4, S. 156–169) veröffentlichte. ____________________________________________________________________________________ places fort he coat of arms and flags of each country. It is printed in carmine ink, on extra fine paper, and ist he best album published in America, cloth, gilt sides, $ 3; post free, $ 3,25.“19 Eine zweite Auflage dieses Hill-Albums soll 1865 erschienen und von S. Allan Taylor durchgesehen worden sein, letztlich dennoch viele Fehler enthalten haben. Vergleichbar unvollkommen war ein Versuch von Willard K. Freeman aus New York 1865, dessen nach ihm benanntes Album ebenfalls keine weite Verbreitung fand.20 Weitere Alben erschienen von John Walter Scott in den USA ab Juli 1868.21 Dieser hatte sich bereits um 1863/64 in New York als Briefmarkenhändler etabliert, stieg aber erst vier Jahre später ins Albengeschäft ein, dann aber so erfolgreich, dass er seine Konkurrenten Appleton, Hill und Freeman und deren Albenprodukte schnell vom Markt verdrängte. Lange Zeit hatte man immer angenommen, die ersten Scott-Alben seien erst ab 1876 erschienen, was aber George T. Turner schon vor fast 45 Jahren widerlegt hatte.22 Der Titel „American Album for foreign postage stamps“ zeigte die Zweckbestimmung des Albums für ausländische Marken an und war in Gold auf die reichlich ornamentierte Vorderseite des Leder-Albums geprägt, das Blätter mit Vordruckfelder für Marken bis Juli 1868, aber auch noch Leerfelder zur Ergänzung enthielt. Das grüne Album – noch im vergleichbaren Format von Appleton’s Alben – hatte die Größe von 9 ¼ x 7 ¼ inch (hochrechteckig 24 x 18,5 cm), enthielt keine Abbildungen oder Landkarten, nur die Landesnamen und Hinweise zu Farben der einzelnen Marken. Es kostete in der einfacheren Leinenausgabe 2,50 $, in der „French Morocco“-Ausgabe 4,50 $. Eine zweite Ausgabe erschien am 15. Oktober 1869 unter dem Titel „Scott’s American Postage Stamp Album“, nunmehr im französischen Format von 7 x 10 inch (17,5 x 27 cm), ähnlich wie die Lallier-Alben. Jede Seite hat nun ein eigenes Layout, es gab kurze Hinweise zu den einzelnen in die Felder einzufügenden Marken, außerdem wurde ein stärkeres Papier benutzt, was die Preise des Albums auf fünf bis sechs Dollar verteuerte, je nach Ausführung. Damit war dieses Album weit besser als Appleton’s Konkurrenzausgabe und kam bei Sammlern gut an, zumal es aktueller war. Im Juni 1870 erschien die dritte Auflage, dieses Mal nun mit beidseitig bedruckten Albenseiten. Zuvor war aber 19 Vgl. www.apfelbauminc.com (siehe Anm. 18) 20 Vgl. www.apfelbauminc.com (siehe Anm. 18) 21 Vgl. Robert Obojski: Vintage Albums, in: Scott’s Monthly Stamp Journal, Vol. 59, No. 3/März 1978, S. 4ff. 22 George T. Turner: A Century, 1868–1968, Scott’s Albums, in: Scott’s Monthly Stamp Journal, Vol. 49, No. 1/März 1968, S. 1ff. schon im Januar 1869 „The Philatelist’s or Scott’s American Postage Album“ erschienen. Dies zu erwähnen, ist hier wichtig, denn es wurde von Scott als spezielles Album für Anfänger angepriesen. Enthalten waren quasi auch eine bis 1868 geführte Liste aller erschienenen Briefmarken und 6 000 Markenfelder. Die Auflage soll 15 000 Exemplare betragen haben und das Album war zu einem Preis von einem Dollar vergleichsweise günstig. Die 4. Auflage von 1871 trug noch den alten Titel, aber die 5. Auflage von 1872 hieß aus heute unbekannten Gründen plötzlich „Common Sense Stamp Album“. Drei oder vier neue Auflagen, nunmehr jeweils mit Holzschnitten von Abbildungen ausgestattet, erschienen bis 1875, bis erstmals das „International Postage Stamps Album“ herauskam, das nun 1 000 Markenabbildungen in guter Ausführung enthielt, während Scott’s Holzschnitte in der 1872er-Ausgabe des „Common Sense Postage Album“ doch noch an Qualität arg zu wünschen übrig ließen. Scott’s „International Postage Stamps Album“ wurde in den 1870er-Jahren zu dem führenden Album seiner Zeit in den USA und war durchaus dem „Imperial Stamp Album“ der namhaften Firma (von Edward) Stanley Gibbons in England vergleichbar, dessen Erstauflage 1870 erschienen war und 1876 bereits die dritte zählte. Ihm knapp voraus ging das V.R.-Album von Stanley Gibbons, ein deutlich schlichter gestaltetes Produkt, das bereits um 1868/69 erschien, aber auch eine Art erstes PermanentAlbum, das 1869 von dem bekannten englischen Briefmarkenhändler und Verleger H. Stafford Smith auf den Markt gebracht worden war. Dieses Album war sowohl für Marken wie für Ganzsachen geeignet, richtete sich allerdings mehr an Spezialisten als an Anfänger. Mit der 7. Auflage des „Imperial Stamp Albums“, betreut von Major Edward Dennis Bacon, wurde das Album 1892 eingestellt. Damit blickt man aber bereits auf die 1870er- und später nachfolgende Jahre, in denen sich weltweit die Namen von Herausgebern ebenso mehrte wie die Zahl der Ausführungen und Formate diverser Alben. Darauf kann hier schon aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden, weshalb noch einmal auf die wirkliche Pionierzeit der 1860er-Jahre zurückzukommen ist. In Deutschland gab es weitere teils kurzlebige Versuche heute meist völlig unbekannter Albenverleger, die solche Produkte auf anderen Wegen außerhalb der Philatelie vermarkteten. Zum Beispiel ein „Briefmarken-Album“ von W. Eims in Halberstedt 1864, das allerdings wie auch das zuvor bereits in einer Fußnote erwähnte Produkt von Calvary & Co. in Berlin nicht direkt von den Herstellern herausgegeben und vertrieben wurde, sondern über die damalige Weltfirma François Vité in Berlin, die stark mit eigenen | 49 ____________________________________________________________________________________ und fremden Produkten im Papier-, Schreib- und Lederwarenhandel vertreten war. Es war sehr preiswert für 10 Sgr. zu erhalten. Diese Vité-Alben enthielten ebenfalls nur Markenumrandungen, eine kleine Beschreibung der Marken sowie Wappen und Abbildungen der Herrscher. In den 60er-Jahren waren noch keine Markenabbildungen enthalten, erst ab Beginn der 70er-Jahre wurden diese aufgenommen. Max Wilferodts Name ist 1865 verknüpft mit der Herausgabe eines einseitig bedruckten sehr preiswerten Albums, das im kleinen Mittelquart-Format erschien, In den Auflagen von 1865/70 waren nur Markenfelder mit Ländernamen auf den einseitig bedruckten Blättern enthalten, danach wurden auch Text und Marken als Seitenschmuck eingeführt. Die letzten Auflagen erschienen wohl Anfang der 80er-Jahre.23 Spielte Deutschland in den frühen Jahren philatelistischer Literatur nicht die erste, bestenfalls stets nur eine der „ersten Geigen“, war dies auf dem Gebiet der AlbenLiteratur eher anders. Hier waren rührige Leipziger Verleger von Beginn an mit dabei und diese Übersicht wäre sicherlich nicht vollständig, ohne noch einmal auf Gustav Bauschke aus Leipzig zurückzukommen. Ende der 1860er-Jahre hatte nämlich Gustav Bauschke sein Briefmarkenalbum an seinen Mitarbeiter Julius Kümmel verkauft und war nach Dresden übergesiedelt. Dort sah er die Sammlung von Alfred Moschkau. Diese war auf leeren Blättern aufgebaut, um die Moschkau Markenumrandungen gezogen hatte, wobei Jahreszahlen und Farbangaben zusätzlich vermerkt wurden. Die Sammlung war derart komplett, dass Bauschke erneut seine Albumidee auf Grundlage dieser Sammlung realisierte, dessen erste Auflage im August 1870 bei seinem Freund und Verleger Eduard Wartig in Leipzig erschien. Wie bereits zu Beginn dieses Kapitel ausgeführt, allerdings nicht unter eigenem Namen, sondern mit einer Art Pseudonym, einem Anagramm, nämlich SCHAUBEK, was nichts anderes als eine Umstellung der Namensbuchstaben bedeutete, Bauschke aber vor einer juristischen Auseinandersetzung mit seinem früheren Mitarbeiter bewahrte. Das Album war nur einseitig – rechts – bedruckt, noch ohne Abbildungen, dafür aber mit Umrandungen für KuvertAusschnitte. Es erschien schon im September 1871 mit einer zweiten Auflage24, wobei jedes Album 28 ½ Druck23 Norbert Breunig – in DBZ 6/1961, S. 453 – kannte allerdings nur drei Auflagen: 1865, 1868 und 1870 und er bezeichnete die letztgenannte auch als die zuletzt erschienene. 24 Nach Norbert Breunig, siehe: DBZ, Nr. 6/1961, S. 453, erschien diese angeblich erst 1873, aber in diesem Jahr besprach – so Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie, Band 2, S. 717 – Alfred Moschkau bereits die dritte erschienene Auflage, die in sieben ver- 50 | bogen stark war. Moschkau fühlte sich durch dieses Album so geehrt, dass er diesem höchstes Lob aussprach und enthusiastisch formulierte, dass es „an Zweckmäßigkeit und Originalität alle bisherigen übertrifft“ und „mit ihm ... ein großer Schritt zum Besseren gethan worden sei.“25 Das Lob mochte stimmen, trug aber der Tatsache, dass auch dieses neue Album die Felder für die Ganzsachenwertstempel viel zu klein vorgab, keine Rechnung. Bis 1876 erlebte dieses Album drei Auflagen zu je 10 000 Stück, dann erwarb es im Herbst des gleichen Jahres Louis Senf zum Preis von 10 500 RM, da Bauschke Anfang August 1876 geisteskrank geworden war.26 Senf baute das Album weiter aus, die Bearbeitung übernahm Alfred Moschkau, hatte aber kaum ein Jahr später Ärger mit dem Verleger E. W. Grossmann aus Dresden, der Bauschke zwischenzeitlich beschäftigt hatte und nun versuchte, eigene Rechte an dessen vormaligem Album geltend zu machen. Die Folge war, dass ei großer Teil der Produktion der 4. Auflage von 1877 nicht mehr verkauft werden durfte. Der nachfolgende Prozess streckte sich bis Anfang 1879 hin, so dass Louis Senf sich genötigt sah, 1878 erst einmal statt des Schaubek-Albums die 1875 von ihm von Julius Kümmel erworbene Albenproduktion („Internationales Briefmarken-Album“, 20. Auflage) weiterzuführen, bis die Gebrüder Senf 1883 mit einer neuen nunmehr illustrierten Ausgabe des Schaubek-Album aufwarten konnten. Denn bis dahin erschien das Schaubek-Album nur in deutscher Sprache und ohne Abbildungen. Es trat seinen Siegeszug an, als Mitte der 80er-Jahre Holzschnitt-Abbildungen integriert und dann auch eine englische und französische Ausgabe angeboten wurden. 1894 verkaufte Richard Senf, seit 1890 alleiniger Inhaber der Firma Gebr. Senf, die Rechte des Schaubek-Album an C. F. Lücke, der es fortan bis zum Jahr 1930 verlegte, als es in den Besitz der Leipziger Familie Junck überging.27 Es ist das eines der wenigen, vielleicht gar das einzige der frühen Alben, schiedenen Ausgaben angeboten wurde, wobei Brühl allerdings die Erstausgabe in das Jahr 1871 datiert. Diese ist allerdings, wie man Bauschkes eigener Zeitschrift entnehmen kann, bereits seit Sommer/Herbst 1870 vermarktet worden. 25 Alfred Moschkau: Wasserzeichen, S. 11; hier zitiert nach Carlrichard Brühl, Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, S. 717 26 Zutreffend ist, dass Bauschke 1878 (nicht 1876, wie Carlrichard Brühl, in seiner Geschichte der Philatelie, Band 2, Hildesheim 1986, auf S. 723 schrieb) in der Irrenheilanstalt in Colditz verstorben ist. Aber Brühl wies darauf hin, dass diesem Ende ein Unterschlagungsversuch und bei dessen Aufdeckung und nachfolgender Verhaftung ein Tobsuchtsanfall Bauschkes vorangegangen sei, der erst die Einweisung in die Anstalt erforderlich gemacht habe. Belege für diese Hypothese konnten bis heute nicht gefunden werden. 27 Die Angabe des Jahres 1893 bei C. Brühl in seiner „Geschichte der Philatelie“, Band 2, S. 724, ist unzutreffend, denn der Vertrag, ____________________________________________________________________________________ das über viele Jahrzehnte, letztlich bis zur Gegenwart, kontinuierlich fortgeführt wurde. Kehren wir noch einmal nach Spanien zurück, wo 1879 das erste Album des Briefmarkenhändlers Placido Ramón de Torres in Barcelona unter dem Titel „Álbum ilustrado para sellos de Correo y Telégrafos“ erschien. Es enthielt 252 Seiten im Hochformat sowie 3.982 Illustrationen von Marken aus aller Welt. Das Album bot den Vorteil, sowohl Platz für jede dieser Marken, aber auch Katalognotierungen für deren ungebrauchte und gestempelte Erhaltung einzuschließen. Es wurde in hoher Auflage in vier verschiedenen Ausführungen vertrieben. 1895 brachte Francisco Cayuela, ein Briefmarkenhändler aus Madrid, die Erstausgabe seines „Album para sellos de Correos y Telégrafos de España y sus posesiones“ heraus. Erstmals überhaupt berücksichtigte dieses Album nur die Marken von Spanien und dessen Kolonien, denn die „Alle-Welt-Alben“ wurden immer voluminöser. Es hatte ein Hochformat, war ansprechend gestaltet, war allerdings ohne Abbildungen. 1897 und 1899 gab Cayuela zwei weitere ergänzte und überarbeitete Auflagen heraus, die in diversen Leder- und Leinen-Einbänden erhältlich waren. 1898 veröffentlichte Miguel Gálvez Jimenez, Nachfolger von Leopoldo Lopez, die Erstauflage seines „Album para Sellos de Correos y Telégrafos de España y sus Colonias“. Es enthielt 90 Seiten in großem Format und war mit einigen Illustrationen ausgestattet, schloss aber auch eine große Breite von Varietäten ein, so dass man es als erstes spanisches Spezial-Album ansehen kann. Es gab dieses in Leder- und Leinen-Ausführung. Soweit es Portugal angeht, brauchte es bis zum Jahr 1894, bis das erste Album in Lissabon von Faustino A. Martins herauskam. Die erste Auflage seines „Album illustré pour Timbres-Poste du Portugal et Colonies, contenant 775 cases por les timbres“ hatte 69 Seiten und zusätzliche weiße Vakatseiten, war aber – der Titel legt dies bereits nahe – in französischer Sprache abgefasst. Wahrscheinlich wurde es als separate Broschüre gegen Ende 1895 veröffentlicht. dessen Original dem Autor vorliegt, weist das Datum vom 12. März 1894 aus. Bezieht man den ersten Zehnjahreszeitraum weltweiter Philatelie ein, sind – soweit bisher bekannt – aus anderen Ländern als Frankreich, England, Belgien, Deutschland, USA und den Niederlanden keine Hersteller bekannt, die sich mit einer Eigenproduktion solcher Albenprodukte auszeichneten.28 Zwar gab es für Spanien und vielleicht auch andere Länder Alben in eigener Sprachausführung, aber diese entstanden nicht im eigenen Sprachumfeld. In der Mehrzahl gelten all diese Alben heute als Seltenheiten, die Mehrzahl – zumal in guter präsentabler Erhaltung (also ohne Ausschnitte und ähnliche Zerstörungen) – als Raritäten. Dies mag verwundern, sind doch aus dieser Zeit reichlich Briefmarken in allen gewünschten Erhaltungsstufen auf dem Markt. Seine Erklärung findet dieser Raritätsfaktor mit zweierlei Gründen: Die ersten Alben waren keine Permanentalben, d.h. mit jeder (jährlichen) Neuausgabe hatte der Besitzer seine Marken „umzukleben“, was in der Regel auf die teilweise oder gar vollständige Zerstörung des Vorgängeralbums hinauslief, da die Marken selbst ja meist vollflächig mit Gummi Arabicum, fast wie mit Zement befestigt waren. Der zweite hier anzuführende Grund ist die Tatsache, dass nur bis zum Ende des 19. Jahrhunderts Alben direkt als Literatur gewertet und angesehen wurden. Suppantschitsch führte sie in seiner großartigen Bibliografie noch auf, Crawford 1911 bereits nicht mehr. Nicht nur die Zahl der damals existierenden Alben war bereits unüberschaubar, auch die Ausführungen ähnelten einander immer mehr und verloren dabei zunehmend mehr den zuvor bei vielen vorhandenen lexikalischen oder katalogbezogenen Charakter. Damit wurden sie bei Verzicht auf literarische Individualität endgültig zu einem Massenprodukt bis hin zu den Vordruckalben heutiger Tage. 28 Dr. Andrey Strygin erwähnt in einem Beitrag „The birth and development of Russian philately“ (in: OPUS XII 2012 der AEP, S. 7) ein bereits 1866 in St. Petersburg angebotenes Album einheimischer Produktion. Nähere Angaben zu diesem Album fehlen allerdings. | 51 ____________________________________________________________________________________ 3 Philatelie in der Krise – Neuanfänge (ca. 1871–1885) ____________________________________________________________________________________ Dieses Thema mag in einem solchen Buch überraschen, zumal es bislang selten eingehendere Behandlung gefunden hat. Aber Philatelie als Hobby, besonders aber die kommerzielle Produktion von Fachzeitschriften und Büchern, steht in direktem Zusammenhang mit politischgesellschaftlichen, aber auch daraus resultierenden wirtschaftlichen Zusammenhängen, z.B. der Prosperität oder des Niedergangs. Verständlicherweise zeigen solche Entwicklungen auch Folgen für die Philatelie, sei es für Neigungen, Vereine zu gründen, Bücher zu schreiben oder Zeitschriften zu abonnieren. In unsicheren Zeiten, in denen die Wirtschaft darniederliegt oder anderen politisch vorgegebenen Zielen zu folgen hat, wird die Philatelie als Ganzes betroffen, die Nachfrage geht zurück, damit kommt die Produktion von Literatur eher zum Stillstand. Klassische Beispiele hierfür sind gerade aus Kriegszeiten und den darin involvierten Ländern, besonders aus Deutschland und dem 20. Jahrhundert bekannt. 1915, im Ersten Weltkrieg, mussten die Gebrüder Senf ihre damals weltweit verbreiteten „Senf-Kataloge“ einstellen, da Papier zu einer kriegswichtigen Ressource geworden war und das Personal der namhaften Firma Wehrdienst zu leisten hatte. Das bekannte Briefmarkenhaus hielt sich nur mühsam mit einem arg reduzierten Mitarbeiterstab 52 | über Wasser und schaffte es gerade noch, die eigene Zeitschrift, das „Illustrierte Briefmarken-Journal“ herauszugeben. Viel schlimmer traf es alle deutschen Katalog-, Alben- und Zeitschriftenverlage im Zweiten Weltkrieg, denn im März 1943 hieß es auf staatliche Verordnung hin, jedwede literarische Produktion einzustellen. Papier war eminent wichtiges Kriegsmaterial geworden, das für Flugblätter, Plakate und dergleichen dringend benötigt wurde, zumal die Quellen aus dem Ausland zunehmend versiegten. Es ist heute eine interessante Frage, inwieweit solche und vergleichbare Vorgänge auch die Philatelie des 19. Jahrhunderts tangiert haben, welche wellenartigen Verläufe also die frühe Produktion philatelistischer Literatur in den Jahren von 1860 bis zur Jahrhundertwende genommen hat, – vorausgesetzt, solche „Wellen“, besser „Kurven“ lassen sich nachweisen. Solchen eher noch vorläufigen Betrachtungen, die künftig sicherlich durch weitere Analysen zu untermauern wären, widmet sich das erste Teilkapitel, gefolgt von Beschreibungen in den nachfolgenden Teilkapiteln, die nach den Jahren zurückgehender Produktion in den 1870er-Jahren den gegenteiligen Trend des Zuwachses und der Expansion ab den 1880er-Jahren verdeutlichen. ____________________________________________________________________________________ 3.1 Kriege in Europa und ihre Folgen für die Philatelie und Literatur ____________________________________________________________________________________ Die Zeit von circa 1860 bis 1875 ist mit Blick auf die frühe philatelistische Literatur als eine Art „Pionierphase“ zu bezeichnen. Es waren die Jahre, in denen in Nordamerika und zahlreichen Ländern West- und Osteuropas erste Publikationen entstanden, die Strukturen und „Formate“ schufen, dank derer sich die Interessen von Sammlern und Lesern fokussierten und damit immer wieder neue Auflagen und Ausgaben von Katalogen oder neu ins Leben gerufenen Fachblättern formten. Die vorhergehenden Kapitel haben bereits deutlich gezeigt, dass gerade in Großbritannien, Frankreich, Belgien, Deutschland und Österreich sehr früh das Literaturschaffen aufblühte, aber eine differenziertere Betrachtung wird zeigen, dass dies teilweise auch nur „Eintagsfliegen“ waren, die spätere Entwicklung kaum mit der Erstentwicklung Stand halten konnte. Hier einen direkt-stringenten Zusammenhang mit dem politischen Geschehen in Westeuropa seit 1865 zu sehen, mag vielleicht nicht unbedingt auf der Hand liegen, aber einige damalige Ereignisse seien hierzu einmal in Erinnerung gerufen: • In den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) hatte der amerikanische Bürgerkriege von 1861–1865 das Land gespalten, zahllose Opfer gefordert und Menschen in Nord- und Südstaaten getrennt. Wie ein Blick in die Buchund Zeitschriftenliteratur beweist, startete die eigentliche Philatelie-Produktion – Ausnahmen bestätigen eher die Regel – erst nach Beilegung der kriegerischen Auseinandersetzung und langsamer Befriedung des Landes. • In Europa war die Lage nach den Napoleonischen Kriegen zu Beginn des 19. Jahrhunderts weit verworrener. Zwar hatte der Wiener Kongress die althergebrachte Ordnung scheinbar wiederhergestellt, ein Deutscher Bund als loser Staatenbund war gegründet worden, zu dem auch Teile Preußens und Österreichs zählten, aber gerade zwischen diesen beiden Mächten knisterte es unaufhörlich, da jeder seine Vormachtstellung behalten, ausbauen und untermauern wollte. Der deutsch-dänische Krieg (1848– 1851) gab bereits einen ersten „Vorgeschmack“, aber die latent vorhandenen Spannungen führten, ausgehend von Besitzansprüchen Preußens und Österreichs in den gemeinsam verwalteten Gebieten Schleswig und Holsteins letztlich zur offenen Auseinandersetzung. Waren diese, allerdings nur vorläufig mit der Gasteiner Konvention 1865 noch beigelegt worden – Österreich beschränkte sich dabei auf die Verwaltung von Holstein –, brach Preußen dieses Abkommen mit der Besetzung Holsteins. Es folgte die Mobilmachung in Österreich, der Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund und dessen Kriegserklärung am 19. Juni 1866 an Österreich. Bewertet man diesen Nachfolgekrieg, sieht man leicht, dass zahlreiche damalige Gebiete (Staaten) in Mitleidenschaft gezogen waren. Österreich scharte die deutschen Mittelstaaten Bayern, Hannover, Sachsen, Württemberg | 53 ____________________________________________________________________________________ und Bayern nebst diversen deutschen Kleinstaaten um sich, Preußen hatte die thüringischen Kleinstaaten, einige norddeutsche Länder sowie Italien auf seiner Seite. Preußen blieb nach vergleichsweise kurzem Kriegsverlauf in der Entscheidungsschlacht am 3. Juli 1866 bei Königgrätz Sieger, rückte bis nach Wien vor, während Österreich sich in Italien als siegreich erwies. Dank Vermittlung des französischen Kaisers Napoleon III. wurde letztlich am 23. August der Frieden mit Preußen und am 3. Oktober der mit Italien geschlossen. Für das unterlegene Österreich hatte dies Folgen. Holstein war an Preußen abzutreten, der Deutsche Bund wurde aufgelöst und die preußische Besetzung in Norddeutschland (Hannover, Hessen, Schleswig, Frankfurt etc.) war bei Zahlung einer hohen Kriegsentschädigung anzuerkennen. Venetien fiel an Italien. • Der dritte, weitaus folgenträchtigere Krieg war der Deutsch-Französische Krieg vom 19. Juli 1870 bis zum 10. Mai 1871. Folgenträchtiger allein schon deshalb, weil weit größere Bevölkerungsgruppen in den Krieg involviert waren. Auf französischer Seite waren es bei Kriegsbeginn bereits 400 000 Soldaten, auf deutscher 100 000 weniger, aber insgesamt wurden 1,4 Millionen Soldaten allein von Deutschland rekrutiert. Die Verluste waren enorm. Der Blutzoll hoch. Frankreich verlor fast 140 000 Soldaten im Felde, Deutschland knapp 45 000. Es gab eine halbe Million Gefangene und über 230 000 Verwundete. Frankreich hatte den Kriegsverlust teuer zu bezahlen: mit Abtritt der damals überwiegend deutsch- oder zweisprachig geprägten Gebiete Elsass und Lothringen. Außerdem mit einer Reparationssumme in Höhe von fünf Milliarden Franc – zu jener Zeit eine unschätzbar hohe Summe, die die gesamte französische Wirtschaft stark beeinträchtigte, während dieses ab den Jahren 1872– 1874 die deutsche Wirtschaft beflügelte und hohe Ausbaupotentiale für Rüstung (Marine) und Infrastruktur brachte. Die Urbanisierung der meisten Städte Deutschlands nahm damit einen ungebremsten Verlauf. • Zweifellos in direktem Zusammenhang – dies ist an Einzelfällen auch philateliegeschichtlich belegbar – standen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert. Der direkte Zusammenhang war in der Regel die konjunkturelle Entwicklung. So hatte infolge einer anhaltenden Wirtschaftskrise bereits 1845 bis 1865 im südwestdeutschen Raum die größte Massenemigration im 19. Jahrhundert, meist in Richtung Vereinigte Staaten, stattgefunden, die erst durch den amerikanischen Bürgerkrieg zum Erliegen kam. Der deutsch-französische Krieg war Anlass für viele junge Menschen, den Kriegsgräueln in den Ländern West- 54 | europas zuvorzukommen und mit ihrer Emigration, besser gesagt, mit ihrer Flucht, dem zuvorzukommen. Philatelistische Aspekte Von Wilhelm Faber, dem Gründer des ersten deutschen Vereins – dieser wurde im Mai 1869 in Heidelberg aus der Taufe gehoben – ist bekannt, dass er 1870 Deutschland verließ, um zu Verwandten in die USA zurückzukehren. Seine Emigration, er blieb fortan in den USA, steht durchaus in direktem Zusammenhang mit dem Krieg, ebenso das Ende dieses ersten Vereins, der ab Mai 1870 langsam erlosch. Aufschlussreicher sind aber andere Zahlen, nämlich die der veröffentlichten Fachzeitschriften während des hier zu behandelnden Zeitraumes. Dazu einige Belege: Belgien: Von 1865 bis 1875 erblickte in Belgien nur eine neue Zeitschrift – „Le Timbre Fiscal“ – , von J. B. Moens in Brüssel herausgegeben, das Leben, dies allerdings erst ab Januar 1874. Sie bestand bis Ende 1896, aber in den Friedejahren nach 1875/80 kamen immerhin sechs neue Blätter zur Welt. Deutschland: Rein nominell gesehen, sind für die Zeit von 1865–1875 insgesamt 13 neue Fachjournale zu verzeichnen. Das klingt auf den ersten Blick nicht unbedingt nach Rückgang. Aber dieser erste Blick täuscht, was man leicht nachvollziehen kann, wenn man sich diese Neugründungen näher betrachtet. Weil noch in diesen 10-Jahres-Zeitraum hineinragend, sei zuerst „Der Deutsche Briefmarken-Sammler“ der Gebr. Spiro genannt. Es erschienen zwischen November 1864 bis zum 20. Februar 1865 nur drei wenig umfangreiche Ausgaben. Die Zeitschrift war bisher nur in einem Exemplar der Britisch Library (ex Crawford) belegt; ein weiteres konnte der Autor in der Privatbibliothek von Raffaele Diena vor einem Jahr identifizieren. Die Auflage dieses von den berühmt-berüchtigten Vertreibern von privat erstellten Nachdrucken („Fälschungen“) in Hamburg herausgegebenen Blattes kann also kaum nennenswert groß gewesen sein. Vielen galt es wohl eher als Werbeblatt statt als Fachzeitschrift. Längeres Leben hatte demgegenüber die Zeitschrift „Der Briefmarken-Sammler“, die Gustav Bauschke im Januar 1866 gegründet hatte und die ab der Nr. 24 (Mitte 1868) von seinem Mitarbeiter Julius Kümmel weitergeführt wurde. Aufschlussreich ist, dass bereits 1870 statt der monatlichen Ausgaben eine Doppelausgabe erschien. Der 6. Jahrgang schloss am 25. März 1871, wobei auch die letzte Nummer vom Februar/März bereits eine Doppelausgabe war. Zufall? Wer näher hinschaut, sieht, dass es bereits seit der Nr. 44/45 (August 1870) bergab ging. Neun Sei- ____________________________________________________________________________________ ten lang konnte man „Einiges im Abriss aus den Kriegswissenschaften“ lesen, über Philatelie aber nur noch eine Seite. Nicht anders sah es mit der Nr. 46 aus und in Nr. 47 „erfreuten“ den Leser „Reisebriefe aus Strassburg“. Auch die weiteren Ausgaben enthielten kaum oder nichts nennenswert Philatelistisches mehr, bis das ehemals niveauvolle Blatt mit der erwähnten Doppelnummer einging. Wilhelm Faber aus Heidelberg wurde bereits erwähnt. Mit seinem Namen verbunden bleibt die erste philatelistische Vereins-Zeitschrift Deutschlands, „Der Bazar für Briefmarken-Sammler“. Dieser erschien mit nur elf Nummern vom 1. Juli 1869 bis 15. Mai 1870 und wurde dann ein direktes Opfer des Krieges. Vergleichsweise aufschlussreich ist „Der BriefmarkenAnzeiger“ von Arthur Wildt in Kassel, der am 15. Januar 1870 herauskam. Nur mit einer Nummer, obwohl das Inseraten-Blatt kostenlos war. Es fanden sich keine Interessenten! Weitaus besser aufgestellt war da die „Deutsche Briefmarken-Zeitung“, ein weiteres Fachmagazin von Gustav Bauschke, das er von Oktober 1870 bis Juni 1873 mit insgesamt 33 Nummern (die Ausgaben Nr. 29 und 30 sind allerdings nie erschienen) zusammen mit Alwin Zschiesche vertrieb. Dies war die einzig nennenswerte Fachzeitschrift, die zur Zeit des Deutsch-Französischen Krieges erschien und sie ging trotzdem ein, gerade als sich die deutsche Wirtschaft wieder zu erholen begann. Es mögen persönliche Gründe (Bauschkes unheilbare Erkrankung) dafür verantwortlich gewesen sein, ähnlich wie bei „A. Moschkau’s Magazin für den Sammler von Essais, Privatpost-, Wechsel-, Stempel-, Telegraphen- und Eisenbahnmarken“ (ab Nr. 4: „A. Moschkau‘s Magazin für Deutschlands Markensammler“), das nur vom 15. Juli 1871 bis Juni 1872 existierte und wegen eines verloren gegangenen und teuer zu bezahlenden Prozessverlustes eingestellt wurde. Bauschke machte übrigens noch einmal, 1874, einen letzten Versuch mit den „Philatelistischen Blättern“, die er von Juli bis Dezember mit sechs Nummern (die letzte war bereits eine Doppelnummer) herausgab, dies in Reudnitz und unter dem Deckmantel eines „Vereins von Philatelisten“. Er konnte es nicht lassen, aber seine Krankheit war zu dieser Zeit bereits zu fortgeschritten. Moschkau sind auch „Vertrauliche Mittheilungen“ seines von ihm gegründeten zweiten Deutschen PhilatelistenVereins“ in Dresden zu verdanken, die mit insgesamt vier Ausgaben von Oktober 1871 bis Juni 1875 (!) erschienen. Auch sein Versuch mit einer neuen Fachzeitschrift „Der Philatelist“ blieb bei zwei Nummern vom 1. September und 10. Oktober 1872 im Ansatz stecken. Ähnlich erging es dem „Regelmäßigen Wochen- und Marktbericht der Hamburger, Lübecker und Bremer Briefmarken-Börse“, von dem nur eine Ausgabe im September 1872 verlegt wurde. Dagegen war der „Allgemeine Briefmarken-Anzeiger“ tatsächlich längerfristig zu beziehen, nämlich seit Oktober 1871 bis Dezember 1880, aber dieses Blatt von F. W. Rademacher in Hamburg war eine Ausnahme und eher ein Inseratenblatt. Erst ab Januar 1874 erschien eine Publikation von Bestand: Das „Illustrirte Briefmarken-Journal“ der Gebr. Senf (Nr. 1–6 unter dem Deckmantel von Werninck & Co., ab Mitte 1874 bis 1880 im Verlag von Louis Senf, dann von den Gebr. Senf bis 1943). Dies war – neben der „Deutschen Briefmarken-Zeitung“ von Bauschke die einzig wirklich erwähnenswerte periodische Publikation, die Nennung verdient hat. Sie erschien aber erst – und das galt es zu zeigen – ab Januar 1874, als alle anderen Blätter längst ihr Erscheinen eingestellt hatten. Dass auch diese Zeitschrift in den ersten Jahren kein einfaches Leben hatte, beweist dessen Auflage, die wohl zwischen 300 bis 500 Exemplaren lag. Erst ab 1885 wuchs die Auflage beständig auf zuerst vier-, dann fünfstellige Zahlen an. Frankreich: Frankreich war das Land, das auch wirtschaftlich am stärksten unter dem 1870/71er-Krieg und dessen Folgen zu leiden hatte. Dies spiegelt sich auch in den Zahlen neuer Periodika. Von 1864 bis 1875 wurden nur drei neue Journale gegründet, – danach und bis 1890 waren es bereits wieder sechs. Zu nennen wäre hier zuerst der „Timbrophile“, die von Pierre Mahé in Paris von November 1864 bis Januar 1871 herausgegebene Fachzeitschrift. Sie überlegte die Belagerung von Paris nicht. Besser erging es da Arthur Maurys „Collectioneur des Timbres-Poste“, der bereits seit dem 15. Juli 1864 erschien und bis Ende 1906 bestand. Aber auch Maury legte eine (freiwillige?) Pause ein, denn 1869 erschien die Zeitschrift nicht, nachdem bereits 1868 nur eine Ausgabe (Nr. 38) herausgekommen war. Und die erste Ausgabe von 1870 war eine Doppelnummer (39–40), weitere erschienen nicht. Weder 1870, noch 1871 oder 1872. Erst im Dezember 1873 gab es die Nr. 41! Zugegeben: Auch in den Jahren danach, also bis 1885, glänzte das Blatt eher durch Nichterscheinen, und war auch bereits vor 1870 nur mit jeweils einigen Nummern vertreten, aber der Zusammenhang mit der politisch-wirtschaftlichen Entwicklung ist doch nicht zu übersehen. Erst ab 1874 kam es zu einem weiteren Periodikum, das langen Bestand hatte: „Ami des Timbres“ hieß das von Ch. Roussin in Paris herausgegebene Blatt, das bis 1902 monatlich erschien. Und erst ein Jahr später erschien das | 55 ____________________________________________________________________________________ „Bulletin de la Société Française de Timbrologie“ im Oktober 1875, eine Veröffentlichung eines namhaften Vereins in Paris, die immerhin bis zum Juli 1896 in 14 Ausgaben pro Jahr publiziert wurde. Aber auch diese entstanden erst um 1874/1875, als die größten Wunden, die der Krieg geschlagen hatte, so langsam verheilten. Österreich: Vergleichbar Frankreich lässt sich auch in Österreich der Rückschluss der Zahlen erschienener Periodika zum allgemein gesellschaftlich-politischen Geschehen ziehen. Zwar gab es im Juni 1866 mit dem „BriefmarkenAnzeiger“, einem „Organ zur Belebung und Erleichterung des Verkehrs zwischen Timbrophilen“ von Carl von Cardona in Triest einen Erstversuch, die Zeitschrift kam aber über diese erste Nummer nicht hinaus. Es ist überliefert, dass der Herausgeber damals gerade einmal 13 oder 14 Jahre alt war und dessen Vater ihm weitere publizistische Tätigkeit umgehend untersagte. War dieser Erstling ein reines Anzeigenblatt, galt dies nicht für den „Deutschen Briefmarken-Sammler“, der in Aussig – also im heutigen Tschechien – ab (Januar?) 1869 von Gustav Bauschke (dieser kehrte spätestens 1870 nach Dresden zurück) herausgegeben wurde. Das Blatt erschien in derart geringer Auflage (und ist bis heute dem Autor nicht begegnet), dass selbst Victor Suppantschitsch Jahrzehnte später Alfred Moschkau anfragte, ob es denn über offenbar drei ihm vorliegende Nummern, vermutlich die Nummern 1–3, überhaupt weitere gegeben habe, denn Moschkau hatte Anfang der 1870er-Jahre behauptet, sechs seien herausgekommen. Belegen konnte dieser es nicht und bis heute sind mehr als die drei Einzelnummern nicht bekannt und nur in ganz wenigen Bibliotheken der Welt überhaupt dokumentiert. Aber beide Zeitschriften waren – im engeren Sinne und aus heutiger Sicht – keine österreichischen Publikationen, letztere von einem Deutschen gefertigt, der nur eine Interimsphase in Aussig (heute: Ústi nad Labem) hatte. Das erste im Kernbereich Österreichs produzierte Periodikum waren die „Philatelistischen Berichte“ des Briefmarkenhändlers S. F. Friedmann, der bereits 1871/72 mit Alfred Moschkau an dessen Magazin beteiligt war und dieses jeweils vierseitige kleinformatige Blatt erschien von Juli 1872 bis Dezember 1877. Es war keine Fachzeitschrift im engeren Sinne, sondern nur jeweils eine Zusammenstellung von kurzen (Neuheiten-)Nachrichten und Anzeigen. Nimmt man den „Corriere di Francobolli“ (März 1875 bis April 1879) aus, dann war es erst Sigmund Friedls „Wiener Illustrirte Briefmarken-Zeitung“ – sie erschien ab Januar 1876 –, die als erste Fachzeitschrift in Österreich mit redaktionell eigenständiger Gestaltung zu werten ist. 56 | Dieses monatliche Magazin erschien bis Ende 1879, wurde dann aber bis in die 90er-Jahre unter dem neuen Titel „Weltpost“ fortgeführt. Das heißt: Während des Kriegsjahrzehnts von 1865 bis 1875 gab es so gut wie keine nennenswerte Fachzeitschrift in Österreich! Erst danach gab es bis 1890 sechszehn neue Blätter, darunter die im Juli 1880 erstmals herausgegebene „Wiener Briefmarken-Zeitung“ von Heinrich Koch, ein durchaus gut gemachtes Blatt. Einen eindeutigeren Hinweis auf Kriegsgeschehen und dessen Folgen kann man wohl kaum erhalten. Nicht vergessen sei die Schweiz, denn dort waren ja bereits 1864 ein erster Katalog von Wilhelm Georg in Basel, auch erste Preislisten der Fa. Chapalay Fils & Co. in Genf herausgegeben worden, denen 1865 sogar noch ein 87-Seiten-Katalog der letztgenannten Firma folgte. Danach, von 1865 bis 1875, gab es aber so gut wie keine philatelistische Literatur mehr. Bis im Oktober 1875 Eduard Riesen in Schwanden (Kanton Glarus) die erste Briefmarken-Zeitung in der Schweiz, die „Schweizerische Briefmarkenzeitung“, herausgab, der ab 1879 weitere folgten. Diese Interimsphase von nahezu zehn Jahren war wohl kaum ein Zufall, zumal es auch in der Schweiz zwischen 1865 bis 1875 zahlreiche neue Sammler und Händler gab. Man darf sie wohl in den Zusammenhang der Kontinentaleuropa stark beeinflussenden Kriegsfolgen sehen. Dass es Ländern, wie z.B. Großbritannien, die nicht an den Folgen solcher Ereignisse zu leiden hatten, anders erging, mögen einige Zahlen abschließend beleuchten. Großbritannien war ja das Land, in dem die ersten philatelistischen Publikationen bereits erschienen waren. Von 1862 bis 1864 kamen dort 26 neue Periodika auf den Markt, von 1865 bis 1870 weitere 20. Die Zahlen sanken auch in den Folgejahren kaum ab, denn von 1871 bis 1875 sind 21 zu zählen, von 1876 bis 1880 sogar 34 (davon alleine 24 im Jahr 1880) und bis 1890 traten 94 weitere ihren mehr oder weniger großen und nennenswerten Erfolg an. Dies war nahezu eine gleichbleibend bis deutlich ansteigende Kurve, völlig unbeeinflusst vom Geschehen auf dem Festland, dem Kontinent. Demgegenüber belegt das Beispiel der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) durchaus Wellenentwicklung, die sicherlich auch mit den Folgen des Sezessionskrieges bis 1864 in Zusammenhang zu bringen sind. Die erste Fachzeitschrift überhaupt („Stamp Collector’s Record“) erschien ab Dezember 1864. Drei weitere 1865, zwei 1866, fünf 1867, drei 1868, zwei 1869, drei 1870 usw. Mitte der 1870er-Jahre brach der Boom der „Eintagsfliegen“, wie es an anderer Stelle bereits einmal hieß, so richtig los. 1875 waren es nämlich bereits 13, ein Jahr ____________________________________________________________________________________ später 17 und dann mehrten sich die Zahlen von Jahr zu Jahr. Zufall? Der Autor glaubt nicht an Zufälle, wohl aber an Zusammenhänge, die es auch damals in den Vereinigten Staaten gab. Das Land hatte auch erst die Folgen des amerikanischen Bürgerkrieges zu verkraften. Die einzig nennenswerte Ausnahme war das „American Journal of Philately“, das ab 1. März 1868 von der New York Philatelic Society – teils wohl auch nach den ersten Jahren zusammen oder unterstützt von John Walter Scott (alias Alfred Turner) erschien und immerhin bis 1906 am Leben blieb. Zu der Zeit hatten bereits andere Herausgeber – namhafte Vereine, aber auch ebenso bedeutende Verleger und Herausgeber das Heft des Handelns in die Hand genommen, worüber es an anderer Stelle zu berichten gilt. | 57 ____________________________________________________________________________________ 3.2 Erste Vereine – erste Vereinsliteratur ____________________________________________________________________________________ Selbst im vereinsfreundlichen Deutschland, dessen Einwohnern man häufig nachsagt, Vereinsmeier zu sein, waren Vereine nicht zuerst da. Es dauerte fast zehn Jahre, bis sich die ersten herausbildeten. Da hatten Händler wie Sammler, aber auch die Katalog-, Fachzeitschriften sowie Albenhersteller längst feste Strukturen für die Sammlervorlieben geschaffen, aber in den Augen nicht weniger auf so manche Anforderung nicht genügend reagiert: Zum Beispiel auf die Wünsche nach direkter Kommunikation, Gedankenaustausch und Fachsimpelei besonders aber auf das stetig gewachsene Bedürfnis nach dem Schutz vor „Fälschungen“, wie Faksimiles und Nachdrucke aller Art, selbst Neudrucke damals genannt wurden. In der Philateliegeschichte waren die Deutschen nicht die ersten, auch nicht, was die ersten rein auf Briefmarken bezogenen Vereine anging. Es steht zwar zu vermuten, dass den ersten heute noch bekannten und in der Literatur datierten deutschen Vereinsgründungen lose Versammlungen gleich interessierter Sammler an verschiedensten Orten, besonders da, wo sich zuvor Börsen formiert hatten, vorausgingen.1 Hinweise verdichten den Eindruck, dass es auch in Dresden und an anderen Orten sich so abgespielt haben mag, dass in den 1860er-Jahre unreglementierte Zusammenkünfte von interessierten Sammlern sich gerade dort bildeten, wo einzelne Händler, die nebenbei auch mit Marken 1 Belegt sind solche Hinweise z.B. für Hamburg aus den 1860er-Jahren, man kennt auch Beispiele aus späterer Zeit, z.B. aus Braunschweig (vgl.: Theodor Haas: Einführung in die Briefmarkenkunde, Leipzig 1905, S. 570) oder London. 58 | schon handelten, Anlaufstation für eben diese Sammler waren. Folgende Vereinsgründungen der 1860er-Jahre sind bekannt: 1865, 01.01. „Institut de France“ – Paris: „Société Philateliqué“, gegr. von G. Herpin; Bestehen nur 1865 1867, 21.03. New York: The Philatelic Society 1869, 10.04. London: Philatelic Society London (ab November 1906: “Royal …”)2 Zu dem erst genannten Verein gab es sogar in der deutschen Fachpresse 1865 ein Hinweis, in dem es hieß: „Eine Vereinigung der vorzüglichsten Markensammler in Paris hat behufs Bildung eines Verein am letzten Decemberdonnerstage in der Wohnung des Herrn Becourt, Rue 2 Angaben nach Charles Phillips, Stamp Collecting, New York 1936, S. 315 ff. Zuweilen findet man auch abweichende Angaben, so z.B. über einen frühen Verein in Paris/Frankreich, der von Dr. Amable Legrand gegründet worden sein soll. Dabei scheint es sich aber wohl um die „La Societé Française de Timbrologie“ zu handeln, die allerdings „erst“ am 19. Februar 1874 gegründet wurde, deren erster Präsident Baron Arthur von Rothschild und deren Sekretär Dr. A. Legrand war. Offenbar hat es aber in Paris auch davor noch einen weiteren oder den von 1865 fortgeführten Verein gegeben, an dem Dr. Legrand ebenfalls federführend beteiligt war. Das Gründungsdatum des New Yorker Vereins wird durch das „American Journal of Philately“, Nr. 1/März 1868, S. 2 bestätigt, wobei dieser Verein ebenfalls nur bis 1870/71 existent war. Eine letzte Spur findet sich im „American Journal“, Juli 1871. ____________________________________________________________________________________ Babylone 48 stattgefunden. Man beschäftigt sich in diesem Vereine mit der Feststellung streitiger Punkte und ist gerne bereit, Auskunft jeder Art, welche den Briefmarkenverkehr betreffen, zu geben.“3 War zwar in England schon 1864 im „Stamp Collector’s Magazine“ die Forderung nach Vereinsgründungen gestellt worden, wurde diese zuerst in Frankreich vom „Institut de France“ im Januar 1865 mit Gründung der „Société Philateliquée“ in Paris durch den Numismatiker L. de Saulcy, den bekannten Philatelisten G. Herpin sowie E. Regnard verwirklicht. Die am 10. April 1869 gegründete „(spätere: Royal) Philatelic Society, London“ ist übrigens der einzige dieser Pioniervereine, der heute noch besteht und uneingeschränkt weltweite Anerkennung genießt. Dabei hat auch der Londoner Verein seine vereinsähnliche Vorgeschichte, die markant an die frühen deutschen Börsen der 1860er-Jahre erinnert. Denn dank Dr. C. W. Viner, der diese frühen Jahre selbst in London miterlebte und gestaltete, ist bekannt, dass sich schon Anfang der 1860er-Jahre Sammler bei einer Markenbörse in Change Alley trafen. Diese wurde einmal von der Polizei gesprengt und die Beteiligten, darunter auch Viner, landeten bei der Polizei, wo sie sich wegen störender Menschenansammlung zu verantworten hatten. Ergebnis war, dass sich Dr. Viner und seine Freunde zu einer „Art Verein“, zuerst in der Great George Street, dann in Philbrick’s Büro im „Temple“ zusammenfanden. Erst aus dieser vereinsähnlichen Organisation entstand dann 1869 die Philatelic Society London. Dieser gehörte Mitgründer Dr. Viner von 1869 bis 1891 im Vorstand an. Erst im August 1869 gründete der cand. jur. Wilhelm Faber in Heidelberg den Süddeutschen Philatelisten-Verein. Da dieser Verein nur bis Mai resp. September 1870 bestand, hatte am 1. Mai 1871 Alfred Moschkau ebenfalls sein Glück versucht und einen „Deutschen PhilatelistenVerein“ in Dresden ausgerufen. Das provisorische Comité bestand aus drei Herren und Moschkau verwies darauf, dass auch schon in England, Frankreich und den USA vergleichbare Vereine bestünden. Er rief alle Sammler auf, diesem guten Beispiel zu folgen.4 Der Verein war eigentlich nur für gut zwei Jahre halbwegs aktiv, versank dann im „Dornröschenschlaf“ und erst der Nachfolge-Verein, der Internationale Philatelisten-Club Dresden“, der am 1. Januar 1877 gegründet wurde, hatte Dauerhaftigkeit und Bestand bis heute. Folgt man Theodor Haas, wurde sogar schon ein halbes Jahr vor dem ersten Dresdner Verein, am 1. Januar 1871, in Berlin ein „Berliner Briefmarkenverein“ gegründet, allerdings scheint die bei Haas genannten Abfolge der Datumsangabe einen Satzfehler (1871 statt 1872) zu enthalten, denn es folgt bei ihm als nächster Verein der „Hamburger Philatelistenclub“, gegründet am 1. Oktober 1872. Wie ungesichert hier das Eis der Datumsbildung ist, mag auch dieses Beispiel zeigen, denn das drei Jahrzehnte später verfasste „Bundesbuch“ des „Bundes Deutscher und Österreichischer Philatelisten-Vereine“ (1901) nannte für eben diesen Verein das Gründungsdatum vom 12.11.1871.5 3 In: Der Deutsche Briefmarken-Sammler, Hrsg.: Gebr. Spiro, 1. Jg. 1865, Nr. 3, S. 21 5 Vgl. Bundesbuch des Bundes Deutscher und Österreichischer Philatelisten-Vereine, Ausgabe 1901, hrsg. Von der Bundesleitung, Mannheim 1901 4 Deutsche Briefmarken-Zeitschrift Nr. 8/1871, S. 59. Vgl. auch a.a.O., S. 72–73. Erste frühe Vereins-Literatur Der Begriff der „Vereins-Literatur“ ist sicherlich schillernd, meint aber die von einzelnen Vereinen unter oder mit ihrem Namen herausgegebene philatelistische Literatur, also Kataloge, Journale, Alben oder sonstige vergleichbare Produkte. Auch hier dürfte dazu die Zeit bis ca. 1875 von besonderem Interesse sein, zumal die Publikationen überschaubar bleiben. Sie mehrten sich erst ab den 1880erJahren allerdings drastisch, wobei auffällig ist, dass – bis auf einige wenige Vereinsjournale – kaum andere Literaturprodukte zu nennen sind, denn diese waren jeweils in privatwirtschaftlicher Hand von Verlagen. Von der 1865 gegründeten „Société Philateliqué“ ist keine eigenständige Publikation bekannt. Diesem Verein ging der zehn Jahre zuvor gegründete und häufig zitierte “Omnibus Club” 1856 voraus, in dem vielleicht auch eine – allerdings bis heute unbekannte – Zahl von Briefmarkensammlern war, aber eine Zeitschrift hatte auch dieser Verein nicht. Eine solche hatte erst die New York Philatelic Society, die ab dem 1. März 1868 das „American Journal of Philately“ erscheinen ließ, das von Beginn an eng mit dem Namen von John Walter Scott verbunden war. Bereits in der ersten Nummer schrieb Scott, „that it will the study of my life to make the AMERICAN JOURNAL OF PHILATELY second to none of our European contemporaries, in regard to information.“6 Der Gehalt des Blattes bis 1878 – dann ging die Zeitschrift erst einmal ein – war im Vergleich zu späteren Zeiten fachlich nicht allzu hochstehend (es enthielt allerdings viel zu Neuheiten, zur amerikanischen Post- und Postwertzeichengeschichte und zu generellen für Sammler damals wichtigen Fragen), auch wenn zahlreiche, meist kleine 6 American Journal of Philately, No. 1/March 1868, S. 1 | 59 ____________________________________________________________________________________ Fachbeiträge der Klubzeitschrift durchaus zu entnehmen sind und gar Abbildungen, z.B. im vierten Jahrgang 1871, bereits farbig wiedergegeben wurden. Bemerkenswert bis heute ist ein in den ersten Jahrgängen erschienener Katalogisierungsversuch aller 1868 bekannten Postwertzeichen, die allerdings nicht nach Ländern, sondern streng einer chronologischen Ordnung folgend gelistet wurden. Ein System, das sich nicht durchsetzte. Das Blatt wurde dann ab 1878 von der J. W. Scott & Cie (New York, Nassau Street) erst einmal für zehn Jahre als reines Inseratenblatt fortgeführt, bevor die „zweite Serie“ 1888 erschien, die dann durchaus den Titel eines tatsächlichen Fachblattes verdient hatte. Die Philatelic Society in London hatte in ihren ersten Jahren kein eigenes Publikationsorgan. Mitglieder bezogen andere Zeitschriften. „The London Philatelist“ erschien erst seit Januar 1892. Zuvor stand dieser älteste heute noch existierende Sammlerverein dem „Philatelic Record“ nahe, den es seit 1879 gab (bis 1895, danach ab 1896 bis 1899 unter neuem Herausgeber und Namen „The Philatelic Record and Stamp News“ und dann wieder unter altem Namen von 1900 bis 1914). Ähnlich kurzfristig wie das erwähnte amerikanische Blatt des New Yorker Clubs war die Vereinszeitschrift des ersten Heidelberger Vereins (1869/70), aber auch anderer deutscher Nachfolgevereine in Dresden (Verein deutscher Philatelisten 1871–1875; Vertrauliche Mittheilungen, nur vier Ausgaben). Regelmäßiger erschien dafür „Die UNION“ als „Deutsche Briefmarken-Zeitung“, von Alwin Nieske, dem Gründer des Internationalen Philatelisten-Vereins Dresden ab Januar 1877 herausgegeben, die dann 1881 von der bereits erwähnten Publikation „Der Philatelist“ abgelöst wurde, die letztlich bis zur Zeit der Inflation im Deutschland der 1920er-Jahre existierte. Zu dieser Zeit, ab Oktober 1875, gab es schon das „Bulletin de la Société Française de Timbrologie“ des ein Jahr zuvor gegründeten Pariser Vereins, das immerhin bis 1896 herausgegeben wurde. Der Verein zählte bereits fünf Jahre nach Gründung 24 „membres titulaires“ (Gründungsmitglieder), fünf „membres libres“ (darunter Jean Baptiste Moens und Oscar Berger-Levrault) sowie 67 „membres correspondants“ und zwei „Societés correspondantes“, nämlich die „Philatelic Society, London“ (seit 1875), und die „National Philatelical Society“ in New York (seit 1877). Knapp 100 Mitglieder – wahrlich eine erstaunliche Zahl, und bis heute klingen die Namen der Mehrzahl der damaligen Mitgliedern Kennern und Philateliegeschichtlern vertraut. Angesichts dessen wundert es auch nicht, dass die Vereinszeitschrift sicherlich auch – soweit es die Forschung in der damaligen weltweiten Philatelie betrifft – 60 | als beste überhaupt gelten darf und erst in den 1890erJahren Fachblätter in anderen Ländern an dieses Niveau anzuknüpfen vermochten. Mit Blick auf die philatelistische Literatur und philatelistische Bibliografien sei diese Wertschätzung an einem Beispiel untermauert. Philipp de Bosredon, der selbst mit Oscar Berger-Levrault, John K. Tiffany, P. J. Anderson und anderen Literaturkennern bestens bekannt war, stellte in den Folgen 4, 5 und 8 des „Bulletin de la Société Française de Timbrologie“ eine „Bibliographie timbrologique de la France“ vor, der die philatelistische Forschung bis heute wertvolle Hinweise, gerade zu den frühen Ausgaben und Auflagen der Listen von Berger-Levrault verdankt.7 Tiffany selbst – da wäre dann der hier gesetzte Zeitrahmen bis 1880 allerdings überschritten – wurde später, 1886, Präsident des ersten US-amerikanischen Verbandes. In den 1880-Jahren soll es in den Vereinigten Staaten bereits um geschätzte 25 000 Sammler gegeben haben. 1886 begann eine Diskussion über die Möglichkeit einer nationalen Vereinigung bestehender Vereine (die allerdings in der Mehrzahl noch kein nennenswertes eigenes publizistisches Organ hatten). Im April 1886 formte sich ein „Committee“ einer Nationalen Organisation, der die Herren S. B. Bradt, T. F. Cuno, G. Henderson, C. H. Mekeel und W. G. Whilden Jr. angehörten, die damals einen Aufruf zur Verbandsgründung herausgaben. Rund 400 Sammler zeigten an solch einer Gründung Interesse. 219 sandten nicht nur ihre Zustimmung ein, sondern zahlten auch 25 Cent, um per „proxy“ (Stimmübertragung) mit abzustimmen. Am 13. September 1886 war es dann soweit: In New York wurde die „American Philatelic Association“ gegründet und am Folgetag John K. Tiffany, ein prominenter Anwalt aus St. Louis, zum ersten Präsidenten gewählt, ein Amt, das er bis 1896 wahrnahm.8 Soweit es Fachzeitschriften und Monografien angeht, so vermochten es namhafte Philatelisten, die Grenzen zwischen professionellen Verlagen und Vereinsherausgebern derart schwinden zu lassen, dass ab den 1880er-Jahren diese zuweilen kaum noch sichtbar wurden. Führende Vereine und Verbände wurden zu Herausgebern wertvoller philatelistischer Literatur, deren Gehalt in nichts den Werken „freier“ Verlage und Unternehmer nachstand. Die Tücken der Pionierzeit hatten sie überwunden, wie einige andere Kapitel in diesem Buch belegen können. 7 Siehe S. 101 und 131, aber auch S. 221 ff. (1876/1877). Der Beitrag fußt auf einer Präsentation, die De Bosredon am 3. Mai 1877 im Pariser Club vortrug. 8 Die kurze Zusammenfassung folgt einer Darstellung auf http://scripophily.net/amphaswevi18.html (Stand: 7.1.2013) ____________________________________________________________________________________ 3.3 Die Ausbreitung des Handels: Bedeutende Kataloge und Auktionen ____________________________________________________________________________________ Zwischen 1869 bis 1875 ging die Zahl nennenswerter neuer Kataloge, die erstmals das Licht der Welt erblickten und tatsächlich mehr als eine Fortführung des bereits Bestehenden waren, zurück. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Ungebrochen war aber nun die nur noch – international gesehen – als „Flut“ zu bezeichnende Zahl mehr oder weniger regelmäßig erscheinender Händler-Preislisten, die sich zu etablieren verstanden. Bis heute sind sie weder umfassend erforscht, noch in solch einem Werk wie diesem zu listen. So kann der Fokus nur auf den Werken liegen, die als namhafte, weit verbreitete Kataloge die Zeit bis zum Jahrhundertwechsel prägten. Mit dem Wiedererwachen des wirtschaftlichen und damit auch des philatelistischen Lebens in Europa kamen neue, umfangreichere Werke, selbst Spezialkataloge dazu. Es entwickelten sich zunehmend mehr Handbücher und Buchreihen, die aber an anderer Stelle (Kap. 4.1) eingehender zu würdigen sind. Selbst manche Monografien (siehe Kap. 3.4) sind nicht überschneidungsfrei zuzuordnen, waren sie doch zuweilen eine Mischung von Katalog und Forschungsstudie. Ungeachtet dessen wird nachfolgend eine Auswahl bedeutender Kataloge, die zu dieser Zeit vorwiegend noch universelle Kataloge, also Weltkataloge waren, benannt. Es wird dabei zu zeigen sein, dass sich aus diesen Katalogreihen und weitere Werke wie z.B. Länderkataloge entwickelten, die bis heute nichts von ihrem Klang und berühmten Namen verloren haben. Wenn in einem zweiten Teil dieses Kapitel auch auf die ersten Auktionen in der Philatelie näher eingegangen wird, so hat dies zwei Gründe: Zum einen arbeiten auch Auktionen, selbst die Mehrzahl der als ersten bekannten, mit Katalogen, nämlich mit mehr oder weniger umfangreichen Preislisten, in denen die einzelnen Lose, die verkauft werden sollten, angeboten wurden. Zum anderen ist diese Form des Handels, wie zu zeigen sein wird, ebenfalls in der Zeit der frühen Entwicklung weltweiter Philatelie anzusiedeln, in den 1860er-/70er-Jahren. Sie waren die Vorläufer heutiger teils gar globaler Auktions-Netzwerke, deren frühere Angebots- oder Preislisten sich längst zu nicht selten umfangreichen Spezialwerken, gerade bei „name sales“, also zu Hand- und Nachschlagebüchern entwickelt haben, von denen einzelne später in Kap. 4.5 nähere Beachtung finden. Eine Auswahl von Katalogen des 19. Jahrhunderts Abweichend von der chronologischen Gliederung der ersten Preislisten und frühen Kataloge der Pionierjahre (vgl. Kap. 2.1) werden spätere – in der Regel ab 1871 nachzuweisende – Kataloge dieser Art nach Ländern in alphabetischer Folge der englischen Sprache aufgeführt. Dies bietet gleichzeitig die Möglichkeit eines kontinentalen Vergleichs, eines leichteren Einblickes in Quantität und Qualität der in den jeweiligen Ländern bereits bestehenden oder neu entstehenden Philatelie-Entwicklung. Einige zusammenfassende Aspekte werden die Behandlung abrunden. | 61 ____________________________________________________________________________________ Austria (Österreich) In Österreich ist die spätere Entwicklung der Literatur, zumal neuer Kataloge, besonders mit dem Namen von Sigmund Friedl (1851–1914) in Wien bzw. Unterdöbling bei Wien verbunden. Er gab 1877 den ersten Teil seines „Illustrirten Katalog sämmtlicher bis 1876 erschienenen Briefmarken“ (Selbstverlag, Wien 1877, 176 Seiten) heraus. Teil 2 folgte mit 62 Seiten („Illustrirter Katalog sämmtlicher bis Anfang 1878 erschienenen Briefumschläge, Streifbänder etc.“) ein Jahr später. Im gleichen Jahr gab es Teil 3 („Illustrirter Katalog sämmtlicher bis Anfang 1878 erschienenen Postkarten, Anweisungen, Mandate, Nachnahmen, Postfrachtbriefe etc.“ nebst Nachtrag zu Teil 2 mit 53 Seiten und den Schluss machte Teil 4 („Illustrirter Nachtrags-Katalog, enthält alle bis 1879 neu erschienenen Postwertzeichen und vorgekommenen Richtigstellungen zur Completirung der permanenten 3 Theile illustrirter Kataloge“ 1879 mit 50 Seiten. Dazu gab es noch zwei weitere Nachträge 1880 und 1881 mit 24 bzw. 15 Seiten, jeweils einseitig bedruckt. Wenige Jahre später, 1883/84, versuchte sich Friedl an einem „Handbuch und Preiskatalog aller Post- und Telegraphen-Werthzeichen der Erde. Mit Berücksichtigung der hauptsächlichsten Nuancen, Fehldrücke, Local-, Privat- und Speculationsmarken“, ein Werk, das allerdings unvollendet blieb und nur von Ägypten bis Italien mit seiner 181-Seiten-Bearbeitung reichte. Leichter tat er sich 1892 mit dem „Illustrierter Postwertzeichen-Katalog. Enthaltend alle bis 1891 erschienenen Postmarken, postalisch gebrauchten Stempelmarken, Briefumschläge, Postkarten, Kartenbriefe, Postanweisungen, Streifbänder, Packetbegleitadressen und Rückscheine einschließlich Fehldrucke, Typen und Neudrucke unter Berücksichtigung aller Verschiedenheiten, bezüglich Zähnungen, Wasserzeichen, Flaggenstempel, Formate, Gummierungen etc.“, der in Wien mit einem Umfang von 544 Seiten herauskam, denn dies war nicht sein eigenes Werk, sondern ein unveränderter mit den Gebr. Senf in Leipzig vereinbarter Nachdruck von deren erster Katalogausgabe 1892. Belgien (Belgium) Es verwundert kaum, dass Belgien dank der schöpfungsreichen Vielfalt von Jean-Baptiste Moens auch weiterhin eine, wenn nicht gar die führende Rolle in der europäischen Philatelie spielte, aber auch namhafte andere Händler dort ihren Sitz hatten bzw. ihre Tätigkeit aufnahmen. Während Moens zu dieser Zeit mit Zeitschriften und frühen Monografien sich einen Namen machte, traten andere ebenfalls, wie z.B. Gelli & Tani, mit einer kaum überschaubaren Zahl von Preislisten an den Tag. Dennoch: 62 | Moens war und blieb landesweit der führende Katalogherausgeber, dessen Werke weit über die Grenzen gefragt waren. Moens‘ „Catalogue prix-courant de timbres-poste“ erschien weiterhin bei leichten Veränderungen des Titels nahezu jährlich oder zweijährlich bis in die 1890er-Jahre. 1874 erschien erstmals ein „Prix-courant des albums, journeaux et livres concernant les timbres-poste“ (11 Seiten), von der es 1881 auch eine Neuauflage (15 Seiten) gab, ebenso 1886 mit neuem Titel („Catalogue de publications timbrophiliques ...“), der nun aber nur noch sieben Seiten umfasste. France (Frankreich) Preislisten von Arthur Maury, Maurice Belin, Victor Robert, Théodore Lemaire und Charles Roussin sind bis zum Ende des 19. Jahrhunderts reichlich belegt. Zwischen 1882 und 1890 erschien aus der Feder des französischen Händlers J. Barbarin ein „Catalogue prix-courant de timbres-poste rares“ mit drei verschiedenen Ausgaben, also der erste Raritäten-Katalog der Geschichte, der mehr als hundert Jahre später bei bekannten Katalogherausgebern von heute in neuer Gestalt Nachahmung finden sollte. Bis fast zum Ende des 19. Jahrhunderts war die herausragende Stellung der Kataloge von Arthur Maury nahezu unangefochten. Seit seiner „Liste des timbres-poste...“ 1863 (ab 1868: „Catalogue descriptif de tous les timbres-poste ...“) kamen – ähnlich wie von Moens – nahezu jährlich aktualisierte Kataloge heraus, bis 1900 allein in 40. Auflage. 1880 publizierte er bereits eine achtseitige Liste „Timbres-poste rares en vente chez A. M.“, sah also genügend Material, das als Raritäten schon zu dieser Zeit anzubieten war. Ab 1885 gab er zusätzlich Jahres-Kataloge heraus, die im Gegensatz zu den Generalkatalogen (diese waren teils schon zweigeteilt und hatten 1884 bereits über 200 Seiten) handlicher, eben weit geringeren Umfangs hatten. Maurys Katalog „Catalogue escriptif de tous les timbres-poste, timbres-telégraphe, cartes-poste, etc., parus 1883/84“ bewährte sich sehr gut und so erschienen auch diese Kataloge seitdem jährlich, mit nur 28 (1885) bis maximal 44 Seiten (1902 und 1903). Ab Ende des 19. Jahrhunderts erwuchs Maury allerdings nennenswerte Konkurrenz. Louis Yvert und Théodule Tellier – sie waren auch die Herausgeber der bekannten Zeitschrift „L’Echo de la Timbrologie“ gaben 1897 ihren ersten „Catalogue prix-courant de timbres postes“ heraus und eroberten sich damit recht bald eine marktdominierende Stellung, die die weltweit bekannten Yvert-Kataloge bis heute verteidigen. ____________________________________________________________________________________ Germany (Deutschland) Die Zeit von 1871 bis 1891 war nahezu ausschließlich von den weit verbreiteten Handbüchern von Dr. Alfred Moschkau dominiert. Den Auftakt machte allerdings ein anderes Werk von Gustav Bauschke, dessen „Katalog aller seit dem Jahre 1840 bis auf die neueste Zeit ausgegebenen Brief- und Couvert-Marken. Nach der Alfred Moschkau‘schen Sammlung bearbeitet und hrsg. von G. S., Leipzig, Exped. der Deutschen Briefmarken-Zeitung“ 1871 in Leipzig erschien, aber nicht unter Bauschkes Namen, sondern unter dessen Pseudonym Gustav Schaubek, das nichts anderes als eine Umstellung der Buchstaben seines Familiennamens, ein Anagramm war. Mit 96 Seiten Umfang war der kleinformatige Katalog schon ganz passabel. Er baute auf der damaligen Moschkau-Sammlung auf, die ab April 1870 als größte ihrer Art in Deutschland galt. Moschkau selbst, zu dieser Zeit bei Bauschke beschäftigt, hatte sicherlich auch an dem Katalog mitgewirkt. Der Katalog erlebte 1874, nunmehr mit 134 Seiten Umfang, mit dem Titel „Katalog aller bekannten bis auf die neueste Zeit ausgegebenen Briefmarken (Post-Freimarken – Couverts – Streifbänder – Karten)“ eine zweite Auflage, zu der 1875 ein 18 seitiger Nachtrag erschien. Infolge von Bauschkes schwerer Erkrankung und seinem nahenden Tod wurde das Werk nicht weitergeführt. Dafür trat Alfred Moschkau selbst mit einem neuen Katalogwerk an, das in Deutschland zum langjährigen Begleiter für Sammler werden sollte. Sein „Katalog über alle seit 1818 bis April 1874 ausgegebenen Briefmarken, Briefcouverts, Postkarten, Streifbänder und Lokalmarken aller Länder. Mit beigedruckten Verkaufspreisen, Leipzig, H. Werninck & Co. 1874“ ist in der ersten Jahreshälfte 1874 erschienen, denn bis dahin nutzten die Brüder Louis und Richard Senf den Namen der englischen Briefmarkenfirma H.(einrich) Werninck in London als ihr Aushängeschild, da sie noch nicht volljährig waren. Der Katalog war mit 74 Seiten und vier Bildtafeln noch bescheiden, was sich aber schnell ändern sollte.1 1876 erschien nämlich das „Handbuch für Postmarkensammler. Ein Catalog aller von 1653–1876 emittierten Postmarken, Couverts, Karten, Streifbänder etc. etc., mit mehreren Hundert erläuternden Notizen, mehreren Tafeln Illustrationen, dem Portrait und einer von Dr. Nüssle 1 Zu den hier aufgeführten Katalogwerken von Schaubek, Moschkau und den gebr. Senf vgl. Kapitel 1 des Buches von Wolfgang Maaßen: Von ersten Alben und Katalogen zu Verlagen von Weltrang“ (Schwalmtal 2010), auch dessen Bibliografie im Anhang zu Kapitel 1 (S. 223–278). Zu Moschkaus Werken und Wirken erschien vom gleichen Autor das Buch „Alfred Moschkau. Philatelist, Heimatkundler und Museumsgründer. Ein Mann, der zur Legende wurde“ (Schwalmtal 2012, 411 Seiten). bearbeiteten Biographie des Verfassers. Mit beigedruckten Verkaufspreisen der Briefmarkenhandlung von Louis Senf, Leipzig“, das nun als 2. Auflage mit einem Umfang von 223 Seiten gezählt werden sollte. Dazu gab es ebenfalls noch 1876 einen 18-Seiten „Nachtrag aller seit Dezember 1875 bis 1. Juli 1876 emittirten Briefmarken, Couverts, Postkarten, Anweisungen, Streifbänder“. 1877 erschienen die 3. vermehrte und verbesserte Auflage mit 268 Seiten, 1880 – dies war die letzte, die Moschkau selbst bearbeitete – die 4. vermehrte und verbesserte Auflage mit 315 Seiten und ein zusätzlicher 99 Seiten-Abbildungsteil, außerdem ein Nachtrag 1881 (38 + 6 Seiten Abb.), der bei Ernst Petritz in Dresden publiziert wurde. Ähnlich zweigeteilt war die 5. von Waldemar Herrmann bearbeitete Auflage: „Illustrierter Katalog aller seit 1653 bis Ende 1883 erschienenen Postmarken“ mit ihren 512 Text- und 168 Abbildungsseiten, die 1884 wiederum bei den Gebr. Senf in Leipzig herauskam. Zwei Nachträge von 1885 und 1886 ergänzten das Werk. In sechs einzelnen Teilen erschien die 6. Auflage von 1888/1890, nunmehr mit insgesamt 509 Seiten (und einem Nachtrag von 1890, 55 Seiten) von Richard Senf selbst bearbeitet. Krönender Höhepunkt des „Handbuches für Postwertzeichen-Sammler“ war zweifelsohne die 7. und letzte Auflage in zwei separaten Bänden. Band 1: „Illustrierter Katalog aller bis zur neuesten Zeit erschienenen Postkarten [= Druckfehler, muss „Postmarken“ heißen], Briefumschläge u. Streifbänder, [Sondertitel:] Handbuch sämtlicher Postmarken, Briefumschläge und Streifbänder. Bearbeitet von Richard Senf. Mit vielen erläuternden Anmerkungen und zahlreichen Abb. Die beigesetzten Verkaufspreise sind die der Briefmarkenhandlung Gebrüder Senf in Leipzig, Leipzig, Gebr. Senf (1891), XVI, 632 S.” und ein Band 2: „Illustrierter Katalog aller bis zur neuesten Zeit erschienenen Postkarten, Kartenbriefe, Postanweisungen und Paket-Begleitadressen. [Sondertitel:] Handbuch sämtlicher Postkarten, Kartenbriefe, Postanweisungen und Paket-Begleitadressen. Bearbeitet von Theodor Haas. Mit vielen erläuternden Anmerkungen usw., Leipzig, Gebr. Senf (1891), VI, 330 S.” Dazu gab es 1896 noch einen „Nachtrag. Alle bis Anfang 1896 herausgegebenen Postmarken, Briefumschläge und Streifbänder enthaltend“ mit 154 Seiten. Aber die Zeit des Moschkau-Handbuches war vorbei, es war längst zu umfangreich geworden, die Ansprüche der Sammler hatten sich auch anders entwickelt. Dies sehend und aufmerksam registrierend entwickelte Richard Senf 1891 bereits einen völlig neuen Katalog, der 1892 erstmals von ihm unter dem Titel „Illustrierter Postwertzeichen-Katalog 1892. Enthaltend sämtliche bis gegen Ende | 63 ____________________________________________________________________________________ 1891 erschienenen Postmarken, postalisch gebrauchte Stempelmarken, Briefumschläge, Postkarten, Kartenbriefe, Postanweisungen, Streifbänder, Paket-Begleitkarten und Rückscheine, einschließlich Fehldrucke, Typen und Neudrucke, unter Berücksichtigung aller Verschiedenheiten bezüglich Wasserzeichen, Zähnungen, Klappenstempel, Formate, Gummierungen usw. Marken und Ganzsachen“ in Leipzig (Gebr. Senf) herausgegeben wurde. Mit 592 Seiten war dieses neue Werk auch nicht gerade gering an Umfang, wenngleich fast nur die Hälfte des Moschkau-Handbuches, das zudem in größerem Format produziert worden war. Diese Kataloge wurden als „SenfKataloge“ weltbekannt und erschienen fortan, teils in bis zu zwei Bänden (ab 1897 aufgeteilt in einen Band für Marken, einen für Ganzsachen). Insgesamt – natürlich mit zusätzlichen veränderten Ausgaben und Spezialwerken – hielt die Leipziger Firma dies – ausgenommen während der Papierknappheit im Ersten Weltkrieg – bis zum staatlich aufoktroyierten Schluss im Jahre 1943 durch. Nach dem Zweiten Weltkrieg war infolge der restriktiven Vorgaben der Sowjetischen Militäradministration in Berlin kein Neuanfang mit eigener, übrigens seit 1874 herausgegebener Zeitschrift und den seit 1892 eingeführten Katalogen mehr möglich. Natürlich waren die Moschkau-Handbücher und Senf-Kataloge bei weitem nicht die einzigen Kataloge im Deutschland des 19. Jahrhunderts, aber sie waren – vergleichbar den Maury-Katalogen in Frankreich oder den MoensKatalogen in Belgien – die führenden. Andere, z.B. von Anselm Larisch, von Arthur Ernst Glasewald, von Ernst Heitmann oder von Paul Kohl – um nur einige Namen zu nennen –, hatten zu Recht ihre Liebhaber, blieben aber in den 1890er-Jahren eher „Nischen-Produkte“. In Deutschland sollte dies im 20. Jahrhundert erst Hugo Michel mit seinen Europa-Katalogen ändern. Great Britain (Großbritannien) E. L. Pemberton’s „Stamp Collector’s Handbook“ und der von Overy Taylor in sechster Auflage bearbeitete Grey-Katalog („Illustrated catalogue of postage stamps fort he use of collectors“), erschienen 1874, machten sich in England die Vorherrschaft bei Sammlern streitig. Letztlich gewannen auf Dauer beide nicht, zumal Pemberton 1878 viel zu früh mit gerade einmal 34 Jahren verstarb. Edward Stanley Gibbons hatte in der eigentlichen Pionierphase bis 1870 mit seinen Preislisten keine hervorgehobene Rolle gespielt, auch wenn diese seit 1865 teils sogar mehrfach im Jahr mit einem Umfang bis zu 40 Seiten erschienen. 1879 mit seinem „S. G. and Co.‘s descriptive catalogue and price-list of British, Colonial and Foreign 64 | postage stamps ...“ sollte sich diese Situation nachhaltig ändern, denn nun erlebte dieses Werk von Jahr zu Jahr Erweiterung und Fortführung, mit Nachträgen abwechselnd zu Neuauflagen. 1895 teilte man das Katalogwerk erstmals in zwei Bände, den einen für Marken, den anderen für Ganzsachen. 1897 gab es drei Teile (11 Auflage, I: Great Britain, II: Foreign Countries, III: Postal Entires) und 1899/1900 gar vier (12. Auflage, erweitert um einen Teil: Local postage stamps of the world). Die für das 20. Jahrhundert für Katalogherausgeber so typischen Probleme und deren schwierige Bewältigung zeichneten sich bereits ab. Weltumfassende Generalkataloge wurden immer dickleibiger. Die vier S. G.-Katalogbände hatten die 1 000 Seiten auch beinah erreicht, eine Zahl, die heute keinen Katalogherausgeber mehr schrecken oder gar zu vier Einzelbänden veranlassen würden. Anderen Katalogherausgebern folgend, beschritt auch Stanley Gibbons (Edward Stanley Gibbons hatte sein Briefmarkenhaus mit Verlag 1890 an Charles James Phillips <1863–1940> verkauft, der die Londoner Firma bis 1922 führte) den Weg einer Handbuchreihe, die unter dem Titel „The Stanley Gibbons Philatelic handbooks“ ab 1893 erschienen. Insgesamt neun, die es aber an anderer Stelle zu würdigen gilt. Neben Stanley Gibbons gab es noch andere Standard-Kataloge für Generalsammler. So z.B. die von Alfred Smith & Co. aus Bath („Standard catalogue oft he postage stamps of all nations“, 1880, 1881) oder Oppens populäre Alben-Kataloge, die Charles Viner mit 30 Auflagen bis 1891 betreute. Bright & Son gaben von 1896 bis 1908 sieben Ausgaben eines „ABC descriptive price catalogue of the world’s postage stamps, enevelopes, postcards, etc.“ heraus und die Philatelic Society, London glänzte bereits 1879 mit einem ersten Länderkatalog („Catalogue of postage stamps, stamped envelopes, and postcards“, 48 Seiten), dessen Urheberschaft Dr. Thebussem (siehe Spanien) zugeschrieben wird. Ein von Inhalt, Umfang wie Bearbeitung kaum zu übertreffender Höhepunkt war aber das Werk von Edward Benjamin Evans (1846–1922), „The Philatelical catalogue of postal stamps, envelopes, wrappers and cards“, das in 35 Folgen zwischen 1888 bis 1891 im „Philatelic Journal of America“ von Charles Mekeel zuerst publiziert wurde, dann aber auch 1891 in Buchform erschien. Manfred Amrhein bezeichnete es in seinem Buch nicht zu Unrecht als „magnum opus“. Netherland (Niederlande) Bereits während der Pionierphase bis 1870 waren die Niederlande mit zwei Katalogherausgebern, W. F. Dan- ____________________________________________________________________________________ nenfelser und P. H. Witkamp, aber auch mit C. van Rinsum als Verleger eines ersten in Holland publizierten philatelistischen Magazins aufgefallen. 1873 veröffentlichte A. Blokzeijl in Rotterdam ein „Prix-Catalogue des Timbresposte, Cartes-Correspondance &c.“ mit 44 Seiten, zu dem es 1875 noch einen Sechs-Seiten-Nachtrag gab. Zwar erschienen in den Niederlanden in den 1870/80erJahren kaum weitere bedeutende Katalogwerke, dafür aber zwei Kataloge, die auf ihre spezielle Art und Weise nahezu einmalig sind. A. Huart aus Amsterdam veröffentlichte 1888 einen „Beredeneerde geïllustreerde catalogus aller postzegels, couverten en briefkaarten officiëel uitgegeven door de Peruaansche Republiek, van af 1 december 1857 tot en met 31 december 1887“ (48 Seiten), der als eine sehr frühe Buchstudie über ein südamerikanisches Land, nämlich Peru, einzustufen ist. Und M. J. Mijers „Beschrijving van alle Nederlandsch Oost-Indische frankeerzegels, portzegels, briefomslagen en briefkaarten van 1864 tot heden: volgens officiële bescheiden, die zich bevinden in het archief der Posterijen te Batavia“ verdient ebenfalls eine Nennung, weil dieses Werk wohl eines der ersten ist, das im Fernen Osten, nämlich in Batavia (Java/Indonesien) publiziert wurde.2 1894/95 erschien ein „Standaardwerk over de Postwaarden von Nederland en zijne Kolonien“ in vier Bänden und mit 220 Seiten Umfang, zusätzlich mit 45 Bildtafeln ausgestattet. Spain (Spanien) / Portugal / Südamerika Unbestritten war Dr. Thebussem (alias Manuel Pardo de Figueroa y de la Serna, wie sein richtiger Name lautete) der geistreichste und führende Philatelist in der spanischen Philatelie des 19. Jahrhunderts. Sein literarisches Werk ist gut erforscht, besticht aber vorwiegend mit Essays verschiedenster Art, weniger mit Katalogen, die bisher genannten vergleichbar wären. (Eine Ausnahme mag der erste Katalog der Philatelic Society, London sein, der 1878 mit 48 Seiten Umfang erschien und den er zusammen mit Victoriano G. de Ysasi verfasste.) Seine erste philatelistische Arbeit veröffentlichte Thebussem am 10. März 1870 in Madrid. Der Titel enthielt eine verborgene Botschaft und ein Spiel mit Worten, die wenn man sie schnell mit einem andalusischen Akzent aufsagte, phonetisch nach einem Buchtitel „Kpankla“ klangen. Für das sehr gelehrte und geistreiche Werk mit 24 Seiten Umfang wählte Thebussem die Form eines Briefes an einen Freund, um ihm über in letzter Zeit angetretene Sammler von Marken, Stempeln, postalischen Vermerken 2 Die Hinweise zur Literatur in den Niederlanden verdankt der Verfasser Jan Vellekoop. und ausländischen Publikationen (!) zu berichten. Er ließ von dieser Broschüre 150 Exemplare drucken, die er all an Freunde verschenkte. Ein Jahr später gab Thebussem eine zweite Auflage seiner „Kpankla la primera de Klenterron“ heraus, der Titel lautete „Cartas Philatelicas“. Zwischen 1870 und 1910 veröffentlichte er 30 Werke und Broschüren über Philatelie und Post, von denen die Mehrzahl nur in sehr kleiner Auflage erschienen. Bis heute ist weltweit keine Bibliothek bekannt, die diese alle komplett besitzt und selbst in der vollständigsten Sammlung dieser Schriften fehlen auch heute noch drei davon. Eine anderes 32-Seiten-Werk mit dem Titel „Literatura philatélica en España. A puntes para le redaccion de un catálogo“ war ebenfalls verdienstvoll. Es erschien in Sevilla und es war nach der Bibliografie von J. K. Tiffany aus dem Jahr 1874 die zweite separat veröffentlichte Bibliografie überhaupt. Dr. Thebussem hatte diese Studie auf Wunsch der „Société Française de Timbrologie“ geschrieben, der er als gut bekanntes assoziiertes Mitglied angehörte. Für an Katalogen interessierte Sammler war der „Catálogo descriptivo de los sellos de correos de España y sus Colonias, organizado segun la Reseña histórico descriptiva de los mismos publicada de real orden bajo la direccion de D. Antonio Fernandes Duro ...“, von Leopoldo Lopez in Madrid, schon weit nützlicher. Es ist nur ein Exemplar dieses 64-Seiten-Kataloges mit beiden Ergänzungslieferungen bekannt. Dies befindet sich heute in der British Library. Der Erstauflage von 1888 folgten bis 1894 vier weitere, die dann aber bereits mehrere hundert Seiten Umfang hatten. Im gleichen Jahr verkaufte Leopoldo Lopez sein Geschäft an M. Gálvez, der dann Spaniens bekanntester Briefmarkenhändler werden sollte. Die Erstauflage des Lopez-Kataloges verwies bereits in ihrem Titel auf ein Werk von Antonio Fernández Duro, das 1881 eine Art Grundlage dazu geschaffen hatte und unter dem Titel „Reseña Histórico descriptiva de los sellos de correo de España“ sich großer Beliebtheit erfreute. A. F. Duro war ein leitender Beamter der Postverwaltung in Madrid und so konnte er eine Fülle von amtlichen Dokumenten zusammenstellen, die die Basis späterer bedeutender Werke der spanischen Philatelie waren, die von Autoren wie J.-B. Moens, R. Friederich und H. Griebert geschaffen wurden. Um die Jahrhundertwende wurde das unbestritten gefragteste Werk allerdings von Miguel Gálvez Jiménez in Madrid herausgegeben, der 1898 einen „Catálogo descriptivo de los sellos de correos y telégraphos emitidos desde 1840 a enero de 1898“, also einen Weltkatalog herausbrachte, der gleichzeitig die sechste Auflage eines bereits zuvor erschienen Kataloges „España y sus colonias“ war. | 65 ____________________________________________________________________________________ Mit weiteren Ergänzungen und Neuauflagen wurde das Werk bis 1908 zur sechsten Auflage geführt. Ein Katalog über die Briefmarken Portugals war bereits 1888 – allerdings nicht in Portugal, sondern in MährischOstrau – aus der Feder von J. Gutmensch mit dem Titel „Permanenter Briefmarken-Katalog. Portugal und seine Colonien“ (36 Seiten) herausgekommen. Antonio Faustino Martins publizierte 1895 in Lissabon einen „Catalogo e preço-corrente de todos os sellos de correio, enveloppes, bilhetes postaes e cintas para jornaeo, emittidos at de 1895” von knapp 50 Seiten, war aber bereits mit seinen Preislisten ab 1878 regelmäßig in Erscheinung getreten. 1900 wurde davon bereits die 45. gezählt, die in manchen Jahren nur aus einzelnen Blättern bestanden, in anderen (z.B. 1886: 24 Seiten, 1900: 32 Seiten) auch deutlich umfangreicher ausfallen konnten. Was Dr. Thebussem für Spanien war, war Dr. José Marcó del Pont 1851–1917) zweifelsohne für Argentinien, nämlich ein Ausnahmephilatelist. Bereits Edward D. Bacon bezeichnete ihn als den „acknowledged doyen of Philately in South America”3 und Carlrichard Brühl nannte ihn den „Begründer einer wissenschaftlichen Philatelie“ in Südamerika.4 Zwar veröffentlichte del Pont nie ein Buch, wohl aber katalogartige Monografien, besser gesagt, Spezialstudien, in Form von Zeitschriftenartikeln, die teils sehr umfangreich waren oder in zahlreichen Fortsetzungen in Buenos Aires erschienen. Besonders erwähnenswert ist seine Studie zu den „Sellos Postales de la República Argentina (emission de 11 de enero de 1862)“ (1895), sein „Catálogo general ilustrado de las estampillas fiscals emitidas en la República Argentina“ (1898), aber auch seine Ausarbeitung über die „Sellos postales de la Confederación Argentina“ (1902). Luis Sobrino veröffentlichte 1895 in Buenos Aires einen „Guia filatélica sud-Americana, anuario dedicado á los collecionistas de sellos de la América latina“ mit über 200 Seiten, bereits in vierter Auflage, denn die ersten drei waren bereits von José Bosch als „Guia filatélica centro y sud Americana“ zwischen 1891 bis 1893 herausgegeben worden. Von Carlos Carles erschien 1897, ebenfalls in Buenos Aires, das knapp 250 Seiten starke Werk „Valores Postales Argentinos“, das ein Jahr später bereits eine Neuauflage erlebte. Brasilien spielte zum Ende des 19. Jahrhunderts – zumindest soweit es Kataloge betrifft – noch keine bedeutende Rolle. Zwei Autoren seien aber genannt. Zum einen war dies C. Ottoni Vieira mit seinem „Catalogue Historique des Timbres-Postes et Entier du Brésil“, der allerdings in Paris 3 Siehe: London Philatelist, 26. Jg. (1917), Nr. 309, S. 224 4 Brühl, a.a.O., Band II, S. 947 66 | 1893 mit 80 Seiten Umfang erschien. Ihm folgte kurze Zeit später, 1894, der aus Luxemburg stammende und Ende der 1880er-Jahre nach Rio de Janeiro ausgewanderte Händler Alphonse Bruck (sein ursprünglicher Name lautete wohl „Brück“) mit seinem „Catalogo ilustrado de todos os sellos, bilhetes-postaes, sobre-cartas, cintas e cartas-bilhetes do Brazil desde 1843 até 1894“. Das kleine 32 Seiten-Werk erschien 1897 mit verdoppeltem Umfang; es soll auch in deutscher Sprache existieren. Es würde hier zu weit führen, für jedes südamerikanische Land die ersten Spuren zu sichern, aber das Beispiel von Peru zeigt, wie schwierig es war, erste Schritte im Neuland philatelistischer Literatur zu machen. Solche ersten Schritte sind für das Jahr 1887 verbürgt: Die „Societé Philatélique Sud-Américaine“ in Lima publizierte erstmals einen „Catalogue général et détaillié des timbres-poste, enveloppes et cartes postales officiellement émis dans la République du Pérou“, der noch im gleichen Jahr von J. Gutmensch in Frankfurt am Main mit Zustimmung des Vereins ins Deutsche übertragen und auf zwölf einseitig bedruckten Seiten (zum Einkleben in damalige Alben) veröffentlicht wurde. Ebenfalls 1887 übertrug E. B. Evans den Katalog ins Englische und dieser wurde dann als „A Catalogue of the postage stamps of Peru ...“ in St. Louis, Mo. (USA) angeboten. E. J. Huart übersetzte den Katalog ins Niederländische, der dann mit dem Titel „Beredeneerde Geillustreerde Catalogus aller Postzegels, Couverten en Briefkaarten, officieel uitgegeben door de Peruaansche Republiek van af 1 December 1857 tot en met 31 December 1887“ 1888 in Amsterdam erschien. Diese frühe internationale Verflechtung – man könnte sie auch als eine gut funktionierende Zusammenarbeit der Philatelisten damaliger Zeit ansehen –, zeigt aber auch das „Dilemma“, denn von den elf im Crawford-Katalog gelisteten einzelnen Titeln war eben nur einer aus dem Ursprungsland. Alles andere waren Übertragungen und Übersetzungen bzw. im Einzelfall eigene Arbeiten ausländischer Autoren wie z.B. der „Catalogue de l’Union Postale Universelle“ von H. J. Dauth, dessen 11. Heft eine „Aufstellung sämmtlicher Postwerthzeichen Peru’s“ (1890) enthielt. United States of America (Vereinigte Staaten) In den Vereinigten Staaten gab die Firma L. W. Durbin & Co. in Philadelphia zwischen 1870 bis 1875 Preislisten heraus, die zunehmend mehr Katalogstatus gewannen. Der „Descriptive Price Catalogue of the Postage Stamps of all Nations“, erstmals 1874 erschienen, wurde zum Begriff und erschien bis 1887 mit 16 Auflagen. Die Nachfolgefirma Bogert und Durbin & Co. setzte die Reihe so- ____________________________________________________________________________________ gar bis zur 19. Auflage 1893 fort. In den 1880er-Jahren wurde aus dem damals bis zu 180 Seiten umfangreichen Werk der Ganzsachenteil auch unter dem Titel „L. W. D.‘s price catalogue of postal cards“ separiert und einzeln – ebenfalls in mehreren Auflagen – angeboten. Unangefochtener Marktführer waren allerdings die ScottKataloge. Aus John Walter Scotts ersten monatlichen Preislisten 1868 waren zehn Jahre später bereits ein 46-Seiten-Werk mit dem Titel „The Postage Stamp Catalogue ...“ entstanden, der in 35. Auflage erschien. 1885 war man mit der 46. Auflage bei bis zu 70 Seiten angelangt. In diesem Jahr verkaufte John Walter Scott sein „Imperium“ an die Calman-Brüder, die nunmehr unter dem Firmennamen „Scott Stamp and Coin Company Limited“ das Werk ab der 47. Auflage 1886 fortführten. 1900 war man bei der 59. Auflage angekommen, die nunmehr rund 600 Seiten zählte. Parallel gab es ab 1887 zusätzliche jährliche Preislisten, die zehn Jahre später ebenfalls bereits bis zu 80 Seiten zählten, außerdem 1898 einen „Standard Catalogue of Postal Cards and Letter Cards“ mit mehr als 170 Seiten. Scotts Katalogimperium wäre beinah als ein Monopol zu bezeichnen gewesen, hätte es da seit 1887 in St. Louis, Mo. nicht einen Herausforderer namens Charles H.(aviland) Mekeel (1864–1921) gegeben. Dessen „Standard Postage Stamp Catalogue“ (die Ausgabe von 1887 wurde als 49. geführt) entsprach der Scott-Katalogausgabe und war bis auf den geänderten Umschlag identisch. Aber innerhalb weniger Jahre überraschte Mekeel die Konkurrenz mit zahlreichen verschiedenen Katalogtiteln und Nachschlagewerken (z.B. Adressbücher, Atlanten), mit denen speziell die US-amerikanischen und mexikanischen Marken eine besonders eingehende Würdigung fanden. Während Mekeels Kataloge heute nur noch von historischem Interesse sind, ist die Geschichte der Scott-Kataloge längst nicht beendet und geht auch künftig weiter. Mit gleichen Problemen des Umfangs der Katalogisierung, die alle Herausgeber von Spezial- und Weltkatalogen heute haben. Auch diese sind nicht neu. Folgten große Katalogherausgeber seit Beginn an den Interessen und sich ständig neu entwickelten Trends des Marktes, von Händlern wie Sammlern, so gaben sie neben den Standardkatalogen auch häufig Spezialwerke heraus, die diesen Entwicklungen Rechnung trugen. Sie teilten Kataloge oder koppelten (z.B. die Ganzsachen) aus, sie schufen aber auch Kataloge für neue, damals beliebte Gebiete, z.B. für Fiskalmarken. Diese hatte bereits 1874 J. W. Scott mit „A descriptive Price catalogue of the revenue stamps of all nations“, im gleichen Jahr auch Philipp De Bosredon mit seiner „Monographie des timbres fiscaux mobiles de la France et des colonies françaises“, deren 100 Seiten von Pierre Mahé in Paris verlegt wurden. Das letztgenannte Werk wurde damit zum Modell einer Art Spezialkatalog bestimmter Wertzeichen eines Landes, das Nachahmung fand. So zum Beispiel von Walter Lee Brown in New York, der 1878 sogar einen „Descriptive catalogue of the revenue stamps of Italy ...“ in 240 Exemplaren herausgab (zehn Exemplare erschienen sogar in einer Deluxe-Ausgabe auf rosafarbenem Papier). Andere Kontinente Für Australien, Afrika und Asien galt das bereits zu Südamerika Gesagte: Die Zahl erster früher Literaturtitel war klein und überschaubar, meist von Ausländern verfasst, die nicht dort lebten. Mijers „Beschrijving van alle Nederlandsch Oost-Indische frankeerzegels ...“ (1889), die in niederländischer Sprache in Batavia erschien, wurde bereits unter „Niederlande“ mit aufgeführt. Von Friedrich Schüller gab es 1893 eine von Sigmund Friedl und E. Heim in Wien herausgegebene Studie, „Die persische Post und die Postwerthzeichen von Persien und Buchara“ mit immerhin 90 Seiten Umfang und 1896 erschien in japanischer Sprache eine „Geschichte der Postwertzeichen des japanischen Königreiches“, die von der dortigen Postverwaltung in einer besonderen Edition mit 300 Stück Auflage offeriert wurde. Das wahrlich Besondere waren nicht die 100 Seiten Text, sondern die im Buch enthaltenen 107 Spezimen von Originalmarken, Postkarten und Umschlägen, die dieses Buch zu einer der seltensten Werke des 19. Jahrhunderts überhaupt machten. Der knappe Überblick zeigt: Überall, in zahlreichen Ländern und Kontinenten, wuchs und blühte die Philatelie, die vor 100 Jahren längst ihr Anfangsstadium überwunden hatte. Aber nirgends gab es derart viele „Blüten“ wie in den Ländern Europas. Nahezu 150 Jahre Auktionen in der Philatelie Auktionen als Verkaufsform des Handels blicken auf eine jahrhundertlange, richtiger gesagt auf eine jahrtausende alte Entwicklung zurück. Zu Zeiten des Babylonischen Weltreiches wurden beispielsweise Mädchen bei einer jährlichen Auktion an den meistbietenden künftigen Ehemann versteigert, die Römer prägten das Wort „auctio“ (Zuwachs), was zeigt, dass auch sie Auktionen schon kannten. In Europa begann das „Auktions-Zeitalter“ vor 300 Jahren mit dem Dorotheum in Wien, das 1707 durch Kaiser Joseph I. ursprünglich als „Versatz- und Fragamt“ gegrün- | 67 ____________________________________________________________________________________ det wurde und 80 Jahre später in einem Dorotheerkloster seinen Platz und damit auch den heutigen Namen fand. Gerade auf dem Kunstmarkt hat das Dorotheum sich seitdem einen Namen gemacht; Briefmarken-Auktionen führte es allerdings erst im 20. Jahrhundert durch. Da waren andere Firmen schon längst auf diesem Gebiet etabliert. Die erste Auktion in Europa, bei der es auch um Briefmarken ging, fand vor mehr als 150 Jahren in Paris statt. Genauer gesagt, am 29. Dezember 1865 im Hôtel Drouot in Paris. Damals wurde dort das Lager des Briefmarkenhändlers J. W. Elb zum Preis von 800 Französische Franc verkauft, – für die damalige Zeit zweifelsohne eine doch beachtliche Summe. Der am 4. November 1865 in Paris verstorbene Händler J.-W. Elb war ursprünglich ein aus Dresden stammender Journalist und Übersetzer, der seit etwa 1849 in Paris lebte und sich mit dem Briefmarkenhandel ein Zubrot verdiente. Elb (er war der Onkel von Ferdinand Elb, der 1864 mit einem frühen Briefmarken-Katalog bekannt wurde) hatte – so sein „Kollege“ Arthur Maury – zwei Jahre gehandelt und sein Nachlass wurde komplett versteigert: dazu gehörten eben auch Briefmarken, allerdings auch sein Hausrat und so manches mehr. Eine ähnliche „Gemischtwaren-Auktion“, bei der unter anderem auch Briefmarken zum Ausruf kamen, hatte es allerdings auch schon am 19./20. März 1862 bei einer New Yorker-Münzauktion der Fa. Bangs, Merwin & Co. gegeben. Der Auktionskatalog enthielt – bei über 30 Seiten Umfang – gerade einmal ein Sammellos von Marken.5 1868 wurde, wiederum in Paris, ein Album bei einer allgemeinen Auktion versteigert. In Deutschland gab es zu dieser Zeit in Leipzig schon Auktionen des Buchhandels und der Antiquariate, die erste nur indirekt „philatelistische“ Auktion allerdings erst 1868. In der Zeitschrift „Union“ vom 21. Februar 1970, konnte man hierzu lesen: „Die erste Briefmarken-Auktion der Welt dürfte jene im Herbst 1868 in Dresden abgehaltene amtliche Versteigerung gewesen sein, auf der das Sächsische Finanzministerium mehrere Zentner alte sächsische Briefumschläge zum Verkauf bot. Das Höchstgebot gab ein Dresdner Spediteur, der 8 Taler für den Zentner zahlte. ... In Berlin dürfte die erste Auktion jene am 11. Oktober 1877 im dortigen Kunstauktionshaus veranstaltete Versteigerung einer größeren Briefmarkensammlung gewesen sein.“6 5 In der Bibliothek von Herbert Trenchard befindet sich ein „Catalogue of Coins, Medals, and Continental Money“ aus dem Jahr 1862, der wohl dieser Auktion zuzuordnen ist. 6 Den Hinweis auf diese Auktion und die Zeitschrift „Union“ verdankt der Verfasser Renate Springer. Es gelang ihm allerdings bis heute 68 | Dieses erste rein philatelistische Geschehen fand in Deutschland – zuerst in den Vereinen in Dresden und im Internationalen Postwertzeichen-Händler-Verein (IPHV) in Berlin – erst Jahre später, nämlich in den 1890er-Jahren, Nachahmung. In Berlin fanden vom 27. November 1891 bis zum 27. Mai 1892 insgesamt zwölf Auktionen statt (nachdem dort schon 1877 ein Ballonbrief versteigert worden sein soll, die aber – so eine zeitgenössische Notiz – „im allgemeinen schwach beschickt und schwach besucht (waren). Bessere Sachen blieben regelmässig ohne Käufer, nur mittlere Ware ging ab und billig fort“.7 Besser lief es wohl mit den vereinsinternen Auktionen des Dresdner Internationalen Philatelisten-Vereins, die ab Juni 1891 in Folge stattfanden. Als nachweislich allererste wirkliche Briefmarkenauktion, bei der es ausschließlich um Briefmarken ging, gilt bis heute eine Versteigerung, die – so die generelle Geschichtsschreibung in der Philatelie – am 28. Mai 1870 William Leavitt für die Firma Leavitt, Strebeight & Co. in New York durchgeführt haben soll. 269 Lose kamen zum Ausruf, die innerhalb von drei Stunden von sechs bis neun Uhr nachmittags verkauft wurden. Unter den Besuchern dieser ersten Auktion war J. W. Scott, S. Allen Taylor und so manche andere später bekannte Philatelist. Sie sorgten für einen Umsatz von insgesamt rund 500 Dollar. Von dieser Auktion ist bekannt, dass der schon genannte J. W. Scott damals eine 5c-Hawai-Missionarsmarke für elf USDollar kaufte. Ein „First Postage Stamp Sale“ der Fa. Mason & Co. in New York gilt als zweite Briefmarken-Auktion, die ebenfalls noch im selben Jahr, 1870, stattfand. Knapp zwei Jahre später, im März 1872, gab es schon eine fünfte Auktion, dieses Mal aber in London. Bei dieser Versteigerung wurden Einlieferungen von John Walter Scott versteigert und zwar vom heute namhaften Auktionshaus Sothebys (damals: Sotheby, Wilkinson & Hodge in Wellington St., London). Offenbar waren die Resultate dieser Auktionen nicht wirklich überwältigend (umgesetzt wurden 258 Pfund Sterling), denn es sollte in den Folgejahren kaum eine Wiederholung stattfinden. In den USA ist als erste Auktion außerhalb von New York eine Versteigerung der Fa. Steigerwalt notiert, deren „First Stamp Sale“ 1881 anzusetzen ist. Erst 1888 nahm die Firma von Thomas Bull (Ventom Bull & Cooper) die Tradition mit einer Auktion in Old Jewry in London wieder auf. Diese Auktion wurde ein Erfolg, der offenbar beflügelte. Walter Bull führte diese Auktionen dann alleine bis zum 2. nicht, die Aussagen mittels anderer Primärquellen zu verifizieren. 7 Deutsche Briefmarken-Zeitung 1892, S. 165 ____________________________________________________________________________________ Juni 1894 durch, danach wurde seine Firma von Harmer, Rooke & Co. Ltd. übernommen. Die hier zuvor genannten ersten Auktionen wurden in erster Linie von Händlern besucht, allerdings waren auch schon namhafte Sammler dabei. Erst ab 1900 gelang es dem damals noch jungen Philipp Kosack und Moritz de Vries, deutsche Auktionen von Rang öffentlich durchzuführen und damit zum Vorbild von Generationen zu werden. Der Durchbruch der Philatelie-Auktionen ist allerdings einem anderen zu verdanken: dem 1881 geborenen Heinrich Köhler, der nach Pariser Lehrjahren und einer Reihe dort mit seinem Partner Gérard Gilbert ab 1908 durchgeführten Auktionen, sich in Berlin selbständig machte und ab April 1913 regelmäßige Auktionen in Deutschlands Hauptstadt durchführte. Seinem Beispiel folgten seitdem zahllose andere Firmen. Legendär bis heute sind die ab 1921 in Paris durchgeführten Ferrari-Auktionen, bei denen über Jahre hinweg die unschätzbare Riesensammlung des Briefmarkenkönigs Philipp von Ferrari versteigert – manche sagen auch: verschleudert – wurde. Die Auktionen fanden übrigens im schon erwähnten Hôtel Drout statt. Versteigerer dort war kein anderer als der junge Auktionator, mit dem Heinrich Köhler seine ersten Pariser Schritte auf dem Auktionsparkett gemacht hatte: Monsieur Gérard Gilbert. Berühmte Sammler und zuweilen noch bekanntere Versteigerungen prägen seitdem die Szene, gleich ob es sich um die Versteigerungen der Sammlungen von Maurice Burrus, Arthur Hind, Alfred Henry Caspary oder – last but not least – um die einmalige Altdeutschland-Sammlung von John R. Boker ging. Sie waren nicht die ersten und werden nicht die letzten sein.8 8 Mehr dazu findet sich in Kapitel 4.5 | 69 ____________________________________________________________________________________ 3.4 Die Bedeutung und Entstehung früher Monografien, Handbücher und Spezialkataloge ____________________________________________________________________________________ Als Monografien bezeichnet man in der Literatur umfassende, in sich vollständige Abhandlungen, die einzelne Gegenstände bzw. Themen – zuweilen sogar in sehr spezialisierter Fokussierung – bearbeiten, während Handbücher zumeist breiter angelegt und gefasst sind. Im engeren ursprünglichen Sprachsinne sind Monografien Einzelschriften, was nicht die Zahl deren Urheber – dies können auch durchaus mehrere sein –, sondern das gewählte Thema betrifft, dem sie sich ausschließlich widmen. Mit der Schwierigkeit einer exakten Bestimmung geht auch die Übertragung dieser Begrifflichkeiten auf die Philatelie einher. Denn auch hier sind die Grenzen zwischen Monografien, Handbücher oder Spezialkatalogen fließend. So waren nicht wenige als Handbücher der frühen Zeit verbreitete Spezialwerke durchaus Monografien, manche sogar – im späteren Verständnis – zugleich Spezialkataloge. Um solchen Problemen der Definition und genaueren Einstufung wenigstens annähernd aus dem Wege zu gehen, werden in Kapitel 3.4 exemplarisch, aber erneut nach Ländern angeordnet, bedeutende frühe Monografien, Handbücher und Spezialkataloge vorgestellt, in Kap. 4.1 dann solche Werke, die – und sei es ebenfalls in monografischer Form – innerhalb von Buchreihen namhafter Philatelisten, Vereine und andere Institutionen herausgegeben wurden. Zu letzteren zählen dann nicht nur einzelne Monografien, die aber als Reihentitel oder innerhalb einer Reihe erschienen, sondern auch die Versuche weltweiter hochspezialisierter Katalogwerke, die 70 | ebenfalls in zahlreichen einzelnen Folgen als Lieferungsbände herauskamen. Monografien und spezialisierte Studien namhafter Philatelisten spiegeln – seit den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts mehr denn je – den hohen Entwicklungsstand, den die Philatelie generell gewonnen hatte. Nunmehr war nicht allein der Existenznachweis, die Quantität der Marken und deren rein bildliche Vergleichbarkeit gefragt, nun richtete sich die Betrachtung auch auf briefmarkenkundliche Themen der verschiedenen Aspekte der Produktion, der Ausführungsunterschiede, der Verwendungsarten und ihrer Bestimmung, um nur einige Beispiele zu nennen. Fragen der Papierbeschaffenheit, der Farben, Zähnungen, Wasserzeichen, selbst der Portostufen und gedachten Destinationen kamen auf und wurden immer eingehender erforscht. Aber nicht nur die Briefmarke selbst stand im Blickwinkel der Betrachtung, auch deren „Umfeld“, also die Stempel und/oder der Brief. Und je mehr sich einzelne Sammler solchen Teilaspekten widmeten, je stärker verengten sie den Blick auf neue Sammelmöglichkeiten und -felder, woraus dann wieder marktgerechte Kataloge und damit neue Nachfrage erwuchsen, die wiederum die Antriebsfeder für weiteren Fortschritt waren. Fachlich fundierte Monografien, seien es Länder- oder Gebietsbearbeitungen – wurden damit zum Fundament der Entwicklung der Philatelie im letzten Quartal des 19. Jahrhunderts, das im Folgejahrhundert immer mehr ausgebaut wurde, soweit, dass es heute kaum noch überschaubar ist. Die nachfolgenden Beispiele könnten beliebig ____________________________________________________________________________________ vermehrt werden, sie bieten nur einen kleinen Ausschnitt aus der viel größeren damaligen Wirklichkeit. „Vorläufer“ Die Postgeschichte ist älter als die Philatelie. Sie reicht bis ins frühe 16. Jahrhundert und selbst noch davor zurück. Wenn man so will, bis zur Geschichte der Römer und der Völker Mesopotamiens, Ägyptens und des frühen asiatischen oder amerikanischen Raums. Bekanntlich war erst die von Rowland Hill in England durchgesetzte Postreform die in eine neue Struktur gegossene Vereinheitlichung innovativer Gedanken, deren einzelne „Bausteine“ bereits vor ihm von anderen entwickelt worden waren. Auf solche Vorläufer ist im Rahmen dieser Ausführungen nicht einzugehen, wohl aber auf einige Titel, die den Gedanken der Postrefom Hills mit dem neuen, damals höchst modernen und ungewöhnlichen Produkt der Briefmarken als vorauszubezahlendes Porto für Briefe in direkte Verbindung brachten. Zwei solcher Titel führen nach Österreich, genauer gesagt nach Wien, wo 1851 das Buch von Dr. Johann Herz „Die Post-Reform im deutsch-österreichischen Post-Vereine“ erschien. In diesem Buch schilderte der damalige spätere kaiserliche Ministerialrat Herz seine 1849 bei einer Rundreise in die westlichen Länder, zumal in Belgien, Frankreich und England gewonnenen Einsichten zu Vorund Nachteilen der Postreformen jener Zeit und legte damit die Entscheidungsgrundlagen für die Einführung von Briefmarken in Österreich. Herz gab Hinweise zur Herstellung und Verwendung der Marken, aber auch zur Portoberechnung und zu Papier, Farben, Gummierung und mögliche Druckverfahren. Er wurde dann mit der Realisierung der Einführung von Briefmarken in Österreich beauftragt und begleitete diese bis zur Druckfreigabe. Das in kleiner Auflage gedruckte Buch war nie im Buchhandel. Es wurde nur an befreundete Postverwaltungen und andere Institutionen verschenkt. Dementsprechend selten wurde es später jemals angeboten, zuletzt – und erstmalig nach langen Jahren – bei der IPHLA-Literaturauktion des Hauses Heinrich Köhler 2012 in Mainz. Bildlich gesprochen, gilt es als eine der „Geburtsurkunden“ der Philatelie und ist in der Form eine wertvolle postgeschichtliche Dokumentation. Vergleichbar selten und ebenso wenig bekannt ist der Titel „Das Postwesen von seinem Ursprunge bis an die Gegenwart. Zum Theile nach officiellen Quellen geschichtlich und statistisch bearbeitet von Adolf Fr. Storch, K. K. Postoffizial und Redakteur, Wien, Selbstverlag 1866, 175 Seiten, mit 286 Abbildungen (zumeist von Briefmarken)“. Dieses Werk ist von der Anlage her eher ein Handbuch, denn – der Verfasser wurde mit einem katalogähnlichen Produkt bereits schon einmal in Kapitel 2.1 unter dem gleichen Jahr aufgeführt – es präsentiert Daten und Fakten aller Postverwaltungen, die bis 1866 bereits Briefmarken herausgegeben hatten. Letztere werden jeweils abgebildet, so dass es eben auch deren Urheber, die Postverwaltungen, mit allen dem damaligen Postbeamten bekannten Details näher beschreibt. Auch in Frankreich erschienen einige postgeschichtlich orientierte Arbeiten, die ebenfalls mit der Entstehung und Entwicklung der Philatelie in Zusammenhang zu bringen sind. So veröffentlichte Hippolyte Boyer 1862 eine kleine 8-Seiten-„Histoire du timbre-postes et en particulier du timbre-postes français“. Boyer, Postdirektor in Marennes, ließ dem Erstling 1863 weitere „Notizen“, dieses Mal auf 28 Seiten, folgen: „Notice historique sur le timbre-poste …“, die ebenfalls in Rennes erschienen. Weitaus umfangreicher und im wahrsten Sinne des Wortes auch bedeutsamer, weil grundlegender recherchiert und zusammengetragen, waren Monografien von Arthur de Rothschild. 1872 legte er „La poste á un penny“ (48 Seiten, Brüssel), aber auch „Notice sur l’Origine du prix uniforme de la Taxe des Lettres et sur la Creation des timbres-poste en Angleterre“ (83 Seiten, 600 Exemplare) vor. Nur ein Jahr später erschien „Histoire de la poste aux lettres, depuis ses origines les plus anciennes jusqu `à nos jours“, ein 335 Seiten umfassendes postgeschichtliches Werk in einer Auflage von 600 Exemplaren (auf verschiedenen Papieren gedruckt), das noch im gleichen Jahr 1873 in zweiter Auflage (nun mit 394 Seiten) in Paris herauskam. 1876 wurde es von Jean-Baptiste Moens bei leicht verändertem Titel („Histoire de la poste aux lettres et de timbre-poste, depuis leurs origines jusqu `à nos jours“) in dritter Auflage verlegt, allerdings nunmehr sogar mit zwei Bänden: Band I mit mehr als 360 Seiten, Band II mit rund 330 Seiten. Parallel kam das Werk auch in Paris bei Calmann Levy heraus. Dazu erschienen von dem letztgenannten Verlag 1879 als vierte Auflage „Illustrée de nombreuses vignettes par Bertrall“ (423 Seiten) und 1880 davon eine weitere mit 440 Seiten, die 1984 nachgedruckt wurde und nun auch eine Geschichte der Philatelie und der Sammler enthielt. Waren solche frühen Werke seltene Beispiele der Verbindung von Postgeschichte und Philatelie, sind die nunmehr zu nennenden im direkteren und damit genuinen Sinne der internationalen Philatelie zuzuordnen. Austria (Österreich) Hans Kropf publizierte um die Wende des 19./20. Jahrhunderts gleich drei Werke, die die Philatelie der damali- | 71 ____________________________________________________________________________________ gen Donaumonarchie in bis dahin unbekannt eingehender Weise würdigten. 1899 erschien „Die Abstempelungen der Marken von Oesterreich-Ungarn und Lombardei-Venetien“ (162 Seiten, 71 Bildtafeln) in Prag, 1902 folgte ein mit 455 Seiten noch umfangreicheres Werk „Die Postwertzeichen der Oesterreichisch-ungarischen Monarchie unter Benützung amtlicher Quellen“. Als Jubiläumswerk zur 50 jährigen Einführung der Briefmarken in Österreich wurde das Buch vom Deutschen Verein für Briefmarkenkunde in Prag herausgegeben. 1908 krönte er seine Autorenkarriere mit dem fast 500 Seiten starken Titel „Die Postwertzeichen des Kaisertumes Österreich und der österreichisch-ungarischen Monarchie. Als Jubiläumswerk zur Feier des sechzigjähr. Regierungs-Jubiläums Sr. Maj. Des Kaisers Franz Joseph i. mit Benützung amtlicher Quellen bearbeitet“ (447 Seiten, 35 Bildtafeln). Bis heute haben diese damaligen Standardwerke nichts von ihrem historischen Wert verloren. Switzerland (Schweiz) Eine erste in sich abgeschlossene Monografie über Schweizer Briefmarken gab Adolf Schulze (1841–1892) in Bern heraus. Der Titel des von Robert Deyhle im November 1879 verlegten Werkes – es hatte nur vier Seiten Text – lautete „Die Schweizer Cantonal-Marken (als Beilage zur Photographie)“ und bereits die damalige Presse äußerte sich höchst anerkennend über die sehr gelungene Qualität der Abbildungen, die man in dieser qualitativ guten Ausführung bis dahin nicht kannte. Schulze war ab September 1884 Prüfungskommissar des Schweizer Philatelisten-Vereins Zürich und galt bereits zu Lebzeiten als einer der größten Kenner der Schweizer Philatelie.1 Zehn Jahre später, 1889, erschienen zwei Werke, die die damalige Schweizer Philatelie über die Grenzen des Landes hinaus zum Gespräch machte. Ed. Von Leman (ein Aliasname von Hans Kirchhofer) publizierte einen „Spezialkatalog der Postwertzeichen der Schweiz“ in deutscher und französischer Sprache, dessen 32 Seiten 1894 noch einmal in einer aktualisierten Ausgabe der französischen Version erschienen. Wenig später, im Oktober 1889, erschien dann eine Broschüre des Lausanner Baron Axel de Reuterskjöld („Les Timbres Cantonaux de la Suisse (et leurs Falsifications“), dessen 47 Seiten künftig als Grundlage für weitere, teils weit umfangreichere Arbeiten dienen sollten. Die Publikation kam 1890 auch in deutscher Fassung („Die Kantonalmarken der Schweiz und deren 1 Zur Bearbeitung der philatelistischen Literatur der Schweiz wurde neben den Werken von Crawford und Amrhein auch die Studie von A. Abele, Die phiatelistische Literatur der Schweiz 1864–1945, Bern 1946, ausgewertet. 72 | Fälschungen“) mit 39 Seiten heraus, im Mai 1998 als aktualisierte französische Fassung in zweiter Auflage. Dem damaligen Zeitgeist folgend publizierte Otto Pfenninger 1891 ein erstes Werk über „Kantonale und Schweizerische Postentwerthungsstempel aus den Jahren 1850 bis 54“ (8 Seiten sowie Bildtafeln), nachdem dieser bereits ein Jahr zuvor ein „Handbuch der Schweizer PostWerth-Zeichen mit Beigabe von Postamtlichen Erlassen“ (135 Seiten, sechs Bildtafeln) veröffentlicht hatte. Das Non-Plus-Ultra der Schweizer Philatelie war allerdings das 1899 von Paul Mirabeaud (1848–1908), dem damaligen Direktor der Bank von Frankreich und Verwaltungsrat der Suez-Kanal-Gesellschaft, gemeinsam mit Baron Axel de Reuterskjöld herausgegebene Prachtwerk über Schweizer Briefmarken der Jahre 1843–1862. Die Gesamtauflage von 500 Exemplaren teilt sich auf eine französische („Les timbres-poste suisses 1843–1862“, 200 Exemplare) und eine englische („The postage stamps of Switzerland 1862–1862“) sowie eine deutschsprachige („Die Schweizerischen Postmarken 1843–1862“) mit jeweils 150 Exemplaren auf. Mehr als acht Jahre hatte Paul Mirabeaud daran gearbeitet, monatelang wurde der auf handgeschöpftem Papier herzustellende Druck vorbereitet und geprüft, denn neben den 270 Seiten der französischen (278 der deutschen, 266 der englischen) Ausgabe im großen Quartformat waren auch 14 Tafeln mit Reproduktionen der Schweizer Briefmarken herzustellen, deren Wiedergabe alles bis dahin an Qualität Bekannte in den Schatten stellen sollte. Das gelang, so gut, dass es noch heute Fälschungen gibt, die aus diesen Reproduktionen gewonnen wurden und sich nur vom Papier her unterscheiden! Allein die Druckkosten betrugen für dieses Werk 60 000 Schweizer Goldfranken, – nicht nur für die damalige Zeit eine unvorstellbare Summe. Erst Ende 1899 war das Werk vollendet und letztlich zum Jahresund Jahrhundertwechsel 1900 erhältlich. Dieses Werk gilt bis heute als das wohl schönste, kostbarste und aufwändigste Buch innerhalb der Philatelie des 19. Jahrhunderts. Auch wenn es in neuerer Zeit einen Nachdruck erfuhr (Quarterman Reprint, 1974, allerdings nur schwarzweiß ausgeführt), kann dies dank der hervorragenden Ausstattung und der fachlich-inhaltlich bis heute hin nahezu einmaligen Bearbeitung (das Werk enthielt auch mehr als 700 Abbildungen von Stempeln, zudem eine zur damaligen Zeit vollständige Bibliografie) nichts an dem berechtigten Status des Buches ändern. Heutige Auktionspreise von bis zu mehreren tausend Euro je nach Ausführung tragen der Seltenheit, aber auch der Besonderheit dieses Werkes Rechnung. ____________________________________________________________________________________ Germany (Deutschland) Den Reigen der deutschsprachigen Länder soll Deutschland komplettieren. Zwar kam es mit keinem der dort bis 1900 erschienenen Werke an die Qualität des Titels von Mirabeaud/Reuterskijöld heran, aber seit den 1880erJahren hatten sich die Schwerpunkte forschender Philatelie auch in Deutschland weiter entwickelt, was sich in einer Fülle neuer Publikationen niederschlug. Ein typisches Beispiel war das von dem Apotheker Ferdinand Thaddeus Meyer (1846–1882) aus Franzensbad verfasste „Handbuch für Postmarkensammler für den permanenten Gebrauch bestimmt. Vollständiges Verzeichnis und Beschreibung aller amtlich ausgegebenen Postmarken sowie sämmtlicher Privatmarken“, das 1881 in Nürnberg im Verlag des Briefmarkenhändlers Georg Zechmeyer mit 656 Seiten Umfang erschien. War bereits der Umfang dieses neuen Handbuches enorm, so galt der detailliert und exakt beschriebene Inhalt damals ohne Vergleich. Der Apotheker Meyer, er war von der Ausbildung auch Chemiker, hatte sich erstmals in vorzüglicher Weise mit den Markenfarben und den Zusammensetzungen von Briefmarken näher beschäftigt und konnte zu Originalen, aber auch zu deren Fälschungen und Verfälschungen substantiell Neues vorlegen. Zu diesem Handbuch erschienen allein sieben Nachträge, deren erste beiden von 1881 und 1882 mit jeweils knapp 80 Seiten Meyer noch selbst verfasst hatte. Die späteren bis 1887 erschienenen wurden von Dr. Paul Kloss verantwortet, der mit dem siebten Nachtrag auch ein Gesamtregister lieferte. Insgesamt kamen so über 1 200 Seiten bester philatelistischer Fachbearbeitung weltweiter Philatelie zusammen, so dass dieses Handbuch in den 1880erJahren durchaus zu Recht als führend angesehen wurde. Wirklich komplette Ausgaben mit allen Nachträgen sind heute nicht mehr häufig zu finden. Kleine Spezialstudien im Sinne monografisch angelegter Kataloge hatte bereits Dr. Alfred Moschkau Jahre zuvor verfasst. Aus seiner Feder erschien bereits 1871 bei Dietze in Dresden „Die Wasserzeichen auf den seit 1818 bis dato emittirten Briefmarken u. Couverts nebst Abriss einer Geschichte der Briefmarken und des Briefmarkensammelwesens (‚Philatelie‘). Mit 70 in den Text gedruckten Holzschnitten“. Die kleine 43-Seiten-Studie war allerdings kaum mehr als das, was Dr. Amable Legrand in seinem „Essai sur les filigranes et les papiers ...“ bereits 1867 in Paris publiziert hatte. Dennoch erlebte das Werk mehrere Nachauflagen: zuerst 1872 (nun mit 49 Seiten, 84 Abbildungen), dann 1878 mit einer dritten gänzlich umgearbeitete Auflage unter dem Titel: „Geschichte der Briefmarken und der Philatelie (Briefmarkenkunde). Nebst einer Beschreibung aller bekannten Wasserzeichen auf Briefmarken, Couverts, etc.“, in Leipzig von Louis Senf mit 88 Seiten und zwölf Bildtafeln publiziert, und eine letzte, vierte Auflage gab es 1880 unter dem veränderten Titel „Die Wasserzeichen auf Briefmarken, Couverts, Postkarten etc. Nebst einer Geschichte der Briefmarken und des Briefmarkensammelwesens (Philatelie)“, nunmehr mit 98 Seiten und zwölf Bildtafeln. Weitaus selbstständiger erarbeitet war Moschkaus „Handbuch für Essais-Sammler. Verzeichnis aller bis dato bekannten officiellen postalischen Essais“, das in Leipzig bei Louis Senf 1875 mit 51 Seiten und einer Abbildungstafel erschien, allerdings keine Neuauflagen erfuhr. Gleiches galt für Moschkaus „Geschichte der Philatelie. Gesammelte Beiträge zur Geschichte der Briefmarken und der Briefmarkenkunde. Mit Porträts und Illustrationen“ (Leipzig, Louis Senf 1879, 80 Seiten), denn diese waren nur „Aufguss“ längst bereits Veröffentlichtem und Moschkau wandte sich ab den 1880er-Jahren vermehrt auch anderen Interessen zu. Dafür traten andere Philatelisten mit ihren Studien an. Zum Beispiel der Dresdener Dr. Paul Kloss. 1880 erschien seine 32 Seiten-Studie „Vereinigte Staaten von Nord-Amerika. Couvert- und Streifband-Aufstellung“ (bei Louis Senf in Leipzig), im gleichen Jahr eine aus Beiträgen in der Zeitschrift „UNION“ zusammengefasste Arbeit „Verzeichniss und Beschreibung aller Post-Karten mit aufgedruckten Werthstempel“ mit weit über 200 Seiten (1882 in 2. Auflage), 1882 die „Geschichte der Post-Wertzeichen des Königreichs Sachsen. Mit 68 Illustrationen. Nach amtlichen Quellen bearbeitet“, verlegt von Ernst Petritz in Dresden (90 Seiten). Gerade diese letztgenannte Arbeit brachte Kloss viel Anerkennung ein, beschäftigte er sich doch als einer der ersten allein mit der Erforschung von Marken eines „Landes“, was Otto Rommel 1894 nur noch damit steigern konnte, indem er die „Geschichte der Sächsischen Zeitungsmarke 3 Pfennige rot“ auf 48 Seiten beschrieb, also zum ersten Mal überhaupt eine einer einzelnen Marke gewidmete Arbeit bei Ernst Heitmann in Leipzig veröffentlichte. Niveauvoll an fachlichem Gehalt war auch Ludwig Bergers Ausarbeitung „Die Postwerthzeichen des Herzogthums Braunschweig nebst einem kurzen Abriss der Braunschweigischen Postgeschichte. Unter Benutzung amtlicher Quellen bearbeitet“ von 1893, in Braunschweig mit 140 Seiten Umfang veröffentlicht. Es mehrten sich zu dieser Zeit die Ländermonografien und Spezialwerke, zu denen auch Arthur Ernst Glasewald bereits einiges (z.B. zu Griechenland und zum Thema deutscher Privatpostmarken) seit Ende der 1880er-Jahre herausgebracht | 73 ____________________________________________________________________________________ hatte. Wie Ludwig Berger war auch Glasewald Prüfer und Experte, aber auch ein unermüdlicher Publizist. In den 1890er-Jahren fiel er mit zwei Studien zum damals rasch aufkeimenden Interesse an Stempeln auf: „Die Abstempelungen der Marken des Thurn und Taxis‘ schen Postgebietes. Nach mehreren Vorträgen (unter Zugrundelegung der eignen Sammlung) bearbeitet von A. E. G.“ wurde von ihm in Gössnitz 1893 (60 Seiten, zehn Bildtafeln, zwei Karten), und die Arbeit „Die Abstempelungen der Marken von Baden. Unter Mitwirkung mehrerer Specialisten ...“ 1898 ebendort (96 Seiten, zwei Bildtafeln) veröffentlicht. Diesem geradezu blühenden Trend, Stempel zu sammeln, hatte wohl Adolf Reinheimer mit seinem ersten „Katalog der deutschen Entwertungsarten von 1849–1875“ (zwei Hefte, Frankfurt a. M., J. H. Schloss [1891–92]) ausgelöst, dem 1894 der weit mehr verbreitete „Illustrirte Preiskatalog der deutschen postalischen Entwertungsarten“ mit nunmehr 690 Abbildungen auf 52 Seiten gefolgt war, die der Internationale Philatelisten-Verein Dresden herausgegeben hatte. Wenn die deutsche Philatelie in jener Zeit eine wahre Blüte erfuhr, schlug sich diese aber nicht nur in solchen beispielhaft ausgewählten Titeln nieder, sondern auch in einer großen Breite von Handbüchern in Fortsetzungen, die ab 1887 begonnen wurden. Über diese wird in Kapitel 4.1 näher zu handeln sein. Belgium (Belgien) In Belgien war der literarische Fortschritt erneut mit dem Namen von Jean-Baptiste Moens eng verknüpft. Der von Hanciau und ihm bearbeitete „Catalogue prix-courant de timbre-poste, télégraphes, enveloppes, bandes, cartes, mandats, timbre fisceaux, mobiles, etc.“ erschien 1892 in siebter Auflage, allerdings in drei einzelnen Bänden und einem zusätzlichen reinen Abbildungstafel-Band. Die insgesamt 1 295 Seiten zählten mehr als 10 000 Abbildungen, die allein auf 677 Bildtafeln untergebracht waren. Man darf durchaus zu Recht sagen, dass dies der letzte große Spezialkatalog des 19. Jahrhunderts war, mit dem sich Moens selbst sein Denkmal zum Abschluss seiner Karriere setzte. Allerdings hatten er und Hanciau daran bereits nicht nur in der Pionierzeit, sondern besonders auch in den Jahren von 1877 bis 1887 fleißig gearbeitet, denn bereits damals gaben sie eine „Bibliothèque des Timbrophiles“ heraus, die mit ihren 24 (!)Handbüchern unübertrefflich war. (Siehe Kapitel 4.1) France (Frankreich) In Frankreich gab es ein Pendant zu Moens‘ „Bibliothek der Markenliebhaber“, nahezu zeitgleich zwischen 1878 74 | bis 1889 entstanden (siehe Kap. 4.1). Aber vergleichbar anderen Ländern erschienen dort auch Einzelstudien, die sich ebenfalls mehr der Philatelie des eigenen Landes widmeten. Beispielhaft zu nennen ist eine Arbeit von Louis Leroy, die 1891 mit dem Titel „Histoire du timbre-poste française” in Paris (und in Brüssel bei Moens) erschien, die mit ihren 204 Seiten auch eine Synopse aller französischen Ausgaben von 1849 bis 1891 bot. Georges Brunel folgte 1896 mit seiner Arbeit „Le timbre-poste français étude historique et anecdotique de la poste et du timbre en France et dans les Colonies françaises”, ebenfalls in Paris mit über 300 Seiten publiziert. Eine weitgehend unveränderte Neuauflage gab es, allerdings mit einem Supplement von zehn Seiten, 1901. F. Marconnet setzte nahezu zum Ende des Jahrhunderts mit seinem zweibändigen in Nancy 1897 herausgebenen Werk „Les Vignettes postales de la France et de ses colonies. Catalogue historique et raisonné de toutes les émissions métropolitaines et coloniales depuis le 1er Janvier 1849 jusqu‘au 1 Juillet 1897” einen glanzvollen Höhepunkt. Beide Bäne boten rund 500 Textseiten mit 66 Bildtafeln, auf denen 536 Abbildungen zu sehen waren. Zwar bereits im neuen Jahrhundert, aber auch ein Höhepunkt seiner Lebenslaufbahn, war Arthur Maurys „Histoire des timbres-poste Francais. Enveloppes, bandes, cartes, timbres-télégraphe et téléphone, essais, marques postales et obliterations”. Auch dieses ansehnliche Werk erschien in zwei Bänden mit insgesamt 648 Seiten, wobei der erste Band 1907 herausgegeben wurde, der zweite 1908 folgte. Italy (Italien) Man kann sich kurz fassen, wenn man die bedeutende Literatur dieses Landes schlechthin mit einem Namen identifiziert: mit Dr. Emilio Diena, dessen Schriften bis zum Ende des 19. Jahrhunderts geradezu die Philatelie des eigenen Landes nach innen wie außen repräsentierten. 1894 trat er mit der Studie “I francobolli del ducato di Modena e delle provincie Modenesi e le marche del ducato stesso pei giornali esteri. Con tre tav. in eliotipia e quattro in zincotipia” in Modena an (226 Seiten, sieben Bildtafeln, Auflage 350 Exemplare, außerdem Deluxe-Ausgabe in 50 Exemplaren „on carta di lusso“). Vier Jahre später folgte „Les Timbres-poste des Romagnes. Par E. D., suivi d‘une etude sur leurs reinpressions par J. B. Moens. Illustre de gravures sur bois”, die in Brüssel von J. B. Moens 1898 (96 Seiten, 140 Exemplare; außerdem Deluxe-Ausgabe auf „papier de Hollande“ in zehn Exemplaren). 1904 war Stanley Gibbons Limited der Herausgeber des Buches „A History of the postage stamps of Sicily, with twenty pla- ____________________________________________________________________________________ tes of autotype illustrations. By E. D. Translated by E. B. Evans”, das mit 143 Seiten und 20 Bildtafeln aufwarten konnte. Es erschien als “Stanley Gibbons Philatelie Handbooks. No. 8” und auch von diesem Werk gab es eine Deluxe-Ausgabe in rotem Leder gebunden. Ein Jahr später erschien “The Stamps of the Duchy of Modena and the Modenese Provinces, with the foreign newspaper tax stamps of the Duchy. By Dr. E. D. with seven plates of illustrations”, nunmehr von der Philatelic Record Company, Limited in Manchester als Philatelic Record Handbook No. 2 mit über 150 Seiten verlegt (dies war eine Zusammenfassung einer Artikelserie Dienas, die zuvor im “Philatelic Record” von Januar 1904 bis November 1905 publiziert worden war). Emilio Diena, der zu Lebzeiten wohl führende und mit bekannteste Prüfer, Experte, Juror und Fachautor Italiens, veröffentlichte zahllose Beiträge in Fachzeitschriften und trat – dies sei hier gerne auch schon erwähnt – 1932 mit seinem Spätwerk „Francobolli del Regno di Napoli et i due Provisori de mezzo tornese del 1860“ noch einmal an die Öffentlichkeit. Spain (Spanien) Wie bereits in Kapitel 3.3 betont, war es Dr. Thebussem, dem zahlreiche kleinere Veröffentlichungen zu verdanken sind. Ein gewichtiges Buch erschien vor der Jahrhundertwende allerdings in deutscher Sprache und wurde 1890 in Mährisch Ostrau im Verlag des „Philatelistischen Börsencourier“ (Kittl) erstmals mit 66 Seiten, dann aber 1894 wesentlich erweitert in zweiter Auflage in Berlin von Dr. Hans Brendicke in zwei Teilen mit 160 Seiten und 13 Bildtafeln (Teil I) und 176 Seiten mit sieben Bildtafeln (Teil II) publiziert. Dies war das Werk von Rudolf Friederich „Die Postwerthzeichen Spaniens und seiner Colonien, auf Grund hauptsächlich spanischer Quellen bearbeitet“, das nun für lange Zeit als maßgeblich und richtungsweisend galt. Von der Zweitauflage existiert auch eine Ausgabe auf speziellem „Schreibpapier“ gedruckt und beide Teilen in Leinwand oder Halbleder-Bänden gebunden. Großbritannien England war immer noch eine Wiege der philatelistischen Literatur und namhafte Autoren ließen es sich auch nicht nehmen, über diesem Status nur den leisesten Zweifel zu hegen. Zu einer Art Maßstab aller Dinge in den frühen 1880er-Jahren entwickelte sich das von Frederick Philbrick und William Westoby vorgelegte 384-SeitenBuch „The Postage and Telegraph Stamps of Great Britain“, das im Juli 1881 erschien. Manfred Amrhein be- zeichnete es in seinem Werk als „the best work on any country that had yet appeared“.2 Philbricks und Westobys Werk bildete gleichzeitig den Auftakt zu einer Handbuchreihe der Philatelic Society, London, die in Kapitel 4.1 vorgestellt wird, aber bereits an dieser Stelle attestiert werden darf, dass deren Monografien zu den führenden wertvollen Studien ihrer Zeit wurden. Neben diesem darf eine weitere, weil ganz besondere Arbeit von Edward Benjamin Evans aus dem Jahr 1891 nicht vergessen werden: „A Description of the Mulready envelope and of various imitations and caricatures of its design; with an account of other illustrated envelopes of 1840 and following years.” Sie ist allein deshalb erwähnenswert, weil sie sich – vielleicht nicht erstmals, aber in ganz besonderer Art und Weise – einem sehr speziellen Thema allein widmete, eben den Karikaturumschlägen der Mulready Covers. Zuvor war die Studie bereits im ersten und zweiten Jahrgang von Stanley Gibbons “Monthly Journal” erschienen, nun gab es sie im gleichen Verlag als 240 Seiten-Buch, außerdem in einer Deluxe-Ausgabe auf satiniertem Papier, die heute kaum noch anzutreffen ist. Erwähnt sei zu diesem Thema auch noch die kleine Studie von Thomas Martin Wears, die bereits einige Jahre zuvor, 1886, unter dem Titel “The History of the Mulready Envelope” herausgekommen war. Allerdings waren darin nur eine Reihe von Karikaturumschlägen beschrieben, die dem Autor zu jener Zeit bekannt waren. United States of America (USA) John K. Tiffany soll auch hier den Reigen der besonderen Monografien eröffnen, denn er war der erste, der ein Handbuch über die Marken der USA schrieb, das bei Moens 1883 veröffentlicht wurde (siehe Kapitel 4.1). Moens selbst hatte – der rege Handel und Gedankenaustausch mit der frühen sehr lebendigen Philatelie in den USA legte dies nahe – auch literarisch bereits sehr früh, nämlich 1868, den Vereinigten Staaten eine Studie gewidmet: „Timbres d’offices Americaines avec leurs prix de vente. Précéde d’une introduction sur leur origine par feu M. James Lesley, Vice-Consul des Ètats-Unis“. Die kleine 31-Seiten-Arbeit (mit acht Bildtafeln; Deluxe-Ausgabe mit neun Bildtafeln!) war ein Anfang. Tiffanys Buch von 1883 bei Moens wurde 1887 von Charles H. Mekeel unter dem Titel „History of the Postage Stamps of the United States of America“ verbreitet (2., leicht veränderte Auflage 1893) und 1892 folgte Tiffany – zusammen mit R. R. Bogert und Joseph Rechert – mit einem weiteren Buch, „The Stamped Envelopes, wrappers 2 Amrhein, a.a.O., Band I, Seite 43 | 75 ____________________________________________________________________________________ and sheets oft he United States“ (126 Seiten). Ganzsachen war eines der zahlreichen Spezialgebiete Tiffanys gewesen und es sollen auch unveröffentlichte, nur vervielfältigte Manuskripte Tiffanys geben, in denen er solche Studien für verschiedenste damals (1876) bekannte Gebiete einmal zu einem späteren Katalog zusammenzustellen beabsichtigte. Charles H. Mekeel publizierte – zuerst im „Philatelic Journal of America“ – eine Spezialstudie „The History of the postage stamps of the St. Louis Postmaster 1845–1847“, die 1895 in Buchform erschien. Diese Arbeit ist insofern besonders erwähnenswert, weil sie als erste einer einzelnen Ausgabe der USA gewidmet war. Fiskalmarken wurden seit jeher in den USA besonders gesammelt. Diesem Trend trugen George Lunt Toppan, Hiram E. Deats und Alexander Holland mit ihrer Monografie zum Thema „An historical reference list of the revenue stamps of the United States including the Private Die Proprietary stamps“ Rechnung (428 Seiten, herausgegeben von der Boston Philatelic Society). Noch weit umfassender wurde der „Catalogue for advanced collectors of postage stamps, stamped envelopes and wrappers“, den Henry Collin und Henry Calman 1901 vorlegten. Collin war ein bekannter Händler, der sich bereits ab 1885 mit fünf Auflagen eines „Price catalogue of postage stamps, envelopes and newspaper wrapper ...“ einen guten Namen erworben hatte. Dessen fünfte Auflage war bereits in zwei Teilen mit mehr als 1 900 Abbildungen zuvor erschienen. 1889 bis 1900 hatten Collin und Calman – Calman hatte 1885 die Firma von John Walter Scott erworben, damit auch dessen Zeitschrift, das „American Journal of Philately“ – in eben dieser Zeitschrift eine weltweit reichende Bearbeitung der Ausgaben aller Länder, von Afghanistan bis Zululand reichend – veröffentlicht, die nun ein Jahr später in Buchform erschien. Daraus wa- 76 | ren drei Bände mit insgesamt mehr als 1 350 illustrierten Seiten entstanden. 1901 gab es sogar noch einen zusätzlichen Band mit 246 Bildtafeln. Damit wurde aus diesem Handbuch ein heute fast schon legendäres Standardwerk jener Zeit, das man nicht mehr häufig antrifft. Ausblicke Die vorhergehende Aufzählung ist bereits im Ansatz lückenhaft, denn es wurden nur wenige Länder – und bei diesen auch meist nur die in den Ländern selbst entstandenen Schriften – berücksichtigt. Natürlich gab es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts weit mehr Länder, in denen bereits kleinere – und in Einzelfällen auch größere – Monografien entstanden. Und es gab weit mehr Länder als Sammelgebiete, zu denen Dritte, nicht innerhalb dieser Länder wohnende Philatelisten bemerkenswerte Studien schrieben. Einige hier nur verkürzt aufgeführte Titel und deren Autoren seien dennoch abschließend in chronologischer Abfolge genannt: „Timbres d’offices Américaines“ (1868, von James Lesley), „Timbres de Moldavie et de Roumanie“ (1869, Dr. A. Legrand), „Les timbres-poste rureaux de Russie“ (1875, Samuel Koprowski), „Les Éscritures et la lègende de timbres du Japon“ (1878, Samuel Koprowski), „Katalog der Postwertzeichen des Ottomanischen Kaiserthums“ (1878, Ferdinand Meyer), „Afghanistan, seine Post und seine Postwerthzeichen“ (1879, Ferdinand Meyer) – die Studie wurde 1881 von der Société Française de Timbrologie ins Franzsösische übersetzt – sowie Hugo Lübkerts „Handbuch aller bis 1881 bekanntgewordenen Postwerthzeichen der Rural-Posten von Russland“, das 1882 mit insgesamt 130 Seiten bei Sigmund Friedl in Wien erschien. Dasselbe Thema behandelte 1896 William Herrick mit seinem 128-Seiten-Werk „Catalogue of the Russian Rural Stamps“. All diese Veröffentlichungen und viele andere mehr waren im Sinne dieses Buches „Meilensteine“. ____________________________________________________________________________________ 3.5 Wachstum weltweiter Philatelie und philatelistischer Literatur ____________________________________________________________________________________ Die Zeit von 1875 bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte weltweit einen ungeahnten, von keinem der frühen Pioniersammler wohl für möglich erachteten Aufschwung der Philatelie. Zahlreiche neue Sammelgebiete wie Länder, in denen nun eifrig von stets neu begeisterten Philatelisten Neuerscheinungen aus aller Herren Länder gesammelt wurden, kamen dazu. Die in der Überschrift zu Kapitel 3 auch beschriebenen „Neuanfänge“ waren zahlreich, betrafen auch neue Trends eines zunehmend mehr spezialisierten und forschenden Sammelns, was sich auch in einem ebenso stetig mehrenden Angebot an philatelistischer Literatur niederschlug. Mit der Spezialisierung wuchs die Nationalisierung, die Beschränkung auf wenige Gebiete (z.B. die Amerikas oder nur die „Staaten“ oder eben nur „Europa“ und später vielleicht gar nur dessen einzelne Länder usw.). Will man das erst einmal schier unaufhörliche Wachstum, vergleichbar der exzessiven Expansion eines weltweiten Frühkapitalismus oder des Goldgräber- oder Kautschukrausches, der Mitte des 19. Jahrhunderts Menschen aus aller Welt nach Kalifornien oder an den Amazonas lockte, qualifizieren und belegen, eignet sich wohl nichts so gut dazu, wie gerade der nähere Blick auf Fachzeitschriften. Denn – anders als bei Monografien, die ja auch von Philatelisten in Ländern verfasst sein konnten, in denen es kaum eine spürbare philatelistische Bewegung gab – setzten Fachzeitschriften eine eigene landesweite Leserschaft voraus, waren also spür- und sichtbarer Beweis, dass es im jeweiligen Land auch nennenswert zahlrei- che Sammler, Philatelisten, aber auch deren Vereinigungen gab. So mögen einige statistische Daten und deren Auswertung den Einblick in eine Zeit bis Ende des 19. Jahrhunderts erhellen, die heute häufig zu recht als eine „Hochzeit“ der Philatelie und damit der philatelistischen Literatur empfunden wird. Zumindest in quantitativer Hinsicht, was vielleicht auch bereits eine Zahl von nahezu 500 bis 1900 in Deutschland entstandenen Vereinen nahe legen kann (von denen allerdings 1900 auch nur noch knapp ein Drittel existierte). Der zweite, dann eher qualitativ bewertende Zugriff, vermag aber auch deutlich werden zu lassen, dass vieles in zahlreichen Ländern nur von kurzer Dauer war. Die nachfolgend abgedruckte Grundtabelle, die als Grundlage den Auswertungen diente, beschreibt die zum 19. Jahrhundert für philatelistische Zeitschriften-Literatur bekannten Länder.1 Sie benennt für diese das jeweilige erste Erscheinungsjahr eines ersten Titels, dessen Erscheinungsort und dessen Bestehenszeit. Außerdem führt sie die Zahl der Publikationen auf, die insgesamt in diesem Land bis Dezember 1900 und die, die davon noch zu diesem willkürlich gesetzten Zeitpunkt existierten (deren Zahl wurde zusätzlich in Prozente umgerechnet). Die Länder wurden dabei heutigen Kontinenten zugeordnet, um auch eine solche Übersicht zu ermöglichen. 1 Die Grunddaten für diese Tabellen wurden von den in vorhandenen Bibliografien aufgeführten Titeln abgeleitet, wobei hierzu besonders der Crawford-Katalog eine wertvolle Grundlage bildete. | 77 ____________________________________________________________________________________ Generell seien einige weitere Vorbemerkungen gestattet, die hier nicht èn detail zu belegen sind. Über 90 Prozent aller philatelistischen Fachblätter waren, teils sogar im Wortsinne, „Eintagsfliegen“, existierten also nur sehr kurze Zeit, meist nur einen oder mehrere Monate. Dies ist ein Phänomen, das besonders in Amerika (USA) zu betrachten ist.2 Es mag an der mangelnd großen Interessenten und mitfinanzierenden Inserentenzahl gelegen haben, vielleicht aber auch an dem „american dream“, es einmal zu versuchen, sich einen Namen zu machen. 2 Amrhein (a.a.O., Bd. I, S. 71) verweist auf Ralph A. Kimbles Studie („American Philatelic Periodical Literature. A Brief Survey, März 1936), die aussagt, dass zwischen 1871–1889 nicht weniger als 284 verschiedener Periodika erschienen sind. Im 11. American Congress Book (1945) wusste Turner eine weitere erhellende Zahl zu nennen: 1896 seien allein 85 verschiedene Journale neu entstanden. Auf jeden Fall bleibt die kurzlebige Zahl mancher Organe in verschiedenen Ländern verblüffend. Dies gilt es auch zu berücksichtigen, wenn man die Zahl der Publikationen sieht, die im Dezember 1900 noch existierten, denn vielfach waren diese erst kurz vor 1900 oder in diesem Jahr ins Leben gerufen worden und verschwanden wenige Monate später 1901/02 wieder. Einige andere Länder traten auch erst in den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts mit ersten Fachzeitschriften in Erscheinung, was ebenfalls der Tabelle zu entnehmen ist. Nur knapp zehn Prozent aller Zeitschriften, so des Verfassers Schätzung, wurden fünf bis zehn Jahre alt und von diesen dürfte es wiederum eine verschwindend kleine Minderheit gewesen sein, die vielleicht auf 15 Jahre und mehr zurückblicken und das Jahr 1900 erreichen konnten. Die Zahlen in der Übersicht Land Argentinien Austria / Österreich Azoren Belgien Erst- Titel jahr 1874 Revista Philatélica, Buenos Aires, 8–9. 1874 1866 Briefmarkenanzeiger, Triest, 1866* 1905 1863 Bis Existent 1900 12.1900 17 1 (5,88%) 56 2 (3,57%) 0 0 44 9 (20,45%) 1 0 Kontinent Amerika (Süd) Amerika (Süd) Europa (West) Bolivien 1893 Açores, Angra, 3.–5.1905 Timbre-Poste, Brüssel, 2.1863– 12.1900 Filatelia Boliviana, La Paz, 7.–8.1893 Brasilien 1892 Brazil Philatelicó, S. Paulo, 1.–3.1892 23 Br.-Guiana 1906 0 Bulgarien 1893 3 0 Canada / Kanada Canary Is./ Kanar. Inseln Chile 1864 British Guiana Philatelic Journal, Georgetown, from 12.1906 Glas (Echo Timbrophile), Philippopie, 10.1893–3.1894 Stamp Collector’s Record, Montreal, 2.– 3.1864 Filatelia Universal, Laguna de Tenerife, 1.–11.1903 Guia del Collectionista de Sellos de Correos, Valparaiso, 1.1878–12.1884 Star of Panama, Panama, 5. (?) 1865 1 (4,34%) 0 73 7 (9,58%) 0 Amerika (Nord) 1 (16,6%) 0 Amerika (Süd) 1903 1878 Colombia / Ko- 1865 lumbien 78 | 0 6 14 Europa (West) Europa (West) Amerika (Süd) (Europa) / Kolonie Europa (Ost) Europa (West) Amerika (Süd) ____________________________________________________________________________________ Land Erst- Titel jahr Costa Rica 1894 Costa Rica Postal, San José, 10.1894– 6.1895 Cuba / Kuba 1899 Curioso Americano, Habana, 7.1899– 5.1901 Curacāo 1891 Correio del Caribe, Curacāo, 2.1891– 4.1892 Denmark / 1867 Nordisk Frimaerketidende, KopenhaDänemark gen, 8.1867–6.1868 Dominican 1885 Filatelico, Santo Domingo, 1.1865– Rep. / Domini2.1886 kanische R. Ecuador / Eku- 1886 Ecuador Filatelico, Guayaquil, 1.1886– ador 2.1887 Egypt / Ägyp- 1891 Timbrologie Egyptienne, Kairo, ten 10.1891–5.1892 France / Frank- 1864 Collectionneur de Timbres-Poste, reich Paris (ab 1864–) Germany / 1863 Magazin für Briefmarkensammler, Deutschland Leipzig, 5.1863–4.1867 Great Britain / 1862 Monthly Intelligencer, Birmingham, Groß9.1862–7.1862* britannien Greece / Grie- 1891 Hermès, Athen, 3.1891–1.1892 chenland Hawai 1889 Oceanic, Honolulu, 2.–5.1889 Bis Existent 1900 12.1900 4 1 (25,0%) 2 1 (50%) 2 0 Kontinent 12 1 (8,3%) Europa (Nord) 3 0 Amerika (Süd) 7 0 Afrika (Nord) 86 16 (18,6%) 25 (12,07%) 23 (8,24%) Europa (West) 3 0 Europa (Süd) 1 0 Holland / Niederlande Hong Kong 1870 22 4 (18,18%) 0 Amerika (Nord/ USA) Europa (West) India / Indien 1896 Italy / Italien 1874 Luxemburg 1890 Malta 1898 Mexico / Mexiko Morocco / Marokko Natal 1889 1895 1897 1904 Continental Philatelic Magazine, Amsterdam, 2.1869–1.1870 Hong Kong Philatelic Journalist, Hong Kong, Januar – Dezember 1895 Indian Philatelist, Dadar/Bombay, 5.1894–4.1896 Posta Mondiale, Livorno, 7.1873–7. 1874 Philatelie Univers, Esch s. A., 5.1890– 2.1891 Malta Philatelic Chronicle and Advertiser, Valetta, 1.1898 Boletin de la Sociedad Filatelica Nacional, Guanajuato, 3.1889–11.1891 Maroc Timbrologique, Tanger, 2.– 4.1897 Stamp Recorder and Collector’s Exchange, Charlestown, 8.1904–4.1905 207 279 1 8 Amerika (Mittel) Amerika (Mittel) Amerika (Mittel) Amerika (Mittel) Europa (West) Europa (West) Asien Asien 1 2 (25%) 6 (12,24%) 2 (66,6%) 0 7 0 Amerika (Mittel) 2 0 Afrika (Nord) 0 0 Afrika (Süd) 49 3 Europa (Süd) Europa (West) Europa (Süd) | 79 ____________________________________________________________________________________ Land New South Wales /Neu Süd-Wales New Zealand / Neuseeland Norway / Norwegen Peru Porto Rico Erst- Titel jahr 1879 New South Wales Stamp Collector’s Magazine, Sydney, 11.1879–4.1881 Bis Existent 1900 12.1900 6 1 (16,6%) Kontinent 1880 New Zealand Stamp Collector’s Quarterly, Auckland, 10.1880 Nordisk Frimaerkeblad, Arndal, 7.1886–5.1889 Mercurio, Lima, 10.1886–3.1887 Filatelia Antillana, Mayaquez, 3.– 10.1893 Philatelista, Lissabon, 4.1887–4.1896 3 0 Australien 6 0 Europa (Nord) 2 4 0 0 Amerika (Süd) Amerika (Mittel) 15 Europa (Süd) Australian Stamp News, Guanalda, 7.1893–10.1898 Timbrophilo, Bukarest, 1.–3.1881 1 1 (6,6%) 0 16 0 Europa (Ost) Finska Filatelisten, Helsingfors, 12.1894–1.1896 San Marino Philatelist, San Marino Australian Stamp Collector’s Journal, Adelaide, 11.1879–2.1880 Indicador de Los Sellos, Madrid, 7.1870 Tidning för Frimärksamlere, Stockholm, 12.1886–12.1893 Schweizerische Briefmarken-Zeitung, Schwanden, 10–11.1875 Federal Australian Philatelist, Hobart, 1.1890–10.1891 South African Philatelist, Johannesburg, 11.1895–4.1896 Philatéliste Africain, Tripolis, 9.1893– 4.1894 Tunis-Philatélique, Tunis, 10.1895– 2.1896 Timbre Levantin, Constantinopel, 5.1886–8.1888 Stamp Collector’s Record, Albany, N.Y., 12.1864–10.1876 Annunciador Filatélico de Venezuela, Caracas, 1.1892–1.1893 Barry’s Philatelic Monthly, Melbourne, 11.1887–4.1888 4 1 (25,0%) 0 0 Europa (Ost) Europa (Süd) 1 8 (21,62%) 2 (25,0%) 2 (6,6%) 0 1 0 Afrika (Süd) 2 0 Afrika (Nord) 2 0 Afrika (Nord) 3 0 829 5 28 (3,37%) 0 Asien (Europa, Ost) Amerika (Nord) 2 0 1886 1886 1893 Portugal 1887 Queensland 1893 Roumania / Rumänien Russia / Russland San Marino South Australia / Südaustralien Spain / Spanien 1881 Sweden / Schweden Switzerland / Schweiz Tasmania / Tasmanien Transvaal 1886 Tripolis 1893 Tunis 1895 1894 1892 1879 1870 1875 1890 1895 Turkey / Türkei 1886 USA 1864 Venezuela 1892 Victoria 1887 80 | 2 1 37 8 30 Australien Australien Europa (Süd) Australien Europa (Nord) Europa (West) Australien Amerika (Süd) Australien ____________________________________________________________________________________ Einzelauswertungen Die Zahlen im Überblick: • Die Allerersten, die „Top Ten“ Begrenzt man den Kreis der Ersten bis zum Jahr 1870 einschließlich, dann sind es elf Länder, in denen bis dahin jeweils deren erstes Philatelie-Journal erschien. Genau genommen – aus heutiger Sicht – allerdings nur zehn, denn Triest (siehe Österreich) gehört heute zu Italien und nicht mehr zu Österreich. Nimmt man den Triester „Briefmarkenanzeiger“ heraus, dann würde Österreich ein paar Jahre hinunter rutschen, denn erst 1872 erschien mit den „Philatelistischen Berichten“ von S. F. Friedmann aus Rudolfsheim in Wien ein Blatt, das außerhalb solcher Zugehörigkeitsdiskussionen steht. Der erste Platz geht an Großbritannien, wobei auch hier die Frage der Vorrangigkeit des zuerst aufgeführten Blattes („Monthly Intelligencer“, Birmingham, September 1862) nicht unumstritten ist. Manchen gilt der „Monthly Advertiser“ als erstrangig (dieser erschien im Dezember 1862) oder das „Stamp Collector’s Monthy Advertiser“ (Januar 1863 bis Juni 1864), vielen aber eher das bekannte „Stamp Collector’s Magazine“ aus Bath, das vom Februar 1863 bis Dezember 1874 erschien und durchgehend eine Fachzeitschrift, nicht nur ein Anzeigenblatt mit kleinem Anteil für Briefmarken, war.3 So oder so: Die „Krone“ geht dennoch an Großbritannien, allerdings sehr dicht gefolgt von Belgiens „Timbre Poste“ und drei Monate später vom deutschen „Magazin für Briefmarkensammler“. Unter diesen ersten zehn – bzw. erweitern wir den Kreis bis zum Ende der „Pionierphase“ – ist Europa immerhin mit zehn Ländern vertreten, die Amerikas mit vier Ländern, wobei der „Star of Panama“ von Kolumbien nicht ganz gesichert zu sein scheint. Neben Argentinien sind auf jeden Fall die Organe in Kanada und USA unzweifelhaft und mit dem Ausgabejahr 1864 ebenfalls sehr früh. Großbritannien Belgien Deutschland Kanada Frankreich USA Kolumbien Dänemark Niederlande Spanien Österreich Italien Argentinien Schweiz 3 Zur Frage des ersten Briefmarken gewidmeten Magazins erschien kurz vor Manuskriptschluss ein lesenswerter Beitrag von Brian Birch („Which was the First Magazine Devoted to Stamp Collecting?“, in: London Philatelist, Dezember 2012, S. 382–393), der zwar diese Frage auch nicht endgültig klärt, wohl aber Indizien präsentiert, nach denen auch das „Stamp Collector’s Magazine“ einen hauchdünnen Vorsprung gehabt haben könnte, sofern man die tatsächliche Zustellung beim Leser (und nicht allein den gedruckten Impressums-Hinweis) in Betracht zieht. Land Zeitschriften bis Dezember 1900 1862 1863 1863 1864 1864 1864 1865 1867 1870 1870 1872 1873 1874 1875 Insgesamt waren es also nur 14 Länder, in denen bis 1875 überhaupt solche Zeitschriften erschienen. 14 von 61 insgesamt, die bis 1900 Zeitschriften herausgaben, Zahlen, an denen man bereits die Enwicklung der Philatelie im 19. Jahrhundert ablesen kann. • Quantitative Zahlen Verblüffend sind Zahlen zur Frage, in welchen Ländern denn im 19. Jahrhundert überhaupt die meisten Briefmarkenzeitschriften erschienen sind, wobei hier nicht zwischen sog. Inseratenblättern und reinen Fachjournalen zu differenzieren ist. Die folgende Statistik ist eindeutig: Abgesehen von diesen TOP TEN spielen auch noch Brasilien (23), Niederlande (22), Argentinien (17), Rumänien (16), Portugal (15), Kolumbien (14) und Dänemark (12) eine Rolle, – dann werden die Zahlen nur noch einstellig. Rein quantitativ führte also mit riesigem Abstand die USA, allerdings war dies gleichzeitig auch das Land, in der die überwiegende Mehrzahl aller Fachblätter nur ein sehr kurzes, meist nur wenige Monate dauerndes Leben hatten. Großbritannien war das Land, in dem in den 1860er-Jahren die meisten Fachzeitschriften überhaupt erschienen, später ließ die Produktivität deutlich nach. Aufschlussreich ist deshalb auch die Frage, wie viele der im 19. Jahrhundert erschienenen Blätter es denn überhaupt bis zum Jahr 1900 schafften? Eine solche Frage ist statistisch nicht sauber zu beantworten, weil der Be- Existent davon Dezember 1900 Prozentualer Anteil USA829 28 3,37% Großbritannien 23 8,24% 279 | 81 ____________________________________________________________________________________ Land Zeitschriften bis Dezember 1900 Existent davon Dezember 1900 Prozentualer Anteil Deutschland 207 25 12,07% Frankreich 86 16 18,60% Kanada 73 7 9,58% Österreich 56 2 3,57% Italien 49 6 12,24% Belgien 44 9 20,45% Spanien 37 8 21,62% Schweiz 30 2 6,66% zugspunkt nicht für jedes Blatt bzw. Land vergleichbar zu setzen ist. Nimmt man allerdings einfach den Dezember 1900 als Endgröße und nur das zuvor liegende Erscheinen eines Blattes als Relation, also unabhängig davon, wann dessen Ersterscheinungstermin war (z.B. 1869, 1885 oder eben sogar Januar 1900) dann zeigt sich folgendes Bild: Von insgesamt 61 Ländern, in denen im 19. Jahrhundert Fachjournale existierten, waren von diesen Ländern Ende 1900 nur noch 27 mit zumindest einem Blatt vertreten. Die anderen konnte kein einziges zu dieser Zeit mehr verzeichnen. Den Schwund bei den zuvor genannten TOP TEN-Ländern verdeutlicht ebenfalls die Statistik, wobei es eine Änderung auf den Plätzen erst ab Rang 5 gab, denn nun hieß die Reihenfolge USA, Großbritannien und knapp dahinter Deutschland, dann Frankreich, danach aber Belgien, Spanien und Kanada sowie die Schlusslichter Italien, Schweiz und Österreich. Dennoch: Der große „Verlierer“ war eigentlich die USA, denn kaum mehr als drei Prozent der ursprünglichen Zeitschriften existierten Ende 1900 überhaupt noch. Solche prozentualen Werte sind allerdings auch irreführend, denn schaut man sich die Gesamtstatistik mit ihren prozentualen Werten an, dann führen dort nicht die TOP TEN, sondern die Länder mit ursprünglich sehr kleiner Zahl erschienener Blätter, also die, in denen gerade einmal drei oder vier erschienen, aber zumindest eines davon noch Ende 1900 existierte. Hier liegt dann Luxemburg (2 von 3, also 66,6%) an der Spitze, direkt danach sogar Kuba (mit 1 von 2 Blättern, also 50%), gefolgt von Cos- 82 | ta Rica, Indien, Russland und Schweden mit jeweils 25 Prozent, Spanien (21,62 %) und Belgien (20,45%). Dennoch geht man sicherlich nicht fehl in der Aussage, wenn man behauptet, die publizistische Philatelie spielte sich in erster Linie in Großbritannien, Deutschland und Frankreich ab, zumal Belgiens bekanntestes Blatt „Le TimbrePostes“ von J. B. Moens 1900 ihr Erscheinen einstellte. Differenziert man nach Alter der Blätter heute, sind nur sehr wenige überhaupt in die Jahre gekommen. Aus den USA kann man den „American Philatelist“ nennen, aus der Schweiz die „Schweizer Briefmarken-Zeitung“, aus Frankreich „L’Echo de Timbrologie“ und aus Luxemburg „Le Moniteur de Timbrologie“, – nicht zu vergessen aus Großbritannien der „London Philatelist“. Nahezu alle anderen Blätter sind heute nur noch Geschichte, selbst aus Deutschland hat keines überlebt. 1945 war das „Illustrierte Briefmarken-Journal“ zwar die älteste Fachzeitschrift der Welt (1874 gegründet), aber sie konnte infolge des Publikationsverbot der Sowjetischen Militäradministration nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr aufleben, nachdem sie bereits im März 1943 zwangsweise eingestellt worden war. • Geografische Aspekte Diese kleine Betrachtung sollen einige geografische Betrachtungen abschließen, wozu die erste Tabelle die im 19. Jahrhundert erschienenen Zeitschriften Kontinenten aus heutiger Sicht zuordnete. Dabei ergibt sich dann folgendes Bild: ____________________________________________________________________________________ Zumindest kontinental gesehen, führte Europa im 19. Jahrhundert eindeutig, besonders Westeuropa. Zwar war in den Amerikas die USA bei Zahl der Blätter führend gewesen sein, aber von der Zahl beteiligter Länder insgesamt war es Südamerika, wo die meisten ausgebenden Länder vertreten waren, es allerdings auch bereits zu die- Ausgabe-Länder ser Zeit weit mehr Länder als politische Einheiten im Vergleich zu Nordamerika gab. Mit Abstand führte Europa, dank Westeuropa, Ende 1900 bei der Zahl noch existenter Fachblätter. In Europa gab es insgesamt noch 102, in den Amerikas nur noch 40. Die alte Welt war der neuen um einiges voraus. Zeitschriften insgesamt Ende 1900 Afrika insgesamt 6 – Afrika-Nord 4 13 0 – Afrika-Süd 2 1 0 Amerika 17 – Mittelamerika 6 19 2 – Nordamerika 3 903 35 – Südamerika 8 71 3 Asien 3 12 2 Australien 6 14 1 Europa 22 – Nord 3 26 3 – Ost 3 23 1 – Süd 6 107 15 – West 10 727 83 Fragt man nach den Gründen, wird man sicherlich viele finden. Sie liegen sicherlich weniger in der Zahl der Sammler in den jeweiligen Ländern (diese war in den USA vielleicht um 1900 bereits höher als in Deutschland. Genauere Zahlen liegen aber erst für die 1930er-Jahre dem Autor vor. Danach gab es damals in Deutschland knapp zwei Millionen Sammler, jeder siebte Erwachsene sammelte. In England war es nur jeder 13. und in den Vereinigten Staaten nur jeder 15. Da aber die Bevölkerungszahlen sehr unterschiedlich waren, bedeutete dies, dass es in den USA (1947) rund 20 Millionen Sammler – davon nur zehn Prozent in Vereinen organisiert – gegeben haben soll. Sicherlich lagen die Zahlen fünfzig Jahre zuvor deutlich niedriger, aber die USA, zumal New York war schon um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert neben London das merkantile Zentrum der Weltphilatelie. An Sammlerzahlen allein kann es also nicht gelegen haben, dass Westeuropa derart führend in der literarischen Philatelie wurde. | 83 ____________________________________________________________________________________ Im 19. Jahrhundert wurde in Europa der viel preiswertere Buchdruck, aber auch das billige Papier mit Holzschliff (Lignin) erfunden und verbreitete sich rasch. Diesen im Vergleich zu klassischem Tiefdruck und handgeschöpften Papier weit billigeren Produktionsverfahren ging eine staatlich geförderte preiswerte Versandmöglichkeit als Drucksachen und Büchersendungen einher, was es Verlegern ermöglichte, selbst bei kleiner Bezieher-/Abonnentenzahl Zeitschriften über Jahre hinweg am Leben zu erhalten. Dies waren Vorteile, die nicht von der Hand zu weisen waren. 84 | Dennoch belegt der Überblick insgesamt, dass Philatelie ein weltweites Phänomen war, zwar seine Ursprünge in wenigen Ländern Westeuropas hatte, aber seit Beginn sehr dicht von nordamerikanischen Staaten gefolgt wurde. Von diesen ausgehend verbreitete sie sich rasch weltweit. Ausnahmen waren nur die eigentlich Staaten HinterAsiens, die heute im Weltkonzert der Philatelie eine der ersten Geigen spielen, wie z.B. Japan, China, Singapur, Thailand – um nur einige Beispiele zu nennen. Indien war bereits dabei und ist es bis heute in zunehmend stärker entfalteter Position geblieben. ____________________________________________________________________________________ 4 Briefmarken als Massenprodukt, Spezialisierung als Reaktion ____________________________________________________________________________________ Waren um 1860 bereits fast 1 000 Briefmarken weltweit erschienen, sollte sich deren Zahl bis zum Jahrhundertende vervielfachen. Dies stellte nicht nur Katalog- oder Albenverleger vor ständig neue Probleme der Erfassung und Katalogisierung. Es veränderte auch das Verhalten der Sammler, die nicht mehr bereit und in der Lage waren, von Jahr zu Jahr mehr Geld in umfangreichere literarische Produkte zu investieren. So erwuchs aus einem zuerst eher generalisierten ein zunehmend stärker spezialisierter Ansatz der Begrenzung und Beschränkung, wobei dann aber eben diese nunmehr – nicht nur im bildlichen Sinne unter die Lupe genommenen – Spezialgebiete umso stärkere Differenzierung und Erforschung erfuhren. Bereits um 1900 waren weltweit Auswirkungen solcher Spezialisierung (z.B. bei Abstempelungen) zu betrachten, in einzelnen Ländern auch die Fokussierung auf neue Gebiete (in Deutschland auf Privatpostmarken, weltweit auf Kolonien und neue territoriale Besitztümer). Andererseits schwand das Interesse, Briefmarken aller Länder weltweit zu sammeln, zumal viele Marken nicht leicht erhältlich und so manche frühe Ausgabe nicht mehr bezahlbar waren. Auf die Flut der Ganzsachen reagierten Sammler ebenso mit Verzicht (nachdem sich glücklicherweise das Sammeln vollständiger Belege statt der ursprünglichen Ausschnitte durchgesetzt hatte). Manche lehnten auch die seit den 1890er-Jahren entstehenden Sondermarken oder die Flut der Über- und Aufdruckmarken ab. Selbst die Emissionen lateinamerikanischer Länder, die mit dem Namen des New Yorker Nicolas Seebeck als betreuende Agentur verbunden waren, standen in der Kritik. Diese schaffte sich zuerst in den Fachzeitschriften der Sammlerwelt ihren Raum, beeinflusste aber auch das Autorenverhalten. Während seit den 1880er-Jahren zunehmend mehr Länderbearbeitungen und spezialisierte Themenstudien erschienen – ein knapper Überblick wurde bereits in Kapitel 3.4 geboten –, mehrten sich einerseits die Versuche, allen Unkenrufen zum Trotz, die Ausgaben aller Welt in neuen Spezial-Handbuch-Reihen zusammenzufassen. Andererseits versuchten Verlage, das geringer werdende Interesse an Spezialliteratur durch Massenauflagen von immer neuen Zeitschriften, Alben und Katalogen zu kompensieren. So entstanden neue Produkte, „Nischenprodukte“ für eine überschaubar kleine Zahl von Spezialisten. Diese wurden teils in geringer Auflage gefertigt. Aber es gab auch Werke mit großen Auflagen für den Massen-Consumermarkt, die in vier- und fünfstelligen Zahlen die Druckerei verließen. Parallel entwickelte sich seit einer ersten öffentlichen Ausstellung in Wien 1881 eine bedeutende Reihe internationaler und nationaler Ausstellungen, die dem Bedürfnis von Sammlern entsprachen, sich zu zeigen und (auch mit ihrem Exponat) gesehen zu werden. Damit stiegen aber gleichzeitig auch die Ansprüche an eine elaborierte, höchst niveauvolle Philatelie, die von Jahr zu Jahr höher geschraubt wurden. Darauf reagierte wiederum der Markt mit der neuen Verkaufsform der Auktionen, die gerade für diese Klientel die passenden Raritäten anzubieten wussten. Eben dieser Markt explodierte im 20. Jahrhundert und zählt heute eine Reihe einmaliger Versteigerungen ebenso einmaliger Kollektionen weltweit be- | 85 ____________________________________________________________________________________ kannter und bedeutender Philatelisten zu seiner Entwicklung. Und diese wurden wiederum in bis heute wertvollen, lesenswerten informativen Auktionskatalog-Kompendien festgehalten. Da nicht nur solche Auktionen die finanziellen Möglichkeiten so mancher Sammler überforderten, auch die Produktion von Büchern in kleiner meist dreistelliger Auflage die Mittel des schreibwilligen Autors überstieg, schlug die Stunde einzelner namhafter Verleger und bekannter Vereine. Denn diese verstanden die Verlegerrisiken leichter zu tragen und verfügten außerdem über ein weit besseres Vertriebsnetz. Das machte Buchreihen und Kompendien möglich, die man bis dahin nicht gekannt hatte. Sie zählen vielfach bis heute zu dem Besten, was die Philatelie jemals zu bieten hatte. Literaturliebhaber wissen dies eh, denn viele der in diesem Kapitel zu nennenden Titel sind heute noch seltener als sie zuweilen bei Herausgabe schon waren. Vergleichbar den Philatelisten wissen auch Bibliophile nicht nur den Grad eigener Herausforderung, sondern die Seltenheitsrelationen der Literatur wertzuschätzen. Es versteht sich, dass gerade Buchhändler und Verleger der frühen Zeit um diese Vorlieben ihrer ureigensten Klientel bereits gute Kenntnis hatten. Als ein Beispiel für viele darf sicherlich Jean-Baptiste Moens gelten, dessen De-Luxe- 86 | Ausgaben zahlreicher von ihm verlegter Werke nicht nur ein optischer Augenschmaus bis heute sind (feinst in Leder gebunden und mit Goldprägung versehen, nicht selten auf besonderem, zur Normalversion abweichenden, teils gar farbigen Papier!), sondern auch Raritäten, die man nur noch selten angeboten findet. Von manchen existiert nur noch eine Handvoll, andere hat man seit Jahrzehnten kaum einmal bei einer Auktion gesehen. Bibliophile wissen deshalb auch den wahren Wert solcher Ausgaben, vielleicht gar noch mit namhaften Ex-Libris, mit Signatur und persönlicher Widmung des jeweiligen Autors oder Adressaten versehen, hoch zu bewerten. Es handelt sich in der Mehrzahl der Fälle um rare Einzelstücke von besonderer philateliegeschichtlicher Bedeutung. Denn anders als bei einer Briefmarke steht hinter jedem literarischen Werk ein Autor, ein Verleger und/oder ein Herausgeber, deren Namen allein schon einen berührenden Klang hat, der dem Leser literarische Welten neu erschließen kann. Man braucht den Vergleich nicht scheuen, Parallelbeispiele aus der allgemeinen Literatur zu wählen: Eine Goethe-Ausgabe des „Urfaust“, von Goethe selbst signiert und einem damaligen Liebhaber seiner Schreibkunst gewidmet, ist heute unbezahlbar. Eben einmalig. So verhält es sich auch mit philatelistischer Literatur, quod erat demonstrandum! ____________________________________________________________________________________ 4.1 Philatelistische Profilbildung mit Handbuch-Reihen und besonderen Editionen ____________________________________________________________________________________ Der in Kapitel 3.4 begonnene Überblick zu bedeutenden Monografien, Handbüchern und Spezialkatalogen wäre sicherlich nicht vollständig, würde man nicht diejenigen Buchreihen würdigen, die – sei es von der Anlage oder deren Verwirklichung her – gedacht waren, dem Sammler einen weltweiten fundierten Einblick in die Philatelie zu bieten. Einen ersten Versuch dieser besonderen Art hatte bereits Edward Loines Pemberton in England im Januar 1874 mit „The Philatelical Catalogue: beeing a complete catalogue of postage stamps and postal envelopes and cards with voluminous notes on reprints, forgeries, and every subject of interest“ gestartet. Dieser blieb aber – auch wegen Pembertons Erkrankung – im Anfangsstadium, nämlich beim ersten Teil (Alsace <Elsass> bis Bolivien) mit 52 Seiten und 1 100 Abbildungen, stecken. Von diesem unvollendeten Werk gibt es eine seltene, in nur 100 Exemplaren gedruckte „Extra Edition“ (der Begriff war tatsächlich auf dem Umschlag zu lesen). Wenige Jahre später folgte Jean-Baptiste Moens dem Gedankenansatz, realisierte ihn aber völlig anders, indem er eine „Bibliothèque des Timbrophiles“ als Buchreihe schuf, in der von 1877 bis 1887 insgesamt 24 Handbücher mit verschiedensten Länder-/Gebietsbearbeitungen (18 Titel mit teils zwei und in einem Fall drei Bänden) erschienen. Alle Bände dieser Buchreihe erschienen in werthaltiger Ausführung. Zu der Normalausführung (deren Auflage je Band maximal 150 Exemplare betrug, in einem Fall, nämlich bei dem ersten Titel, sogar nur 108 Stück) gab es bei einzelnen Titeln zusätzlich eine De-Luxe-Ausgabe in abweichender, noch aufwändigerer Ausführung: heute häufig in Leder gebunden, mit goldfarbiger Titelprägung auf dem Umschlag und auf wertvollem Papier gedruckt. In unserer Zeit gehören solche Liebhaberausgaben zu den gefragtesten Objekten in der Philatelie (von der Nr. 14 wurden angeblich nur drei solcher De-Luxe-Ausgaben hergestellt) und wohl kaum eine private Bibliothek kann alle Ausführungen ihr eigen nennen. Eine kurze chronologische Übersicht des Erscheinens dieser Titel sei deshalb gestattet: 1. Timbres de Naples et de Sicile, 1877, 56 Seiten 2. Les timbres du Pérou depuis leur origine jusqu’à nos jours, 1878, 104 Seiten 3. Timbres des états de Parme, Modène et Romagne, 1878, 88 Seiten 4. Timbres des états de Toscane et Saint-Marin, 1878, 112 Seiten 5. Les Timbres de Maurice, depuis leur origine jusqu’à nos jours, 1878, 147 Seiten 6. Les timbres de Saxe depuis leur origine jusqu’à nos jours, 1879, 104 Seiten 7. Timbres du Grand-Duché de Luxembourg depuis leur origine jusqu’à nos jours, 1879, 123 Seiten | 87 ____________________________________________________________________________________ 8. Les timbres de Mecklembourg-Schwérin et Strélitz, 1879, 84 Seiten 9. Timbres de l’office Tour et Taxis depuis leur origine jusqu’à leur suppression (1847–1867), 1880, 107 Seiten 10. Timbres d’Égypte et de le Compagnie du Canel de Suez, 1880, 116 Seiten 11. Les timbres de Belgique depuis leur origine jusqu’à nos jours, zwei Bände, 1880, 126 und 178 Seiten 12. Les timbres du Wurtemberg (1847–1880), zwei Bände 1881, 123 und 179 Seiten 13. Les postes privées des États-Unis d’Amérique. Von Ch. H. Coster, zwei Bände, 1882–85, 179 und 102 Seiten 14. Timbres de la république Argentine et de ses diverses provinces, zwei Bände, 1882, 170 und 148 Seiten 15. Les timbres de Natal. Von L. H. J. Walker et J. B. Moens, 1883, 60 Seiten 16. Les timbres des États-Unis d’Amérique depuis leur origine jusqu’à nos jours. Von John K. Tiffany, drei Bände, 1883, 114, 96 und 84 Seiten 17. Timbres des duchés de Schleswig, Holstein et Lauenbourg et de la ville de Bergedorf, 1884, 94 Seiten 18. Les Timbres de Prusse, 1887, 142 Seiten Sofern nicht anders (siehe 13, 15 und 16) aufgeführt, war Moens jeweils der angegebene Autor. Die Titel Nr. 1 bis 5 sowie 7 gehen jeweils auf zuvor erschienene Beiträge in Moens’ Zeitschrift «Le Timbres-Poste» zurück, die dann in revidierter Form für die Buchreihe verwendet wurden. Diese Handbuchreihe bot dem Leser mit ihrem 24 Bänden insgesamt immerhin 2 700 Seiten an Lesestoff, bear beitet von zwei der besten Experten der damaligen Zeit, Moens und Hanciau, außerdem mehr als 900 Illustrationen, die den Texten beigefügt wurden. Zwar wurden bei weitem nicht alle damals beliebten und bekannten Sammelgebiete bearbeitet, wohl aber eine nennenswerte Zahl. Zwei bedeutende Vereine der damaligen Zeit folgten diesem Ansatz, indem sie selbst als Herausgeber für Fachbuchreihen fungierten und einzelne Monografien selbst ver legten. Zeitlich der erste war die 1874 gegründete Societé Française de Timbrologie in Paris, die zwischen 1878 bis 1889 mindestens sechs lesenswerte Titel in ihrer „Bibliothèque Timbrologique“ vereinigte. Dazu gehörten: 88 | – Band 1: Dr. Amable Legrand: Les Écritures et la légende des timbres du Japon. Par le Dr. L. (Dr. Magnus) ... Extrait du Bulletin de la Société française de Timbrologie. [Paris (Société Française de Timbrologie). Bibliothèque Timbrologique, 1.] Bruxelles, J. B. Moens, 1878, 43 Seiten und eine Bildtafel. – Von dem kleinformatigen Werk gab es auch eine De-Luxe-Ausgabe im größeren Format auf gestrichenem Papier. – Band 2: Philippe de Bosredon: Bibliographie timbrologique de la France et de la Belgique. Par Ph. de B. … [Paris (Société Française de Timbrologie) Bibliothèque Timbrologique, 2.] Bruxelles, J. B. Moens, 1878, XII + 74 Seiten – Band 3: Ferdinand Meyer: La Poste et les timbresposte de l‘Afghanistan. Par F. M.... [Paris (Société Française de Timbrologie) Bibliothèque Timbrologique, 3.] Neuilly, 1881, 32 Seiten. – Band 4: Charles Diena: Les timbres municipaux d’Italie connus depuis leur introduction jusqu’à, la fin de 1881. Par M. C. D. … [Paris. (Société Française de Timbrologie.) Bibliothèque Timbrologique, 4.] Neuilly, 1883, 160 Seiten – Band 5: Dr. W. Wonner: Les timbres de la république orientale de l’Uruguay …par le Dr. W. [Paris. (Société Française de Timbrologie.) Bibliothèque Timbrologique, 5.] 1887, 94 Seiten – Band 6: George Campbell/A. Schoeller: Catalogue des cartes postales émises pour l’usage du public, par les diverses administrations de postes depuis leur création jusqu’au 1er Janvier, 1889. Par G. C. et A. Schoeller. Première partie, Europe. [Paris (Société Française de Timbrologie) Bibliothèque Timbrologique, (6).], Paris, Société Française de Timbrologie, 1889, 268 Seiten. – Auf dem Buchtitel wird eine Auflage von 300 Exemplaren angegeben, allerdings betrug diese nach Crawford nur 250 Stück. Offenbar wurde eine gesonderte De-Luxe-Auflage auf abweichendem «vergé»-Papier mit 50 Exemplaren eingerechnet. Der Übersicht kann man entnehmen, dass offenbar zuerst eine Kooperation mit Jean-Baptiste Moens in Brüssel ____________________________________________________________________________________ stattfand, die aber ab 1881 nicht mehr weitergeführt wurde. Mit den Büchern wurden in der Regel zuvor in der Zeitschrift des Vereins („Bulletin de la Société Française de Timbrologie“) publizierte Beiträge zusammengefasst und in meist leicht ergänzter und überarbeiteter Form den interessierten Lesern angeboten. Der zweite hier zu nennende Verein war die Philatelic Society London, die heutige Royal Philatelic Society London. Auch sie begann in den 1880er-Jahren mit einer Serie von Handbüchern, die bis heute von hoher Bedeutung sind und nicht selten zu den frühen „Juwelen“ literarischen Schaffens zählen.1 Dem Auftakt ging ein Werk von Frederick A. Philbrick und William Amos Scarborough Westoby (1815–1899) voraus: The Postage and telegraph stamps of Great Britain. In dem Werk hieß es ausdrücklich, „zusammengestellt und veröffentlicht für die Philatelic Society, London”. Es erschien 1881 mit einem Umfang von XX + 384 Seiten, als Erscheinungsort wurde aber neben London auch Brüssel (Moens) genannt. The Postage stamps, envelopes and post cards of Australia and the British Colonies of Oceania, 1887, 147 Seiten und 28 Bildtafeln, Auflage 500 Exemplare. – Zu diesem Werk erschienen 1888 zwei Nachträge mit neuen Illustrationen (zusammen mit vier Bildtafeln). The Postage stamps, envelopes, wrappers and post cards of the North American Colonies of Great Britain, 1889, 67 Seiten und sechs Bildtafeln, Auflage 250 Exemplare The Postage stamps, envelopes, wrappers, post cards and telegraph stamps of the British Colonies in the West Indies, together with British Honduras and the Colonies in South America, 1891, 180 Seiten und 32 Bildtafeln, Auflage 300 Exemplare The Postage stamps, envelopes, wrappers, post cards and telegraph stamps of British India and Ceylon, 1892, rund 160 Seiten und 24 Bildtafeln, Auflage 500 Exemplare (das Buch erschien im Februar 1893). The Postage stamps, envelopes, wrappers, post cards and telegraph stamps of the British Colonies, Possessions and Protectorates in Africa. Teil I enthält British Bechuanaland, British Ost Africa, British Süd Africa (einschließlich British Zentral Africa), und Kap der Guten Hoffnung, 1895, 68 Seiten und acht Bildtafeln, Auflage 600 Exemplare,.Teil II enthält Gambia, Gold Coast, Griqualand Ost, Griqualand West, 1 Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, hatte die Philatelic Society London bereits 1871, in zweiter Auflage 1873, eine kleine Studie von Manuel Pardo de Figueroa (Dr. Thebussem) zum Thema „Obliteration Marks, Mata-Sellos, on Spanish Stamps“ herausgegeben. 1879 folgte ein „Catalogue of postage stamps, stamped envelopes, and postcards” mit 48 Seiten. Lagos, Madagascar, Matabeleland, Mauritius and Natal, 1900, Fortführung des Werkes bis Seite 247, außerdem 14 weitere Bildtafeln, Auflage ebenfalls 600 Exemplare. Part III enthält New Republic, Northern Nigeria, Oil Rivers and Niger Coast Protectorate, Orange River Colony with Orange Free State, St. Helena, Seychelles, Sierra Leone, Southern Nigeria, Stellaland, Swazieland, The Transvaal with South African Republic, Uganda, Zanzibar and Zululand, 1906, Fortführung des Werkes mit den Seiten 249–710 und 30 Bildtafeln, Auflage 750 Exemplare. Mit zwei weiteren mit Autorennamen geführten Publikationen, die ebenfalls der Philatelic Society London als Herausgeber zuzuordnen sind, mag der Überblick bis zum Ende des 19. Jahrhunderts sein Ende finden (wenngleich die RPSL auch seitdem – und dies bis heute – verlegerisch mit zahllosen bedeutenden Werken an die Öffentlichkeit getreten ist): Arthur Francis Basset Hull: The Stamps of Tasmania. A history of the postage stamps, envelopes, post cards, adhesive and impressed revenue, and excise stamps of Tasmania, Hobart – London, 144 Seiten und neun Bildtafeln, Auflage 300 Exemplare. Hastings Alwin Wright: A History of the adhesive stamps of the British Isles. … Zusamengestellt nach offiziellen Quellen von H. E. W. und A. B. Creeke, Jun., London 1899, ca. 290 Seiten und 38 Bildtafeln, Auflage 600 Exemplare Auch ohne diese beiden letzten Werke und Philbricks/ Westobys Buch nehmen sich die sieben publizierte Monografien beeindruckend aus: Mehr als 2000 Großformatseiten und 121 Bildtafeln zeugten von der Klasse damaliger Autoren und dem führenden Anspruch des damaligen Londoner Vereins. Hatten Autoren oder Vereine anderer Länder Vergleichbares zu bieten? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten, aber in Deutschland gab es seit den 1880er-Jahren tatsächlich Ansätze, mit landessprachlichen Werken viele als nur lückenhaft bearbeitet empfundenen Sammelgebiete eingehender zu studieren und dabei gewonnene Erkenntnisse erneut zu publizieren. Einige Beispiele seien hier abschließend gewürdigt. 1887 erschien die erste (von später insgesamt 37 Lieferungen) eines von Otto Teltz begonnenen „Großen Handbuchs der Philatelie“, einem „Verzeichnis und Beschreibung aller staatlichen und privaten Post- und Telegraphen-Wertzeichen sowie der bekanntgewordenen Essais. Mit vielen erläuternden Notizen und Bekanntgabe aller Neudrucke“. Teltz, zu dieser Zeit selbst in Deutschland weitgehend unbekannt und noch ein junger Student, hatte den kühnen Plan, ein auf wissenschaftlicher Basis erstelltes Handbuch zu allen Postwertzeichen – nicht nur | 89 ____________________________________________________________________________________ den Briefmarken, sondern auch den Ganzsachen – zu veröffentlichen. Er scheiterte zwar schon bald, aber nach ihm nahm sich Carl Lindenberg – bereits damals der wohl bedeutendste Philatelist Deutschlands – des Vorhabens an, nach ihm dann andere wie Freiherr von Vittinghoff-Schell, I. H. Anheisser, Dr. F. Kalckhoff und Ernst Heitmann. Heitmann war auch der Verleger des Handbuches, gleichzeitig auch Verfasser so mancher Lieferungen. Trotz all seiner Bemühungen gelang es ihm aber nur, das Handbuch bis zum Buchstaben „N“ vorwärtszubringen, dann musste er resigniert und tief enttäuscht feststellen, dass er die von ihm erhoffte Unterstützung von Autoren und Vereinen nicht mehr fand. Die von 1887 und 1897 erschienenen 37 Lieferungen wurden in drei Bände zusammengefasst: – Band 1: Ägypten–Franz.-Guiana (Lieferung 1–13), Januar 1888–April 1889, VI, 704 S. – Heft 2: Mecklenburg-Schwerin und MecklenburgStrelitz, 1892, 71 S. mit Abb. – Heft 3: Lübeck, 1892, 32 S. mit Abb. – Heft 4: Thurn und Taxis, 1892, VII, 72 S. mit Abb. – Heft 5/6: Norddeutscher Postbezirk, 1893, 120 S. mit Abb. Bd. II (Heft 7 bis 12) komplett in einem Band gebunden – Heft 7: Oldenburg, 1893, 39 S. mit Abb. – Heft 8: Baden, 1894, 68 S. mit Abb. – Heft 9: Hamburg und Bremen, 1894, 82 S. mit Abb. – Heft 10: Sachsen, 1894, 107 S. mit Abb. – Heft 11/12: Hannover, 1895, 176 S. mit Abb. Bd. III (Heft 13 bis 15) komplett in einem Band g ebunden – Band 2: Gabun–Mozambique (Lieferung 14–34), Juni 1889–Juli 1896, IV, 1063 S. – Heft 13: Bayern, 1895, 77 S. mit Abb. – Band 3: Nabha–Neuseeland (Lieferung 35–37), August 1896–1897, 132 S. – Heft 16/17: Preußen sowie Heft 18 Deutschland sind nicht mehr erschienen. Lindenberg hatte einmal mehr vorzeitig „das Handtuch geworfen“. Der dritte Band – es war im Vergleich nur ein kleiner Teilband – ist der seltenste, denn zu dieser Zeit hatte das Handbuch kaum noch Bezieher, so dass man diese letzten Lieferungen heute kaum noch antrifft. Von dem großen Vorhaben, neben den „staatlichen Postwertzeichen“ auch noch andere und selbst noch die Ganzsachen zu erfassen, blieb nichts mehr übrig. Carl Lindenberg, er war ein ausgewiesener GanzsachenSpezialist, verfolgte, nachdem er sich um 1890 aus der Handbucharbeit zurückgezogen hatte, eigene Pläne einer Publikationsreihe, die er aber nun nur auf in Deutschland erschienene Ganzsachen bezog. Er hatte offenbar schnell verstanden, dass es unmöglich war, in der von ihm gewünschten hochspezialisierten Form ein solches Vorhaben weltweit für alle Länder zu realisieren. So erschienen von 1892 bis 1895 im Verlag von Dr. H. Brendicke in Berlin insgesamt 15 Studien (18 waren geplant gewesen) als einzelne Lieferungen unter dem Titel „Die Briefumschläge der deutschen Staaten, unter Benutzung amtlicher Quellen bearbeitet von C. L.“. Diese wurden später auch zu drei Buchbänden zusammengestellt, wie die nachfolgende Übersicht ausweist: Band I (Heft 1 bis 6) komplett in einem Band gebunden – Heft 1: Braunschweig, 1892, 47 S. mit Abb. 90 | – Heft 14/15: Württemberg, 1895, 269 S. mit Abb. Nicht viel anders erging es dem letzten Beispiel solcher hier vorzustellender Handbuchreihen, dem bekannten Krötzsch-Handbuch. Hugo Krötzsch (1858–1937) war ein bekannter Verleger und Briefmarkenhändler in Leipzig, der als Prüfer und Experte (nicht nur für sein Prüfgebiet Bergedorf) weithin anerkannt war. Er trat nicht nur als eifriger Publizist, auch als Herausgeber der „Deutschen Briefmarken-Zeitung“ ab 1896 und einiger Alben in Erscheinung, sondern er war auch ein leidenschaftlicher Sammler philatelistischer Literatur. Seine reichhaltige Fachbücherei fand – dank einer Stiftung von Carl Gustav Vogel – ab 1928 Platz in der Deutschen Bücherei Leipzig (heute Deutsche Nationalbibliothek), die diese auch heute noch aufbewahrt und in der sehr viele Schätze der besonders frühen Phase deutscher Literatur enthalten sind. Krötzsch verfasste hierzu passend den Katalog der Abteilung Philatelie in der Deutschen Bücherei zu Leipzig, der in Pößneck 1929 veröffentlicht wurde. Zwischen 1893 bis 1897 gab er ein „Permanentes Handbuch der Postfreimarkenkunde mit Lichtdrucktafeln (und vierteljährlichen Nachträgen), gleichzeitig Beibuch zum Permanent-Sammelwerk in losen Blättern. Ausführliche Abhandlungen über Postfreimarken mit besonderer Berücksichtigung der Herstellungsweise, Echtheitsmerk- ____________________________________________________________________________________ male, Neudrucke, Fälschungen, Entwertungen und deren Fälschungen“ heraus. Geplant waren zwei Teile, Teil I „Deutsche Staaten“, Teil II „Ausland“, außerdem sollten Nachträge das Handbuch aktuell fortführen und ergänzen. Der nachfolgende Überblick beweist, dass dies nur – zumal, was das Ausland betrifft –, ansatzweise gelungen ist. [Band 1–3, 4 (1. Aufl.) und 5–9 sind als kurze Abschnitte zu einem Sammelband vereinigt, dagegen bilden Band 4 (2. Auflage) und 10–15 selbständige in sich abgeschlossene Einzelbände. Das Gesamtwerk erschien überdies erstmals 1893 in losen Bogen unter dem Titel: „Permanentes Beibuch mit Lichtdrucktafeln (und vierteljährlichen Nachträgen) zum philatelistischen Permanent-Sammelwerk“] Erster Teil: „Deutsche Staaten“, Leipzig, Hugo Krötzsch 1893 bis 1897 Permanentes Handbuch der Postfreimarkenkunde. Vierteljahrs-Nachträge. Mit 19 Lichtdrucktafeln, ebda. 1894– 1896, 204 S. – Band 1: Otto Rommel: Deutsche Reichspost, 1893, 14 S. und 2 Tafeln – Band 2: Otto Rommel: Baden, 1893, 12 S. und 1 Tafel Jg. 1: Neujahr, Ostern, Johannis, Michaelis 1894, Nr. 1–4 Jg. 2: Neujahr, Ostern, Johannis, Michaelis 1895, Nr. 5–8 – Band 3: Otto Rommel: Bayern, 1893, 16 S. und 2 Tafeln Jg. 3: Neujahr, Pfingsten, Johannis, Weihnachten 1896, Nr. 9–12 – Band 4: Otto Rommel: Bergedorf, 1. Auflage 1893, 10 S. und 1 Tafel. 2. Auflage 1896, 169 S. und 9 Tafeln Teil II: Ausland – Band 5: Otto Rommel und H. Krötzsch: Braunschweig, 1893, 14 S. und 4 Tafeln – Band 6: Otto Rommel und H. Krötzsch: Bremen, 1893, 14 S. und 6 Tafeln – Band 7: Otto Rommel und H. Krötzsch: Hamburg, 1893, 20 S. und 10 Tafeln – Band 8: Hugo Krötzsch: Hannover, 1893, 22 S. und 9 Tafeln – Band 9: Hugo Krötzsch: Lübeck, 1893, 24 S. und 7 Tafeln – Band 10: Hugo Krötzsch: Mecklenburg-Schwerin, 1. Auflage 1893, 8 S. und 7 Tafeln. Dito, Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz, 2. Auflage 1895, 52 S. und 17 Tafeln – Band 11: Hugo Krötzsch: Norddeutscher P ostbezirk (nebst Feldpost 1870/71), 1894, 139 S. und 21 Tafeln nebst Karte der deutschen Poststraßen in Frankreich 1870/71. 2. ergänzte Auflage 1895 – Band 12: Paul Ohrt: Oldenburg, 1894, 120 S. und 18 Tafeln – Band 13: Paul Ohrt: Preußen, 1896, 232 S. und 14 Tafeln – Band 14: Sachsen [ist nicht erschienen.] – Band 15: A. Rosenkranz: Schleswig-Holstein 1897, 138 S. und 14 Tafeln Permanentes Handbuch der Postfreimarkenkunde mit Lichtdrucktafeln usw. Zweiter Teil: „Ausland“, Leipzig, Hugo Krötzsch (& Co.) 1895–1908 – Band 1: Eugen von Bochmann: Die Postmarken des russischen Kaiserreiches, 1895, 178 S. und 21 Taf. – Band 2: H. Djurling & R. Krasemann: Die Postmarken von Schweden 1855–1905. Nach amtl. Quellen herausgegeben von Sveriges Filatelist-Förening, 1908, 116 S. mit Abb. Ähnlich wie Ernst Heitmann gab Hugo Krötzsch 1908 resigniert sein Vorhaben auf. Auch er hatte keine bereitwilligen Helfer gefunden, die ihn dauerhaft unterstützen wollten und konnten. Diese sollte zwar knapp 20 Jahre später ein anderer, nämlich Dr. Herbert Munk aus Berlin, finden, aber auch dessen Handbuch (siehe Kapitel 5.2) sollte ein Torso bleiben. Es war bereits einzelnen Philatelisten und Verlegern vor 100 Jahren nicht mehr möglich, die vollständige Welt der Philatelie zu bearbeiten und dazu umfangreiche Publikationen zu liefern. Die erwünschte Spezialisierung hatte ihren Preis und führte letztlich dazu, dass statt solcher Handbuchserien im 20. Jahrhundert nur noch – Ausnahmen bestätigten die Regel – einzelne Monografien erschienen. Wenn man – nimmt man das Kohl-Handbuch Munks mit seiner 11. Auflage aus – überhaupt noch einen Vergleich aus heutiger Sicht ziehen, dann ist hier nur die von zwei | 91 ____________________________________________________________________________________ Auktionshäusern (Heinrich Köhler, Wiesbaden / Corinphila, Zürich) 2006 begonnene Buchreihe der „Edition d’Or“ zu erwähnen, die allerdings einem anderen, nicht vergleichbaren Konzept folgt. Denn in den Bänden dieser Reihe werden jeweils einzelne Kollektionen namhafter Sammlung präsentiert, quasi im Original gescannt und reproduziert. In solchen Dokumentationsbüchern spiegelt sich dabei natürlich auch die vom jeweiligen Urheber der Sammlung betriebene Forschung, bei manchen sogar in 92 | sehr ausführlicher Weise, dennoch können die Bücher keinem Vergleich mit den großen Handbüchern vor 100 Jahren standhalten, die darüber hinaus weit mehr an Informationen aus verschiedenster Sicht boten. Das ist auch nicht deren Ziel und Absicht, zeigt aber, wie die zunehmend schwieriger gewordenen Möglichkeiten philatelistischer Forschung und literarischer Darstellung letztlich auch bis hin zur Begrenzung, sogar zum Fortfall möglicher Darstellung führen können. ____________________________________________________________________________________ 4.2 Anspruchsvolle Fachzeitschriften mit Niveau ____________________________________________________________________________________ Zwar mögen in den ersten 50 Jahren der Entstehung philatelistischer Literatur des 19. Jahrhunderts nahezu 2 000 sog. Fachzeitschriften erschienen sein, aber der nähere Blick belehrt den Betrachter, dass nur wenige von Bestand und noch weniger Nennenswertes an Inhalt zu bieten und damit bleibenden Wert hatte. Spitzt man die Erwartungshaltung, gerade an Qualität der Information, noch mehr zu, sind wohl nur ein oder zwei Dutzend Fachblätter zu nennen, die – aus heutiger Sicht – tatsächlich als anspruchsvoll zu bezeichnen sind. Nun mag solch eine Bewertung ebenso subjektiv sein wie eine Nennung einzelner Belegbeispiele, aber sie drängt sich bei der Kategorisierung bereits auf. Sog. Inseratenblätter, also reine Anzeigenzeitschriften, fallen dann per se durch das Raster, ebenso alle „Eintagsfliegen“, von denen schon mehrfach die Rede war. Reine NeuheitenJournale oder Magazine, die überwiegend – wenn nicht ausschließlich – nur Kurznotizen enthielten, sind dann ebenfalls außen vor, womit wohl mehr als 90 oder 95 Prozent aller Zeitschriften bereits aus dem Rennen sind. Umgekehrt sind durchaus Kriterien zu nennen, die Grundlage für eine Auswahl nach bleibender Qualität sind, z.B. nennenswerter Umfang und Dauerhaftigkeit eines Blattes, die Hervorhebung durch fundierte Fachbehandlung verschiedenster Themen, Aktualität, Zeitbezug und philateliehistorische Bewertungen, Darstellung neuer Erkenntnisse und Forschungsergebnisse, Überblicke, auch bewertende zu Neuerscheinungen, zusätzlich selbständig verfasste Rezensionen und vieles andere mehr. Geht man von solchen Kriterien aus, wundert es wenig, dass es durchaus Jahre und Jahrzehnte brauchte, damit auch einer nennenswerten niveauvollen Entwicklung der Philatelie, bis Fachblätter erschienen, die diesen Ansprüchen genügen konnten. Ebenso wenig überraschend dürfte auch die Tatsache sein, dass nahezu all die nachfolgend genannten Blätter aus Ländern herrührten, die bereits selbst auf eine länger gewachsene Tradition der philatelistischen Literatur zurückschauen konnten. Wobei der Überblick auch die verschiedene strukturelle Entwicklung in diversen Ländern verdeutlicht, denn waren es in einigen Ländern bereits zu dieser Zeit namhafte Verlage, waren es in anderen bekannte Vereine oder Verbände, die Herausgeber solcher Zeitschriften waren. Für die Beurteilung von Qualität sind solche Aspekte allerdings nur von peripherer Bedeutung. Fairerweise muss man zugestehen, dass es durchaus einzelne Ausnahmen von – für die jeweilige Zeit gesehen – anspruchsvollen Periodika gab, die bereits verdeutlichen konnten, was machbar und möglich war. Ein Beispiel dieser Art war „The Philatelical Journal“, dessen erster Jahrgang 1872 von Edward L. Pemberton als monatliches Magazin herausgegeben wurde. Zu dieser Zeit gab es in Großbritannien noch „The Stamp Collector’s Magazine“, das bis 1874 erschien, aber Pemberton und seinen Freunden war dies zu wenig. Er wollte, wie James R. Grant in seinem Geleitwort zur ersten Nummer sagte, die besten philatelistischen Autoren haben und Pemberton selbst gehörte zweifelsohne dazu. Bereits mit seiner Eröffnungs- | 93 ____________________________________________________________________________________ arbeit („A complete History of Forged Stamps and How to Detect Them“) legte er Maßstäbe vor. Beeindruckend noch heute sind die farbig abgebildeten Markenneuheiten, aber auch der Überblick, der in jeder Ausgabe zu der „Cream of the magazines“, also zu dem Inhalt anderer erschienener Journale präsentiert wurde. Weltweit interessante Themen wurden, meist allerdings recht kurz, abgehandelt, aber das durchaus niveauvolle Blatt ging mit Pembertons Erkrankung letztlich nach wenigen Jahren, 1875, wieder ein, erfüllte also eine Bedingung, die Dauerhaftigkeit, nicht. So erging es leider vielen. Erst in den 1880er-Jahren stabilisierte sich die Situation, gerade auch der Vereinsentwicklung, andererseits wuchsen die Ansprüche der Sammler nach Spezialisierung und Kontinuität, Wegweisung, Ordnung und Übersicht. Die Beispiele der nachfolgend in alphabetischer Abfolge der Länder aufgeführten Fachblätter mögen zwar subjektiv ausgewählt sein, repräsentieren aber durchaus die „Créme de la Créme“ der philatelistischen Magazine des 19. Jahrhunderts, wobei einzelne, teils unter anderen Namen oder Verlagsinhabern, über Jahrzehnte und teils bis heute, Bestand haben. Belgien Einmal mehr ist hier zweifelsohne „Le Timbres Poste“ von Jean-Baptiste Moens aus Brüssel zu nennen. 38 Jahrgänge erschienen zwischen 1863 und 1900 und von 1874 bis 1896 gab Moens sogar noch zusätzlich „Le Timbre fiscal“ heraus. Zwar waren diese Journale eines Händlers, aber dank der kenntnisreichen Redaktion, an der wohl Louis Hanciau den größten Anteil hatte, für diese Zeit quasi die Referenzblätter für all diejenigen, die besonders an Neuheiten und neuen Erkenntnissen interessiert waren. Bis heute hin enthalten die Zeitschriften wertvolle Hinweise und Übersichten, denen man – dies sei nur beispielhaft genannt – auch Neuentdeckungen, wie z.B. der Post Office-Mauritius-Marken, entnehmen konnte. Frankreich Auf vergleichbarem Level wie „Le Timbres Poste“ erschien in Frankreich zwischen 1864 bis 1910 der „Collectioneur de Timbres-Poste“, herausgegeben von Arthur Maury. Ebenfalls ein Händlerblatt, inhaltlich durchaus der belgischen Zeitschrift vergleichbar. Mit dem Tode Arthur Maurys 1907, der diese erste Fachzeitschrift in Frankreich verlegte, starb auch sein Blatt. Kurzlebiger, dafür aber weitaus hochstehender war das „Bulletin de la Société Française de Timbrologie“, das 94 | ebenfalls in Paris erschien. Der Verein, der dieses Bulletin verlegte, war erst 1874 in Paris gegründet worden, sein Magazin erschien von 1875 bis 1896 und bot dank der namhaften Mitglieder wohl das beste, was zu jener Zeit im francophilen Raum zu lesen war.1 Dank Dr. Amable Legrand („Dr. Magnus“), der den Verein gegründet hatte und dem u.a. wenig später solch bekannte Philatelisten wie P. J. Anderson, Oscar Berger-Levrault, Phillip de Bosredonj, G. Campbell, Sir Daniel Cooper, C. H. Coster, E. B. Evans, Carlo Diena, Philipp von Ferrari, Louis Hanciau, W. E. Image, H. A. de Joannis, Arthur Maury, Paul Mirabaud, Frederick Adolphus Philbrick, José Marcó del Pont, Baron von Reuterskijöld, Thomas Tapling, John Tiffany, William Westoby und Victoriano von Ysasi angehörten. Nicht zu vergessen, Baron Arthur von Rothschild, der der – auch finanziell unterstützende – Motor dieses Vereins war. Die beeindruckende Arbeit dieser und vieler anderer Mitglieder des Vereins kann man heute noch im Handbuch zum „Congrès International des Timbrophiles“ nachlesen, der 1878 in Paris in mehreren Sitzungen durchgeführt und zwei Jahre später, 1880, in einem ansehnlichen Buch dokumentiert wurde. Dies war der weltweit erste Internationale Kongress und dieser machte auch die Arbeitsmethodik deutlich, der nicht nur der Kongress, sondern auch die Vereinssitzungen jeweils folgten: Namhafte Experten und Kenner legten schriftlich dokumentiert ihre Erkenntnisse zu Fachthemen aller Art vor, die dann diskutiert wurden. So sind enthalten die Bulletins des Vereins – im Gegensatz zu den Händlerblättern jener Tage – keine Werbung, sondern nur teils umfangreichere Studien und Monografien zu Fachthemen von besonderer Relevanz. Vielfach entstanden dann daraus wiederum einzelne Monografien in Buchform, die bereits an anderer Stelle mit der „Bibliothèque Timbrologique“ gewürdigt wurde, deren Bände zwischen 1878 bis 1889 bei J.-B. Moens erschienen. Deutschland Vergleichbares hatte Deutschland in den 1870er-Jahren an Gehalt noch nicht zu bieten. Nur eine ab Januar 1874 von den Gebr. Senf (zuerst unter dem Namen „Werninck & Co, dann von Mitte 1874 bis 1881 von Louis Senf, dann von den Gebr. Senf) herausgegebene Zeitschrift, das „Illustri(e)rte Journal für Briefmarken-Sammler“, hatte überhaupt dauerhaften Bestand. Zumindest, nachdem es die schwierigen Anfangsjahre, die die Herausgeber bis 1884 noch in ärgste wirtschaftliche Probleme stürzten, überwunden hatte und nachfolgend von Jahr zu Jahr höhere, zeitweise bis zu fünfstellige Auflagen erreichte. 1 Vgl. zu Verein und dessen Zeitschrift auch die Ausführungen in Kap. 3.2 in diesem Buch. ____________________________________________________________________________________ Das „Illustrierte Briefmarken-Journal“ war allerdings auch eine von einem Briefmarkenhandelshaus herausgegebene Zeitschrift, was man dem Blatt auch – infolge der zahlreichen (Eigen-)anzeigen – ansah. War Moschkaus frühe Tätigkeit als Schriftleiter noch halbwegs gehaltvoll, besserte sich die fachliche Bearbeitung erst mit dem Eintritt von Theodor Haas 1890, als dieser für nahezu 20 Jahre die Schriftleitung übernahm. Wegen seiner enorm hohen Verbreitung und des streckenweise doch recht ansprechenden fachlichen Gehalts einzelner Beiträge, war das Blatt sehr beliebt und existierte bis zum März 1943, als alle Fach-Periodika aufgrund politischer Vorgaben in Deutschland ihr Erscheinen einstellen mussten. Nach dem Zweiten Weltkrieg erschien es nicht mehr, da die Sowjetische Administration hierfür nicht die erforderliche Konzession erteilte und letztlich ein anderes Blatt, der neu entstehende „sammler-express“, Bevorzugung fand. Kurzlebiger – wenngleich der Titel der Zeitschrift bis heute hin existiert, allerdings mit dem ursprünglichen Verlag in keiner Weise in Beziehung steht –, dafür aber deutlich elaborierter und wohl auch elitärer war ein anderes Blatt: die 1890 von Dr. Hans Brendicke ins Leben gerufene „Deutsche Zeitung für Briefmarkenkunde“. Auch ihr gehörten von Beginn an namhafte Philatelisten, zumal des Berliner Philatelisten-Klubs, als führende Autoren an, so Carl Lindenberg, Dr. Franz Kalckhoff, Heinrich Fraenkel, Paul Ohrt, Ludwig Berger, E. von Bochmann (Riga), Dr. Emilio Diena (Modena), G. Harrison (London), H. Hartmann (Berlin), Hugo Krötzsch (Leipzig), Paul Lietzow (Berlin), Lieutnant Napier (London), um nur einige zu nennen. Lindenberg und seinen Freunden Kalckhoff und Fraenkel waren die damaligen Fachblätter viel zu seicht, viel zu gehaltlos, und so unterstützten sie diese Zeitschrift mit Beiträgen, die ihrer Vorstellung von forschender Philatelie entsprachen. Bis heute hin das beste Blatt, was die deutsche Philatelie jener Jahre zu bieten hatte. 1896 übernahm der bekannte Leipziger Verleger und Handbuchherausgeber Hugo Krötzsch die Zeitschrift, wodurch sie eigentlich nur noch besser wurde. Auch wenn im Laufe der vielen Jahren manche Mitarbeiter wechselten, andere dazu kamen, dem fachlichen Gehalt der Zeitschrift tat dies keinen Abbruch. Die letzte Nummer erschien am 30. Juni 1923, also im 24. Jahrgang, und diese enthielt noch einen Beitrag des zu dieser Zeit bereits hochbetagten Carl Lindenbergs zur „Geschichte der Marken des Deutschen Reiches“. Die DBZ, wie man sie früher wie heute liebevoll abkürzte, war stets sein „Kind“ gewesen, auch wenn er zeitweise aus unterschiedlichsten Gründen bei der Mitarbeit einmal pausiert hatte. Der Inflation der 1920er-Jahre fiel zu dieser Zeit eine weitere bekannte Zeitschrift zum Opfer, die bereits seit 1880 – bezieht man das Vorgängerorgan („Union“) mit ein, sogar seit 1877 – in Deutschland verbreitet war, allerdings als Vereinsorgan des „Internationalen Philatelisten-Vereins Dresden“. Die Zeitschrift hieß „Der Philatelist“ und sie kann durchaus in einem Atemzug mit den anspruchsvollen Fachblättern anderer Länder genannt werden, wenngleich darin der vereins-relevante Anteil nennenswert war. Dank der Redaktion des Gründers Ernst Petritz, dem wenige Jahre später Hugo Schwaneberger, später auch Dr. Paul Kloss und Alfred Moschkau folgten, brachte es das Blatt bis 1922 durchaus – auch dank der hohen Verbreitung an mehr als 3 000 Vereinsmitglieder in Sektionen in aller Welt – zu Rang und Namen, wenngleich es einer DBZ von Brendicke/Krötzsch fachlich nur teilweise vergleichbar war. Wenn Österreich in dieser Übersicht nicht separat aufgeführt wird, hat dies einen guten Grund: Im 19. Jahrhundert gab es dort kein Fachblatt, das vergleichbar den hier aufzuführenden zu nennen wäre. Die einzige Ausnahme war der „Austria-Philatelist“, der von 1894 von Peter Riedl in Prag herausgegeben und von Alfred Näbe redaktionell geführt wurde. Victor Suppantschitsch zählte zu den herausragenden Mitarbeitern, dessen Arbeiten viele noch heute zu schätzen wissen, ebenso wie die philateliehistorischen Porträts (mit Fotos!), die in dem Blatt erschienen, das aber letztlich und leider viel zu früh, nämlich im November 1899, eingestellt wurde. Es war nur ein kurzes, aber gutes Gastspiel! Großbritannien Letzteres kann man von dem „Philatelic Record“ nicht behaupten, dessen erste Ausgaben 1879 erschienen und der bis Dezember 1914 herauskam, also 36 Jahrgänge erreichte. Bis heute sind Literaturforscher, wie z.B. Dr. Manfred Amrhein, davon überzeugt, dass dies das beste Journal des 19. Jahrhunderts war („the nineteenth century’s greatest journal“).2 Das lag einerseits sicherlich an den namhaften Schriftleitern, zu denen im Laufe der Jahre Maitland Burnett, W. A. S. Westoby, Major Evans, M. P. Castle, E. J. Nankivell und Dorning-Beckton zählten, aber auch an zahlreichen anderen Mitgliedern der (Royal) Philatelic Society London, die sich in dieser Zeitschrift mit eigenen Beiträgen verewigten. Eine Zeitlang wirkte das Blatt wie das „offizielle“ Organ eben dieses Vereins, so dominant waren dessen Mitglieder vertreten. Der Inhalt zahlreicher Forschungsstudien sucht bis heute seinesglei2 Manfred Amrhein, Philatelic Literature, Band 1, S. 70 | 95 ____________________________________________________________________________________ chen und Philateliegeschichtler wissen die biografischen Porträts (teils sogar mit eingeklebten Originalfotos der Zeit!) bis heute hin zu schätzen.3 Zeitlich deutlich später, 1891, ging das „Philatelic Journal of Great Britain“ an den Start, dessen erster Schriftleiter William Brown aus Salisbury war. Das Blatt machte über die Jahrzehnte bemerkenswerte Entwicklungen durch und last but not least – war Robson Lowes Name für lange Zeit später damit verbunden. Namhafte Konkurrenz erhielt das Journal allerdings durch ein anderes ein Jahr später, denn ab Januar 1892 erschien der „London Philatelist“ der (späteren Royal) Philatelic Society London. M. P. Castle war der erste Schriftleiter dieser Vereinszeitschrift, die bereits in kürzester Zeit sich einen Namen als eines der führenden Fachmagazine in der ganzen Welt erwerben sollte. Daran hat sich – auch wenn über die Jahre die Schriftleiter wechselten – bis heute nichts geändert. Das Magazin stand von Beginn an für exklusive Forschung auf höchstem Niveau und gerade zu Britischen Kolonien und Britischem Weltreich erschienen in heute mehr als 120 Jahren eine kaum noch zu übersehende Fülle an Fachbeiträgen namhafter Autoren. Bis in die jüngste Zeit wurde das Fachblatt des renommierten Vereins zahlreiche Male auf internationalen Ausstellungen mit höchsten Lorbeeren bedacht. Großbritannien kennt allerdings aus dem 19. Jahrhundert auch eine Zeitschrift eines weltweit renommierten Handelshauses, die bis heute hin Bestand hat: „Stanley Gibbons Monthly Journal“ (später bis heute: Gibbons Stamp Monthly), wie es bei Gründung ab 1890 hieß. Bis 1914 wurde es von Eduard B. Evans als Herausgeber verantwortet und gehörte seitdem – und dies gilt bis heute – zu einer der führenden Magazine, das – um einen Vergleich zu wagen – dem „Illustrierten Briefmarken-Journal“ der Gebr. Senf in Deutschland mindestens gleichzusetzen ist. Der Charakter als „Hauszeitschrift“ überwog allerdings weniger, weil auch Anzeigen anderer Inserenten stets zugelassen waren. GSM, so die heutige Abkürzung der Zeitschrift, war in England die zweite (nach dem „London Philatelist“ der „Royal Philatelic Society“), die auf CDs den kompletten Datenbestand gescannter Seiten bis 2010 zur LONDON 2010 verfügbar machte. In Deutschland gibt es 3 Bis heute lesens- und beachtenswert ist der Abschiedsgruß von L. W. Fulcher und F. J. Peplow, die das Magazin sechs Jahre lang redaktionell geleitet hatten (siehe: Philatelic Record, Dec. 1914, S. 190). Sie machten dabei die Problematik der Finanzierung einer Zeitschrift deutlich, die auf Anzeigen angewiesen war und deren Einnahmen angesichts der Kriegsereignisse nicht mehr kostendeckend waren. Ein weiterer Beleg, wie allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen auch die Herausgeberr von Fachzeitschriften nachhaltig beeinflussten. 96 | bisher nur eine Zeitschrift (die „philatelie“), die dieses unternommen hat, wobei diese Zeitschrift mit ihren Vorläufern erst seit Ende 1948 erscheint. Niederlande Besonders erwähnenswert ist die „Nederlandsch Tijdschrift voor Postzegelkunde“, die von 1884 bis 1914 erschien, deren Schriftleiter A. E. J. Huart und J. B. Robert es verstanden, eine gute Mischung zwischen Neuheitenberichten und aktuellen Reportagen, aber auch mit einzelnen Fachbeiträgen (z.B. von Dr. Emilio Diena) zusammenzustellen. Ihre führende Rolle übernahm später das „Nederlandsch Maandblad voor Filatelie“, das noch heute als Monatszeitschrift existiert. Schweiz Vergleichbar den Niederlanden ist die Schweiz, territorial gesehen, ein kleines Land, aber ebenso nachhaltig seit den 1880er-Jahren literarisch, zumal mit Periodika, in Erscheinung getreten. Die mit Abstand führende Zeitschrift wurde die „Schweizer-Briefmarken-Zeitung“, die im Januar 2013 ihr 125-jähriges Bestehen feiern konnte, also – genau gesehen – die zweitälteste noch existierende Fachzeitschrift der Welt ist. Allen Wirren und Unbilden, selbst zwei Weltkriegen zum Trotz, kam sie seit November 1888 ohne Unterbrechung heraus. Die erste Nummer war dabei nur eine Probenummer, der Jahrgang wurde noch nicht mitgezählt. Hans Kirchhofer, der Herausgeber, zählte damals erst ab 1889, beginnend mit der Januar-Ausgabe, ein Fehler, der dann mit der Augustausgabe von 1892 behoben wurde. Denn diese wurde nun dem fünften (und nicht mehr dem vierten) Jahrgang zugeordnet. Bereits unter der Ägide Kirchhofers war das Blatt offizielles Organ mehrerer Schweizer Vereine. Er selbst betreute die Redaktion bis 1891, bevor dann eine Redaktionskommission bzw. einzelne Vereine die Arbeit übernahmen. Ab Nr. 1 des 7. Jahrgangs firmierte die Zeitschrift neu, nun endgültig unter „Schweizer Briefmarken-Zeitung“. In all den Jahren war sie stets mehrsprachig gestaltet und beinhaltet bis heute ausgezeichnete Fachbeiträge namhafter Autoren, von denen manche der früheren Zeit heute legendär sind. Vereinigte Staaten von Amerika Der letzte Blick mag den USA gelten, die ja im 19. Jahrhundert – dies wurde schon beschrieben – die mit Abstand größte Zahl von Periodika erlebte, von denen die ____________________________________________________________________________________ Mehrzahl den Titel nicht verdient hatten. So sind eigentlich auch nur drei aus der damaligen Zeit nennenswert, die besonderen Gehalt aufzuweisen hatten. Die älteste ist wohl das „American Journal of Philately“, das mit einer ersten Serie von 1868 bis 1878 erschien und von John Walter Scott verlegt wurde. Eine zweite, inhaltlich weit gehaltvollere Serie erschien von 1888 bis 1906 im Verlag von „Scott Stamp & Coin. Co.“, der zu dieser Zeit nicht mehr Scott, sondern den Calman-Brüdern gehörte, die seine Firma 1885 übernommen hatten. Diese Zeitschrift zählte u.a. den namhaften Philatelisten und Kenner John N. Luff zu ihren Herausgebern und Schriftleitern, der 1896 auch zu den Mitbegründern des Collector’s Club in New York gehörte und als Präsident die American Philatelic Society von 1907 bis 1909 leitete. Monatlich 40 bis 60 Seiten (ohne Anzeigen!) waren den Interessen der Briefmarkensammler gewidmet, es wurden Kataloge in Fortsetzungen abgedruckt und rund um die Philatelie informiert. Von 1885 bis 1895 erschien „Mekeel’s Philatelic Journal of America“, zwar nur für zehn Jahre, herausgegeben von Charles Haviland Mekeel (1861–1921), einem bekannten amerikanischen Briefmarkenhändler und Verleger in St. Louis. Von Dezember 1901 bis Januar 1905 kam das Blatt unter neuem Namen („Mekeel’s stamp collector“) heraus, hatte aber bei weitem nicht mehr die inhaltliche Bedeutung des Vorgängerblattes. Was die Dauerhaftigkeit anging, so übertraf „Mekeel’s Weekly Stamp News“ beide, denn dieses Organ erschien ab Januar 1891 bis in die 1940er-Jahre, wurde allerdings von Mekeels Bru- der Isaac herausgegeben. Später wurde es als „Mekeel’s Stamps Magazine“ bekannt. Weitaus gehaltvoller – und langlebiger – erwies sich allein ein Blatt: der „American Philatelist“ der „American Philatelic Society“, der seit Januar 1887 bis heute erscheint. Mit knappem Vorsprung zur „Schweizer Briefmarken-Zeitung“ gilt die Zeitschrift heute als die am längsten existierende philatelistische Fachzeitschrift der Welt. Als Besonderheit ist hervorzuheben, dass die meist fünf bis zehn Fachbeiträge in jeder der monatlichen Ausgaben von Verbandsmitgliedern geschrieben werden, wobei der Gehalt – entsprechend den sehr unterschiedlichen Leservoraussetzungen und -interessen – durchaus unterschiedlich ist. Würde man den Focus ausschließlich auf Forschung und intensive Fachstudien begrenzen, würde – zumindest im 20. Jahrhundert – der „Collector’s Club Philatelist“ an erster Stelle zu nennen sein, der ähnlich dem „London Philatelist“ eine sehr niveauvolle Vereins-Zeitschrift ist, allerdings erst seit 1922 erscheint. Diese kleine Auswahl hervorhebenswerter Fachzeitschriften beweist, dass es durchaus in der Welt der Philatelie, herrührend aus dem 19. Jahrhundert, einige Fachzeitschriften geschafft haben, sich nicht nur in die Gegenwart zu retten, sondern dabei auch Profil und Qualität zu bewahren. Sie sind sicherlich nicht die einzigen, die eine solche Würdigung verdient haben. Zumal im 20. Jahrhundert, mit weiter zunehmender Spezialisierung neue Fachblätter entstanden, die teils über längere Zeitphasen prägend wurden. | 97 ____________________________________________________________________________________ 4.3 Alben und Kataloge als Massenprodukte ____________________________________________________________________________________ In Kapitel 2.1 und 2.4 wurde bereits die frühe Geschichte der Kataloge und Briefmarkenalben umfangreicher behandelt. Dabei konnte verdeutlicht werden, dass es in zahlreichen Ländern der Welt durchaus interessante Ansätze zu Inhalten und Methoden des Sammelns gab, aber gerade bei Alben nicht nur die Meinungen, sondern auch die Bedürfnisse der Sammler sehr stark voneinander abwichen. Letztlich setzten sich nur wenige Herausgeber und Verleger von Alben auf Dauer nennenswert durch, so dass ihre Namen heute noch weltweit bekannt sind. Gleiches gilt für namhafte Katalogwerke, die aber mit Blick auf das 20. Jahrhundert erst anschließend zu behandeln sind. Die Rolle der Frauen in der frühen Philatelie Der Zwischentitel mag verwundern und der Leser sich fragen, in welchem Zusammenhang dieser zum Kapitel steht. Eben dies wird aufzuzeigen sein, denn gerade Frauen haben auch bedeutend zu späteren „Trends“ beigetragen. Dies gilt es – auch mit weiterem Blick auf das Hobby – zu belegen. Natürlich sind die zahlreichen Versuche der Männer bekannt, sich in späteren Jahrzehnten der Philatelie, beginnend seit 1860, als „erste Sammler“ zu bezeichnen, dabei das Verdienst für sich in Anspruch zu nehmen, sie wären so etwas wie die Erfinder und Wegbereiter der Philatelie gewesen. Würde man sie heute noch fragen können, beansprüchten sie sicherlich auch das Vorrecht, Alben und deren weitere Entwicklung, selbst das Briefmarkensam- 98 | meln generell geprägt zu haben. Ganz so pauschal stimmt dies sicherlich nicht. Zwar gehörte es eben schon „in England, Frankreich, Belgien und teilweise auch in Deutschland und anderwärts in den höhern Schichten der Gesellschaft zum guten Ton, im Empfangszimmer neben den neuesten literarischen Erscheinungen und Musikalien, auch auf dem runden Tische eine möglichst vollständige Sammlung von Briefmarken in geschmackvollem reich verziertem Einbande auflegen zu können“1, aber an diesem frühen Szenario waren auch Frauen beteiligt. Natürlich sind nicht nur Sammler wie Dr. John Edward Gray, William Kratter oder auch August Mancin mit ihren Erstlingsansprüchen auf ein „ius prima philateliae“ bekannt geworden, sondern auch Frauen. So wurde eine Engländerin, eine Miss Harrison aus Yorkshire, 1910 literaturbekannt, als sie im Alter von 80 Jahren „Meekel‘s Magazine“ mitteilte, sie habe 1840 – damals war sie gerade einmal zehn Jahre alt – seltene VR-Penny Blacks (VR = Victoria Regina) von einer der Hofdamen der Queen Victoria, Königin von England, und später auch Essays und Proofs von Sir Rowland Hill, Rowland Hill erhalten. 1910 war sie immer noch als Sammlerin aktiv. Allerdings ist ihre Sammlung nicht mehr erhalten, ihre Spuren verweht. Auf der Isle of Wight soll eine Lady, eine „governess“ (Erzieherin), beheimatet gewesen sein, die angeblich bereits 1841 mit dem Sammeln von Briefmarken begann. Da es zu dieser Zeit erst vier verschiedene gab, habe sie sich für 1 Magazin für Briefmarkensammler, 1. Jg., 1863, Nr. 3, S. 17–18 ____________________________________________________________________________________ Quantität entschieden, also möglichst viele zusammenzutragen. Da sie dies mit Hilfe ihrer Freunde und Bekannten jedermann wissen ließ, erregte sie damit die Aufmerksamkeit der postalischen Behörde, die gar eine Untersuchung startete. Und erst deren Ergebnis, dass sie nämlich keine betrügerischen Absichten im Sinn gehabt hatte, soll sie vor dem Gefängnis bewahrt haben.2 Auch Anne Whitear, die Urgroßmutter von James Grimwood-Taylor (Cavendish Auctions), die von 1812 bis 1888 lebte und in den 50er-Jahren, wenn nicht noch zuvor, begann, eine Sammlung von nur verschiedenen Marken aufzubauen, gehört in diese Reihe. 1865 zählte diese Sammlung 184 Marken und im Februar 1886, kurz vor ihrem Tode, 396 Marken. Selbst ihre Nichte, Fanny Whitear (1843–1929), sammelte, und ihre Sammlung soll später immer noch in dem ersten in England erschienenen englischen Moens-Album von 1864 untergebracht gewesen sein.3 All diese Namen sind zwar in der Literatur zu finden, aber deren Sammlungen sind vergangen. Sie sind wie Schall und Rauch verweht. – Mit einer Ausnahme, welche eine ganz besondere Geschichte präsentiert, die in das Jahr 1854 zurückführt. Sie erinnert an ein damals junges Mädchen, deren kurze Lebensgeschichte im Kreise der Familie ebenso bewahrt wurde wie ihre erste Sammlung, die allerdings über vier Generationen (!) ausgebaut und damit auch verändert wurde. Es ist die Geschichte einer wenig bekannten Schweizerin mit Namen Anna Elisabeth Tobler. Sie war die erste heute noch literarisch nachweisbare Sammlerin, die systematisch Briefmarken zusammentrug, tauschte und fachsimpelte. Zu einer Zeit, in der es noch keine Vereine, Kataloge oder Fachliteratur gab. Und sie war die erste, von der noch ein Album erhalten geblieben ist, das zwar nicht mehr ihr Originalalbum war, in dem aber noch von ihr zu Lebzeiten zusammengetragene Markenexemplare enthalten sind. Anna Elisabeth Tobler, genannt Elise, wurde im Jahr 1839 als Tochter eines bekannten Textilfabrikanten, Joh. Conrad Tobler-Züst in Heiden/Schweiz geboren.4 Sie muss schon vor 1854 Marken gesammelt haben, denn ein Brief 2 Vgl. E. A. Smythies: The Lure of Postage Stamp, in: The Stamp Lover, January–February 1955, S. 131 3 wiedergegeben nach www.nystamp.org 4 Die Informationen zu Elise Tobler basieren auf einem 1946 in der „Basler Taube“ und in „La Philateliste Belge“, 1946, Nr. 1 erschienenen Beitrag von Jakob Eugster und auf Informationen von dessen Sohn Otto, außerdem auf einem kurzen handschriftlichen nicht weiter gekennzeichneten Manuskript. Bestätigt wurden die biografischen Angaben zu Elise Tobler und ihren Nachfahren durch mehrere Inhalte von Internetseiten: zu Howard und Arthur Eugster-Züst vgl. www.bautz.de/bbkl/e/eugster_zuest.shtml; www.museumfuerle- vom 18. August 1854 – dieser wurde mit einer 15 RayonMarke frankiert – an Elise Tobler ist erhalten geblieben, liegt dem Autor aber nicht vor. Aber schon in diesem Brief soll Elises Sammelbestreben deutlich geworden sein.5 In einem weiteren Brief, geschrieben von Bertha Bischoff am 19. März 1856 in Teufen, hieß es: „Meine liebe Elise! Die Marken, die wir erhalten, sind leider immer so verschmiert, und wenn Du es wünschst, so will ich Dir gerne ein paar neue schicken. Ich habe eben alle genommen, aus der Schweiz, England und Kalkutta, auch die von Frankreich. Ich dachte, wenn Ihr solche schon habt, so könnt Ihr diese immer noch wegwerfen, ich will sie wenigstens schicken.“ Ein Brief vom 12. April 1857 wurde von ihrer Tante Catherine Züst, die sich damals zu einem Sprachaufenthalt in der französisch-sprachigen Schweiz befand, an Elise Tobler geschickt. Die Tante schrieb u.a.: „Immer näher rückt die Zeit, wo Du liebe Elise heim zu uns kehren wirst. Mein Herz hüpft vor Freude, Dich bald wieder zu haben, obwohl ich mir denken kann, dass Du Leipzig, wie eine Heimat gefunden, nicht gerne verlässt. […] Marken habe ich wieder gesammelt, aber eben nicht lauter Schweizermarken. Eine darunter, mit Washingtons Bildnis, ist aus Amerika, und da es mir als Rarität vorkam, so legte ich sie auch bei.“ Elise Tobler sammelte also schon nach Ländern und hatte wohl auch schon ein Gespür für Seltenheit! Sie wurde dabei, wie man aus diesem Brief ersieht, von ihren Verwandten und wohl auch von Freundinnen unterstützt. Sie sammelte also weiter, natürlich weltweit. 1854 schon zu einer Zeit, zu der die Kantonal- und Übergangsmarken sowie die Bundesmarken (1850/52 Rayons) noch im Kurs waren, denn diese verloren erst am 1. Oktober 1854 ihre Gültigkeit. In einem erhalten gebliebenen roten Julier-Album späterer Jahre, dessen Inhalt vermutlich, so eine in der Dokumentation enthaltene Angabe, z.T. bis in die 1870er-Jahren zurückreicht, fanden sich denn auch nahezu alle klassischen Schweizer Marken, darunter eine passable „Basler Taube“ und eine „Doppel-Genf“. Zeittypisch ist natürlich die Erhaltung der frühen Stücke, die nicht immer heutigen Ansprüchen entsprechen. Dass Elise Tobler selbst zu Lebzeiten kein eigenes Album hatte, liegt auf der Hand, denn solche gab es in den 1850er-Jahren noch nicht. Es sei denn, man ließ sich ein solches als individuelle Einzelanfertigung herstellen, was wohl für reiche Prinzen in Frage kam, für junge Bürgermädchen wohl eher nicht. bensgeschichte.ch; zu Jakob Eugster: www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/ D44450.php; zu Anna Eugster: wie zuvor, aber „D44301“. 5 Dieser Brief liegt dem Autor nicht vor, soll sich aber nach Angaben der Familie noch im Besitz der Familie befinden. | 99 ____________________________________________________________________________________ Damit dürfte als historisch verbürgt gelten, dass diese junge Schweizerin die erste Briefmarkensammlerin der Welt ist, die diese Bezeichnung zu Recht verdient und deren frühe philatelistischen Anfänge noch heute dokumentierbar sind. Das allein ist schon sehr bemerkenswert. Viel mehr noch das, was sich daraus entwickelte. Denn über Elise Tobler und ihre Familie ist tatsächlich noch mehr bekannt. Auch über den Verbleib ihrer Sammlung. 1860 heiratete nämlich Elise Tobler Jakob Eugster, der in den USA die Firma Syz vertrat, die auch Erzeugnisse der ostschweizerischen Textilindustrie vertrieb. Ihm folgte sie schon 1859 nach New York und gebar ihm dort zwei Kinder: den erstgeborenen Sohn Howard am 14. November 1861 und am 5. April 1863 den zweiten Sohn mit Namen Arthur. Kurz nach der Geburt, am 14. April 1863, starb die Mutter am sogenannten Kindbettfieber. Ihr Grabmal, gestaltet in Form eines Marmor-Obelisken, letztmalig 2005 renoviert, kann noch heute auf dem unendlich großen Greenwood-Friedhof in Brooklyn, New York, besichtigt werden. Die Inschrift lautet: „Elise wife of James Eugster fell asleep in the Lord, April 14, 1863, St. John 11, 25 and 26.“ Nach dem viel zu frühen Tod seiner damals gerade einmal 24jährigen Frau kehrte Jakob Eugster mit seinen Kindern nach Speicher in die Ostschweiz zurück. Wie sollte er sie denn aufziehen, – ohne Frau? Die Frage stellte sich nicht mehr lange, da er selbst 1866 der Tuberkulose erlag. Die Brüder Howard und Arthur Eugster, die Kinder von Elise Tobler und Jakob Eugster, wuchsen als Vollwaisen im Hause ihres Onkels Arnold Eugster auf. Nach dessen Tod betreute sie der protestantische Pfarrer Gottfried Lutz. Gymnasialbesuch auf der angesehenen Lerberschule, dem heutigen freien Gymnasium in Bern, schloss sich an. Danach studierten beide Brüder Theologie. 1887 wurden sie, erst 26- und 24-jährig, gemeinsam in Speicher, Appenzell, zum Pfarrer ordiniert. Howard Eugster nahm 1887 eine Pfarreranstellung in Hundwil an, in einem von Armut geprägten Appenzeller Bauern- und Heimarbeiterdorf. Dort kam er sozialistischen Gedanken immer näher und gründete am 24. Mai 1900 in Waldstatt den „Appenzellischen Weber-Verband“, die erste Gewerkschaft von Heimarbeitern in Europa. 1908 wurde Howard Eugster in den Nationalrat, das schweizerische Parlament, gewählt und bis 1930 wirkte er maßgeblich an der eidgenössischen Sozialgesetzgebung mit. Zudem gehörte er als erster Sozialdemokrat von 1913 bis 1931 der Appenzellischen Regierung an. In der Geschichte des christlichen Sozialwesens machte sich Howard Eugster, der am 18. April 1932 in Linthal verstarb, einen hervorragenden Namen. 100 | Eben dieser Howard Eugster führte die Sammlung der Mutter fort, von der allerdings heute nur noch zwei Bände erhalten sind. Er ergänzte die Sammlung nicht nur um die neuen späteren Briefmarken der Schweiz, sondern auch um die anderer Länder. Erhalten geblieben sind zwei handschriftliche Aufstellungen aus den Jahren 1896 und 1900: 1896 beinhaltete die Sammlung 1 637 Marken aus weit über 50 Sammelgebieten, die natürlich nicht alle komplett waren. Vier Jahre später waren es schon 1 722 Marken, was zeigt, die Sammlung wurde gepflegt. Erste Verkäufe und Ausgliederungen muss es wohl schon in den 1940er-Jahren, also nach dem Tod von Howard Eugster 1932, gegeben haben. Howard Eugsters Frau Anna Theodora, geb. Züst (29. August 1860–19. Dezember 1938), ist wohl das rote Album zu verdanken und sie beschaffte wohl auch weitere Markenneuheiten über ihren Vater Konrad Züst (1820– 1889), der damals Fabrikant und Oberrichter in Heiden war, so dass das heutige „Tobler-Album“ die Sammlergeschichte einer Vier-Generationen-Familie repräsentiert. Auf seine Art ist es eben einmalig. Denn eines bestätigt die Sammlung allemal: Die frühe Philatelieszene war (auch) weiblich, nicht nur männlich. Zumindest nicht nur. Dies ahnte wohl schon Victor Suppantschitsch, als er zu seiner Zeit Notizen im „Boston Advertiser“ aus dem Jahr 1860 und in der Ausgabe des „Little’s Living age“ vom 27. Oktober 1860 zur Kenntnis nahm, in denen man lesen konnte, dass hauptsächlich Damen sammelten. Das erklärt auch, warum die ersten ausführlicheren Berichte über Briefmarken (zwar geschrieben von Männern wie Natalis Rondot oder Paul Lietzow) in Modeblättern wie der „Bazar“, in der „Illustrierten Leipziger Zeitung“ (Nr. 1014 von 1862) oder in Cassel’s „Illustrated Family Paper (26. Juli 1862) und dann auch im „Magasin pittoresque“ ab 1862 erschienen. Die „Gretchenfragen“ – und noch eine Frau! Selbst Kenner sind nicht selten geneigt, die bedeutsamen Stadien der Albentwicklung, gerade mit Blick auf die internationale Sammlerszene, in den Jahren zu Ende des 19. Jahrhunderts zu orten, wohl wissend, dass sich damals das Sammlerverhalten weltweit nachhaltig verändert. Dies ist richtig – und trifft dennoch nicht den Kern, denn die wesentlichen Fragen, aber auch deren Lösungen, wurden bereits in den 1860er-Jahren, spätestens bis Anfang der siebziger angedacht, wenn auch nicht immer so in die Tat umgesetzt. Ein Beitrag aus dem Jahre 1871 – der Verfasser wurde nicht genannt – verdient noch heute Beachtung. Im „Ame- ____________________________________________________________________________________ rican Journal of Philately“ ließ er sich 1871 zu Albenfragen aus.6 Auch er erzählte davon, wie er seine ersten Marken in einem einfachen „copy book“ aufbewahrte, dann nach Erwerb eines neuen Kataloges von Mount Brown alles umklebte und dies wiederholte Male, last but not last in ein neues Scott-Album. Aber auch dieses war keine Lösung, als er begann, die Marken nach Tönungen, Zähnungen und Wasserzeichen zu unterscheiden, denn dafür waren keine Felder vorgesehen. So erwarb er 500 Blanko-Blätter bei einer Druckerei und eine gleichgroße Zahl einer Art Karteikarten („violet tinted card), auf denen er die Marken befestigte, dann die Karten auf den Blättern des Albums, was den Vorteil hatte, dass er mit jedem neuen Album – oder einer Erweiterung in mehrere Bände – nur die stabilen Karten wieder ablösen musste; die Marken selbst unversehrt blieben, da diese nicht umzukleben waren. Selbst die Marken hatte er nach einem genialen Prinzip (später sollte die Philatelie dies Falze nennen) angebracht: Er stellte schmale kleine Papierstreifen her („one inch long by one-eight broad“), die nur auf einer Seite gummiert waren. Die Marken wurden dann mit einer Hälfte des Papierstreifens per Gummierung verbunden, die andere dann umgeknickte Hälfte hielt die Marken auf der Karteikarte fest. So konnte er zu jeder Zeit auch leicht Marken anheben, um rückseitig vorhandene Wasserzeichen zu zeigen. Einfach genial! Auch was die Abfolge der Markenunterbringung – das war damals ein Thema – anging, hatte er Beachtliches zu sagen, denn dieser ungenannte Sammler sortierte seine Markenblätter in der chronologischen Folge alphabetisch aufeinander folgender Länder. Das war nicht selbstverständlich, wie noch zu zeigen ist. Das heißt, für ein Land präsentierte er zuerst die erste Ausgabe, diese aber mit den feinsten und dunkelsten Farben die er finden konnte, gefolgt dann von einer gleichen Serie, die die Marken z.B. von den am stärksten hm abgenutzt erscheinenden Platten zeigte. Der Typ des Spezialsammlers war geboren! Jederzeit konnte er in sein selbst gemachtes Album Blätter einfügen oder in beliebiger Zahl entnehmen und anderen zeigen, denn der Einband bestand nur aus je einem harten Karton unter- und oberhalb der Blätter, die dann durch ein großes Stück Leinen zusammengehalten wurden. Die Leinen-Präsentationsbox war geboren! Allerdings war der Sammler seiner Zeit damit weit weit voraus! Ein „Lady collector“ – dies war ein Pseudonym für die in England lebende Miss Adelaide Lucy Fenton, die zu jener Zeit auch Mitglied der Royal Philatelic Society war und seit Beginn der 1860er-Jahre vielfach durch teils eigenwillige Beiträge in philatelistischen Zeitschriften, allerdings meist anonym gezeichnet, an die Öffentlichkeit trat – hatte sich bereits drei Jahre zuvor in den USA zu Wort gemeldet.7 Auch sie sah ein Blanko-Album als anzustrebende Lösung an. Hundert Seiten sollte dies mindestens haben und genügend „guards“ (Schutzabdeckungen). Sie empfahl allerdings, die Markenausgaben nicht nach Ländern, sondern durchgehend chronologisch anzuordnen und die Seiten zu nummerieren, außerdem die Marken selbst auf dem jeweiligen Blatt mit kleinen schmalen Streifen von Klebstoff, vorsichtig unten und oben auf der Markenrückseite mit einem Pinsel aufgetragen, zu befestigen, so dass diese auch leicht wieder zu lösen seien. Weitsichtig gedacht und hätte die damalige Sammlergeneration solche Ratschläge befolgt, wären Millionenwerte vor der Zerstörung bewahrt geblieben. Miss Fenton – und mit ihr solch führende Sammler wie Dr. Amable Legrand und andere – hatten es besser gewusst, aber die Trends der Zeit gingen zu anderen Produkten. 6 „On the Selection of an Album“, in: The American Journal of Philately, October 20th, 1871, S. 120–121 7 „Philately“, by a Lady Collector, in: The American Journal of Philately, April 1, 1868, S. 13–14 Die Grundfragen der Sammler Spätestens zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert wurde deutlich, wie unterschiedlich sich das Sammlerverhalten entwickelt hatte. Die Zahl der Sammler weltweit tendierte vielleicht schon gegen die erste Million. Führende Alben hatten bis dahin bereits zehn- oder gar hunderttausende ihrer Produkte in verschiedensten Sprachen verkauft. Führend waren Alben von Scott und Mekeel (in den USA), von Stanley Gibbons (in Großbritannien), von Yvert (in Frankreich) und von Schaubek, Zschiesche und Schwaneberger in Deutschland. Um der Sammlernachfrage zu entsprechen, wurden nicht nur jährlich neue Auflagen in unterschiedlichster Ausstattung angeboten, also vom einfach-preiswerten Schüleroder Beginner-Album bis zu hochwertig luxuriös gefertigten Buchbinder-Alben der De-Luxe-Klasse, sondern alle Albenverleger hatten auch die Qualität der Alben verfeinert. Bis auf wenige Ausnahmen gab es keine beidseitig bedruckten Blätter mehr, denn solche waren bei Sammlern nicht gefragt. Dafür waren nahezu alle Alben mit Markenabbildungen illustriert, zumindest die „StandardAlben“, die sich an den normalen Markensammler richteten. Solche Sammler wollten nicht spezialisieren, sie interessierten sich nicht für Farb-, Zähnungs- oder Papierunterschiede, sie wollten von jeder Ausgabe ein Exemplar, das reichte vollends. Diese Gruppe der Sammler war der Massenmarkt für die Verleger, ihre Hauptzielgruppe, und für diese hatte | 101 ____________________________________________________________________________________ sie nur ein Problem zu bewältigen: das des Umfangs. Bis zum Jahrhundertwechsel sammelten die älteren Sammler nämlich noch die Ausgaben aller Länder weltweit, was aber immer schwieriger, nämlich teurer wurde. Nicht wenige begannen sich auf weniger Länder, auf Kontinente, gar einzelne Länder zu konzentrieren. Andere verzichteten auf Ganzsachen, die man zuerst mit Ausschnitten der Wertstempel, später komplett gesammelt hatte. Es wurde alles zu viel, es nahm alles viel zu viel Platz ein, es wurde letztlich auch zu teuer. Das Jahr 1890 markierte erstmals einen deutlichen Einschnitt. „50 Jahre Briefmarken“ war ein Datum, zu dem einzelne Verleger ihre Alben aufteilten, so z.B. Schaubek. Zwar gab es immer noch den voluminösen „Alle-WeltBand“ (in einem Teil), nun aber auch eine zweigeteilte Ausgabe (bis 1890, nach 1890). Wenig später gab es Ausgaben ohne Ganzsachen, die man dann höchstens auf Wunsch in einem gesondert zu bezahlenden Band unterbringen konnte. Als die Ganzsachen um die Jahrhundertwende zunehmend mehr an Nachfrage und Beliebtheit verloren, verschwanden auch solche Zusatzbände aus dem Standardangebot. In den USA hatte das eigene Land seit Beginn an reichlich zu bieten. Locals, Provisionals, Carrier-Ausgaben, Bundes- und Staatsausgaben und dergleichen mehr. Also gab es recht früh solche „Länderalben“. Der Gedanke setzte sich auch in anderen Staaten durch, zumal jeder Verleger argwöhnisch das Treiben und die Angebote anderer beobachtete, ggf. nachahmte oder kopierte. Hatte man zu Beginn versucht, den Absatz und die Nutzung der Alben durch Mehrsprachigkeit zu vergrößern, erschienen zunehmend mehr Alben in jeweiliger Landessprache, die aber ihren Ursprung in einem anderen Land hatten. Ein gutes Beispiel dafür waren die Schaubek-Alben, die es zu weltweiter Verbreitung brachten, also auch in den Ländern, in denen sie gar nicht produziert wurden, dort aber über Agenten verbreitet wurden. Blätter für Spezialsammler Für den Spezialsammler erschienen ab Mitte der 1880erJahre erste Spezialalben. Zum Beispiel zu einzelnen Ländern (z.B. von A. E. Glasewald zu Griechenland) oder zu besonderen Markenausgaben (Glasewald: Privatpostmarken). Letztlich waren dies noch Vordruckalben. Andere Verleger, ein Beispiel ist Paul Kohl aus Chemnitz, machte es interessierten Sammlern in den 1890er-Jahren leicht, indem er erste (heute übrigens seltene!) Kataloge für Deutschland und Europa erstellte (1893–1897), in denen nicht nur die Marken katalogisiert wurden, sondern im 102 | Layout so auf einzelnen Seiten dargestellt wurden, dass der Sammler wusste, wie er diese auf selbst zu gestaltenden Seiten anzubringen hatte. Nur aufkleben musste er sie noch selbst. Für solche Zwecke entwickelten diverse Herausgeber unterschiedliche Blattvorlagen, von denen sich letztlich – spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts – eine Art „vordruckloses“ Blatt besonders durchsetzte: das Albenblatt mit zartfarbener Linienquadrierung, also mit kreuzförmig angeordneten schmalen grauen oder andersfarbenen Linien, auf denen der Sammler die Marken einfach so an- und aufbringen konnten, dass ein ansprechendes Gesamtbild entstand. Solche Sammler hatten kein Problem mit dem Umfang ihrer Sammlung. Sie kauften sich einen Katalog der Wahl und brachten die Marken nach eigenem Geschmack – in der Regel nach Ländern alphabetisch und dann chronologisch geordnet – aufs Papier. Ein ganz spezielles Beispiel eines solchen Albums ist glücklicherweise mit seinen Vorstufen erhalten geblieben. Es handelt sich um das „Philatelistische Permanent-Sammelwerk“, das von Hugo Krötzsch Anfang der 1890erJahre entwickelt und sogar erstmals bei der „Internationalen Ausstellung für Postwertzeichen“ in Zürich 1893 ausgestellt und dort mit einem ersten Preis, der höchsten für diese Literaturgattung vergebenen Auszeichnung, bedacht wurde. Im Katalog der Zürcher Ausstellung wurde es unter Nr. 63 (II. Abteilung, Alben) gelistet und wie folgt beschrieben: „Hugo Krötzsch, Leipzig ... Sammelwerk in Prachtausgabe ... Permanentes Sammelwerk in losen Blättern zur Anlegung von Sammlungen nach eigenem Wunsche, das Umkleben der Marken unnötig gemacht. Beibuch mit Lichtdruck-Tafeln.“ Einmalig ist dieses Album schon allein deshalb, weil das Album selbst kaum in nennenswerter Serie verkauft wurde, heute nur noch anhand der museal in einem Archivbestand enthaltenen Blätter des Verfassers erschlossen werden kann. Es wurde nach Künstlervorlagen – gewonnen aus Aquarellzeichnungen – mit länderbezogenen Motiven in bis zu zehn Farben bedruckt, es gab Blätter für alle möglichen Länder und Kontinente und der Sammler brauchte in dieses zauberhaft künstlerisch wirkende „Ambiente“ nur noch seine Marken anzubringen. Welch ein Ensemble! – Aber der Hinweis auf die doch nennenswerten Kosten solcher „Künstler-Seiten“ zeigt auch, dass solche selbst auszugestaltende Alben bei sparsamen Sammlern kaum eine Chance hatten. Diese wollen jeden Cent in die Briefmarken selbst legen, – nicht ins Zubehör. Den meisten reichten deshalb einfach karierte Vordruckblätter, sie brauchten keine landesbezogenen farbig gedruck- ____________________________________________________________________________________ ten Albenseiten (Farbdruck war zu dieser Zeit noch extrem teuer).8 Permanent – Lösungen? Der verbreiteteste Sammlertyp war der traditionelle Sammler, der die Ausgaben seines Gebietes chronologisch aufeinander folgend sammelte. Bereits 1871 hatte H. Stafford Smith ein „Permanent Postage Stamp Album“ in Brighton angeboten, das sog. Ergänzungsblätter beinhaltete. Bereits damals stellte ein Rezensent die kluge (!) Frage, wie denn ein Album, z.B. für hundert Jahre, „permanent“ sein könne, – in diesem Album könne man doch bestenfalls die Marken der nächsten zehn Jahre unterbringen.9 Er hatte nicht unrecht, denn das Problem war nicht die Frage oder die benötigte Zahl der Ergänzungsblätter (1871 ahnte noch keiner etwas von der späteren Markenflut und -fülle), sondern das Problem der Unterbringung der Albenblätter an sich. Hatte sich beim Format doch seit den 1870er-Jahren zunehmend das Hochformat – bei besser ausgestatteten Alben im Folioformat – durchgesetzt, gab es bis zur Jahrhundertwende vorwiegend nur fest gebundene, teils mit Fadenleinenheftung versehene Bucheinbände. Das sah prächtig aus und ließ sich gut und repräsentativ vorzeigen, hatte aber auch den Nachteil, dass im Album nur die Seiten enthalten waren, die der Verleger von Beginn an eingefügt hatte. Selbst wenn es sog. Supplementseiten gab, war deren Zahl letztlich begrenzt und diese konnten später nach Erscheinen nicht mehr vermehrt werden. Die Aufteilung in verschiedene Albenbände löste das Problem nicht. Wohl aber die Erfindung der Schraubbinder-Alben, die man wohl Schaubek (die von 1874 bis 1894 von Louis resp. den Gebr. Senf betreuten Alben gingen am 12. März 1894 an den Leipziger Verleger C. F. Lücke) zuschreiben darf. Bereits 1895 erschienen erste Alben mit Supplementsmöglichkeit, ab 1906 gab es generelle PermanentAlben, die dank des Schraub-, nun auch des sog. Klemmbinders ein leichtes Einfügen und Herausnehmen von Seiten ermöglichten.10 Erst Jahrzehnte später entstanden sog. Ringbinder, die heute wohl die Mehrzahl aller Albenblattprodukte in der Welt beinhalten und in diversen Aus- 8 Die Blätter mit Gestaltung kosteten 20 bzw. 23 Pf., zusätzlicher Goldschnitt der Seiten schlug mit weiteren 5 Pf. je Blatt zu Buche. Für die damalige Zeit sehr viel Geld. 9 Review in: The American Journal of Philately, Feb. 20, 1869, S. 26 10 Vgl. hierzu: Leipzig. Birthplace of the Schaubek-Album, in: The Philatelic Journalist, No. 136, März 2012, S. 25–29 führungen der Kipphebelmechanik, der Ringbindung und des Einbandes (Plastik-PVC, Leder) existieren. Ein letztes Wort gilt der Befestigung von Marken in all diesen Albenausführungen. Allen guten Vorschlägen einzelner Sammler der Pionierzeit der Philatelie zum Trotz, setzte sich das simple, aber zerstörende vollflächige Befestigen von Marken mittels Gummi Arabicum weltweit durch. Mit den bekannten Folgen. Zwar gab es einzelne Sammler, die die Marken mit anhängendem Bogenrand sammelten und mit diesem die Marken befestigten, andere, die in zu Beginn geschilderter Form selbst eine Art Falz entwickelten, aber die überwiegende Mehrzahl der Sammler im 19. Jahrhundert nahm dies nicht wahr. Erst die Erfindung einer Art serienreifen, nämlich billig in Massenproduktion herzustellenden „Klebepapieres“, das unter verschiedensten Bezeichnungen international ab Mitte der 1880er-Jahre bekannt und verbreitet wurde, änderte daran etwas. Langsam, aber sicher, setzte sich der Falz als meist verwendetes Befestigungsmittel durch, bis erst in den 1930er-Jahren andere Aufbewahrungsarten (z.B. unter Pergamin, Klarsichttaschen aus Kunststoff) erprobt und dann Jahre später in Serie verbreitet wurden. Der Falz blieb bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts aber das gewöhnliche Befestigungsmittel und nicht selten erlebten Sammler bei einzelnen Falzprodukten (in Deutschland war das der von Hesselte entwickelte sog. Schonfalz) ihr „blaues Wunder“. Was letztlich dem Falz den Garaus machte, denn seit Jahrzehnten ist er nicht mehr verbreitet und eine von der Fa. Hawid wohl zuerst entwickelte Polystyrol-Kunststofftasche hat seitdem die philatelistische Welt erobert. Die Entwicklungsschritte der Alben – gleich ob von Schaubek, Schwaneberger, Stanley Gibbons, Scott oder Yvert, um nur diese hier zu nennen – mögen im großen und ganzen ähnlich verlaufen sein. Bis heute präsentieren alle großen wie kleinen Albenverleger in allen Ländern der Welt eine vergleichbare Auswahl, wobei der Massenconsumer-Markt durch die Vordruckalben in diverser Ausstattung gebildet wird. Literatur-Produkte im engeren Sinne sind diese nicht mehr, auch wenn bereits die Anordnung und Abfolge der Markenanordnung durch Urheberrechte geschützt sein mögen. Mit den Alben des 19. Jahrhunderts, die häufig eine Art „wandelnde Lexika“, Katalogersatz oder gar ein geografisches Nachschlag- oder kartografisches Werk waren, haben all diese kaum noch etwas gemeinsam. Wenn der Sammler heute solches haben will, muss er schon selbst Hand anlegen und kreativ eigene Blätter dieser Art schaffen, – was ihm mit den Möglichkeiten des PC und des Internets heute auch viel leichter als früher fällt. | 103 ____________________________________________________________________________________ Der Siegeszug der Kataloge im 20. Jahrhundert Der „Katalog ist des Sammlers liebstes Kind“ oder z.B. „der MICHEL ist die Bibel des Sammlers“ – all dies sind Floskeln, die man in dieser Form in Deutschland, in übertragener Form (die Katalognamen sind dann nur auszuwechseln) auch in anderen Ländern häufig hören kann. Tatsache ist, dass jährlich neu erscheinende Kataloge zum ständigen Begleiter vieler Sammler wurden. Dies hatte gute Gründe: Zum einen erschienen – bereits im 19. Jahrhundert – Jahr für Jahr mehr neue Briemarkenausgaben, zum anderen wurden auch immer wieder damals neue, bis dahin unbekannte, bereits früher herausgegebene Postwertzeichen entdeckt, so dass die Geschichte der Markenausgaben nicht weniger Länder ständig neu zu beschreiben und damit zu katalogisieren war. Der Grad der zunehmenden Spezialisierung der Sammler, die Berücksichtigung diverser Verschiedenheiten und Abweichungen bei Marken, deren Zähnung, Papiere, Farben und Wasserzeichen, der sog. Abarten, Plattenfehler und Druckabweichungen, führte naturgemäß zur ständigen Erweiterung von Katalogen, was dann auch Katalogherausgeber vor enorme Herausforderungen und Probleme stellte. Zur Wende des 19./20. Jahrhunderts waren die Namen der weltweit tätigen großen Katalogherausgeber längst weithin bekannt. Es waren meist die gleichen Namen, die auch für ihre Alben bekannt waren, also Scott, Stanley Gibbons, Yvert und in Deutschland die Gebrüder Senf mit dem seit 1892 regelmäßig erscheinenden Senf-Katalog. Es ist hier nicht der richtige Ort – und der begrenzte Platz verbietet es zudem – die Geschichte all dieser Kataloge näher zu schreiben. Dies wurde teilweise von Dritten bereits an anderer Stelle unternommen.11 Beispielhaft ausgewählte Aspekte der Geschichte der Stanley Gibbons- und der MICHEL-Kataloge mögen allerdings die Problementwicklung aller Kataloge im 20. Jahrhundert kurz verdeutlichen. Bekanntlich hatte Stanley Gibbons 1865 erstmals eine 20-Seiten-Verkaufsliste herausgebracht, die die Postwertzeichen von Antigua bis Württemberg enthielt. Aus diesen Verkaufslisten entstand dann später ein Katalog, der 1879 erstmals auch Illustrationen der Marken und Ganzsachen beinhaltete. Letztere wurden 1896 in einen separaten Katalogteil verbannt und 1900 wurde der Ganzsachenband ganz aufgegeben. 11 Vgl. Wolfgang Maaßen: Von frühen Alben und Katalogen zu Verlagen von Weltrang, Schwalmtal 2010 104 | Ähnlich erging es den Gebr. Senf, die seit 1892 „Gebrüder Senf’s Illustrirten Postwertzeichen-Katalog“ auf den Markt brachten. Bereits zu Beginn in einer Jahresauflage von 16 000 Exemplaren, was zweifelsohne sehr beachtlich war. Die 1896er-Auflage – immer noch in einem Band von knapp 1 000 Seiten – hatte bereits 25 000 Stück Auflage, war aber – im gleichen Jahr wie bei Stanley Gibbons – zweigeteilt (Teil I: Marken, Teil 2: Ganzsachen). 1899 erschienen diese auch getrennt und dies sollte erst einmal bis 1911 so bleiben, denn 1912 erschien nur noch der Markenteil des Kataloges, 1913 ebenfalls und 1914 gab es letztmalig beide Teile auch getrennt und aktualisiert. Damals mit einer Auflage von insgesamt 42 000 Exemplaren! Der letzte Ganzsachen-Katalog erschien 1921 quasi als eine Art Nachtrag für die Jahre 1913–1920, denn während des Ersten Weltkrieges hatten die Gebr. Senf infolge von Papiermangel ihre Katalogproduktion einstellen müssen. Stanley Gibbons hatte solche zeitbedingte Probleme nicht, hatte aber seit Beginn des 20. Jahrhunderts, spätestens seit 1905, den Weltkatalog dennoch in zwei Bände aufgeteilt. Band 1 war nun dem „British Empire“ gewidmet, Band 2 den anderen ausländischen Staaten, wobei es aber immer noch diese Ausgabe auch in einem Band gebunden gab. Der Flut von Neuausgaben wusste Stanley Gibbons durch einen „Simplified Catalogue“ ab 1934 zu begegnen, einem bis heute in ähnlicher Art bekannten Werk, in dem alle Ausgaben der Welt nur kurz und ohne jede Varietät gelistet und nur noch beispielhaft abgebildet sind. Seit 1971 heißt dieses Werk „Stamps of the World“, das bis 1982 in einem Band, danach in zwei Bänden, seit 1990 in drei, seit 2002 in vier und mehr erscheint. Solche Umfangsprobleme hatten eigentlich schon vor mehr als 100 Jahren alle Katalogverleger in der Welt. 1910 hatten die Senf-Kataloge (nimmt man den Markenund Ganzsachenteil zusammen) bereits über 1 600 Seiten erreicht. Über 10 000 Katalognummern mit über 23 000 Preisen und mehr als 1 500 Abbildungen wurden gedruckt. Die Kataloge waren beliebt, zu dieser Zeit wurden jährlich rund 30 000 Exemplare abgesetzt (1914 sollte die Höchstauflage mit 42 000 Stück erreicht werden) und insgesamt hatte das erfolgreiche Leipziger Unternehmen bis 1910 bereits mehr als 410 000 Exemplare verkauft. Wahrlich Traumzahlen! In diese Situation hinein erschien ein kleiner unscheinbarer, auch mit knapp 100 Seiten nicht gerade umfangreicher neuer Katalog eines Hugo Michel aus Apolda. International war Hugo Michel damals eher ein „Nobody“, bestenfalls einigen ausländischen Händlern als Briefmarkenhändler bekannt, nicht aber als Verleger. Aber aus die- ____________________________________________________________________________________ sem kleinen Katalog – dies war ein EUROPA-, also nicht ein Weltkatalog – sollte sich eines Tages eine Art deutsches Katalogimperium entwickeln. Die ersten Ausgaben blieben weiterhin bescheiden, wuchsen zwar in den ersten zehn Jahren auf mehr als 250 Seiten an, als Michel sie noch selbst verlegte, sie waren aber – im Vergleich zu den Senf- und ausländischen Katalogen von Stanley Gibbons oder Yvert – sehr preiswert. Entsprechend beliebt waren sie bei den Sammler, gerade bei den zahlreichen Neueinsteigern, die längst nicht mehr alle Welt, sondern wenige Länder, meist europäische, sammelten. Dass die Anfänge dieses Kataloges wahrlich sehr überschaubar klein und bescheiden waren, lässt sich heute noch nachvollziehen, denn die Erstausgabe von 1910 – die originale broschierte Ausgabe hatte einen lilafarbenen Kartoneinband – ist in Deutschland derzeit nur noch in einer Handvoll Exemplaren nachgewiesen, die etwas teurere Hardcover-Ausgabe mit braunrotem Leineneinband ist heute dort nur in einem Exemplar noch bekannt. Fragt man sich nach den Gründen für solch eine kaum zu vermutende Seltenheit, liegt dies wohl allein in der Tatsache begründet, dass Hugo Michel seinen ersten Katalog nicht direkt verkaufte, sondern mit einer Art Pro-forma-Rechnung seinen guten Kunden einfach so zuschickte, diese aber das neue Werk als eine Art Preisliste ansahen, die nicht von bleibendem Wert sein könne, so dass wohl die überwiegende Mehrzahl nicht aufbewahrt, sondern entsorgt wurde. Noch seltener muss die Ausgabe des EUROPA-Katalogs von 1911 sein, die Hugo Michel zu seinem zehnjährigen Jubiläum als Katalogherausgeber 1919 mitzählte, die aber bis heute keiner je gesehen hat. Angeblich soll sie einen grauen Einband haben (nicht zu verwechseln mit einem vom späteren Schwaneberger Verlag 1981 produzierten Neudruck des 1910er-Katalogs!). Wenn es denn diesen Katalog von 1911 (gemeint ist nicht die Preisliste aus dem gleichen Jahr!) überhaupt jemals gegeben hat, dann hat Hugo Michel diese nur in einer Mini-Auflage erscheinen lassen, denn der finanzielle Verlust der Erstausgabe 1910, die er quasi überall verschenkt hatte, dürfte ihn vor weiteren kostenspieligen Experimenten dieser Art erst einmal bewahrt haben. Hugo Michel hatte aber das Glück, dass er – im Gegensatz zu den Gebr. Senf – im Ersten Weltkrieg noch an Papier kam, seine Kataloge also weiter erscheinen konnten. Der Erfolg seines Europa-Kataloges wuchs ihm über den Kopf, so dass er 1919 das Werk an den Verlag des Schwaneberger Albums und dessen Geschäftsführer Eugen Berlin abgab, der das Werk Michels weiterführte. Aus dem Namen wurde dann eine Marke: MICHEL-Kataloge, die heute weltweit verbreitet sind. Katalog-Herausgeber verstanden es von jeher, auf die Anforderungen der Zeit, auf wechselnde Strömungen des Sammlerverhaltens, aber auch auf neue Sammelgebiete und Trends zu reagieren. In Deutschland waren dies während und nach dem Ersten Weltkrieg die sog. „Kriegsmarken-Kataloge“ (1920, Michel), in den 1930erJahren erschienen erste Luftpost-Kataloge (Senf 1931), 1935 bei Schwaneberger ein erster MICHEL DeutschlandSpezial-Katalog und 1938 sogar ein erster Block-Katalog der Gebr. Senf. Längst war aus dem ursprünglichen kleinen Michel-Europa-Katalog ein stattliches umfangreiches Werk geworden, seit 1921 gab es auch – was Hugo Michel selbst ursprünglich nie gewollt hatte – Michel-Übersee-Kataloge. Heute tendiert die Zahl der Michel-EuropaKataloge gegen zehn, die der Übersee-Kataloge sind auf 15 und mehr herangewachsen, ein Ende ist nicht in Sicht. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte Stanley Gibbons – dies war wohl der Papierknappheit zuerst geschuldet – mit einzelnen Länderkatalogen begonnen, ein Experiment, das dann gegen Ende der 1960er-Jahre Fortsetzung fand. Seit 1963 erschienen erste und einzelne Bände des „Great Britain Specialized Catalogue“, die für Spezialsammler das Referenzwerk schlechthin wurden. Es wundert dann kaum, dass im gleichen Jahr oder wenig später die erste Ausgabe eines wiederauflebenden MICHEL Spezial-Kataloges Deutschland erschien (Ausgabe: 1964/65). Die Verleger schauten sich die guten Ideen voneinander ab und probierten stets aus, was bei Sammlern gut ankam. Dieses Werk sollte in Deutschland zu einem der erfolgreichsten Kataloge überhaupt werden, von denen in besten Zeiten sechsstellige Zahlen verkauft wurde. Die Zahlen sind nahezu austauschbar, auch die Namen der großen Verleger, denn deren Katalog-Entwicklungsschritte gingen beinah im Gleichschritt voran. Neu war vielleicht noch 1984 die von Stanley Gibbons geborene Idee der thematischen Kataloge („Collect Birds on stamps“), aber auch die folgte bereits bewährten Mustern. Belassen wir es bei diesem kleinen Überblick, der verdeutlicht, dass sich Katalogherausgeber stets besonderen Problemen zu stellen hatten. Katalogliteratur ist – auch was Ausgaben um die Wende vom 19./20. Jahrhundert betrifft – heute in guter oder gar sehr guter Erhaltung nicht mehr häufig anzutreffen. Dafür wurden sie ja in der Regel zu häufig und intensiv vom Sammler genutzt und meist mit Erscheinen der nächsten Neuausgabe wieder entsorgt. Zudem nimmt sie enorm viel Platz im Buchregal ein, weshalb meist nur große Bibliotheken über nennenswerte komplettere Bestände verfügen. Bestimm- | 105 ____________________________________________________________________________________ te Ausgaben sind sehr selten. Dazu zählen nicht nur die erwähnten ersten Ausgaben von Hugo Michel, auch die von Paul Kohl und dessen ersten Katalogversuchen in den 1890er-Jahren bis 1910. Vergleichbares gilt für die 106 | frühen Standardkataloge in den USA, Frankreich, Großbritannien und anderen Ländern. Ihre Seltenheit – bei guter Erhaltung – wird häufig unterschätzt. ____________________________________________________________________________________ 4.4 „Eintagsfliegen“ und Inseratenblätter ____________________________________________________________________________________ Das Wort von den sog. Eintagsfliegen wurde in diesem Buch bereits mehrfach verwendet. Gemeint sind Zeitschriften, also Periodika, die nur für eine kurze oder gar sehr kurze Zeit existierten, über eine oder wenige Nummern erst gar nicht herauskamen. Mit dem Begriff „Inseratenblätter“ bezeichnet die Philatelie die Zeitschriften, die keinen (nennenswerten) redaktionell verfassten Inhalt hatten, sondern eigentlich nur aus einer Ansammlung von werblichen Anzeigen, also Inseraten, bestanden. Manche gehen sogar so weit, die Frage zu stellen, ob man solche Inseratenblätter überhaupt als Zeitschriften im strengeren Sinne bezeichnen kann, denn das genuine und gattungsprägende Merkmal, der redaktionelle Inhalt, Kurzberichte und/oder Fachbeiträge, all diese würden doch bei solchen Produkten fehlen. Letztlich seien solche Blätter nur eine Art Sammlung von Preisofferten, also Preislisten ohne jederlei substantiellen Wert. Der Verfasser möchte sich an solchen Definitionsfragen nicht beteiligen, denn man grenzt damit etwas aus, was philateliegeschichtlich gesehen durchaus von bleibendem Wert ist, z.B. die Geschichte des Handels, der Berufsphilatelie, die Geschichte des Marktes und seiner Entwicklung, die Geschichte namhafter Personen und ihrer lebensverändernden Merkmale und so vieles andere mehr, was sich nicht nur in wechselnden Adressen Einzelner, sondern eben auch in deren Offerten findet. Mit gleichem Recht könnte man dann in Frage stellen, ob erste (Preis-)listen, selbst die eines Oscar Berger-Levrault, überhaupt Literatur seien, von anderen ganz zu schweigen. „Eintagsfliegen“ – dies ist ja nicht inhaltlich, sondern chronologisch zu verstehen – können beide sein: Fachwie Inseratenblätter. Dass sie nur selten erhalten blieben, mag u.a. an der fehlenden Periodizität liegen, damit an fehlendem Bekanntheitsgrad und einer Kontinuität, die diesen erst eine gewisse Verbreitung und Anerkennung verschafft hätte. Dementsprechend selten sind sie heute überhaupt noch anzutreffen, weil sie in aller Regel von Empfängern solcher Erstausgaben wenig beachtet und entsorgt wurden. Mehr oder weniger komplette Dokumentationen – z.B. solcher Zeitschriften eines Landes aus dem 19. Jahrhundert – gibt es so gut wie nicht. Die Wertschätzung der Literaten galt dem Dauerhaften, dem nachprüfbar Niveauvollen und Beispiele dafür wurden bereits in Kap. 4.2 in reichlicher Zahl erbracht. In Kap. 3.5 konnte dabei auch auf- und nachgewiesen werden, wie sich im 19. Jahrhundert die Zahl der Zeitschriften weltweit entwickelte, wie viele der Periodika überhaupt auf ein nennenswertes Alter und entsprechende Entwicklung zurückblicken konnten. Es waren – damals wie heute – nur wenige. Dies wird umso augenfälliger, je kürzer man die Zeiträume betrachtet und als ein Beispiel – pars pro toto – mag dazu noch einmal die Zeitspanne der ersten zehn Jahre philatelistischer Zeitschriften-Entwicklung, dieses Mal nur mit Blick auf England und Amerika, hier dargestellt werden.1 1 Der Autor folgt hier einer Ausarbeitung, die im „American Journal of Philately“ am 20. Oktober 1871 erschien. | 107 ____________________________________________________________________________________ Die nachfolgende Übersicht belegt die erschienenen Titel, das Erstausgabedatum und die Zahl bis 1871 erschienener Ausgaben. England – Bath Stamp and Coin Gazette and Advertiser: ab 1. Juni 1865, 2 Nummern – Boys‘ Telegramm: 15. September 1866, 1 Nummer – Boys‘ Agency Circular: ab 1. März 1866, 2 Nummern – British and Foreign Stamp & Coin Advertiser: ab 1. Mai 1864, 8 Nummern – Collector‘s Circulars: ab 6. Dezember 1865, 12 Nummern – Stamp Collector‘s Examiner: ab 1. Mai 1865, 3 Nummern – Stamp Collector‘s Journal: 1. Juli 1863, 1 Nummer – Stamp Collector‘s Magazine: ab 1. Februar 1863, 104 Nummern – Stamp Collector‘s Miscellany: ab 1. Juni 1864, 11 Nummern – Stamp Collector‘s Monthly Advertiser (später: Stamp Collector‘s Review): ab 15. Dezember 1862, 19 Nummern – Stamp Collector‘s Pocket Companion: 1. April 1865, 1 Nummer – Collector‘s Herald: ab 1. Januar 1865, 10 Nummern – Stamp Courier & Curiosity Advertiser: ab 15. Oktober 1866, 2 Nummern – Curiosity Collector‘s Magazine: ab Oktober 1865, 2 Nummern – Stamp Dealers Advertiser: ab 1. Juli 1866, 2 Nummern – International Postage Stamp Review: ab 1. August 1863, 9 Nummern – Universal Stamp Gazette: 15. September 1864, 1 Nummer – International Stamp Recorder: 1. Mai 1868, 1 Nummer – W. D. Atlee’s Stamp Circular: ab 10. September 1865, 4 Nummern – Liverpool Stamp Advertiser (später: Liverpool & Newport Stamp Advertiser): ab 1. Mai 1863, 14 Nummern – Weymouth Stamp and Crest Advertiser: ab 1. November 1863, 7 Nummern – Liverpool Stamp Collector‘s Journal: ab 1. April 1865, 3 Nummern – London & N. Y. Stamp Collector‘s Review: ab 15. Januar 1864, 2 Nummern – National Postage Stamp Express: ab 15. Januar 1864, 7 Nummern – New Curiosity Times: 15. Dezember 1865, 1 Nummer – Newcastle and Gateshead Stamp Advertiser and Review: ab 1. Januar 1864, 7 Nummern – North of England Stamp Review: ab Juli 1864, 5 Nummern – Northumberland and Durham Stamp Advertiser: ab 15. Februar 1864, 11 Nummern – Once a month: ab 1. September 1863, 14 Nummern – Philatelist: ab 1. Dezember 1866, 58 Nummern Betrachtet man diese Auflistung näher, stellt man leicht fest, dass nur sechs von den insgesamt hier aufgeführten 32 Blättern mehr als zwölf Ausgaben ihres Erscheinens zählen, darunter natürlich die Spitzenblätter der damaligen Zeit, das „Stamp Collector’s Magazine“ (104 Ausgaben) und der „Philatelist“ (58 Ausgaben). Umgekehrt zählen 18 Blätter nur bis zu fünf Ausgaben, sind also noch nicht einmal ein halbes Jahr erschienen. Das heißt, deutlich mehr als die Hälfte aller damals erschienenen Blätter waren das, was man heute als „Eintagsfliegen“ bezeichnet. Fasst man diesen Begriff noch enger, zählt man also nur die, die tatsächlich nur mit einer einzelnen Ausgabe an den Start und danach bereits untergingen, dann sind es immerhin auch noch sieben Zeitschriften, die als Periodikum gedacht waren, dieses Stadium aber niemals mehr erlebten, also gut 20 Prozent. Eine vergleichsweise hohe Zahl, wie auch der Blick nach Amerika (USA/Kanada) belegt. – Stamp and Curiosity Circular: 15. April 1867, 1 Nummer Amerika – Stamp Collector‘s Budget: ab 1. Januar 1868, 2 Nummern – The American Journal of Philately: ab März 1868, 47 Nummern 108 | ____________________________________________________________________________________ – The Weekly Journal of Philately: ab 3. September 1870, 12 Nummern – The Stamp Journal: ab 1. August 1867, 3 Nummern bei nur einer Ausgabe überhaupt. Das heißt: ein Viertel aller neu erscheinender Zeitschriften waren im wahrsten Sinne des Wortes „Eintagsfliegen“ und rund dreiviertel aller Newcomer kaum mehr. Natürlich sind hier nicht alle Blätter der damaligen Zeit berücksichtigt. So fehlen z.B. solche Organe, in denen nicht Briefmarken allein, sondern auch Münzen etc. abgehandelt wurden, also allgemeine Sammlerzeitschriften. Bei Einbezug wäre das Ergebnis aber auch nicht wesentlich anders ausgefallen. Nun mögen solche „Eintagsfliegen“ oder Journale, die in nur wenigen Ausgaben für sehr kurze Zeit erschienen, zwar literarisch keine bedeutende Stellung in der Philatelie einnehmen, – das hätten sie auch wohl kaum verdient –, aber sie zählen zur Geschichte der Philatelie, die stets auch als ein Bemühen Einzelner zu interpretieren ist, mit Publikationen auf dem „Markt“ in Erscheinung zu treten und diesen mitzugestalten. Dass dies nicht immer gelang, war zu beweisen und selbst bis heute erreicht nur eine recht geringe Zahl von Zeitschriften eine Lebensdauer von fünf oder gar zehn und mehr Jahren. Dennoch – oder gerade deshalb – sind solche Blätter selten und haben durchaus die Beachtung von Literatursammlern und Bibliophilen verdient. – The Stamp Buyer: ab 1. Januar 1868, 2 Nummern Spezifika und Wert von Inseratenblättern – The American Stamp Collector‘s Guide: ab 15. April 1870 Es klang bereits an, dass reine Anzeigen-Zeitschriften bei Literatursammlern keine hohe Wertschätzung genießen. Dies ist verständlich, da solche Literaturprodukte – wenn man sie als solche ansieht – auch keinen großen genuinen Informationsgehalt für die Forschung in der Philatelie einbringen. Dies ist aber nur auf den ersten Blick richtig, auch nur bei Anwendung eines verengten Forschungsbegriffes. Denn Forschung in der Philatelie bezieht sich ja nicht nur auf die Erforschung der Briefmarke selbst, sondern – philateliegeschichtlich gesehen – auch auf die Erforschung der innerhalb der Philatelie tätigen Personen und Persönlichkeiten, letztlich auch auf die Entwicklung von Angeboten und Marktpreisen. Nur sehr wenige Zeitschriften innerhalb der weltweiten Philatelie konnten überhaupt auf Anzeigen von Berufsphilatelisten verzichten, waren also – dank z.B. ausreichend eigener Mittel und/oder hoher Abonnentenzahlen – in der Lage, sich unabhängig von Inserenten zu finanzieren. Selbst die heute führenden Forschungsblätter in der Philatelie – als Beispiele seien gerne die Zeitschriften des Collectors Club in New York und der Royal Philatelic Society London genannt – können und konnten dies nie, wenngleich vor Jahrzehnten der Anteil der Inserate weit weniger umfangreich war als dies heute der Fall ist. – The Stamp Collector‘s Record: ab 15. Dezember 1864, 39 Nummern – The Stamp Collector‘s Review: 1. Oktober 1866, 1 Nummer – The Postage Stamp Collector‘s Monitor: 1. Juni 1867, 1 Nummer – The American Stamp Mercury: ab 25. Oktober 1867, 39 Nummern – The New England Journal of Philately: an 1. Januar 1869, 3 Nummern – The Timbrologist: ab 1. September 1869, 3 Nummern – The Stamp Collector‘s Magazine: 1. Januar 1871, 1 Nummer – The Stamp Collector‘s Gazette: 1. Juni 1865, 24 Nummern – The Stamp Argus: ab 15. Juli 1865, 5 Nummern – The Postman’s Knock: ab 1. Mai 1866, 21 Nummern – The Stamp Journal: ab 1. August 1867, 3 Nummern – The Stamp Buyer: ab 1. Januar 1868, 2 Nummern – The American Stamp Collector‘s Guide: ab 15. April 1870, 5 Nummern – The Stamp Collector‘s Guide: ab Dezember 1870, 9 Nummern – The American Philatelist: ab 1. Juli 1871 (1 Nummer)* – The Stamp Circular: ab 25. November 1865, 2 Nummern – The Postage Stamp Reporter: August 1867, 1 Nummer – The Stamp Collector‘s Record: ab 15. Februar 1864, 2 Nummern Auch hier zeichnet sich ein ähnliches Bild ab: Nur 20 Prozent damals neu erscheinender Zeitschriften erreichten mehr als 12 Ausgaben, etwas über 60 Prozent immerhin bis fünf Nummern und bei immerhin 25 Prozent blieb es | 109 ____________________________________________________________________________________ Auch die ersten philatelistischen Fachzeitschriften, sei es in Belgien, England, Deutschland, Frankreich, USA oder anderswo, enthielten stets mehr oder weniger viele Anzeigen. Sei es in Form kleiner Textanzeigen oder – schon recht bald – auch umfangreicherer Formatanzeigen, die nicht selten eine halbe oder gar ganze Seite ausfüllten. Die Mitfinanzierung eines Blattes durch Anzeigen war also erhofft und erwünscht, einen Konflikt zwischen einer unabhängigen Redaktion und den Inserenten sah man – damals wie heute – nicht als grundsätzlich gegeben an. Solche Blätter waren und wurden deshalb auch nie zu Inseratenblättern, denn die Inserate machten nur einen kleineren Teil der Zeitschriften aus. Nicht wenige Herausgeber, dies ist gerade bei von Vereinen oder Verbänden herausgegebenen früheren Zeitschriften gut zu beobachten, ordneten die Anzeigen auch nicht in den Redaktionsteil ein (dies ist eine Unsitte der heutigen merkantilen Zeit!), sondern platzierten diese vor oder – meist – nach dem eigentlich die Zeitschrift bestimmenden redaktionellen Fachgehalt an. Das ermöglichte es den Lesern, später – wenn sie vorhatten, die Zeitschrift jahrgangsweise binden zu lassen – diese Inseratenteile zu separieren, entweder komplett (dann aber am Schluss des Jahrganges) mitbinden zu lassen oder zu entsorgen und erst gar nicht mit zu berücksichtigen. Man findet Zeitschriften, in denen die Inseratenteile nicht durchnummeriert oder mit anderslautender Nummerierung (z.B. mit römischen Ziffern) gezählt wurden. So oder so: Inseraten-, also Anzeigenteile waren nie des Sammlers liebstes Kind, was dazu führte, dass man die große Mehrzahl aller gebundenen Zeitschriften aus den letzten 150 Jahren heute nur noch ohne diese findet. Dies ist grundsätzlich ein nicht mehr wieder gut zu machendes Dilemma, dem man nicht mehr entkommen kann. Damit fehlen auch wertvolle Informationen über den Handel, dessen Preise und deren Entwicklung. So manche Namen der frühen Philatelie sind uns heute nur noch aus solchen Inseraten her bekannt – wenn diese denn erhalten geblieben sind. Da die Abneigung, gerade der fortgeschrittenen Philatelisten, sich gegenüber Handel und dessen Inseraten wenige Jahrzehnte nach Entstehung der Philatelie zunehmend mehr – beinah schon neurotisch – entwickelte, gleichzeitig aber auch die Zeitschriften, die länger durchhielten, mehr und mehr Platz in Buchregalen und stetig kleiner werdenden Wohnräumen beanspruchte, entstand das so zuvor beschriebene Defizit. Clevere Zeitschriftenverleger spürten dies recht früh. So kam man auf den Gedanken der reinen Inseratenblätter. Ungestört von jeder Redaktion, rein kommerzielle Blätter, 110 | die nicht in Vereinen oder Verbänden erschienen, sondern bei freien Verlegern. Welches die erste InseratenZeitschrift dieser hier gemeinten Art ist, ist heute nur noch schwer zu belegen, zumal auch von diesen nicht wenige „Eintagsfliegen“ blieben. Dem Autor fehlt angesichts der vielfach kaum bekannten und bei zahlreichen Bibliotheken auch nicht bewahrten Blätter der nötige Überblick, um hierzu verbindliche Aussagen machen zu können. Möglicherweise ist „Once a month; or, The Stamp Collector’s Advertiser“ das erste Blatt dieser Art gewesen, denn auf den vier Seiten, die mit der Nummer 1 am 1. September 1863 erschienen (und gratis abgegeben wurden), finden sich nur kleine Textanzeigen. Immerhin kamen 14 Nummern heraus, bevor das Blatt einschlief. In Triest plante wohl 1866 der Jüngling Carl von Cardona mit seinem „Briefmarken-Anzeiger“ ein ähnliches Unternehmen, denn in der ersten (und gleichzeitig letzten) Ausgabe dieses „Organs zur Belebung und Erleichterung des Verkehrs zwischen Timbrophilen“ schrieb er in seinem Vorwort, dass sich „unser Blatt ausschliesslich dem Annoncen-Wesen widmen“ werde, wozu es aber bekanntlich nicht mehr kam. Dass Cardona ein besonderes „Früchtchen“ war, zeigte bereits der Bezugs-Hinweis auf der damaligen Titelseite, auf der man lesen durfte: „Wer diese Nummer nicht zurücksendet, wird als Abonnent betrachtet“ und in Englisch: „He that will not send back this No. shall be considered as an subscriber“. Wahrlich eine Art der Abonnentenwerbung, die auch heute noch für Verärgerung sorgen würde, an die man sich aber im Zeitalter der Spam-Mails zu gewöhnen hatte. Die zuvor erschienenen Ausgaben des „Börsenblatts für den Briefmarkenhandel“ (hrsg. von Wilhelm Reichel 1864 bzw. dessen Nachfolger), die „Allgemeine deutsche Briefmarken-Zeitung“, mögen zwar im Titel den Gedanken an ein Inseratenblatt nahelegen, waren dies aber ebenso wenig wie der 1871 langjährig erscheinende „Allgemeine Briefmarken-Anzeiger“ in Hamburg, denn all diese hatten auch einen eigenständigen redaktionellen Gehalt, z.B. zu „Postalischem, Neuigkeiten und Vermischtem“. Gleiches galt auch für die „Philateliestischen <sic!> Monatsberichte“, einem „Fachblatt für die Interessen deutscher Briefmarkenhändler“, hrsg. von H. A. Thiele in Hannover, von denen allerdings nur eine Ausgabe im April 1876 erschien. Anders verhielt es sich mit dem „Philatelistischen Verkehr“, einem reinen Inseratenblatt, dessen insgesamt elf Nummer von November 1879 bis Anfang 1880 herauskamen. Es nannte sich bereits im Untertitel „Ein Verzeichnis verkäuflicher und zum Ankauf gesuchter Briefmarken, Postkarten etc.“, war aber neben einer umfangreichen eigenen Preisliste durchaus ein Blatt, das auch (wenige) ____________________________________________________________________________________ Fremdanzeigen aufnahm. Eine reine Inseraten-Beilage war der „Allgemeine Anzeiger“ von C. G. Thieme in Leipzig, bestehend nur aus einem Folio-Blatt, das auch Journalen wie den „Blättern für Münzfreunde“ und dem „Numismatischen Verkehr“ 1875 beigelegt wurde. Ebenfalls eine reines Anzeigenblatt, wobei man letzteres wörtlich nehmen konnte. 1877 folgte der „Mercur. Internationaler Briefmarken-Anzeiger“, hrsg. von A. Moersig als reines Inseratenblatt in Kreuz a. d. Ostbahn, dessen erste Nummer am 15. Mai 1877 erschien und der es auf vier Jahrgänge brachte, dann einschlief, bevor es dann unter gleichem Namen und gleicher Ausrichtung als „Internationales InsertionsOrgan für Briefmarken-Händler“ 1896 noch einmal für ein Jahr und insgesamt vier Nummern auflebte. Übrigens dann herausgegeben von Christian Sauerland aus Hemer, der zu dieser Zeit schon weit über die Grenzen mit einem eigenen Blatt bekannt geworden war. Dies war der „Generalanzeiger für Philatelie“, der mit seiner ersten Nummer am 10. April 1883 – also doch eine Reihe von Jahren nach den bereits bisher genannten Inseratenblättern – erschien. Dafür war er umso langlebiger, denn – abgesehen von der kriegsbedingten Unterbrechung ab März 1943 – gab es auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch Versuche, dieses international verbreitete und bekannte Blatt erneut zum Leben zu erwecken. Das gelang unter den neuen Machthabern im Osten Deutschlands nur noch für wenige Jahre, 1951 erschien die letzte, nunmehr endgültig letzte Ausgabe der Zeitschrift, die einmal mit Abstand die weltgrößte Anzeigen-Zeitschrift gewesen war. Der „General-Anzeiger für Philatelie“ war beileibe nicht, das wurde bereits aufgewiesen, das erste Inseratenblatt der Welt oder auch in Deutschland. An dieser Geschichtsverfälschung ändert auch die Tatsache nichts, dass der Briefmarkensammler-Verein in Hemer anlässlich einer Briefmarkenausstellung vom 17. bis 19. September 2010 Sauerland und sein Blatt als „erstes Inseratenblatt der Welt“ oder gar – wie bei Wikipedia nachzulesen2– gar als erste „Briefmarken-Zeitung“ der Welt abfeierte. All dies ist falsch, ebenso wie die Aussage, Sauerland sei von Beginn an der Herausgeber des Blattes gewesen (das wurde er erst Jahre nach dessen Erscheinen). Die Fakten lauten anders: Das Insertionsorgan wurde ab April 1883 von der Druckerei G. Kirchhoff & Co. in Iserlohn auf den Markt gebracht. Erst ab der dritten Nummer (Juni 1883) war Christian Sauerland als Redakteur dabei (auch wenn die Zeitung nur Anzeigen beinhaltete). Erst mit dem fünften Jahrgang, 1887, wechselte Sitz und 2Siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitungen_und_Zeitschriften_ in_Hemer (Stand: 10.1.2013) Verlag an Christian Sauerland in Hemer, wobei auch dort die Firma G. Kirchhoff, nunmehr ebenfalls in Hemer, den Druck besorgte. 1908 wechselte der Sitz der Zeitschrift, bei der später auch Sauerlands Sohn mitarbeitete, nach Ludwigslust, wo sie fortan zu Hause war. Die Auflagen sollten sich auf angeblich bis zu 30 000 Exemplaren einpendeln, das Blatt statt monatlich dann 14täglich erscheinen und zu Lebzeiten kannte Christan Sauerland nur einen großen Konkurrenten. Dies war Carl Gustav Vogel aus Pössneck, der ihm seit 1892 mit der ab Januar in Pössneck erscheinenden Inseraten-Zeitschrift „Internationales Briefmarken-Offertenblatt“ arge Konkurrenz machte. Vogel war kein „Leichtgewicht“, sondern ein cleverer Verleger. Er erfand das Prinzip des sog. „Wechselversandes“, d.h. den kostenlosen Vertrieb einer Zeitschrift an wechselnde Bezieher. Die Adressen kaufte er im großen Stil, beschickte dann abwechselnd jeweils bestimmte Gruppen und erreichte so eine enorm hohe Streubreite, die bei einer Abonnenten-Zeitschrift nie nur im Geringsten zu erzielen war. Bereits 1897 übertrug C. G. Vogel dieses Prinzip auf andere von ihm herausgegebene Fachblätter, zuerst auf den „Maschinenmarkt“, der noch heute existiert, den „Agrar-Markt“ (1919), den „Export-Markt“ (1921), das „Lastauto“ (1924), „Motor und Sport“ (1924, später: Auto, Motor und Sport) und andere mehr. Der Philatelie und seinem ersten Blatt blieb er aber lebenslang besonders verbunden. Als Vogel (geb. am 26. September 1860) am 8. März 1945 starb, hatte er ein Zeitungs-Imperium geschaffen, wie es kaum ein zweites in Deutschland gab. Christian Sauerland starb ein Jahr zuvor, 1944, nahezu gleich alt wie Vogel, denn er soll erst 24 Jahre alt gewesen sein, als er 1883 mit dem „Generalanzeiger“ durchstartete. Die hier genannten wenigen Beispiele sind dem Bereich der deutschen Philatelie entnommen. Inseratenblätter gab es auch in anderen Ländern der Welt. Die sei nur an einem Beispiel belegt. J.-B. Moens gab neben seinem „Le Timbre Poste“ auch ein Inseratenblatt heraus, „Le Courrier du Timbrophile“, das später an einen seiner Söhne, Louis Moens, und danach an dessen Schwester Jeanne Moens ging. Das Blatt erschien erstmals im Februar 1887, wobei die ersten beiden Ausgaben unter verschiedenem Titel herauskamen. Drei Viertel der Anzeigen waren allerdings Eigenanzeigen des Hauses Moens. Das Organ „Gazette-Annonce“ von Louis Moens beinhaltete nur Anzeigen und in dessen dritter Nummer erklärte er, dass es als eine Art Verbindung zwischen Händlern und Sammlern gedacht sei. Das machte die Absicht klar, aber dennoch bestand das Blatt nur fünf Jahre. | 111 ____________________________________________________________________________________ Die künftige Forschung mag noch zu weiteren Erkenntnissen führen, wird aber letztlich stets zu dem Ergebnis kommen, dass die Trends vergleichbar sind, dass – vielleicht ähnlich den deutschen Blättern, bei denen Anzeigen aus dem Ausland bis zu 40 Prozent Anteil am Inhalt hatten, – Philatelie weltweit vernetzt war. Auch das ist zweifelsohne nicht nur literarisch, sondern auch philateliegeschichtlich heute von großem Interesse. Heute sind solche Inseratenblätter innerhalb der Philatelie kaum noch bekannt. Dies dürfte primär – und histo- 112 | risch gesehen – finanzielle Gründe haben, denn ständig steigende Porto für Periodika erschwerten einen kostenlosen Zeitungsbezug. Umgekehrt waren Philatelisten zunehmend weniger daran interessiert, für InseratenZeitschriften auch noch Geld auszugeben. Andere Marketingformen, zumal Auktionen, lösten vielfach singuläre Angebote einzelner Händler ab, das Internet mit seinem Weltportal an zahllosen Offerten und Angeboten läutete Inseratenblättern die letzte Stunde ein. ____________________________________________________________________________________ 4.5 Ausstellungs- und Auktionskataloge als neue Formen philatelistischer Literatur ____________________________________________________________________________________ Eigentlich hätte jede dieser beiden hier nur kurz zu betrachtenden neuen Literaturgattungen in der Philatelie ein eigenes Kapitel verdient, zu solch einer unüberschaubaren Vielfalt sind diese nach 120 und mehr Jahren herangewachsen. Aber dies muss – gerade mit Blick auf die weltweite Entwicklung – noch künftigen Ausarbeitungen und Studien vorbehalten bleiben. Wenden wir uns deshalb erst einmal den sog. Ausstellungs-Katalogen zu. Der Begriff sagt viel über das Produkt als solches aus, legt aber auch die Annahme nahe, dass es sich jeweils nur um ein einzelnes Buchprodukt gehandelt hätte. Dies mag für die ersten frühen Ausstellungen des 19. Jahrhunderts gelten, änderte sich aber rapide im 20. Jahrhundert, zumal zu einer Zeit, als sich die Internationalen Ausstellungen, die Weltausstellungen der Philatelie unter Patronat der FIP, ab den 1920/30er-Jahren zunehmend mehr als die Welt der Philatelie dominierend zu entfalten begannen. Man mag solche Kataloge (und später die dazugehörenden „Bulletins“) als sog. Organisationsmittel bezeichnen, hat dann meist den für die jeweilige Veranstaltung notwendigen Ablaufplan, Reglemente und Ausstellerverzeichnisse im Blick. Aber bereits frühe Ausstellungskataloge beinhalteten nicht selten mehr, z.B. nähere Beschreibungen der Exponate, später auch umfangreiche Studien zu besonderen Pretiosen, zu Sammelgebieten und zum jeweiligen Anlass der Ausstellung, die nicht selten in Verbindung zu einem bestimmten Markenjubiläum standen, das im jeweiligen Land feierlich gewürdigt wurde. Damit wurde aus reinen „Organisationsmitteln“ häufig Fach- Handbücher von besonderem literarischem Wert, deren Inhalte bis heute häufig viel zu wenig erschlossen sind. Philateliegeschichtlich sind solche Ausstellungs-Kataloge überaus wertvoll, beinhalten sie jedoch nicht nur die Namen und Exponat-Titel legendärer Philatelisten und ihrer Sammlungen. Sie zeigen vielmehr häufig auch Fotos der Juroren und der Organisationsteams, denen meist die namhaftesten Philatelisten eines Landes angehörten. Ohne diese Literatur und deren Gehalte wäre Philateliegeschichte heute nur noch sehr unvollkommen zu beschreiben. Von den ersten Ausstellungen der Vereine, beginnend 1881 mit dem Wiener Philatelisten-Club, sind kleinformatige Übersichten der Exponate mit kurzer Beschreibung überliefert. Von den ersten Präsentationen einzelner Sammler in den zehn Jahren zuvor, gibt es bestenfalls Beschreibungen in der damaligen Fachpresse, aber keine Produkte, die man als Ausstellungskatalog bezeichnen könnte. Ausstellungen mussten erst ein richtiges „Format“ gewinnen, d.h. auch die Teilnahme von Sammlern außerhalb eines eigenen Vereins ermöglichen, so dass dann ein Katalog Nutzen für diese, aber auch für die Besucher solcher Veranstaltungen stiften konnte. Ein frühes Beispiel dieser Art – dabei handelte es sich allerdings nicht um eine Wettbewerbs-Austellung – war der kleinformatige Katalog zur seit dem 19. August 1883 eröffneten Dauer-Ausstellung Sigmund Friedls in WienUnter Döbling. Diese fand in einem Raum der Villa Friedl dort statt und präsentierte dort für mehr als zehn Jahre | 113 ____________________________________________________________________________________ Pretiosen von Briefmarken, Essays, Druckproben, aber auch ganze Bögen und andere Seltenheiten, die neben Friedl weitere Leihgeber, darunter auch Philipp von Ferrari, zur Verfügung gestellt hatten. Der kleine „Katalog“ war eigentlich nur ein 12-Seiten-Verzeichnis, in dem die Exponate einzeln gelistet waren. Er kostete 10 Kreuzer, deren Erlös den Armen in Wien zugutekommen sollten. Der erste dem Verfasser für eine Briefmarken-Ausstellung in Deutschland bekannte Katalog wurde von Theodor Haas 1884 in München „zu der vom Bayerischen Philatelisten-Verein München in der ersten October-Hälfte 1884 veranstalteten Postwerthzeichen-Ausstellung“ (so der Titel) zusammengestellt und von Carl Gerber in München mit elf Seiten gedruckt. Es war ein reines Ausstellerverzeichnis, in dem deren Exponate kurz beschrieben wurden. Kaum nennenswert umfangreicher war der Katalog der „Internationalen Tentoonausstelling van Postzegels, Briefkaarten, Couverten, Kruisbanden“ 1889 in Amsterdam, wo diese Internationale Ausstellung vom 21. bis 23. April stattfand. Hier zählte der Katalog 29 Seiten und war auch nur eine Exponatliste. Gleiches galt für die vom 29. September bis 8. Oktober 1889 in München ausgerichtete Internationale Postwertzeichen-Ausstellung, zu der es einen 23-Seiten-Katalog, aber auch ein gesondertes Palmarès mit einem Blatt in gedruckter Form gab. Da hatte John Walter Scott bei der ersten Ausstellung, die für die USA bekannt ist, – dies war allerdings nur eine eintägige Veranstaltung! – am 11. März 1889 doch bereits mehr vorgelegt. Sein „Catalogue of the complete collection of the postage stamp of all nations, exhibited at the Eden Musée“ zählte 44 Seiten und wurde von den Vereinen in Brooklyn, New York und Staten Island herausgegeben. Noch gewichtiger war der „official catalogue“, der im Mai 1890 zur „London Philatelic Exhibition“ erschien, denn er umfasste erstmals 79 Seiten. Während der „Führer durch die Internationale Ausstellung officieller Postwertzeichen, veranstaltet zur 50-jähr. Jubelfeier der Briefmarke am 4. bis 11. Mai 1890“ nahezu gleichzeitig in Magdeburg angeboten wurde, aber nur 12 bzw. 18 Seiten hatte, bot der Londoner Katalog erst einmal deutlich Mehr an Information zu Exponaten, aber auch zu den Örtlichkeiten der Veranstaltung. Zeitnah zum Jubiläum „50 Jahre Briefmarken“ (die erste waren ja am 6. Mai 1840 in England erschienen), organisierte auch der Österreichische Philatelisten-Club in Wien seine „1. Internationale Postwerthzeichen-Ausstellung“ vom 20. April bis 4. Mai 1890, zu der ebenfalls ein Katalog, hier mit 36 Seiten, vorgelegt wurde. Diese erste Internationale Ausstellung in Wien hatte – literarisch gesehen – allerdings eine weitere Besonderheit zu melden: Es war die erste dem Verfasser be- 114 | kannte Ausstellung, zu der ein Sammler eine Schrift über sein eigenes Exponat vorlegte, das in diesem Fall unter dem Titel „Verzeichnis der von Gustav Koch in Kairo (Ägypten) ausgestellten Objecte: Internationale Postwerthzeichen-Ausstellung Wien 1890“ vom Österreichischen Philatelisten-Club (der späteren Vindobona Wien) mit 22 Seiten verlegt wurde. Dass zu solchen Internationalen Philatelie-Ausstellungen, die viele Besucher anzuziehen wussten, natürlich mehr als ein Katalog erschien, mag am Beispiel einer solchen Ausstellung von 1892 in Paris verdeutlicht werden. Neben einem offiziellen Katalog gab es dort einen „Appendice“, also einen kleinen Nachtrag, in dem weitere Aussteller und ihre Exponate aufgeführt wurden, natürlich eine „Liste des Récompenses“ (bestehend aus einem Folioblatt), also ein Palmarès der zuerkannten Auszeichnungen und gesondert auch ein Programm sowie das Reglement. Dies war ja im Vorfeld für die beteiligten Aussteller sehr wichtig gewesen. Es mag es ja bereits vorher gegeben haben, aber bei dieser Ausstellung entdeckte der Verfasser den Hinweis auf eine (erstmalige?) Verleihung einer „Grande Medaille d’Honneur de l’Exposition“, die übrigens an M. de Docteur Legrand ging, außerdem gab es einen ersten und zweiten Grand Prix, verbunden jeweils mit einer Goldmedaille. Man ist kaum überrascht, zu lesen, wem diese beiden außerordentlichen Ehrungen zuerkannt wurden: Jean-Baptiste Moens aus Brüssel und Stanley Gibbons aus London! Die mit solchen frühen Ausstellungen gewonnenen literarischen Erfahrungen änderten sich erst einmal nur wenig, wie auch die kleine nachfolgende Übersicht zeigt. Die Ausstellungskataloge blieben überschaubar. Sie enthielten in aller Regel Angaben zur Jury, zu Ausstellern und Exponaten (mit unterschiedlich langer Beschreibung der gezeigten Objekte) und zuweilen etwas zum Veranstaltungsort und/oder der Ausstellungshalle. Wirkliche Fachartikel gab es kaum, der Umfang der Kataloge, nun immer häufiger auch broschiert statt geheftet, war begrenzt. 1893, 1.5.–30.10.: Catalogue of the American Philatelic Association‘s Loan Exhibit of Postage Stamps to the United States Post Office Department at the World‘s Columbian Exhibition: Chicago, 1893, 68 Seiten – diese Dauerausstellung fand zur „World’s Columbian Exhibition“ in Chicago statt. Der Katalog wurde von der American Philatelic Society und dem Post Office Department der United States herausgegeben. 1894: Exposition Internationale Postale Philatélique: Expositions Réunies, Milan 1894. Dieser Katalog zur Ausstellung in Mailand mit nur geringem Umfang von 15 Seiten war nicht in italienischer, sondern in französischer ____________________________________________________________________________________ Sprache abgefasst! Es gab gesondert noch ein Formular, ein „Bulletin pour demande d’admission“, ebenfalls in Französisch. 1894: Die Philatelie nutzte bereits damals Möglichkeiten, Briefmarken nicht nur mit eigenen Ausstellungen der Öffentlichkeit nahezubringen, sondern auch bei Gewerbe- und anderen Ausstellungen (siehe 1893 Chicago) zu präsentieren. Ein weiteres frühes Beispiel war die „Internationale Ausstellung für Volksernährung, Armeeverpflegung, Rettungswesen und Verkehrsmittel in Verbindung mit einer speziellen Sport-Ausstellung“ 1894 in Wien, in deren Sport-Teil sich auch die Philatelie zeigen durfte. Ein Katalog mit 22 Seiten erinnert heute noch daran. Ähnliches wiederholte sich dann 1897 in Leipzig mit einer Briefmarken-Ausstellung vom 20. September bis 1. Oktober 1897 in der großen Gartenbauhalle der Sächsisch-Thüringischen Industrie- und Gewerbe-Ausstellung zu Leipzig, die von der Section Leipzig des Internationalen Philatelisten-Vereins Dresden ausgerichtet wurde und sehr große Beachtung fand. Auch in der damaligen (Fach-) Presse. 1896: Weit philatelistischer waren da die „Internationale Postzegeltentoonstelling“ im Juli 1896 in Den Haag, zu der dem Verfasser ein 8-Seiten-Programm bekannt ist. Vom 4. bis 13. Juli des gleichen Jahres fand in Genf die zweite Internationale Briefmarken-Ausstellung der Schweiz statt, zu der es neben einem Katalog auch eine Werbeschrift (vier Seiten) und natürlich auch Anmeldebögen (1 Seite) gab. Herausgeber und Träger waren die „Union Timbrophile Suisse“ und der „Deutsche Philatelisten-Verband“ mit seiner Sektion Genf. 1897 war wenig zu melden, wohl aber 1899, denn da fanden gleich mehrere bedeutende Ausstellungen statt. Vom 18. bis 31. März 1899 wurde in den Kunstgalerien in Brooklyn, New York die „First Exhibition of Postage and Revenue Stamps under the direction of the Section on Philately“ ausgerichtet und mit einem 40 Seiten-Katalog nebst zwei Beilagen dokumentiert, im gleichen Jahr in Manchester eine „International Philatelic Exhibition“ der „Manchester Philatelic Society“, für die bereits seit November 1898 mit einem 11-Seiten-Prospekt geworben wurde. Der offizielle Katalog dieser vom 29. Juni bis 5. Juli 1899 durchgeführten Ausstellung in der City Art Gallery hatte immerhin einen deutlich größeren Umfang, bereits fast 100 Seiten. Da konnte die „1. Internationale Postwertzeichen-Ausstellung“ in Regensburg vom 6. bis 11. Mai 1899 im Reichssaal bzw. blauen Saal des Rathauses der Stadt vom Briefmarkensammler-Verein Ratisbona durchgeführt, kaum mithalten, denn deren Katalog hatte nur 36 Seiten. Dafür zeigte die Ausstellung aber auch ei- ne Sonderschau der „Postwerzeichen des früheren fürstl. Thurn u. Taxisschen Postgebietes“. Der Gedanke einer Sonderschau bei internationalen Ausstellungen war spätestens hier geboren! 1900: Beschließen wir diese kleine Betrachtung mit einigen Beispielen aus dem letzten Jahr des 19. Jahrhunderts. Die Société Française de Timbrologie in Paris gab zu der von ihr veranstalteten „L’exposition philatelique internationale“ vom 28. August bis 9. September einen „Catalogue officiell“ heraus, der nun völlig neue Maßstäbe, auch an Gehalt und Umfang, setzte, denn die 142 Seiten waren weit mehr als ein Exponat-Verzeichnis. Zusätzlich gab es ein gesondert gedrucktes Reglement, aber auch einen „congrès philatelique“, auf den einzelne Werbeblätter aufmerksam machten. Der noble Verein knüpfte damit wieder an seine frühen Wurzeln unter Dr. Amable Legrand an. Man könnte diese Übersicht nahezu endlos fortführen, würde dabei aber auch nur entdecken, dass spätestens seit 1900 alle Veranstalter großer internationaler Ausstellungen dem Vorbild des Pariser und anderer Vereine folgen, nämlich aus Ausstellungskatalogen weit mehr als reine Exponat-Listen zu machen. Mit Fachbeiträgen, teils gar mit Forschungsstudien, mit nicht selten erstmals veröffentlichten Detailergebnissen oder nie bis dahin gezeigten Besonderheiten und Raritäten. Aus den vom Umfang her bescheidenen kleinen Bändchen früher Ausstellungskataloge erwuchsen zuweilen sogar mehrbändige Hardcover-Werke in nobelster Ausführung, die gerade aus den letzten Jahrzehnten weltweit bekannt sind. Statt nun einzelne hier exemplarisch aus diesen Jahren hervorzuheben, seien nur zwei genannt, weil diese – auch dafür gab es Vorgänger seit 1935 und der 1. Internationalen Philatelistischen Literatur-Ausstellung in Brüssel mit FIP- und FIPP-Patronat – eben die Entwicklung von der Liste zum Fachbuch deutlich belegen: Zuerst einmal das „Buch zur IPHLA“ 2012 in Mainz, mit 320 Seiten (davon 200 Seiten für Studien und Fachartikel). Der Schriftleiter Wolfgang Maaßen, der auch an dem nachfolgend vorzustellenden Mauritius-Ausstellungskatalog mit zwei Fachbeiträgen mitgewirkt hatte, fand Autoren, die bereit waren, die Geschichte und die Leistungen der deutschen philatelistischen Literatur, der Arbeitsgemeinschaften und Bibliotheken in großer Vielfalt zu beschreiben. Die Mischung von Information über Wissenszugänge sowie der Überblick über philateliegeschichtlich relevante Verläufe kam gut an. Wenn man es ausschließlich unter Forschungsgesichtspunkten betrachtet, dann dürfte der ein Jahr zuvor von Andreas Hahn, dem Kurator des Archivs für Philatelie | 115 ____________________________________________________________________________________ der Museumsstiftung Post und Telekommunikation, als Schriftleiter verantwortete Ausstellungs-Katalog „Die blaue Mauritius. Das Treffen der Königinnen in Berlin“ (Berlin 2011) das bisherige Maß der Dinge sein. Mit knapp 250 Seiten und zahlreichen bislang noch nie gezeigten Abbildungen, aber auch noch nie zuvor veröffentlichten Studien präsentierte der Hardcover-Katalog ohne jeden Zweifel besonders Werthaltiges.1 Last but not least ist dieses Buch selbst, also der Katalog zur MONACOPHIL 2013, ein Beweis dessen, was die erforschende Philatelie für bedeutende Ausstellungen möglich macht und dem Besucher an die Hand zu geben weiß. Auktionskataloge als neue Form philatelistischer Literatur Was bisher über Ausstellungskataloge unter literarischem Gesichtspunkt gesagt wurde, lässt sich auch an der Entwicklung von Auktionskatalogen nachvollziehen, wobei man hier ebenfalls betonen darf, dass solche frühen Kataloge – vergleichbar den zuvor zu Ausstellungen des 19. Jahrhunderts erwähnten – generell ebenso selten wie kaum heute noch zu finden sind. Für Auktionskataloge jener Zeit gilt dies umso mehr, denn sie wurden von den Philatelisten des 19. Jahrhunderts nicht als werthaltige Literatur eingeschätzt. Es waren Preislisten, Wegwerflisten, von denen es ja immer wieder neue andere gab. Warum sollte man sie aufheben? Erst Auktionsangebote von Sammlungen namhafter Besitzer, deren Exponate vielleicht gar ein- oder mehrfach mit höchsten Auszeichnungen auf internationalen Ausstellungen geehrt worden waren, erst die Entwicklung von Bildtafeln (zuerst in Schwarzweiß, später gar in Farbe), erst die drucktechnische Möglichkeit und Finanzierbarkeit, aus solchen Preislisten gar nahezu Fach-Handbücher zu schaffen, trugen dazu bei, dass einzelne Auktionskataloge bleibenden Wert für die philatelistische Forschung erhielten. Nämlich als Materialnachweis existierender Seltenheiten, als Provenienz-Nachweis der bekannten Ursprünge und deren Besitzer, als Nachweis der ursprünglichen Erhaltung. Einzelne besonders kenntnisreiche Auktionatoren, die selbst nicht nur Verkäufer, sondern auch Forscher und Studiosi der Postgeschichte waren – Robson Lowe mag hier gerne als ein Beispiel für so manch andere genannt werden – verstanden es zudem, sei es im 1 Der Katalog der Museumsstiftung war preiswert für 28,90 Euro in Berlin erhältlich. Es existiert aber eine De-Luxe-Edition des Auktionshauses Schwanke in Hamburg, bei der der Katalog in dunkelblauem Leder eingebunden ist und der für mehr als 100 Euro angeboten wurde. 116 | Auktionskatalog selbst oder in dazu erscheinenden Fachbeiträgen, besondere Objekte ihrer Angebote fachlich in bis dahin nicht gekannter Weise zu erläutern. All dies gilt es aber erst noch zu belegen. Auktionen im 19. Jahrhundert Bereits an anderer Stelle (vgl. Kapitel 3.3) wurden die ersten frühen Auktionen in der Philatelie angesprochen, dabei auch betont, dass es vom Gesamtangebot her gesehen philatelistische Auktionen erst seit der von W. Leavitt erstmals am 28. Mai 1870 in New York durchgeführten Versteigerung gab. Es folgte eine zweite ebendort, dieses Mal von der Fa. Mason & Co., 1870. 1872 gab es bereits eine fünfte, dieses Mal aber von Sotheby’s in London, bei der auch Material aus der ursprünglichen Sammlung von John Walter Scott versteigert wurde. Zu all diesen Auktionen gab es „Auktionskataloge“, also noch recht einfache Listen der offerierten Lose, nur mit kurzer Beschreibung und auch ohne Schätz- oder gar Limitpreise. Angesichts der frühen Zeit braucht man hier kaum zu betonen, dass Originale solcher Auktions-Listen heute kaum noch erhalten geblieben, diese also kleine Raritäten sind. Auf eine dieser frühen Auktionen gilt es hier aber eingehender zurück zu kommen, weil der Katalog dieser Auktion vom 11. August 1873 in London beispielhaft die Probleme der Mehrzahl der Auktionskataloge jener Zeit aufzeigt. Versteigert wurde die Sammlung eines der ersten deutschen Sammler, M. Clausius, bestehend aus 1 804 Marken, 540 Ganzsachen-Ausschnitten und 265 komplett erhaltenen Briefen, durch das bereits erwähne Londoner Auktionshaus der Herren Sotheby, Wilkinson und Hodge. Bereits der Titel des Auktionskataloges bot nähere Information: „Catalogue of a valuable collection of Foreign Postage Stamps and stamped envelopes, formed by M. Clausius, deceased, up to 1865, mostly unused and all neatly mounted within red lines, having the arms oft he Potentates finely enblazoned in gold and colors at the commencement, which will be sold by auction ...“ Der gesamte Markenbestand wurde in 96 Lots aufgeteilt, von denen ein unbenannter Autor wenig später meinte2, dass deren Beschreibung dem Leser des Kataloges absolut keine Vorstellung davon gegeben hätte, worum es sich eigentlich handele. Keine Daten, keine Angaben zu den Emissionen, ob gestempelt oder ungestempelt, – all dies konnte man sich nur vorstellen oder bei einer Besichtigung (die war allerdings erst zwei Tage vor der Versteigerung möglich!) in Augenschein nehmen. Das las sich in der Realität so: 2 Siehe hierzu: „Another Auction Sales“, in: The American Journal of Philately, September 15, 1873, S. 154–155 ____________________________________________________________________________________ – Lot 1, Austria: 56 – Lot 2, Lombardei: 21 – Lot 18: Russland, Polen ... 20 – Lot 24, Schweiz, 49 – Lot 95, Vereinigte Staaten von Amerika, 15 Brief umschläge und 361 Ganzsachenausschnitte (En velope stamps) etc. etc. Der Berichterstatter bedauerte es damals, dass dieser Katalog nicht mit der gleichen Sorgfalt und dem hohen Informationsgehalt zusammengestellt worden sei wie der bei den Scott-Sammlungsversteigerungen in USA und London und empfahl, künftig mehr Aufmerksamkeit der Erstellung eines Kataloges zu widmen. Denn gerade beim Verkauf einer umfangreichen Sammlung sei es erforderlich, die Sammellose detailliert so zu beschreiben, dass auch ein Leser des Kataloges, der die Auktion nicht besuchen könne, sich eine Vorstellung von dem Angebot machen könne. Was solchen Kritikern damals fehlte, war neben einer ausführlicheren Beschreibung sicherlich auch die Visualisierung des angebotenen Materials. Bis dahin sollten aber noch viele Jahre vergehen und Briefmarken auch erst einmal eine derart nennenswerte Preisentwicklung erfahren, dass deren Versteigerungserlöse überhaupt die damals teuren Kosten für Bildklischees wieder einspielen konnten. Immerhin hatte bereits John Walter Scott wohl nach der ersten Auktion angenommen: „An intimate knowledge of the market confirms us in the belief that our prophecy made five years ago, (‚that we would live to see stamps sell at auction for one thousand dollars each‘), will be realized before many years.“3 Er mochte damit Recht behalten, zumal, als sich in der Folgezeit mehr und mehr Firmen diesem Gewerbe von Auktionen zuwandten. Aber noch war es erst einmal nicht so weit, wenngleich eine Auktion vom 11. Dezember 1876 in New York, bei der die Sammlung eines New Yorker Philatelisten durch Geo. A. Leavitt & Co. versteigert wurde, immerhin bereits einen Gesamtumsatz zwischen sieben bis achthundert Dollar brachte. Was noch weit mehr an dieser Auktion interessant ist, ist die bemerkenswerte Tatsache, dass mehr als hundert Sammler aus New York und angrenzenden Städten an dieser Auktion teilnahmen, der Saal überfüllt war und viele während der gesamten Auktion sogar stehen mussten, was den damaligen Berichterstatter – vermutlich wieder John Walter Scott – zur Bemerkung hinriss: „We had the pleasure of witnessing one 3 Vgl. „The Auction Sales of Stamps“, in: The American Journal of Philately, November 20, 1876, S. 175 of the largest and most enthusiastic gatherings of stamp collectors that has ever taken place.“4 Diesen Erstversuchen folgten zahlreiche weitere, zumal auch in England ab 1888, wo sich die Firmen von Thomas Bull, die Fa. Buhl und andere einen Namen machten, wenige Jahre bevor dann in Deutschland ebenfalls das Auktionsfieber ab 1900 ausbrach. Aber deren Kataloge waren allesamt ohne jede Abbildung und nach wie vor nur mit kurzen Losbeschreibungen. Vielleicht war es die Firma Scott Stamp Company & Co., die – als sie im Januar 1900 die Kollektion von F. C. Hunter bei ihrer bereits als Nummer 149 zählenden Auktion in New York versteigerte – den ersten Auktionskatalog mit Abbildungstafeln lieferte.5 Das war neu und revolutionär und fand fortan zahlreiche Nachahmer. Mittlerweile hatten Auktionslose im Katalog bereits Startpreise und der Teilnehmer fand im Katalog sogar Platz zum handschriftlichen Eintrag der erzielten Ergebnisse. Dennoch, auch bei dieser Scott-Auktion wurden nahezu alle Lose nur mit einer Zeile, meist mit wenigen Worten oder Zahlen, „beschrieben“, sofern man überhaupt von einer Beschreibung reden konnte. Solche Beispiele wurden schnell nachgeahmt. So kannten auch die neun 1906/1907 erschienenen Auktionskataloge von H. Gabriel und Jules Bernichon in Paris („Timbres Poste Rares Ancien“) bereits Fototafeln, ebenso die zwischen 1908 bis 1912 erschienenen Auktionskataloge von G. Gilbert/Heinrich Köhler, die u.a. die damals legendären Sammlungen von G. Koch (1908) und von Paul Mirabaud (1909) versteigerten. H. Gabriel und M. Lemaire konnten auf diesem Niveau mit neun Auktionen 1912 bis 1914 mithalten, denn auch diese Kataloge entsprachen dem mittlerweile üblichen Standard, eben mit Fototafeln ausgestattet zu sein, von weiteren Versteigerungen dieser und anderer Anbieter nachfolgend ganz zu schweigen. Damit ist aber die Schwelle zum 20. Jahrhundert bereits deutlich überschritten, Anlass genug, die spätere Entwicklung zu schildern. „Name sales“ im 20. Jahrhundert Man kann vielleicht den bereits erwähnten ersten Auktionskatalog von Gilbert/Köhler 1908 als ersten „name sales“ zugehörig betrachten, wurde dort doch die bekannte Altdeutschlandsammlung des deutschen Ausstellers G. Koch versteigert, die Heinrich Köhler in Jugendjahren die Ehre hatte, zu sortieren, also auch bestens kannte. 4 Siehe „The Late Sale“, in: The American Journal of Philately, December 20, 1876, S. 187–188 5 Vgl. 338. Schwanke-Literaturauktion vom 22. November 2012, Hamburg, Los 1929 | 117 ____________________________________________________________________________________ Im 20. Jahrhundert entstanden – und vergingen – hunderte, vielleicht gar tausende Auktionsfirmen weltweit. Andere schlossen sich zusammen, gingen ineinander über, fanden neue Besitzer und Betreiber. Diese Firmen sowie deren Auktionskataloge hier zu würdigen, ist völlig unmöglich, ist die Zahl der Kataloge doch Legion und bestenfalls noch nach Umfang der Angebote unterscheidbar. In der großen Mehrzahl waren und blieben sie – literarisch gesehen – unbedeutende Preislisten. Für forschende Sammler, die Archive bekannter Stücke seltener Marken angelegt haben, war diese dennoch von Nachweiswert, wenngleich überwiegend nur noch große Bibliotheken in der Lage waren, die meterweise je Firma mit deren Katalogprodukten zu füllenden Regale (insgesamt müsste man dafür sicherlich bereits viele hundert Regalmeter einsetzen) vorzuhalten. Es gibt eigentlich nur wenige Katalogwerke, die aus dieser Masse der „Einfallslosigkeiten“ (man nehme diesen harten Begriff nicht wörtlich) herausragen. Das sind einerseits einzelne Kataloge mit besonders hohem Fachgehalt (einige der wenigen bekannten Beispiele werden nachfolgend dazu genannt), Kataloge mit brillanter einzigartiger Text- und Bildreproduktion (ein zu nennendes Beispiele mag für viele andere stehen) und – last but not least – die sog. name sales, also die Auktionskataloge oder Katalogreihen, in denen die Kollektionen zu ihrer Zeit weltbekannter und berühmter Sammler ihre Auflösung fanden. Auch hierzu mögen einige Beispiele pars pro toto gelten. Den Beginn machte, aufgrund des angebotenen Materials in bis heute unübertreffbarer Form, die 14 Kataloge der von 1921 bis 1929 in Paris / Zürich versteigerten Universalsammlung von Philipp la Renotiere von Ferrary (Ferrari). Dessen legendäre Ansammlungen von Raritäten aller Länder – solches wurde und ist niemals mehr seitdem zusammenzutragen gewesen – wurden nach dessen Tod 1917, also nach dem Ersten Weltkrieg, von Frankreich als sog. Feindvermögen beschlagnahmt und im staatlichen Auftrag ab 1921 von Gérard Gilbert in Paris versteigert. Weit unter ihrem tatsächlichen Wert, woran nicht nur die Zeit der Inflation in Deutschland schuld war (neben Maurice Burrus und Arthur Hind gab es genügend finanzkräftige ausländische Geldpotentaten bei diesen Auktionen), sondern in erster Linie das lieblose Arrangement der Massen-Lots, in denen eigentlich jedes einzelne Stück eine Rarität war, die aber in der unüberschaubaren Menge der Angebote einfach untergingen. Bereits kurz danach gab es von Sammlerseite Versuche, diese Inhalte der Lose nach Ländern und Gebieten, nach Seltenheiten und dergleichen mehr zu ordnen und zu registrieren. Ebenso gab es damals bereits Sammler, die al- 118 | le Kataloge zu erwerben wussten, was bei den meisten Katalogen von G. Gilbert in Paris auch nicht so schwierig war. Da aber der Griechenland-Teil der Ferrari-Sammlung zu Kriegszeiten nicht in Frankreich, sondern in der Schweiz aufbewahrt wurde, wo der plötzliche Tod Ferrari heimgesucht hatte, konnte dieser erst 1929 bei der 12. Auktion von Luder/Edelmann vom 15. bis 26. April 1929 zum Ausruf kommen. Mit mehr als 2 500 Losen (!) war allein dieser Teil der unendlich großen Ferrari-Bestände sicherlich eine der besten – in dem Katalog reichlich bebilderten – Griechenland-Sammlungen, die jemals zusammengetragen wurden. Der Katalog ist weitaus seltener als die Auktionskataloge von G. Gilbert, was sich bis heute auch in Auktionspreisen widerspiegelt.6 AuktionsLiteratur muss also nicht immer billig sein, was auch der „Run“, also die Serie der Ferrari-Kataloge von G. Gilbert belegt.7 Der bereits zuvor erwähnte Arthur Hind – ein weiterer Briefmarken-Magnat des frühen 20. Jahrhunderts aus den Vereinigten Staaten – hatte ebenfalls zu Lebzeiten (er starb am 1. März 1933 während eines Urlaubs in Miami/USA) – eine der wertvollsten Kollektionen zusammengetragen, in der besonders die Ausgaben des British Commonwealth, der USA und der Mauritius Post OfficeMarken (zwei ungebrauchte Marken und der legendäre Bordeaux-Brief) besonders hervorstachen. Mit einem Zehnerblock des Sachsen-Fehldrucks 3F und dem berühmten Kehrdruckpaar der 27 Parale Rumänien und vielen anderen, meist ungebrauchten Weltraritäten, hatte der Bestand allerdings noch viel mehr zu bieten. Im November 1933 wurde Hinds USA-Sammlung von Walter S. Scott im Waldorf Astoria-Hotel in New York versteigert, 1934 bis 1935 folgten elf Auktionen von H. R. Harmer in London. Bei Sammlern gelten komplette in einem oder zwei Bänden (British Colonials und Europe & Foreign) eingebundene Auktionskataloge als rar und drei- bis vierstellige Preise sind keine Ausnahme.8 6 Der letzte dem Autor bekannte Auktionspreis für einen solchen Griechenland-Katalog betrug inklusive des Aufgeldes rund 750 Euro. H. Köhler-Auktion, Wiesbaden, 3.11.2012, Los 9653. 7 Letzter Auktionspreis für einen gebundenen Komplett-Band der 14 Auktionen 1921/25: ca. 2 700 Euro bei H. Köhler, Wiesbaden, 3.11.2012, Los 9622. Ein vergleichbares Los (Nr. 1931) bei Schwanke (hier ebenfalls mit 14. Katalogen aber für die Jahre 1921/29 angeboten, erreichte bei 1 000 Euro Ausruf einen Zuschlag von 1 900 Euro, kostete den Käufer also mindestens 2 500 Euro. Einzelne Auktionskataloge der Ferrari-Sessionen erzielen heute häufig zwischen 120 bis 150 Euro, obwohl es seit 1987 einen Reprint der Komplettausgaben gibt, der häufig 80 bis 100 Euro kostet. 8 Bei der in Fußnote 6 erwähnten Köhler-Auktion erzielten vier Einzelkataloge zusammen knapp 300 Euro, ein Gesamtangebot der Harmers-Kataloge bei Schwanke (Los 1933) wenig später brachte ____________________________________________________________________________________ Die Nummer 3 in diesem berühmten Trio war Maurice Burrus, der etwas zeitversetzt bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts eine, wenn nicht die weltgrößte Sammlung von Briefmarken besaß. Es bedurfte allein 32 Kataloge, mehrerer Auktionskonsortien (Willy Balasse, Urs Peter Kaufmann, Hans Grobe, Harmers, Robson Lowe, Robineau) und der Zeit von 1962 bis 1867 all das akkumulierte Raritätenmaterial zu verkaufen, wobei die Versteigerung der Schweiz- und Altdeutschlandsammlung bei Urs Peter Kaufmann, der Rumäniensammlung bei Balasse und des Commonwalth-Bestandes, inklusive beider Mauritius-Marken und dem legendären Bombay-Brief bei Robson Lowe sicherlich kaum zu übertreffende Highlights waren. Eine komplette Reihe aller Kataloge ist – wenngleich einzelne durchaus häufiger zu finden sind – nicht leicht zusammenzutragen. Entsprechend selten und teuer sind die Angebote.9 Einige weitere und letzte Beispiele seien noch gestattet. Dies sind die 16 Auktionen, in denen von 1956 bis 1958 von H. R. Harmer, New York, die der Burrus-Sammlung durchaus vergleichbare Kollektion des Amerikaners Alfred H. Caspary aufgelöst wurde. Der Verfasser mag vielleicht irren, aber er hat in vielen Jahren den Eindruck gewonnen, dass gerade diese Kataloge als Komplettangebot weitaus weniger häufig anzutreffen sind als die von Ferrari oder Hind.10 Gleiches gilt für die elf Kataloge der weltberühmten Sammlungen von Josiah K. Lilly, die von Robert A. Siegel 1967–1968 verkauft wurde und in der gerade die USA oder Japan mit wertvollsten Originalbogen vertreten waren, Sachsen z. B. mit einem ungebrauchten Viererblock der Nr. 1 oder Württemberg mit einem Bogen der 70 Kreuzer. Als vollständige Serie sind diese heute ebenfalls nur selten zu finden11, ebenso wie die Serie der zehn Auktionskataloge der Dale-Lichtenstein-Sammlun- bei einem Ausruf von 800 Euro nur 650 Euro Zuschlag, wobei der USA-Katalog mit Los Nr. 1932 gesondert für 150 Euro angeboten und für 120 Euro verkauft wurde, was zusammen auch einem Preis von 800 Euro netto, ca. 1 000 Euro gesamt entspricht. 9 Bei der erwähnten Schwanke-Auktion wurden alle 32 Kataloge in drei einheitlichen Bänden zusammengefasst mit Los 1936 für 600 Euro angeboten und für 960 Euro Zuschlag (inkl. Aufgeld also knapp 1 300 Euro) verkauft. Bei Köhler erzielte im November 2012 ein Run von 27 Katalogen immerhin fast 1 400 Euro inkl. Aufgeld, 15 Kataloge gingen als Lot allerdings auch für „nur“ ca. 400 Euro weg. 10 Bei Schwanke kpl. mit Los Nr. 1937 im November 2012 für 500 Euro angeboten für 870 Euro zugeschlagen, was rund 1 100 Euro brutto entsprechen dürfte. 11 Bei Schwanke kpl. mit Los-Nr. 1938 im November 2012 für 300 Euro angeboten, allerdings nur für 270 Euro zugeschlagen (Endpreis mehr als 330 Euro). gen, die bei H. R. Harmer in New York wenig später, nämlich von 1968–1970, zum Angebot kamen.12 Sind dies Beispiele für die Auktionskataloge mit Kollektionen legendärer Sammler, also die wohl bekanntesten der beliebten name sales-Kataloge, dann darf an zwei ausgewählten Beispielen der inhaltliche Fortschritt der literarischen Gattung Auktionskataloge belegt werden. Das erste Beispiel war die Reihe der sog. Boker-Kataloge, in denen das deutsche Auktionshaus Heinrich Köhler, Wiesbaden, zwischen 1985 bis 2000 mit insgesamt 18 Auktionen und entsprechend dazu erscheinenden Katalogen die einmalige Altdeutschland des deutsch-amerikanischen Industriellen John R. Boker vermarktete. Bokers Sammlungen gelten bis heute als die weltweit bedeutendste Kollektion der altdeutschen Staaten. Die Kataloge dieser 18 Boker-Auktionen stellen nicht nur wichtige Referenzkataloge dar, sondern sind zugleich aufgrund der ausführlichen und gehaltvollen Losbeschreibungen – wofür Volker Parthen 1990 mit dem SIEGER-Preis für philatelistische Literatur ausgezeichnet wurde – ein bedeutendes Nachschlagewerk der Altdeutschland-Philatelie. Denn Parthen verstand es, diese Einzelkataloge so anzulegen (und deren Seiten durchzunummerieren), dass daraus nach Erscheinen aller Kataloge ein komplettes Handbuch für jedes altdeutsche Gebiet entstand. Da nahezu alle Lose einzeln farbig abgebildet und auf bestem Kunstdruckpapier gedruckt worden waren, jeweils auch umfangreich beschrieben und mit Provenienzen aufgeführt wurden, ist dieses „Boker-Handbuch“ in fünf später gebundenen Büchern bis heute – und sicherlich auch in Zukunft – eine einmalige Informationsquelle für forschende Sammler. Die Kataloge gab es in großer Auflage kostenlos. Die später gebundenen fünf Sammelbände nicht. Je nach Ausführung (eine Auflage von 450 Exemplaren erschien sogar signiert in Leder-Ausführung) musste dafür schon ein beträchtlicher Preis gezahlt werden.13 Ein zweites unübertroffenes Beispiel der inhaltlich – und auch optisch – außerordentlich aufwändigen Gestaltung ist bis heute der 1993 von dem damaligen in der Schweiz tätigen Auktionator David Feldman zum Verkauf der Mauritius-Sammlung des Japaners Hirohito Kanai (1925–2012) herausgegebene Katalog in zwei Bänden. Während der erste in blauem Samt-Hardcover eingebun12 Bei einem Ausruf von 440 Euro erzielte eine solche Serie bei der Köhler-Auktion am 3.11.2012 immerhin 660 Euro, war dem Käufer also inklusive Aufgeld knapp 800 Euro wert. 13 Die Serie aller Kataloge lose wird häufig zu Preisen von 50–80 Euro angeboten, die gebundenen vier Bände je nach Ausführung für mehrere hundert Euro. Die niedrigen Preise erklären sich nur durch die Großauflagen dieser Kataloge, die auf Wunsch des Sammlungsbesitzers weltweite Verbreitung finden sollten. | 119 ____________________________________________________________________________________ dene Katalog die Raritäten Kanais in exzellenten Reproduktionen mit ausführlicher Beschreibung zeigte, war der zweite Band ausschließlich einer Forschungsarbeit der Plattierung dieser Ausgaben vorbehalten. Ein wahrlich in dieser Form einmaliges Werk, das im Schuber mit beiden Bänden ausliefert wurde.14 Natürlich gibt es zahlreiche weitere Kataloge, die ebenfalls Glanzpunkte in der Geschichte der Auktionsphilatelie darstellen. Erwähnt sei gerne der Siegel-Weill-Katalog „The Honolulu Advertiser Collection“, dessen drei Bände ein einmaliges Referenzwerk über die frühen Ausgaben von Hawaii bieten, aber auch die seit Ende der 1990erJahre von AFINSA in Madrid/Spanien produzierten Kataloge zu wertvollen Kollektionen Frankreichs, Spaniens oder Portugals – um nur einige Beispiele zu nennen – gehören 14 Auktionspreise für dieses Werk liegen nicht selten bei 50 bis 80 Euro. 120 | nicht nur drucktechnisch zum Besten, was die moderne Zeit zu bieten hat. Heute offerieren nicht wenige Häuser weltweit noch mehr Verwertungswert, nämlich fachlich fundierte Losbeschreibungen von einer Seite und mehr, jedes Los digitalisiert und abgebildet im Internet, mehr und mehr gebundene Hardcover-Kataloge in bester Ausgestaltung und dergleichen. Die Inflation der Kataloge – von dem deutschen Auktionshaus Christoph Gärtner gehen alle paar Monate bis zu sieben Teilkataloge mit bis zu 24 000 Losen (!) je Gesamt auktion in alle Welt hinaus – ist kaum noch überschaubar, noch weniger bewahrbar. Vielleicht ist künftig die InternetCloud die Rettung vor dieser erdrückenden Informationsflut, von der keiner heute beurteilen kann, was einmal selten und gefragt sein wird. ____________________________________________________________________________________ 5 Versuche weltweiter literarischer Erfassung der Philatelie ____________________________________________________________________________________ Der Titel legt bereits eine gewisse Zweideutigkeit nahe. Denn zum einem zielt er – im bibliografischen Sinne – auf die philatelistische Literatur ab, die entweder enzyklopädisch oder nach Themengebieten Überblicke über die generell oder zu Einzelthemen erschienene Literatur gelistet und übersichtlich zusammengestellt hat. Zum anderen meint der Titel aber auch eben diese fachliche Erfassung komplexer Philateliefelder selbst, die heute meist als Schwerpunkt- oder Sondergebiete den Sammlern geläufig sind. Werden mit dem ersten Aspekt primär Bibliografien angesprochen (Kapitel 5.1), sind mit dem zweiten weltumfassende Handbücher, aber auch spezielle Kompendien und Übersichten im Sinne verfasster Monografien gemeint. Durch die Philatelie zieht sich als durchgängiger Faden die Frage nach den Fälschungen und Verfälschungen (Kapitel 5.3), und dies eben nicht erst seit 100 Jahren, wie jedem Literatursammler bestens bekannt, denn Schrifttum zu solchen Aspekten ist nahezu gleich alt wie die ersten Kataloge und Fachblätter. Eben, wie es der Verfasser ein- mal beschrieb: Am Anfang war die Briefmarke, dann kam die Fälschung!1 Ist der sog. Fälschungsliteratur ein gewisser apologetischer Charakter zu eigen und bei bestimmten Autoren der missionarische Eifer unübersehbar, so glänzen andere durch die an Spezialisierung der Aspekte und deren systematischer Darstellung kaum zu übertreffende Tiefe der Bearbeitung, die – methodisch gesehen – fast schon wissenschaftlichen Charakter aufweist. Aus der Masse der zahllosen Handbücher dieser Art, ragt eines bis heute heraus: Das Kohl-Handbuch (Kapitel 5.2). Nicht nur, weil es der vorerst letzte Versuch eines weltumfassenden Handbuches für Spezialisten war, sondern auch, weil dessen Schriftleiter noch zu Zeiten, als weder Fax, E-Mail oder Internet erfunden war, ein international angelegtes Kommunikations-Netzwerk pflegte. Per Brief und per Postkarte. Dr. Herbert Munk, aber auch dem Berliner PhilatelistenKlub von 1888, dem Collectors Club in New York sowie der Royal Philatelic Society in London hier ein Denkmal zu setzen, drängt sich auf. 1 Vgl. Wolfgang Maaßen: Am Anfang war die Marke. Dann die Fälschung ... Bemerkenswerte Phasen des Prüfwesens in der deutschen Philatelie, in: ders., Philatelie. Einblicke – Ausblicke – Durchblicke, Schwalmtal 2012, S. 320–332 | 121 ____________________________________________________________________________________ 5.1 Bibliografien philatelistischer Literatur ____________________________________________________________________________________ Zieht man einen bildlichen Vergleich, so werden Philatelisten zuweilen als die „Spurensicherer der Geschichte“ bezeichnet. Aber schon seit Jahren stellt sich die Frage, wer dann deren Spuren, also die der Philatelisten, sichert? Die Antwort liegt auf der Hand: Eben die Philateliehistoriker und die Literatursammler, also die kleine Gruppe der Philatelisten, die jede Spur, auch jede literarische Spur wahrnehmen, registrieren und dokumentieren, und so aus dem Puzzle der zur jeweiligen Zeit sehr komplexen Philatelie erst ein Gesamtbild komponieren.1 Es ist kein Zufall, dass Literatursammler häufig auch kenntnisreiche Philateliegeschichtler sind, was natürlich auch umgekehrt Geltung hat. Innerhalb der Literatursammler nehmen die Bibliografen eine besonders exponierte Stellung ein, denn sie sammeln im wahrsten Sinne des Wortes die Spuren, die die Literatur in der Philatelie hinterlassen hat und ordnen diese nach selbstgewählten Gesichtspunkten. Dies übrigens seit Beginn der Philatelie an. So wundert es nicht, eine erste, natürlich damals noch kleine und überschaubare Bibliografie in dem im Dezember 1862 erschienenen „Hand Catalogue of postage stamps for the use of collectors“ aus der Feder von Dr. Gray zu finden, mit der er den eigenen Kenntnisstand von 20 Katalogen, Alben, Preislisten und Periodika festhielt. Dies war durchaus der erste bescheidene Versuch einer für damalige Verhältnisse „weltweiten“ Übersicht. Justin Lallier machte es ihm kaum zwei Jahre später nach, denn dessen „Postage Stamp Album“ enthielt in der dritten Auflage (1864 in englischer Sprache erschienen) einen Anhang bibliografischer Art. Ähnlich die dänische Zeitschrift „Nordisk Frimaerketidende“, die von Oktober 1867 bis Mai 1868 mehrere Artikel über bereits erschienene philatelistische Publikationen veröffentlichte. Waren dies bescheidene Erstversuche, denen weitere mit eher national ausgerichteten Erfassungsversuchen zur Seite standen2, so konnte man dies wahrlich nicht von John Kerr Tiffanys Arbeit „The Philatelical Library. A Catalogue of Stamp Publications“ aus dem Jahr 1874 sagen (das Vorwort schrieb Tiffany am 1. Juli 1874). Auf 110 Seiten listete Tiffany bereits 569 Kataloge, Handbücher und philatelistische Zeitschriften sowie in einem zweiten Teil 272 Preislisten, Rundschreiben und Werbeblätter. Tiffany verwies in seinem Vorwort bereits auf Vorläuferversuche, die in „The Stamp Collector‘s Monthly Gazette“, 1867, „The Philatelist“, 1867, 1869 und 1872, „The American Coin and Stamp Review“, 1871, „The American Journal of Philately“, 1871, der „Deutschen Briefmarken Zeitung“, 1871 und in „Moschkau‘s Magazin“ 1872 erschienen waren, allerdings bei weitem keine vollständigen bibliografischen Daten enthielten. Er beklagte auch ausstehende Antworten auf zahlreiche Briefe, die er an Autoren und Berufsphilatelisten mit Nachfragen gerich- 1 Eine sehr umfassende Bearbeitung zu dem Thema findet sich bei Manfred Amrhein, Philatelic Literature, Band I, San José 1992, Kapitel 4, S. 129–179. 2 Die national ausgerichteten Bibliografien werden in diesem Kapitel nicht erwähnt, primär nur Vorhaben weltweiter Erfassung der philatelistischen Literatur. Zu ersteren vergleiche Amrhein, a.a.O. 122 | ____________________________________________________________________________________ tet habe, auf die er aber nie – zumal nicht aus Deutschland – eine Antwort erhalten habe. Ebenso rügte er das Defizit zahlreicher selbst größerer Händler, die über das Erscheinen eigener Preislisten in früheren Jahren keinerlei Aufzeichnungen geführt oder gar Belegexemplare bewahrt hätten. Wenn schon, dies sei angemerkt, heute Bibliografen und Philateliegeschichtlicher solche Umstände beklagen, dann verwundert umso mehr, dass Tiffany – er war Rechtsanwalt und stammte aus einer sehr begüterten Familie – diese bereits 1874 antraf. Zu dieser Zeit war er nach eigenen Worten schon seit 15 Jahre der Philatelie „verfallen“. In seinem Werk berücksichtigte Tiffany die ihm bekannten Publikationen aus Amerika, Dänemark, Niederlande, England, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien. Jeweils mit vollständigen Titeln, Namen des oder der Autoren, des Druckers und Verlegers (sofern bekannt), bei Zeitschriften mit Monatsangabe und Ausgaben-Nummer, der Zahl der Seiten und dem jeweiligen Ort und Datum der Publikation. Nicht selten fügte er persönliche Anmerkungen dazu. Die Verteilung auf die Ursprungsländer liest sich heute noch interessant. Schwerpunkt in Teil I (Kataloge, Handbücher und philatelistische Zeitschriften) waren natürlich Publikationen der USA mit 211 Nennungen, Dänemark nur mit einer, die Niederlande mit fünf, England aber mit 179, Frankreich mit 63, Deutschland mit 101, Italien mit vier und Spanien mit zwei Angaben von Publikationen. Vergleichbar die Schwerpunkte in Teil II (Preislisten, Rundschreiben und Werbeblätter). Auch hier führte die USA mit 327 Titeln, für Dänemark gab es nur drei, für die Niederlande fünf, aber für England 204, für Frankreich demgegenüber nur neun, für Deutschland immerhin 62, während Italien mit fünf, Spanien mit einer und Russland mit zwei derartiger Titelnennungen eher abgeschlagen platziert war. Tiffanys Werk ist auch eine kurze Übersicht zu entnehmen, welchen Themen z.B. Artikel der damaligen Zeit zuzuordnen waren. Interessant ist dies auch deshalb, weil solche Themen ja auch die Interessen der frühen Sammler spiegelten. Generellen Aspekten des Briefmarkensammelns wurden von ihm 35 Beiträge zugeordnet, der Geschichte der Briefmarken 34, der Geschichte der Postreform aber 69 und der Geschichte der Post sogar 94. Selbst unter „Postage Stamp Games“ ordnete Tiffany sechs Titel ein und unter „Postage Stamp Music“ sieben. Nicht zu vergessen die „Postage Stamps Photographs“, denen er acht Positionen zuordnete. Verständlicherweise lagen Tiffanys Schwerpunkte bei den USA und deren philatelistischem Geschehen. Aber man kann – wenn man die damaligen Möglichkeiten der postalischen Beförderung und der Beschaffung quer über den Ozean mit berücksichtigt – nur Anerkennung empfinden ob der großen Leistung, die er bei der methodisch sauberen Erfassung, der Strukturierung und der inhaltlichen Arbeit geleistet hat. Solches Lob für frühe Arbeiten steht sicherlich auch anderen zu. Zum Beispiel dem Spanier Mariano Pardo de Figueroa, bekannter unter seinem Pseudonym „Dr. Thebussem“, der 1876 seine „Literatura philatelica en España“ schrieb.3 Ein Jahr später war Guiseppe Leoni aus Italien mit einer „Bibliografia timbrologica dell’ Italia“ dabei4 und wiederum ein Jahr später, 1878 der Belgier Philipp de Bosredon mit seinem Werk „Bibliographie timbrologique de la France et de la Belgique“.5 Nicht zu vergessen Phi lipp De Bosredon, der 1876/77 eine „Bibliographie timbrologique de la France“ in Fortsetzungen im „Bulletin de la Société Française de Timbrologie“ publizierte, der noch heute wertvolle Hinweise, besonders auch zu den frühen Schriften von Oscar Berger-Levrault und deren verschiedenen Auflagen zu entnehmen sind.6 Doch dies waren keine weltweit die philatelistische Literatur umfassenden Bibliografien, „nur“ auf das eigene Land, Sprachraum und Sammelgebiet bezogene Werke. Dies konnte im Ansatz auch vorerst für das großartige Werk des Österreichers Victor Suppantschitsch aus Wien gelten. Es wurde in 16 Lieferungen von 1892–94 im Verlag von Anselm Larisch, München, unter dem Titel „Bibliographie, zugleich Nachschlagebuch der gesammten deutschen philatelistischen Literatur seit ihrem Entstehen bis Ende 1891, nebst einem Abriss der Geschichte der Philatelie mit besonderer Berücksichtigung Deutschlands und einer kurzen Geschichte der deutschen philatelistischen Literatur“ veröffentlicht. Der ungewöhnlichen Länge des Titels ist der Gesamtumfang des Werkes von 745 Seiten wahrlich angemessen. Auf diesem Werk setzten später Max Tons „Handbuch der deutschen philatelistischen Literatur“ (Dresden 1916), aber auch spätere neuere Arbei- 3 Thebussems genannte Bibliografie wurde erst 1883 in Madrid gedruckt. Das mit Vorspann u.a. ergänzte 48-Seiten-Werk beinhaltet aber nur die philatelistische Literatur von 1867 bis 1876. 4 Der Beitrag erschien aber bereits in der Oktober/November-Ausgabe des „Guida illustrada de Timbrofilo“, 2. Jg., 1876 5 Die 1878 in Paris und bei Moens in Brüssel erschienene Bibliografie von Bosredon war ein Nachdruck (86 S.) einer Artikelserie im „Bulletin de la Sociéte française de Timbrologie“ (Nr. 4–10, Juli 1876–Januar 1878). 6 Vgl. Bulletin, Folge 4, 5 und 8 (1876/1877), S. 101, 131, 221–227 | 123 ____________________________________________________________________________________ ten auf. Nahezu jeder Philatelie- und Literaturgeschichtler mit deutscher Sprachfähigkeit nutzt es bis heute.7 Suppantschitsch arbeitete in deutscher Sprache allerdings nicht nur über das deutschsprachige philatelistische Schrifttum Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. 1901 veröffentlichte er in Wien eine Broschüre mit dem Titel „Die Entstehung und Entwicklung der Philatelistischen Literatur in der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts“ und in verschiedenen Zeitschriften erschienen einzelne Länderbibliografien, die allesamt zeigen, das Suppantschitschs Fokus durchaus weltweit ausgerichtet war. Unübertroffen aber, ein „magnum opus“, wie es bereits Manfred Amrhein vor Jahren formuliert hat, ist allerdings ein Werk, das bis heute für Literatursammler nichts von seinem Nutzen verloren hat: „A Bibliography of the Writings, General, Special and Periodical, forming the Literature of Philately“, zusammengestellt von Edward Dennis Bacon und 1911 in zwei verschieden angelegten Auflagen erschienen. Zum einen als Band VII der Earl of Crawford’s Bibliotheca Lindesiana, einer in Aberdeen von der University Press gedruckten bibliografischen Reihe, mit der der Bestand der damaligen über 100 000 Bände zählenden Familienbibliothek Lord Crawfords erfasst wurde. 200 Exemplare dieser Bibliografie schenkte Crawford (1847– 1913) den öffentlichen Bibliotheken und seinen Freunden. Daneben gab es eine zweite Ausgabe dieser monumentalen 924 Kolumnen (jeweils zwei auf einer Seite gedruckt) umfassenden Bibliografie, die ebenfalls 1911, allerdings in London gedruckt, in einer Auflage von 300 Stück hergestellt wurde. 100 davon waren ein Geschenk an die Mitglieder der damaligen Philatelic Literature Society, 200 waren für den Verkauf vorgesehen. Seit dieser Zeit ist dieses umgangssprachlich nur als „Crawford-Katalog“ bezeichnete Werk quasi die „Bibel“ aller Freunde, Bibliografen und Forscher der philatelistischen Literatur, war doch Crawfords Bibliothek 1911 die größte und umfassendste, die jemals von einem einzelnen Philatelisten zusammengetragen wurde. Der Lord war zwar erst spät, nämlich 1898, der Philatelie nahegetreten, dann aber gleich mit einer Art von exzessiver Besessenheit, die keine Vergleiche kannte. Nicht nur beim Zusammentragen einiger der seltensten je existierenden Sammlungen überhaupt, auch bei der erfolgreichen Erwerbssuche nach Literatur. Ihm zur Hilfe kam der Zufall, denn er hatte, unterstützt von Charles J. Philipps, dem da7 Beispiele sind Carlrichard Brühl mit seiner „Geschichte der Philatelie“ 1985/86, in neuerer Zeit aber auch Wolfgang Maaßen: Lexikon der deutschsprachigen philatelistischen und postgeschichtlichen Literatur, Schwalmtal 2012. 124 | maligen Inhaber des weltweit agierenden englischen Briefmarkenhauses Stanley Gibbons, das Glück – allerdings auch die dafür nötigen Mittel –, innerhalb vergleichsweise kurzer Zeit, einige der damals bedeutendsten philatelistischen Bibliotheken erwerben zu können. So z.B. 1901 die legendäre John K. Tiffany-Bibliothek, 1908 die ebenso bekannte des Berliner Amtsrichters Heinrich Fraenkel, der selbst zuvor die große Bibliothek von Sigmund Friedl aus Wien erworben hatte, in die wiederum die Bibliothek des deutschen Pionierphilatelisten Dr. Alfred Moschkau Aufnahme gefunden hatte, und so manch andere mehr. Lord Crawford hinterließ seine philatelistische Bibliothek nach seinem Tod am 13. Januar 1913 dem Britischen Museum (heute British Library). 1991 veranlasste deren Kurator, David R. Beech, einen Neudruck des Originalwerkes, in den aber die von Bacon 1926 und 1938 vorgenommenen Ergänzungen ebenso mit eingearbeitet wurden wie erforderliche Korrekturen sowie Hinweise zu den Standnummern der Objekte in der heutigen Bibliothek. Auch dieser Neudruck erschien in einer Gesamtauflage von 500 Exemplaren und gilt seit Jahren als vergriffen. Wenn einmal solch breite Spuren einer einzigartig umfassenden Sammlung literarisch ausgetreten sind, fällt es nachfolgenden Generationen schwer, Vergleichbares zu schaffen. Hinzu kommt, dass das Material der CrawfordBibliothek zwar für die Forschung zur Verfügung stand, aber nicht von einzelnen Bibliophilen jeweils neu zu erwerben und weiterzugeben war. Sie mussten sich mit dem „Rest“ begnügen und darauf aufbauen. Notwendig war dies eh, denn auch nach 1911 erschienen ja in ständig steigender Zahl philatelistische Werke, deren Erfassung oder gar Erwerb die Möglichkeiten Einzelner bei weitem überschritten. So konzentrierten forschende Philatelisten und Bibliografen sich fortan vornehmlich auf Länder- und Gebietsbibliografien. Aber es gab auch Versuche einzelner Literaturhändler und -auktionatoren, die von ihnen selbst über viele Jahre angebotenen oder ihnen bekannt gewordenen Titel zu listen. Beispielhaft sei hier der „Index to Harry Hayes Philatelic Literature Auctions“ von Raymond Price, in fünf Teilen zwischen 1993 und 1998 publiziert, genannt. Die in 200 bis 250 Exemplaren erschienenen Teile umfassten immerhin 64 800 Lots, die der legendäre Literaturauktionator zwischen 1960 bis 1986 bei 88 Auktionen angeboten hatte. Vergleichbare Angebots- und Preislisten bekannter Literaturhändler sind ebenfalls erwähnenswert, z.B. „HJMR Priced Guide to Philatelic Literature“, 1968 in erster, 1971 in zweiter Auflage mit zuletzt 510 Seiten erschienen. Oder verschiedene Ausgaben von Phil Bansners „Philatelic Lite- ____________________________________________________________________________________ rature Price List“ bzw. die Literatur-Auktionskataloge von Sylvester Colby, Roger Koerber, Robbins-Auctions, allesamt in den USA, Huys-Berlingin in Liechtenstein, Corneille Soetemann in Belgien, Hans-Joachim Schwanke, Ulrich Felzmann und in jüngerer Zeit Heinrich Köhler-Auktionen in Deutschland. Dennoch waren solche Bemühungen stets Stückwerk, für sich genommen nur kleine Teile eines riesigen Puzzles. Dies gilt auch für die Mehrzahl der bekannten Bibliografien namhafter philatelistischer Bibliotheken. Die deutsche Philatelistische Bibliothek in München veröffentlichte bereits Ende der 1930er-Jahre erste Übersichten eigener Bestände, die durchaus nennenswert waren und heute – mit denen der American Philatelic Library der American Philatelic Society – zu den größten weltweit bekannten zählen. Legendäre Bibliotheken mit wertvollen Altbeständen gibt es bei der Royal Philatelic Society in London, die von der Crawford-Bibliothek bei Ankauf der Fraenkel-Bibliothek nicht benötigte Dubletten 1909 erhielt, aber auch beim Collectors Club in New York, dem dessen damalig bekanntes Mitglied Theodore Steinway die von ihm erworbene Bibliothek Victor Suppantschitschs schenkte (diese Bibliothek zählte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts als größte auf dem Kontinent). 1974 erschien ein „Catalog of the Collectors Club Library, New York City“, in dem 26 500 Titel der Bibliothek bibliografisch – vergleichbar dem Crawford-Katalog – verarbeitet sind, dabei auch die im 20. Jahrhundert erschienenen Titel stärkere Berücksichtigung fanden. Nicht zu vergessen sind hier die „National Postal Museum Library Collections“ des Smithsonian Institute in Washington, die neben einigen anderen Bibliotheken die von Fred J. Melville (1947 von der Congress Library erworben) und später nennenswerte Teile der George T. Turner-Bibliothek übernahm, damit heute gerade zur Periode sog. „philatelistischer Incunabula“ von 1861–1879 einen der umfassendsten und wertvollsten Bestände jener Jahre beisteuern kann. Natürlich gab es von Zeit zu Zeit auch einzelne Titel, die namhaften Philatelisten, zumal Literatursammlern, ihrem Werk, ihrem Schaffen und ihren Bibliotheken besonders gewidmet waren. Hier Einzelbeispiele zu erwähnen, rundet das Bild der unvollkommenen Versuche, die seit mehr als 100 Jahren gewachsene Unübersichtlichkeit der philatelistischen Literatur in den Griff zu bekommen, ab. Leclercq & Waroquiers publizierten 1981 einen 58-Seiten-Katalog über die Bücher und Zeitschriften von JeanBaptiste Moens unter dem Titel „Jean-Baptiste Moens 1833–1908. Pere De La Philatelie“, Erik Hamberg aus Schweden stellte 1996 den „Storsamlaren Hans Lager- löf 1880–1952“ vor und Wolfgang Maaßen widmete zwischen 2010 bis 2012 einzelne seiner Sonderbände der „Chronik der deutschen Philatelie“ namhaften frühen Literaturschaffenden, u.a. den Gebrüdern Senf, Paul Kohl, Hugo Schwaneberger, Hugo Michel und Alfred Moschkau. Diese waren aber primär philateliegeschichtliche Studien, wenngleich nicht selten dazu auch bibliografische Übersichten der jeweils von den genannten Urhebern publizierten Literatur mit enthalten waren (besonders zu Alfred Moschkau). War damit das Kapitel weltumfassender Bibliografien geschlossen? Bei weitem nicht. Einige bis in die jüngste Zeit reichende Beispiele mögen dies verdeutlichen. 1951 begann der damalige Leiter der Philatelistischen Bibliothek München, Christoph Otto Müller (1894–1967), einen „Philatelic Digest“ als Periodikum zu etablieren, das bis in die jüngste Gegenwart (bis 2001 gedruckt, seitdem digital auf CD ROM und seit kurzem auch im Internet) weitergeführt wird. Nahezu jährlich wurden seitdem weltweit erschienene und nachzuweisende Titel – in deutscher Sprache – erfasst und bibliografisch registriert. In den letzten drei Jahrzehnten kamen dabei jährlich umfangreiche Bände, nicht selten auch zwei großvolumige Teilbände je Jahr, zusammen. Letztlich erwies sich aber auch die Fülle verbessert recherchierbarer Titel irgendwann angesichts der geringen Interessentenzahlen als nicht mehr druckbar, so dass man auf digitale Veröffentlichungen zur Fortführung dieser „Literatur-Nachrichten“ des Bundes Deutscher Philatelisten umstieg. Ein zweites Beispiel ist völlig anderer Art, nämlich der Versuch, Philatelie- und Literaturgeschichte mit jeweils passenden Auswahlbibliografien zu verbinden. Dies ist dem 1938 geborenen aus München stammenden Mediziner Manfred Amrhein, der 1948 nach Costa Rica auswanderte, mit seinem bislang vierbändigen Werk „Philatelic Literature. A History and Select Bibliography from 1861“ bestens gelungen. Band 1 behandelt die Anfänge im 19. Jahrhundert (1992, 179 Seiten), Band 2 (228, Seiten, 1997) das 20. Jahrhundert, auch mit Schwerpunkten zu Fälschungen, zu Zentral- und Südamerika sowie Spanisch-Westindien, Band 3 (2001) den Mittleren Osten, Afrika und den Nahen Osten und Band 4 (401 Seiten, 2006) Europa, allerdings ohne Griechenland und Türkei, BalkanStaaten und Skandinavien sowie das Vereinigte Britische Königreich. Dafür ist noch ein Band 5 in Planung, der angeblich schon erschienen sein soll, bislang aber noch nicht bekannt wurde.8 8 Leonhard H. Hartmann zeigt auf seiner Internetseite www.pbbooks. com diesen Titel bereits als erschienen an, was weder der Verfasser dieser Zeilen noch die ihm bekannten Literaturkenner bis Ende | 125 ____________________________________________________________________________________ Amrhein verstand es in einzigartiger Weise, den Stand der 150jährigen Erforschung der Entwicklung der philatelistischen Literatur, deren Schöpfer und Urheber, nachzuzeichnen und dabei eine Fülle von Daten und Bildmaterial zu integrieren, die erst recht den Überblick über die großen Entwicklungslinien in allen Teilen der philatelistischen Welt ermöglicht. Ähnlich wie Crawford hat sein mehrbändiges Werk erneut mit dem von ihm gewählten umfassenden Ansatz breite Spuren hinterlassen, dem bestenfalls nur noch Detailstudien einzelner Aspekte Neues hinzuzufügen wissen. Zuguterletzt sei allerdings ein Neuansatz bibliografischer Erfassung nicht vergessen, dem es vielleicht gelingen kann, die Lücken und Ungenauigkeiten aller früher erschienenen philatelistischen Bibliographien zu schließen, also ein nahezu komplettes Kompendium philatelistischer Literatur werden wird, das alle früheren nationalen und internationalen Werke dieser Art bei weitem übertreffen kann: Die“Global Philatelic Library“, die ihre Ursprungsinitiative dem Smithsonian-National Postal Museum und den Smithsonian Libraries in Washington/USA, der American Philatelic Research Library der APS in Bellefonte/USA und der federführenden Kraft der Royal Philatelic Society, London, präsentiert von Alan Holyoake, verdankt. Das Ziel dieser seit geraumer Zeit etablierten Webseite (http://globalphilateliclibrary.org/) ist die digitale Erfassung in den namhaftesten philatelistischen Bibliotheken der Welt vorhandenen Bestände, in denen dann nach Integration ins System forschende Philatelisten weltweit suchen und recherchieren können. Namhafte Werke, Bücher und Zeitschriften, sollen digitalisiert erhältlich sein. Mit im Verbund sind bereits die Rocky Mountain Philatelic Library, Denver, USA; Slusser Memorial Library, Postal History Foundation Library, Tucson, USA; The Collectors Club, New York und Chicago, USA; Harry Sutherland Philatelic Library, Vincent Graves Greene Philatelic Research Foundation, Toronto, Canada; Western Philatelic Library, Sunnyvale, USA, aber auch die Philatelistische Bibliothek Hamburg, die Oslo Filatelistklubb Bibliothek in Norwegen, die Philatelic Association of NSW in Australien, der Royal Philatelic Club von Sydney und weitere, die man auf der Webseite einsehen kann. Wenn es den Enthusiasten dies- und jenseits des Ozean gelingt, immer mehr Bibliotheken zu gewinnen, die technisch erforderlichen Standards zu implementieren, dürfte dies die weltweit größte philatelistische Rechercheseite für Literatursammler werden, die es künftig einfach, jederzeit und überall, ermöglicht, in einer monumentalen 2012 verifizieren konnten. Es gelang bis dahin auch nicht, Kontakt zu Dr. Amrhein herzustellen, um weitere Aufklärung zu erhalten. 126 | Bibliografie unvergleichlichen Ausmaßes zu arbeiten, aber auch wertvolle Aufschlüsse darüber zu erhalten, wo welches literarisches Produkt auch als Original vorhanden ist. Diesem quasi universalen Ansatz einer großen Gemeinschaft gesellt seit nahezu drei Jahrzehnten auch das bibliografische Werk eines einzelnen Philatelisten zur Seite, der themenorientierte weltweite Bibliografien ebenfalls digital veröffentlicht: Brian Birch. Der 1949 in Liverpool geborene Engländer gilt heute als der wohl weltweit bedeutendste Autor zahlreicher Bibliografien, die auf der Internetseite http://hps.gr/fipliterature/ einzusehen sind. Er gab um 1980 das Briefmarkensammeln auf und widmete sich seitdem ausschließlich der Erfassung und bibliografischen Erschließung philatelistischer Literatur. Nach 1973 veröffentlichte Birch bereits erste Artikel über „Perfins“ (Lochungen), ab 1980 erste Indizes/Bibliografien. 1991 erschien erstmals seine „Bibliography of Periodicals Devoted to Philatelic Literature“, 1993 ein Index zu den Congress-Büchern, zahlreiche weitere in der „Philatelic Literature Review“ der American Philatelic Society und in anderen namhaften Zeitschriften. In den letzten Jahren publizierte Birch seine Buchwerke nur noch digital (siehe: http://hps.gr/fipliterature/). Dort sind folgende Werke einzusehen: The Philatelic Bibliophiles Companion (857 Seiten); Bibliography of Philatelic Periodicals (694 Seiten); Biographies of Philatelists and Dealers (2 104 Seiten); Bibliography of Current-Awareness and Retrospective Indexes (211 Seiten); Philatelic and Postal Bookplates (650 Seiten); Index to the Philatelic Translations, produced by Brian J. Birch (218 Seiten) und Bibliography of General Literature in the Philatelic Library of Brian J. Birch (288 Seiten). Diese Aufzählung ist lückenhaft, weil – digitale Technik macht dies möglich – diese Bibliografien ständige Erweiterung finden, aber auch neue in Arbeit sind und dazukommen. Birchs Verdienst ist es, weltweit ihm sprachlich zugängliche Literatur zu erschließen und unter den von ihm gewählten thematischen Aspekten nachzuweisen, so dass seine Übersichten für die schreibende Zukunft der Autoren und Journalisten wertvolle Hinweise zur Recherche bieten. Ähnlich, wie dies die großen Werke von Suppantschitsch und Crawford zu ihrer Zeit geleistet haben, mit denen sein Schaffen durchaus vergleichbar ist. Hinter solch einem Engagement stehen jeweils Menschen, namhafte Experten und Kenner, die mit ihrer – häufig ehrenamtlichen Tätigkeit der philatelistischen Literatur – bildlich gesprochen – erst den Atem des Lebens einhauchen. Nicht selten organisieren sich diese in Vereinen Gleichgesinnter und deshalb seien zuguterletzt zwei ____________________________________________________________________________________ Vereine derartig „Beseelter“ erwähnt, die vor 100 Jahren, einer aber auch bis heute, dafür Sorge tragen, dass philatelistische Literatur und deren Faszination lebendig erhalten bleibt. Ein früher Verein dieser Art, ein Verein für Bibliophile, war die „Philatelic Literature Society“ in England, die im Herbst 1907 von Fred Melville und Freunden gegründet wurde und zu Beginn 29 Mitglieder hatte (1914 waren es immerhin 65 und zusätzlich 18 internationale Vereine, die sich angeschlossen hatten). Wer die Mitgliederliste aus diesem ersten Kriegsjahr in Europa liest, kennt viele Namen, sind sie heute doch legendär. Dazu gehörten z.B. P. J. Anderson, E. D. Bacon (der erste Präsident des Vereins), Carl Beck, H. E. Deats, Dr. Emilio Diena, H. Djurling, Major E. B. Evans, L. W. Fulcher, W. Lauwrence Green, F. Herrmann, Hugo Krötzsch, J. N. Luff, Dr. José Marcó del Pont, Fred Melville, G. F. Napier, Charles Nissen, F. J. Peplow, C. J. Phillips, Baron A. de Reuterskiold, W R. Rickens, B. T. K. Smith, Nils Strandell, Victor Suppantschitsch, H. E. Weston, Baron Percy de Worms und R. B. Yardley. Von Januar 1908 bis Ende 1918 erschienen 43 Ausgaben der Vereinszeitschrift mit dem Titel „The Journal of Philatelic Literature Society“, einem Blatt, das bis heute wohl kaum jemals in der Dichte und im Niveau der gebotenen Informationen über die bis dahin herausgegebene philatelistische Literatur übertroffen wurde. Die Auflage des vierteljährlich erscheinenden Blattes betrug nur 100 Exemplare. 50 weitere gab es für Rezensionszwecke und Belegexemplare, wobei heute vollständige Bestände der kompletten Jahrgänge kaum noch einmal zu erhalten sind. Der Gesamtumfang des innerhalb der elf Jahre erschienenen Perodikum betrug „nur“ rund 800 Seiten inklusive der Bildtafeln, aber der Gehalt an Forschung und Dokumentation war – auch dank der hervorragenden Schriftleitung von F. J. Peplow – ohne Vergleich.9 Vereinsversuche ähnlicher Art in anderen Ländern, z.B. Deutschland, waren nur von kurzer Dauer. Erwähnt seien der „Verein Philatelistischer Literatur-Sammler“, den 1921 Carl Beck und Alexander Bungerz ins Leben gerufen hatten und für den diese bis zu ihrem Tod 1929 bzw. 1931 verantwortliche Herausgeber des Vereinsblattes, „Der Philatelistische Bücherwurm“, waren. Im Juli 1932 folgte „Der philatelistische Literatursammler“ einer von S. Schmittdiel in Hamburg präsidierten „Gesellschaft der philatelistischen Literaturfreunde“ (ab 1934/35 eigenständiges Organ „Die Philatelistische Literatur“), die aber kaum weitere Jahre überlebte. Der Weltkrieg machte 9 1948 erschien ein vollständiger Index dieser Zeitschrift, zusammengestellt von Ronald King-Farlow (RPSL), in einer Auflage von 75 Exemplaren. Noch seltener als das ursprüngliche Blatt selbst. erneut vieles Erreichte zunichte und erst die bereits erwähnten „Literatur-Nachrichten“ des Bundes Deutscher Philatelisten konnten 1951/53 an diese literarisch wertvolle Vergangenheit wieder anknüpfen. Vergleichbar erwähnenswert ist deshalb auch die „Philatelic Literature Review“, die immerhin bereits seit 1942 als offizielles Organ der „American Philatelic Research Library“ herausgegeben wird. Die erste Serie der Publikationen erschien mit einer Nr. 1 vom September 1942 bis zur Nummer 24 Sommer/Herbst 1949, häufig in unregelmäßigen Abständen. Die zweite bis heute andauernde Serie wurde im Frühjahr 1950 begonnen und läuft immer noch, meist in vierteljährlichem Abstand einzelner Ausgaben. Über Jahrzehnte zählte das Fachblatt Charles J. Peterson, den langjährigen Präsidenten der FIP-Literaturkommission und weltbekannten Literaturjuror, zu seinen Mitarbeitern (von 1971 bis 1985 war Peterson Schriftleiter des Blattes, davor und danach einer der ständigen Mitarbeiter). Nach dessen Tod stiftete die American Philatelic Society 2010 den nach ihm benannten „Charles J Peterson Philatelic Literature Life Achievement Award“. Die genannten Beispiele zeigen eines: Die Gruppe der Literaturenthusiasten war früher wie heute sehr überschaubar, dafür hat sie aber Großes geschaffen, das, was die Philatelie am Leben hält. Dazu zählen auch – um die kurze Übersicht zu vervollständigen – große internationale Ausstellungen, wobei die Mehrzahl solcher ab 1890 durchgeführten Veranstaltungen zumindest eine Literaturklasse hatten. 1890 in Wien wurde sogar erstmals eine GoldMedaille an ein Literaturexponat von J.-B. Moens verliehen. Die Silber-Medaille gewann Carl Lindenberg für sein „Handbuch der Philatelie“. Damals war Literatur noch die Klasse I bei solchen Ausstellungen. 1894 gab es bei einer „Exposition International du Livre“ in Paris sogar eine eigenständige Klasse philatelistischen Literatur mit einem eigenen Katalog, ähnlich wie bei der BUGRA 1914, einer Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik in Leipzig. Wurde dort z.B. die Bibliothek von Hugo Krötsch komplett ausgestellt und waren insgesamt über 5 000 (!) Exponate zu sehen, spielte die Philatelistische Literatur bei „normalen“ Philatelistischen Weltausstellungen zunehmend mehr eine kleinere Rolle, war nicht selten gar das fünfte Rad am Wagen. Dies mag nach den Wirren des Ersten Weltkrieges, der Gründung der FIP 1926, den vormaligen Präsidenten der F.I.P.P. (Federation Internationale des Presse e Philatélique), Guilio Tedechi, einen Italiener aus sehr begüterter Familie, veranlasst haben, 1935 die erste Weltausstellung Philatelistischer Literatur mit FIP-Patronat in Brüssel auszurichten. Dieser folgte 1938 die „International Expo- | 127 ____________________________________________________________________________________ sition of the Philatelic Press and Philatelic Literature“ in Prag, die allerdings keine Wettbewerb-, sondern eine Einladungsausstellung war. Es dauerte viele Jahre, bis dann weitere spezielle internationale philatelistische LiteraturAusstellungen stattfanden: 1977 die REGIOPHIL XII in Lugano/Schweiz, 1982 die MILANO 82, der vermeintlichen „Prima Esposizione Mondiale FIP Letteratura Filatelica“ und 1989 die „Internationale Philatelistische LiteraturAusstellung“ IPHLA 89 in Frankfurt. Drei Jahre später fand in New York die „First International Philatelic Literature Exhibition“ in Nordamerika statt, heute zählen jährliche nationale Ausstellungen mit Literaturwettbewerben zum Grundangebot in den USA. Aus einer weiteren nationalen Literatur-Ausstellung mit internationaler Beteiligung, der LIPSIA 2007 in Leipzig, entstand dann fünf Jahre später 128 | eine weitere IPHLA 2012 in Mainz, dieses Mal unter FEPA-Patronat, da die FIP keine digitalen Medien laut Reglement zulässt. Sind bei den in englischsprachigen Ländern stattfindenden Wettbewerben meist nur Werke heimischer Sprache zugelassen, waren die zuvor genannten Ausstellungen in Deutschland für Exponate aller europäischen Sprachen offen. So wechseln der Stellenwert der philatelistischen Literatur, ihr Bekanntheitsgrad und ihre Wertschätzung. Das 150jährigen Jubiläum im Gedenken an die Pionierwerke frühen literarischen Schaffens bot 2012 in Mainz und ein Jahr später der MONACOPHIL gute Gelegenheit, die Bedeutung dieses wertvolles Genres für die Zukunft der Philatelie ins rechte Licht zu rücken. ____________________________________________________________________________________ 5.2 Das „Kohl-Handbuch“ ____________________________________________________________________________________ Nicht nur bei deutschen Philatelisten, auch in den USA, in England und in Skandinavien ist das legendäre „KohlHandbuch“ bis heute unvergessen, war es doch nicht nur der Versuch, erstmals Experten aus aller Welt – nicht nur aus den genannten Ländern, sondern auch aus Südamerika und anderen Kontinenten – bei der Facharbeit an einem Katalog zu einen, damit aber auch eine vollständige Enzyklopädie philatelistischen Wissens zu schaffen. Letzteres scheiterte, wie alle Versuche zuvor oder danach, aber in seiner Tiefe der niveauvollen Bearbeitung blieb das sog. Kohl-Handbuch bis heute unerreicht und wird wohl auch niemals mehr übertroffen werden.1 Paul Kohl (geboren am 17. Juli 1852 in Lauenstein) eröffnete am 19. Februar 1892 sein Briefmarkengeschäft in Chemnitz, nachdem er bereits Jahre zuvor mit zahlreichen Reisen nach USA, Frankreich, England und Spanien sein philatelistisches Wissen vertieft und internationale Kontakte geknüpft hatte. Mit Hilfe seiner Familie, besonders seines kongenialen Bruders Horst, gab er bereits im Dezember 1892 die erste Ausgabe von „Kohls Freimarken-Katalog Deutschland (1893)“ heraus, zeitgleich ein Permanent-Album, wobei er beide Produkte bereits zwei Jahre später auf europäische Länder ausdehnte. Diese Kataloge fielen durch eine innovative Idee auf, denn die Markenkatalogisierung wurde gleichzeitig mit einem Lay1 Eine ausführliche Studie zu Leben und Werk von Paul Kohl, dessen Katalogen und dem späteren Kohl-Handbuch findet sich in Kap. 2 des Werkes von Wolfgang Maaßen: Von frühen Alben und Katalogen zu Verlagen von Weltrang, Schwalmtal 2010 outvorschlag für ein auch vom Sammler selbst zu gestaltendes Albenblatt vorgenommen. Damit verbreitete sich – nicht nur in Deutschland – die Idee des BlankoblattAlbums zur individuellen Selbstgestaltung. 1897 erschien bereits die zweite Auflage von Kohls Europa-Katalog, vier Jahre später die ersten Lieferungen für einen Weltkatalog („Kohl’s Grosser Briefmarken-Katalog 1900“). Dieses Katalogwerk, später in zwei Bänden, erschien nun beinah jährlich in immer größerem Umfang und war bereits das, was man heute als einen Welt-Spezialkatalog bezeichnen kann. Bereits die 3. Auflage von 1902/03 hatte über 800 Seiten, die vierte von 1903/04 schon über 1 000 Seiten. Kohl führte eine neue Systematik von Haupt- und Unternummern ein, nutzte aber auch verschiedene Satzschriftgrößen, um dem Leser Unterscheidungen des Wichtigen von dem eher Speziellen leichter zu ermöglichen. Es folgten zahlreiche Neuauflagen, auch Auskoppelungen als Normal- oder Reformkataloge für die breitere Gruppe der Sammler, aber „Kohl’s Handbuch“ blieb selbst in der letzten von ihm selbst betreuten, zehnten Auflage 1914 international unübertroffen: Deutlich über 2 000 (!) Seiten boten Forschung und Kenntnis pur! Es war die letzte Ausgabe, die Paul Kohl – mittlerweile war er im Ruhestandsalter – selbst betreut hatte. Weltkrieg und der Tod seines Bruders Horst, der ihm immer ein enger Mitarbeiter gewesen war, ließen Kohl resignieren. 1918 suchte er einen Verleger, der die Verlags- und Vertriebsrechte übernehmen wollte. Kohls Sohn Kurt sah sich dazu nicht imstande, also wurden andere angefragt, | 129 ____________________________________________________________________________________ z.B. Carl Lindenberg. Aber auch der fühlte sich zu alt und sah sich – zumal nach den Erfahrungen, die er mit dem frühen „Großen Handbuch der Philatelie“ von Otto Teltz 1888/91 gesammelt hatte – nicht dazu in der Lage, bei all seinen vielfältigen Aufgaben, auch noch solch ein unüberschaubares Vorhaben zu schultern.2 Nach einigem Hin und Her, in das auch der Berliner Philatelisten-Klub mit eingebunden war, gingen die Rechte im Februar 1921 an das „Marken- und Ganzsachenhaus“ in Berlin, dessen Inhaber der rührige und damals weithin bekannte Berliner Auktionator und Briefmarkenhändler Rudolf Siegel war.3 Siegel wollte die kaufmännische Seite, Dr. Herbert Munk, ein bekannter Forscher von hoher wissenschaftlicher Bildung, die redaktionelle Verantwortung und Leitung übernehmen. Zu Munks eigenen Qualifikationen brauchte man Philatelisten der damaligen Zeit nicht viel zu erzählen. Herbert Munk wurde am 26. Juni 1875 in Berlin geboren. Ob er schon als Kind oder Jugendlicher Briefmarken sammelte, ist nicht bekannt, liegt aber wohl nahe. Zur Philatelie kam er allerdings erst vergleichsweise spät. Er war der Sohn eines stadtbekannten Architekten und stammte aus einer angesehenen und begüterten Berliner Kaufmannsfamilie. Dies ermöglichte ihm den Besuch des Gymnasiums und ein nachfolgendes Studium der Philosophie und Psychologie an den Universitäten zu Berlin, München und Göttingen. In Göttingen promovierte er zum Dr. phil. und arbeitete um die Jahrhundertwende über experimentelle Psychologie und bestimmte Erscheinungen beim menschlichen Auge.4 Akademische Erfolge für seine Ergebnisse wurden ihm damals nicht zuteil, da seine wegweisenden Forschungen erst Jahre später Anerkennung fanden. So verzichtete er erst einmal auf eine Dozenten-Laufbahn und begab sich in den Folgejahren meist auf Reisen. Er war zudem literarisch in wissenschaftlicher wie novellistischer Richtung tätig. Mit ernsthafter Vereinsphilatelie kam er erst 1913 in engere Berührung, als er am 21. Juli dem Berliner Philatelisten-Klub beitrat. Dies blieb nicht ohne Folgen, dafür war er – man erkannte dies bald – ein zu fähiges Ausnahmetalent. Als der damalige Vorsitzende, Johannes Elster, am 2. Juli 1922 starb, wurde Munk zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt, in ein Amt, das er bis 1930 wahrnahm. Nach dem Ersten Weltkrieg hatte er sich fast ausschließ- lich auf seine Forschungen in der Philatelie verlegt. Die persönliche finanzielle Situation erlaubte ihm eine gewisse Unabhängigkeit, die es ihm auch erleichterte, Rudolf Siegels Angebot zur Hauptschriftleitung für eine neue 11. Auflage des Kohl-Handbuches anzunehmen.5 Dies gelang Munk recht erfolgversprechend, da er zu dieser Zeit bereits international gut vernetzt war. Im März 1923 erschien bereits die 1. Lieferung (Afghanistan bis Azoren) und bereits hier waren neben Dr. Herbert Munk und weiteren deutschen Philatelisten andere namhafte Philatelisten (z.B. Generalkonsul C. George aus Lissabon, der „Angola“ und „Azoren“ bearbeitete) mit am Werk. Die 40. Lieferung erschien nach 13 Jahren, 1936, reichte allerdings erst bis „Italien“. Die damalige Mitarbeiterliste, die einzelne Ländergebiete abdeckten, liest sich heute wie ein „Wer ist wer in der Philatelie?“ Dabei waren u.a. I. W. de Beer aus Hilversum/Niederlande, Adolf Passer aus Prag, José Koke aus S. Paulo, Henry C. Hitt aus Vancouver, Alfred F. Lichtenstein aus New York, Senator J. A. Calder aus Kanada, L. G. Birth aus Pittsburg, Hugo Griebert, J. Kerssemakers aus Eindhoven, Ch. Holm und A. Peterson aus Kopenhagen, A. G. Argyropoulos aus Athen, Dr. H. Lindberg aus Helsingfors, L. Meinertzhagen und J. B. Seymour aus London und W. Lind aus Surbiton, England. Ungezählt ist die Liste der namhaften Korrespondenzpartner, deren Namen man heute noch an den hunderten erhalten gebliebenen Briefen an Dr. Munk ablesen kann. Man hat fast den Eindruck, er war mit jedem weiter fortgeschrittenen Philatelisten seiner Zeit in Kontakt. Die Lieferungen wurden nachfolgend in fünf Einzelbände gebunden, die insgesamt mehr als 5 000 (!) Seiten für die rund 140 einzelnen Sammelgebiete umfassten. 85 davon hatte Munk selbst allein bearbeitet, bei weiteren 16 war er Koautor gewesen, d.h. mehr als zwei Drittel der Bearbeitungen gingen originär auf ihn zurück. Eine heute kaum noch vorstellbare Leistung. Dabei blieb das Kohl-Handbuch in seiner nunmehr als 11. Auflage gezählten Auflage nicht von Rückschlägen verschont. Munks Verhältnis zu dem Sponsor und ersten Herausgeber Rudolf Siegel zeigte sich schon bei Erscheinen der ersten Lieferung 1923 als nicht ganz frei von Disharmonien. Bereits die 4. Lieferung ließ überlang auf sich warten, so dass man aufmerksam wurde und vermutete, es könne besondere Schwierigkeiten geben. Diese entpuppten sich als Konkurs des Herausgeberverlages, der 2 Die Sammler-Woche, Nr. 9/1921, S. 88 ff. 3 Carl Lindenberg: Kohl redivivus, in: DBZ, Nr. 3/März 1921, S. 29–30 4 1900 erschien seine Dissertation zum Thema „Die Erscheinungen bei kurzer Reizung des Sehorgans“ im Verlag von Johann Ambrosius Barth in Leipzig. 130 | 5 Von Ludwig Tröndle liegt dem Autor eine Mitteilung aus dem Jahre 1999 vor, nach der Herbert Munk auch zeitweise „Angestellter des Briefmarkenhändlers Kohl“ gewesen sein soll. Dafür hat der Autor aber in der Literatur bislang keine Bestätigung gefunden. ____________________________________________________________________________________ völlig unerwartet kam.6 Friedrich Leitenberger, ein für gewöhnlich gut informierter Philatelist und Autor jener Zeit, aber auch andere, hatten es wohl schon im Herbst 1924 kommen sehen und geschwiegen, bis es dann in der Rubrik „Briefmarkensammler“ der „Berliner Allgemeinen Zeitung“ am 29. Januar 1925 nachzulesen war.7 „Ist’s nicht wie ‚in Schönheit sterben‘?“ fragte Leitenberger angesichts der Verleihung der Lindenberg-Medaille an Herbert Munk Anfang 1925 bei nahezu gleichzeitigem Konkurs des Kohl-Handbuch-Verlages. Wohl aber wissend, dass schon einige Persönlichkeiten von Rang bereit standen, dem Handbuch neues Leben einzuhauchen, nachdem Herbert Munk selbst an der Beantragung des Konkurses mit beteiligt war.8 Den damaligen Verband deutscher Philatelistenverbände im In- und Ausland und dessen 20 000 Mitglieder forderte er auf, je Mitglied für eine Mark im Quartal eine neue Lieferung zu erwerben, seien doch die 5. und 6. Lieferung schon nahezu auslieferungsfertig.9 Munk griff im Februar 1925 selbst zur Feder und beruhigte die Gemüter: Das Handbuch werde nach Lösung vom bisherigen Verleger Rudolf Siegel durch eine „Gruppe von Gönnern des Werks genau in der bisherigen Weise fortgeführt werden“, hieß es.10 Die 5. Lieferung, seit Oktober 1924 fertig, werde noch im Laufe des Monats erscheinen. Und der Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Schlechtriem stand nicht hintan, nun alle Kreise zur breiten Unterstützung des Kohl-Handbuchs durch Kauf der einzelnen Lieferungen aufzufordern.11 6 Dr. Herbert Munk und seine engsten Freunde müssen wohl schon 1923 etwas geahnt haben, denn als man ihn mit dem LindenbergFerrari-Preis beim 30. Deutschen Philatelistentag auszeichnen wollte, hatten sie schon im Vorfeld bewirkt, eine Auszeichnung solle erst nach Fertigstellung des Handbuches erfolgen. Vgl.: Sammler-Woche, Nr. 6/6. Februar 1925, Titelseite. Munk erhielt die LindenbergMedaille allerdings 1925 verliehen, nachdem der Verlag in Konkurs gegangen war. 7 Friedrich Leitenberger: Berliner Brief. Das Kohl-Handbuch und Dr. Munk, in: Sammler-Woche, Nr. 7/1925, S. 100 8 In der Zeitschrift „Der Philatelist“, Nr. 2/1925, wurde ein Schreiben von Dr. Munk wiedergegeben, in dem es hieß: „Die wirtschaftliche Lage des bisherigen Verlegers des Kohl-Handbuchs und sein Verhalten nicht nur der Druckerei und anderen Gläubigern, sondern auch mir und schließlich dem Werk selbst gegenüber hat, im Einverständnis mit mir, zur Beantragung des Konkurses geführt, der über den Verlag vom Amtsgericht Berlin-Mitte am 7. Januar 1925 eröffnet worden ist.“ 9 Leitenberger, a.a.O,, S. 101 10 Ein erfreuliches Dementi, in: Sammler-Woche, Nr. 8/Februar 1925, S. 115. Der 5. Lieferung lag auch ein gesonderter Informationszettel bei, dem diese Aussagen ebenfalls zu entnehmen waren. 11 Dr. Wilhelm Schlechtriem: Helft dem Kohl-Handbuch! In: SammlerWoche, Nr. 8/1925, S. 116 In Berlin liefen damals die Fäden zusammen und es fanden sich die zuvor erwähnten „Gönner“ zu einem „Verein der Freunde des Kohl-Handbuches“ zusammen, zu dessen Vorsitzenden eigentlich Carl Lindenberg gewählt werden sollte. Dieser aber lehnte mit Blick auf seine zeitlichen Verpflichtungen erneut ab. Am 28. April 1925 wurde die finanzielle Basis des künftig neuen Unternehmens festgelegt: Es sollte eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 50 000 Mark gegründet werden, mit 50 durch jeweils eine 1 000-Mark-Aktie zeichnenden Anteilseignern. Die Zeichnung der Aktien sollte vorerst zur Hälfte des jeweiligen Betrages erfolgen, der Rest nach Erscheinen der 10. Lieferung. Von Beginn an mit dabei waren12: der Berliner Philatelisten-Klub, Hans Harnisch, Berlin; Dr. phil. h.c. Ernst Hüther, Saalfeld; Heinrich Köhler, Berlin; Alfred F. Lichtenstein (Collectors Club), New York; Adolf Passer, Prag; Ernst Stock, Berlin; Konsul Weinberger, Brünn; Dr. Ing. A. Werner, Nürnberg und andere mehr. Auch einzelne Vereine deuteten ihr Unterstützungsinteresse an.13 Die Form der Aktiengesellschaft ließ sich zwar wenig später so nicht realisieren, dafür kam es dann zur Gründung eines Vereins unter dem zuvor erwähnten Namen, der von Dr. Franz Kalckhoff präsidiert wurde. Ihm zur Seite standen Hans Harnisch als Schriftführer und Heinrich Köhler als Schatzmeister. Die Satzung hatte der Jurist und damalige Oberlandesgerichtspräsident Carl Lindenberg entworfen, Herbert Munk als Spiritus Rector wurde Ehrenmitglied. Um breiteren Kreisen die Mitgliedschaft in dieser erlauchten Runde zu erleichtern, wurden auch Zahlungen von 100 Mark als möglich angeboten, durch die man in die Reihe der „Geber“ aufrückte und nach zehnmaliger Zahlung Mitglied werden konnte. Ende 1925 zählte die Mitgliederliste auch schon den Collectors Club aus New York, Karl Hennig, Weimar und M. Kurt Maier aus Berlin dazu. „Subskribieren“ war das Thema jener Tage und selbst Alfred Lichtenstein ließ es sich als Präsident des Collectors Club in New York nicht nehmen, für die Organisation der „Friends of the Kohl Handbook“ in dessen Zeitschrift zu werben.14 Es ist an dieser Stelle schon aus Umfanggründen nicht möglich, jedes Detail der weiteren Entwicklung des Fördervereins und des Kohl-Handbuches zu schildern. Zur damaligen Zeit, auch in den Folgejahren, war das Thema „Hilfe für das Kohl-Handbuch“ ein Dauerbrenner, der in nahezu jeder Fachzeitschrift in der einen oder anderen 12 Neues vom Kohl-Handbuch, in: Sammler-Woche, Nr. 19/1925, S. 293 13 Eine Liste der Mitglieder dieses „Fördervereines“ ist dem Anhang zu Kapitel 2 zu entnehmen. 14 Vgl. Collectors Club Philatelist, Vol. IV/Juli 1925, Nr. 3, Seite 104 | 131 ____________________________________________________________________________________ Form zu finden war. 1927 zählte der Verein erst 30 Mitglieder, 50 hätten es bereits damals sein sollen, die Zahl wurde aber erst 1933 erreicht. Auffällig war die deutsche Zurückhaltung in den Anfangsjahren, denn von den erwähnten 30 Mitgliedern waren 12 Nord- und zwei Südamerikaner, zwei aus der Tschechoslowakei, so dass nur 14 Deutsche verblieben. Darunter vier deutsche Briefmarkenhändler und zwei, die das Werk druckten, so dass nur vier deutsche Sammler und gerade einmal vier Vereine übrig blieben. Ein nach außen hin beschämendes Ergebnis, das in der Fachpresse als „Schande“ deklariert wurde.15 1928 stiftete zwar der Aachener Briefmarken-Sammlerverein 100 Mark, die neuen Mitglieder aber waren wiederum Ausländer: Stanley Philipps (Fa. Stanley Gibbons, London) und Frank Godden, beide aus London. Dies hier hervorzuheben, zeigt auch eine Neuorientierung in der internationalen Philatelie an. Hatten sich gerade Engländer und Deutsche durch das unselige Geschehen des Ersten Weltkrieges auseinandergelebt, total entfremdet, waren aus Freunden Feinde geworden, gerade auch in der Philatelie, so erfolgte nun ein langsames internationales Aufeinanderzugehen. Dies war auch Dr. Munks Verdienst, dem später dafür in herausragender Weise Dank zugute kam.16 Dass man zu dieser Zeit in England das Kohl-Handbuch sehr genau zur Kenntnis nahm, lässt sich an vielen Beispielen belegen. So wurde die Lieferung des Gebietes „Frankreich“, verfasst von Louis Meinertzhagen in englischer Sprache, von Munk ins Deutsche übersetzt, von beiden überarbeitet und dann wieder ins Englische zurückübersetzt und vom Collectors Club Philatelist publiziert, als Paradebeispiel gewählt, um die Verbreitung solcher und weiterer Bearbeitungen in Monografieform auch in englischer Sprache zu fördern.17 Lichtenstein und sein New Yorker Club hatten dabei die Nase vorn, erwarben sie doch gleich zu Ausgabebeginn die Übersetzungsrechte am Kohl-Handbuch für den Club und dessen Zeitschrift. Einzelne Folgen des Handbuches erschienen in den Jahren 1928 bis 1953 (!) auch im „Collector’s Club Philatelist“ des New Yorker Vereins. 1927 war Munk mit einer Porträt-Postkarte zum Deutschen Philatelistentag geehrt worden, 1928 erhielt er die Österreichische Verbandsmedaille für philatelistische Forschung, 1929 die Verdienstmedaille des Kjöbenhavns Philatelistclub und 1931 stand für ihn eine Ehrung an, die 15 Germania-Berichte, Nr. 3/1927, S. 46 16 Eine Liste der Vereinsmitglieder findet sich im Anhang zu Kapitel 2. 17 The Philatelic Journal of Great Britain, Nr. 455/38. Jg., November 1928, S. 213 132 | geradezu eine Kehrtwende der deutsch-englischen Beziehungen auf philatelistischem Gebiet darstellte: Als erster Deutscher durfte er die „Roll of Distinguished Philatelists“ zeichnen, nachdem er schon zuvor, 1928, erlebt hatte, wie die „Royal Philatelic Society, London“ dem Verein der Freunde des Kohl-Briefmarken-Handbuches e.V. als Mitglied beitrat. W. Dorning Becton wird das Verdienst zugeschrieben, nach dem Ersten Weltkrieg die deutsche und englische Philatelie wieder zusammengeführt, geradezu „versöhnt“ zu haben. Insofern wurde die Auszeichnung Munks in der deutschen Fachpresse „als Beweis für die immer stärker werdende geistige Wiederannäherung der beiden Völker“ bewertet.18 Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist die Ehrung Munks durch den „Ersten Vaterländischen Philatelisten-Verein“ in Budapest, der ihn ebenfalls 1931 mit einer „Großen silbernen Medaille“ für die Herausgabe des Handbuches ehrte.19 Besonderes Verdienst an diesen hohen Ehrungen dürfte der IPOSTA 1930 in Berlin zugekommen sein, der Herbert Munk als Vorsitzender der Jury angehörte und für die er selbst dank seiner ausgezeichneten internationalen Kontakte im Vorfeld viel hatte tun können. Er motivierte die namhaftesten Philatelisten jener Zeit, als Juror für die IPOSTA zu arbeiten, er definierte die Ausstellungsklassen neu (Unterscheidungen zwischen Forschungs-, Spezial- und katalogmäßigen Sammlungen), er arbeitete eng mit Heinrich Köhler, Prof. Dr. Erich Stenger, Dr. Paul Pirl und Hans von Rudolphi zusammen. Kaum verwunderlich, dass allein seine Freunde Alfred Lichtenstein und Frank Godden mit 60 Exponaten zur Ausstellung angereist kamen.20 Ohne Frage: Nach dem Tod Carl Lindenbergs am 13. Juli 1928 war Dr. Herbert Munk unbestritten Deutschlands international angesehenstes „Aushängeschild“. Zumal „sein“ Handbuch international ein ums andere Mal „Gold-Medaillen“ einheimste: 1926 in New York und Buenos Aires, 1927 in Straßburg mit einem Spezial-Ehrenpreis und 1933 bei der WIPA, wo es erneut zur GoldKlasse gehörte.21 1936 wurde Munk erneut in England 18 Das Postwertzeichen, 1931, S. 159 19 BBZ, Heft 5/1931, S. 72 20 Mehr zur IPOSTA 1930 ist im Buch von Wolfgang Maaßen: Begeisterung bis zum Exzess. Das Phänomen Erich Stenger, Schwalmtal 2006, S. 100–108, nachzulesen. 21 Die IPOSTA 1930 war für das Kohl-Handbuch sehr förderlich, indem aus ihren Erlösen dem Verein der Freunde des Kohl-Handbuchs 3 000 Mark überwiesen wurden. Nicht als Barspende, sondern repräsentiert durch drei neue Mitgliedsorganisationen, den Pfeiler-Berlin, den Gau Brandenburg des Germania-Rings und den Internationalen Postwertzeichen-Händler-Verein zu Berlin, die damit je 1 000 Mark Mitgliedsbeitrag zeichneten. Das Geld kam aus den Überschüssen der IPOSTA. Vgl.: BBZ, Heft 2/1931, S. 24 ____________________________________________________________________________________ für seine literarische Arbeit ausgezeichnet: von der Royal Philatelic Society in London. Dieses Mal mit der CrawfordMedaille.22 Zu dieser Zeit aber hatten sich in Deutschland schon die politischen „Vorzeichen“ arg gewandelt und sollten zu einem radikal-drastischen Ende der Handbucharbeit führen. Im Vorwort zu dem im März 1936 von Munk fertiggestellten V. Band des Kohl-Handbuches war von ihm zu lesen: „Leider zwingt mich mein Gesundheitszustand zum ersten Male nach 14 Jahren dazu, die Arbeit am Handbuch eine Zeit lang zu unterbrechen.“ Es war aber nicht eine ernstund dauerhafte Erkrankung, die Munk dazu nötigte, sein Lebenswerk aufzugeben, sondern das in Folge seiner jüdischer Abstammung erzwungene Ausscheiden aus dem Berliner Philatelisten-Klub und seine ihn rettende Übersiedlung in die damals als sicher geltende Schweiz. Herbert Munk stellte mit der 40. Lieferung und des Erscheinens des V. Bands des Kohl-Briefmarken-Handbuchs seine Arbeit also zwangsweise ein. Anders kann man es wohl kaum formulieren, denn sein freier Entschluss war dies wohl nicht. Zurück in Deutschland blieben Kräfte, die schon Pläne einer völlig anderen Verbandsphilatelie hegten, pflegten und durchzusetzen suchten. Herbert Munk entsagte zwar der deutschen Philatelie, nicht aber der Philatelie gene22 Schon im Vorwort zum IV. Band des Handbuches im Dezember 1933 konnte Munk von einer in Arbeit befindlichen Übersetzung des umfangreichen Großbritannien-Teils des Handbuches durch die Royal Philatelic Society in London berichten. Der Collectors Club in New York, der ursprünglich die kompletten Übersetzungsrechte erworben hatte, trat diese für diesen Teil großzügig an den Londoner Verein ab. rell. Er veröffentlichte noch zahlreiche Forschungsbeiträge, nun aber über Schweizer Rayon-Marken in der „Schweizer Briefmarken Zeitung“. Er erlebte aber auch noch eine Ehrung durch den Berliner Philatelisten-Klub 1949 und wurde im gleichen Jahr zum Honorary-Life-Fellow der Royal Philatelic Society, London sowie zum Ehrenmitglied des Collectors Club in New York ernannt. Die Ehrungen erfolgten noch gerade rechtzeitig, denn 1950 erkrankte der damals 75jährige schwer. Er starb am 19. April 1953. Mit ihm ging ein Paul Kohl kongenialer Geist, dessen Lebenstragödie es war, nicht nur sein Lebenswerk unvollendet zu sehen (es reichte eben nur bis „Italien“), sondern auch gerade von den „Sammlerfreunden“ ausgegrenzt zu werden, mit denen er immer eng zusammen gewirkt hatte. Gerade „sein“ Berliner Verein war und wurde damals zur treibenden Kraft, die sich zerstörerisch gegen ihn und andere Mitglieder jüdischer Herkunft im Verein wandte. Es ehrt den Menschen Herbert Munk in ganz besonderem Maße, dass er trotz all dieses unseligen Geschehens 1949 mit Annahme der Ehrenmitgliedschaft einen Schritt zur Versöhnung ging. 2004 wurde er in die „Hall of Fame“ der American Philatelic Society aufgenommen. Hans von Rudolphi veröffentlichte nachfolgend noch weitere bereits schon vorliegende Lieferungen Munks, außerdem eigene Bearbeitungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es erneute Versuche, mittels eines Verein Neues Handbuch das Werk fortzuführen, aber mangels vergleichbar kompetenter Experten war all dies nur Stückwerk. Die Ära Munk blieb einzigartig in der Geschichte der internationalen Philatelie. | 133 ____________________________________________________________________________________ 5.3 Publikationen über Fälschungen ____________________________________________________________________________________ Literatur, also in erster Linie Fachzeitschriften und Bücher, ist objektiv betrachtet ein Medium der Information, um Leser über für sie relevante und interessante Fakten und Vorgänge zu unterrichten. Literatur verfolgt aus Sicht des jeweiligen Autors oder Herausgebers allerdings auch bestimmte Zwecke. Man kann sie – wie heute auch digitale Medien – zur Bekämpfung von Missständen einsetzen, womit sie dann Mittel zum Zweck wird, sich gegen etwas oder jemanden richtet, das oder den man bekämpfen will. Verbände betrieben schon vor rund einhundert Jahren Fachstellen zur Fälschungsbekämpfung und noch heute heißt eine entsprechende Stelle bei der FIP, dem Weltverband der nationalen Sammlerverbände, „commission for the fight against forgeries“. Es geht also eindeutig auch um Bekämpfung. Letztlich bleibt dies eine dauerhafte Auseinandersetzung mit der Sache und mit Personen, die man durchaus auch als „Kampf“ bezeichnen kann. Es wird zu zeigen sein, dass es durchaus seit Beginn der Philatelie solche literarischen Versuche gab. Sie boten in begrenztem Umfang durchaus Hilfestellung bei der Erkennung und Bestimmung von Fälschungen. Der Begriff des „Erkennens“ schließt aber auch eine andere Dimension ein. Denn nicht alle Maßnahmen galten dem „Kampf“, viele auch der Hilfe zur Selbsthilfe. Insofern fühlten sich manche Autoren eher dem Ansatz verpflichtet, hierzu einen Beitrag zu leisten, denn nur wenn der Sammler durch Studium von Marken und deren Merkmalen in die Lage versetzt wurden, diese selbst begutachten 134 | zu können, nutzten derartige Veröffentlichungen, gleich ob in Zeitschriften oder Büchern. Dennoch – und auch darauf ist einzugehen – schaut man einmal mit Abstand die allgemeine Fälschungs- und Sammlerschutz-Literatur durch, fällt auf, dass deren Zahl seit 150 Jahren sehr begrenzt ist. Zwar existieren ungezählte Artikel und Spezial-Studien zu einzelnen Fälschungen bzw. Gebieten, bei denen solche jeweils mit behandelt werden, aber Kompendien und weit reichende Überblicke wurden nur selten und nur von wenigen geboten. Dies ist nicht allein der Schwierigkeit und Komplexität des weltweiten Stoffes geschuldet, sondern in erster Linie der über lange Zeit erforderlichen Dauerhaftigkeit, letztlich aber besonders auch den Fragen der Finanzierung solcher Vorhaben. Daneben gibt es grundsätzliche Sachfragen zur Sinnhaftigkeit von Veröffentlichungen über Fälschungen überhaupt, denn man informiert damit ja auch die, die es eigentlich nicht angeht, die Fälscher selbst. Diese macht vielleicht damit gar noch so klug, erkannte Fehler künftig zu vermeiden. Auch solche Fragen stellten sich von Beginn der Philatelie an. Erste Literatur zur Fälschungsbekämpfung Es ist schon mehr als bemerkenswert, dass zwei der ersten Philatelie-Publikationen überhaupt Fälschungen gewidmet wurden. 1862 schrieb der namhafte Brüsseler Händler Jean-Baptiste Moens, unterstützt von Louis Hanciau, „De la falsification des timbres-poste“. Im gleichen Jahr wurde diese erste philatelistische Monografie sogar ____________________________________________________________________________________ ins Englische übersetzt. Die von E. Doble vorgenommene Übertragung trug den Titel: „On the falsification of postage stamps“ und erschien in Falmouth. Beides sind heute Literaturraritäten, die nur selten auf dem philatelistischen Markt angeboten werden. Das Buch von Moens, eher ein bescheidenes kleinformatiges Büchlein mit 31 bedruckten Seiten, bot aus heutiger Sicht nur wenig an Information. Zwar betonte Moens im Vorwort, dass die große Zahl von Fälschungen es notwendig erscheinen lasse, diese systematisch zu erfassen, aber deren Beschreibung mangelte es durchgehend an Details. Dafür führte er eine größere Zahl ihm bekannter Essays auf, um offenbar diese von echten Briefmarken zu unterscheiden. Auffällig ist allerdings, dass Moens keine einzige damals schon existente Fälschung zum Schaden der Post erwähnte, sondern nur solche zum Schaden der Sammler. Entweder waren ihm erstere noch nicht bekannt oder er sah diese nicht als für Sammler gefährdend an. Als gefährliche Fälschungen definierte Moens primär Farbverfälschungen, also Marken, deren Originalfarbe chemisch oder anderswie leicht in andere Farben, damit in angebliche Raritäten, zu verwandeln waren. Davon gab es tatsächlich nicht wenige. Der zweite – oder je nach Zählung – dritte Titel erschien kaum ein Jahr später. Die Verfasser waren Thornton Lewes und Edward Loines Pemberton. Der Titel lautete: „Forged Stamps. How to detect them”, gedruckt 1863. Die Autoren gaben in dem Werk auch – ähnlich wie bei Moens noch völlig ohne jede Illustration – Hinweise, an welchen Merkmalen man die Fälschungen der aufgeführten Marken erkennen konnte. Pemberton gilt nicht erst seit heute als einer der führenden Pionierhändler jener frühen Zeit. Obwohl er zweifelsohne ein ausgezeichneter Kenner war, unterlief ihm dennoch ein Fehler, den es anzumerken lohnt, zeigte er doch die Probleme jener Zeit exemplarisch auf: Er hielt in diesem Buch noch die „Doppelgenf“ für eine Fälschung! Zwar korrigierte er dies im „Stamp Collector’s Magazine“ wenig später1, aber der Vorfall zeigt, wie schwer sich namhafte Katalog-Autoren mit den ersten genaueren Bestimmungen wirklich echter und deren Unterscheidung von unechten Marken taten. Es waren offenbar noch eine Reihe anderer Mängel in dem Werk vorhanden, die Edward L. Pemberton zur Korrektur und Ergänzung bewogen. Ursprünglich hatte Pemberton wohl eine Neuauflage der Schrift angedacht, ließ diesen Gedanken aber fallen und veröffentlichte diese statt dessen in verschiedenen Fort- 1 Stamp Collector’s Magazine, 2. Jg., 1864, Nr. 15, S. 62–63 setzungen in der Zeitschrift „The Philatelist“ von 1866 bis 1868.2 1865 erschienen gleich zwei weitere Publikationen zur Fälschungsbekämpfung, beide wiederum in England. Thomas Dalston veröffentlichte “How to detect forged stamps”, Gateshead, und John M. Stourton: “Postage stamps forgeries or the collector’s vade mecum”, London – Birmingham.3 Thomas Dalston ging allerdings mit den Vorgängerwerken hart ins Gericht. In seinem vierseitigen Vorwort verwies er bereits auf die Notwendigkeit, die Fehler seiner Vorgänger zu korrigieren. Gerade die englische Übersetzung des Büchleins von Moens hätte dies nötig, da bei den Beschreibungstexten mehrfach echte mit falschen Marken verwechselt worden seien. Manchmal sei auch gar nicht eine echte, sondern gleich zwei falsche Marken beschrieben worden. Pembertons Schrift stufte er wohlwollender ein: die enthaltenen Mängel seien eher unbedeutendere Irrtümer. Allerdings ziele dessen Beschreibung von Phantasiemarken an der Wirklichkeit vorbei, da diese nun wahrlich nicht bedeutsam seien. Weitaus größere Gefahr ginge von Faksimiles aus, die wie die von den Gebr. Spiro in Hamburg gefertigten Nachahmungen weitaus gefährlicher seien, da teils gar mit Zähnung und Wasserzeichenpapier ausgeführt. Dalstons 38-Seiten-Schrift versuchte – ausgehend von dieser eigenen Positionierung – dem Sammler dann bessere Hinweise zu geben. Allerdings blieb es auch hier bei Kurzbeschreibungen der echten Marke, die den Erkennungsmerkmalen der Fälschung nur mit Text, also ohne Abbildungen, gegenübergestellt wurden. Der Trend, sich von Pembertons Ansatz abzugrenzen, wurde bei dem zweiten Werk, das 1865 erschien, nämlich dem von J. M. Stourton, verlegt bei Trübner & Co. in London, noch deutlicher. Schon im Titel hob dieser Autor hervor, dass sein „Vade Mecum“ für Sammler nunmehr 700 Fälschungen mit dazugehörenden Beschreibungen enthalte; Essays und chemisch verfälschte Marken seien ausgeschlossen. Stourton widmete seine Schrift Sir Rowland Hill. Im Vorwort bekannte er, seit 1862 zu sam2 Vgl. „Supplement to Lewes and Pemberton’s ‚Forged Stamps: How to detect them’“, Nachdruck von „The Philatelist“, 1866, 1867 und 1868, insgesamt 30 Seiten, hrsg. Von Lowell Ragatz, Washington 1953 3 Alle bisher genannten frühen Fälschungsschriften, die bis 1868 erschienen, wurden von Lowell Ragatz in einem Sammelband: The Early Philatelic Forgeries”, Washington 1953, zusammengefasst. Dabei befindet sich auch eine englische Übersetzung von Moens/ Double; 2. Auflage von Pemberton. Es existiert ein weiterer Nachdruck der Durst Publication, New York 1979 unter dem Titel „Early Forged Stamps Detector“, der aber nur die Publikationen von Pemberton-Lewes und Dalston enthält. | 135 ____________________________________________________________________________________ meln und er betonte, auf Grundlage seiner Sammlung von 1 250 echten Marken sowohl zahlreichen Fälschungen sähe er sich durchaus in der Lage, dieses Werk kompetent und sachkundig abzufassen. Gerade um genaue Angaben zu Markenfarben habe er sich besonders bemüht und er danke – nicht nur dafür – Edward Pemberton für seine Unterstützung. Allerdings: Auch seine Schrift blieb ohne Abbildungen, Dalston beließ es bei reinen Kurzbeschreibungen. Während sich im Deutschland der 1860er- und weitgehend auch der 70er-Jahre die Autoren meist auf allgemeine Hinweise in Katalogen und konkretere in den Fachzeitschriften beschränkten, bauten in England führende Philatelisten auf den genannten Erstlingswerken auf und führten diese fort. Von 1871–1881 veröffentlichten Edward L. Pemberton, W. Dudley Atlee und Robert B. Earée 67 Artikel unter dem Titel “Spud Papers” in verschiedenen Zeitschriften, die sich vorwiegend mit den Fälschungen der Spiro-Brüder auseinandersetzten.4 Daraus ging später das beste Fälschungswerk jener Jahre hervor: „Album Weeds or How to detect forged stamps“. Es erschien 1882 in erster Auflage mit einem Buchumfang von 560 Seiten, 1892 in zweiter Auflage (nunmehr schon mit 726 Seiten) und 1906/07 sogar in einer dritten Auflage, die dann allerdings die letzte blieb. Dafür bestand diese aus zwei Teilen mit 587 und 709 Seiten Umfang. Dieses Werk war zweifellos instruktiv, allerdings – aus heutiger Sicht – mit zu wenigen Illustrationen versehen.5 Earée war Geistlicher und in diesem Amt auch von 1880 bis 1890 in Berlin tätig. Dort kam er dann wohl auch mit einem Mann zusammen, der kurz zuvor – erstmals überhaupt in Deutschland – ein Handbuch zur Fälschungsbekämpfung geschrieben hatte: Paul Lietzow. Sein Werk „Das Schwarze Buch der Philatelie oder Neudruck und Fälschung von Postmarken und Briefumschlägen“ aus dem Jahr 1879 setzte fortan Maßstäbe, wenngleich auch hier noch Abbildungen durchgehend fehlten. Carlrichard Brühl wertete es in seiner „Geschichte der Philatelie“ 1885 als eine „Kampfschrift gegen Fouré“, was so generalisiert nicht zutreffend ist, da es sich ja in erster Linie mit den damals als Problem empfundenen Neudrucken auseinandersetzte, die selbst von Postverwaltungen herausgegeben wurden. Zwar wurden in einem Beitrag zu 4 Die “The Spud Papers” existieren ebenfalls als Nachdruck von Lowell Ragatz aus dem Jahr 1950. Dieser enthält auf 168 Seiten alle 67 Artikel, die von 1871 bis 1881 in “The Philatelist” erschienen.) 5 Zwischen 1950 bis 1970 gaben Lowell Ragatz & Jim Beal einen Nachdruck dieser dritten Auflage in acht Bänden heraus, der zuweilen noch erhältlich ist. 136 | Schluss des Buches auch Fouré und dessen Fälschungen mehr oder weniger deutlich angesprochen, aber die Mehrzahl der aufgeführten „Falsifikate“ stammten nicht von diesem, sondern waren amtlich oder privat veranlasste Neudrucke, die von Original-Druckwerkzeugen (Platten, Prägestempel) von Postverwaltungen oder von privater Seite veranlasst waren. Damit ist eigentlich auch schon die Zahl nennenswerter allgemeiner Werke, die sich generell mit Fälschungen und deren Erkennung im 19. Jahrhunderten beschäftigten, genannt. Weder einzeln erwähnt noch sonderliche Berücksichtigung fanden dabei die frühen Fachzeitschriften, die von Beginn es als ihre ureigenste Aufgabe ansahen, mit Beiträgen aller Art vor Fälschungen (Nach- und Neudrucken, Faksimiles) und Verfälschungen zu informieren. Die Zahl derartiger Kurzstudien ist Legion und hier nicht zu berücksichtigen. Rolle und Zwiespalt der Fachzeitschriften Sollte man Fälschungen und deren Beschreibungen überhaupt veröffentlichen? Dieser Frage widmete sich bereits vor mehr als hundert Jahren Otto Rommel aus Leipzig.6 Rommel verwies auf das „Handbuch der Philatelie” von Richard Krause, das 1888 bei Ernst Heitmann in Leipzig erschienen war und als eines der frühen „wissenschaftlichen“ Handbücher in Deutschland galt, ähnlich dem wenig später von Otto Teltz begonnenen, dann von Carl Lindenberg u.a. weitergeführten „Handbuch der Philatelie“. Von diesen in der Regel die Briefmarkenausgaben länderweise und chronologisch bearbeitenden Handbüchern meinte er, dass sie zu wenig Aufklärungsarbeit leisten und forderte die „Koryphäen der philatelistischen Wissenschaft“ auf, aus ihrer Untätigkeit zu erwachen. Zwar gäben diese als Grund der gebotenen Zurückhaltung in Sachen Fälschungsveröffentlichungen häufig an, „diese Weisheit tauge nicht für die Oeffentlichkeit, da die Fälscher in erster Linie aus ihr Vortheil zum allgemeinen Nachtheil schöpfen würden“7, aber die Stichhaltigkeit einer solchen Argumentation sei nicht gegeben. Echte Marken seien ja im Besitz der Fälscher und diesen bekannt. An Fälschungen als Vorlage zu weiteren Fälschungen seien diese wahrlich nicht interessiert. Rommel vermutete andere Gründe, „einerseits eine gewisse Wichtigthuerei und das Bestreben, sich von der grossen Masse der unwissenden Philatelisten anstaunen zu lassen, andererseits sogar das liebe Geschäftsinteresse, da die Un6 Otto Rommel: „Fälschungshandbücher und Reformbedürftigkeit unserer Sammlervereine und Fachpresse“ in der Illustrirten Briefmarken Zeitung, Nr. 17, 4. Jg., 1. September 1891, S. 345 ff. 7 Derselbe, a.a.O., S. 346 ____________________________________________________________________________________ wissenden ihre ‚Fünfer’ in ungezählten Massen für Prüfungsgebühren zu bezahlen haben.“8 Den wahren Schutz gegen Fälschungen sah Rommel nur im Erwerb von Kenntnissen und Kompetenz. Ein „Vertrauliches Korrespondenzblatt“, ein in Deutschland zur damaligen Zeit weithin verbreitete Verbandsblatt für Vereine, könne dies wirklich nicht leisten, denn bei dem Einzelnen müsse für größere Aufklärung gesorgt werden. Auch die Vereine seien – was die Aufklärung angehe – reformbedürftig, Vorträge zum Thema seien „Oasen in der Wüste“9 und aus diesen erfahre man gerade das Wichtigste nicht: die Kenntnis der Echtheitsmerkmale. Selbst in Vereinen teilten die Wissenden nicht ihr wirkliches Wissen. Rommel forderte damit die Gruppe der Wissenden heraus, eine Antwort konnte nicht ausbleiben. Schon in der nächsten Nummer der Fachzeitschrift10 folgte eine Erwiderung, die allerdings namentlich nicht gekennzeichnet war, aber vermutlich von den Redakteuren der Zeitschrift, Alfred Moschkau und/oder Hugo Schwaneberger stammte. Diese brachten den Einwand, dass die Wirklichkeit zeige, dass Sammler nun wirklich nicht engagiert lernen und lesen wollten, selbst an der Bereitschaft, sich einmal die Marken intensiver anzuschauen, hapere es vielfach.11 Ein „Handbuch der Fälschungen“ sei schon insofern Illusion, weil es ja noch nicht einmal dessen Voraussetzung, ein „Handbuch der Originale“ gebe. Würde man beides zusammenziehen, wäre auch der Umfang doppelt so groß! Mit Blick auf die oben bereits vorgestellten FälschungsHandbücher von Moens, Pemberton und Earée meinten die Autoren: „Die Versuche, Falsificaten-Cataloge anzulegen, haben wenig Erfolg gehabt und reizen nicht zur Nacheiferung“. Und eher polemisch: „Wer nicht einmal in der Lage ist, den Fälschungsschund zu erkennen vermag, der thut besser, auf das Markensammeln ganz zu verzichten.“12 Den Vorwurf, dass die „Wissenden“ ihr Wissen aus Geschäftsgründen für sich behalten, ließen die Autoren bestenfalls für Händler gelten, nicht für die Presse, die ja ständig bemüht sei, Wissen weiterzugeben. W. Müller griff diese Debatte 1896 in einem mehrteiligen Beitrag im „Austria-Philatelist“.13 Er verwies darauf, dass Warnungen in der Presse schon nach wenigen Wochen 8 Derselbe, a.a.O., S. 346 9 Derselbe, a.a.O., S. 347 10 Illustrirte Briefmarken Zeitung Nr. 18 11 Vgl.: Illustrirte Briefmarken Zeitung, Nr. 18, 4. Jg., 1891, S. 367 12 Vgl. Illustrirte Briefmarken Zeitung Nr. 18, 4. Jg., 1891, S. 368 13 W. Müller: Soll man Markenfälschungen nur einfach melden, ohne Angabe ihrer Abweichungen vom Original, oder solche mit allen Merkmalen eingehend beschreiben?, in: Austria-Philatelist, 3. Jg., Nr. 10/15. Mai 1896, S. 205 ff. vergessen seien, man diese nicht ständig wieder auffrischen könnte, Handbücher aber ebenfalls schnell angesichts der neuen Fälschungen veralten.14 Alles, was da bisher unternommen wurde, sei mehr oder weniger nutzlos. Das gelte auch für diesbezügliche Versuche spezieller Vereine wie der Londoner „Philatelic Protection Association“ oder der „Society for the Suppression of speculative Stamps“. Aber auch Farbtafeln – Scott Stamp Co. hatte eine erste Farbenkarte mit 142 verschiedenen Farben herausgegeben – nützten nicht viel, da diese doch von den Originalfarben der Marken häufig abwichen. Selbst die Beschreibung von Stempelfälschungen unterstütze nur das Fälschungsunwesen, denn durch die Beschreibung „wird es den Fälschern möglich gemacht, Stempel dann leichter richtig nachzuahmen.“15 Sich gegen etwas auszusprechen, war zweifelsohne leichter als selbst etwas Neues zu schaffen. Es blieb Paul Ohrt, dem späteren Gründer des Germania-Rings und dem Leiter der Prüfstelle jenes Verbandes, vorbehalten, 1912 das Thema erneut in der Presse aufzugreifen. „Was heute in der Philatelie alles gefälscht wird, geht auf keine Kuhhaut“, meinte Paul Ohrt zu Beginn seines Artikels16 und zitierte Carl Lindenberg, der in einem Editorial der „Deutschen Briefmarken-Zeitschrift“ schon 1905 geschrieben hatte: „Die Erkenntnis, dass das philatelistische Sammelgebiet zu groß geworden ist, dass der Aufwand an Mitteln und Kenntnissen, der zur Beherrschung der gesamten Philatelie gehört, die Kräfte des einzelnen übersteigt, muss jedem kommen, der mit offenen Augen in unserer Liebhaberei steht.“17 Ohrt belegte diese Behauptung mit Hinweisen auf die immer zahlreicher werdenden falschen Abstempelungen außer Kurs gesetzter Restbestände /Landpostmarken Baden, aller Markenwerte von Bergedorf, MecklenburgStrelitz u.a., der falschen Aufdrucke auf ansonsten echten Marken (Süd-Bulgarien, Luxemburg-Dienstmarken, deutsche Kolonialmarken von Marokko, Futschau, Tientsin u.a.), auf chemische Fälschungen (gelber Merkur aus ursprünglich blauem), falsche Umrandungen, falsche Durchstiche und Zähnungen, falsche Gummierung, Fälschungen aus verschiedenen echten Markenteilen usw. Meldungen in Zeitschriften hätten angesichts dieser Schwemme immer nur einen sehr kurzzeitigen Wert, sie seien häufig nach Jahren vergessen. Deshalb gäbe es nur ein Mittel: ein philatelistisches Nachschlagebuch, ein „Handbuch aller bekannt gewordenen Fälschungen“. 14 W. Müller, a.a.O., S. 206 15 W. Müller, a.a.O., S. 207 und 208 16 Vgl. Die Post, 1912, S. 41–44 17 Vgl.: DBZ, 1905, S. 1 | 137 ____________________________________________________________________________________ Dies habe ja bereits 1882 in erster und 1892 in zweiter Auflage der englische Geistliche Robert Earée im Stanley Gibbons Verlag publiziert („Album Weeds or how to detect forged stamps“), aber es sei sehr unzweckmäßig und wenig übersichtlich gewesen, vor allem hätten dem Werk die Abbildungen der Fälschungs-Kennzeichen gefehlt. So blieb es bei mehr oder weniger Versuchen Einzelner, den Fälschungen und den Fälschern beizukommen. Letztlich war dies, weder rechtlich noch fachlich, kaum mit Literatur – gleich ob in der Presse oder in Form von Handbüchern – möglich, wie man heute weiß. Nur mit Experten, die jeder für sich ihr Wissen nutzen und somit dem Sammler Halt und der Philatelie Stabilität gaben. Dennoch sollte auch im 20. Jahrhundert die Kompendien-Literatur über Fälschungen noch eine bedeutende Rolle spielen. Spätere Fälschungs-Literatur Namen bekannter Fälscher oder Fälschungsvertreiber wie z. B. Georges Fouré in Deutschland, François Fournier in der Schweiz oder gar Jean Sperati in Frankreich lösten vor 100 Jahren eine Flut von Publikationen aus, die hier nur exemplarisch auch für die Nachfolgejahre zu benennen ist. Der Belgier Fernand Serrane (gestorben 1933) versuchte, mit seinem französisch-sprachigen Werk „Vademecum du spécialiste-expert en timbres-poste“, herausgegeben in zwei Bänden (Europa, Übersee), Nice 1926 – Bergerac 1929, Fälschern und ihren Produkten beizukommen.18 Die Stärke des Werkes lag in der umfassenden Beschreibung der Fälschungen, weniger in den Abbildungen, die es nur zu einigen Fälschungen, zumeist in gezeichneter Form, gab. „Kinderkrankheiten“ hatten auch andere Nachfolgewerke. Zum Beispiel das bis heute hin vielfach genannte „Große Handbuch der Fälschungen“ von Otto E. Stiedl und Fritz Billig, das in Wien von 1933 bis 1938 in 44 Lieferungen erschien. Dieses umfangreiche Werk bot nur sehr kurz erläuternden knappen, eher stichwortartigen Text, zwar jeweils mit vergrößerten Foto des Originals sowie der Fälschung, aber ohne Angaben zur Entstehungszeit und Ursprungsort resp. der „Werkstatt“ der Fälschung. Es gab weitere Versuche einzelner Philatelisten, auch einzelner Verbände, umfangreiche Handbücher verschiedener Art zu produzieren. So z.B. von dem Deutschen Arthur 18 Ein anonymer Nachdruck existiert aus den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts. Dieser soll wohl bessere Abbildungen als das Original aufweisen. Eine Übersetzung ins Englische erschien von November 1992 bis Dezember 1995 in ‚The American Philatelist’. Die American Philatelic Society gab diese Serie dann in Buchform unter dem Titel „The Serrane Guide. Stamps Forgeries of the World to 1926“ in einem Band von 416 Seiten 1998 heraus. 138 | Schröder, der zwischen 1935–1949 sein Werk „Schach den Fälschungen“ publizierte.19 Gerade die ersten Folgen dieser Reihe waren durchaus von ausgezeichneter Qualität. Die erste Lieferung umfasste 48 Seiten auf Kunstdruckpapier, auf denen die zahlreichen Abbildungen, auch die von Schroeder herausgearbeiteten Vergrößerungsmerkmale der Fälschungen – jeweils im Vergleich zu echten – bestens herauskamen. Zwei weitere Lieferungen in vergleichbarem Umfang erschienen ebenfalls 1935, eine vierte 1935/36. 1937 gab es dann eine zweite, verbesserte Auflage, in der auch zahlreiche neu bekannt gewordene Fälschungen von A bis Z, richtiger gesagt von Albanien bis Westthrazien, Bearbeitung fanden. Was Dr. Schroeders Werk zweifelsohne aus der Masse anderer, aber auch von den vorgenannten hervorhob, war, dass er es verstand, die Fälschungen nicht nur sehr ausführlich und detailliert zu beschreiben (diese müssen ihm vielfach wirklich vorgelegen haben und von ihm selbst untersucht worden sein), sondern dass er auch Original wie Fälschungen abbildete und zusätzlich auch die relevanten Unterscheidungsmerkmale in vergrößerter Form bei den echten wie falschen Marken kunstvoll herausarbeitete. Dies war ein hoher Aufwand, den in dieser Form kaum ein anderes Werk vor ihm und nach ihm geleistet hat. Zumal nicht weltweit, wobei der Autor selbst keinen enzyklopädischen Anspruch verfolgte.20 In den 1950er-Jahren erschien von Lowell Ragatz eine kurze Bibliografie der Literatur zu Fälschungen.21 Prof. Lowell Ragatz, von Beruf Historiker, machte sich auch durch die von ihm veranlassten Nachdrucke früher Fälschungsliteratur einen Namen, ebenso mit der von ihm unter Pseudonym (Georg oder Janet von den Berg) über 25 Jahre geführten Artikelserie „Philatelic Notes“ in der Zeitschrift „Stamps“, die jeweils Fälschungen und deren Merkmale zum Thema hatte.22 Zwei Jahre bevor Ragatz starb, 1978, 19 Die erste Lieferung erschien 1935, weitere 1937, eine fünfte Lieferung datiert aus dem Jahr 1938, eine erste Nachkriegslieferung von 1949. Grundsätzliche Gedanken und Anregungen zur Fälschungsbekämpfung von Arthur Schroeder erschienen 1947. 20 Dr. Manfred Amrhein, der in seiner bisher vierbändigen Enzyklopädie zur philatelistischen Literatur auch die wesentlichen Werke zu Fälschungen listete, beschreibt die Periodika von Dr. Arthur Schroeder nicht näher, führt sie aber in seiner bibliografischen Übersicht auf. Vgl.: Philatelic Literature, Band 2, The Literature on Forgeries, S. 77–89, hier S. 89. Ältere Werke des 19. Jahrhunderts zum gleichen Thema finden sich in Band 1, S. 49–50 und S. 103–105 21 Vgl.: Lowell Ragatz: An introduction to the literature of philatelic Forgeries, Washington D.C., ohne Jahr, 15 Seiten 22 Siehe hierzu: Manfred Amrhein, The Philatelic Literature, Band 2, S. 77/78 ____________________________________________________________________________________ hatte Varro E. Tyler seine Biografie „Philatelic Forgers“ in London bei Robson Lowe publiziert. Die Erstauflage präsentierte 84 Biografien angeblicher oder tatsächlicher Fälscher (zuweilen auch nur Fälschungsvertreiber), eine 1991 veranlasste Zweitauflage bereits 150, wobei in diesen Büchern weniger die Fälschungen als deren Urheber im Blickpunkt standen. Aber auch Verbände, zumal Prüferverbände, nahmen sich der Fälschungen literarisch an, wie zwei ausgewählte Beispiele aus neuerer Zeit zeigen mögen. Seit 1983 veröffentlicht die „Philatelic Foundation“ in den USA „Philatelic Expertizing – OPINIONS. An Inside View“ in gewissen Abständen Bücher, in denen Studien zu Fälschungen teurer Marken vorgestellt werden. Dem ersten Band aus dem Jahr 1983 mit 141 Seiten Umfang, folgte 1984 ein zweiter mit 229 Seiten, 1986 einer mit 198 Seiten, 1987 mit 244 Seiten, 1988 mit 252 Seiten, dann wurde es erst einmal ruhig. 1992 gab es einen weiteren Band in dieser Reihe mit 226 Seiten Umfang, 2006 einen mit 212 Seiten und 2010 den bislang letzten mit 243 Seiten (Band 8). Zu den ersten fünf Bänden existiert ein sehr hilfreicher 1990 erschienener Index, in dem alle Fundstellen der Fälschungen mit Infos nachgewiesen sind (163 Seiten).23 Zu dieser Klasse der Fälschungsliteratur zählt auch die jüngere Reihe der jährlich erscheinenden Bücher „Fakes – Forgeries – Experts“, die von der AIEP (Association Internationale des Experts Philatelique) und bis 2012 von der FIP (Federation Internationale de Philatélie) herausgegeben wurden. Es handelt sich um großformatige Bücher, in der Regel bis zu 200 Seiten, im hochqualitativen Farbdruck aufwändig produziert. 1998 erschien der erste Band, mittlerweile sind es fünfzehn Bände (2012), in denen namhafte Experten, meist Prüfer und Mitglieder der AIEP, neue Fälschungen in zahlreichen Detailvergrößerungen präsentieren, auch die Tricks der Verfälscher beschreiben. Die alte Debatte, ob es sinnvoll sei, Fälschungen und deren Merkmale zu veröffentlichen, hat hier also eine eindeutige Antwort gefunden. Ein „Weltkatalog der Fälschungen“? Dies wird wohl ein Traum bleiben, auch wenn es ein Buch mit solch einem Titel gibt. Der von G. Kock herausgegebene „World Forgery Catalog. A Reference List of Stamp Forgery Descriptions“ erschien in einer Erstauflage 1998. Auf 90 Seiten wurden 3 000 Marken oder Serien aufgeführt, meist klassische Marken, dazu aber nicht deren Fälschungen vorgestellt, 23 Einen wertvollen Überblick über die aktuelle Literatur zum Thema Fälschungen und Fälschungen bietet, auch nach Ländern und Sammelgebieten differenziert, die Internetseite von Leonard H. Hartmann: http://www.pbbooks.com/fake.htm sondern rund 7 500 Quellenverweise auf diesbezügliche Literatur gegeben. Es handelte sich also – genau genommen – um eine Bibliografie. Wenn schon kein Weltkatalog, dann wären doch länderbezogene Fälschungs-Handbücher denkbar. Diese gab es und wird es auch künftig sicherlich geben. Zum Beispiel für Deutschland. Bekannt ist das „GPS Reference Manual of Forgeries“, das seit 1975 von dem 1998 verstorbenen Dr. Werner Bohne mit 14 Bänden und 42 Nachträgen zusammengestellt und von der US-amerikanischen Germany Philatelic Society (GPS) vertrieben wurde. Allein in den ersten einundeinhalb Jahren nach Beginn dieses Projektes konnte Dr. Bohne mehr als 350 einseitig bedruckte Blätter vorlegen. Insgesamt zählt das Handbuch nahezu 6 000 Blatt, – ein Umfang, der von keinem anderen Werk dieser Art bisher je erreicht wurde. Da selbst beim Herausgeber keine kompletten Handbücher mehr vorhanden sind, wurde 2001 von der GPS beschlossen, dieses Handbuch zu digitalisieren. Seit einiger Zeit ist dieses Vorhaben abgeschlossen und es liegt in Form von elf CD-ROM vor, die von Altdeutschland bis zur jüngsten Vergangenheit alle Fälschungen auflisten, dokumentieren und abbilden, die Dr. Bohne bekannt waren. Auch dieses Handbuch beschränkt sich – ähnlich wie das von Stiedl/Billig auf die fotografische Vergleichsreproduktion und zugehörende kurze Beschreibung der Erkennungsmerkmale. In Kanada erschien eine Reihe „Forged Postage Stamps“ von H. Bynof-Smith, in der Albenblätter mit Anmerkungen reproduziert wurden: zu den Amerikas (206 Seiten, 1991), zum Britischen Empire (206 Seiten, 1990), zu Afrika und Asien (145 Seiten, 1992), zu Europa – Albanien bis Griechenland (230 Seiten, 1994) und Ungarn bis Ukraine (213 Seiten, 1993), von denen selbst Anbieter sagen: Nützlich, aber keine detaillierten Studien. Systematische Studien Ist damit die Zeit der Versuche großer Fälschungs-Handbücher – allein ein Handbuch über Neudrucke deutscher Marken, von Paul Ohrt zwischen 1906–1928 in drei Teilen mit insgesamt über 670 Seiten veröffentlicht, brauchte 30 Jahre – endgültig vorbei? Es hat den Anschein, zumal das Internet insgesamt hier eine Fülle an dauerhafter und weit umfassenderer Information bieten kann, wenngleich man diese jeweils einzeln suchen und zusammentragen muss. Die angesichts von mehr als 600 000 Briefmarken weltweit kaum noch überschaubare Zahl möglicher Fälschungen, aber auch der Phantasiemarken („Bogus“ und „Cinderellas“), sind literarisch, zumindest in gedruckter Form, kaum noch in den Griff zu bekommen. Bestenfalls je Land und Gebiet mit Einzelarbeiten. | 139 ____________________________________________________________________________________ Umso mehr Bedeutung kommt und kam auch schon früher deshalb grundsätzlichen methodischen Studien zu, die die Arbeitsweise, die Techniken der Fälscher und deren Verfälschungen exemplarisch herausstellten. Ein frühes Buch dieser Spezies war „Forgeries and Fakes“ von Alexander J. Sefi, eine Monografie, die 1929 zum Philatelic Congress von Großbritannien publiziert wurde.24 1989 publizierte auch der bekannte Experte Jean-François Brun ein Werk („Faux et Truqués“), in dem er nicht einzelne Fälschungen, sondern die Methoden zur Entdeckung von Fälschungen näher beschrieb. Das 136 Seiten umfassende Buch (mit 300 Abbildungen, davon 39 in Farbe) erschien in mehreren Auflagen als Nachdruck und wurde sogar unter dem Titel „Out-Foxing the Fakers“ 1993 ins Englische übersetzt. Biografische Publikationen Dieser kleine Überblick über die bedeutenderen Werke, weil in der Regel weltweiten Erfassungsversuche früherer Zeiten, wäre sicherlich nicht vollständig, ohne zumindest beispielhaft einige besondere Arbeiten zu erwähnen, die eher biografisch-dokumentarisch das Wirken einzelner namhafter Fälscher aufzuzeigen suchten. In summarischer Kurzform publizierte bereits 1976 Varro E. Tyler über „Philatelic Forgers, Their Lives and Works“. Der damaligen 60 Seiten-Erstauflage folgte eine nur gering ergänzte, allerdings dank neuer Gestaltung mit 165 Seiten deutlich umfangreichere Zweitauflage 1991. Dem Werk sind durchaus wertvollen Daten und Fakten zu entnehmen, auch werden exemplarisch bei manchen Fälschern „Arbeitsbeispiele“ gezeigt. Allerdings fehlt es an fachlich hinreichender Anwendung eines differenzierten „Fälschungs“-Begriffes, was dazu führt, dass man nicht wenige Philatelisten oder Firmen dort vorgestellt sieht, denen man nie und nimmer die Herstellung und/oder den wissentlichen Vertrieb von Fälschungen unterstellen würde. Fachlich versiert und fundiert begegnet einem die 1997 veröffentlichte 104-Seiten-Studie „The Oneglia Engraved Forgeries ...“ von Robson Lowe und Carl Walske, in der Oneglias Arbeit mittels 788 registrierten klassischen im Tiefdruck gravierten Briefmarken aus 30 Ländern vorgestellt wird. Auf ähnlichem Niveau ist die Arbeit von Robson Lowe „The Oswald Schröder Forgeries“ aus dem Jahr 1981 anzusiedeln, die zwar nur 20 Seiten umfasste, aber Erschöpfendes auch mit zahlreichen Abbildungen zu diesem bekannten deutschen Fälscher ans Tageslicht brachte. Heute bereits legendär ist Robson Lowes Buch „The Work of Jean de Sperati“, das 1955 von der British Philatelic As24 Auch von dieser Arbeit gibt es einen Ragatz-Nachdruck (28 Seiten), der um 1960 erschien. 140 | sociation im grünen Ledereinband für die Teile 1 und 2 erschien. In der Regel werden davon die ersten beiden Bände (Teil 1: Text, Teil 2: Plates) angeboten, es gibt aber auch noch einen Teil 3 (Tests) und sogar einen Teil 4 mit zwölf Original-Sperati-Replikaten. Die Bände 1 und 2 erschienen ein Jahr später noch als sog. „Bibliotheksausgabe“ im roten Ledereinband, zu der es auch noch den Teil 3 gab. In der Ausführung der Erstauflage von 1955 erschien 2001 ein von Robson Lowe und Carl Walske verfasster Nachtragsband, der allerdings für sich ein völlig neues (Ergän zungs-)Buch darstellt: 218 Seiten und vier Farbtafeln infor mieren über die nach 1955 bekannt gewordenen, damals noch nicht entdeckten Produkte des Fälschers. Zur Person Speratis, gerade auch aus familiärer Sicht, bietet ein jüngeres Werk von 2003, geschrieben von Lucette Blanc- Girardet, „Jean de Sperati – L‘homme qui copiait les timbres“, aufschlussreiche Details und nicht bekannte Fotos. Drei vergleichbare Werke mögen diesen Überblick abschließen: „The Yucatan Affair. The Work of Raoul Ch. de Thuin, Philatelic Counterfeiter“, ein umfangreiches Buch, das von Redakteuren der American Philatelic Society 1974 veröffentlicht, die Arbeiten dieses belgischen, nach Mexiko ausgewanderten Fälschers seit der Mitte des 20. Jahrhunderts dokumentiert. De Thuin fälschte vorwiegend Aufdrucke auf Marken zahlreicher Länder, speziell Süd- und Mittelamerikas, die sich so in Seltenheiten verwandelten (die ursprünglich aufdrucklosen Originale waren wenig wert). 1980 gab es von dem Werk eine 523 Seiten umfassende Neuauflage. In neuerer Zeit überraschte neben einem deutschsprachigen Buch von Reinhard Metz „Georges Fouré. Die Geschichte eines genialen Philatelisten und Fälschers“ (352 Seiten, Hardcover, alle Abbildungen der gefälschten altdeutschen Ganzsachen in Farbe, Schwalmtal 2009) ein „Workbook. Notes on Reprints ad Forgeries of Columbian Stamps“ von Dieter Bortfeldt, das in drei Teilen erschien: Teil 1 (The Classic Period 1859–1868, 211 Seiten, 2004), Teil 2 (The Sovereign States of Columbia. Antiquia, Bolivar, Boyaca, Cundinamarca, Tolima, Panama (252 Seiten, 2007) und Teil 3 (The Colombian Airmails (240 Seiten, 2007), jeweils in englischer Sprache verfasst und in Kolumbien gedruckt. Eines zeigen die hier genannten, aber auch die tausenden ungenannten Arbeiten allemal: Die Geschichte der Fälschungen und ihrer Urheber ist eine unendliche Geschichte und wird die Philatelie durch alle Zukunft begleiten, Autoren aber auch immer wieder zu deren Erkennung und Bekämpfung herausfordern. ____________________________________________________________________________________ De Thuin vor und nach dem APS-Aufkauf Leonard H. Hartmann ____________________________________________________________________________________ Der Fälscher Raoul Ch. de Thuin war gleich in mehrfacher Hinsicht talentiert: als Künstler, als Zeichner mit Kenntnissen über Farbe und Papier, wobei ihm durchaus seine Möglichkeiten und Grenzen bewusst waren. Am besten war er als Betrüger und Gesetzesflüchtling. Raoul de Thuin zielte speziell auf Menschen mit geringem Wissen um das in Frage kommende Material ab, zumal auf Gebiete, über die man wenig wusste. Anders als Sperati, Fournier, Ongelia, Wada etc., die Briefmarken in exzellenten Details reproduzierten, beschränkte sich de Thuin überwiegend auf Aufdrucke und Stempel. Seine eigenen Versuche, Stichtief- oder Buchdruckmarken zu fälschen, waren nicht sonderlich erfolgreich und er konnte diese auch nie vermarkten. Falsche Stempel und Aufdrucke sind aber schwerer zu entdecken, zumal wenn sie auf echten Marken geringeren Wertes erscheinen. Angesichts der Nachdrucke und Fälschungen Dritter war seine Investition zu seiner Zeit und Blick auf seine Begabung sehr gering. De Thuin war offensichtlich Belgier von Herkunft. Er nahm sein Fälschungsgeschäft 1916 auf, als er 26 Jahre alt war. 1931 wurde er als Verkäufer von Fälschungen anstatt echter Marken in Brüssel verurteilt, da er solche unter dem Namen seiner Verlobten, Frl. Gualandi, und anderen Namen vertrieben hatte. Er wurde verurteilt zu sechs Monaten Gefängnis und zu einer Geldstrafe von 3 500 frs. mit der Möglichkeit weiterer drei Monate Haft. Es ist bekannt, dass de Thuin 1931 in Mexiko ankam, dort abgeschoben wurde und letztlich in Honduras eintraf, wo er 1936 ausgewiesen wurde. In den 1940er-Jahren hielt er sich in Mexiko auf und zu allerletzt zog er nach Ekuador im März 1971, in das Herkunftsland seiner Frau. Seit den 1920er-Jahren war er ein guter Partner und Freund eines anderen bekannten Fälschers: Angelo Panelli. Diese Freundschaft zwischen beiden bestand bis Panellis Tod im Jahre 1967. De Thuin steuerte seine Stempel zu gefälschten Marken bei, von denen er behauptete, dass diese von Panelli stammten. Allerdings sagte er auch, dass Panelli die Fälschungen nur vertrieb, nie, dass dieser sie selbst hergestellt habe. Die gefälschten Stempel, die er vor 1966 auf originalen, nachgedruckten oder anderweitig veränderten Marken aufbrachte, waren häufig von derart guter Qualität, dass diese leicht einen Sammler täuschen konnten. In vielen Fällen wurden selbst sogar ein Spezialist oder ein Experten irre geführt. Seine verfälschten Briefe sind in der Regel recht plump fabriziert und dürften kaum einen getäuscht haben. Allerdings sind die Mehrzahl, die der Autor selbst gesehen hat, während seiner späten Jahre entstanden, um diese an Sammler von Fälschungen zu verkaufen und deshalb war er vermutlich nicht mehr imstande oder an der Beachtung von Details interessiert. Er besaß zwar ein fundiertes Wissen über die Grundlagen von Briefmarken, Farben und Papier, aber keine sonderliche Kenntnis der Postgeschichte, von Raten und Routen, der zutreffenden Verwendung etc. De Thuin fälschte Briefmarken von sehr einfacher Gestaltung, z.B. früher Ausgaben von Afghanistan, Bundi, Jammu-Kashmir, Poonch und andere, für die es seiner Angabe nach eine gute Nachfrage in Europa gab. Aber seine Haupttätigkeit richtete sich in erster Linie auf die Aufdrucke, meistens südamerikanischer Marken, bei denen die Marken selbst nur von geringem Wert waren, diese aber mit einem seltenen Aufdruck und Stempel ein vielfaches des Wertes der Normalmarke erreichen konnte. Aufdrucke waren schwieriger zu beurteilen, da vorhandene Abbildungen selten waren und es zahllose Abweichungen gab. In einigen Fällen behauptete de Thuin, dass seine Aufdrucke echte Originale seien, was sein, aber auch nicht sein konnte. | 141 ____________________________________________________________________________________ Später verlegte er sein Bemühen auf die seltenen Bezirksaufdrucke und Stempel von Mexiko, da diese häufig recht einfach ausgeführt waren, aber viel Geld einbrachten. Seine Arbeiten konnten auch recht gut sein. 1962 lieferte er eine große Sammlung früher Ausgaben Mexikos – angeblich von einem Professor Hormer Lizama stammend – bei H. R. Harmers Ltd. in London ein und erhielt dafür einen Vorschuss von 5 000 Brit. Pfund. Ein Auktionskatalog in üblicher gut gedruckter, aber auch einer auf leichtem Papier, wurde für den Verkauf vom 28./29. Mai vorbereitet. Allerdings wurde die Auktion abgesagt, nachdem man entdeckt hatte, dass die Mehrzahl des Materials Fälschungen waren; nur einige wenige Kataloge waren abgegeben worden. Es hat den Anschein, dass eine Reihe seltener früher einmal in führenden Katalogen erfasster Aufdrucke, die heute nicht mehr gelistet sind, auf de Thuin zurückgehen. In den späten 1950er-Jahren wurden viele sich der wirklichen Gefahr für die Philatelie erst so recht bewusst, wussten aber nicht, von wem sie ausging. Diejenige, die dies entdeckten, wussten entweder nicht mehr oder waren zu ängstlich, mit ihrem Wissen herauszurücken, dennoch machten Gerüchte die Runde. Über die Jahre hatte de Thuin zahlreiche Namen und Adressen genutzt, um einer Entdeckung und Entlarvung zuvorzukomen: Belgian Export Company, Mérida Philatelic Agency, French and Free French Philatelic Agency, R. G. Knapen etc. Knapen war offensichtlich Teil seines vollständigen Namens, denn dieser erscheint auch in seinem Nachruf. Ein amerikanischer Strafbefehl wurde gegen seine Tätigkeit 1947 erlassen, blieb aber offenbar ohne sonderliche Auswirkung, denn sein Geschäft blühte weiter. Die amerikanische Post- und Strafverfolgungsbehörden waren zwar aktiv, aber da er in Yucatan war und das Geschäft ohne Nennung einer Person abgewickelt wurde, war es schwierig, ihn zu verfolgen und diese Institutionen erachteten es auch nicht als ernsthaftes Problem. Während dieser Zeit verdiente de Thuin an seinen Fälschungen sehr gut: eines seiner Auswahlblätter hatte einen Gesamtauszeichnungswert von 1 300 $ und ein Käufer, der alles aus dem verfälschten Angebot haben wollte, musste immerhin 6 000 $ ausgeben. Einen erneuten Versuch, ihm auf die Spur zu kommen und ihn aus dem Geschäft zu drängen, unternahm die American Philatelic Society als Hauptverfolger. Anfang der 1960er-Jahre nahmen eine Reihe von Fälschungssammlern Kontakt mit de Thuin auf, um seine Produkte für ihre Sammlungen zu erwerben, dabei aber auch Hinweise 142 | zu entdecken, was wirklich ablief. Diese Aktionen wurden von James H. Beal und James T. DeVoss in gewisser Weise koordiniert und anfangs bemerkte de Thuin nichts, was da ablief. Am 17. August 1965 gab die US-Post eine „Fälschungs“Anweisung heraus, die ernst zu nehmen war. Briefpost, die als Absender den „Maya-Shop“, bei der De Thuins Name nicht erwähnt, aber in die Staaten gerichtet war, sollten an das Amt für unzustellbare Briefe gehen und dort vernichtet werden. Mitte Dezember 1966 kaufte die American Philatelic Society de Thuins Bestände in seiner Niederlassung in Meredia, Yucatan, Mexiko für eine nicht bekannte Summe. Sie nahmen 1636 Metallklischees, Originalzeichnungen, Kopien, Vorratsbücher, Notizbücher, Kataloge und anderes mit nach Hause. De Thuin erklärte sich einverstanden, sich seines Gewerbes künftig zu enthalten und keine Fälschungen mehr anzubieten und zu verkaufen. Dies schien hinreichend, da ja die „Fälschungs-Anweisung“ der Post noch in Kraft war. Er war alt und hatte zudem nach vermutlich drei Augenoperationen Sehprobleme, seine Hände zitterten bereits zu dieser Zeit. Damals war er 76 Jahre alt. Die APS hat nie den Betrag bekannt gegeben, den sie an de Thuin gezahlt hat, aber dieser behauptete angesichts anderslautender Darstellung in der Presse, er habe nur 4 600 $ erhalten. 1966 war dies in Yukatan wahrlich kein kleiner Betrag und es war ihm offensichtlich klar, dass sein Spiel vorbei war. Über diesen APS-Aufkauf gibt es einige Unstimmigkeiten bezüglich der Vereinbarung mit de Thuin. Die Version besagt, dass dieser bestätigt habe, „für alle Zeit auf seine philatelistischen Aktivitäten, gewerblich oder privat, auch durch Dritte oder Agenten zu verzichten“, die andere, dass er nur bestätigt habe, dass er „keine gefälschten Marken mehr als Originale verkaufe“. Heute wissen wir aufgrund seiner späteren Aktivitäten, dass die zweite Interpretation stimmt. Nach dem APS-Aufkauf gab es keine Notwendigkeit mehr, die Identität der Korrespondenzpartner und unser Interesse an den Fälschungen zu verbergen. Carl Walske, Carl Kane, Jim Beam, ich selbst, aber auch andere hielten den Kontakt mit de Thuin bei, um unsere Sammlungen zu ergänzen und herauszufinden, ob er sich an den Vertrag mit der APS halten würde. Mein eigenes Interesse lag darin, mehr über die Herstellung der Fälschungen in Erfahrung zu bringen. Die Metallklischees waren ahnungslos von einer lokalen Firma, angeblich für ein zu veröffentlichendes Buch, gefertigt worden. Jeweils als eine Platte mit verschiedenen Abbildungen, die er dann einzeln ausschnitt, auf Holz ____________________________________________________________________________________ montierte, häufig auch mit einem Handgriff versah, um so mit einem Handstempel die gefälschten Aufdrucke anzubringen. Für mexikanische Stempel fügte er der Stempelfarbe häufig Kohlenstaub zu, um der Farbe ein mehr realistischeres Aussehen zu geben. Von einigen solcher Aufdrucke, z.B. denen des „SalvadorRades“, behauptete er, einige der echten Typen zu besitzen. Das mag wahr sein oder nicht. Die Aufdrucke selbst sind angesichts des von ihm benutzten simplen Druckgerätes meist von ausgezeichneter Qualität. Der Apparat, um diese Aufdrucke anzubringen, bestand aus zwei Holzteilen, verbunden mit der Platte auf der einen Seite, die dann für die Anbringung des Aufdrucks zusammengedrückt wurden. Die APS veröffentlichte später, 1974, ein hervorragendes Werk über de Thuin: „The Yucatan Affair. The Work of Raoul Ch. de Thuin, Philatelic Conterfeiter“. In der ersten Auflage des Buches wurden die Metallklischees direkt von den Originalen genommen und wiedergegeben. Bedauerlicherweise war die Höhe der ursprünglichen Objekte unterschiedlich, so dass man das Metall von den Holz, auf dem es montiert war, ablöste und dies zum Verlust der Spuren der Nagellöcher, der Eckkanten, die oft für eine Identifizierung bedeutsam waren, führte. Dieses Buch kann nur dringlich empfohlen werden, weil es in zahlreichen Fällen das Aussehen der Metallklischees und der Papierabzüge zeigt, die davon gefertigt wurden. Beim Materialvergleich sollte man allerdings bedenken, dass de Thuin seine Arbeiten ausgiebig retuschierte, so dass Stempel und Aufdrucke nicht immer mit den Abbildungen im Buch genau übereinstimmen. Es ist kaum überraschend, dass de Thuin nach dem APSAufkauf fortfuhr, Fälschungen herzustellen und diese an Fälschungssammler zu verkaufen. Ob er diese als Originale verkaufte, bleibt offen, aber es gibt kein Anzeichen, dass er den Gehalt des Vertrages damit verletzte. Glücklicherweise nahm seine Gesundheit rapide ab, so dass er kaum noch imstande war, die frühere Qualität seiner Arbeiten beizubehalten. Infolge des Verlustes der überwiegenden Anzahl seiner Klischees verlegte er sich auf eine andere Herstellungstechnik, die vielleicht bislang noch nicht so genau beschrieben wurde: auf Papier-Klischees. Auf transparentem Papier pauste er mit der Hand einen Stempel vom Original oder von einer Kopie durch. Dann trug er die Druckfarbe rückseitig auf, so dass ein spiegelverkehrtes Bild des Papierklischees entstand und brachte dies auf den Brief auf. Der Stempel wirkte nun vom Erscheinungsbild normal, aber schwach und bedurfte einer umfassenden Retusche von Hand. Dies setzte wiederum großes Geschick voraus und sein zunehmenden Alter begrenzte seine Kunstfertigkeit mehr und mehr. Vielleicht hat er diese Technik bereit vor dem APS-Aufkauf verwandt, wenn z.B. nur ein oder zwei Exemplare benötigt wurden. In seinen späten Jahren suchte er einige seiner Ölgemälde zu verkaufen. Er beschäftigte sich auch als Autor und stellte eine Novelle teilweise zusammen, die vermutlich seine eigene Biografie war. Sie hatte den Titel „Die Hölle in den Tropen“ und las sich wie der Hollywood-Film „Unser Mann in Havanna“ aus dem Jahr 1958 mit Alec Guiness. Ich besitze einen Teil des Manuskripts. Andere Teile oder Kopien wurden vermutlich für eine geplante Veröffentlichung nach Frankreich geschickt. Was den weiteren Fortschritt dieser Publikation angeht, sind Fragen offen, da die Korrespondenz mit seinen Fälschungssammler-Freunden meist nur auf Bitten um Geld bestand. Heute mögen vielleicht viele seiner Fälschungen nicht mehr besonders gefährlich erscheinen, aber er stellte unterschiedliche Qualitätsprodukte her und manche der Stempel und Aufdrucke können durchaus eine Gefahr darstellen. Soweit bekannt, gilt dies nicht für die von ihm gefertigten Briefe und andere postgeschichtliche Produkte. Seine Versuche, Ganzfälschungen von Marken herzustellen, waren nie von Erfolg gekrönt. Es macht aber auch nicht den Anschein, dass er diese je vermarktet hat. Raoul Charles de Thuin Knapen starb in Guayaquil, Ekuador, am 23. April 1975 im Alter von 85 Jahren und wurde in Rio de Janeiro begraben. | 143 ____________________________________________________________________________________ 6 Die philatelistische Literatur des 20. Jahrhunderts ____________________________________________________________________________________ Im Hinblick auf die Entstehung und Veröffentlichung philatelistischer Literatur kann man das 20. Jahrhundert und das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts als ausgesprochen fruchtbar bezeichnen. Über die Jahre wurde die philatelistische Literatur immer spezialisierter, da sie den Trends der jeweiligen Zeit folgte. Jedes Sammelgebiet wurde mit einer Reihe spezialisierter Monografien behandelt, die keine Vergleichbarkeiten mehr mit den listenförmigen Studien des 19. Jahrhunderts hatten, die eine spezielle Ausgabe oder einem vergleichbaren Thema gewidmet waren. Vielmehr – und dies wäre weit zutreffender zu sagen – erschienen nunmehr zahlreiche Spezialstudien, in denen das Wissen von Experten über die Hauptausgaben jedes Landes der Welt einbezogen wurde. Damit berührten diese nunmehr auch Gebiete wie die der traditionellen Philatelie, der Postgeschichte, der Fiskalphilatelie, der Ganzsachen, der Aero- und Astrophilatelie sowie der Maximaphilie. Über zahlreiche Jahrzehnte wurde man auch Zeuge der stetigen Entwicklung der thematischen Philatelie, die ebenfalls hervorragende Fachautoren hervorbrachte. Und in jüngster Zeit erfreut es zu sehen, dass auch Werke erscheinen, die bedeutenden Sammlungen gewidmet sind, die bei internationalen Ausstellung hoch ausgezeichnet wurden. Diese sind hervorragend geeignetes Vergleichsmaterial für Sammler. Es trifft ebenso zu, dass die Entwicklung neuer Technologien in Gestalt von Computer-Programmen oder Infor- 144 | mations-Plattformen wie z.B. Google und Wikipedia den Arbeitsprozess revolutioniert haben. Sie erlauben uns die Informationssuche zu bisher veröffentlichten Werken, zu deren politischem und historischem Hintergrund, aber auch zu biografischen Informationen über die Menschen, die direkt oder indirekt zu den jeweiligen Produkten beigetragen haben. Dies ist umso nützlicher, sobald man in die Postgeschichte eindringt, Raten, Routen, Absender und Adressaten zu identifizieren sucht. Es ist bemerkenswert festzustellen, dass die Verfasser zahlreicher Forschungswerke, die ich als „klassische Standardwerke“ bezeichnen möchte, häufig nicht aus den Ländern stammen oder in diesen leben, über die sie schreiben. Dies allein zeigt, wie international unser Hobby geworden ist. Ohne Zweifel ist es angesichts der unendlichen großen Zahl erschienener philatelistischer Literatur seit dem 20. Jahrhunderts notwendig, wenn man darüber schreibt, Schwerpunkte zu setzen und auszuwählen. Solche Entscheidungen spiegeln natürlich immer die eigenen Vorlieben und die Interessen des Autors, der ausgewählt wurde, einen solches Vorhaben anzugehen. Bekanntlich haben bereits einige sehr bedeutende Spezialisten sehr detaillierte Studien zur philatelistischen Literatur in den letzten Jahren veröffentlicht, z.B. Manfred Amrhein, Wolfgang Maassen und Carlrichard Brühl. Man könnte dieses Kapitel also leicht als ein Plagiat ihrer Arbeiten interpretieren. ____________________________________________________________________________________ Aber philatelistische Literatur fesselt mich bereits seit 30 Jahren. Über die letzten zehn oder mehr Jahre haben sich allerdings meine Interessen zunehmend mehr auf das Studium bestimmter einzelner klassischer Ausgaben gerichtet und diese Vorhaben haben nahezu alle mir zur Verfügung stehende Zeit in Anspruch genommen. Ich bin allerdings immer noch an neu erscheinenden Werken interessiert, die ich auch weiterhin regelmäßig erwerbe. Die Entscheidung, eine philatelistische Bibliothek zusammenzutragen, wird häufig durch einen anderen Sammler, der Gleiches tut, beeinflusst, was auch in meinem Fall zutrifft. Meine eigene Bibliothek hat ihren Schwerpunkt primär bei der Literatur des 20. Jahrhunderts, aus dem Grunde, weil ich besonders angetan bin von Illustrationen – bevorzugt in Farbe –, von Vergrößerungen, von attraktiven Einbänden und Exemplaren in perfekter Erhaltung. Viel zu häufig sind leider solche makellosen Objekte nur von eher modernen Werken erhältlich. Zu Beginn war der Auktionskatalog zur außergewöhnlichen Bibliothek von George T. Turner, die vom 1. bis 2. Mai 1981 von dem mittlerweile verstorbenen Roger Koerber aus Southfield, Michigan, verkauft wurde, meine HauptReferenzquelle. Sie ermöglichte es mir, eine Liste der Bücher zu erstellen, die ich erwerben wollte, ähnlich wie John R. Boker diese Bibliothek nutzte, um seine einmalige Sammlung über die Ausgaben der altdeutschen Staaten zusammen zu tragen. Diese Bücher dürfen als Standardwerke für die jeweiligen Gebiete angesehen werden. Nur eine limitierte Zahl solcher Ausgaben wurden jeweils vom Autor persönlich signiert. Sofern möglich, sollten es Luxus-Ausgaben sein, falls dies aber nicht zutrifft, zumindest außergewöhnliche Publikationen, die kaum einmal zu finden waren. Abgesehen einiger weniger Ausnahmen, geschuldet der Fülle des verfügbaren Materials, konzentriert sich dieses Kapitel auf Standardwerke aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Gehen wir damit in medias res und schauen wir zuerst nach Asien, welches uns einen perfekten Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert bietet. Ich möchte nicht versäumen, ein Werk zu erwähnen, das man zu Recht als nichtphilatelistische Literatur einstufen könnte, das aber dennoch eine außergewöhnliche Studie ist. Es ist der Traum vieler Sammler, aber nur wenige hatten die Möglichkeit, zu diesem überhaupt die gewünschte Beziehung einmal herzustellen. Dieses Werk wurde von der Regierung Japans 1896 (gedruckt am 4. März) unter dem Titel „Dai Nippon Teikoku Yubin Kitte Enkakushi (Die Geschichte der Postwertzeichen des Kaiserreiches Japan) veröffentlicht. Die in Sei- de eingebundene Edition beinhaltet Exemplare der ersten Postwertzeichen- und Telegrafenmarken, ebenso die Ganzsachen, die zwischen 1871 und 1896 erschienen sind. Außerdem sind 100 Originale und sieben von der Regierung veranlasste Neudrucke enthalten, die produziert wurden, weil die Originale nicht mehr vorrätig waren. Das Werk erschien in einer auf 300 Exemplare limitierten Auflage, wurde aber nicht verkauft, wohl aber an offizielle Stellen weltweit überreicht. Erst später kamen einige wenige Exemplare gelegentlich auf den Markt. Die „Raubkopie“ dieses Buches ist noch weit seltener. Sie wurde Ende 1896 von einem japanischen „Faksimile“Händler, K. Wada aus Tokio, produziert. Diese Version unterscheidet sich leicht vom Original, das im März 1896 herauskam und nur wenige Exemplare entgingen der Konfiszierung durch die Polizei. Diese sind extrem selten. Die japanische Philatelie kann für sich in Anspruch nehmen, generell einige der besten und außergewöhnlichsten Publikationen der philatelistischen Literatur herausgebracht zu haben. 1910 erschien Frank J. Peplows Buch „Plates of the Stamps of Japan 1871–6. One Hundred and Nine Sheets Reproduced in Collotype“ (Die Platten der Postwertzeichen von Japan 1871–76. Einhundertneun Bogenreproduktionen im Lichtdruck) in einer Auflage von 25 Exemplaren, die nur bei Subskription zu beziehen waren. Das Buch enthielt allerdings nur 107 Fototafeln (also weniger als 109) von Bogen der Marken, die zwischen 1871 und 1876 erschienen waren, zusammen mit 14 unbeschnittenen Seiten, die alle von dem Käufer des Werkes zu binden waren. Es ist nur wenig bekannt – ich habe darüber kaum einmal einen Hinweis in der philatelistischen Literatur gefunden –, dass bei Versand der ungebundenen Ausgaben im Dezember 1910 an die Subskribenten F. J. Peplow einen gedruckten Hinweis mit der Bitte um Erhaltsbestätigung des Paketes beifügte. Er bat außerdem darum, ihm Kopien irgendwelcher in dem Werk fehlender Platten zuzuschicken, von denen ein Leser Kenntnis hatte. Per Schablone fügte er einen „Hinweis zur Buchbindung“ bei. Während der letzten 30 Jahre habe ich nur drei Auktionen ausfindig machen können, die dieses Werk angeboten haben. Die Sammlung der Platten wurde neben anderen Objekten nach Veröffentlichung von Peplows Buch 1910 an A. M. Tracey-Woodward verkauft. Der Vater A. M. Tracey Woodwards (1876–1938) war Amerikaner, seine Mutter Französin. Er wurde auf der Insel Reunion geboren, studierte und verlebte einen Teil seines Lebens aber in Japan, was vielleicht sein Interesse an der klassischen japanischen Philatelie erklärt. | 145 ____________________________________________________________________________________ Seine Forschungsergebnisse veröffentlichte er 1928 in einem maßgebenden Werk, das viele als eines der besten überhaupt jemals veröffentlichten Publikationen und als wesentliches Referenzwerk zum Thema „The Postage Stamps of Japan and Dependencies“ einstufen. Das Handbuch schließt auch Kapitel zu Korea und Taiwan ein. A. M. Tracey Woodward wurde für diese Veröffentlichung mit der Crawford- und der Lichtenstein-Medaille ausgezeichnet. 100 Exemplare dieser wunderschönen zweibändigen Edition wurden tatsächlich auf handgeschöpftem Velinpapier mit 243 Schwarzweiß-Abbildungstafeln gedruckt. Das Werk gilt in jeder Bibliothek als eines der bedeutendsten überhaupt. Beide Bände wurden ursprünglich in einem Holzschuber präsentiert, welcher heute leider nur noch selten vorhanden ist. 30 Exemplare der zweibändigen verbesserten Auflage wurden auf normalem Papier gedruckt und diese sind sogar noch seltener. A. M. Tracey Woodwards Sammlung wurde 1939 bei H. R. Harmers in London verkauft. Es gab wegen der Vorgaben amerikanischer Beschränkungen zwei verschiedene Ausgaben des Auktionskataloges, da diese die Wiedergabe von Farbfotos untersagten. Es wäre wahrlich nachlässig, die philatelistische Literatur Japans zu diskutieren, ohne Bezug auf die außerordentliche sechsbändige Studie von Dr. Soichi Ichida (1910– 1986) zu nehmen, die dieser von 1959 bis 1981 veröffentlicht hat. Diese sechs Bände hatten den Titel: • The Dragon Stamps of Japan 1871–1872 (1959) <Die Drachenmarken von Japan> • Ryu Kitte (The Dragon Stamps of Japan 1871–1872) (2. Auflage 1971) • The Cherry Blossom Issues of Japan 1872–1876 (1965) <Die Kirschblüten-Ausgaben von Japan>. Es ist eine auf 15 Exemplare limitierte AutorenAusgabe dieser Publikation bekannt. • Sakura Kitte 1872–1876 (The Cherry Blossom Issues of Japan 1872–1876, 2. Auflage 1981) • Sumiroku (The Six Sen Violet Brown Native Paper 1874, 1968) <Das ursprüngliche Papier der Sechs Sen violettbraun> • Aoichi (One Sen Blue Native Paper 1872–1873, 1969) <Ein Sen blau auf ursprünglichem Papier 1872–1873, erschienen 1969> Diese Studien beschränkten sich hauptsächlich auf die Druckplatten und stellten das Expertenwissen des Autors über die klassischen japanischen Ausgaben unter Beweis. Dr. Soichi Ichida wurde für sein Werk und seine Samm- 146 | lung mehrfach ausgezeichnet, mit der Crawford-Medaille 1966, mit der Zeichnung der Roll of Distinguished Philatelists 1872, der Lindenberg-Medaille 1981 und der FIPMedaille sowie dem Luff-Preis 1984. Mit Ausnahme von Japan erschienen auf dem asiatischen Kontinent in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur eine sehr begrenzte Zahl von bedeutsamen Literaturstudien. Drei namhafte Autoren haben spezialisierte Monografien zur ersten Markenausgabe Indiens, die aus der Postreform von 1854 hervorging, publiziert. Mit dieser Reform wurde die Verwendung dieser Marken in ganz Indien gestattet, auch für Auslandspost. Die Serie bestand aus vier Wertstufen, die das Porträt von Königin Victoria zeigten, und zwar zu ½ Anna, ein Anna, 2 Annas und vier Annas. Die Marken wurden in Kalkutta gedruckt. Alle Wertstufen, ausgenommen der 2-Anna-Wert, wurden im Steindruck hergestellt, letzterer in Typografie. Die 4-Anna-Marke war die zweite Briefmarke der Welt, die nach der „Basler Taube“ im Zweifarbendruck produziert wurde. Eine Platte wurde für den Rahmen und eine weitere für das Mittelstück genutzt, so dass versehentlich auch seitenverkehrte Mittelstücke vorkommen. Die hierzu bedeutsamen Werke sind: • The Half-Anna Lithographed Stamps of India 1854– 1855, von E. A. Smythies und D. R. Martin, verlegt 1928 von der Philatelic Society in Indien. • The One Anna & Two Annas Postage Stamps of India 1854–55, von L. E. Dawson, verlegt 1948 von H. Garatt-Adams & Co. und Stanley Gibbons Ltd. für die Philatelic Society in Indien. • The Four Annas Lithographed Stamps of India 1854– 55 von D. R. Martin und E. A. Smythies, verlegt 1930 von Stanley Gibbons Ltd. für die Philatelic Society in Indien. Diese drei Werke basierten in erster Linie auf Plattenstudien, die Details zu den verschiedenen Druckauflagen mit unterschiedlichen Platten boten, auch zu unterschiedlichen Plattenpositionen und Abweichungen der Positionen des Mittelstück-Designs zum Rahmen bei diesen 4-Annas-Marken. Jedes dieser drei Bücher enthielt eine Einschubtasche auf dem rückseitigen Einband mit einer Zahl von Fototafeln, von denen leider heute so manche bei diesen Werken fehlen. Die zwei Bücher, die der „Ein und Zwei-Annas“ bzw. der „Vier Annas“ gewidmet waren, wurden 1950 und 1932 mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet. ____________________________________________________________________________________ Wenn wir uns nun weiter westlich begeben, führt uns die Reise zum Iran (bis Januar 1935 als Persien bekannt). Hier möchte ich ein Buch erwähnen, das ausgesprochen schwer zu finden ist. Diese eher unbekannte Publikation trägt den Titel „The Lion Stamps of Persia (Iran), 1865– 1879“ und wurde von Dr. Mohammed Dadkhah (1910– 1980) verfasst. Es war das erste bedeutende Standardwerk über die klassischen „Löwen“-Ausgaben. Nur 90 Exemplare wurden davon 1960 hergestellt. Die Studie wurde in drei Sprachen (Französisch, Englisch und Farsi) verfasst und deckt zahlreiche Aspekte der Ausgabe ab. Mit dem Ergebnis, das der Autor 1961 mit der CrawfordMedaille ausgezeichnet wurde. Immer, wenn wir das Nachbarland, Afghanistan, erwähnen, denken wir direkt an eine Publikation, die 1908 von Sir David P. Masson und B. Gordon Jones unter dem Titel „The Postage Stamps of Iran“ 1908 veröffentlicht wurde. Das Buch, herausgegeben von der Philatelic Society von Indien (Band IX), basierte in erster Linie auf der Sammlung von Sir David Masson (1857–1915) und B. Gordon Jones, ein Händler und Herausgeber der Monatszeitschrift „Philatelic World“ in Kalkutta war der Co-Autor. Es ist auch eine überschaubare Zahl von Referenzwerken aus dem Mittleren Osten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bekannt geworden. Zwei „Kult-Werke“, die vergleichweise schwierig zu finden sind, verdienen hier besondere Erwähnung. Soweit es die Türkei und ein zu erwähnendes Buch betrifft, ist es zweifellos der Titel „The Stamps of Turkey“ von Adolf Passer (1865–1938). Es wurde 1938 von der Royal Philatelic Society London herausgegeben und das 240-Seiten-Werk erschien in einer Auflage von 300 Exemplaren mit 78 Fototafeln. Leider sind letztere häufig fehlend, weil irgendjemand diese herausgenommen hat. Passer wurde in Prag in der damaligen Tschechoslowakei geboren, lebte in Böhmen und Wien. Er war ein leidenschaftlicher Sammler und spezialisierte sich auf die Ausgaben von Österreich. Eine besondere Nähe hatte er zu Bosnien-Herzegovina, über dessen Ausgaben er 1930 ein Standardwerk mit dem Titel „Die Postwertzeichen von Bosnien und der Herzegovina“ veröffentlichte. Es ist unbestritten, dass er zu seiner Zeit die führende Autorität für die Philatelie der Türkei war und zahlreiche Beiträge hierzu veröffentlichte. Vor Entstehung des Königreich Saudi-Arabiens 1932 bestand die arabische Halbinsel aus bedeutenden Städten und Regionen wie z.B. Jeddah, Hejaz und Nejd. Im Juni 1916 wurde in Folge der Unabhängigkeitserklärung von der türkischen Vorherrschaft durch Emir Hussein Ibn Ali und dessen Ernennung als König von Hejaz umgehend entschieden, dass die türkischen Briefmarken durch solche des neuen Königtums ersetzt werden sollten. Im November 1918 erschien ein luxuriös ausgestattetes Werk, das heute nur noch schwierig zu finden ist, herausgegeben von der Geographical Survey (Geografischen Aufsichtsgesellschaft) von Ägypten unter dem Titel „A Short Note on the Design and Issue of Postage Stamp prepared by the survey of Egypt for His Highness Husein Emir & Sherif of Mecca & King of Hejaz“. Die Einführungsseite wie weitere zwölf Farb-Bildtafeln zeigen die ersten Entwürfe, die für die Marken erstellt wurden, Essays, aber auch die endgültigen Markenausgaben mit ihren dekorativen Arabesken-Motiven. 200 Exemplare der Studie wurden für offizielle Behörden, Museen und verschiedene Büchereien hergestellt, 100 weitere kamen in den öffentlichen Verkauf. Das Buch ist ein für jede Bibliothek sehr bedeutendes Werk. Ein anderes Buch, geschrieben von Wilfrid R. Haworth und H. Lionel Sargent, ist vielleicht noch weniger bekannt: „The Postage Stamps of the Hejaz“. Es wurde 1922 für die Junior Philatelic Society von H. F. Johnson herausgegeben und beinhaltete eine erneute Veröffentlichung von Artikeln, die im Jahrgang 14 des „Stamp Lover“ bereits erschienen waren. Eine ungewöhnliche Publikation, sie wurde in zehn Exemplaren auf einem besonderen Papier produziert, versehen mit einem Einband mit königlichen Wappen von Hejaz. Leider scheint der afrikanische Kontinent, obwohl reich an Geschichte kolonialer Philatelie, auf den ersten Blick nur sehr wenig an bedeutenden Studien hervorgebracht zu haben. Der Titel „The Postage stamps, envelopes, wrappers, post cards, and telegraph stamps of the British Colonies, Possessions and Protectorates in Africa“, erschien in drei Bänden für die Philatelic Society, London, und ist dabei ohne Zweifel das bedeutendste Standardwerk und eine unerschöpfliche Informationsquelle zur klassischen Philatelie des British Empires in Afrika. Das Werk beinhaltet 710 Seiten und 52 Fototafeln. Die drei Bände wurden 1895, 1900 und 1906 veröffentlicht und für Literaturliebhaber ist es nicht leicht, alle drei Bände noch mit den ursprünglich enthaltenen Bildtafeln zu finden, zumal letztere häufig entfernt wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine dieser Abbildungstafeln in Farbe gedruckt worden war, was für die Zeit sehr ungewöhnlich war. Diese Tafel illustrierte die siebte Ausgabe von Mauritius, welche auf Seite 164 des Buches näher beschrieben wurde und schloss auch Faksimiles einer Platte von 12 Sherwin 2d blau vom Oktober 1859 (Abbildung 76) sowie der nicht herausgegebenen 1d zinnober (Abbildung 77) ein. | 147 ____________________________________________________________________________________ Südafrika ist eventuell noch das afrikanische Land mit der größten Zahl philatelistischer Literaturtitel. Das mag an der besonderen Faszination liegen, die Sammler stets für die Ausgaben des Kaps der Guten Hoffnung, für Transvaal und Bechuanaland gehabt haben. Ich zähle hierzu die Standardwerke in der Reihenfolge ihres Erscheinens auf: 1930 gab die Stanley Gibbons Ltd. eine Arbeit von Gilbert H. Allis unter dem Titel „The Cape of Good Hope, its Postal History & Postage Stamps“ heraus. Verständlicherweise enthielt diese 118-Seiten-Studie ein umfangreiches Kapitel zu den zahlreichen Dreiecksmarken vom September 1853, deren Gültigkeit nicht vor dem 1. Oktober 1900 außer Kraft gesetzt worden war. Die Bedeutung dieses Werkes mag man daran ersehen, dass es 1931 mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet wurde. 1940 publizierte die Royal Philatelic Society London das Buch von J. H. Curle und A. E. Basden „Transvaal Postage Stamps“. Transvaal ist heute Teil der nordöstlichen Region Südafrikas. Die 154-Seiten-Monografie erstreckte sich – mit Einschluss von 12 Farb-Fototafeln, die in einer Tasche auf dem rückseitigen Bucheinband zu finden sind – auf die Ausgaben von 1869–1903, die im Detail und in Vergleichen echter Marken und Stempel zu deren Fälschungen eingehend behandelt wurden. Die Autoren erhielten hierfür 1940 die Crawford-Medaille. 1943 veröffentlichte A. A. Jurgens „The Handstruck Letter Stamps of the Cape of Good Hope from 1792 to 1853 and the Postmarks from 1853 to 1910“. Diese 140-SeitenStudie, die von 132 Subskribenten bezogen wurde, bietet einen ausgezeichneten Überblick zur Postgeschichte der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts des Kaps der Guten Hoffnung, außerdem eine beeindruckende Beschreibung der Stempel in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis 1910. Der Autor wurde für sein Werk 1944 mit der Crawford-Medaille geehrt. 1950 kam im Verlag der H. R. Harmer Ltd. der Titel von D. Alan Stevenson „The Triangular Stamps of Cape of Good Hope“ heraus, in dem auf 142 Seiten ausschließlich die legendären Dreiecksmarken des Kaps behandelt wurden. Dieses Werk – hierfür erhielt Stevenson 1951 die Crawford-Medaille – findet sich häufig mit einem Einband, der deutlich die Spuren der Zeit offenbart. Weniger bekannt ist, dass Stevenson zwei Nachträge herausgab: einen ersten von zwei Seiten im Mai 1951, während der zweite nur aus einer Seite bestand, die im Januar 1962 erschien. Botswana liegt nördlich der Mitte von Südafrika und war früher als Bechuanaland bekannt. 1945 gab A. A. Jurgens sein zweites Buch heraus, welches die britischen Protektorate behandelte: „The Bechuanaland, a Brief History of 148 | the Countries and their Postal Services to 1895“. Es erzählt die Geschichte dieser Region sowie seiner Philatelie, der Marken und Stempel und 192 Sammler und Institutionen schrieben sich als Subskribenten für dieses Werk ein. Länder in Süd- und Mittelamerika gehörten zu den ersten, die Briefmarken herausgaben. Einige von deren Erstausgaben zählen heute zu den größten und nachgefragtesten Raritäten in der Philatelie. Beispielsweise seien die wenigen „Xiphopagus“-Einheiten der „Ochsenaugen“-Ausgabe Brasiliens angeführt, die Plattenübertragungs-Irrtümer, die man in den 5 und 20 Centavo-Bogen der ersten Ausgabe Kolumbiens identifizieren kann, aber auch der 50 Centavo-Wert, der sich in der 20c-Platte der 1863er-Ausgabe befindet. Venezuela hat ebenfalls einige außergewöhnliche Seltenheiten für Sammler zu bieten, wie z.B. den Kehrdruck der 2-Real rot der ersten Wappen-Ausgabe oder den horizontalen Kehrdruck der überdruckten „Quadrat-Marken“ mit der dritten Type des „Contrasena“-Aufdruckes. Man könnte auch die „Schiffchen“-Ausgabe von Buenos Aires, die „Escuditos“ der Republik Argentinien oder die „Montevideo“-Sonnenausgabe von Uruguay erwähnen, denn bei all diesen wurden auch extrem seltene Kehrdrucke mit produziert. Die reichhaltige philatelistische Literatur für die Ausgaben Süd- und Mittelamerikas schlägt sich in einigen „Kult-Werken“ nieder: 1843 gab Brasilien, als drittes Land (Gebiet) der Erde, nach Großbritannien und dem Kanton Zürich, eigene Briefmarken heraus. Der in England lebende George S. F. Napier (1863–1942) war ein passionierter Forscher der diversen für den Druck der „Ochsenaugen“ verwendeten Platten sowie der auf diesen aufzufindenden Stempel. Die Ergebnisse seiner Forschungen veröffentlichte er ab 1909 und sie erschienen 1923 in einem Buch, das einem stets ins Auge fällt, wenn man an Brasilien-Philatelie denkt: „The Stamps of the First issue of Brazil“. Das Werk wurde von Séfi, Pemberton & Company Ltd. in einer Auflage von 200 Exemplaren herausgegeben. Es enthält 40 Fototafeln, die auf dem rückseitigen Bucheinband in einer Tasche aufzufinden sind. Es war der erste systematische Versuch, Abbildungen der Platten jeder Wertstufe dieser legendären Markenausgabe – jeweils mit ihrer Zusammensetzung und unterschiedlichen Erhaltung – zusammenzutragen. Der Autor wurde für diese Arbeit 1924 mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet. Blicken wir nach Uruguay, dann sehen wir dort die erste Ausgabe der „Diligencias“, die 1856 erschien. Hier muss man sofort an ein 1931 von Emanuel Joseph Lee veröffentlichtes Werk, „The Postage Stamps of Uruguay“, denken. Zu jener Zeit besaß Lee die vollständigste Markensammlung Uruguays, die jemals zusammen getragen ____________________________________________________________________________________ worden war. Diese schlägt sich in dem 388-Seiten-Werk, das in einer Auflage von 200 Exemplaren mit zahlreichen Bildtafeln gedruckt wurde, nieder. Es behandelt alle Ausgaben bis 1930 und bietet zu all diesen einzelnen Ausgaben die notwendigen Informationen, um Marken zu plattieren, aber auch zu Besonderheiten, Stempel und anderem mehr. Gerade die Kapitel über die Ausgaben der „Diligencias“ von 1856 und „Montevideo“ 1858 sind besonders eindrucksvoll. Diese Arbeit, vergleichbar dem zuvor erwähnten Buch von Napier, ist eines der Schlüsselwerke für jede philatelistische Bibliothek. Das Kapitel, das die Crawford-Medaille verlieh, erkannte die Bedeutung dieser Veröffentlichung 1933 mit der diesem Buch zugedachten Auszeichnung an. Argentinien, das seit dem 19. Jahrhundert sehr bedeutende philatelistische Aktivitäten und Literatur hervorgebracht hat, kann nicht erwähnt werden, ohne das Werk „The Postage Stamps of Buenos Aires“ von Frank J. Peplow zu erwähnen, für das dieser 1927 mit der CrawfordMedaille ausgezeichnet wurde. Peplows Werk über die Ausgaben Japans von 1871–1876 wurde bereits oben erwähnt. Buenos Aires war die bedeutendste der 14 argentinischen Provinzen und gab ebenso wie andere Regio nen eigene Briefmarken heraus, vergleichbar der Provinz Corrientes. Die Philatelie von Buenos Aires gruppiert sich um zwei Markenausgaben: die der „Barquetos“-Ausgaben mit ihren zwei Markenserien und der „Head of Liberty“Ausgabe von 1859. Dieses opulente Werk, gedruckt auf 72 Seiten Velin-(Pergament-)Papier und mit acht Bildtafeln ausgestattet, von denen eine acht Farbreproduktionen verschiedener Marken auf Tafel VII präsentiert, beschreibt das zur Entstehungszeit des Buches vorhandene Wissen jener Tage. Die Studie gründete zuallererst auf der Sammlung von Alfred Lichtenstein und wurde zu jener Zeit als die bedeutendste ihrer Art angesehen. Sie war auch Lichtenstein selbst gewidmet. Die Philatelie Mexikos hat eine nennenswerte Zahl englisch sprechender Sammler begeistert. Daraus gingen eine Reihe von verschiedenen Publikationen hervor, die selbst wiederum die Basis für weitere eher jüngere Studien bildeten. Ein sehr spezialisiertes Werk, welches man nur sehr selten bei Auktionen antrifft, heißt „Campeche, some notes on the most remarkable Postage Stamp ever issued“ und wurde von Walter Clarke Bellows in New York verfasst. Das Buch erschien 1909 in einer Auflage von 100 Exemplaren. Es beschreibt in großer Genauigkeit, wie und warum die Ausgaben von Campeche das Licht erblickten. Das Buch umfasst 103 Seiten und wurde auf einem handgeschöpften blau marmorierten Papier gedruckt, auf das der Text und die Fotografien aufgebracht wurden. Nach meiner Meinung kann man es als eines der besten Werke überhaupt ansehen, vergleichbar denen von Reuterskjöld/Mirabaud oder von Sir Wilson. Eine Sonderedition wurde für den Generaldirektor der Post von Mexikos angefertigt und diesem vom Autor zugesandt. 1918 publizierte der Collectors Club in New York die erste einer langen Reihe von spezialisierten Studien über die letzte Hildalgo-Ausgabe von 1874–1883. Diese wurden von dem Club-Mitglied J. Brace Chittenden unter dem Titel „Mexico Issue of 1874–1883“ verfasst. Leider wies die Broschüre auf ihren 61 Seiten nur wenige Illustrationen auf, aber sie beschrieb mit großer Genauigkeit all das, was über diese faszinierende Ausgabe damals bekannt war. Das Werk erschien in einer Auflage von 250 Exemplaren, von denen die ersten 100 nummeriert sind. Es wurde von J. Brace Chittenden gestiftet. Drei Engländer gehören während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu den bedeutenden Spezialisten auf dem Gebiet der Mexiko-Philatelie: William T. Wilson (1847–1932), Charles J. Philips (1863–1940) und Samuel Chapman (1859–1943). Diese drei Freunde und Kollegen widmeten viele Jahre ihrer Forschung den klassischen Ausgaben Mexikos. Das führte dann zur Veröffentlichung einer Anzahl weiterer „Kult-Werke“. Unter der Schirmherrschaft des New Yorker Collectors Club erschien 1926 das vierte Werk der Serie unter dem Titel „The Postage Stamps of Mexico from the commencement in 1856 to the end of the provisional period in 1868“, geschrieben von S. Chapman. Von dieser Publikation existiert auch eine extrem seltene 115-Seiten-deLuxe-Ausgabe der Standardausführung von 150 Seiten. Aus meiner Sicht ist das einzige Problem dieser Veröffentlichung, dass sie uns zwar mit einem sehr detaillierten Katalog für diese Zeitperiode versorgt, aber keine einzige Abbildung enthält. 1927 gab W. T. Wilson eine Studie über die Briefmarken Mexikos heraus, die die Zeit von 1856–1872 näher in den Blick nahm und den Höhepunkt seiner Forschungen bildete, die teilweise auf den Arbeiten von S. Chapman beruhte. 100 Exemplare seines Buches erschienen mit dem Titel „The Postmarks of Mexiko, Period 1856 to 1872“ und das Werk bietet Einblicke zu den Briefmarkenausgaben jener Jahre. Man kann nicht über Mexiko sprechen, ohne noch das 1935 in Frankreich veröffentlichte exzellente Werk von Paul de Smeth (1859–1940) und Marquis Guy de Fayolle (1875–1944) „Les premières émissions du Mexique (1856 à 1874), histoire, classement et faux“ (Die ersten Ausgaben von Mexiko 1856–1874. Geschichte, Klassifizierung und Fälschung) zu erwähnen. Diesem folgte 1936 | 149 ____________________________________________________________________________________ „Le catalogue détaillé des timbres du Mexique“ (Spezialkatalog der Marken Mexikos) von Guy de Fayolle. Nordamerika, die Heimat solch herausragender Philatelisten wie Arthur Hind, Alfred Caspary, Alfred Lichtenstein und dessen Tochter Louise Boyd Dale, Josiah Lilly, John Boker und vieler anderer, brachte ebenfalls eine Reihe höchst bedeutender Werke hervor. Allerdings – und dies ist erstaunlich – von keiner der zuvor erwähnten Persönlichkeiten. Ebenso zutreffend ist das Problem, auf der Stelle eine größere Zahl an Standardwerken zu benennen. 1902 gab „The Scott Stamp and Coin Co., Ltd.“ John N. Luffs hervorragendes Werk „The Postage Stamps oft he United States“ heraus. Das 417-Seiten-Buch beinhaltet 23 exzellente Fototafeln und deckt alle Aspekte der amerikanischen Philatelie des 19. Jahrhunderts ab. Also auch solche wie die der Postmaster-Ausgaben, der Raritäten (von denen jeweils nur wenige Stücke bekannt sind), der Staatsausgaben, „Carriers“ usw. 1937 wurde der Bereich der „Postmaster Provisionals“ mit Berücksichtigung der Informationen von 1902 erneut von Hugh M. Clark auf Grundlage der Notizen und Korrekturen von J. Luff bearbeitet, die dieser zwischen 1902–1937 gesammelt hatte. Diese 75-Seiten-Studie mit 15 Fototafeln erschien unter dem Titel „The Postage Stamps of the United States 19th Century issues – Part One, Postmaster’s Provisionals“, verfasst von John N. Luff und überarbeitet von Hugh M. Clark. Es ist ein direkter Abkömmling des Buches von 1902. 1929 unternahm August Dietz den Versuch, das Thema des amerikanischen Bürgerkrieges (1861–1865) zu bearbeiten, der eine höchst turbulente Periode in der Geschichte der USA darstellte. Er veröffentlichte hierzu ein vorzügliches Buch mit dem Titel „The Postal Service of the Confederate States of America“. Diese Publikation gilt bis heute als ein Grundlagenwerk über dieses Thema. Es besteht aus 439 Seiten einschließlich historischer Verweise, Dokumente, Stempel, Vergleiche echter und falscher Marken, Plattenstudien usw. Jeder, der dieses Buch liest, wird inspiriert, eine Sammlung aufzubauen, die sich näher mit den Facetten jener Zeit beschäftigt. Unter den Autoren, die sich mit den klassischen staatlichen Ausgaben sehr detailliert beschäftigten, sind besonders Stanley B. Ashbrook, Carroll Case und Lester G. Brookman hervorzuheben. Ich mache den Anfang mit Stanley B. Ashbrook, der neben anderen Werken 1938 ein zweibändiges über die 1-Cent-Marke von 1851–1857 verfasste („The United States One Cent Stamp of 1851– 1857“), das man wahrlich als „wissenschaftlich“ bezeichnen kann. Das Buch beschreibt in meisterlicher Weise, wie die Marken entstanden, welch verschiedene Platten 150 | benutzt wurden, es bietet illustrierte Beschreibungen zu nahezu jeder Plattenposition der Marken, zusammen mit Hinweisen zu deren Nuancen, Gummierung, Zähnung und wie diese dann für die In- und Auslandspost Verwendung fanden. Ohne Zweifel bietet diese Arbeit bis heute das Standardformat für künftige Studien über diese Marken und Ausgaben. Für ein weiteres Buch mit dem Titel „The United States Ten Cent Stamp of 1851–57“ wurde B. Ashbrook 1937 mit der Crawford-Medaille geehrt. Beginnend 1909 publizierte Carroll Chase (1878–1960) die Ergebnisse seiner Studien über die 3-Cent-Marken von 1851–1857. 1942 erschienen die Ergebnisse seiner Forschung in dem definitiven Werk „The 3c Stamp of the United States 1851–1857 issue – revised“. Die Normalausführung des Buches (brauner Einband) ist schwerer zu finden als die De-Luxe-Version (schwarzer Einband). Ähnlich wie es B. Ashbrook für die 1-Cent-Ausgabe unternahm, bearbeitete auch Chase alle Aspekte zur Ausgabe, die in direktem Zusammenhang mit dem Entwurf, der Platten und der Verwendung der Marken in Zusammenhang standen. Der profilierte Autor wurde dafür 1930 mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet. Um die Beschreibung der die USA betreffenden Literatur hiermit abzuschließen, erwähne ich noch ein zweibändiges Standardwerk, das 1947 von Brookman unter dem Titel „The Nineteenth Century Postage Stamps oft he United States“ veröffentlicht wurde. Dieser sehr spezialisierte Katalog bearbeitete die Ausgaben des 19. Jahrhunderts und bot hierzu neben exzellenten Abbildungen ausgezeichnete Zusammenfassungen, die von Spezialisten einer jedweden Ausgabe jener Zeit vervollständigt wurden. Wer dieser zwei Bände liest, erwirbt schnell ein sehr spezialisiertes Wissen und alle wichtigen Informationen zur amerikanischen Philatelie des 19. Jahrhunderts. Eine erweiterte dreibändige Ausgabe erschien in den Jahren 1966–67. Das Königreich Hawaii, das von den USA am 15. Juni 1898 annektiert wurde, aber erst am 21. August 1959 offiziell zum 50. Staat der USA ernannt wurde, ist Gegenstand eines weiteren „Kult-Buches“, das Henry J. Crocker 1909 unter dem Titel „Hawaiian Numerals“ veröffentlichte. Das 108-Seiten-Werk mit 22 Fototafeln in einer Einschubtasche auf der vorderen Rückseite des Einbandes beschreibt die verschiedenen Ausgaben bis zu jener Zeit, einschließlich der extrem seltenen „Missionars-Ausgaben“, den King-Kamehameha II.-Porträt-Ausgaben, den faszinierenden „Hawaiian Numerals“ (Ziffernausgaben Hawaiis) und ihrer diversen Platten etc. Den Titeleinband ziert eine erstklassige 2-cent-Marke dieser „Hawaiian Numerals“-Ausgabe. ____________________________________________________________________________________ Aus der Gruppe der bedeutenden Spezialisten, die sich mit der Philatelie Kanadas und deren benachbarten Territorien (Nova Scotia, British Columbia, Vancouver, New Brunswick, Newfoundland) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzten, gilt es Winthrop S. Boggs und Fred Jarrett hervorzuheben. Diese beiden Autoren verfassten zahlreiche Werke, die sich mit den zuvor genannten Gebieten beschäftigten. Dennoch kommt einem das 1911 von der „New England Stamp Co.“ in Boston publizierte Buch von Clifton A. Howes „Canada, its Postage Stamps and Postal Stationary“ als erstes in den Sinn, wenn man an diese Markengebiete denkt. Das 287-Seiten-Buch wurde auf handgeschöpftem Papier einschließlich 15 Fototafeln gedruckt. 14 dieser Tafeln wurden zusammengebunden und befinden sich in einer Einschubtasche des Titeleinbandes. Das Buch hat einen prächtigen roten Einband und zeigt auf dem Titel eine vorzügliche Kopie der „Five Cent“ der „Beavers“-Ausgabe. Es beschreibt in systematischer Vorgehensweise die verschiedenen Ausgaben Kanadas während der Jahre 1851–1908. Meiner Ansicht nach ist dieses Buch über Kanada das Beste seiner Art. Ohne Zweifel erschienen allerdings auf dem europäischen Kontinent die Mehrzahl der bedeutenden philatelistischen Literaturwerke. Dies kann man zum Teil durch die sehr große Zahl einzelner Länder, Königtümer und Herzogtümer erklären, die alle eine oder mehrere Markenausgaben herausgebracht hatten, bevor sie zu größeren Einheiten zusammenwuchsen. Es wäre unverzeihlich, wenn wir versäumen würden, unsere Tour durch Europa nicht in Großbritannien zu beginnen, das unwidersprochen die Wiege so vieler Marken war, die weltweit die Sammler rund um den Erdball erfreuten. Um den Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert zu beschreiben, in dem die Philatelie sich wie ein Flächenbrand ausbreitete, möchte ich ein Werk mit dem Titel „A History of the Adhesive Stamps of the British Isles available for postal and telegraph purposes“ nennen, welches 1899 von der „Philatelic Society, London“ herausgegeben wurde. Diese Arbeit, welche eine Zusammenstellung offizieller Quellen zur Dokumentierung jeder einzelnen Ausgabe enthält, wurde von Hastings E. Wright und Anthony B. Creeke verfasst. H. E. Wright starb 1897, als die Arbeit an dem Buch bereits fünf Jahre andauerte, so dass A. B. Creeke sich genötigt sah, das Werk alleine fertig zu stellen, so dass es 1899 veröffentlicht werden konnte. Es bestand ursprünglich aus 263 Seiten und 38 Fototafeln, kann aber nicht als komplett angesehen werden ohne die 19-Seiten-Ergänzung mit der Bildtafel von zehn Illustrationen, welche 1903 unter dem Titel „A Supplement to British Isles“ erschien. 1920 publizierte die Chas. Nissen & Co. Ltd. eine zweibändige Publikation von Edward Denny Bacon, der zu jener Zeit Präsident der Royal Philatelic Society in London war. Es hieß: „The Line-engraved Postage Stamps of Great Britain printed by Perkins, Bacon & Co.“ und bot eine sehr detaillierte Zusammenstellung von Dokumenten, vorwiegend aus dem Archiv von Perkins, Bacon & Co., nebst der Beschreibung, wie die englischen Briefmarken von 1840 bis 1880 produziert worden waren. 1929 wurde dieses Standardwerk, welches mit 15 separaten Bildtafeln ausgestattet war, durch ein „Supplement to the Line-engraved Postage Stamps of Great Britain printed by Perkins, Bacon & Co.“ (49 Seiten) ergänzt, das neben weiterführender Information auch einige Korrekturen enthielt. Der Autor wurde für das ursprüngliche Buch 1921 mit der Crawford-Medaille geehrt. Meiner Ansicht nach ist aber ohne jeden Zweifel das repräsentativste Werk über Großbritannien Charles Nissens 1922 veröffentlichtes Buch „The plating of the Penny Black Postage Stamp of Great Britain 1840“. In diesem 122 Seiten umfassenden Buch mit 40 Abbildungstafeln wird die Position jeder Marke der elf für die erste Ausgabe der Penny Black verwendeten Druckplatten beschrieben. So kommen insgesamt zwölf Platten zu je 240 Marken zusammen, sofern man die zwei Zustände der Platte 1 mit berücksichtigt. Es muss wohl einen enormen Aufwand dargestellt haben, die dafür benötigte Zahl von insgesamt 2 640 Marken zusammenzutragen, auch wenn dieses Vorhaben dadurch erleichtert wird, dass man die Position jeder Marke dank der Buchstabenkombination in den unteren Ecken der Marken leichter bestimmen kann. Dennoch musste jede einzelne Platte, von der eine Marke herrührte, aufgrund der Gravurdetails näher identifiziert werden. Charles Nissen wurde ebenfalls mit der Crawford-Medaille 1922 in Anerkennung dieses außergewöhnlichen Werkes geehrt, indirekt damit aber auch für seine herausragende Forschungsarbeit. Das außergewöhnliche Markenmaterial war Bestandteil der Chartwell-Kollektion und wurde im Dezember 2012 zum Preis von 364 000 brit. Pfund verkauft. Dr. H. Osborne galt als führender Experte auf dem Gebiet der Erstausgabe mit dem Porträt Queen Victorias und er hinterließ die Ergebnisse seiner Studie mit drei Veröffentlichungen. Seine erste Arbeit lautete „Great Britain, Twopence Plate nine, a Study of the Plate and its Repairs“. Diese wurde 1939 publiziert und brachte ihm ebenfalls die Crawford-Medaille im gleichen Jahr ein. Das Werk be- | 151 ____________________________________________________________________________________ inhaltet ausgezeichnete Fotografien und beschreibt die Platte 9 der 2d blau in großer Ausführlichkeit. Zwei andere bedeutende Werke kamen 1946 und 1949 heraus: „British Line Engraved Stamps, Twopence Blue – Studies of Plates 1 to 15“ und „British Line Engraved Stamps, Repaired Impressions“. Beide Bücher bestätigten einmal mehr den Eindruck, dass Philatelie durchaus als „Wissenschaft“ anzusehen ist, gerade wegen des Detailwissens, das bei Studien des Stichtiefdrucks und begleitender Beschreibungen benötigt wird. Man kann wohl kaum das Gebiet Großbritannien verlassen, ohne Bezug auf „The Royal Philatelic Collection“ zu nehmen, ein Werk, das von Sir John Wilson zusammengestellt und von Viscount Kemsley, dem damaligen Kurator der Königlichen Sammlung, 1952 veröffentlicht wurde. Dieses 568-Seiten-Werk ist zweifellos der angemessene Tribut für zwei „Sammlerkönige“, denn seit dem Ende des 19. Jahrhunderts trugen George V. und George VI. die vollständigste Kollektion der British CommonwealthAusgaben zusammen. Das ganz in Leder gebundene Werk ist unübertrefflich, obwohl der Schuber häufig nur in beschädigter Form noch aufzufinden ist. Dieser war vermutlich zu zerbrechlich für solch ein schwergewichtiges Werk. Das Buch beinhaltet die Geschichte der königlichen Sammlung und bietet dazu ein Inhaltsverzeichnis. Persönlich bedaure ich es ein wenig, dass relativ wenige Abbildungen enthalten sind, wohl wissend, dass es sicherlich mehrerer Bände bedurft hätte, allein nur die besonders bedeutenden Stücke dieser Kollektion zu illustrieren. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass im Vorfeld eine Broschüre mit einem Vorbestellformular und der Abbildung einiger Seiten herauskam, um für diese Edition zu werben. Sir John Wilson wurde die große Ehre zuteil, für dieses Prachtwerk mit der Crawford-Medaille 1953 ausgezeichnet zu werden. Auf der anderen Seite des Kanals befinden wir uns in Belgien, das – dank des Einflusses von Jean-Baptiste Moens (1833–1908) – eine der Wiegen war, dem unser Hobby den Aufstieg verdankt. Dennoch will ich mich nur auf einen Autor beschränken, dessen großer Einsatz eine nennenswerte Zahl von Publikationen und Artikelbeiträgen über eine lange Zeit von mehr als 50 Jahren hervorbrachte, die unter dem Namen seines Arbeitgebers und Schwagers erschienen: Louis Hanciau (1835–1924). Louis Hanciau – er war zu seiner Zeit vielleicht einer der kenntnisreichsten Philatelisten weltweit, also zu einer Zeit, in der man noch eine „Alle-Welt-Sammlung“ besitzen konnte. Er verfasste ein Buch, das erst 1929 posthum herauskam: „La Poste Belge et ses Diverses Marques Pos- 152 | tales 1814–1914“. Dies war eine der wenigen Publikationen, die unter seinem eigenen Namen je erschienen sind. Die mit 478 Seiten sehr umfangreiche Studie enthält 15 Abbildungstafeln, die die unterschiedlichen Typen der Abstempelungen dokumentieren und ist damit ein meisterliches Werk, das 100 Jahre belgischer Stempel bearbeitet. Eine zweite Ausgabe wurde 1981 von dem Händler Hector Raassens aufgelegt, was den Wert von Hanciaus Buch als Referenzwerk bestätigte. Es wäre vielleicht nicht gerecht, die Rolle des Händlers Willy Balasse zu verschweigen, die dieser für mehrere Jahrzehnte spielte. Er war verantwortlich für die Herausgabe von Spezialkatalogen zu Belgien und Belgisch-Kongo. Drei Auflagen erschienen 1935, 1940 und 1949. Die namhaftesten Experten ihrer Zeit trugen zu diesen Katalogen bei, so André de Cock, dem wir die Gründung des belgischen Postmuseums verdanken, und andere, wie z.B. R. Berlingin, E. Corbisier de Méaultsart, F. Dandoy, R. Delapierre, E. de Witte, L. Herlant, R. Poncelet, M. Scheerlinck und J. Du Four, der seinen Beitrag zum Gebiet von Belgisch-Kongo einbrachte. Das „Sechseck“, wie Frankreich zuweilen genannt wird, war stets eines der führenden Ländern bei der Produktion philatelistischer Literatur gewesen, wie wir bereits in den vorhergehenden Kapiteln gesehen haben. Wir beschränken uns auf die berühmtesten Werke und beginnen mit einem zweibändigen Opus von Arthur Maury, das 1907 herauskam: „Histoire de timbres-poste Français“. Auf 648 Seiten wird die Geschichte einer jeden Ausgabe bis ins Detail beschrieben. Das Buch behandelt aber auch die Postgeschichte Frankreichs und die solcher Ereignisse wie der Belagerung von Paris und deren postalischen Folgen (Ballon Post, Kugelpost, Brieftaubenpost). 1929 gaben Baron Renault und E. Devoitine mit der Unterstützung der Herren Doé und Strowski bei deutlicher Bezugnahme zur Arthur Maurys Werk ihren „Catalogue des Estampilles et Oblitérations Postales de France et des Colonies Françaises“ heraus, der von Yvert et Cie. verlegt wurde. Bis heute gilt das 634-Seiten-Werk als grundlegende Informationsquelle über die französischen Stempel. Es existieren 50 Exemplare einer De-luxe-Version auf Holland-Papier. Baron de Vinck de Winnezeele, von Geburt aus Belgier, widmete viele Jahre seines Lebens einem monumentalen Literaturwerk über Frankreich und dessen Kolonien, das unter dem Titel „Catalogue des Timbres-Poste de la France et des Colonies Françaises“ bei Yvert & Tellier in Amiens erschien. Über nahezu 20 Jahre wurde mehrere Auflagen dieses Kataloges veröffentlicht, dessen Umfang von einem Band bis auf drei Bände anwuchs, als die end- ____________________________________________________________________________________ gültige Ausgabe zwischen 1936 und 1940 erschien. Zum Glück hat de Vincks Original-Manuskript, das die Kolonien bearbeitete, überlebt. Für nahezu 150 Jahre wurde die italienische Philatelie von zwei Dynastien, Berufsphilatelisten und Verlegern, dominiert: den Familien Diena und Bolaffi. 1904 verlegte Stanley Gibbons eine Studie von Emilio Diena, die der 8. Band der Stanley Gibbons-Handbuchserie war. E. B. Evans hatte Dienas Werk „A History of the Postage Stamps of Sicily“ übersetzt und dieses enthielt 143 Seiten mit 20 Abbildungstafeln. Von diesem Buch existiert auch eine in Halbleder eingebundene Edition. Wie bereits Manfred Amrhein in dem 4. Band seiner Buchserie erwähnt, wurde Dienas Arbeit über die 36 verschiedenen Platten der ersten Ausgabe Siziliens durch Rudolf Friedl aus Wien erheblich erweitert. Dessen Werk basierte auf dem von Diena und wurde nachfolgend durch Fotoplatten ergänzt, die in einem Schuber geliefert wurden. Sie wurden von Rudolf Friedl herausgegeben und hießen „Die Sizilien-Platten“. Sie gelten heute als extrem selten. Über die Sardinischen Staaten veröffentlichte Alberto Bolaffi 1935 „I Bolli e gli Annullamenti Postali degli Stati Sardi usati nel periodo dal 1851 al 1863“. 1948 wurde das Werk ins Englische übersetzt. Zu den außergewöhnlichen Büchern, die der spanischen Philatelie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewidmet wurden, zählen: 1919: „The Stamps of Spain 1850 to 1854“, London, verfasst von Hugo Griebert und ausgestattet mit 14 Fototafeln. Es war das erste spezialisierte Werk, das zu den Ausgaben Spaniens Beschreibungen der Besonderheiten, Übertragungs-Irrtümer und Stempel berücksichtigte. Das Buch wurde mit drei unterschiedlichen Einbänden geliefert. Nur zehn Exemplare wurde von einer De-Luxe-Version gedruckt. Es war das erste Buch, das 1920 mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet wurde. Es war außerdem das erste, in dem die vollständigen lithografischen Platten der ersten fünf Werte der ersten Ausgabe von 1850 publiziert wurden. 1940: „6 Cuartos 1850“, von Antonio de Guezala, Bilbao. Dieses ungewöhnliche Werk über die erste spanische Briefmarke wurde in vier verschiedenen Sprachen veröffentlicht. Der Autor, von Beruf Maler, war als Sammler französischer Marken bekannt, nicht aber als Sammler der 6 Cuartos-Marke. Sein Freund Ramón Ruiz de Arcaute stellte ihm die Mehrzahl seiner Marken zur Verfügung und bis heute sind seine Aussagen, mit denen er die von Griebert berichtigte, immer noch gültig. Die außergewöhnlichen Zeichnungen fertigte A. Guezala selbst an. Die Stu- die war zwar bereits 1936 fast vollendet, erschien aber erst in Folge des Spanischen Bürgerkrieges 1940. Entsprechend damaligen Anzeigen gab es sieben verschiedene Einbände und nur 20 Exemplare einer besonders wertvollen und weitere 30 einer Luxus-Ausgabe. 1950: „Guia del coleccionista de sellos de correos de España“ von A. Tort Reus. In diesem enzyklopädische Werk bearbeitete Tort alle Ausgaben des 19. Jahrhunderts und es entstand mit Hilfe weiterer Philatelisten. Er selbst war kein Sammler, aber ein seriöser Erforscher, der drei Bücher mit 1179 Seiten, die gerade einmal 15 Jahre abdeckten, veröffentlichte. Das Werk beinhaltete die Beschreibung der Stempel und der Marken-Varianten aller klassischen Ausgaben Spaniens. Diese Publikation führte erstmalig zu einer nennenswert großen internationalen Beachtung. Er war der einzige spanische Autor, der die Crawford-Medaille zugesprochen erhielt. Drei Exemplare des Werkes existieren in einer nummerierten Ausgabe auf dickem gestrichenen Papier. 1976 wurde ein Reprint hergestellt. Blicken wir nach Portugal sollten wir R. B. Yardleys (1858–1943) 1907 als Band 4 der „Philatelic Record Handbooks“-Reihe veröffentlichtes Buch mit dem Titel „The Dies of the Postage Stamps of Portugal of the Reigns of Dona Maria II. and Dom Pedro V.“ erwähnen. Die überschaubare Seitenzahl (38) enthielt 29 Bildtafeln. Abgesehen von der Tatsache, dass die Mehrzahl der Arbeiten über die niederländische Philatelie erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstand, ist die 1932 von dem Niederländischen Philatelistenverband veröffentlichte Studie „De Poststempels van Nederland 1676–1915“ von O. M. Vellinga eine Erwähnung wert. Während bereits der auf 300 Exemplare limitierte Druck der Normalausgabe überrascht, gilt dies noch mehr für die nur sieben Exemplare, die in einer De-Luxe-Edition auf prächtigem Holland-Papier hergestellt wurden. Ein anderes erwähnenswertes Werk aus der Feder des Bibliophilen J. C. Auf der Heide erschien bereits zwei Jahrzehnte früher, 1912. Das „Handboek over alle Postzegels van Nederland en Kolonies“ war der erste Versuch, die Marken der Niederlande und seiner Kolonien in wissenschaftlicher Art zu bearbeiten. Schweden kann ebenfalls auf eine beachtliche Entwicklung zurückschauen, wie man der Publikation, die über dieses Land anlässlich der Gemeinschaftsausstellung der MonacoPhil 2013 erscheint, entnehmen kann. J. Schmidt-Anderson, RDP, von Dänemark veröffentlichte das hervorragende Buch mit dem Titel „The Postage Stamps of Denmark 1851–1951“, welches von der Dä- | 153 ____________________________________________________________________________________ nischen Post 1951 zur Hundertjahrfeier der ersten dänischen Briefmarken verlegt wurde. Das 293-Seiten-Buch enthielt eine Tafel, zwischen den Seiten 16 und 17 angeordnet, mit Neudrucken der Tönungen, die man bei der Thiele III der R.B.S.-Platte von 1854 beobachten kann. Wegen dieser Neudruck-Tafel fand das Werk besonderes Interesse und bleibenden Wert. 1952 wurde J. SchmidtAnderson mit der Crawford-Medaille geehrt. Finnland, dessen Kehrdrucke der ersten Ausgabe und deren ungewöhnliche Zähnungen der nachfolgenden Ausgaben die Sammler erfreut hat, war Gegenstand eines 1947 in Frankreich erschienenen Referenzwerkes. Der belgische Autor P. Grosfils-Berger schrieb dazu eine sehr detaillierte Studie mit dem Titel „Finlande, les Timbres des Premières Emissions de 1856 à 1889/95“. 240 Exemplare des Werkes erschienen, weitere zehn privat gedruckte, die vom Autor signiert sind. Seit jeher nimmt die Schweiz wegen der Faszination ihrer ersten Kantonalausgaben einen besonderen Platz in der philatelistischen Literatur ein. Dabei ist zu betonen, dass einige dieser Ausgaben extrem selten sind. Begleitende Werke wurden bereits im 19. Jahrhundert veröffentlicht und ein Händler hatte sogar die Idee, einen Spezialkatalog für Sammler herauszugeben. Es ist naheliegend, dass wir von dem Katalog der Firma Zumstein & Cie. sprechen. Ernst Zumstein starb vorzeitig 1918 und ließ zu dieser Zeit eine nicht zu Ende gebrachte Neuauflage zurück. Dies war die dritte und letzte Ausgabe, die teilweise von A. Hertsch überarbeitet wurde, bevor sie sechs Jahre später, 1924, auf den Markt kam. Ähnlich wie bei dem legendären Werk von Mirabaud und Reuterskiöld 1899, beinhaltete auch diese Ausgabe einige hervorragende Farbtafeln der ersten Ausgaben. Infolge der großen Nachfrage französisch sprechender Sammler wurde die deutsche Fassung von Maurice Picard 1925 ins französische übersetzt, sie enthielt aber nur die grundlegenden Informationen der Originalfassung, keine Abbildungen. Dem Sammeln Schweizer Poststempel war ein Referenzbuch gewidmet, das unter dem Titel „Les Marques Postales de la Suisse 1650–1850“ 1945 erschien und von Marc Henrioud und Jean J. Winckler verfasst worden war. 120 Exemplare dieses 336-Seiten-Buches wurden gedruckt und 1961 wurde es durch eine 127-Seiten-Ergänzung von Jean J. Winckler weitergeführt. Österreich, genauer gesagt das Kaiserreich Österreich-Ungarn, war Gegenstand einer 1908 von Hans Kropf (1857– 1911) veröffentlichten Studie („Die Postwertzeichen des Kaisertumes Österreich und der österreich-ungarischen Monarchie“). Es war ein umfangreiches Werk mit 447 Seiten, das zusammen mit 35 Abbildungstafeln im Schuber 154 | auf der Bucheinband-Rückseite anlässlich des Goldenen Jubiläums von Kaiser Franz-Joseph erschien. Damals galt dieses Werk als eines der besten philatelistischen Bücher überhaupt. Es behandelte das österreichische Kaiserreich in seiner Erscheinungsform vor dem Ersten Weltkrieg. Edwin Müller hinterließ ebenfalls seine Spuren mit einer großen Anzahl verschiedener hochstehender Publikationen. Um nur zwei davon zu nennen, sollten wir sein „Grosses Handbuch der Abstempelungen von Altösterreich und Lombardei-Venetien“ aus dem Jahr 1925 erwähnen (350 Seiten, eine Abbildungstafel), welches durch ein 22-Seiten-Supplement 1934 ergänzt wurde, aber auch sein 1927 erschienenes Buch „Die Postmarken von Österreich“ (427 Seiten). Abschließend scheint es angebracht, die 1933 von P. F. De Frank aus Paris vorgestellte Arbeit „Something New about Something Old, the First issue of Austria and LombardyVenetia, 1850–1858“ zu nennen. Das Buch beschreibt in großer Genauigkeit die verschiedenen Wertstufen der ersten Ausgabe. Diese Marken können durch ihren Nennwert identifiziert werden, welcher in Kreuzer (Österreich) und Centes (Lombardei-Venetien) aufgeführt ist. 25 Exemplare einer Luxusedition existieren in englischer Sprache. Die polnische Philatelie hatte mit Wladimir von Polanski, der zwei grundlegende Studien verfasste, einer ihrer größten Protagonisten. Bereits 1920 erschien „Timbres-poste de Pologne aux XVIII et XIX Siècles“ in einer Auflage von 135 Exemplaren in französischer Sprache. Dieses nur selten anzutreffende Werk wurde in die polnische Sprache übersetzt und 1922 in noch begrenzterer Stückzahl von nur 65 Exemplaren gedruckt. 1933 kam eine ebenso „wissenschaftlich“ verfasste Neuausgabe heraus, die zusätzliche Informationen aus der Sammlung von Agathon Fabergé beinhaltete. 300 Exemplare dieses Buches wurden in Wien mit Hilfe von Wladimir von Rachmanow (1886–1968) hergestellt. Der Umfang von 182 Seiten wurde durch 53 Abbildungstafeln ergänzt, die sich in einer Schachtel mit Aufdruck des polnischen Wappens befinden. Die russische Philatelie konzentrierte sich ursprünglich auf die Semstwo- oder Lokalpostmarken. Nach ersten Versuchen von Koprowski und Herrick, diese Lokalposten zu beschreiben (siehe Kap. 3.4), begannen Carl Schmidt und Agathon Fabergé mit einzelnen Lieferungen eines Handbuches, das die 50 Distrikte abdecken sollte. Ihre Arbeit wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen und zu dieser Zeit waren ersten 16 Teillieferungen erschienen. 1916 wurden diese zu einem zweibändigen Werk zusammengefasst und kamen in Buchform unter dem Titel „Die Postwertzeichen der Russischen Landschaftsämter“ her- ____________________________________________________________________________________ aus. Band 1, der den Distrikt Akhtyirka-Donetz behandelte, enthielt 410 Seiten und 52 Abbildungstafeln, Band 2 über den Distrikt Dukhovshchina-Kusnetsk brachte es auf 368 Seiten mit 50 Bildtafeln. Zwischen 1932 und 1934 publizierte Carl Schmidt eine zweibändige Studie über die Semstwo-Ausgaben in Berlin, für die er mit der CrawfordMedaille ausgezeichnet wurden. Band 1 enthielt 300 Seiten, Band 2 über 198 Seiten. Ein weiteres 198-SeitenBuch erschien unter dem Titel „Sammlung russischer Landschaftsmarken im Reichspostmuseum Berlin“, nachdem Carl Schmidt seine Semstwo-Sammlung dem Berliner Reichspostmuseum gestiftet hatte. 1925 überarbeitete Fedor G. Chuchin (1883–1942) ein anderes Referenzwerk über die Lokalausgaben Russlands und gab dies unter dem Titel „Catalogue of the Russian Rural Postage Stamp“ heraus. Ursprünglich war das Werk in russischer Sprache im gleichen Jahr erschienen. Soweit es Griechenland betrifft, ist N.-S. Nicolaidès zu nennen, Briefmarkenhändler seit dem 19. Jahrhundert, der durch zahlreiche Preislisten mit Schwerpunkt Briefmarken aus Griechenland bekannt geworden war. 1923 veröffentlichte er eine weit gründlichere 117-Seiten-Studie in Paris, die unter dem Titel „Histoire de la création du timbre grec et description complète de toutes les émissions“ herauskam. Zwei Jahrzehnte später gab Tryphon Constantinidès in Athen unter Schirmherrschaft der Société Philatélique Hellénique das zweisprachig verfasste Werk „Etude sur les Timbres-Poste de la Grèce“ in griechischer und französischer Sprache heraus. Diese Arbeit war von völlig anderem Kaliber. 1933 deckte der erste Band mit 514 Seiten und neun Korrektur-Seiten die „Große Hermeskopf“-Ausgabe ab, während der 1937 erschienene Band 2 auf 120 Seiten den seit 1886 produzierten Marken gewidmet war. Wir werden unsere „Weltreise“ mit einigen Schlüsselwerken zu den australischen Gebieten abschließen. Im 19. Jahrhundert gab jeder australische Staat, einschließlich Queensland, Tasmania, Victoria und New South Wales, eigene Marken heraus. 1923 veröffentlichte der bedeutende Sammler Charles Lathrop Pack das definitive Werk jener Zeit über die Porträtausgaben von Queen Victoria. Herausgeber war der Collectors Club in New York und es erschien unter dem Titel „The Half-Length Portraits and the Twopence Queen Enthroned.“ Das 273-Seiten-Buch, ausgestattet mit 29 Abbildungtstafeln, beschreibt diese wenig ansprechende Ausgabe, die teils nur sehr schwierig wissenschaftlich zu behandeln ist. Über einige Zeit besaß Lathrop Pack den berühmten „Pack Strip“, einen vertikalen Dreierstreifen der „Ochsenaugen“ Brasiliens, genannt „Xiphopagus“. Das Buch brachte dem Autor bereits im selben Jahr die Anerkennung der Crawford-Medaille ein. Von 1911 bis 1913 arbeitete A. F. Basset Hull an einer sehr detaillierten zweibändigen Studie über die Marken von New South Wales. Es erschien mit insgesamt 574 Seiten und 41 Fototafeln und lautete: „The Postage Stamps, Envelopes, Wrappers, Post Cards and Telegraph Stamps of New South Wales.“ Verlegt wurde es von Stanley Gibbons Ltd. für die Royal Philatelic Society, London. Es sollte zu einem literarischen Meilenstein für dieses Gebiet werden. Im Dezember 1914 und Juni 1915 brachte das Publikations-Komitee der Royal Philatelic Society je ein transparentes Deckblatt heraus, auf dem Markenabbildungen für bestimmte Positionen der Platten H und I enthalten waren, womit auch bestimmte vorhergehende Fehler korrigiert wurden. Es versteht sich von selbst, dass gerade diese Beilagen in ursprünglicher Erhaltung wirkliche Seltenheiten sind. 1930 erschien unter Federführung der Royal Philatelic Society, London, ein bedeutendes Werk über Queensland mit dem Titel „The Postage Stamps, Envelopes, Wrappers, Post Cards and Telegraph Forms of Queensland“. A. F. Basset beschreibt auf 181 Seiten und 33 Fototafeln alle Ausgaben, die bis 1912 das Licht der Welt erblickt hatten. Man sollte beachten, dass auf den Seiten XIII–XIX eine von E. D. Bacon verfasste Bibliografie von Queensland abgedruckt ist. Es war die gleiche, die im „Journal of the Philatelic Literature Society“ im Dezember 1909 abgedruckt war, ergänzt um weitere seitdem erschienene Werke. Neuseeland verdankt sein ausgeprägt hohes literarisches Profil einem Meisterwerk, das bereits 1938 begonnen wurde und immer noch durch die „Philatelic Society of New Zealand“ herausgegeben wird: „The Postage Stamps of New Zealand“. Diese Enzyklopädie – weithin unter dem Namen „Collins“ bekannt, weil sie von H. T. M. Fathers und R. J. G. Collins, RDP, herausgegeben wurde – bearbeitet alle philatelistischen Aspekte dieses Landes. Seit 1938 erschienen neun Bände, der letzte davon 2006. Mit anderen Worten ausgedrückt: Das Werk wird von einund derselben Organisation seit nunmehr fast 70 Jahren verlegt! Natürlich haben während dieser Zeit zahlreiche Schriftleiter und Herausgeber-Beiräte gewechselt, dennoch hat es das Engagement der Royal Philatelic Society von Neuseeland verstanden, eine Richtung der beständigen Fortführung und Ausrichtung zu gewährleisten. Auch wenn vermutlich die Auflage der frühen Bände dieser Reihe recht hoch war, ist das komplette Werk heute immer noch sehr nachgefragt und nicht leicht zu finden. Die Royal Philatelic Society von Neuseeland wurde 1956 für die | 155 ____________________________________________________________________________________ Veröffentlichung von Band III mit der Crawford-Medaille ausgezeichnet. Es wäre fast schon unfreundlich, die Welttour abzuschließen, ohne einen Blick auf zwei prestigeträchtige Werke zu werfen, die zu zwei fernen Inseln herauskamen, über deren Philatelie nicht viel bekannt ist. Samoa, welches in der Mitte des Pazifischen Ozeans liegt und heute nur 180 000 bis 190 000 Einwohner zählt, wurde 1916 durch R. B. Yardleys Werk „The Samoa Express Postage Stamps“ gewürdigt, das einmal mehr unter der Schirmherrschaft der Royal Philatelic Society London erschien. Die 64-Seiten-Studie mit zehn Fototafeln beschreibt in großer Genauigkeit diese „Express“-Ausgaben, welche erstmals 1877 gedruckt worden waren. Abschließend und um dieses Kapitel mit einem exotischen Bezug zu beenden, sei die von J. W. Purves, einem ausgewiesenen Autor, 1939 verfasste Studie „The Postage Stamps of Fiji, 1878–1902“ erwähnt, die als perfektes Beispiel einer Arbeit über die klassische Philatelie einer weiteren fernen Insel gelten kann. Die 89-Seiten-Broschüre, ausgestattet mit acht Bildtafeln, beinhaltet eine Reihe von Fachbeiträgen, die zuvor im „London Philatelist“ erschienen waren. Quellen 1. Philatelic Literature, von Manfred Amrhein (Band 1–4) 2. Auktionskataloge 3. Private Sammlung des Verfassers 156 | Eine Anmerkung des Übersetzers (Wolfgang Maassen) Diese Anmerkung findet sich nicht in der englisch-französischen Originalfassung dieses Kapitels von Yves Vertommen, weil sie eigentlich nur für deutsche Leser von Interesse ist. Diese werden vielleicht erwähnenswerte deutsche Literatur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vermissen. Wer über spezialisierte Kenntnis der Literatur jener Zeit verfügt, weiß, dass es bis in die 1950er-/60er-Jahre in Deutschland kaum den in diesem Kapitel vorgestellten Werken vergleichbare Standardwerke gegeben hat. Wohl das „Kohl-Handbuch“ und seine Nachfolger, aber diesem Handbuch wurde in diesem Buch bereits ein eigenes Kapitel gewidmet. Zwar erschienen – z.B. bei INFLA-Berlin zahlreiche Kleinstudien diverser Art –, auch andere vergleichbar hochstehende Ausarbeitungen, aber in die Spitze der weltweit angesehenen Handbücher und Standardwerke meldete sich Deutschland erst ab den 1970er-Jahren zurück. Die Publikationen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fanden in diesem Kapitel generell – so sah es die Konzeption vor – keine Berücksichtigung. In den letzten Jahrzehnten erschienen durchaus eine Reihe von bedeutenden und bis heute wertvollen Fachpublikationen in deutscher Sprache; es sei nur an zahlreiche Werke zur Altdeutschland-Philatelie (Baden, Sachsen, Württemberg) erinnert. Carlrichard Brühls zweibändige „Geschichte der Philatelie“ wurde – als Ausnahme von der Regel – ebenfalls bereits an anderer Stelle gewürdigt. Letztlich bestätigte das Fehlen nennenswerter hochrangiger deutscher philatelistischer Literatur auch die vom Autor dieses Buches in Kapitel 3.1 vertretene These, dass Kriege, zumal Weltkriege, erhebliche Auswirkungen auf die Kontinuität und den Reichtum philatelistischer Literatur eines Landes haben, das wie Deutschland selbst in diesen verheerenden Kriege verstrickt war und lange an deren Auswirkungen zu leiden hatte. ____________________________________________________________________________________ Anhang 1 Ausgewählte Kurzbiografien einiger namhafter Autoren und Herausgeber in der Philatelie ____________________________________________________________________________________ Wie bereits zu Beginn des Buches erwähnt, ist es nicht unser Ziel, eine lange Liste aller philatelistischen Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts herauszugeben. Wir sind Brian Birch zu Dank verpflichtet, dass er die schwierige Aufgabe der Vorbereitung der meisten Kurzbiografien übernommen hat, welche dann angepasst, bearbeitet und/oder erweitert wurden. Wir können Leser nur dazu ermutigen, die FIP-Internetseite zu besuchen, wo das Werk von Brian Birch im Ganzen zu betrachten ist. Dort sind auch zahlreiche Quellen aufgeführt, die für Jeden, der tiefergehende Recherchen betreibt, sehr hilfreich sein können. Die vorliegende „Auswahl“ ist eher subjektiver Natur und wir möchten uns bereits im Vorhinein für etwaige Aussparungen und Ungenauigkeiten entschuldigen. Nichts desto trotz stehen wir hinter der Wahl, die wir treffen mussten und für die wir jeweils eine kurze Erklärung geben werden. Die folgenden Biografien geben einen Überblick über die prominentesten Autoren und Verleger, die im 19. Jahrhundert die philatelistische Literatur geprägt haben. Eine erstaunliche Anzahl von Autoren kam seinerzeit aus Ländern, die bereits industrialisiert waren. Nur sehr wenige bedeutende literarische Werke wurden in dieser Zeit von Autoren aus anderen Ländern veröffentlicht. Dies spiegelt sich in der Tatsache, dass nur wenige der in dieser Studie geführten Autoren aus eben solchen Ländern stammten. Wir sind der Ansicht, dass es ebenfalls wichtig ist, Philatelisten in unsere Betrachtungen miteinzubeziehen, die bereits sehr früh mit dem Sammeln philatelistischer Literatur anfingen und zeitgenössische philatelistische Zeitschriften bezogen. Wir haben – so gut wie möglich – versucht, exakte Informationen darüber zu gewinnen, was mit ihren Bibliotheken passiert ist. Es war uns darüber hinaus ebenfalls ein Anliegen, gewissen Händlern Tribut zu zollen, die sich auf den Vertrieb philatelistischer Literatur spezialisiert hatten, gingen doch eine Vielzahl von Raritäten und außerordentlichen Werken durch deren Hände. Schließlich werden wir auch einige wichtige Persönlichkeiten der internationalen Philatelie nennen, die namensgebend für verschiedene Auktionskataloge waren, welche heute die einzige zugängliche Quelle über beeindruckende Sammlungen darstellen, die heute weit zerstreut sind. Dieses Kapitel ist das Werk verschiedener Autoren, welche diese zuvor unveröffentlichten Informationen auf Basis von Auswertungen zeitgenössischer Zeitschriften, Ausstellungskataloge sowie philateliegeschichtlicher Publikationen zusammengestellt haben. Wir möchten Chris King danken, der eine Großzahl der Abbildungen zur Verfügung gestellt hat, Alberto Bolaffi, der eine Vielzahl an Informationen über verschiedenste Philatelisten in seinem großartigen Buch „Forum“ veröffentlicht hat, Carlrichard Brühl, der in den 1980er Jahren überaus viele Fotografien für seine „Geschichte der Philatelie“ zusammengetragen hat und Wolfgang Maassen, der uns freundlicherweise erlaubt hat, seine zahlreichen philateliegeschichtlichen Publikationen und Archive nach Bildmaterial zu durchsuchen – viele davon sind bislang | 157 ____________________________________________________________________________________ niemals veröffentlicht worden. Für einige der hier geführten Autoren konnten keine Bilder gefunden werden, z.B. der berühmten Miss Fenton, von der (soweit bekannt) kein Portrait mehr existiert. Andere Autoren hingegen sind zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Zeitschriften im Bild festgehalten worden. Keiner dieser Autoren sollte in der Geschichte der Philatelie verloren gehen. Menschen, die ihre Spuren hinterlassen haben! Die Geschichte der Philatelie hat eine Reihe von bedeutenden Sammlern gesehen, die auch heute unvergessen sind als Forscher und Autoren, als literarische Experten und Sammler von Literatur. Es ist leider nicht möglich, allen die Aufmerksamkeit zu geben, die sie verdienen. Deshalb mussten wir uns in dieser kleinen „Hall of Fame“ auf eine kleine Auswahl prominenter internationaler Persönlichkeiten der frühen Philateliegeschichte beschränken. ANDERSON, Peter John 1852–1926 Anderson war einer der Pioniere der Philatelie und sammelte philatelistische Literatur ab Beginn der 1860er Jahre. Er spendete einen großen Teil seiner Bibliothek der Universität von Aberdeen während seiner dortigen Anstellung als Bibliothekar. Der Universitätsbestand beinhaltet heute viel frühe und selten Literatur sowie die privaten Schriften und Werke Andersons. BACON, Sir Edward Denny 1860–1938 Bereits im Alter von 19 Jahren wurde Bacon Mitglied der Philatelic Society of London, zwei Jahre später Mitglied des Vorstandes. Er war Präsident der Royal Philatelic Society London von 1917 bis 1923. Im Jahr 1892 wurde er Kurator der Tapling-Sammlung im Britischen Museum. Infolge dessen wurde er vom Earl of Crawford angestellt, um dessen philatelistische Bibliothek zu pflegen. Im Jahr 1914 war er einer von drei Mitgliedern der Royal Philatelic Society London, die eine Lindenberg-Medaille erhalten hatten und diese aus Protest gegen den Ersten Weltkrieg an den Berliner Philatelisten Klub zurückgaben. Nach dem Tode Tilleards war er von 1913 bis 1938 Kurator der Philatelistischen Sammlung des Königs. Bacon war einer der ersten Unterzeichner der Roll of Distinguished Philatelists 1920. BARTELS, Julius [John] Murray 1872–1944 Der Gründer der J. M. Bartels Company und war in philatelistischen Kreisen als Murray bekannt. Er war Händler in der Zeit von 1893 bis 1944 und betrieb eine lange Zeit ein Ladengeschäft an der Nassau Street. Den meisten 158 | bekannt wurde er als Auktionator. Im Laufe seiner Karriere führte er 337 Versteigerungen durch. Er galt als der überragende Experte auf dem Gebiet der Ganzsachenumschläge der Vereinigten Staaten von Amerika. Die Zeitschriften in seiner Bibliothek, welche zwei große Umzugskartons mit rund 900 Titeln aus der Zeit von 1900–1920 füllten, wurden ca. 1920 dem Collectors Club gestiftet. BECKTON, Walter Dorning 1866–1931 Er begann 1879 mit dem Sammeln und wurde ein bekanntes Mitglied der Manchester Philatelic Society sowie der Royal Philatelic Society London. Erstgenannte Vereinigung lenkte er für über 34 Jahre als Präsident. Beckton begann im Jahr 1880 mit dem Briefmarkensammeln und beschränkte seine Sammlung mit dem Ende des Jahres 1890. Im Jahr 1935 stifteten sein Bruder und seine Schwester zusammen mit der Manchester Philatelic Society seine Literatursammlung, die aus über 700 Titeln bestand, der Zentralbibliothek von Manchester, wo diese auch heute noch zugänglich ist. BELLAMY, Frank Arthur 1864–1936 Neben seiner Tätigkeit als Astronom an der Universität von Oxford wird ihm nachgesagt, ein ruheloser Buchliebhaber gewesen zu sein. Bellamy annoncierte für philatelistische Literatur in Alfred Smith & Sons Monthly Circular (31. Dezember 1907, Nr. 396, S. 86). Sein Gummistempel wurde auf vielen seiner unterschiedlichen Büchern und Zeitschriften angebracht, die er im Laufe seines Lebens als Literatursammler erworben hatte. Er besaß eine spezielle Ausführung des Werkes The Catalogue of the Earl of Crawford’s Library, zwei Bände mit zwischen den Seiten eingeschossenem Papier, auf welchen er umfangreiche Ergänzungen zum Buchmanuskript hinterließ, die er aufgrund seiner eigenen Bibliothek machen konnte (Stamp Lover, Nr. 263, November 1940, 33. Jahrgang, Heft 6, S.119). Dieses Werk ist heute im „American National Postal Museum Library“ im Smithsonian Institute zu finden. In einem Beitrag aus dem Jahr 1919 wurde behauptet, dass Vallancey, der Eigentümer des bekannten wöchentlichen Briefmarken-Magazins „Stamp Collecting“, 50 000 Titel aus der Sammlung Bellamys erworben hat. Seine Bibliothek, die über 200 000 Titel enthalten haben soll, wurde nach seinem Tod von „Harris Publications“ erworben. Es hatte ihn 3 000 Pfund gekostet, die Bibliothek zusammenzutragen. BERGER-LEVRAULT, François Georges Oscar 1826–1903 Er veröffentlichte den ersten Briefmarken-Katalog von seinem Haus aus in Straßburg, Frankreich 1861. Gedruckt ____________________________________________________________________________________ im Lithographie-Verfahren war dieser ursprünglich nur zur Verteilung unter seinen Freunden vorgesehen. Zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Deutsch-Französischen Krieges (1870–1871) betrug die Anzahl an Marken in seiner Sammlung 10 400. Er stiftete seine philatelistische Bibliothek im Jahr 1881 der Société Française de Timbrologie, eine Aufstellung des Inhalts ist jedoch nicht verfügbar. BILLIG, F. Fritz 1902–1986 Vormals ein gutsituierter Händler in Wien in der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg floh Billig nach der Annexion Österreichs an das Deutsche Reich durch die Nazis in die USA. Nachdem der Krieg unvermeidbar erschien, anglisierte er seinen Namen zu Fred F. Billings und führte sein Geschäft unter „Billings Stamp Company“, um anti-deutsche Stimmungen zu vermeiden. BISHOP, Percy Cooke 1869–1960 Er bearbeitete und publizierte im Alter von vierzehn Jahren sein eigenes Briefmarken-Journal, die Philatelic Exchange List. Die Zeitschrift erschien jedoch nur für vier Ausgaben. Einer Zeit freiberuflicher Mitarbeit bei verschiedenen philatelistischen Fachzeitschriften folgte die Übernahme des Stamp Collectors´Monthly sowie ein wenig erfolgreicher Versuch, eine Presseagentur zu etablieren. Im Jahr 1894 gründete er zusammen mit Harry Hilckes den Stamp Collectors´Fortnightly und führte diesen mit seinem Stamp Collectors´Monthly zusammen. Einige Jahre später musste Hilckes sein Geschäft auflösen und das Erscheinen des Fortnightly geriet ins Stocken. Dank der Unterstützung durch die Brüder J. H. & Stanley Telfer, konnte Bishop die Zeitschrift einige Monate wiederbeleben und blieb bis zum Jahr 1912 deren Herausgeber. BLOCH, Herbert J. 1907–1987 Geboren in Baden, floh Herbert Bloch 1936 in die USA, um der Verfolgung durch die Nazis zu entgehen. Im Jahr 1943 wurde er Teilhaber von H. R. Harmer Inc und arbeitete u.a. an den Verkäufen der Sammlungen von Alfred Caspary und Präsident Roosevelt. 1948 wurde er Teil des Friedl Expert Committee und zehn Jahre später wurde er Teilhaber in der Mercury Stamp-Company. Seine Bibliothek wurde 1985 von Roger Koerber verkauft. BOKER JR., John Robert 1913–2003 Als seine philatelistischen Interessen den Höhepunkt erreichten, begann er, die größte jemals existierende Sammlung Altdeutschlands aufzubauen. Nach vielen Jahren des Sammlungsaufbaus und dem Erreichen seines Zieles wurde die Boker-Sammlung schließlich in Deutsch- land von 1985 bis 2000 verkauft und erreichte einen Gesamtzuschlag von 39 Millionen USD. Boker war Präsident des Collectors Club von 1963–1964 und Unterzeichner der Roll of Distinguished Philatelists. Seine Bibliothek wurde von der Firma Nutmeg Stamp Sales im Oktober 2005 verkauft. BOOTY, Frederick William 1841–1924 Er stellte 1862 den ersten im Vereinigten Königreich publizierten Briefmarkenkatalog, Aids to Stamp Collectors, zusammen. Für die ersten beiden Auflagen des Kataloges benutzte er das Pseudonym „A Stamp Collector“. Außerdem stellte er das Werk The Stamp Collector’s Guide her, die weltweit erste illustrierte Publikation über Briefmarken, wobei er sämtliche Illustrationen selbst zeichnete. DE BOSREDON DU PONT, Philippe, 1827–1906 Eine bedeutende Persönlichkeit des Zweiten Kaiserreiches war Philippe de Bosredon du Pont, er war aber auch ein herausragender Sammler von Brief- und Fiskalmarken. De Bosredon war Kommandeur der Ehrenlegion (1869) und Träger verschiedener ausländischer Auszeichnungen. Sein wichtigster Beitrag zur Philatelie war – gemeinsam mit Pierre Mahé – die Publikation der „Monographie des timbres fiscaux mobiles“, welche sich zu einem der Hauptwerke der französischen Fiskalphilatelie entwickelte. In diesem avantgardistischen Werk, das eine Art Katalog ohne Preisangaben war, verknüpfte Bosredon sukzessive die Darstellung der Fiskalmarken mit den offiziellen Ankündigungen jeder Ausgabe. Darüber hinaus gilt er als einer der ersten Autoren, der eine Bibliographie philatelistischer Literatur erstellte, welche als Beitragsreihe in der Pariser Zeitschrift Revue de la Société Timbrologique erschien. BREITFUSS, Friedrich Andreas 1851–1911 Breitfuss war ein wohlhabender Geschäftsmann, dessen Familie als Goldschmiede und Juweliere für den russischen Zaren tätig war. 1864 bestellte sein Vater für seinen Sohn eine komplette Sammlung aller bis dahin weltweit existierenden Briefmarken. Gegen Ende seines Lebens wurde ihm nachgesagt, die drittgrößte Sammlung der Welt nach Ferrary und Tapling besessen zu haben. Der Großteil dieser Sammlung wurde 1907 an die Firma Stanley Gibbons verkauft. BROWN, William 1864–1927 Der Gründer der William Brown Company war gegen Ende der Viktorianischen Ära einer der wichtigsten Händler im Vereinigten Königreich. Er war Gründer des Philatelic Jour- | 159 ____________________________________________________________________________________ nal of Great Britain im Jahr 1891, welche für lange Zeit die am längsten ohne Unterbrechungen erscheinende philatelistische Fachzeitschrift weltweit war. BROWN, Mount 1837–1919 Mount Brown sammelte Briefmarken ab den 1850er Jahren. Er veröffentlichte im Mai 1862 den ersten englischen Briefmarken Katalog, der auf der Sammlung von Reverend Francis John Stainforth basierte. Fünf verschiedene Auflagen wurden innerhalb von zwei Jahren herausgegeben. Mount Brown war Mitglied der (Royal) Philatelic Society London und des Ehrenkomitees der Internationalen Ausstellung in London 1912. BURRUS, Maurice 1882–1959 Burrus war ein Tabak-Magnat aus dem Elsass, dessen weltweite Sammlung, zu den besten in der Welt gehörte. Im Alter von sieben Jahren begann er 1899 Briefmarken zu sammeln, nachdem sein Onkel ihm ein paar alte Umschläge, die mit Briefmarken frankiert waren, gegeben hatte. Bekannt wurde er während der Ferrari-Auktionen, bei denen er viele der herausragenden Raritäten erstand. Seine Sammlung Lombardei-Venezien wurde als „Mystery Collection“ (wörtlich: Geheimnisvolle Sammlung) bei Shanahan im Mai 1959 verkauft. Auktionskataloge von den Verkäufen seiner zahlreichen Sammlungen aus den 1960er-Jahren sind sehr gesucht. CALMAN, Gustav Bernhard 1860–1898 Der Bruder von Henry Lincoln Calman zahlte John Walter Scott aus und gründete die Scott Stamp & Coin Company. CASPARY, Alfred Henry 1877–1955 Er war der Besitzer der Aktienhandelsgesellschaft A. H. Caspary & Company, was ihm finanziellen Wohlstand und die Möglichkeiten einbrachte, seiner Passion zu frönen. Er war einer der größten und gleichzeitig zurückhaltend lebenden Sammler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Er galt als pedantisch bei der Suche nach Probedrucken in feinster Qualität, jegliche qualitativ minderwertigen Exemplare ablehnend – mögen diese auch noch so selten gewesen sein. Er war verschlossen und nutzte das Pseudonym „Pazificus“, selbst als eine Auswahl seltener Briefmarken aus seiner Sammlung 1954 in einem gefeierten Artikel des „Life Magazine“ abgebildet wurde. Nach seinem Tod wurden seine Sammlungen – seinem Testament folgend – verkauft und die Erlöse verschiedenen wohltätigen Organisationen gespendet. 160 | CASTLE, Marcellus Purnell 1849–1917 Er übernahm nach dem Tod seines Vaters die „Albion Brewery of Brighton“, was es ihm ermöglichte, seiner Passion ungehindert nachzugehen. Als früher Sammler wurde er Opfer eines Diebstahls, als seine erste Briefmarkensammlung 1866 in Deutschland gestohlen wurde. Er kehrte 1867 nach England zurück und stieg in das Brauereigeschäft ein. 1892 setzte er sich zur Ruhe, um sich voll und ganz seinem Hobby, der Philatelie, zu widmen. 1879 schloss er sich der „Philatelic Society London“ (später „Royal Philatelic Society London“) an und wurde bis zu seinem Tod fast vierzig Jahre später eine der treibenden Kräfte. Castle war ein Gründungsmitglied des Expertenkomitees der RPSL und bearbeitete bzw. veröffentlichte die ersten 25 Ausgaben des „London Philatelist“. Seine Bibliothek wurde der „Royal“ vermacht. Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, dass viele seiner Bücher bei der RSPL erhalten sind, können diese nur durch zufällige Widmungen des jeweiligen Autors an Castle erkannt werden. CHAMPION, Théodore 1873–1954 Geboren im schweizerischen Genf als jüngerer Bruder von Adrien Champion machte Theodore als Angestellter in dessen Firma „Maison Champion & Cie“ seine ersten Schritte. Als der Erfolg des Geschäftes anfing einzubrechen, gab er seinem Bruder sein Erspartes von 20 000 Schweizer Franken und verließ die Firma, um nach Paris zu ziehen und dort für Alfred Forbin zu arbeiten. Nach einigen Jahren übernahm T. Champion das Geschäft auf der Rue Drouot 13 und benannte es in Theodore Champion SA um. 1902 begann er als Bearbeiter der Yvert-Kataloge und 1937 unterzeichnete er die „Roll of Distinguished Philatelists“. Seine Bibliothek wurde von Huys-Berlingin verkauft. CHAMPION, Adrien 1867– Der Bruder von Theodore Champion war Partner in der Firma Kirchhoffer & Champion, einem Briefmarkenhandel in Genf/Schweiz. Nach einiger Zeit wurde die Partnerschaft aufgelöst, jedoch fand man sich erneut zusammen als „Maison Champion & Cie“. Obwohl das Geschäft zu Beginn florierte, führte ein Großeinkauf von Briefmarken, die sich als minderwertig herausstellten, 1899 zum Scheitern. Um sich von dieser Entwicklung zu erholen, verkaufte er gefälschte Briefmarken, wofür er 1902 zu einer Haftstrafe verurteilt wurde. CHASE, Dr. Carroll 1878–1960 Während des Ersten Weltkrieges schloss sich Chase der Französischen Armee an, in der er als Chirurg arbeitete. ____________________________________________________________________________________ Obwohl er nach dem Krieg wieder in die USA ging, kehrte er 1929 nach Frankreich zurück, wo er in Paris bis kurz vor dem Eintritt der Amerikaner in den Krieg lebte. Seine Bibliothek wurde von Fritz Billig erworben und mittels dessen Literatur-Preislisten und Auktionen im Zeitraum von 1963 bis 1965 verkauft. CRAWFORD, Earl of 1847–1913 Sein voller Name lautete James Ludovic Lindsay, 26. Earl of Crawford, 9. Earl of Balcarres, 3. Baron Wigan. Er trat in die Fußstapfen seines Vaters als großer Bibliophiler und Forscher. In Folge seiner Hochzeit wurde Haigh Hall in der Nähe von Wigan, das Heim der Familie seiner Ehefrau, seine Hauptresidenz. Seine Bibliothek war in Haigh Hall, mit Ausnahme der philatelistischen Abteilung, die stets in seiner Londoner Residenz aufbewahrt wurde. Der Earl trat der „Philatelic Society London“ 1900 bei und wurde zwei Jahre später zum Vize-Präsidenten gewählt. 1906 machte er den Vorschlag, dass die Society die Erlaubnis König Edward VII. erfragen sollte, den Titel „Royal“ zu ihrem Namen hinzufügen zu dürfen. Der Earl schrieb an den Prince of Wales (den späteren König Edward V.), welcher seinerzeit Präsident der Society war, und legte ihm die Diskussion dar. Unverzüglich erhielt er seine Zustimmung. Der Earl war von 1910 bis zu seinem Tod 1913 Präsident der Royal Philatelic Society London. Um eine Basis für seine Interessen am Briefmarkensammeln, das er sehr wissenschaftlich betrieb, zu schaffen, machte er es sich zur Aufgabe, eine bedeutende philatelistische Bibliothek aufzubauen. Crawford starb am 31. Januar 1913 und vermachte in einem Nachtrag seines Testaments die philatelistische Bibliothek dem Britischen Museum. DALE, Louise Boyd 1913–1967 Sie war die Tochter von Alfred F. Lichtenstein, Ehefrau von John Denny Dale und in der Literatur zuweilen als Mrs. John Denny Dale zu finden. Ihr Vater vermachte ihr viele seiner Sammlungen sowie seine Bibliothek. Letztere wurde im August 2001 von Longley Auctions versteigert. Sie war die erste Frau, die als internationale Jurorin eingeladen wurde und die zweite, die die Roll of Distinguished Philatelists unterzeichnete. DEATS, Hiram Edmund 1870–1963 Er war ein Gentleman vom Lande, geboren in New Jersey/ USA 1870, Erbe eines weitreichenden landwirtschaftlichen Familienbetriebs und Direktor der lokalen Bank. Im August 1894 wurde er Bibliothekar der „American Phil- atelic Association“. Die Bibliothek befand sich in einem benachbarten Raum zu seinem Büro. Er begann mit dem Sammeln von Literatur 1886. 1892 erwarb er die Wolsiefer Bibliothek und das komplette Lager der Western Philatelic Publishing Company, in dessen Geschäftsführung Wolsiefer als Direktor tätig war. Dieser Kauf beinhaltete rund 50 000 Ausgaben philatelistischer Zeitschriften und machte seinen Bestand zum größten in der Welt, wobei sich auch zahlreiche Dubletten darunter befanden. Im Jahr 1900 übernahm er die Privatbibliothek von J.-B. Moens, als dieser sich zur Ruhe setzte. DIENA, Emilio 1860–1941 Der Bruder von Charles Diena war promovierter Jurist und weithin als Dr. Emilio Diena bekannt. Geboren am 26. Juni 1860 in Modena als Sohn von Davide Diena, einem wohlhabenden Geschäftsmann, und dessen Ehefrau Luisa Ambron. Gemeinsam mit seinem Bruder Carlo begann Emilio mit dem Sammeln von Briefmarken und postgeschichtlichen Studien schon während seiner Schulzeit am Gymnasium in Modena. Nach dem Studium trat er in den italienischen Staatsdienst im Ministerium für Kommunikation (Post und Telegraphie) ein und widmete sich den Rest seines Lebens der Betreuung der Bibliotheken der Postbehörde sowie deren Museum in Rom. Er war ein bekannter Autor zahlreicher philatelistischer Monographien, die ihn in der philatelistischen Welt berühmt machten, darunter Werke wie: „The Postage Stamps of the Duchy and the Provisional Government of Modena“ (Modena 1894), „The Postage Stamps of the Romagna“ (Brussels 1898), „A History of the Postage Stamps of Sicily“ (London 1904), „Notes on the Postage Stamps of the Provisional Government of Parma“ (Rome 1913), „Historical and Descriptive Catalogue of the Postage Stamps of Italy“ (Rome 1923), und sein Hauptwerk „The Postage Stamps of the Kingdom of Naples“ (Rome 1932), für das er mit der Crawford Medaille der Royal Philatelic Society London ausgezeichnet wurde. Diena war Juror bei zahlreichen Ausstellungen, außerdem Gründer der Italienischen Philatelistischen Gesellschaft und des Verbandes Italienischer Philatelisten Gesellschaften in Rome sowie Mitbegründer der philatelistischen Fachzeitschrift Il Corriere Filatelico. Darüber hinaus interessierte er sich für die Prüfung von Briefmarken und engagierte sich im Kampf gegen Fälscher. Er war unzweifelhaft für die Popularisierung der Forschung zu den Ausgaben des klassischen Italiens verantwortlich. Diena starb am 9. Oktober 1941 in Rom. Seine Bibliothek genoss Weltruhm. Er war der Vater von Mario und Alberto Diena. | 161 ____________________________________________________________________________________ EARÉE, Rev. Robert Briscoe 1846–1928 Earée begann 1861 als Junge im Alter von 15 Jahren mit dem Sammeln von Briefmarken. Von 1875 bis 1901 war er Redakteur der philatelistischen Abteilung des Bazaar, die ihm die Briefkorrespondenz überließ, damit er sein Buch „Album weeds“ schreiben konnte. Aufgrund seines Interesses an Fälschungen übernahm er von Atlee die Autorentätigkeit für die Spud Papers in der Zeitschrift „The Philatelist“. Er wurde zur Zeichnung der Roll of Distinguished Philatelists im Rahmen des 8. Kongresses von Großbritannien nach Harrogate 1921 eingeladen, womit er einer der ersten 25 Unterzeichner war. ken und Kolonialmarken einstieg. So ergriff er z.B. die Initiative während des Burenkrieges und entsandte einen Mitarbeiter, B. W. H. Poole, nach Südafrika, um alle von den Truppen verwendeten Marken aufzukaufen. Er baute zu Lebzeiten eine bedeutende Bibliothek auf und inserierte in seinen „Ewen’s Weekly Stamp News“, um fehlende Nummern verschiedener Zeitschriften zu finden. EVANS, Maj. Edward Benjamin 1846–1922 Er begann bereits zu seiner Schulzeit im Alter von 15 Jahren mit dem Briefmarkensammeln. Sein erster Artikel über das Briefmarkensammeln wurde im November 1864 unter dem Pseudonym „Cheth“ veröffentlicht. Während seiner Stationierung in Plymouth Mitte der 1870er machte er Bekanntschaft mit E. S. Gibbons und E. L. Pemberton. 1876 wurde er zu einer Einheit versetzt, welche nach Mauritius berufen wurde, was ihm die Erforschung der Philatelie dieser Insel erlaubte. Im Jahre 1884 stellte er einen umfassenden Katalog, ein „Philatelic Handbook“, fertig, welches als Vorbild vieler späterer Kataloge diente. Er schrieb zahlreiche Bücher, tausende Fachbeiträge und stellte eine große Zahl bedeutender Kataloge zusammen. Er war von 1890 bis 1914 Chefredakteur des Stanley Gibbons Monthly Journal und verantwortete die letzten fünf Jahrgänge der Zeitschrift Gibbons Stamp Weekly. Seine Bibliothek wurde an Victor Marsh verkauft. FENTON, Adelaide Lucy 1824–1897 Sie gilt als die erste bekannte Philatelistin und veröffentlichte Beiträge in verschiedensten britischen Magazinen der 1860er und 70er Jahre. Sie benutzte die Initialien A. F. für die Korrespondenz im The Stamp Collector’s Magazine sowie Fentonia für Beiträge im Stamp Collector’s Magazine in den 1860er Jahren. Ihre Sammlung des Stamp Collector’s Magazine und des Philatelist – von den Herausgebern in Anerkennung ihrer Verdienste öffentlich präsentiert – wurden im Mai 1909 von Ventom, Bull & Cooper verkauft. Viele unveröffentlichte Informationen mit Bezug auf die Frühzeit der Philatelie wurden in den Notizen gefunden, die Miss Fenton in ihre persönlichen Ausgaben dieser frühen, qualitativ hochwertigen philatelistischen Fachzeitschriften geschrieben hatte. Neben dem Stamp Collector’s Magazine (1863–74) sowie dem Philatelist (1866–76) auch im Philatelical Journal (1872– 75). Ihr kompletter Satz dieser drei Zeitschriften wird in der Bibliothek der Royal Philatelic Society London aufbewahrt. Miss Fenton starb am 6. Februar 1897 in Bristol. Ihr Nachlass wurde im Rahmen einer Auktion von C.H. Tucker & Co. am 3./4. März 1897 in Bristol verkauft – darunter zahlreiche Lots mit bedeutender philatelistischer Literatur. EWEN, Herbert L’Estrange 1876–1912 Im Alter von zehn Jahren hatte er mit dem Briefmarkensammeln angefangen und bereits an seinem 13. Geburtstag gründete er gemeinsam mit seinem Bruder eine Briefmarkenfirma namens Ewen Bros. Im Alter von 16 Jahren wurde die Firma aufgelöst und er gründete die „H.L.´Estragne Ewen Company“. Zu Beginn handelte er mit Briefmarken aus aller Welt. 1893 begann er jedoch mit der Spezialisierung auf britische Briefmarken und verwarf schließlich den Handel mit ausländischen und Kolonialmarken vollends. Seine Pionierarbeit mit einem Einzelkatalog für die Marken Großbritanniens von 1893 und 1894 – letzterer war der erste Katalog überhaupt, der Plattennummern listete und bewertete – steigerten nachhaltig die Nachfrage und sein Geschäft blühte. Er veröffentlichte das English Specialist’s Journal sowie die Ewen’s Weekly Stamp News 1899. Im Jahr 1900 war sein Geschäft so gut gewachsen, dass er erneut in den Handel mit ausländischen Briefmar- FERRARY, Philipp Arnold La Rénotière von 1848–1917 Oft benutzte er einfach nur seinen Nachnahmen „Ferrary“, um seine Briefe und Beiträge zu unterschreiben. Hineingeboren in eine äußerst wohlhabende Familie erbte er eine riesiges Vermögen. Er begann mit dem Sammeln von Briefmarken und Münzen in den 1860er Jahren und blieb ein passionierter Sammler bis zu seinem Tod. Ihm wird nachgesagt, die weltweit größte je existierende Sammlung zusammengetragen zu haben. Ferrary verbrachte die meiste Zeit seiner Jugend in England und baute eine starke Bindung zu diesem Land auf. Aufgrund seiner vielen Reisen in Kindheit und Jugend sprach er fließend Englisch, Deutsch, Italienisch, Französisch, Spanisch sowie Serbisch und verfügte über Kenntnisse und Fähigkeiten in zahlreichen weiteren Sprachen. Er erwarb einige der anerkanntesten Sammlungen komplett, wie z.B. von Baron Rothschild und dem Richter Philbrick. Die Teile jener Sammlung, die ihn nicht interessierten, wurden oftmals 162 | ____________________________________________________________________________________ verschenkt, z.B. die Sammlung der Proofs und Essays von Großbritannien aus der Philbrick Sammlung, welche an Sigmund Friedls Museum in Wien ging. Er sicherte sich die Dienste des Pariser Händlers Pierre Mahé als Verwalter und Kurator seiner Sammlung. Obwohl er auf dem Papier ein Österreicher war, lebte er die meiste Zeit in Paris. Von dort ging er später in die Schweiz, kurz bevor der Erste Weltkrieg ausbrach. Er vermachte seine Sammlung dem Reichspostmuseum in Berlin, jedoch wurde diese von der französischen Regierung nach dem ersten Weltkrieg beschlagnahmt und zwecks Reparationszahlungen in einer Serie von Verkäufen zwischen 1921 und 1925 für insgesamt 425 965 Britische Pfund veräußert. Einzig seine Griechenland-Sammlung, die er seinerzeit mitgenommen hatte, wurde in der Schweiz verkauft. Der Auktionskatalog ist bis heute eine gefragte Rarität. FONTAINE, Abel 1849–1926 Abel Fontaine war ein belgischer Einwanderer, der im ausgehenden 19. Jahrhundert nach Argentinien emigrierte. Er gilt als erster argentinischer philatelistischer Journalist. Fontaine inserierte weitreichend (z.B. in L’Annonce Timbrologique, März 1890, Jahrgang 1, Ausgabe 1, S. 4) und trug sämtliche argentinische philatelistische Publikationen seiner Zeit zusammen. Nach seinem Tod in Buenos Aires am 8. Oktober 1926 bewahrte sein Schüler und Freund Pablo Ernesto Busch Teile seiner Sammlung vor der Zerstörung, insbesondere jene, die sich auf die argentinische philatelistische Presse bezogen. FORBIN, Alfred 1872–1956 Forbin gilt als französischer Händlerpionier von Gebühren-/Fiskalmarken und Autor/Herausgeber des letzten weltweiten Kataloges. Er begann als Briefmarkenhändler im Jahr 1890. Sein Trauzeuge war Théodore Champion, der zu dieser Zeit in Genf lebte. 1899 verklagte Forbin Lemaire wegen Verleumdung, hatte dieser doch in seiner Zeitschrift Le Philatéliste Français behauptet, dass Briefmarkenfälschungen in der Rue de Châteaudun, wo Forbin der führende Händler war, produziert wurden. Forbin gewann den Fall. 1900 eröffnete er ein Ladengeschäft in der Rue Drouot in Paris und stellte Champion als Angestellten ein, der das Geschäft zwei Jahre später erwarb. Forbin konzentrierte sich weiter auf Fiskalmarken und arbeitete an seinem ersten Katalog, der 1905 von Yvert & Tellier herausgegeben wurde. Im selben Jahr erwarb er die großartige Fiskalmarken-Sammlung von Dr. Legrand und machte sich daran weltweit Fiskalmarken zu importieren. Die dritte und letzte Auflage seines Kataloges wurde 1915 veröffentlicht. FOURÉ, Georges 1844–1902 Fouré war Franzose, hatte sich in Berlin niedergelassen und arbeitete dort als Französischlehrer. Bereits als Jugendlicher war er mit dem Briefmarkensammeln in Berührung gekommen. Er entwickelte sich bald zu einem kenntnisreichen Philatelisten und wurde Händler. Im Jahre 1878 inserierte er in der Berliner Illustrierte Briefmarken-Zeitung, die später zur Deutschen Briefmarken Zeitung wurde. Zu ungefähr demselben Zeitpunkt gründete er eine philatelistische Vereinigung und fing an, seltene Abarten an die Mitglieder zu verkaufen. Nach einiger Zeit realisierten die Mitglieder, dass die Stücke gefälscht waren und der Verein löste sich auf. Das Auftauchen Fourés in Paul Lietzows „Das Schwarze Buch der Philatelie“ sorgte für großes Aufsehen und spaltete die philatelistischen Kreise Berlins in Pro- und Contra-Fraktionen. Fourés Spezialgebiet waren Ganzsachen und Farbverfälschungen, von denen er viele an Ferrary verkaufte. Es dauerte bis 1893, als Carl Lindenbergs Buch über die deutschen Ganzsachen bewies, dass Fourés seltene Abarten Fälschungen waren. Fouré verließ daraufhin Berlin und zog nach Paris, wo er schließlich mittellos verstarb. FOURNIER, François 1846–1917 In den 1890er Jahren trat er der Firma von Louis Henri Mercier in Genf bei, die Faksimiles und Fälschungen herstellte. Nach Merciers Tod erwarb Fournier die Lagerbestände und fing an, seine Produkte soweit zu verbessern, bis diese selbst erfahrene Händler täuschen konnten. Als die philatelistische Presse seine Anzeigen ablehnte, gab er ab 1910 sein eigenes Magazin Le Fac-Simile sowie zahlreiche Preislisten heraus. Der Ausbruch des Krieges 1914 behinderte seinen Versandhandel, dessen Sendungen alle per Post ausgeführt wurden, merklich. Als Fournier starb, übernahm Charles Hirschenberger seine Firma, jedoch stellte sich heraus, dass er als Geschäftsmann nicht mit Fournier mithalten konnte. Nach dessen Tod wurde das Geschäft von der „L’Union Philatélique de Genève“ übernommen, die Alben für die Fournier-Fälschungen herausbrachte, welche jeweils kenntlich mit den Vermerken Faux oder Facsimile gekennzeichnet waren, um sicherzustellen, dass diese keine weitere Bedrohung für die Philatelie waren. Im Jahr 1929 wurde das gesamte ungenutzte Material verbrannt. FRANK GODDEN Ltd. Gegründet im Vereinigten Königreich etwa 1916 von Lewis Sidney Frank Godden, handelte die Firma hauptsächlich mit Briefmarken. Allerdings brachten Goddens Fähigkeiten im Bereich der Präsentation, die ihm Höchst- | 163 ____________________________________________________________________________________ bewertungen für seine Sammlungen und Ausstellungsstücke einbrachten, ihn dazu, eine Reihe außergewöhnlicher, qualitativ hochwertiger Alben herzustellen. Die FG AlbenReihe war seit Erstherausgabe kurz nach dem Ersten Weltkrieg anerkannt als eine der besten Albenserien, die jemals produziert wurde. Nach seinem Tod wurde die Firma von seinen Söhnen Frank Ambrose und Stanley Godden weitergeführt. FRÄNKEL, Heinrich 1853–1907 Fraenkel oder Fränkel war Bibliothekar des Berliner Philatelisten-Klubs, aber auch selbst ein bibliophiler Sammler, der seine Bibliothek 1884 begonnen hatte zusammenzutragen mit dem Ziel, alles, was jemals mit Bezug auf Philatelie veröffentlicht worden war, zu sammeln. Er erwarb die Bibliothek von Sigmund Friedl, deren Titel bis zu den frühen Tage der Philatelie zurückreichte und sehr viele seltene Raritäten enthielt, die Fränkels Bibliothek zu einer der besten in der Welt machte. Der Schwerpunkt der Bibliothek lag bei der kontinentalen Literatur, besonders bei deutschsprachigen Werken, aber sie enthielt auch eine Reihe seltener britischer und amerikanischen Veröffentlichungen. Nach Fränkels Tod am 20. September 1907 im Alter von 54 Jahren erwarb der Earl of Crawford seinen Bestand, in erster Linie wegen der Seltenheiten des kontinentalen Bestandes und wegen der jüngeren Titel, die in der Tiffany-Bibliothek fehlten. Nachdem der Earl die relativ wenigen Stücke, die er behalten wollte, ausgesucht hatte, gingen die restlichen dank der Vermittlung von Edward D. Bacon an die Royal Philatelic Society und bildeten deren Grundbestand ihrer Bibliothek. FRIEDL, Sigismund (Sigmund) 1851–1914 Bruder von Rudolf Friedl und Vater von Otto Friedl. Im Alter von 15 Jahren begann er bereits mit dem Handel von Briefmarken und mit 21 Jahren eröffnete er sein „Markenhaus Sigmund Friedl“, eines der größten Briefmarkengeschäfte in Wien. Bereits 1874 wurde er von Edward L. Pemberton beschuldigt, Fälschungen zu verkaufen. 1876 gab er die Wiener Illustrierte Briefmarken-Zeitung heraus, die ab 1880 ihren Namen wechselte und seitdem Weltpost hieß. Friedl war die treibende Kraft hinter der Wiener Briefmarkenausstellung 1881. Sein Museum enthielt auch eine umfangreiche Bibliothek seltener philatelistischer Literatur der frühen Jahre. Diese wurde vermutlich von Richter Heinrich Fränkel erworben. Friedl handelte mit den seltensten Briefmarken, einschließlich des schwedischen 3 Skilling Banco-Farbfehldruckes, welchen er an 164 | Ferrary verkaufte. Sein nach ihm benanntes BriefmarkenMuseum gründete er 1883 in Unter-Döbling bei Wien in seiner Villa. Es enthielt große bedeutende Raritäten und ihm wurden zahllose Schenkungen von Postverwaltungen und von privater Seite zuteil. So stiftete Ferrary z.B. eine Sammlung von Essays und Probedrucken, die er mit der von ihm erworbenen Sammlung des Richters Frederick A. Philbrick gekauft hatte. Das Museum wurde 1896 geschlossen. Ungeachtet der jahrelang dem Museum zugegangenen Schenkungen verkaufte Friedl diese in der Zeit nach der Schließung des Museums. Nach einer Reihe von Skandalen wegen des Verkaufs gefälschter Marken stellte er 1904 seine Händlertätigkeit ein und übergab sein Geschäft an seinen Sohn Otto und seinen Bruder Rudolph. GIBBONS, Edward Stanley 1840-1913 1840 in Plymouth als Sohn eines Drogeristen geboren, arbeitete er gleich nach Schulabgang in der väterlichen Drogerie. Bereits 1856 besserte er seine Einkünfte durch den Verkauf von Briefmarken auf, die er in dem Schaufenster des Geschäftes ausstellte. In den frühen 1860erJahren erwarb er einen riesigen Bestand dreieckiger Marken vom Kap der Guten Hoffnung. Dies ermöglichte ihm einen ernsthaften Briefmarkenhandel, den er mit seiner Firma E. S. Gibbons begann und dann später als E. Stanley Gibbons weiterführte. Nach dem Tod des Vaters verkaufte er die Drogerie und ging 1874 nach London. Dort führte er den Briefmarkenhandel als Versandhandel unter Stanley Gibbons & Company von seinem Privathaus fort, da er nur selten Besuche von Klienten empfing. Im Juli 1890 verkaufte er sein Geschäft an Charles J. Phillips für 25 000 brit. Pfund, zahlbar in sechs Teilraten. Nach Eintritt in den Ruhestand reiste er weltweit und schrieb häufig über seine Abenteuer im Stanley Gibbons Monthly Journal. Er starb am 17. Februar 1913 und wurde in Twickenham begraben. GLASEWALD, Arthur Ernst Friedrich 1861–1926 Er war Sammler seit 1868 und wurde 1883 nach einer Tätigkeit als Buchhändler/Buchbinder Briefmarkenhändler. Glasewald gründete eine große Zahl von Vereinen. Seine bekanntesten Werke waren: Die Postwertzeichen von Griechenland (1896), Die Post im Kriege (1913) und posthum Thurn und Taxis in Geschichte und (1927). Sein Buch über die Privatpostanstalten, Handbuch der deutschen Privat-Postwertzeichen, bei dem er mit Otto Sattler und Friedrich Wagner zusammenarbeitete, blieb unbeendet. Glasewald wurde mit der Lindenberg-Medaille 1920 geehrt. ____________________________________________________________________________________ GRAY, Dr. John Edward 1800–1875 Gray bearbeitete einen der ersten Briefmarkenkataloge, „A Hand Catalogue of Postage Stamps“, der ab 1862 in verschiedenen Auflagen erschien. Am 1. Mai 1840, als die erste Penny Black-Marke verkauft wurde, erwarb er solche mit der Absicht, diese aufzuheben. Dies machte ihn zu einem der ersten bekannten Briefmarkensammler der Welt. GRIEBERT, Hugo 1868–1924 Er war Inhaber der Firma Hugo Griebert und wurde durch seine Studien über die vier ersten Ausgaben Spaniens weithin bekannt. In Folge seiner schwindenden Gesundheit verkaufte er seinen Handel 1921 an Stanley Gibbons Ltd. Seine Bibliothek wurde von Harris Publications übernommen. HAAS, Theodor 1848–1911 Er war Schriftleiter des Illustrierten Briefmarken-Journals. Nach seinem Tod wurde seine Bibliothek von Richter Victor Suppantschitsch erworben. Theodor Haas organisierte die erste Münchner Postwertzeichen-Ausstellung 1884 und war Chefredakteur von Erdball-Mercur ab 1885. Diese Aufgabe behielt er bis 1890 bei, bis er dann zu den Gebr. Senf wechselte und zuerst als Redakteur und von 1896–1910 als Chefredakteur für das Illustrierte Briefmarken-Journal arbeitete. 1905 veröffentlichte er sein Meisterwerk unter dem Titel Lehrbuch der Briefmarkenkunde, das ihm internationale Bekanntheit verschaffte und zu seiner Auszeichnung mit der Lindenberg-Medaille 1906 führte. Seine bedeutende Bibliothek wurde von Victor Suppantschitsch erworben. HANCIAU, Louis 1835–1924 Louis Hanciau war der Schwager und die rechte Hand des Brüsseler Händlers J.-B. Moens. Im Hintergrund war er auch die Hauptstütze des Magazins „Le Timbre Poste“, welches er während seiner Erscheinungszeit von 38 Jahren herausgab. Seinem zukünftigen Schwager begegnete er erstmalig in den 1850er-Jahren. Er reiste regelmäßig nach Paris, um für Moens die seltensten Marken zu kaufen, damit die dort lebenden Händler nicht merkten, dass diese für ihren Konkurrenten J.-B. Moens erworben wurden. Er war auch der Autor einer großen Zahl von Monografien, die unter dem Namen seines Schwagers erschienen. Er veröffentlichte seine Memoiren in einer Artikelserie, die im Stanley Gibbons Monthly Journal zwischen 1906 und 1908 herauskam. Sein bedeutendstes Werk erschien aber erst nach seinem Tod 1929. Diese Forschungsarbeit zu den Stempel Belgiens blieb eines der wichtigsten Werke auf diesem Gebiet. HARRIS, Albert Henry 1885–1945 Er gründete den Modern Collectors Club 1909 und veröffentlichte The Philatelic Circular als dessen offizielles Organ 1911. 1921 übernahm er Alfred Smith’s Monthly Circular, das fortan mehrfach den Namen wechselte. Letztendlich wurde es dem Philatelic Magazine einverleibt. Harris gründete auch Harris Publications. In den 1920er-Jahren kaufte er den Stamp Collectors‘ Annual und den Philatelic Trader und stellte zudem den Standard Index to Philatelic Literature zusammen. HERPIN, Georges Dieser frühe französische Sammler erfand das Wort Philatélie, wovon sich der englische Begriff philately (deutsch: Philatelie) ableitet. Herpin gehörte zu den allerersten philatelistischen Experten. Ursprünglich sammelte er Münzen, bevor er sich ab 1854 dem Briefmarkensammeln verschrieb. Zehn Jahre später glaubte er seine Sammlung derart komplett, dass er beschloss, diese zu verkaufen. Sie wurde von Frederick A. Philbrick 1866 erworben. HIGLETT, George Allen 1860–1940 Higlett war ein bemerkenswerter Satiriker. Er produzierte zahlreiche Blätter und Broschüren, mit denen er den Spaß am Design neuer Marken entfachte, aber auch zu zahlreichen anderen Aspekten der Philatelie, die seine Vorstellungskraft anregten. Eine nennenswerte Zahl dieser Publikationen zeichnete er mit Pseudonymen oder seinen Initialen statt mit Namen, mehr, um den Humor stärker wirken zu lassen, als um seinen Namen zu verbergen. KALCKHOFF, Dr. Franz Andreas Anton 1860–1955 Mit dem Sammeln von Briefmarken begann Kalckhoff 1868. 1891 wurde er Herausgeber der Illustrierten Briefmarken-Zeitung. Er verwendete häufig Pseudonyme wie ff, Andreas, Franz Andreas und Franziskus. Franziskus nutzte er, als er im Stanley Gibbons Monthly Journal den Berlin Letter (Berliner Briefe) veröffentlichte. Nachdem die Bibliothek des Berliner Philatelisten-Klub von 1888 während des Zweiten Weltkrieges zerstört worden war, stiftete er seine eigene Bibliothek dem Verein. Sie wurde als Geheimrat Kalckhoff-Gedächtnis-Bibliothek bekannt. KIMBLE, Col. Ralph Archibald 1893–1973 Während seiner Zeit als Herausgeber der Zeitschrift The American Philatelist vermerkte Kimble 1941, dass die American Philatelic Society weder eine eigene Bibliothek | 165 ____________________________________________________________________________________ noch ein dauerhaften Sitz sowie Personal habe. So richtete er sich selbst über viele Jahre eine eigene Bibliothek ein, die viele tausend Titel enthielt, weitgehend komplett zu britischer und amerikanischer Literatur. Kimble verkaufte seine Bibliothek später an George T. Turner. von Österreich-Ungarn (1899), Die Postwertzeichen der Österreich- Ungarischen Monarchie (1902), Die Postwertzeichen des Kaisertums Österreich und der ÖsterreichUngarischen Monarchie (1908). 1909 wurde er mit der Lindenberg-Medaille ausgezeichnet. KLINE, John William Er nutzte als Pseudonym A. C. Kline, als er seinen ersten amerikanischen Briefmarkenkatalog 1862 und in weiteren Auflagen bis 1868 inserierte und veröffentlichte. Die Wahl dieses Pseudonyms mag in der Tatsache begründet sein, dass die erste Katalogausgabe eine weitgehende Kopie der Erstauflage von Mount Browns Katalog aus dem gleichen Jahr war. KRÖTZSCH, Hugo 1858–1937 Um die Wende des 19./20. Jahrhunderts war Krötzsch einer der bedeutendsten Verleger und Autoren. Ab 1893 verlegte er eigene Alben und von 1896 bis 1919 die Deutsche Briefmarken-Zeitung. Von 1893–1897 publizierte er zahlreiche Bände seines Handbuchs der Postfreimarkenkunde (m. Lichtbildern). Seine unschätzbar wertvolle Bibliothek ging 1928 dank einer Stiftung von Carl Gustav Vogel an die Deutsche Bücherei Leipzig (heute bekannt als Deutsche Nationalbibliothek). Krötzsch stellte dazu selbst einen Katalog dieser philatelistischen Bibliothek für die Deutsche Bücherei Leipzig zusammen, der 1929 in Pössneck erschien. Im gleichen Jahr wurde er mit der Lindenberg- und der Glasewald-Medaille geehrt. KLOSS, Dr. Paul 1848–1918 Nachdem Kloss sein Jurastudium beendet und die Karriere einer Richtertätigkeit in Aussicht hatte, entschied er sich für die Militärlaufbahn. 1877 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern des Internationalen Philatelisten-Vereins von Dresden. Er wurde später dessen Vorsitzender und gab dessen Vereinszeitschrift Der Philatelist heraus. KOHL, Paul 1852–1925 Von 1900 bis 1901 veröffentlichte Kohl seinen Freimarken-Katalog, der zum Vorläufer eines wahrlich weltbekannten Handbuchwerke, des Kohl-Handbuches, wurde, welches ab 1923 erschien. Dieses Werk wurde von Dr. Herbert Munk bearbeitet und war ein weltweiter Erfolg. KÖHLER, Heinrich 1881–1945 Bereits Köhlers Vater war ein Sammler, der 1896 den Deutschen Philatelistentag in Köln organisierte. Seine Ausbildung zum Briefmarkenhändler erhielt er bei August W. Drahn. 1901 verlegte er seinen Handel nach Paris. Dort gründete er zusammen mit Gérard Gilbert die Firma Gilbert & Köhler. 1912, als sich dunkle Wolken am politischen Himmel abzeichneten, entschied er, nach Berlin zurückzukehren. Im darauf folgenden Jahr gründete er das Auktionshaus Heinrich Köhler. 1932 war er der zweite Deutsche, dem die Ehre, die Roll of Distinguished Philatelists zu zeichnen, zuteil wurde. KROPF, Hans Erdmann Anton 1856–1911 Erst 1881 begann Kropf mit dem Sammeln von Briefmarken und er trug eine der größten Sammlungen österreichisch-ungarischer Marken zusammen. Er beteiligte sich am von Carl Lindenberg herausgegebenen Großen Handbuch der Philatelie und veröffentlichte selbst bedeutende Monografien, u.a.: Die Abstempelungen der Marken 166 | LALLIER, Justin H. 1823–1873 Lallier gab das erste gedruckte Briefmarkenalbum heraus, das in Paris im Juni 1862 erschien. Eine englische Ausgabe des Albums erschien im gleichen Jahr unter dem Titel Postage Stamp Album Illustrated with Maps., Paris, 1862, ebenso eine spanische Version ein Jahr später mit dem Titel Album de Sellos de Correo. LAPLANTE, Edard de 1820–1881 Er war ein hoher Polizeibeamter und um 1861 einer der ersten Briefmarkenhändler in Paris. Er gab einen der ersten französischen Briefmarkenkataloge heraus. Im Gefolge von Potiquet publizierte er diesen Katalog unter dem schlichten Titel Timbres-poste. LEGRAND, Dr. Jacques Amable 1820–1912 Geboren im August 1820 begann Legrand mit dem Sammeln von Briefmarken 1862. Eine erste Forschungsarbeit veröffentlichte er 1865. 1866 folgte ein Werk über die Zähnungen, was zur Einführung der Zähnungsschlüssel führte. Legrand nutzte für seine zahlreichen Beiträge in der europäischen philatelistischen Fachpresse ab Mitte der 1860er-Jahre das Pseudonym Dr. Magnus, was ein Wortspiel seines Familiennamens war. 1897 verkaufte er seine Briefmarkensammlung für 250 000 Gold-Francs an den Pariser Händler Th. Lemaire und zog sich ausschließlich auf das Sammeln philatelistischer Literatur zurück. Noch in seinen 70er-Jahren suchte er per Anzeigen neue Stücke für seine Bibliothek. Er stellte diese außergewöhn- ____________________________________________________________________________________ liche Bibliothek 1900 bei der Ausstellung in Paris aus und erreichte damit eine Goldmedaille. Nach seinem Tod ging die Bibliothek an Gilbert & Köhler, die diese an Charles J. Philipps 1912 verkauften. Er starb in seinem Heim in Neuilly, nahe Paris, am 6. Juni 1912 im Alter von 92 Jahren. LICHTENSTEIN, Alfred F. 1876–1947 Er war der Vater von Louise Boyd Lichtenstein, der er zahlreiche seiner Briefmarkensammlungen und seine philatelistische Bibliothek gab. Im Alter von 10 Jahren hatte er mit dem Briefmarkensammeln begonnen. Er war Präsident des Collectors Club in New York von 1918 bis 1919 und 1927 zeichnete er die Roll of Distinguished Philatelists. 1945 wurde Lichtenstein Gründer und erster Vorsitzender der Philatelic Foundation (Philatelie-Stiftung) und organisierte deren Experten-Komitee. LINCOLN, William Simpson 1844–1922 Er behauptete, mit dem Briefmarkensammeln bereits 1854 begonnen zu haben. Zwei Jahre später wurde er Briefmarkenhändler und gründete die William Lincoln Company. Sein erstes Briefmarkengeschäft eröffnete er in London 1859. LINDENBERG, Carl 1850–1928 Von Beruf Jurist, machte Lindenberg Karriere bis zum Oberlandesgerichtspräsidenten. Sein Ansehen war derart hoch, dass er zum Berater beim deutschen Reichspostmuseum in Berlin berufen wurde. Er war Autor zahlreicher bedeutender Werke, besonders über Ganzsachen. Sein Name wurde für eine Medaille ausgewählt, die jährlich an einen philatelistischen Autor verliehen wurde. LUFF, John Nicholas 1860–1938 Luff war der Scott Stamp & Coin Company über viele Jahre verbunden. Seine Referenzsammlung und Redaktionsbibliothek verblieb bei der Scott Company und wurde von der Firma 1946 der Philatelic Foundation gestiftet. Seine private Bibliothek kam 1970 bei Sylvester Colby in zwei Auktionen zum Verkauf. MAHÉ, Pierre Marie 1833–1913 Mahé nutzte zur Abfassung seiner Artikel die Pseudonyme Argus und Pharès. Er war einer der frühen französischen Briefmarkenhändler, der hohes Ansehen genoss. Sein Geschäft betrieb er in der Rue de Varenne in Paris, unterstützt von seiner Frau und seinem Sohn. Über viele Jahre war er der philatelistische Sekretär von Ferrary, für den er einige der größten philatelistischen Raritäten beschaffte. Er verlegte eine Reihe von Zeitschriften, unter ihnen Le Timbrophile, La Gazette des Timbres und Le Questionneur Timbrophilique. MARCOU, Jules 1824–1898 Sein Pseudonym lautete “Amateur des Montagnes Rocheuses” (Sammler von den Rocky Mountains). Marcou war ein französischer Geologe, der weithin als Urheber der ersten veröffentlichten Landkarte der gesamten Vereinigten Staaten sowie einer Weltkarte bekannt wurde. Er war auch Redakteur des Stamp Collector Magazine. MAURY, Arthur 1844–1907 Maury zählte zu den ersten Briefmarkienhändlern in Paris und gab 1864 die erste französische Philateliezeitschrift heraus. Le Collectionneur de Timbres-Poste. Als junger Mann verkaufte er an Passanten bereits Briefmarken aus den Schaufensterauslagen seines Vaters, da dieser ebenfalls Briefmarkenhändler in Boulogne-sur-Mer war. Er ließ sich selbst dann in Paris in der Rue de Richelieu nieder, wo er dann auch das erste philatelistische Journal publizierte. Er wechselte noch mehrfach den Standort, bis er sein Geschäft am Boulevard Montmartre eröffnete. Nach dieser Zeit publizierte er zahlreiche Referenzwerke zu französischen Stempeln. MEKEEL, Charles Haviland 1861–1921 Ursprünglich aus New York, zog seine Familie später nach Chikago. 1885 heiratete er eine junge Dame aus St. Louis und ließ sich dann auf ihrem Wunsch dort nieder. Er begann bereits während seiner Schulzeit mit dem Handel von Briefmarken und gab wenig später die Zeitschriften Stamp Collectors’ Bureau (1881–82) und das Philatelic Journal of America (1885–95) heraus. Nachdem er 1885 nach St. Louis umgezogen war, kaufte er dort die Carson Stamp Company. 1877 hatte er bereits die C. H. Mekeel & Company gegründet. Sein jüngerer Bruder Isaac kümmerte sich um die publizistische Seite der Firma, die dann noch mit den Mekeel’s Weekly Stamp News erweitert wurde. MELVILLE, Frederick John 1882–1940 Bereits im Alter von acht Jahren schrieb Melville einen Brief an den Herausgeber des Stamp Collector’s Monthly. 1897, als er fünfzehn Jahre alt war, veröffentlichte er sein erstes Buch: Stamp Collecting. Später hieß es, er sei beschämt über dieses amateurhafte Erstwerk gewesen, weshalb er über viele Jahre versucht habe, alle Exemplare aufzukaufen und all die, derer er habhaft werden konnte, zu vernichten, was das Büchlein letztlich zu einer Rarität | 167 ____________________________________________________________________________________ werden ließ. Drei Jahre später, 1900, veröffentlichte er den Young Stamp Collector, von dem nur sechs Ausgaben erschienen, bis es in das Magazin The Stamp Collector’s Fortnightly überging. Dieses Magazin betreute er selbst als Schriftleiter von 1921 bis 1940. Als junger Mann hatte er sich um eine Mitgliedschaft in der Philatelic Society London (der späteren Royal Philatelic Society, London) beworben, wurde aber abgelehnt, weil er damals noch keine 21 Jahre alt war. Als Reaktion gründete er daraufhin die Junior Philatelic Society, wurde lebenslang deren Präsident und Herausgeber der Vereins-Zeitschrift The Stamp Lover, die er von der ersten Ausgabe 1908 – mit einer kleinen Unterbrechung 1915 – bis zu seinem Tod herausgab. Er regte die Gründung eines Philatelistischen Literatur-Vereins an, welcher dann auch 1907 tatsächlich zustande kam. Als unermüdlicher Autor gab er die Zeitschrift The Postage Stamp von 1909 bis 1929 heraus, The Stamp Year 1012, The Stamp Collectors Annual & Year Book of Philately von 1925 bis 1928 und The British Philatelist von 1932 bis 1939. Er war einer der ersten Philatelisten, die eingeladen wurden, die Roll of Distinguished Philatelists zu unterzeichnen, als diese 1921 ins Leben gerufen wurde. Er trug eine immens große philatelistische Bibliothek zusammen, bestehend nicht nur aus Büchern und Zeitschriften, sondern auch aus Ausschnitten, die in zahlreichen Bänden aufbewahrt wurden. Als er am 12. Januar 1940 starb, wurde seine Bibliothek von Philatelisten aus Washington erworben, die diese in 16 großen Kisten an die Kongressbibliothek in Washington gaben. Um die Wende zum Millennium ging diese Bibliothek an das National Postal Museum des Smithsonian Institutes. im Februar 1862 heraus. Kurz darauf folgte sein erstes Handbuch zum Thema Fälschungen und 1863 gab er Le Timbre-Poste heraus, die erste Fachzeitschift auf dem Kontinent, die außerhalb von England erschien. Er nutzte in dieser Zeitschrift am 1. April 1867 als Pseudonym J. S. Neom (seinen Namen rückwärts gelesen), was als AprilScherz gemeint war, denn er beschrieb die Herausgabe einer Phantasieausgabe von Moresnet. Damit wollte er seine Konkurrenten in Frankreich narren, die regelmäßig bei ihm die Neuheitenmeldungen übernahmen, ohne ihn deswegen anzufragen. Als er sich 1900 zur Ruhe setzte, erwarb F. J. Laurie seine Bibliothek für Hiram E. Deats. 1908 wurde sein Bestand an Verlagspublikationen von Victor Marsh übernommen. MIRABAUD, Paul 1848–1908 Er war einer der bedeutendsten französischen Sammler. Er stammte aus einer Bankiersfamilie und sammelte Briefmarken für seinen Sohn, als dieser erkrankt für mehrere Jahre das Bett hüten musste. Nach dem Tod seines Sohn begann er sich selbst für Briefmarken zu interessieren und führte die Sammlung fort. Er erwarb die Kollektion von Natalis Rondot, dem Vater der philatelistischen Literatur. Er verfasste zusammen mit Axel de Reuterskiold eines der besten jemals veröffentlichten Bücher, das den Schweizer Kantonalausgaben gewidmet war. PEMBERTON, Percival Loines 1875–1949 Im Alter von 17 Jahren begann er 1897 als Briefmarkenhändler und trat der Manchester Philatelic Society bei. 1897 kaufte er einen Teil der Sammlung von Adelaide Lucy Fenton. Ab 1900 war er Herausgeber der Zeitschrift Philatelic Journal of Great Britain. MOENS, Jean-Baptiste Phillipe Constant 1833–1908 Er war einer der ersten Briefmarkensammler weltweit und begann seine Sammeltätigkeit 1852. Mit dem Verkauf seiner Dubletten während seiner Buchhändlertätigkeit wurde er wohl auch einer der ersten Briefmarkenhändler überhaupt. Seinen ersten Briefmarkenkatalog gab er 168 | MOSCHKAU, Dr. Otto Carl Alfred 1848–1912 Für Artikel in A. Moschkau’s Magazin nutzte er das Pseudonym A. v. d. Lubota. Als seine Bibliothek 1912 in Augenschein genommen wurde, stellte man fest, dass die Mehrzahl der bedeutenden Werke nicht mehr vorhanden waren. Es wird angenommen, dass diese 1881 an Sigmund Friedl in Wien verkauft worden waren. MUNK, Dr. Herbert 1875–1953 Munk war der Schriftleiter der 11. Auflage von Kohls Briefmarken-Handbuch, welches zwischen 1923 und 1936 erschien. Außerdem war er Vorsitzender des Experten-Komitees des Bundes Deutscher Philatelisten-Vereine. Die Lindenberg-Medaille erhielt er 1925 und die Roll of Distinguished Philatelists zeichnete er 1931. Infolge der Ausweitung des Antisemitismus verließ er 1936 Deutschland. PEPLOW, Frank Jukes 1872–1935 Er inserierte bereits wegen philatelistischer Literatur in Alfred Smith & Sons Monthly Circular. Peplow war Herausgeber des Philatelic Record. Während der Erscheinungszeit war er außerdem Sekretär der Philatelic Literature Society. Seine Bibliothek wurde durch Glendining im März 1917 verkauft. Er starb am 10. Oktober 1935. PHILBRICK, Judge Frederick Adolphus 1836–1910 Philbrick gehörte zu den Gründern der Philatelic Society, London (später Royal Philatelic Society London) und war ____________________________________________________________________________________ Präsident von 1878 bis 1892. Er schrieb unter seinem Pseudonym „An Amateur“. Vom 29.–31. Mai 1905 wurde seine Bibliothek von Sotheby, Wilkinson & Hodge in London verkauft, wobei der philatelistische Teil in den Losen 933 bis 960 enthalten war. Einige der erzielten Ergebnisse wurden von B. T. K. Smith im Alfred Smith & Son’s Monthly Circular im Juni desselben Jahres wiedergegeben. Philbrick starb am 25. Dezember 1910. PHILLIPS, Charles James 1863–1940 Er begann seine Laufbahn als Freizeithändler 1885 in Birmingham, ging dann 1890 nach London, wo er die Firma Stanley Gibbons Ltd. von seinem Gründer Edward Stanley Gibbons übernahm. Er erwarb die Bibliothek von Dr. J. A. Legrand und die Dubletten wurden von Glendining in drei Auktionen zwischen Januar 1913 und Juni 1915 versteigert. Auch einen Teil der eigenen Bibliothek ließ er 1920 durch die Fa. Glending versteigern. 1922 verkaufte er seine Anteile an Stanley Gibbons Ltd. und emigrierte in die USA, wo er als Berater und Raritätenhändler weiter tätig war. PIET-LATAUDRIE, M. –1904 1894 veröffentlichte er ein weithin bekanntes Werk über Briefmarken-Neudrucke, das ein großer kommerzieller Erfolg war. MARCO DEL PONT, José 1851–1917 Marco del Pont war einer der führenden Philatelie-Persönlichkeiten in Südamerika und publizierte eine Reihe von Schriften. Er war Spezialist auf dem Gebiete der Fiskalphilatelie und besaß eine große Bibliothek. Für einige Zeit lebte er in London und wurde 1914 mit der LindenbergMedaille geehrt. POTIQUET, Alfred 1820–1883 Potiquet war Beamter bei einer Straßen- und Brückenbaubehörde. Er war der Verfasser des ersten Briefmarkenkataloges in der Geschichte der Philatelie, dessen Titel lautete: Catalogue des Timbres-Poste. créés dans les divers États du Globe. Die Erstausgabe wurde 1861 von dem Pariser Buchhändler Eugène Lacroix verlegt. REUTERSKIÖLD, Baron Axel de 1860–1937 Als Sammler Schweizer Kantonalmarken war Reuterskiöld zusammen mit Paul Mirabaud Autor des bedeutenden Werkes über diese Ausgaben, das 1899 veröffentlicht wurde. Er zeichnete die Roll of Distinguished Philatelists im Jahr 1921. RICH, Joseph Salomon 1860–1932 Für viele Jahre war Rich Chef der Scott Stamp and Coin Company. Es hat den Anschein, dass er während dieser Zeit jedes Buch, jede Preisliste und jedes Album aufbewahrte, deren er habhaft werden konnte. Seine Bibliothek, bestehend aus 1 400 gebundenen Bänden, wurde in 50 Kisten 1926 dem Collectors Club hinterlassen. RICKETTS, William Reynolds 1869–1956 Sein Interesse an philatelistischer Literatur geht bis zum September 1887 zurück. Ernsthaft begann er 1892 Literatur zu sammeln. Er erwarb die Bibliotheken von Eustace B. Power 1916, von John W. Scott und Durbin, Leavy und Haines. Dem Collectors Club in New York hinterließ er den Teil seiner Bibliothek mit den ausländischen Publikationen und stellte in Aussicht, auch die US-Schriften zu stiften, sobald er diese bibliografisch erfasst hätte. Infolge einiger Meinungsverschiedenheiten mit bestimmten Mitgliedern des Clubs verkaufte er aber die restlichen Teile der Bibliothek, die allein viereinhalb Tonnen Gewicht hatten, durch das Auktionshaus Paul Bluss im August 1945 und Oktober 1946. RONDOT, Natalis 1821–1900 Geboren 1822 in Saint-Quentin als Spross einer bürgerlichen Familie, wählte er Studienwege, die ihn in die Wollwarenindustrie führen sollten. Später arbeitete er in der Industrie- und Handelskammer von Paris und wurde verantwortlicher Leiter für den Export in Gesamteuropa. Ab 1862 veröffentlichte er über fünf Jahre eine Serie von Artikeln über die Philatelie im Magasin Pittoresque, einem sehr populären Magazin zu jener Zeit. Die Qualität seiner Beiräge blieb für lange Zeit unübertroffen. ROTHSCHILD, Baron Arthur de 1852–1903 Die Bücher seiner Bibliothek waren alle mit braun gemustertem Papiervorsatz in braunen Halblederbänden gebunden. Er besaß die Monographien der Moens-Werke komplett, alle jeweils mit Nummer 1. SCHAUBEK, Gustav Dies war ein Pseudonym, das Gustav Bauschke nutzte. Er war einer der ersten Händler in Deutschland und veränderte seinen Namen von Bauschke zu Schaubek, was ihm wirtschaftlich günstiger erschien. Er gab auch eines der ersten deutschen Briefmarkenalben heraus. SCOTT, John Walter 1845–1919 Scott begann mit dem Sammeln von Briefmarken, als er 14 Jahre alt war. Nachdem er 1863 in die USA emigriert | 169 ____________________________________________________________________________________ war, wurde er dort einer der ersten Briefmarkenhändler Amerikas. 1866 gründete er die J. W. Scott & Company, welche 1882 in Scott & Company umbenannt wurde. Um 1886 hatte er genügend Vermögen erworben, um sich zur Ruhe zu setzen, so dass er die Firma verkaufte. Allerdings verlor er den größten Teil seiner Ersparnisse, so dass er 1888 erneut mit dem Briefmarkenhandel als J. W. Scott Company anfing. 1870 hatte er bereits Briefmarkenauktionen in den USA eingeführt, zwei Jahre später auch in Großbritannien. Scott ist bekannt als „Vater der amerikanischen Philatelie“. Er verkaufte seine Bibliothek an William R. Ricketts. SENF, Louis Wilhelm August 1852–1940 SENF, Emil Louis Richard 1856–1941 Die Firma Senf wurde 1873 von den Brüdern Richard und Louis Senf gegründet. Ab 1881 firmierte sie unter dem Namen Gebrüder Senf. Mit Eintritt in den Ruhestand übernahm sie Heinrich Neubauer, der Schwiegersohn Richard Senfs. Beide Senf-Brüder sowie Heinrich Neubauer starben während des Zweiten Weltkrieges und Gerhard Neubauer, Sohn von Heinrich Neubauer, führte die Firma im Namen der Mutter weiter fort. Die Senf-Kataloge und das Illustrierte Briefmarken-Journal wurden ebenfalls Opfer des Krieges und eingestellt. SEYBOLD, John F. 1858–1909 Seybold – geboren am 22. Juli 1858 in Syracuse, New York – hatte deutsche Eltern. Sein Stolz war zweifellos seine philatelistische Bibliothek, die besonders stark mit Zeitschriften beider Sprachen, der englischen und der deutschen, besetzt war und von der er meinte, sie sei die drittgrößte in den USA. Nach seinem Selbstmord, von dem es heißt, er habe mit seiner homosexuellen Neigung in Zusammenhang gestanden, ging seine Bibliothek an die Boston Philatelic Society. SMITH, Alfred William 1837–1880 Vater von Bertram Tapscott Knight Smith. Er war von 1862 bis 1866 Partner der Firma Stafford Smith & Smith. Danach trennte er sich von dieser Firma und gründete Alfred Smith & Company. Seine Bibliothek geht bis zum Jahr 1862 zurück und wurde nach seinem Tod weitergeführt, vermutlich als Bibliothek von Alfred Smith & Son. 1912 bot die Firma die Bibliothek in einem gedruckten Katalog mit sechs Teilen zum Verkauf an. SMITH, Bertram Tapscott Knight –1938 Sohn von Alfred William Smith und Neffe von H. Stafford Smith. Er übernahm das Geschäft seines Vaters kurz nach 170 | dessen Tod 1880. Er war Gründungsmitglied der Philatelic Literature Society und gab deren Journal heraus. Er verkaufte seine Bibliothek über die Glendining & Company am 18. April 1918. SMITH, Henry Stafford 1843–1903 Bruder von Alfred William Smith. Beruflich begann er seine Laufbahn bei Simms, einem Buchhändler. Seine erste Briefmarken-Preisliste erschien 1861. 1862 verließ er seinen Arbeitgeber und begann mit einem vollberuflichen Briefmarkenhandel. Dieser erwies sich als so erfolgreich, dass 1863 sein Bruder Alfred mit ins Geschäft eintrat und sie gemeinsam Stafford Smith & Smith gründeten. 1866 löste sich diese Partnerschaft auf. Henry zog nach Brighton und handelt als Stafford Smith & Company weiter. Dort verlegte er die Zeitschrift The Philatelist mit Charles W. Viner als Schriftleiter. STRANDELL, Nils Vilhelm 1876–1963 Im Alter von zehn Jahren begann Strandell mit dem Sammeln von Briefmarken. Er führte dies bis kurz vor seinem Tode fort und wurde der namhafteste Philatelist Schwedens. Er besaß ebenfalls eine sehr große Bibliothek mit über 15 000 Bänden, die er 1944 an das Schwedische Postmuseum verkaufte. SUPPANTSCHITSCH, Richter Victor 1838–1919 Er zählt zu den bedeutendsten philatelistischen Bibliophilen überhaupt. Seine Bibliothek deutschsprachiger Schriften bis 1900 war eine der vollständigsten, die jemals zusammengetragen wurde und die einzige, die vollständig bibliografisch erfasst war. Er kaufte die Bibliothek von Theodor Haas nach dessen Tod 1911. Seine eigene Bibliothek wurde von Theodore E. Steinway erworben und von diesem dem Collectors Club New York gestiftet. TAYLOR, Samuel Allan 1838–1913 Taylor war bekannt als Herausgeber des Stamp Collectors’ Record, der ersten philatelistischen Fachzeitschrift in Nord-Amerika, aber auch als Urheber von Phantasiemarken. Für letztere wurde er als Just-as-good Taylor (gerade so gut wie Taylor) bekannt. TAYLOR, George Avery 1845–1904 Er zählt zu den frühen Briefmarkensammler und nutzte im Stamp Collectors’ Magazine der 1860er-Jahre häufig das Pseudonym „A Philatelist“. Die Zeitschrift gab er vom 5. bis zum 12. Jahrgang heraus. Von 1875 bis 1878 war er Schriftleiter des Alfred Smith & Son’s Monthly Circular. ____________________________________________________________________________________ TELLIER, Théodule 1856–1922 Er begann seine Tätigkeit im familiären Druckereibetrieb von Henry Yvert und wurde nach dessen Tod 1889 Teilhaber in der Firma. Er gab zsuammen mit Louis Yvert, dem Sohn von Henry Yvert, die erste Ausgabe des Briefmarken-Kataloges heraus, welcher bis heute ein weltweit anerkanntes Standardwerk der Philatelie ist. THEBUSSEM, Dr. 1828–1918 Sein richtiger Name war Mariano Pardo de Figueroa y de la Serna und er war zweifellos einer der geistreichsten und gebildetsten spanischen Philatelisten des 19. Jahrhunderts. Zwischen 1870 und 1910 veröffentlichte Thebussem 30 Bücher und Broschüren über Philatelie und die Post. Die Mehrzahl der Titel erschien nur in sehr kleiner Auflage. TIFFANY, John Kerr 1842–1897 Als vermutlich erster Sammler philatelistischer Literatur trug er im 19. Jahrhundert Bestände zusammen, die den Kern einer nahezu kompletten Bibliothek philatelistischer Publikationen und „Eintagsfliegen“ bildeten. Vor seinem Tod hatte Tiffany den Wunsch geäußert, seine Bibliothek sollte an eine Institution der Vereinigten Staaten gehen, die diese geschlossen erhalten würde. Allerdings gelang es seinem Bruder Dexter, nachdem Tiffanys Frau diesen wegen der Erfüllung des Wunsches ihres Mannes um Unterstützung gebeten hatte, nicht, eine solche Institution ausfindig zu machen. Die Bibliothek bestand aus 909 gebundenen und 136 ungebundenen Bänden, zu denen ein Index in Karteiform vorhanden war, und zwar zu jedem Buch und zu jedem Artikel. Dexter gab an, dass Angebote unter 10 000 Euro (damals rund 2 000 britische Pfund) nicht akzeptiert würden. 1901 stimmte Lord Craw ford dem Preis zu, engagierte Charles Phillips als seinen Agenten, der die Bibliothek für ihn erwarb. Nach Lord Crawfords Tod ging die noch immens weiter ausgebaute Bibliothek an das Britische Museum, später dann an die British Library, welche bis heute diese Bestände geschlossen erhält. TRIFET, Ferdinand Marie 1848–1899 Mit dem Briefmarkensammeln begann er bereits 1861, verkaufte dann aber um 1865 seine Sammlung und wurde Briefmarkenhändler. Wenngleich er ein Jahr später Partner von Samuel Allan Taylor wurde und in verschiedene von dessen Machenschaften verwickelt war, schwenkte er im Juni 1867 wieder um und sprach sich gegen die Herstellung und Verbreitung der Phantasiemarken und Fälschungen von Taylor und anderen aus. VALETTE, François In einigen seiner Veröffentlichungen verwendete er als Pseudonyme „F.V.“ und „Fois V***“ für einen Katalog, den er 1862 herausgab. Valette war gebildet und führte in Paris ein Geschäft, in dem man von allem etwas kaufen konnte, Briefmarken eingeschlossen. Sein Katalog ist bekannt für eine ungewöhnliche Klassifizierung der Briefmarken, die man in dieser Form bei keinem anderen findet. VALLANCEY, Francis Hugh 1879–1950 Vallancey war einer der bedeutendsten philatelistischen Literaturhändler zwischen 1915 und 1950. Sein Firmengebäude und sein gesamter Lagerbestand wurden am 11. Januar 1941 durch Feindeshand zerstört. Seine private Bibliothek verkaufte er 1951. Die Restbestände stiftete er der Royal Commonwealth Society. VINER, Dr. Charles William 1812–1906 1855 begann Viner mit dem Briefmarkensammeln für einen Freund, was aber auch sein eigenes Interesse an Briefmarken mehr und mehr weckte, so dass er ab 1860 auch selbst sammelte. Er half Mount Brown mit dessen eigenem Katalog 1862 und war ab 1863 Chefredakteur der ersten vier Jahrgänge der Zeitschrift The Stamp Collector’s Magazine, des ersten ernst zu nehmenden Briefmarkenmagazins der Welt. Später war er Schriftleiter des Journals The Philatelist. WEARS, Thomas Martin 1861– Er sagte von sich, Tiffany beim Sammeln und Erfassen britischer Kataloge unterstützt zu haben. Er war der erste Autor, der eine Studie über die Mulready-Umschläge und deren Karikaturen herausgab. Und er war der erste, der 1891 einen Index über die bedeutendsten englischsprachigen Periodika der Zeit von 1862–1889 veröffentlichte. WESTOBY, William Amos Scarborough 1815–1899 Bereits in den frühen 1860er-Jahren zog ihn das Sammeln von Briefmarken an, worin ihn Richter Philbrick, den er 1863 kennenlernte, bestärkte. Beide gehörten sie zu den ersten Mitgliedern der Philatelic Society in London. Westoby war ein überaus produktiver Autor und er gab von 1878 bis 1899 Alfred Smith & Co’s. Monthly Circular und von 1885 bis 1895 den Philatelic Record heraus. Obgleich er Engländer war, lebte Westoby in Paris und schrieb dort seine Artikel unter dem Pseudonym ‘A Parisian Collector’. | 171 ____________________________________________________________________________________ WESTON, Herbert Edgar 1874–1958 Weston kam im Dezember 1874 in Chichester zur Welt. Während der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts benutzte er für seinen philatelistischen Literaturhandel das Pseudonym Victor Marsh. Er behauptete, weltweit den größten Verkaufsbestand an philatelistischer Literatur zu besitzen. Er erwarb, nachdem der belgische Briefmarkenhändler Jean-Baptiste Moens 1907 in Ruhestand ging, dessen Literaturvorräte, die allein über zwei Tonnen wogen und mit einem Listenpreis von 570 brit. Pfund ausgezeichnet waren. YVERT, Louis 1866–1950 Nach Beendigung seines Jurystudiums und nach dem Tod seines Vaters, Henry Yvert, kehrte er nach Amiens 1889 zurück, um im Druckereibetrieb der Familie zu arbeiten. Er wurde Partner von Théodule Tellier, einem früheren Werksleiter der Firma und gab auf Wunsch von Lesern das Journal L’écho de la Somme, einen frühen Briefmarkenkatalog, heraus. Dieses Unternehmen wurde ein verlegerischer Erfolg, der bei allen Sammlern bestens ankam. 172 | ZSCHIESCHE, Alwin 1843–1929 Zschiesche war einer der frühen Briefmarkenhändler in Deutschland. Er trat in die Fußstapfen seines Onkels Carl Zschiesches und dessen Partner Edmund Köder, die die erste Briefmarken-Fachzeitschrift in Deutschland, das Magazin für Briefmarken-Sammler ab Mai 1863 herausgaben, außerdem 1862 ihren ersten Katalog. Alwin Zschiesche erster eigener Katalog erschien in Leipzig 1868, zudem zahlreiche weitere Auflagen, deren letzte später in Naumburg hergestellt wurden. ZUMSTEIN, Ernst 1880–1918 Während eines Arbeitsaufenthaltes in England lernte er mehr über Briefmarken kennen, an denen er bereits seit seiner Kindheit interessiert war. 1905 ging er nach Bern zurück, ließ sich als Briefmarkenhändler nieder und gründete das Haus Zumstein. Zwei Jahre später gab er als Hauszeitschrift die Philatelistische Borsennachrichten heraus, die wiederum zwei Jahre später ihren Namen zu Schweizerische Philatelistische Nachrichten wechselten, letztlich dann 1915 in Berner Briefmarken-Zeitung für die deutsche Ausgabe und in Journal Philatélique de Berne für eine franzöösische Ausgabe umbenannt wurden. Zumstein starb während der Grippeepidemie 1918. ____________________________________________________________________________________ Anhang 2 Pseudonyme von Brian Birch ____________________________________________________________________________________ Einführung Als Buchliebhaber, der die unermessliche Bandbreite philatelistischer Literatur erforscht, war ich häufig entmutigt, wenn ich in nicht wenigen Fällen auf Autoren stieß, die ihre Identität hinter Künstlernamen oder Pseudonymen verbargen. Das war nicht selten in den ersten Jahren der Philatelie der Fall, als das Briefmarkensammeln noch als eine Domäne von Schuljungen angesehen wurde. Damit meine ich auch die Namen oder Namenskürzel, die zur Kennzeichnung verfasster Beiträge in Fachzeitschriften, aber auch gelegentlich sogar für Bücher und Kataloge verwendet wurden, wobei diese „Verkleidung“ die wahre Identität der Verfasser verbarg. Über die Jahre wurden allerdings Verwender solcher Pseudonyme bekannt, sei es mit deren Zustimmung oder durch Erwähnung in der Fachpresse. Folglich begann ich eine Bibliografie der Pseudonyme und deren Urheber zusammenzustellen, sobald ich auf solche stieß. Dabei habe ich auch die Verwendung von Pseudonymen berücksichtigt, die für andere Zwecke als die Schriftstellerei genutzt wurden, also falls z.B. ein Sammler ausstellte oder seine Sammlungen verkaufte. Namenskürzel wurden häufig von Herausgebern und anderen gut bekannten Philatelisten verwendet, um damit die ständige Wiederholung ihres vollen Namen zu vermeiden, wobei diese davon ausgingen, dass ihre Namensinitialen ja für die Leser leicht erkennbar waren. Dennoch entstehen bei solchen Namenskürzeln, Jahre nachdem solche Periodika publiziert wurden, für Litera- turforscher Probleme, besonders dann, wenn diese Kürzel nicht einfach einem Mitglied einer Redaktion, sondern eher einem Unbekannten zuzuordnen sind. Deshalb tendierte ich dazu, sehr selektiv bei der Auswahl der Namenskürzel vorzugehen und bevorzugt nur wirklich bedeutsame Beispiele aufzunehmen, sofern ich diese als halbwegs naheliegend empfand. Gelegentlich können wir dank der Forschung einiger Literaturexperten bessere Einsichten in die wahre Identität eines Pseudonym–Verwenders gewinnen. Solche Erkenntnisse verdanken wir Victor Marsh, der vielleicht der bedeutendste philatelistische Literaturhändler der Welt in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts war und selbst unter dem Pseudonym H. Edgar Weston handelte. Nach mehr als drei Jahrzehnten gelang es ihm, den Verleger des ersten spanischen Kataloges von 1864 zu identifizieren, der zuvor nur unter seinen Initialen J. M. V. de C. bekannt war, aber mit vollem Namen José Maria Vergés de Cardona hieß. Frühere Listen von Pseudonymen 2002 veröffentlichte Gini Horn, die Bibliothekarin der American Philatelic Research Library, eine Liste mit 43 philatelistischen Pseudonymen in der Zeitschrift der Bibliothek „Philatelic Literature Review“. Ich sandte ihr damals daraufhin meine Liste mit 167 solcher Beispiele, die ein Jahr später in der Zeitschrift publiziert wurde. Zwangsläufig brachte diese Liste erneut weitere solcher Mel- | 173 ____________________________________________________________________________________ dungen von Korrespondenten bei wie z.B. von Wolfgang Maassen, der eine bestimmte Zahl von Pseudonymen deutscher Philatelisten beisteuern konnte. Dennoch kam die Mehrzahl der Ergänzungen einfach durch das eigene Lesen alter Literatur. Sechs Jahre später, 2008, enthielt meine fortgeführte Liste bereits 340 Pseudonyme und erschien als Fortsetzungsserie im „Stamp Lover“. Mittlerweile ist sie auf 586 angewachsen. Weitere Details zu jeder Nennung einzelner Pseudonyme ist in meiner „Bibliography of Philatelists and Dealers“ auf der Internetseite www._pliterature.org der FIP–Literatur–Kommission erhältlich. Liste der Pseudonyme Nachfolgend veröffentliche ich diese Liste philatelistischer Pseudonyme und Aliasnamen, denen ich bisher begegnet bin und welche Philatelisten bei ihren Forschungen in der philatelistischen Literatur und Auktionskatalogen antreffen. Gelegentlich habe ich einfach aus generellem Interesse auch Pseudonyme berücksichtigt, die einem kaum in der Literatur begegnen. In der Regel beziehen diese sich auf berühmte Persönlichkeiten, die ebenfalls Briefmarkensammler waren, wie z.B. Yul Brunner und Bela Lugosi. Pseudonyme kommen in vielfältiger Form vor: von einfachen Namenskürzeln (z.B. A. C. y T.) bis hin zu richtigen Namen (z.B. A. Bernard), über beschreibende Ausdrücke (wie z.B. A. Gentleman of France = ein Herr aus Frankreich) oder sprichwörtliche Redensarten (z.B. Damus Petimusque Vicissim = Wir geben und nehmen wechselseitig) und zahllosen anderen Erscheinungsformen. Abweichend von traditionellen Namen ist es naheliegend, dass solche Mischungen von Pseudonymen nur schwer in eine alphabetische Abfolge zu bringen sind. Demzufolge habe ich mich an eine strikte Buchstabe für Buchstabe-, Wort für Wort-Abfolge gehalten, um die Suche nach Pseudonymen zu erleichtern. Zeichensetzungen innerhalb der Pseudonyme wurden dabei vernachlässigt, um eine Alphabetisierung zu ermöglichen. In zahlreichen Fällen begegneten mir falsch wiedergegebene Pseudonyme oder – häufiger – unvollständige, bei denen ein Teil des vollständigen Namens fehlte (z.B. A, An, De, The etc. oder Titel wie Capt. Lieut., Dr. Mr. oder Miss). Dies sollte man berücksichtigen, wenn man ein Pseudonym sucht. Sofern bekannt, habe ich Informationen, Geburts- und Sterbedaten, in Klammern hinter dem Namen eingefügt, dies auch als Anhaltspunkt, in welcher Zeit dieses Pseudonym verwendet wurde. A A. Bernard A. Burmeister A. C. y T. A. C. Kline A. C. Roe A. Cameron & Co. A. Churchill A Collector A. Erdmann A. F. A. F. Ewfacts A. Franz A Gentleman from Massachusetts A Gentleman of France A. Gerdt A. L. Bert A. M. Andrews Jr. A Member A. Niven 174 | Burkhard Bernhard Assmus (1855/56) A. B. Quigley Dr Antonio Comas Torregrosa (1868–1918) John William Kline Albert C. Roessler (1883–1952) G. Campbell Arthur Churchill Emerson (1845/46–) W. H. Wright Arthur Ernst Friedrich Glasewald (1861–1926) Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) Ralph Perkins Ashcroft (1874–) Franz Andreas Anton Kalckhoff (1860–1955) J. C. Fuller Thomas George Wayman (1882–) Andreas Gerhauser (1856–1937) Albert Newman (1880/81–1970) J. T. McFarland William Amos Scarborough Westoby (1815–1899) Edgar Lewy (1926–1991) ____________________________________________________________________________________ A. P. A. Palette A Parisian Collector A Philatelist A Post Card Collector A Post Card Collector A. Specialist A Stamp Collector A Stamp Collector A. v. D. Lubota A. West A Western Gentleman A Whittier Longfellow ABC Adolf Aaronsohn Adrian Opkins Aguilas Ajax Jakes Akropolis Al Staines Albert Roth Albis Albis Aldo Laghi Alexander Michael Hodson Alexander Stocks Alford Alfred Turner Alfred von der Lubota Alpha Alpha Alpha Alphonse Amateur des Montagnes Rocheuses Amazon An Absentee Delegate An Amateur An Old Collector André Melanjoie Angela Angus McTavish Anon Y. Mouse Antonia Area Argos Alexander Perris William A. Warner (–1892) William Amos Scarborough Westoby (1815–1899) George Avery Taylor (1845–1904) H. A. de Joannis G. Campbell L. N. Christea Frederick William Booty (1841–1924) Edward Loines Pemberton (1844–1878) Otto Carl Alfred Moschkau (1848–1912) Harold Treherne (1886/87–) A. Murl Kimmel (1899–1976) George Allen Higlett (1860–1940) A. B. Cook Adolph L’Arronge (1838–1908) Ian THornicroft Hamilton (1908–1990) R. Paliafito Ian Thornicroft Hamilton (1908–1990) Nikolaus Wasdekis James Alexander Mackay (1936–2007) Richard P. H. Wolle Jules Marcou (1824–1898) Otto Carl Alfred Moschkau (1848–1912) Giulio Bolaffi (1902–1987) Aleksander Stocki (1897–1960) Aleksander Stocki (1897–1960) Gersdorf John Walter Scott (1845–1919) Otto Carl Alfred Moschkau (1848–1912) Alan Berkun C. Gloyn D. R. Walker Alphonse de Rothschild Jules Marcou (1824–1898) Pracchia ? George Allen Higlett (1860–1940) Frederick Adolphus Philbrick (1836–1910) H. Oxenden Weare (ca.1855–) André Savoie (1937?–1976) A. Galaray Frank Fitzroy Lamb (1881–1936) John McClure Hotchner (1943–) Adriano Landini Ralph Perkins Ashcroft (1874–) Abel Fontaine (1849–1926) | 175 ____________________________________________________________________________________ Argus Arisztid Olt Arleigh Gaines Arnaldo Arthur King Pierre Marie Mahé (1833–1913) Bela Lugosi (1882–1956) Ronald L. Ginns Luis Blas Alvarez Kenneth Robert Lake (1931–2005) B B. A. Reras B. E. Crole B. O. Bachter Balbo Barclays Barem Bark N. Tine Bavaria Beaver Creek Bela Lugosi Ben Bertram Aussem Bookworm Bookworm Boris Pritt Bruce Conde Bruce Garden Buccaneer Buck Luvva Antonio Barreras Bruno Emil König (1833–1902) Leon Norman Williams (1914–1999) Gerhard F. W. Schmidt (1901–1959) Barclays Bank Benjamin Alec Remington (1914–1997) F. Putney Jr. Johannes Sigmar Elster (1863–1900) Ronald Cecil Alcock (1905–1991) Bela Ferenc Dezso Blasko (1882–1956) Benjamin Webster Warhurst (1845–1911) Wolfgang Maassen (1949–) Carl Beck (1879–1929) Harry Hayes (1925–2011) Abraham Boris Prilutzki (1904–1996) Bruce-Alfonso de Bourbon-Conde James Alexander Mackay (1936–2007) Philip Gosse Harry Hayes (1925–2011) C C… C. B. C. B. C. D. Desai C. H. Clarke C. T. Canadensis Canadiensis Cantus (1882–1951) Capt. Blaguefort Carl Praeger Carolina Cecil Norman Celestina Chappaqua 176 | Courtois ? Carl Beck (1879–1929) A. Scott & Company Choonilal Devkaran Nanjee (1888/89–1948) C. E. Moore Mrs. Charlotte Tebay (–1902) John Reginald Hooper (1859–1944) John Reginald Hooper (1859–1944) Max Karl Wilhelm Theodor Johann Constantin Ton Jacques Amable Legrand (1820–1912) Charles J. Peterson Caesar Cone Norman Cecil Baldwin Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) Charles G. Thatcher ____________________________________________________________________________________ Charity Boxall Charles Barnett Charles Maximilian McMiram Charlotteville Chas. F. Williams Cheth Chinese Ma Choonilal Devkaran Desai Christopher Beresford Christopher West Cihangir Classic Clifford Collector Como Compiler Conca D’Oro Connoisseur Consort Cornelius Wrinkle Correos Court Crawford Custos Cyril Deighton Christine Matthews (1933/34–1994) A. B. Quigley Charles Maximilian Nemec John Michael (1939/40–2010) George Graf Edward Benjamin Evans (1846–1922) David Allan Gee Choonilal Devkaran Nanjee Beresford Peter Torrington Horsley (1921–2001) Elliott Perry (1884–1972) Richard Schaefer Alphonse de Rothschild Edward C. Dodd Raymond Raife Guido Craveri Anthony Buck Creeke Jr. (1860–1932) G. Russo Alfred A. Weinberger (1872–1946) Claude Cartier (1925–1975) Edward James Nankivell (1848–1909) James M. Chute (1846–) Giulio Bolaffi (1902–1987) F. N. Massoth Jr. (1871–1909) Peter Fischer (1937–) Leonard Cyril Deighton (1929–) D D. D. H. H. D. J. M. V. de C. D. Richter Daisy Dallas Damus Petimusque Vicissim Danzig De Rives de Seine Defas Delandre Dixey Dixey Dixon Donau Dos–y–Medio Dr. G.B. Dr. K. Hayes Leon Dubus (1894–1981) David Howarth Hill (1850–1926) Don José Maria Vergés de Cardona Carl Lindenberg (1850–1928) Henri Grand (1927–) William Graue Frederick Adolphus Philbrick (1836–1910) Robert Danzig Captain E. de Belleville Ulf Sahlberg Gaston Aimé Camille Fontanille (1883–1927) Herbert Crane Beardsley Hiram Edmund Deats (1870–1963) Herbert Humphreys Provera ? George Kirke Jeffryes (1867/68–) Toni Abele (–1992) David Allan Gee | 177 ____________________________________________________________________________________ Dr. Magnus Dr. Nörgler Dr. Phil A. T. Lista Dr. Phil A. Telius Dr. Thebussem Dragon Draim Duplex Durham d’Yves le Pontik Jacques Amable Legrand (1820–1912) Hans Brendicke (1850–1925) Jerman Greve José Luis Guerra Aguiar Mariano Pardo de Figueroa (1828–1918) Norman Townsend Victor Eugène Miard (1893–1971) Bertram William Henry Poole (1880–1957) Ronald Cecil Alcock (1910/11–1963) Stephane Strowski (1870–) E E. A. Miller E. Quere Philman E. Rawolik III E. Wessler Ed Bieri Ed. O’Warner Ed. von Lemann Edward Graft Edwards Emerald Emperor Era Enrique R. Stamp Euroswiss Ezzet Mosden C. J. Fuelscher Every Paget (1875–) Robert E. Taylor Adrien Champion (1867–?) Béla Székula (1881–1966) Allan Willey Hans Kirchhofer A. B. Quigley E. Grombacher David Feldman (1947–) Erich König Ernest R. Aldrich (1866–) Ernesto Bello Hernandez Jurgen Haeper Ezzet Moshi F F. F. F. Andreas ff F. V. F. Moore Famous (Formerly European) Collector Felix Summerley Felix Videki Fellow of the RPSL Fellow of the RPSL Fentonia Ferrari Finlandia Flatterer 178 | Albert Friedemann (1867–1933) Sigmund Friedl (1851–1914) Franz Andreas Anton Kalckhoff (1860–1955) Franz Andreas Anton Kalckhoff (1860–1955) François Vallète John Stewart George Lowden (1879/80–) Alphonse de Rothschild Sir Henry Cole (1808–1882) Felix Weiss Hiroyuki Kanai (1925–2012) Alphonse de Rothschild Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) Philipp Arnold La Rénotière von Ferrari (1848–1917) Leo Linder Hanns von Zobeltitz ____________________________________________________________________________________ Flintstone Fois V*** Fr. Philips Francis Kennedy Francisco del Darro Frankford Stamp Company Franz Andreas Franziskus Fred Heinsberger Fred F. Billings Freddie Mercury Frederick Bernard Noyes Frédérick Champion Frederick Henry King Frederick von Wenner Friedrich Friedrich Kayser FxG John Robert Boker Jr. (1913–2003) François Valette Philip Heinsberger Jr. (1854–) Kenneth F. Chapman (1910–2006) Francisco J. Rico A. B. Quigley Franz Andreas Anton Kalckhoff (1860–1955) Franz Andreas Anton Kalckhoff (1860–1955) Philip Heinsberger Jr. (1854–) F. Fritz Billig (1902–1986) Farrokh Bulsara (1946–1991) Frederick Bernard Nayer Adrien Champion (1867–?) Charles M. Seltz Forsberg ? Peter Fischer (1937–) Friedrich Wilhelm Barth (1923–2002) Peter Felix Ganz (1922–1990) G G. A. H. G. Arnold G. Kauffmann G. L. G. Matheesco Gallia Gary P. Westemberger Geo. Graham Geo. H. Warden Georg Kauffmann George Cohen George Ellis George Graham George Robey George van den Berg George Warren George Washington Junior Georges Caillebotte Gladys Adler GMC Collection Gnat Gordon N. John Greasy Dick Thomas Great George Allen Higlett (1860–1940) Harold Treherne (1886/87–) Georg Wende Gavin Littaur C. M. Moriou Carlrichard Brühl (1925–1997) Jerry P. Mather A. B. Quigley Ralph Perkins Spooner Georg Wende George Ward Linn (1884–1966) John Stewart George Lowden (1879/80–) George Graf George Edward Wade (1869–) Lowell Joseph Ragatz (1897–1978) A. B. Quigley George Allen Higlett (1860–1940) Gustav Caillebotte (1848–94) Gladys Edmiston John C. Chapin Ian Thornicroft Hamilton (1908–1990) Norman S. Hubbard (1935–) Rudolph Thomas (–1941) Frederick T. Small (1888/89–) | 179 ____________________________________________________________________________________ Green Mountain Philatelist Gregory B. Salisbury Guido Fawkes Gustav Schaubek Frederick Stewart. Goldsbury (1872–1890) Grigorii Vasilyevich Bondarenko–Salisbury (1910–1968) Guy Reynolds Gustav Bauschke (1840–1879) H H H. Berger H. J. Miron H.L.F. or H. L. F. H. O. W. H. S. H. Werninck H. Werninck Hadrian Opkins Halifax Hamburgensis Harry Lloyd Harry Mekeel Haüf Hawk-Eye Hazett Heard on the Strand Helim Hellas Helleniades Henri Banche Henri Bauche Henri Goegg Henri Mercier Herbert Hibernicus Hidalgo HIG Himself Hippolyte Hispaniola Historicus Holney Catch Holstein Herman Honolulu Advertiser Horace C. Jones Horace Stone Hugh Pentecost 180 | George Allen Higlett (1860–1940) Arthur Wülbern (1869–1926) John Miron Hubbard Louis François Hanciau (1835–1924) H. Oxenden Weare (ca.1855–) J. H. H. Stockall Louis Wilhelm August Senf (1852–1940) Emil Louis Richard Senf (1856–1941) Adrian Edmund Hopkins (1894–1967) Max Guggenheim (1922–1996) Harry Hilckes (1864–1918) Harry L. Ilgenfritz Walter Frank Slusser (1878–) Adrien Champion (1867–?) Benjamin Webster Warhurst (1845–1911) Hellmuth Zerkowski Edgar Lewy (1926–1991) H. G. Spaulding James P. Pamel Jan Spetsiotis de Ruyten ? Adrien Champion (1867–?) Louis-Henri Mercier (–1902) Louis-Henri Mercier(–1902) Camoens Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) F. H. B. Smith (–1972) R. Paliafito George Allen Higlett (1860–1940) George Allen Higlett (1860–1940) Julian Hippolite Sarpy (1859/60–) Clarence William Hennan (1894–1956) Edward James Nankivell (1848–1909) George Allen Higlett (1860–1940) Hermann Branz (1920–2004) Thurston Twigg–Smith Ferdinand Stahl Jr. A. B. Quigley Judson Pentecost Philips (1903–1989) ____________________________________________________________________________________ I Ian Angus Iberius Iceland Isabella James Alexander Mackay (1936–2007) Joseph Manuel Andreini (1849–1932) Ramsay Peugnet Luis Cervera J J. A. N. J. G. J. H. Roman J. M. V. de C. J. N. Nutter J. P. J. S. J. S. Neom Jabardus Jack la Roche Jack Sherwood James Bond James Collins James M. Neil James Philbrick James R. Grant & Company Janet van den Berg Janet van den Berg Jasper Javier de Linares JCB Jean Coumenos Jed Jones John A. Hooper John C. New John Foxbridge John Gay Junior John J. Morgan José Ma Llerendi Joseph St. Clair Jules Rapin Julian George Clive Julius S. Spencer Junior II John Appleton Nutter (1846/47–) James Garnett Jan Åkesson José Maria Vergés de Cardona John Appleton Nutter (1846/47–) Jules Pauwels (–1870) Joseph Speranza (1840–1917) Jean-Baptiste Phillipe Constant Moens (1833–1908) J. A. Bosshard ? Albert B. Johnstone (–1995) John R. Holman David Allan Gee Pedro V. Hiordan Kenneth Robert Lake (1931–2005) Franceska Rapkin (1936–2001) Edward Loines Pemberton (1844–1878) Janet Ragatz Lowell Joseph Ragatz (1897–1978) Isaac E. Weldon Joaquín Amado John Robert Boker Jr. (1913–2003) Yanni Kommeno Stephen Gottheil Rich (1890–1958) John Reginald Hooper (1859–1944) Allan Willey John Eleuthère DuPont (1938–2010) George Allen Higlett (1860–1940) A. B. Quigley Augustín Piracés Josef Szentkiraly (1913–2008) Adrien Champion (1867–?) Julius George Klein Lauson H. Stone (1904–1999) Roberta Diena | 181 ____________________________________________________________________________________ K K. Miriquidius K. L. Kaiser Karl Johannes Kayes1 Kee On Yu Kennelm Kenyon Brewster Cox King of Sedang Knox Stranding Koh–i–Noor Paul Richard Kleeberg (1874–1932) Koh Seow Chuan (1930–) John Duggan (1932–2007) Karl Johannes Scholtze David Allan Gee Philip Mathias Wolsieffer (1857–1934) Brewster Cox Kenyon See Marie I Herbert Humphreys B. Pasti L L. F. L. H. B. L. L. Troeder L. Papastathopoulos La Fenice Lacus Virdis Lady Hope Lawrence H. Greig Le Romagne Leamington Lee Stamps Leilao Lewis Bishop Lewis Carroll Lewis the Light Lieut. V. B. Justice Lion Livonia Louis Henri Mercier Ludwig Clericus Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) Lyman Hotchkiss Bagg (1846–1911) J. T. McFarland Jan Spetsiotis U. Faccio R. R. Thiele Antonio Bertolaja Lawrence Herbert Rockliffe Giuseppe Barcella (1926–1992) M. Wilson J ustin L. Bacharach (1907–1995) Antonio Felino A. B. Quigley Charles Lutwidge Dodgson (1832–1898) Lewis Greenslade Cleve Scott Ali Sharghi Ingvar Pettersson Henri Goegg ? Ludwig Schönemann (1827–1892) M M M… M. Eichel–Schmetz Margaret Harrison Mors ? Josef Kröger 1 A library was sold by Sylvester Colby under this name in 1962. According to Stanley Bierman, it consisted of the unsold lots from Colby’s previous literature sales which had, remarkably, mostly belonged to persons whose name began with the letter K: William Charles Kennett, Ralph Archibald Kimble, William R. King, Roland King–Farlow and Harry Myron Konwiser. 182 | ____________________________________________________________________________________ M. H. M. Melville M. R. Ma M. T. Dome M. X. Maria de la Queillerie Marie I, King of Sedang Market Man Mateo Fernandez (Stamp) Maximus McPuzzleus Mentor Mephisto Merr. I. Mac Michael Trost Ming Minimus Miro Miss Fitte Moldau Molly Mont Blanc Monte Carlo Monte Napoleone Mount Shasta Mr. X Mr. X Mrs. C. E. Willy Mulready Mystery Collection Max Arthur Hertsch (1923–2008) Harold Treherne (1886/87–) M. R. Marty Stephen Gottheil Rich (1890–1958) A.-B. de L’Argentière (–1921) Armand Galzel Marie David de Mayréna Ken Lake Fernando Mateos Ronald Albert George Lee (1912–1990) George Allen Higlett (1860–1940) Kenneth Robert Lake (1931–2005) William G. Darville Edgar S. Allen (1880–) Wolfgang Maassen (1949–) Peter Holcombe (1931–2011) Gavin Littaur Léon–Pierre Margue Frederick John Melville (1882–1940) Fritz Heimbüchler (1930–) J. L. Sacher Nicolas Zollinger Bill Gross (1944–) ?, Künzi Denise DuPont Zapfe J. C. Fuller George Tyler Allan Willey J. H. Lacy Maurice Burrus (1882–1959) N N. Erichs N. Yaar Naret Koning Natalis Rondot Nemesis Nemesis Nemo Nile Nino Nelton Nissus No. 1 Philatelisten-Club, St. Gallen Nomad Nosco Niels Christensen Leon de Raay (1866–1936) Johan Karel Naret Koning (1862–1916) Armán Martín (1821–1900) Francis Neale Joseph William Palmer (1853–1931) Irving I. Green Samir Amin Fikry (1932–2010) Edgar Nelton (1859–1919) Edward Loines Pemberton (1844–1878) O. Pfenninger A. N. Donaldson (–2012) Spencer Crosby | 183 ____________________________________________________________________________________ O O. K. Quebob, M.D. O. Veredarius Observer Ogers Corner Old Codger Old File Old Member Olive Blossom Omega OOO Oscar Oscar Rapin Our German Correspondent Our Special Commissioner Owl George F. Heath (1850–) Ferdinand Hennicke (1843–1913) Alan Randall Jones Leonard Hartmann Dane Garrod John Scott Stokes Eric William Mann (1882–1954) Hershmann ? James Garnett P. Malone Achtereberg ? Adrien Champion (1867–?) James Doherty (1941/42–) Percy Cooke Bishop (1869–1960) C. H. P. Roney P P. Air P. J. A. P. O. Wer Pacificus Palace Collection Palace Collection Panelli Angelo Par Avion Paris Paul Chesham Paul Fischer Paul Norberto Paul Paulescu Paulo Pedemonte pef Pendragon Per Fossum Peter Beresford Peter Dierking Peter Leetz Peter O’Neill Peter Rosenau Peter Sinclair Peter the Painter 184 | Ian Thornicroft Hamilton (1908–1990) Peter John Anderson (1853–1926) Emilio J. Power Alfred Henry Caspary (1877–1955) King Farouk I of Egypt (1920–1965) King Fuad I of Egypt (1868–1936) Angelo Panelli (1894–1972) Hamilton Nelson Eustis (1915–2003) Tomas Bjäringer (1936–) James Alexander Mackay (1936–2007) Richard P. H. Wolle Joseph Arduin C. M. Moriou Wilhelm Johann Paul Ohrt (1867–1944) Lanfranchi ? Peter Fischer (1937–) J. H. Greenstreet Einar Lundström Beresford Peter Torrington Horsley (1921–2001) David Allan Gee Clifford Washington Kissinger (1874–1938) Kenneth Robert Lake (1931–2005) Peter Fischer (1937–) Kenneth Robert Lake (1931–2005) Major Tompkins ____________________________________________________________________________________ Peter Whittington Pharès Phasania Phil. Phil A. Telic Phil Atelic Phil Atlee Phil Atts Philargus Philatel Philatelic Bibliopole Philatelist Philatelist Philato Philipp 1917) Philo Phranque Pierre Lapeintre Pietro Pintore Pilgrim Pivol PM Poss Prodest Puritan James Alexander Mackay (1936–2007) Pierre Marie Mahé (1833–1913) T. Caldiron A. D. Blackburn Roy Farrell Greene Charles Rowland Gadsden (1859–) Eric Friedman R. A. Jamieson Alfred Itel (1917/18–1983) Percy Cooke Bishop (1869–1960) Leonard Hartmann (1941–) Edward Benjamin Evans (1846–1922) James A. R. Dryden (ca. 1900–1955) Paul Marriott Arnold Philipp Arnold La Rénotière von Ferrary (1848– Schuyler B. Bradt Frank K. Rising (1866/67–1886) Major Tompkins Major Tompkins Eric D. Mcdowall (ca. 1900–1968) used for the Chevalier de Volpi. Pedro Monge y Pineda (1890–1965) Frederick T. Small (1888/89–) Erich Stenger (1873–1957?) A. P. Hosmer (1866–) Q Quality Queensman Quelqu ‘un Quilp J. Hetherington Don Staddon Edward Loines Pemberton (1844–1878) Anthony Buck Creeke Jr. (1860–1932) R R3 R. Antrobus R. C. H. Wagner R. Campana R. G. Paris R. N. Pierce R. Newman Rae Mader Rea Red Rooster Achille Rivolta (1908–1992) Eric William Mann (1882–1954) Richard P. H. Wolle Achilleto Chiesa Raymond Gaillaguet (1920–2011) Ronald Negus (1933–2008) Harold Treherne (1886/87–) John Eleuthère DuPont (1938–2010) Isaac E. Weldon Charless Hahn (1919–1999) | 185 ____________________________________________________________________________________ Reginald Kinnersley Renard Retlaw Rev. Rev. Melville C. Jones RG Rich. E. Reichardt Richard Dalwick Richard Panzer Rio Robert Boyer Robert Burns Robert Lowe Robert P. Brown Roger Kinnersley Roland Ronald Gill Rosendo Fernandez Rösto Rotide Runeberg John Reginald Hooper (1859–1944) William A. Fox (1929–2008) Walter T. Wilson Dr. Chetwynd D. D. Atkinson Ferdinand Stahl Jr. Raymond Gaillaguet (1920–2011) Emil Reinhard Krippner (1852–1942) Robert Elgar Richard Dalwigk (1889–1971) Thomas Radzuweit (1910–) Tevfik Kuyas (1916–1989 Kenneth Robert Lake (1931–2005) George Allen Higlett (1860–1940) David Allan Gee Jerry P. Mather John Reginald Hooper (1859–1944) Charles Michael Scheike Ronald Negus (1933–2008) Plácido Ramón de Torres (1850–) Roman Stoebe (1883–1953) Douglas Edward Godwin Naish (1897–1978) Hiroyuki Kanai (1925–2012) S S… S… S.H. S. J. V. S. O. Scott Samos Samuel W. Carter Sartor Resartus Scenic Seamus MacAodha Sextus Africanus Sibelius Sidney Victor Leverton Simon Sam [the stamp man] Simplicius Solomon Specialist Spy Spying Eye Staircase Staple 186 | Hallu ? Andeé Mayer Christopher Stephen Holder (1939–) Adelaide Lucy Fenton (1825–1897) James M. T. Chandler S. Arnstein William A. Reid Samuel Bennett Sam C. Nickel Jr. (1913–1994) James Alexander Mackay (1936–2007) Maurice Burrus (1882–1959) Christian Carl Sundman (1933–1994) Sidney Victor Levartovsky (1921–2000) Herbert Mullon (1905–1991) Sigmund Friedl (1851–1914) Tevfik Kuyas (1916–1989) Raymond Raife Sir Leslie Matthew Ward (1851–1922) Brian Reeves H. Sands Robert L. Maurer ____________________________________________________________________________________ Stefan Mauritius Strand Susie Rudolf Rohr (–1945) Edgar Lewy (1926–1991) Hubert Henry Hurst (–1944) T T. A. S. Quail T. Coke T. Gibson T. Morton Taidje Khan Tara Taunus Taylor Ten Point(s) The Philatelic Rambler The Senior The Veteran The Yellow Peril Timbrologist Timbrophilist Tobias Mellgren Tom Williams Topaz Triacria Tomasso Coelho Thomas Coke Watkins W. B. V. Hall Harold Treherne (1886/87–) Yul Brynner (1920–1985) Paolo Bianchi (1942–) Hans-Herrmann Mette ? Herbert Humphreys Charles W. Grevning (–1898) Edgar Nelton (1859–1919) Benjamin Webster Warhurst (1845–1911) Benjamin Webster Warhurst (1845–1911) Stanley Lum Edward D. E. van Weenen (1847–1925) Edward D. E. van Weenen (1847–1925) Leo Linder (1910–1974) Antonio Carpolette W. K. Jewett G. Russo U Un Amateur Uncle Billy Uncle Frank Uncle Herb Uncle Phil Uncle Phil Undooley A. Humbert William Carlos Stone (1859–1939) W. H. Worsencroft Herbert L. Shatz (1905/06–) Frederick S. Fox A. K. MacDonald Charles H. Fowle V V. E. V. P. Manwood Veritas Veritas Victor Marsh Viking Virgini Robert Zoellner Dale Forster Edward F. Herdman H. Moeller Herbert Edgar Weston (1874–1958) Tomas Bjäringer (1936–) Achille Rivolta (1908–1992) | 187 ____________________________________________________________________________________ W W. E. Fyndem W. E. Fyndem W. E. Fyndem W. E. Fyndem W. H. H. W. H. H. W. Howard W. W. F. Wanderer Warden Wat Whitman Watchman Watchman Watchman White Willi Bruder William Finlay William Martello WM WOMA James Arthur Chester Sumner ( –1957) A. L. Noble Michael Waloff (–1971) Allan Grant (1942–) William Hughes–Hughes Vermutlich Schreibfehler von D. H. H. W. Houtzamer W. W. Fitch Thomas J. Mitchell C. S. Ward George Allen Higlett (1860–1940) Stephen Walter Braham Kenneth Robert Lake (1931–2005) James William Negus (1927–2008) William R. Weiss Jr. Heinrich Johann Dauth (1846–1903) James Alexander Mackay (1936–2007) F. C. A. Gray Wolfgang Maassen (1949–) Wolfgang Maassen (1949–) X X X. X. Libris Xeno siehe M. X. und Mr. X. A. P. John Peace Harry Hayes (1925–2011) Kenneth Robert Lake (1931–2005) Y Y. Souren Yanni Kumeno Yo Yong Chu Chee 188 | Souren Avansov–Yohannessiantz (1892–) Jean Coumenos (1880–) Alexander Johann August Treichel (1837–1901) David Allan Gee C/A ____________________________________________________________________________________ Corrigenda/Addenda ____________________________________________________________________________________ Corrigenda p. 9, 3rd para. Read „Maassen“ (not „Maasen). The mentioned CD in this paragraph weren’t delivered with the book, because it was not possible to prepared it in time. p. 69 Witkamp catalogues (see illustration text): The Witkamp catalogues appeared in 1864 and 1865 as mentioned on their title pages. p. 75, Manual del Colleccionista …: Read „l’author“ instead of „l’éditeur“ (in the french version) p. 78, 3rd para. Read „Georges Herpin“ instead of George …“ p. 82, Source of pictures Read „Schwalmtal“ instead of „Schwamtal“ p. 87, left picture on top Source: RPSL, photo: Wilhelm van Loo, Aachen p. 97, 1st para. Read „Roschlau“ instead of „Roschau“ p. 99, 2nd para. Read „Cardona“ instead of „Cordona“ p. 115, „1867: SPAIN – REVISTA DE CORREOS“ Please add: „in Madrid“ p. 149, 1st para. Read „Grossmann“ instead of „Grossman“ p. 176, 3rd para. Read „Haas“ instead of „Hass“ p. 197, french text, 3rd line Read „dès 1878“ instead of „…dès 1879“ p. 199, 2nd para. Read „…in four parts in three volumes“ instead of „in four volumes“ p. 200, 1st para., sixth line (french text) Read „à la fin des années“ instead of „…des les années“ p. 236, 3rd para. Read „Charles H. Mekeel“ instead of „Charles C. Mekeel“ p. 246, Pays Bas Read „1869“ instead of „1870“; idem p. 248 p. 281 Read „Campbell“ instead of „Campell“ p. 287, 2nd para. Read „Dorning-Beckton“ instead of „Dorning-Becton“ p. 289, 1st para. Read „1884–1921“ instead of „1884–1914“ p. 293, first line correct is „In Chapter 2.1 and 2.4 …“ instead of „2.1 and 2.3“ p. 310, 3rd para. Read „Hesselle“ instead of „Hesselte“ | 189 ____________________________________________________________________________________ p. 374, footnote 3. Please read instead of the printed text: „Sevilla, 1876, XIII + 32 + 2 s/n pages … 1854/1876“ p. 387, 1st para. Read „W. R. Ricketts“ instead of „W. A. Rickens“ p. 389, photo Read „Tedeschi“ instead of „Tedechi“ p. 451, 1st para. The book consists of 103 pages and the printed texts are pasted on to lighltly marbled paper and then bound together to form a kind of album. p. 468, 1st line, french text Read „Between 1935 and 1950 …“ instead of „En 1950 …“ p. 488, Ferrary Read „1850–1917“ instead of „1848–1917“ (*) p. 500, Senf, Louis and Richard Read „Following Richard Senfs retirement …“ instead of „their retirement“. p. 504, Zschiesche, Alwin Please read „Eduard Köder“ instead of „Edmund Köder“ Addenda p. 61 + 137/138, Edward Augustus Oppen By courtesy of Chris King/Stephen Gardner we have got some more correct information about Edward A. Oppen. He was born about 1838 in Prussia as son of David William Oppen and came with a ship from Hamburg to London, United Kingdom, on 21th of November, 1859. He married on 13th December 1862 Mary Ann Campin (born 15th of December, 1839) in St. Matthew, Friday St. London. Besides his philatelic books/albums he published some other titles, e.g.: Easy German Reading, After a New System: Being Selections of Historical Tales and Anecdotes (1867); Storme, George and Oppen, Edward A. French Reader, for the Use of Colleges and Schools, a Graduated Selection from Modern Authors, in Prose and Verse: And Notes, Chiefly Etymological (1864); Edward A Oppen A description of THE NORTHERN TERRITORY of SOUTH AUSTRALIA. Carefully compiled from Various Explorers’ and Surveyors’ Journals and Charts (1864); Oppen, Edward A. EASY GERMAN READING AFTER A NEW SYSTEM Being Selections of Historical Tales and Anecdotes arranged with Copious Foot Notes (1869); George Storme, re- 190 | vised by Edward A. Oppen: New York: Leypoldt & Holt, 1869. Select Spanish / German / French / Italian Stories for the use of colleges and schools and for self-instruction: A short and easy method for learning the Spanish / German / French / Italian Language (4 vols bound in 1) (International Reading-Books) by OLIVIERI A. / STORME George / OPPEN Edward A. / OLIVIERI A. (1870) German Classics ... Annotated by E. A. O. vol. 1-4 by Edward A. Oppen (1868) Select French Stories with copious notes and a glossary ... Second edition revised and enlarged by J. T. Dann by Edward A. Oppen and Joseph Th Dann (1870) Cassell‘s Sixpenny German Lessons. A new method by Edward A. Oppen (1867) During the French/German war Oppen moved with his family – he had three children – to France, but left his family there. His wife and his children returned to England where they lived with his wife‘s brother, John Richman Campin at Thurlow Lodge, Panmure Road, Sydenham. Oppen was last sighted on the ship „City of Berlin“ departing from Liverpool to New York arriving on 10th of August, 1878. It is not known till today if Oppen emigrated earlier, 1871 or later. His date of death is also unknown yet. In the passengers list from 1878 his age was written with „40 years“. His wife, Mary A. Oppen, died 1923 in the age of 85 years. p. 488, Ferrary Although Ferrary lived most of his live in Paris, he also lived for years (at least 1906–1909 and for longer periods later, e.g. 1911) in Vienna and in his villa at the Attersee. Early 1915 he travelled again for a year to Austria where he wrote his last will on 30th of January. One year later, 1916, he went to Switzerland (he was also a legally Swiss citizen since 1908) and tried to go back from there to Paris. But his entry was rejected by the french customs authorities at the French border. So he stayed in Tessin, mostly in Lugano and Berzona, but died on 20th of 1917 in Lausanne. p. 495, LUFF, John Nicholas, 1860-1938 Associated with the Scott Stamp & Coin Company for many years. The Luff Reference Collection and library remained with the Scott Company and was donated to the Philatelic Foundation in 1946. His library was sold by Sylvester Colby in two sales in 1970. In 2014, David Petruzelli of the the Philatelic Foundation advised me that they had not sold any part of his library as far as he knew. ____________________________________________________________________________________ The two Colby sales included items mostly from the Philatelic Foundation library including parts of Luff’s library, but as usual Sy Colby added stuff from elsewhere including some Turner duplicates. By 1970, Turner was no longer writing Sy’s catalogues. Over the years, Turner did acquire some ex-Luff items, (so did I), but he did not acquire the Luff library in toto. David is partially right - most of the Luff library is still at the Philatelic Foundation, I’ve seen it over the years. However, since the Philatelic Foundation keeps getting more material, they have to get rid of some duplicate stuff every so often. (Adapted from en e-mail from Herb Trenchard, 18th February 2014.) | 191 INDEX ____________________________________________________________________________________ Personen-Index ____________________________________________________________________________________ Das Personen-Register listet alle Namen von Personen, auch Bestandteile von Firmennamen, die im Text der Kapitel 1 bis Kapitel 6 inkl. Anhang 1 der französich-englischen Original-Buchversion vorkommen. Eingeschlossen sind ebenfalls Abbildungen von Personen sowie die Fußnoten. Seitenzahlen mit Abbildungen werden mit einem hochgestellten „p“ (Bild/ picture) bzw. bei Fußnoten deren Seitenangabe durch die hochgestellte Nummer der Fußnote gesondert ausgewiesen. Die Darstellung folgt in alphabetischer Folge mit der jeweiligen Seitenzahl der Fundstelle, wie sie sich in der englischen Übersetzung findet. The Person Index lists the names of all persons and companies which appear in the text of the original French-English book version, Chapters 1 to 6 and Appendix 1.Also included are references to Pictures as well as Footnotes. Page numbers including pictures carry the superscript p. Footnotes have their page numbers given with the footnote number in superscript. The entries in the following Index are in alphabetical order with the corresponding page number(s) as found in the English translation. Abele, Toni: 166, 17, 4714, 4817, 7651, 2211 Ackerman & Co: 121 Ackermann (Ackerman), Rudolph (Rudolf): 120, 1205 Albornos, Victor: 103 Alfred, Duke of Edinburgh: 123p Allis, Gilbert J.: 445 Amrhein, Dr. Manfred: 13p, 189, 2013, 331, 343, 4211, 4714, 4816, 4817, 5631, 5934, 6038, 7045, 197, 2211, 2352, 2442, 287, 2872, 377, 382, 3711, 3722, 41620, 41822, 466 Anderson, Peter John: 162, 18p, 1812, 2013, 2014, 6036, 179, 281, 386, 481p, 481 Anheißer, I. H.: 270 Apfelbaum (company): 1268, 14419 Appleton, D. & Co.: 144, 14418, 145 Argyropoulos, A. G.: 394 192 | Armstrong, C. J.: 20 Arthur, Prince (Duke of Connaught): 122 Ashbrook, Stanley B.: 455 Atlee, W. Dudley: 325, 409 Auf der Heide, J. C.: 469 Bacon, Sir Edward Denny: 13p, 14, 43, 146, 202, 377p, 377, 386, 459p, 459, 476, 481p, 481 Baillieu, Alexandre: 41, 64, 64p, 65, 76 Balasse, Willy: 364, 463 Bangs, Merwin & Co.: 208 Bansner, Phil: 380 Barbarin, J.: 186 Barber, H.: 21, 22 Barrington, Matthew: 118 Barrington, Miss: 118 ____________________________________________________________________________________ Bartels, Julius (John) Murray: 481p, 481 Barth, Johann Ambrosius: 3934 Basden, A. E.: 445 Bauschke, Gustav (alias Gustav Schaubek): 43, 67, 73, 74, 99, 132, 13212, 148, 149, 14924+26, 162, 163, 165, 166, 168 Beal, James (Jim) H.: 4095, 428 Beck, Carl: 387 Beckton, Walter Dorning: 2215, 287, 399, 481p, 481 Beech, David: 13714, 378 Beer, J. W. de: 394 Bellamy, Frank Arthur: 481p, 481 Bellars and Davie: 68 Bellows,Walter Clarke: 450 Benjamin, Edward: 235 Bennett, M.: 144 Berg, George van den (alias of Lowell Ragatz): 418 Berger, Ludwig: 229, 284 Berger-Levrault, François Georges Oscar: 24, 34, 34p, 36, 364, 366, 37, 41, 418, 71, 7246, 73, 73p, 99, 179, 180, 281, 323, 374, 482p, 482 Berger-Levrault, Wwe. und Sohn: 71 Berlin, Eugen: 319 Berlingin, René: 463 Bernichon, Jules: 361 Beyfuss, C.: 62 Billig, F. Fritz: 415, 420, 482p, 482 Birch, Brian: 2483, 385p, 385, 386, 479 Birth, L. G.: 394 Bischoff, Bertha: 295 Bishop, Percy Cooke: 482p, 482 Blanc-Girardet, Lucette: 422 Bloch, Herbert J.: 482p, 482 Blokzeijl, A.: 197 Bochmann, Eugen von: 274, 284 Boel, John G.: 96 Bogert, Durbin & Co.: 204 Bogert, R. R.: 236 Boggs, Winthrop S.: 456 Bohne, Dr. Werner: 420 Boker, John R.: 212, 365, 366, 435, 453, 483p, 483 Bolaffi, Alberto: 465, 466p, 466, 480 Bonasi, Count Cesare Giulio: 102 Booty, Frederick W.: 23, 23p, 46p, 47, 48, 4816, 4817, 49, 92, 483p, 483 Bortfeldt, Dieter: 424 Bosch, José: 202 Bosredon du Pont, Philippe de: 179, 1807, 206, 263, 264p, 281, 374, 3745, 483p, 483 Boyer, Hippolyte: 218 Bradt, S. B.: 180 Brecker, G.: 74 Breitfuss, Friedrich Andreas: 483p, 483 Brendicke, Dr. Hans: 234, 284, 285 Brendon, William: 80 Breunig, Norbert: 5222, 14723, 14924 Bright & Son: 197 Brookman, Lester G.: 455, 456 Brown, Walter Lee: 206 Brown, William Mount: 49, 50, 50p, 51, 5120, 52, 5221, 59, 60, 61, 93, 484p, 484 Brown, William P.: 87, 90, 96, 209, 287, 483p, 483 Bruck, Alphonse (Alfons): 202 Brühl, Prof. Dr. Carlrichard: 13p, 14, 364, 4210, 4714, 5222, 5427, 6038, 61, 65, 6540, 68, 6844, 7247+48, 7854, 8157, 135, 13715, 14924–27, 202, 2024, 3767, 409, 480 Brun, Jean-François: 421 Brunel, George: 231 Buhl & Co.: 210p, 360 Bull, Thomas: 210, 360 Bull, Walter: 210 Bungerz, Alexander: 165, 17, 388 Burnett, Maitland: 287 Burrus, Maurice: 212, 362, 364, 484p, 484 Bynof-Smith: H.: 420 Calder, Senator J. A.: 394 Calman brothers: 87, 100, 204, 291 Calman, Gustav Bernhard: 484p, 484 Calman, Henry: 237 Calvary & Co.: 13714, 146 Camden Hotten, John: 68 Campbell, George: 264, 265, 281 Cardona, Carl von: 99, 168, 332 Carles, Carlos: 202 Caspary, Alfred Henry: 212, 365, 453, 484p, 484 Cassell, Peter & Galvin: 110 Castle, Marcellus Purnell: 287, 288, 484p, 484 Cayuela, Francisco: 150 Champion, Adrien: 485 Champion, Théodore: 485p, 485 Chapalay, J. Fils et Cie.: 7651, 76/77, 80, 170 Chapman, Samuel: 452 Charton, Edouard: 110 Chas. Nissen & Co. Ltd.: 459 Chase, Dr. Caroll: 456p, 455, 485p, 485 Chittenden, J. Brace: 451 Chuchin, Fedor G.: 474 Clark, Hugh M.: 454 Claudius, Matthias: 136 Clausius, M.: 357 | 193 ____________________________________________________________________________________ Cock, André de: 463 Colby, Sylvester: 380 Collin, Henry: 237 Collins, R. J. G.: 477 Constantinidès, Tryphon: 474 Cooper, Sir Daniel: 51, 281 Corbisier de Méaultsart, E.: 463 Corinphila (auction company): 276 Coster, Ch. H.: 262, 281 Craig, E. A.: 98 Crawford, Earl of (incl. Crawford-library/-catalogue): 14, 41, 4212, 43, 53, 5630, 76, 7652, 80, 81, 8156+58, 103, 161, 204, 2211, 2441, 377, 378, 379, 380, 383, 386, 485p, 485 Creber, Theophilus & Co.: 77, 90 Creeke, Anthony B.: 459 Creswell, S. F.: 20 Crocker, Henry J.: 456, 457p Cuno, T. F.: 180 Curle, J. H.: 445 Dadkhah, Dr. Mohammed: 440 Dale, Louise Boyd: 364, 453, 486p, 486 Dalston, Thomas: 4063, 407 Dandoy, F.: 463 Dannenfelser: 42, 42p, 43, 140, 141, 143, 197 Dauth, H. J.: 204 Davenport, John M.: 19 Davies, Henry D.: 19 Dawson, L. E.: 440 De Frank, P. F.: 473 Deats, Hiram Edmund: 236, 387, 486p, 486 Delapierre, R.: 463 Devoitine, E.: 463 DeVoss, James T.: 428 Dexter, George: 64 Deyhle, Robert: 221 Diena, Charles (Carlo): 264, 281 Diena, Dr. Emilio (incl. Diena-Library): 41, 418, 73, 7652, 8157+58, 103, 232, 233p, 233, 234, 284, 289, 387, 465, 466, 486p, 486 Diena, Raffaele: 161 Dietz, August: 454p, 454 Djurling, H.: 274, 387 Doble, E.: 404, 4063 Doé, Mr.: 463 Du Four, J.: 463 Durbin, L. W. & Co.: 204 Duro, Antonio Fernandes: 200 Dürr’sche Buchhandlung (bookshop): 52, 54, 55, 135, 136 194 | Earée, R. B.: 99, 409p, 409, 412, 413, 487p, 487 Ebner, E.: 83 Edelmann, A.: 53 Edward VII, King: 123p, 122 Eims, W.: 146 Elb, Ferdinand: 77, 78 Elb, J. W.: 208 Elizabeth II, Queen: 119 Elster, Johannes: 394 Escalada, Eduardo: 7449, 7649, 201 Eugster (geb./née Züst), Anna Theodora: 300 Eugster, Ernold: 298 Eugster, Jacob: 293p, 2944, 297, 298 Eugster, Otto: 2944 Eugster-Tobler, Elisabeth: 297p Eugster-Züst, Arthur: 2944, 298, 299p Eugster-Züst, Howard: 2944, 298, 299p, 300 Evans, Edward Benjamin: 197, 203, 232, 281, 287, 288, 387, 465, 487p, 487 Ewen, Herbert L’Estrange: 487p, 487 Faber, Wilhelm Heinrich: 101, 160, 162, 176 Fabergé, Agathon: 473 Fathers, H. T. M.: 477 Fayolle, Marquis Guy de: 453p, 453 Feldman, David: 367 Felzmann, Ulrich: 380 Fenton, Adelaide Lucy: 99, 301, 302, 480, 487 Ferrari, Count Philipp Arnold la Rénotière von: 62, 212, 281, 340, 362, 363, 364, 488p, 488 Figueroa y de la Serna, Mariano Pardo de (alias Dr. Thebussem): 199, 2651, 374 Finley, William: 8159 Fontaine, Abel: 488p, 488 Forbin, Alfred: 489p, 489 Fouré, Georges: 410, 415, 424, 489p, 489 Fournier, François: 415, 425, 489p, 489 Fraenkel, Heinrich: 284, 378p, 378, 490p, 490 Franchi, Ullise: 74 Franz Joseph, Kaiser: 471 Freeman, Willard K.: 145 Friederich, R.: 200 Friedl, Rudolf: 466 Friedl, Sigmund (Sigismund): 103, 170, 183p, 183, 184, 207, 239, 340, 378p, 378, 490p, 490 Friedmann, S. F.: 168, 247 Friedrich, Rudolf: 234 Fulcher, L. W.: 2873, 387 Gabriel, H.: 361 Gálvez Jimenez, Miguel: 150, 200 Ganz, Cheryl: 6035, 8664, 66 ____________________________________________________________________________________ Garratt-Adams & Co.: 440 Gärtner, Christoph: 368 Gelli & Tani: 185 Georg, Wilhelm: 47, 76 George V, King: 461 George VI, King: 461 George, Consul General C.: 394 Gerber, Carl: 345 Gibbons, Edward Stanley (and Co.): 32, 80, 80p, 81, 146, 193p, 193, 194, 232, 236, 302, 312, 313, 315, 319, 320, 347, 378, 398, 413, 440, 465, 474, 491p, 491 Gilbert, Gérard: 210, 212, 361, 362, 363 Glasewald, Arthur Ernst: 53, 192, 229, 306, 491 Glasewald, Ruprecht: 53 Gloyn, C. & H.: 81, 90 Godden, Frank (incl. Frank Godden Ltd.): 398, 399, 490p, 490 Goez, Hermann: 83 Grant, R.: 279 Gray, Dr. John Edward: 14p, 15, 16, 22, 2217, 23, 53, 57, 58p, 59, 5933, 83, 85, 93, 115, 294, 371p, 372, 491p, 491 Green W. Lawrence: 387 Griebert, Hugo: 200, 394, 467p, 467, 491p, 491 Grimmwood-Taylor, James: 295 Grobe, Hans: 364 Grosfils-Berger, P.: 469 Grossmann, E. W.: 149 Gualandi, Mrs.: 426 Guezala, A.: 467 Guinness, Alec: 432 Gutmensch, J.: 203 Haas, Theodor: 188, 13110, 13714, 1741, 176, 191, 283, 340, 491p, 491 Hahn, Dr. Andreas: 355 Hall & Co.: 70 Hamberg, Erik: 381 Hanciau, Louis: 19, 34, 64, 93, 230, 263, 280, 281, 404, 461, 463, 492p, 492 Hardwicke, R.: 57 Harison, G.: 284 Harmer & Co.: 214p, 426, 446 Harmer, H. R.: 364, 365 Harmer, Rooke & Co.: 210 Harnisch, Hans: 397 Harris, Albert Henry: 492p, 492 Harrison, Miss: 16, 294 Hartmann, H.: 284 Hartmann, Leonard: 3828, 41823, 425 Hasselt, M. J. van: 141 Haworth, Wilfrid R.: 443 Heim, Eduard: 207 Heitmann, Ernst: 192, 270, 274, 410 Henderson, G.: 180 Hennig, Karl: 397 Henrioud, Marc: 471 Heringa, S. Gille: 2216, 113 Herlant, L.: 463 Herpin, Georges: 34, 78, 174, 492p, 492 Herrick, William: 239, 473 Herrmann, F.: 387 Herrmann, Waldemar: 189 Hertsch, A.: 471 Herz, Dr. Johannes: 217 Hesselle, Joseph de: 310 Higlett, George Allan: 492p, 492 Hill, Sir Rowland: 16, 20, 118, 216, 294, 408 Hill, W. H. & Co.: 144, 145 Hind, Arthur: 212, 362, 363, 364, 453 Hitt, Henry C.: 394 Holland, Alexander: 237 Holm, Ch.: 394 Holyoake, Alan: 14p, 384p Homersham, John R.: 1810 Hoog, H. de: 141, 143 Howes, Clifton A.: 457 Huart, A. E. J.: 197, 203, 289 Hull, Arthur Francis Basset: 267, 475, 476 Hunter, F. C.: 361 Hussey, Geo.: 87 Hüther, Dr. phil. h.c. Ernst: 397 Huys, Dr. Jan (incl. Huys-Berlingin): 380 Ibn Ali, Emir Hussein (Husein): 443 Ichida, Dr. Soichi: 439 Image, W. E.: 281 Jann, Oscar: 66, 67 Joannis, H. A de: 281 Johnson & Rowe: 138 Johnson, H. F.: 443 Jones, B. Gordon: 442 Jones, C. K. & Co.: 77, 90 Jones, F. G.: 94 Joseph I, Kaiser: 207 Jurgens, A. A.: 445, 447 Kalckhoff, Dr. Franz Andreas Anton: 270, 284, 397, 492p, 492 Kamehameha II. (King): 456 Kanai, Hiroyuki: 367 Kane, Carl: 428 Kaufmann, Urs Peter: 364 Kerssemakers, J.: 394 | 195 ____________________________________________________________________________________ Kimble, Ralph Archibald: 2442, 493p, 493 King, Chris: 384p, 480 King, Frederick Henry (alias of Charles M. Seltz): 87 King-Farlow, Roland: 3869, 471 Kirchhofer, Hans (alias Ed. von Leman): 221, 290 Kirchhoff, G.: 336 Kline, A. C. (alias of John William Kline): 59, 60, 60p, 493p, 493 Kloetzel, James E.: 1183, Kloss, Dr. Paul: 226, 227, 229, 285, 493p, 493 Knapen, R. G. (alias of Raoul Charles de Thuin Knapen): 427 Knapen, Raoul Charles de Thuin: 432 Koch, Gustav: 347, 361, 420 Koch, Heinrich: 170 Koerber, Roger: 380, 435 Kohl, Horst: 392 Kohl, Kurt: 392 Kohl, Paul: 192, 306, 320, 381, 391p, 391, 392, 402, 493p, 493 Köhler, Heinrich (incl. auction company): 133, 210, 212, 276, 361, 3636,7, 3648,9,12, 365, 380, 397, 399, 493p, 493 Koprowski, Samuel: 238, 473 Kosack, Philipp: 210 Krasemann, R.: 274 Kratter, William: 16, 294 Krause, Richard: 410 Kropf, Hans Erdmann Anton: 220, 221p, 471, 472p, 493p, 493 Krötzsch, Hugo: 5, 271, 273, 274, 284, 285, 306, 308p, 387, 389, 494p, 494 Kümmel (geb./née Helfer), Theodora Rosalie Luise: 132 Kümmel, Julius: 67, 99, 132, 13212, 148, 149, 162 Kumpf-Mikuli, Baron A. F.: 5428, 55 Lacroix, Eugène: 37, 39, 42, 45 Lagerloef, Hans: 381 Lallier, Justin: 126p, 127, 129, 14418, 145, 372, 494p, 494 Laplante, E. Edard de (alias Adard de Laplante): 37, 38, 42, 45, 45p, 47, 1319, 494p, 494 Larisch, Anselm: 192, 374 Lascelles, Angela: 119 Lascelles, Gerald: 119 Lauber, August: 83 Lawley, F.: 98 Lawrence, Ken: 1181 Leavitt, William (incl. Geo A. Leavitt & Co, Leavitt, Strebeight & Co.): 209, 357, 360 Leclercq & Waroquiers: 381 196 | Lee, Emanuel Joseph: 448/449 Legrand, Dr. Jacques Amable (alias Dr. Magnus): 24, 24p, 34, 78, 97, 99, 1247, 1742, 226, 238, 263, 281, 302, 347, 355, 494p, 494 Leitenberger, Friedrich: 396, 3965 Lemaire, Théodore: 186, 361 Leman, Ed. von (alias Hans Kirchhofer): 221 Lenègre, A.: 127 Leoni, Guiseppe: 374 Leroy, Louis: 230 Lesley, M. James: 236 Levy, Calmann: 220 Lewes, Thornton: 406, 4063, Lichtenstein, Alfred F.: 364, 394, 397, 399, 450p, 450, 453, 494p, 494 Lietzow, Paul: 284, 300, 409, 411p Lilly, Josiah K.: 365, 453 Lincoln, W. P. and Sons: 77 Lincoln, William Simpson: 77, 495p, 495 Lind, W.: 394 Lindberg, Dr. H.: 394 Lindenberg, Carl: 66, 269p, 269, 270, 284, 389, 3933, 396, 397, 399, 410, 412, 495p, 495 Literarisches Museum (Literary Museum <bookshop>): 65, 73, 13212 Lizama, Prof. Hormer: 426 Lopez Fabra, Francisquo: 115 Lopez, Leopoldo: 150, 200 Louis, Karl: 1184, 119 Lowe, Robson: 357, 364, 418, 422 Lücke, C. F.: 149, 310 Luder/Edelmann: 363 Ludwig, Friedrich: 53 Luff, John Nicholas: 291, 387, 453, 454p, 454, 495p, 495 Lutz, Gottfried: 298 Maassen (Maaßen), Wolfgang: 189, 418, 5426, 1881, 31211, 355, 3767, 381, 385p, 3911, 39820, 480 Mackey, James: 162, Magnus, Dr. (alias of Dr. Jacques Amable Legrand): 37, 263, 281 Mahé, Pierre: 39, 62, 62p, 63, 6339, 78, 7855, 97, 127, 167, 206, 495p, 495 Maier, M. Kurt: 397 Mancin, Auguste: 165, 17, 294 Mann (jr.), Christian: 32, 73, 74 Marconet, F.: 231 Marcou, Jules: 495 Martin, D. R.: 440 Martins, Faustino Antonio: 150, 201 Mason & Co.: 209, 357 ____________________________________________________________________________________ Masson, Sir David P.: 442 Maury, Arthur: 62, 78, 7854, 79p, 97, 167, 186, 187, 192, 208, 232, 280, 281, 463, 495p, 495 Meinertzhagen, L.: 394, 398 Mekeel, Charles Haviland: 14418, 180, 197, 205, 236, 291, 302, 496p, 496 Melville, Fred(erick) John: 366, 4815, 4817, 5221, 5933, 380, 387, 496p, 496 Metz, Reinhard: 424 Meyer, Ferdinand Thaddeus: 225p, 226, 238, 239, 264 Michel, Hugo (incl. MICHEL catalogue): 192, 312, 313, 316, 317, 320, 381 Mirabaud, Paul: 222, 225, 281, 361, 451, 471, 496p, 496 Moens, Jean-Baptiste Philippe Constant: 19p, 24, 28p, 33, 34, 41, 418, 42, 43, 48, 50, 64, 69, 70, 89, 93, 129, 138, 160, 179, 185p, 185, 186, 192, 200, 220, 230, 232, 236, 250, 257, 261, 263, 265, 280, 283, 336, 337, 347, 3745,381, 389, 404, 405, 406, 4063, 407, 412, 461, 497p, 497 Moens, Jeanne: 337 Moens, Louis: 337 Moersig, A.: 334 Moore, Edward & Co.: 92 Moschkau, (Dr.) Alfred: 5429, 5630, 101, 13110, 13211, 148, 149, 14924,25, 163, 165, 168, 170, 176, 187, 188, 1881, 192, 226, 227p, 227, 283, 285, 373, 378p, 378, 381, 411, 497p, 497 Müller, Christian Otto: 151, 382p, 382 Müller, Edwin: 471 Müller, W.: 412, 41213 Munk, Dr. Herbert: 274, 275p, 370, 393p, 393–402, 3945, 3966,8, 40122, 497p, 497 Näbe, Alfred: 287 Nankivell, E. J.: 287 Napier, Francis John Hamilton Scott: 284 Napier, George S. F.: 387, 447, 449 Napoleon, Prince Jerome: 47 Nicholas, Mme E.: 6038, 78 Nicolaïdès, N.-S.: 474 Nieske, Alwin: 179 Nissen, Charles: 387, 459p, 460 Obojski, Robert: 14421 Ohrt, Paul: 273, 284, 412, 413p, 420 Oneglia, : 425 Oppen, Edward A.: 61, 137, 13816, 194 Osborne, Dr. H.: 460 Pack, Charles Lathrop: 475p, 475 Panelli, Angelo: 426 Pardo de Figueroa y de la Serna, Mariano (alias Dr. Thebussem): 199, 2651, 374 Parthen, Volker: 366 Passer, Adolf: 394, 397, 442 Passmore, Mr.: 51 Pemberton, Edward Loines: 21, 21p, 87, 92, 99, 178p, 193, 259p, 259, 279, 406, 4063, 407, 408p, 408, 409, 412 Pemberton, Percival Loines: 497p, 497 Peplow, Frank Jukes: 2873, 387, 435, 437p, 437, 450, 497p, 497 Perkins, Bacon & Co.: 459, 460 Peterson, A.: 394 Peterson, Charles: 388 Petritz, Ernst: 189, 229, 285 Pfenninger, Otto: 222 Philbrick, Frederick Adolphus: 37, 51, 235, 266, 267p, 281, 498p, 498 Phillips, Charles James: 162, 1742, 194p, 194, 377p, 378, 387, 452, 498p, 498 Phillips, Stanley: 398 Picard, Maurice: 471 Piet-Lataudrie, M.: 498 Pirl, Dr. Paul: 399 Polanski, Wladimir von: 473 Poncelet, R.: 463 Pont, Dr. José Marco del: 202, 281, 387, 498p, 498 Potiquet, Alfred: 37, 37p, 38, 41, 418, 42, 45, 48, 50, 498p, 498 Price, Raymond: 379 Priebatsch, Leopold: 66 Purves, J. R. W.: 478 Raassen, Hector: 463 Rachmanow, Wladimir von: 473 Rademacher, F. W.: 166 Ragatz, Prof. Lowell (alias George van den Berg): 4062, 4095, 41621, 417, 42124 Ramirez, Narciso: 76 Regnard, Ernest: 78, 1319, 174 Reichel, Wilhelm: 333 Reinheimer, Adolf: 230 Renault, Baron: 463 Reschert, Joseph: 236 Reus, A. Tort: 468 Reuterskiöld (Reuterskijöld), Baron Axel de: 221, 222, 282, 387, 451, 471, 499p, 499 Rich, Joseph Salomon: 499 Ricketts, William Reynolds: 387, 499p, 499 Riedl, Peter: 287 Riesen, Eduard: 103, 171 Rinsum, C. van: 100, 141, 142, 197 Rix, Dr.: 51 | 197 ____________________________________________________________________________________ Robert, J. B.: 289 Robert, Victor: 186 Robineau: 364 Röhm, Norbert: 5223+24, 53, 5427, 5932, 135, 13213 Rommel, Otto: 229, 273, 410p, 410, 4106, 411 Rondot, Natalis: 22p, 107p, 106–113, 300, 499p, 499 Roschlau, Ernst: 97 Rosenkranz, A.: 273 Rothschild, Baron Arthur de: 1742, 219, 282, 499p, 499 Roussin, Charles: 167, 186 Rudolphi, Hans von: 399, 402 Ruhl, Moritz (and company): 13110, Ruiz de Arcaute, Ramón: 467 Saadi, Wade: 384p Sargent, H. Lionel: 443 Sauerland, Christian: 335, 336 Saulcy, L. de: 174 Schaubek, Gustav (alias of Gustav Bauschke incl. albums): 148, 188, 1881, 302, 304, 305, 309, 31010, 312, 500 Scheerlinck, M.: 463 Schier, Oswald: 7650 Schlechtriem, Dr. Wilhelm: 39611, 397 Schloss, J. H.: 230 Schloss, M.: 13110 Schmidt, Carl: 473, 474 Schmidt-Anderson, J.: 469 Schmittdiel, S.: 388 Schoeller, A.: 264, 265 Schouberechts, Vincent: 332, 418 Schröder, Oswald: 422 Schroeder, Dr. Arthur: 416, 417 Schubert, G. W.: 85, 86 Schubert, Hanns: 86 Schubert, Rudolf: 86 Schüller, Friedrich: 207 Schulze, Adolphe: 221 Schulze, G. E.: 135 Schwaneberger, Hugo: 285, 302, 312, 381, 411 Schwaneberger, Verlag des Schwaneberger Albums: 319 Schwanke, Hans-Joachim (incl. auction company): 3561, 3605, 3637, 3648–11, 380 Scott Stamp & Coin Company: 88, 412 Scott, J. W. & Co. (incl. albums/catalogues): 86, 177, 237, 301, 302, 312, 313, 360, 361 Scott, John Walter: 32, 86, 87, 96, 100, 14418, 145, 146, 172, 177p, 177, 204, 205p, 206, 209, 210, 291, 357, 358, 360, 500p, 500 Scott, Walter S.: 363 Séfi, Alexander J.: 421 198 | Seltz, Charles M. (alias Frederick Henry King): 8667, 87 Senf, Emil Louis Richard: 149, 188, 189, 190, 191, 500p, 500 Senf, Gebr. (Brothers): 149, 166, 184, 1881, 190, 191, 192, 283, 288, 310, 313, 315, 319, 381 Senf, Louis Wilhelm August: 13110, 132, 133, 13714, 149, 166, 188, 189, 226, 229, 283, 310, 500p, 500 Serrane, Fernand: 415, 41518, Sever & Francis: 64 Seybold, John F.: 500p, 500 Seymour, J. B.: 394 Siegel, Robert A.: 365, 467 Siegel, Rudolf: 393–396 Sinex, T.: 60 Smeth, Paul de: 453p, 453 Smith, Alfred & Co.: 59, 83, 93 Smith, Alfred William: 85, 194, 500p, 500 Smith, Bertram Tapscott Knight: 162, 1812, 2013, 2014, 387, 4713, 6036, 387, 501p, 501 Smith, Henry Stafford: 85, 8665, 93, 309, 501p, 501 Smith, Stafford & Co.: 70, 83, 99 Smythies, E. A.: 164, 2942, 440 Sobrino, Luis: 202 Soeteman, Corneille: 380 Sotheby, Wilkinson & Hodge: 210, 357 Sotheby’s (auction comp.): 210, 357 Sperati, Jean de: 415, 422, 423p, 425 Spiro, Gebr. (Brothers): 13714, 161, 1743, 408 Springer, Renate: 2086 Stainforth, Francis J.: 50, 51 Steigerwald Company: 210 Steinau, Jones & Co.: 77 Steinway, Theodore Edward: 53 Stenger, Prof. Dr. Erich: 39820, 399 Stevenson, D. Alan: 446 Steward, George: 98 Stiedl, Otto E.: 415, 420 Stock, Ernst: 397 Stolpe, E.: 4818,19 Storch, Adolf Fr.: 83, 218 Stourton, John M.: 407, 408 Strandell, Nils Vilhelm: 387, 501p, 501 Strowski, Mr.: 463 Strygin, Dr. Andrey: 15228 Suppantschitsch, Victor: 13p, 14, 331, 53, 5427, 72, 7246, 78, 8360, 135, 168, 287, 300, 374, 376, 377, 380, 386, 387, 501p, 501 Tapling, Thomas: 282 Taylor, George Overy: 59, 93, 193, 501 Taylor, Samuel Allan: 87, 96, 145, 209, 501p, 501 ____________________________________________________________________________________ Tedeschi, Guilio: 389p, 389 Tellier, Théodule: 187, 502p, 502 Teltz, Otto: 269, 410 Thebussem, Dr. (alias of Mariano Pardo de Figueroa y de la Serna): 197, 199, 200p, 234, 2651, 3743, 502p, 502 Thiele, H. A. & Comp.: 80, 333 Thieme, C. G.: 334 Thirifocq, E.: 83 Thiry-Van Buggenhout, H.: 63 Thuin Knapen, Raoul Charles de (alias R. G. Knapen): 423, 425p, 425–432, 432p, Tiffany, John Kerr: 4212, 80, 179, 180p, 180, 199, 236, 263, 282, 372, 373, 374, 378, 502p, 502 Tobler, (geb./née Eugster), Anna Elisabeth (Elise): 293p, 2944, 295, 296, 297 Tobler-Züst, Joh. Conrad: 295 Ton, Max: 376 Toppan, George Lunt: 236 Torres, Placido Ramón de: 102, 150 Tramburg’s Erben: 56, 66 Treacher, H. & C.: 47, 48 Trenchard, Herbert (incl. Trenchard-library): 8666,67, 2085 Trifet, Ferdinand Marie: 88, 502p, 502 Tröndle, Ludwig: 3945 Trübner & Co.: 408 Turner, George T.: 364, 14422, 145, 2442, 380, 434 Tyler, Varro E.: 418, 422 Usigli, E. C.: 418 Valette, François: 45, 502 Vallancey, Francis Hugh: 503p, 503 Vellekoop, Jan: 2216, 4211, 14017, 1982 Vellinga, O. M.: 468 Ventom, Bull & Cooper: 210 Verges de Cardona, J. M.: 76 Vieira, C. Ottoni: 202 Vinck de Winnezeele, Baron de: 464p, 465 Viner, Dr. Charles W.: 51, 6038, 61, 70, 7045, 93, 99, 138, 175p, 175, 176, 503p, 503 Vité, François: 146 Vittinghoff-Schell, Freiherr von: 270 Vogel, Carl Gustav: 336 Vogel, Hugo: 271 Vries, Moritz de: 210 Wada, K.: 425, 435 Walker, L. H. J.: 263 Walske, Carl: 422, 428 Walton, Frank: 14p, 384p Wartig, Eduard: 148 Wears, Thomas Martin: 236, 503p, 503 Weinberger, Consul Alfred: 397 Werner, Dr. Ing. A.: 397 Werninck, Heinrich & Co.: 188, 283 Westoby, William Amos Scarborough: 99, 235, 266p, 266, 282, 287, 503p, 503 Weston, Herbert Edgar: 387, 503p, 503 Whilden jr., W. G.: 180 White, Robert: 2217 Whitear, Anne: 295 Whitear, Fanny: 295 Whymper, Henry: 61, 13816 Wildt, Arthur: 163 Wilferodt, Max: 147 Williams, L. N. and M.: 188, 2218, 365, 387 Wilson, Sir John: 1236, 460, 461 Wilson, William T.: 452 Winckler, Jean J.: 471 Witkamp, Pieter H.: 69, 69p, 197 Witte, E. de: 463 Wonner, Dr. W.: 264 Woodward, A. M. Tracy: 437,438p, 438 Worms, Baron Percy de: 387 Wright, Hastings Elwin: 268, 459 Wright, W. H.: 61 Wuttig, Gustav: 43, 65, 67, 73, 131, 13110, 132, 13211 Yardley, R. B.: 387, 468p, 468, 478 Young & Stockall: 81 Ysasi, Vicoriano G. de: 199, 282 Yvert & Tellier: 465 Yvert, Louis (and company): 187, 302, 312, 313, 464p, 503p, 503 Zechmeyer, Georg: 226 Zschiesche & Köder: 28, 32, 54, 5429, 55, 56, 5630, 57, 66, 89, 94, 99 Zschiesche, Alwin: 29p, 7, 89, 136, 163, 302, 504p, 504 Zschiesche, Carl: 55, 57, 89 Zschiesche, Reinherz: 89 Zumstein, Ernst (incl. Zumstein & Cie.): 470p, 471, 504p, 504 Züst, Catherine: 296 | 199 ____________________________________________________________________________________ 200 | ISBN 978-3-932198-23-6