Sweers: Die Welt hinter dem Balkan

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Sweers: Die Welt hinter dem Balkan
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standen sind. Lokale, deutsch-serbische oder
deutsch-bosnische Musikszenen sind mit der
Mutterregion noch immer in engem Austausch,
serbische oder bosnische Musiker aus Deutschland genießen auch in Ex-Jugoslawien hohes
Ansehen. Zugleich wurde die Musik zum Mutterboden einer neuen deutschen Club-Szene.
Unterricht: Ein kleiner Einblick in große Vielfalt
Die Arbeitsblätter haben bewusst einen breiten
Ansatz gewählt. Ziel ist es, einen exemplarischen
Einblick in die musikalische und kulturelle Vielfalt
dieser Region zu vermitteln, die sich hinter dem
Begriff „Ex-Jugoslawien“ oder „Balkan“ verbirgt.
Ein Atlas als Hilfsmittel ist daher sehr wichtig.
Das Kočani Orkestar
(Foto: Bertrand)
Die Welt
hinter dem
Balkan-Brass
Die Musik des ehemaligen Jugoslawien
britta sweers
Wer war nicht schon einmal „beim Jugoslawen“ um die Ecke essen? Die meisten dieser „Jugoslawen“ kamen ab 1968 als „Gastarbeiter“ in
die Bundesrepublik. Aber auch die Deutschen zog
es in das damalige Jugoslawien: Die Adriaküste
von Istrien bis Dalmatien galt als eine der beliebtesten Urlaubsregionen – und die Karstlandschaft
prägte eine ganze Jugendgeneration, die mit KarlMay-Filmen aufgewachsen war. Die kulturelle Vielfalt der Region blieb trotzdem lange unbekannt.
hintergrund
Die Bezeichnung Jugoslawien (wörtlich übersetzt:
„Südslawien“) war eigentlich eine politische
Klammer für ein hochgradig komplexes Vielvölkergemisch. Dessen Gegensätze entluden sich
dann – weiter verschärft durch die Wirtschaftsprobleme nach Auflösung des „Ostblocks“ und
dem Ende des Kalten Krieges – tragisch in den
Jugoslawienkriegen (oder dem Balkankrieg) der
1990er-Jahre. Dies führte zu einer weiteren Migrationsbewegung, dieses Mal aber von oftmals
traumatisierten Bürgerkriegs-Flüchtlingen.*
Volksmusik
Der Krieg hatte auch verheerende Auswirkungen
für viele regionale Traditionen, die hier bis zum
Ausbruch des Balkankriegs in für Europa ungewöhnlich großer Vielfalt noch anzutreffen waren.
In Serbien bezeichnet der Begriff „Naroda muzika“ (Volksmusik) noch immer eine Vielfalt sehr
unterschiedlicher Formen: von ländlichen Traditionen bis zu moderner Schlagermusik. Ihre Einbindung in massenmediale Kontexte wird vor allem beim Eurovision Song Contest deutlich.
Komplexes Beziehungsgeflecht
Gerade das Beispiel Musik verdeutlicht die vielschichtigen – teilweise kaum erforschten – Beziehungsgeflechte, die durch die Migration ent-
klanglicher einstieg:
balkan brass
Ausgangspunkt für den Unterricht ist dabei der
Sound des Balkan-Brass. In der Vergangenheit
haben viele Brass-Bands aus Südosteuropa die
Weltmusikszene erobert – so auch das Orchester
des serbischen Trompeters Boban Marković. Deren
atemberaubende Virtuosität, aber auch sangliche
Emotionalität lassen nicht vermuten, dass sie
ihre Wurzeln tatsächlich in den starren Märschen
der Militärbands des 19. Jahrhunderts haben.
Mit dem lauten Ausruf von „Maruška“ des Einstiegsbeispiels von Boban I Marko Marković Orkestar (HB 8) sollte die Aufmerksamkeit von der
ersten Sekunde an ohne viel weiteres Zutun garantiert sein. Die SchülerInnen sollen zunächst
ihre Eindrücke schildern – wie wirkt das Stück
auf sie? Wild, virtuos? Woher könnte es stammen? Warum? Welche Instrumente hören sie
heraus? Hätte jemand gedacht, dass die Trompete das Instrument Serbiens ist?
Rekapitulation als weiterer Ausgangspunkt
Aufgrund der engen Verbindung mit Deutschland
ist es lohnenswert, einmal zu rekapitulieren, was
die SchülerInnen eigentlich mit Begriffen wie
„Balkan“, „Jugoslawien“, „Serbien“ oder „Bosnien-Herzegowina“ verbinden. Welche Länder
kennen sie – und wo liegen sie geografisch?
Welche Vorstellungen verbinden sie mit diesen
Ländern? Kennen sie Musik aus diesen Ländern?
Mögliche Konfliktpunkte
Diese Bestandsaufnahme ist auch deshalb notwendig, weil es in der Klasse SchülerInnen mit
Wurzeln in diesen Ländern geben könnte. Hier
besteht die Gefahr einer Stigmatisierung. Diese
SchülerInnen sollten deshalb nicht dazu ge-
70 WISSEN
cd-empfehlungen
Fanfares en Délire: Goldan Brass Summit (Network Medien 39.541): Doppel-CD
mit Aufnahmen des Guča-Festivals (Serbien), einem der größten Brass-Festivals
der Welt. (bei Zweitausendundeins)
Balkanbeats: A Night in Berlin (Piranha
Records 2009) und Balkangrooves (Eastblok 2010): Zwei der besten Zusammenstellungen mit Balkan-Beat Club Musik
der letzten Jahre.
The Rough Guide to the Balkans (World
Music Network 2003): sehr schöner, moderner Sampler.
dvd-empfehlung
Emir Kustorica: Die Zeit der Zigeuner
(1989). Der Film handelt von Perhan, einem
jungen Roma mit telekinetischer Begabung
– und führt von einem kleinen Dorf im
damaligen Jugoslawien in die Unterwelt
Mailands.
5 6 7 8 9 10 11 12 13
Arbeitsblätter
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▲
▲ ▲
Länder und ihre typische Volksmusik – S. 71
Von Slowenien bis Mazedonien –
S. 72-73
Ungewöhnliche Tonarten – S. 74
Balkan Brass – S. 74
Hörbeispiele – CD
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▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲ ▲
HB 8: Serbien: Boban I Marko Marković Orkestar: Maruška
HB 9: Slowenien: Stara viza (trad.)
HB 10: Bosnien: Vila viče
HB 11: Kroatien: Sadila Sem Rogožek
HB 12: Mazedonien: Kolo
HB 13: Montenegro: Berber bashku
HB 14: Zigeuner-Moll (auf a)
HB 15: Zigeuner-Dur (auf a)
Dateien – DVD
▲
Von Slowenien bis Mazedonien –
Lösung
musikpaedagogik-online.de
Kostenloser Download für AbonnentInnen
▲ ▲
Beitrag als PDF-Datei
Link-Bibliothek
zwungen werden, Traditionen (ihrer Eltern) vorzustellen, die ihnen peinlich sein könnten bzw.
zu denen sie eventuell auch keine Verbindung
mehr haben. Es sollte ihnen aber (ohne Zwang)
zumindest die Möglichkeit angeboten werden,
etwas von ihrer Herkunftskultur vorzustellen –
in manchen Fällen kommen so durchaus Familienrecherchen zustande.
Ein anderes Problem könnte auftreten, wenn
SchülerInnen mit unterschiedlichem kulturellem
Hintergrund in einer Klasse sind. Sie erleben unter Umständen die Bevorzugung einer bestimmten Kultur (da viele Musiker aus Roma-Familien
stammen, hebt sich das etwas auf). Um das
Konfliktpotenzial gering zu halten, wurde eine
Diskussion des Balkankriegs vermieden. Hierzu
bietet sich eine Zusammenarbeit mit dem Geschichtslehrer an.
In beiden Fällen wird empfohlen, mit der
Recherche zu Rock- und Popmusik im Internet
oder dem Eurovision Song Contest zu arbeiten.
Gerade dieses Segment kann bei den SchülerInnen dazu beitragen, die Kulturen bzw. auch ihre
MitschülerInnen mit Migrationshintergrund vielschichtiger wahrzunehmen.
lokale musiktraditionen
kennen lernen
Die SchülerInnen können dann die Arbeitsblätter
mit den Basisinformationen (Arbeitsblatt: „Von
Slowenien bis Mazedonien: die Länder des ehemaligen Jugoslawien“) bearbeiten und das Rätsel
lösen.
Insbesondere bei höheren Klassenstufen kann
die Arbeit mit dem Arbeitsblatt „Länder und ihre
typische Volksmusik“ fortgesetzt werden. Die
SchülerInnen sollen hier die Klangbeispiele
(HB 8-12) und die Beschreibungen den Regionen
in Steckbrief-Form zuordnen:
Das bereits verwendete Hörbeispiel 8 mit dem
Orchester von Boban Marković kommt aus Serbien.
Charakteristisch an dem slowenischen Beispiel
(HB 9) ist die Akkordeon-Melodie, die auch aus
Österreich stammen könnte.
Hörbeispiel 10 ist eine „Sevdalinka“ (zentrale
volksmusikalische Liedgattung Bosniens), die die
Schönheit der Landschaft um Sarajewo beschreibt.
Ein Erkennungsmerkmal sind die feinen, mikrotonalen stimmlichen Verzierungen. – Sie wird
von Emina Zečaj, einer der bekanntesten Sängerinnen Sarajewos gesungen.
Hörbeispiel 11 (Kroatien) ist ein Chorlied, das
von einem Tamburica-Orchester begleitet wird;
man hört am Anfang den mandolinenartigen
Klang.
Hörbeispiel 12 stammt aus Mazedonien (identifizierbar an der Klarinette). Hier hört man auch
gut den typischen unregelmäßigen (hinkenden)
Rhythmus (türk. = Aksak-Rhythmus).
vertiefungsmöglichkeiten
Besondere Metren und Rhythmen
Das Besondere an der Musik des Balkans sind zunächst einmal die ungewöhnlichen Metren und
Rhythmen. Als kleine Übung können die SchülerInnen sich hier das Hörbeispiel 13 aus Montenegro anhören – es ist ein 9/8-Takt, der in 2+3+2+2
unterteilt wird.
Die SchülerInnen sollen einfach nur versuchen,
dem Rhythmus zu folgen – gerade oder ungerade? Haben sie das Gefühl, hier immer wieder
herauszufallen? Zur weiteren (auch praktischen)
Vertiefung kann das Rhythmus-Spiel der Arbeitsblätter Bulgarien (Musik & Bildung 2/2008) und
der Beitrag „Yalla – los geht’s! Keine Angst vor
arabischer Musik“ (Musik & Bildung 3/2008) herangezogen werden.
Besondere Tonarten
Neben seltsamen Zusammenklängen wie reibenden Sekund- und Septklängen gibt es in der Musik des Balkans oft auch besondere Tonarten
(s. Arbeitsblatt „Ungewöhnliche Tonarten“). Die
SchülerInnen sollen hier vor allem erkennen,
dass die besondere „orientalische“ Wirkung
durch die Folge kleine Sekunde – übermäßige
Sekunde – kleine Sekunde erzeugt wird (Zigeuner-Moll HB 14, Zigeuner-Dur HB 15).
Weitere Internet-Recherche
Die Formation von Boban Marković ist nicht das
einzige bekannte Bläser-Orchester der Region.
Die SchülerInnen können mithilfe des Arbeitsblatts „Balkan Brass“ einmal über eine YouTubeRecherche eigenständig versuchen, hier weitere
Bands herauszufinden und evtl. auch ihre jeweiligen Besonderheiten herauszuarbeiten. (Der
Klang des Balkan-Brass ist übrigens auch eine
gute – und spannende – Gelegenheit, einmal
die Besonderheiten der jeweiligen Blasinstrumente zu erarbeiten; zur weiteren Vertiefung
hilft auch folgende Frage: Welche Instrumente
lassen sich auf den YouTube-Videos oder Internet-Bildern entdecken?)
* Wie leidenschaftlich dieser alte Konflikt auch in der Gegenwart noch tobt, wird an der Diskussionsliste des WikipediaArtikels zum serbischen „Turbo-Folk“ deutlich.
ARBEITSBLATT
71
Länder und ihre typische Volksmusik
!
Trotz einiger Gemeinsamkeiten hat jedes Land eigene
musikalische Besonderheiten.
1. Male in der Karte das entsprechende Land an und
zeichne den Ort der Hauptstadt ein.
2. Erstelle zu jeder Region einen kleinen Steckbrief!
Hauptstadt
Einwohner
Landschaftliche Besonderheiten
Besondere Musikformen
Bekannte Gruppen
Klangbeispiel
Weitere empfehlenswerte YouTube-Beispiele
Slowenien
wurde sehr stark
von Österreich-Ungarn beeinflusst –
was man besonders gut in den PolkaKlängen oder im mehrstimmigen Gesang hört.
Zentrale Instrumente sind das Akkordeon und die
Citre, ein zitherähnliches Instrument. Wie verwirrend
dicht das Land mit dem österreichischen Nachbarn
verbunden ist, hört man besonders gut an der Musik
von Slavko Avsenik, dem Erfinder des „Oberkrainer
Sounds“ – der auch Eingang in das Musikantenstadl
fand.
Kroatien
gehörte wie Slowenien lange Zeit zum Einflussbereich Österreichs, hat aber ganz andere
Eigenheiten als Slowenien entwickelt. Eine
Besonderheit ist die Tamburica-Musik aus dem
östlichen Landesteil (Slawonien). Die so genannten
Tamburica- oder Tamburizza-Gruppen, die auf unterschiedlichen Saiteninstrumenten (teilweise mit der
Mandoline verwandt) spielen, treten zu sämtlichen
Anlässen auf, begleiten auch Sänger, Solo-Instrumentalisten – und vor allem Tanzgruppen. Bis zum
Balkankrieg kamen aus Kroatien auch sehr viele Popmusiker.
Zusammen mit Montenegro
gehört Serbien zum Kerngebiet des ehemaligen Jugoslawien. In
der Region gab es sehr lange Hochzeitsfeiern, die bis zu einer Woche dauern konnten
und mit viel Musik gefeiert wurden. Typisches Instrument war die Svirale, eine Flöte, aber auch eine Vielfalt an Dudelsackformen. Da 70 Prozent der 10 Millionen Einwohner in Städten leben, gibt es auch viele
städtische Singspiele und Sängervereine. Serbien ist
aber auch die Heimat der Brass-Bands und des Turbo-Folk.
Bosnien-Herzegowina,
Heimat von Muslimen (Bosniaken),
orthodoxen Christen (Serben) und Katholiken (Kroaten) war zwischen 1992 und
1995 besonders stark vom Balkankrieg betroffen. Von
den 5 Millionen Einwohnern waren 3 Millionen Muslime – und so gibt es hier viele türkische Instrumente
(wie Oboen oder Langhals-Lauten) und besondere,
sehr arabisch klingende Gesangformen, die jedoch
Seite an Seite mit der Musik der anderen Kulturen gepflegt werden. Eine typische urbane Musik, auch in
Sarajewo, sind Sevdalinka, Liebeslieder (von dem
türkischen Begriff „Sevda“ für Liebe), die häufig von
der türkischen Laute Saz begleitet werden. Fast jede
Stadt hat ihre eigene Sevdalinka-Tradition.
Mazedonien
ist kulturell
eng mit dem benachbarten Albanien verbunden, daneben aber stark
griechisch beeinflusst. Das hört man am
deutlichsten an den Klarinetten der Čalgija-Ensembles (plus Geige und Trommel). Weitere typische
Merkmale sind 2/4- und 7/8-Takte, Flöten, Dudelsack
– und, wie im gesamten Land, eine reiche RomaTradition. Einen sehr bekannten Namen hat der
Saxofonist Ferus Mustafov.
72
Von Slowenien bis Mazedonien:
Die Länder des ehemaligen Jugoslawien
weshalb spricht man immer von „dem balkan“?
Der (ehemalige) Staat Jugoslawien entstand erst nach dem Ersten Weltkrieg und umfasste die Regionen Slowenien
(Hauptstadt: Ljubljana), Kroatien (Zagreb), Bosnien-Herzegowina (Sarajewo), Serbien (Belgrad), Montenegro (Podgorica) und Mazedonien (Skopje).
Obwohl die Region zum Balkan gehört, ist es nicht ganz richtig, Ex-Jugoslawien mit „dem Balkan“ gleichzusetzen.
Der Begriff umfasst als Region die ganze südosteuropäische Halbinsel – dazu gehören auch Bulgarien und Griechenland. Der Begriff bezeichnet aber auch einen riesigen Gebirgszug, der von Slowenien bis zum Schwarzen Meer
reicht – und hier diverse andere Länder mit umschließt. Insgesamt leben etwa 75 Millionen Menschen auf der Balkanhalbinsel – die sich aber über 13 Staaten (je nach Definition) verteilen. Dazu kommt noch eine reiche Zahl weiterer ethnischer Minderheiten wie die Roma.
Bucht von Lucice, Kroatien
eine konfliktreiche region
Die Region war immer Schnittstelle vieler Großmächte – neben Österreich-Ungarn oder der Republik Venedig auch
des Osmanischen Reichs (die spätere Türkei), das insbesondere im 15. und 16. Jahrhundert die Region stark beeinflusste. Türkische Elemente vermischten sich hier sehr stark mit lokalen mazedonischen, serbischen und bosnischen Traditionen zu völlig neuen Formen.
Das Zusammenleben der unterschiedlichen Völker ist in der Vergangenheit nicht immer einfach gewesen. Aufgrund
der vielen ethnischen Gruppen kam es bereits vor dem Ersten Weltkrieg zu kriegerischen Auseinandersetzungen.
Das „Attentat von Sarajewo“, bei dem der österreichisch-ungarische Thronerbe Franz Ferdinand und seine Frau
1914 ermordet wurden, führte aufgrund der fatalen Bündnispolitik der Großmächte zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Nach dem Ende der Sowjetunion eskalierten die jahrzehntelang schwelenden Konflikte erneut in dem so
genannten Jugoslawienkrieg, eigentlich eine Serie von Kriegen, angefangen mit den Unabhängigkeitsbestrebungen Sloweniens (10-Tagekrieg 1991) und Kroatiens (1991-1995), die sich nach Bosnien-Herzegowina (1992-1995)
und in den Kosovo (1999) ausweiteten.
Das ehemalige Jugoslawien
mit seinen neuen Ländern
vielfältige musikkultur
Die Konflikte lassen fast vergessen, dass die Region auch Heimat einer unglaublich kulturellen Vielfalt war: So
ähneln slowenische Traditionen beispielsweise stark jenen der benachbarten österreichischen Steiermark, während südlichere Regionen griechische und türkische Einflüsse aufweisen.
Eine Citre, die slowenische Form
der Zither
Dennoch gibt es viele Gemeinsamkeiten – wie den mehrstimmigen Gesang, ungerade Metren (z. B. 7/8- oder 11/8Takte) und rhythmische Folgen (z. B. 9/8-Takte, die in 2-3-2-2 unterteilt werden). Daneben findet man oftmals
auch eigene Tonleitern wie „Zigeuner-Moll“ und „-Dur“. Ein charakteristischer türkischer Einfluss sind z. B. die so
genannten mikrotonalen Elemente, Tonschritte unter einem Halbton (oftmals Vierteltöne), die der Musik ein fast
schon orientalisches Flair verleihen. Eine wichtige Rolle für das Musikleben spielen die zahlreichen Roma-Familien,
die in fast jeder Region auch professionelle Musiker sind.
© Suzana Cotar
typische musikalische elemente
ARBEITSBLATT
73
balkan brass
Der englische Begriff „Balkan Brass“ steht für eine Form der Blasmusik, die vor allem im südlichen Serbien und
Mazedonien, aber auch in Rumänien und Bulgarien gepflegt wird (das Festival im serbischen Guča zieht jedes Jahr
bis zu 300 000 Besucher an!). Die Musik wird sehr gerne schnell gespielt.
Die Ursprünge dieser Musik liegen im Einfluss der Marsch- und Militär-Musik Österreich-Ungarns und der Türkei im
19. Jahrhundert. Marschmusik, Roma-Musik und auch jüdischer Klezmer vermischten sich in der Folge zu einer
neuen Form. Eine typische Besetzung besteht aus Trompete, Flügelhorn, Horn, Tuba, Schlagzeug, gelegentlich auch
ein Saxofon oder Cymbal (Hackbrett). Daneben sind aber auch Akkordeon und Geige als Melodieinstrumente zu
hören. Der Balkan Brass wurde außerhalb dieser Region vor allem durch Filme von Emir Kusturica und Musiker wie
Goran Bregović und Boban Marković bekannt.
Fanfare Cioc rlia
turbo-folk
Der Begriff „Turbo-Folk“ wurde in den 1990er-Jahren geprägt und beschreibt eine Mischung aus Volksmusik,
Schlager, Rock und Techno, wobei besonders gern elektronische Instrumente eingesetzt werden. Turbo-Folk existierte in Ansätzen bereits in den 1970er-Jahren, wobei hier vor allem das Akkordeon dominierte, das mit Kontrabass und Bongos oder Snare-Drum kombiniert wurde; Ende der 1980er-Jahre kamen Keyboards und Klangeffekte
hinzu. Zentrum dieser Richtung war Serbien, doch die Musik war in der gesamten Region beliebt.
Mira Škori
von nationalistischer musik zur unterhaltungsmusik
Anfang der 1990er-Jahre wurde der Turbo-Folk sehr nationalistisch (da eng mit dem Kriegsverbrecher Slobodan
Milošević verbunden). Mit zunehmendem internationalem (osteuropäischem) Erfolg wurden die Texte jedoch immer neutraler, während sich die Musiker wieder stärker auf traditionellere Elemente besannen. Auch wenn heute
eher ältere Menschen diese Musik hören, so gibt es durchaus auch neutrale bzw. innovative Bands wie Juzni Vetar,
die auch in benachbarten Ländern Südosteuropas gerne gehört werden.
!
Die richtigen Antworten ergeben einen
bekannten Ferienort an der Küste!
Die Volksmusik in Slowenien …
T existiert nicht mehr.
D hat viele Gemeinsamkeiten mit dem Nachbarn Österreich.
S ist der eigentliche Ursprung des Balkan-Brass.
Der Balkan …
U bezeichnet die südosteuropäische Halbinsel, aber auch ein Gebirge.
E umfasst nur die Länder des ehemaligen Jugoslawiens.
O ist die ursprüngliche Heimat der Roma.
Den musikalischen Einfluss der Türkei bemerkt man …
O an Instrumenten, Viertelton-Verzierungen und besonderen Tonarten.
U an den speziellen Trachten und Tanzbewegungen der Frauen.
E an dem bevorzugten Gebrauch von Synthesizern.
Welche Zuordnung ist falsch?
V Ljubljana ist die Hauptstadt von Mazedonien.
W Zagreb ist die Hauptstadt von Kroatien.
B Sarajewo ist die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina.
Besondere Merkmale der Volksmusik sind …
M regelmäßige Tanz-Rhythmen und Dur-Tonarten.
L Marsch- und Militärmusik.
N unregelmäßige Metren und reibende Sekundklänge.
Turbo-Folk …
K war ursprünglich eine Arbeitermusik.
L wird vorwiegend auf Englisch gesungen.
B ist eine Fusion aus traditionellen und elektronischen Instrumenten wie
Keyboard.
Welches Land gehört nicht zum ehemaligen Jugoslawien?
E Kroatien
U Mazedonien
I Albanien
Welcher dalmatische Inselname ist eine Erfindung?
K Krk
C Ugljan
R Rrc
Balkan-Brass …
C ist eine künstliche Kreation für den westlichen Weltmusikmarkt.
K wird meist von Roma-Musikern, u. a. auch in Rumänien, gespielt.
H gibt es nur in Serbien.
74 ARBEITSBLATT
Ungewöhnliche Tonarten
zigeuner-moll und -dur
In der Musik des Balkans hört man oft besondere Tonleitern, die im Westen auch als „Zigeuner-Moll“ und „Zigeuner-Dur“ bezeichnet werden. Sie erhielten
ihren Namen, weil sie vor allem in der Musik der Roma zu finden sind (heute würde man sie wahrscheinlich „Roma-Moll“ und „Roma-Dur“ nennen).
Zigeuner-Moll
Zigeuner-Dur
Die „orientalisch“ anmutende Wirkung dieser Skala wird durch die
Folge Halbton – drei Halbtöne – Halbton (oder: kleine Sekunde –
übermäßige Sekunde – kleine Sekunde) erzeugt. Man kann sich diese Skala gut merken, da sie sehr symmetrisch aufgebaut ist: Auf das
erste und einzige Ganztonintervall (1./2. Stufe) folgt zweimal die Figur:
„Halbton – Ganzton+Halbton – Halbton“.
Diese Tonleiter klingt für unsere Ohren ebenfalls ungewöhnlich. Sie wird
auch arabische Tonleiter genannt. Da sie symmetrisch aufgebaut ist, kann
man sie sich gut merken: zweimal die besondere Folge „Halbton – Ganzton+Halbton – Halbton“ mit einem Ganzton in der Mitte.
a
h
c'
dis'
e'
f'
gis'
Ganzton
Halbton
+
Ganzton Halbton Ganzton Halbton
+
Halbton
Halbton
!
1.
2.
3.
a'
Halbton
a
b
cis'
d'
e'
Ganzton Halbton
Halbton
+
Halbton
f'
gis'
Ganzton Halbton Ganzton
+
Halbton
a'
Halbton
Höre dir die Skalen mehrmals an (bzw. spiele sie auch selbst). Präge dir vor allem die Klangwirkung der
Folge Halbton – Ganzton+Halbton –Halbton ein!
Versuche, beide Tonleitern im Hören zu unterscheiden. Beachte dabei die Lage des Ganztons.
Versuche selbst einmal diese Tonleiter auf verschiedenen Tonstufen aufzubauen.
Balkan Brass
!
Suche im Internet (YouTube) nach jeweils drei empfehlenswerten Aufnahmen der erwähnten Musiker.
1. Was sind jeweils die typischen Merkmale der Musik?
2. Was kannst du noch über die Biografien der Musiker herausfinden?
Der Trompeter, Flügelhornist
und Orchester-Leiter Boban
Marković stammt aus einer
bekannten serbischen RomaFamilie. Der Familientradition
entsprechend begann Boban
Marković schon als kleiner
Junge mit dem Trompetenspiel. Mit 13 hatte er seinen
ersten Auftritt im Orchester seines Vaters und übernahm die
Leitung im Alter von 18 Jahren.
Das Kočani Orkestar
(Foto: Bertrand)
Goran Bregović wurde 1950 in Sarajewo (im heutigen Bosnien-Herzegowina) geboren. Da sein Vater Kroate
und seine Mutter Serbin ist, versteht sich Bregović als
Jugoslawe. Bregović spielte in den 1960er- und 1970erJahren zunächst in verschiedenen Rockbands (darunter
Bijelo Dugme, die erfolgreichste Rockband des Landes),
bevor er sich der Filmmusik zuwandte. Durch Filme wie
Emir Kusturicas Die Zeit der Zigeuner wurde er auch im
Westen international bekannt.
Das Original Kočani Orkestar
stammt aus Mazedonien und wurde durch
Emir Kusturicas Film Die Zeit der Zigeuner
weltweit bekannt. Die Mitglieder sind alle
türkischsprachige Roma. Besonders bei
diesem Orchester hört man die Ausrichtung
auf den Tanz und die ungewöhnlichen
ungeraden Takte (z. B. 11/8-Takte).

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