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Strategy Deniz Boztepe, Marwan Mazraani, Ulrike Eberhard 4Goldrausch im Mobilfunk? Über Erfolg und Misserfolg entscheiden allein die Märkte Auch wenn LTE dabei ist, die Schlacht um den 4G Standard für sich zu verbuchen, wird es noch eine Weile dauern, bevor international eine dominante Marktposition erlangt ist. Betreiber haben, wie bekannt, mit der dritten Generation ihr Lehrgeld bezahlt, und beurteilen die vierte Generation wesentlich konservativer. Wir zeigen, wie eine Vielzahl von Faktoren sowie die Art der gewählten Strategie ganz wesentlich den Erfolg der Investition in 4G beeinflussen. 14 Detecon Management Report • 4 / 2010 4G Goldrausch im Mobilfunk? m August dieses Jahres wurde in der Presse berichtet, dass IT-Mobile USA im Gegensatz zum Marktführer AT&T und erizon nicht die Absicht hat, kurzfristig in LTE zu investieV ren. Verizon hingegen hat zum Beispiel angekündigt, auf LTE basierende Dienste in 2011 einzuführen. Auf den ersten Blick scheint es so, dass T-Mobiles Entscheidung im deutlichen Kontrast zur gängigen Auffassung der Wettbewerbsregeln in Mobilfunkmärkten steht. Ein genauerer Blick zeigt jedoch ein anderes Bild: T-Mobile steht nicht allein da mit der Verschiebung der LTE-Pläne. Und auch wenn sich die Anwendung von LTE angesichts der Neuheit dieser Technologie – zumindest in ihrer kommerziellen Form – noch nicht als Trend etabliert hat, ist T-Mobiles Entscheidung, verbunden mit der kollektiven Erfahrung mit den letzten Wireless-Access-TechnologieEinführungen, ein frühzeitiges Signal dafür, dass sich ein neuer und unerwarteter Trend für 4G herausbildet. Für die Mehrheit der Mobilfunkbetreiber ist die Einführung der 4G-Technologie keine einfache Entscheidung, da kein Erfolgsgarant, wie Technologie-Begeisterte sich das wünschen würden. Die Rolle der Infrastruktur-Anbieter Infrastruktur-Anbieter spielen beim Aufbauschen und Vorantreiben der 4G-Technologie eine zentrale Rolle und fördern damit ihre eigenen Interessen. Denselben Hype hatten sie schon erfolgreich für 3G entfacht, der dann zu einer fast g renzenlosen Begeisterung für UMTS führte – aber auch zu vielen Enttäuschungen, als die prognostizieren Umsätze ausblieben. Es dauerte fast fünf Jahre, bis sich der Erfolg von 3G, unterstützt durch verbesserte Technologien (HSPA) und Einführung interessanter Endgeräte und Dienste für den Nutzer, einstellte. Der damals besonders hervorgehobene Dienst der Video-Telefonie hat es nicht weit gebracht, während E-Mail und das Internet- Browsen nach wie vor die zentralen Treiber der Adoption sind. Dem WiMAX-Lager, das bestrebt war, höhere Gebote abzugeben, erging es weniger gut. Auch nach fünf Jahren des Marketings führt die Technologie insbesondere auf dem Mobilfunkmarkt eher ein Nischendasein. Der ständige Versuch der Anbieter, Technologien so früh wie möglich und damit sogar vor ihrer Marktreife auf den Markt zu bringen, ist durchaus nachvollziehbar. Aber die Anbieter haben ihre Märkte überschätzt und ihre Ziele verfehlt, während neue, aggressive Player auf den Markt drängen und mehr Druck als die etablierten Unternehmen ausüben. Dies hat in den vergangenen fünf Jahren zu einer bedeutenden Branchenkonsolidierung geführt: Aus drei großen Anbietern – Nokia, Siemens und Motorola – wurde ein Unternehmen, ein großer Wettbewerber – Nortel – hat nicht überlebt. Für die Anbieter ist 4G eine neue Chance zur Aufrüstung der Infrastruktur und schon hört man wieder den Trommelschlag des neuen-alten Hypes. Dieses Mal lautet der Schlachtruf „Streaming Video on the Go“. Werden die Märkte mitmachen? Egal, ob es um den Kampf der Standards, zum Beispiel GSM gegen CDMA oder LTE gegen WiMAX, geht oder um die massive Überanpreisung einer Technologie durch die Anbieter wie bei 3G – die Betreiber haben ihre Lektion gelernt. Das Festhalten an einem Standard und an einer etablierten Technologie ist für alle Parteien von Vorteil. Sie haben ebenfalls gelernt, dass es wesentlich profitabler ist, ihren Kunden und nicht den Infrastrukturanbietern zuzuhören. Für die Betreiber ist es irrelevant, ob Anbieter der Meinung sind, dass jeder Passant auf der Straße sich am Video-Streaming erfreut; sie wollen von ihren Kunden hören, welche Dienste diese bevorzugen und – noch wichtiger – welche Dienste für sie erschwinglich sind. Die Rolle konkurrierender Technologien Aus der Annahme heraus, dass die Mehrheit der Betreiber sich wahrscheinlich für LTE und nicht für WiMAX entscheidet, könnte man die möglicherweise falsche Schlussfolgerung ziehen, dass sich LTE-Rollouts mit Verfügbarkeit der Technologie sehr schnell verbreiten werden. Untermauert wird diese Annahme durch die Tatsache, dass viele Betreiber Investitionen in WiMAX mit der Begründung abgelehnt haben, LTE als ihre 4G-Technologie zu implementieren. Das ist jedoch nur 15 Detecon Management Report • 4 / 2010 Strategy die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass LTE nicht der einzige Gewinner ist. Der echte Gewinner ist nämlich das HSPA-Lager. Mit der Einführung von HSPA hatte WiMAX, ungeachtet seiner Nachteile, keinen USP mehr. Viele sind daher der Auffassung, dass WiMAX das falsche Timing und das falsche Publikum hatte. Auch wenn LTE hinsichtlich des Timings seiner Markteinführung eine bessere Chance hat, wird LTE sowohl mit ähnlichen Herausforderungen wie WiMAX als auch mit neuen konfrontiert sein. In seiner Rolle als Funktechnik und Nachfolger der 3.5G-Technik wird LTE in vielen Märkten zunächst als Festnetzalternative positioniert sein, bevor es als ultimatives Angebot für nomadische und mobile Anwendungen genutzt wird. Dies gilt insbesondere in Märkten mit mangelnder Festnetzinfrastruktur, wie es bei anderen Funktechnologien bereits zu beobachten war. WiMAX hatte zum Beispiel seinen größten Erfolg in Schwellenländern mit historisch niedrigen Investitionen in Festnetzinfrastrukturen, beispielsweise in Indien, oder in Bereichen mit geringer Bevölkerungsdichte wie in Russland. In diesen Teilen der Welt hat die Mobilfunkinfrastruktur eine höhere und leistungsstärkere Netzabdeckung sowie ein schnelleres Time-toMarket ermöglicht. In dieser Hinsicht wird LTE teilweise mit WiMAX, das nach wie vor als kostengünstigere Alternative für Fixed Broadband Wireless Access (FBWA) gilt, und teilweise mit der HSPA-Technik konkurrieren, die mit derselben Infrastruktur Mobilfunk- als auch Festnetzmärkte bedient und sich damit als „Goldene Gans“ erwiesen hat. In Ländern mit gut eingerichteter Festnetzinfrastruktur ist LTE im Nachteil, da FTTx und Kabel höhere Geschwindigkeiten ermöglichen, die für Video-Anwendungen wie IPTV und stationäre Dienste erforderlich sind. Dies ist zum Beispiel in Deutschland der Fall, wo der Regulierer LTE-Anbieter aufgefordert hat, zunächst ländliche Regionen zu versorgen. In der Rolle als Mobilfunktechnik trifft LTE auf seinen älteren Bekannten: HSPA+. Viele Betreiber haben bereits angekündigt, weiterhin auf HSPA zu setzen, auch wenn sie innerhalb der nächsten zwei Jahre LTE zu testen beabsichtigen. Die Gründe hierfür sind so unterschiedlich wie die Betreiber. Aber die meist genannten Gründe sind die Notwendigkeit der Monetarisierung ihrer Investitionen in 3/3.5G, die Ausgereiftheit und das Ecosystem von HSPA sowie die Bedenken, eine funktionierende Technik, die die Marktanforderungen erfüllt, gegen eine 16 Detecon Management Report • 4 / 2010 neue einzutauschen, nur weil sie neu ist. LTE wird mit stärker fokussierten und langsameren Time-to-Market dennoch über die 3.5G Welle hinwegsurfen, falls es wie bei 2.5, 3.0 und 3.5G gelingt, Endgeräte, die mehrere Technologien und Frequenzbänder unterstützen, einzuführen sowie nahtloses Roaming zwischen den Netzen zu ermöglichen. Die fehlende Killer-Applikation Die Mobilfunkbranche blickt schon seit langem mit großer Erwartung auf den Tag, an dem so gut wie alles auf die eine oder andere Weise durch drahtlose Kommunikation verbunden sein wird – Autos, Häuser, medizinische Geräte, Parkuhren, Maschinen, Roboter und sogar Bekleidung. Auch wenn wir uns in diese Richtung bewegen und äußerst nützliche Anwendungen hervorgebracht haben, bleibt es ein Fakt, dass der größte Teil des sogenannten Non-Voice-Umsatzes der Betreiber durch SMS generiert wurde, das heißt durch eine Anwendung, die eine minimale Bandbreite erfordert und vor mehr als zehn Jahren zusammen mit 2G eingeführt wurde. Der mit Datendiensten erzielte Umsatz hat erst vor Kurzem und auch nur in einigen Märkten der Industrieländer den durch SMS generierten Umsatz überholt. Selbst wenn die Straßenbeleuchtung anfängt, mit den Passanten zu kommunizieren – wie bei der als „Dial4Light“ bezeichneten Technologie, die auf Energiesparen abstellt – bleibt die Tatsache bestehen, dass solche Anwendungen nur sehr geringe Bandbreiten benötigen. Natürlich steigt mit einer höheren Geschwindigkeit bei manchen Anwendungen auch der Spaßfaktor, aber das wäre kein ausreichender Grund, ebenfalls hohe Preise zu fordern. Die seit Langem gesuchte Killer-Applikation, die eine höhere Bandbreite rechtfertigt, ist bislang noch nicht in Sicht. Zur Zeit sind es Videos unterschiedlicher Art, die den höchsten Anteil am Internet-Verkehr weltweit ausmachen – sei es durch Live-Streaming oder Downloading mit Festnetz- oder drahtlosen Anschlusstechniken. Die Tatsache, dass dieser Boom aber bisher zu keinem vergleichbaren Boom der Carrier-Umsätze geführt hat, wirft die Frage auf, ob Betreiber Videodienste in all ihren Formen begrüßen oder verhindern sollten. Das verdeutlicht, dass auch Videodienste nicht notwendigerweise die seit Langem gesuchte Killer-Applikation sind. Noch ist unklar, ob die mobile Nutzung von hohen Bandbreiten über kleine Videos und Informationshappen hinausgehen wird. Nutzer, die zur 4G Goldrausch im Mobilfunk? Zeit längere Videos auf ihren Mobilgeräten anschauen, laden oder downloaden diese zu Hause oder, falls vorhanden, über eine kostengünstigere Verbindung wie WiFi. Die Frage „Wie viele Mobilfunkkunden werden unterwegs bandbreitenintensive Anwendungen nutzen und wie viel werden sie dafür bereit sein zu zahlen?“ bleibt offen. Der verwässerte Markenwert der Infrastruktur Beim Start von 3G nutzten viele Betreiber, die mit dem Rollout der 3G-Infrastruktur ihren nationalen Wettbewerbern voraus waren, diesen Zeitvorteil, um ihren Marktauftritt von dem der Wettbewerber mittels 3G zu differenzieren und somit ihren Markenwert zu steigern. Der Sprung von 2G auf 3G galt an sich schon als Ereignis und der von den Anbietern geschürte Hype ging auf die Betreiber über und von dort auf den Verbrauchermarkt. In vielen Märkten reagierten die Verbraucher auf die Ankündigung von etwas Neuem mit Begeisterung und malten sich aus, in welcher Weise 3G ihr Leben bereichern könnte. Doch die Anfangsjahre von 3G waren für die Nutzer enttäuschend, die Infrastruktur erwies sich nicht als optimales Branding-Tool. Der Branding-Effekt bei Endgeräten wie Blackberry und iPhone erwies sich hingegen als wesentlich leistungsstärker, obwohl diese Geräte bei ihrer Einführung nur über eine 2.5G-Schnittstelle verfügten. Mit zunehmender Verbreitung der auf dem 3GStandard basierenden Anwendungen und Dienste stiegen auch Akzeptanz und Vertrauen und 3G gewann an Schwung. Mit der Etablierung von 3G zum Netz-Standard ging dennoch der Verlust des Branding-Effekts einher, weil sich das Interesse der Nutzer stärker an den Apps für ihre Smartphones als an dem dafür genutzten Netz orientierte. Betreiber, die bereits den Einsatz von 4G planen, sind sich der Herausforderungen bewusst und auch darüber im Klaren, dass aus einer Investition in die 4G-Infrastruktur nicht automatisch ein Markt entsteht. Verizon zum Beispiel hat ein Innovationszentrum errichtet, um LTE-Dienste in einer echten Umgebung zu simulieren. Sie arbeiten darüber hinaus mit Herstellern an der Entwicklung von 4G-Endgeräten und stellen Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar zur Investition in Startups bereit, die Produkte für 4G-Technik entwickeln. Je mehr Spielfelder für bandbreitenintensive Anwendungen sich weltweit auftun, desto mehr sollte man daran denken, dass 6,8 Milliarden Menschen auf diesem Planeten gerne sprechen, doch ein wesentlich geringerer Teil unterwegs im Internet surft und ein noch geringerer Teil unterwegs – zu Fuß oder beim Autofahren –Video-Streaming nutzt. Für den Verbrauchermarkt wird es sehr kreative Datenanwendungen geben, die aber nicht unbedingt auf den Massenmarkt ausgerichtet sind. Abbildung 1: Interessenpyramide Minimale Wertschöpfung mittels Technologie High-Speed-Datenanwendungen 4G Zuverlässige Daten 3G Sprache 2G Minimale Wertschöpfung der Zugangstechnologie versus Massenmarkt* * Anmerkung: Relativer Wert in Bezug auf angebotene Technologien und kein reiner Ersatz der vorherigen Generationen Umfang der Akzeptanz der Dienste von Nutzern in einem Land Quelle: Detecon 17 Detecon Management Report • 4 / 2010 Strategy Die Betreiber, die zuerst mit dem Rollout von 4G beginnen, werden in ähnlicher Weise vorgehen und ihre Investitionen in die Infrastruktur nutzen, um ihren wahrgenommenen Markenwert zu steigern und ihre Position auszubauen. Gleichzeitig werden sie bestrebt sein, das Interesse der Verbraucher stets auf neue Entwicklungen zu lenken. Dies entspricht den Strategien der Betreiber, die für den Einsatz neuer, bahnbrechender Technologien einen First-Mover-Ansatz verfolgen. Manche veranstalten sogar förmlich ein Rennen um diesen Status, auch wenn dieser teilweise bezweifelt werden kann. Ein solcher Betreiber ist Sprint in den USA. Sprint behauptet, der „Erste und einzige nationale Carrier für Wireless 4G“ zu sein. Sprint baute ein WiMAX-Netz auf und vertreibt Produkte wie beispielsweise HTC EVO 4G, einen 3G/4G-Dual-ModeUSB-Stick für Laptops, sowie einen portablen WiFi-Router mit Backhauling-Funktion für seine 3G- oder 4G-Netze. Die behauptete 4G-Netzabdeckung ist jedoch nach wie vor begrenzt, und ob das hier angebotene Erlebnis die Bezeichnung 4G verdient, sorgt für reichlich Diskussionsstoff unter den Analysten. TeliaSonera behauptet, das weltweit erste Unternehmen beim kommerziellen LTE-Rollout mit gezielter Teilnetzabdeckung in Norwegen und Schweden zu sein. Dieser Vorstoß dient lediglich der Verbesserung ihres Images, was zahlreiche Analysten veranlasste, dies als einen „großen Marketing-Coup“ zu bezeichnen. Von einer Verbesserung der Dienstequalität kann so gut wie nicht die Rede sein, wenn man bedenkt, dass die Nutzer noch erhebliche Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Einen noch trickreicheren und dennoch interessanten BrandingAnsatz leistete sich Cell C in Südafrika mit seiner zweideutigen „4Gs“-Kampagne. Cell C lancierte mit seinem HSPA+-Netz die inoffizielle Marke 4G, beruhend auf den angepriesenen „“4Gs for Great Speed and Great Service“. Diese Behauptung veranlasste die Werbeaufsicht, Cell C die Verwendung dieses Slogans und der damit zusammenhängenden Werbematerialien Anfang Oktober 2010 zu untersagen. Wie gesagt, Betreiber veranstalten seit jeher „Rüstungswettläufe“, um in den Genuss der First-Mover-Vorteile zu kommen, obwohl sie in dem jeweiligen Gebiet nicht immer die besten Dienste anbieten. Es bleibt zu bezweifeln, ob der Branding Claim im Fall von 4G – sei es der WiMAX-Ansatz von Sprint, der LTE-Vorstoß von TeliSonera oder der umstrittene zweideutige Marketingansatz von Cell C – einen großen Einfluss auf den Marktanteil der Betreiber haben wird oder zur Rechtfertigung der Investitionen ausreicht. Noch bringt der Schritt von 3G auf 4G dem Endkunden keinen deutlichen Vorteil. Betreiber, denen in Ballungsgebieten die Kapazitäten ausgehen, könnten von der Verbesserung der spektralen Effizienz 18 Detecon Management Report • 4 / 2010 und Signalqualität zur Abdeckung der Datenübertragung unter der Voraussetzung profitieren, dass entsprechende SpektrumsRessourcen verfügbar sind. Eine weitere Herausforderung ist mit der generellen Machtverlagerung in der TK-Branche von Infrastruktur-Providern – also den Bertreibern – auf jene Provider verbunden, die Verbraucherprodukte wie Endgeräte, Inhalte und Anwendungen anbieten. Hinzu kommt, dass im Gegensatz zum Sprung von 2G auf 3G – der eine grundlegende Verlagerung der Sprachnetze auf Datennetze bedeutete und eine Unmenge neuer Dienste hervorbrachte – der Sprung von 3G auf 4G nur in manchen Regionen und nicht weltweit vergleichsweise höhere Geschwindigkeiten ermöglicht. Implementierungsszenarien für LTE Berücksichtigt man jetzt das kollektive Lernen der Betreiber in Bezug auf Infrastruktur-Investitionen sowie die unverwechselbare Marktpositionierung von LTE im Vergleich zu bestehenden Technologien, dann ergibt sich die Frage: „Wer sind aller Voraussicht nach die ersten Anwender dieser Technik und welche Implementierungsszenarien werden sich zuerst entwickeln?“. Es besteht Berechtigung zur Annahme, dass insbesondere die Marktführer in den jeweiligen Märkten zu den „First-movern“ gehören werden. Diese haben mit hoher Wahrscheinlichkeit schon früh in die 3.5G-Technik investiert und sich einen technologieaffinen und zahlungskräftigen Kundenstamm herangezogen, der eher bereit ist, für höhere Geschwindigkeiten zu zahlen. Es sind wahrscheinlich auch die integrierten Betreiber, die Fest- und Mobilfunknetze betreiben, die früh auf LTE setzen, um Alternativen zu den Highspeed-Festnetzverbindungen VDSL, FTTx oder Kabel anbieten zu können. Für diese Gruppe ist LTE ein ganz natürlicher Schritt nach vorn, der sich wirtschaftlich noch eher rechtfertigen lässt als bei einem kleineren Netzbetreiber ohne Festnetzinfrastruktur. Die Position von Start-ups oder Greenfield-Betreibern, die ein Pure-Play-LTE-Netz nutzen, um etablierte Betreiber wettbewerblich herauszufordern, bleibt in den meisten Märkten eher schwach und ähnelt dem Schicksal der WiMAX Pure Plays. LTE fällt die Rolle einer komplementären Technologie zu; das gilt insbesondere für die Anfangsjahre. Festnetzbetreiber, für die die Errichtung eines Mobilfunknetzes eine Strategie zum Schutz ihrer Investition in Sachanlagen ist, begrüßen eventuell eine zukunftssichere Technik wie LTE, um sich wettbewerblich besser positionieren zu können. Dies ist jedoch eher der Fall in Emerging Markets, in denen es nach wie vor Stand-AloneFestnetzbetreiber gibt, bei denen bislang weder Fusionen noch Übernahmen mit beziehungsweise von anderen Mobilfunkbetreibern stattgefunden haben. Dies wird jedoch mit einer steigenden Zahl existierender Telco-Player in dem jeweiligen Markt schwieriger. 4G Goldrausch im Mobilfunk? Es ist gleichermaßen unwahrscheinlich, dass Mobilfunk- Herausforderer, die sich auf der anderen Seite des Tisches befinden, eine vorzeitige Investition in LTE vornehmen. Die meisten Herausforderer haben erst vor Kurzem mit dem Rollout ihrer 3G-Netze begonnen und warten darauf, dass diese sich finanziell rentieren. Um von den LTE-Diensten profitieren zu können, wäre ein Network-Sharing oder nationales Roaming-Abkommen für diese Betreiber sinnvoll. In Anbetracht der heutigen Akzeptanz des Network-Sharing wäre dies sehr gut realisierbar. In vielen Märkten, insbesondere in denen mit einer etablierten Festnetz- und Mobilfunkinfrastruktur, ließen sich ein oder zwei LTE-Netze aus der Perspektive des Marktes wirtschaftlich rechtfertigen, wobei Network-Sharing in diesem Fall als allgemein akzeptierte Lösung gelten könnte. Zusammengefasst lassen sich drei verschiedene Einssatzstrategien für LTE nach den ersten Pilotprojekten ausmachen: Daten-Overlay zur Steigerung der Geschwindigkeit von 3G- Netzen: Dies ist das wahrscheinlichste Szenario für Marktführer und entspricht in etwa dem, was Sprint mit seinem WiMAXNetz bislang mit eingeschränkter Abdeckung implementiert hat. Nutzer dieser Netze werden die höhere Bandbreite in den 4GBereichen zu schätzen wissen und auch keine Diskontinuität verspüren, wenn sie sich im 3G-Bereich befinden. In Anbetracht des Know-hows, das diese Betreiber in Bezug auf den ortsabhängigen Bandbreitenbedarf ihrer Kundenbasis entwickelt haben, ermöglicht dies eine hohe zielgerichtete Investi tionsrentabilität (ROI). Dieses Szenario erfordert die Verfügbarkeit von Multiband-/Multistandard-Geräten, der wesentliche Erfolgsfaktor beim Übergang von 2.5 auf 3.5G. Festnetz-Breitband-Alternative: Ähnlich wie beim WiMAXAnsatz in jenen Ländern, in denen keine Festnetzinfrastruktur existiert oder sich wirtschaftlich nicht rechtfertigen lässt, kann LTE als FBWA-Lösung eingesetzt werden. Der Hauptvorteil von LTE liegt in den Frequenzen, die für diese Technologie verfügbar gemacht werden. Mit diesen lassen sich bessere Netzabdeckungen und -leistungen innerhalb von Gebäuden erzielen. Dieses Szenario wird am ehesten bei Festnetzbetreibern oder FBWA-Betreibern Anklang finden. In Ländern, in denen keine Trennung zwischen Festnetz- und Mobilfunkdiensten vorherrscht, kann diese Option über dieselbe Infrastruktur wie für mobile LTE-Dienste angeboten werden. Als Steigerung der Kapazität: Für Betreiber, die aufgrund eines hohen Anteils von 3G-Endgeräten in ihren Netzen, zum Beispiel iPhone und andere Smartphones oder Tablets, sowie eines breiten Portfolios an bandbreitenintensiven Inhalten wie Video gegenwärtig unter Kapazitätsengpässen in ihren Netzen leiden, kann sich der Übergang zu LTE zur Verbesserung der spektra- len Effizienz als vorteilhafter erweisen als der Ausbau weiterer 3G-Antennen oder der Erwerb von zusätzlichem 3G-Spektrum. Dieser Ansatz ähnelt dem ersten Szenario, obwohl der Treiber hier die Kapazität ist und der Betreiber im Vergleich zum ersten Ansatz eher über eine größere und dichtere LTE-Abdeckung verfügt. Diese Option erfordert ein entwickeltes Ecosystem, das dem 3.5G-Standard angepasst ist, um dieses letztlich abzulösen. Zentrale Erfolgsfaktoren für Einführung und Timing LTE als Vorläufer der 4G-Technik und dessen Nachfolger LTEAdvanced als offizielle 4G-Technik wird innerhalb der nächsten zwei Jahre seinen weltweiten Einstand geben. Übernahme und Nutzung werden von Land zu Land und auch von Betreiber zu Betreiber stark variieren. Im Gegensatz zu den 3G/3.5G-Netzen, die die 2G-Netze obsolet machten und sich in der Zwischenzeit großer Beliebtheit erfreuen, erfordern Einführung und Timing der 4G-Dienste einen ganzheitlichen marktgerechten Ansatz, der mehrere Erfolgsfaktoren berücksichtigen muss. Abgesehen von allgemeinen, globalen Branchenfaktoren wie einem hohen Reifegrad der Technologie, einem umfassenden „Ecosystem – bestehend aus kompatiblen Endgeräten und relevanten Diensten“ –, sowie erleichternden regulatorischen Faktoren – zum Beispiel Verfügbarkeit von Spektrum, flexible, einheitliche und unabhängige Lizenzierung – gibt es landes- und betreiberspezifische Faktoren, die den Erfolg von LTE beeinflussen. Daher ist immer dann eine gründlichere Überprüfung dieser Faktoren erforderlich, wenn es um die wirtschaftliche Beurteilung der Investitionsentscheidung für LTE geht. Es gibt drei Gruppen zentraler Erfolgsfaktoren: Nutzerpräferenzen: Digitale Mobilität und Affinität zu Internetdiensten der Nutzer variieren in bestimmten Ländern und sind meist abhängig von der demografischen Struktur, Traditionen und sozialen Gewohnheiten. Neben der Verschiedenartigkeit von länderspezifischen Nutzerpräferenzen Ist das Verständnis für segmentspezifische Nutzerpräferenzen auch innerhalb eines Landes unabdingbar, um die Bedeutung, die die 4G-Technologie für diese Nutzer besitzt, einordnen zu können. Insbesondere dann, wenn die Nutzerpräferenzen durch den Netzbetreiber beeinflussbar sind und die Summe der individuellen Zahlungsbereitschaften einen signifikanten Beitrag zum Umsatz des Betreibers leisten können, steht einer positiven Investitionsentscheidung nichts im Wege. Bestehende Infrastruktur und Dienste: In vielen Ländern ist die Ära des „Open Demand“ für Telekommunikation – ob Sprachoder Datenkommunikation – schon lange zu Ende gegangen. In diesen Ländern wird 4G die vorhandene Technik ersetzen oder ergänzen. Der potenzielle Erfolg und die antizipierte Investiti- 19 Detecon Management Report • 4 / 2010 Strategy onsrentabilität für einen bestimmten Betreiber mit 4G hängt von der erfolgreichen Positionierung seines Rollouts sowie von der Infrastruktur und der Dienste ab, die zu der Zeit in dem Land verfügbar sind. Abbildung 2: 4G-Entscheidungsrahmen* der Telco-Märkte ist das Verstehen des Wettbewerbsumfelds in einem Land und der voraussichtlichen Auswirkungen der 4G-Dienste unerlässlich. Selbstverständlich ist es nicht nur die mögliche Markenkraft von 4G, sondern ebenfalls das Differenzierungspotenzial der geplanten Dienste sowie die potenzielle langfristige Bindung der Kunden, die einem Betreiber Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen verschaffen können. Kunde • Technische Reife • Umfassendes Ecosystem 4G InvestitionsEntscheidung • Verfügbarkeit von Spektrum • Regulatorisches Umfeld n Un [email protected] We ttb me h ne ter ewe • • rb Umfang von CAPEX und OPEX Infrastruktur Sharing und Wiederverwendbarkeit * Kriterien als Richtlinie für 4G-Investitionsentscheidung Quelle: Detecon Wettbewerbsfähigkeit des Betreibers: Dies ist der Faktor, der die Betreiber bei ihrer Entscheidung, wie sie 4G nutzen wollen, am stärksten unter Druck setzt, denn der Wettbewerbsdruck hat in der Vergangenheit bei Betreibern oft zu Fehlentscheidungen beziehungsweise zeitlichen Fehlplanungen geführt. Insbesondere in Bezug auf 4G als auch in Anbetracht der Reife 20 Detecon Management Report • 4 / 2010 Deniz Boztepe ist als Berater in der Strategic Marketing Group tätig. Bevor er vor zwei Jahren zu Detecon kam, war er für mehrere Jahre für die Tochtergesellschaften einer der weltweit größten multinationalen Telco- Betreiber in Deutschland und der Türkei in unterschiedlichen Positionen tätig. Seine Themenschwerpunkte liegen in den Bereichen Marketingstrategie-Entwicklung, finanzielle Bewertung wirtschaftlicher Angelegenheiten und Business Modelling. Er hat Projekte in Europa, im Mittleren Osten sowie in Asien und Afrika durchgeführt. Marwan Mazraani ist als Senior Consultant in der Strategic Marketing Group tätig. Er hat sich auf Marketingstrategien für Einsteiger und Produktneueinführungen spezialisiert. Seine Interessenschwerpunkte beinhalten die Entwicklung des modernen Telco-Betreibers sowie die Entwicklung des Kommunikationskonsums durch Nutzer in Unternehmen und Verbrauchermärkten. In den vergangenen dreizehn Jahren hat er ICT-Projekte im Mittleren Osten, in Europa und Nordamerika realisiert. [email protected] Ulrike Eberhard ist Managing Partner und Leiterin der Strategic Marketing Group. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeiten liegt auf Geschäftsprozessmodellierung, Marketingstrategien für unterschiedliche Marktphasen, MarketingPerformance-Programme, Portfolio-Planung und Preisgestaltung. Während der vergangenen zwölf Jahre hat sie diese Strategien als Interimsmanagerin oder Projektmanagerin umfangreicher Beratungsprojekte für Telco-Carrier und ISPs europaweit sowie im Mittleren Osten, Asien und Afrika erfolgreich entwickelt und umgesetzt. [email protected]