Quantenmechanik

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Quantenmechanik
Kapitel 17
Quantenmechanik
17.1 Einleitung
Die Quantenmechanik basiert im Wesentlichen auf folgender experimentellen Beobachtung:
Alle Elementarteilchen (z.B. Elektronen oder Protonen) sind
gleichzeitig ein Teilchen und eine Welle.
Alle Systeme, die aus Elementarteilchen aufgebaut sind, d.h.
Atome, Moleküle, usw., d.h, alles, was wir in der Natur kennen, zeigt einen Teilchen-Wellen-Dualismus.
Elektromagnetische Wellen können sich auch wie ein Teilchen
oder eine Welle verhalten.
1055
Teilchen. Wenn wir von einem Teilchen sprechen, meinen wir etwas,
das eine bestimmte räumliche Ausdehnung besitzt. Die Elementarteilchen werden z.B. oft als sehr kleine Kugel dargestellt.
Physik
1056
Quantenmechanik
Teilchen befinden sich an einem bestimmten Punkt des Weltraumes
(sie sind an einem Ort lokalisiert). Wir definieren diese Punkte mit
Hilfe ihrer Ortsvektoren
r
r ∫ ( x, y, z )
Teilchen können beschleunigt werden und bewegen sich auf
bestimmten Bahnen durch den Raum, die als Funktionen der Zeit dargestellt werden können:
r
r
r
a( t) fi v ( t) fi r ( t)
Teilchen besitzen eine bestimmte Energie und einen bestimmten
Impuls. Wir erinnern uns an den relativistischen Energie-Impuls 4Vektor (Siehe Kap. 14.12)
r
p m ∫ ( E , pc )
Wenn zwei Teilchen in “Berührung” miteinander kommen, werden
sie streuen. Sie wechselwirken miteinander und können Energie und
Impuls austauschen. Während diesen Vorgängen müssen die gesamte
Energie und der gesamte Impuls erhalten werden.
Welle. Wenn wir von einer Wellen sprechen, meinen wir etwas, das
eine ausgedehnte räumliche Verteilung besitzt.
Man kann nicht von einem einzigen Ortsvektor einer Wellen sprechen. Die Energie und der Impuls, die sie übertragen, sind kontinuierlich im Raum verteilt. Die Felder einer harmonischen, ebenen,
elektromagnetischen Welle sind z.B.
r r
r
r r
ÔÏ E ( r , t) = E 0 sin( k ◊ r - wt)
r
r r
Ìr r
ÓÔB( r , t) = B0 sin( k ◊ r - wt)
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Quantisierung des Lichts
Die Wellennatur kann sich in bestimmten Fällen zeigen, wie z.B. bei
der Beugung einer Welle. D.h., eine Welle besitzt Interferenzfähigkeit.
Wenn zwei Wellen in “Berührung” miteinander kommen, werden sie
interferieren. Nachher trennen sich die Wellen wieder und laufen
weiter, ohne dass sich ihre Form geändert hat.
17.2 Die Quantisierung des Lichts
17.2.1 Der photoelektrische Effekt
Um die Quantisierung des Lichts einzuführen, betrachten wir den
berühmten photoelektrischen Effekt. Der Effekt ist eine Folge der
Wechselwirkung zwischen Licht und Materie.
Licht mit der Frequenz n fällt auf eine metallene Oberfläche. Man
beobachtet experimentell:
Wenn die Frequenz gross genug ist, so werden aus der Oberfläche Elektronen herausgeschlagen.
Das Problem hier ist, dass drei wichtige experimentell bewiesene
Eigenschaften durch die klassische Wellentheorie des Lichts nicht
erklärt werden können! Wie bei der Wärmestrahlung (Siehe
Kap. 12.5) und der Wärmekapazität von Festkörpern bei niedrigen
Temperaturen (Siehe Kap. 12.11) ist das Versagen der klassischen
Wellentheorie von grundsätzlicher Natur.
1057
Das Intensitätsproblem: Die Wellentheorie verlangt, dass der
elektrische Feldvektor der Lichtwelle in seiner Amplitude grösser
Die drei Probleme sind:
1.
Physik
1058
wird, wenn die Intensität des Lichtstrahls zunimmt. Wir haben z.B.
im Fall der ebenen harmonischen Wellen gesehen, dass gilt (Siehe
Kap. 16.6.1):
Quantenmechanik
2.
3.
=
J
W
=
s.m 2 m 2
e E2
I = 0 0 c µ E 02
2
Da die auf ein Elektron der Metalle wirkende Kraft gleich eE ist,
müsste auch die Energie der im photoelektrischen Effekt herausgeschlagenen Elektronen mit zunehmender Intensität des Lichts
grösser werden. Man beobachtet im Gegensatz dazu, dass die
maximale kinetische Energie der herausgeschlagenen Elektronen
unabhängig von der Intensität des Lichts ist!
Das Frequenzproblem: Nach der klassichen Wellentheorie des
Lichts sollte der photoelektrische Effekt bei jeder Frequenz auftreten. Ein Elektron der Oberfläche wird die Energie der Welle so
lang absorbieren, bis die über die Zeit integrierte Energie genügend ist, um das Elektron von den Atomen der Oberfläche freizusetzten. Im Gegensatz dazu beobachtet man, dass für Frequenzen
kleiner als eine bestimmte Frequenz n0 der photoelektrische Effekt
nicht auftritt. Dies gilt unabhängig von der Intensität des Lichts!
Das Problem der Zeitverzögerung: Wenn wir das Licht als eine
Welle betrachten, ergibt ihre Intensität eine Energie pro Zeiteinheit
und pro Flächeneinheit (Siehe Kap. 16.6):
[ Energie]
[Zeit][Fläche]
Wir betrachten die Fläche eines Kreises mit dem Durchmesser
eines Atoms, d.h.
2
A ª p (5 ¥ 10 -11 m) ª 8 ¥ 10 -21 m 2
Nach der klassischen Wellentheorie muss man die Intensität der
Welle über diese Fläche integrieren, um die Energie pro Zeitein-
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Die Quantisierung des Lichts
P
ª 6, 5 ¥ 10 -3 W / m 2
4pr 2
heit zu berechnen, die ein Atom (oder das Elektron im Atom)
absorbieren wird.
Wenn wir eine isotrope Lichtquelle mit einer Leistung von P=1
Watt = 1 Joule/Sekunde in einer Entfernung von 3,5 m betrachten,
erhalten wir:
I=
Damit ist die auf das Atom fallende Leistung gleich:
PAtom = IA ª (6, 5 ¥ 10 -3 W / m 2 )(8 ¥ 10 -21 m 2 ) ª 5 ¥ 10 -23 J / s
1 eV
1, 602 ¥ 10 -19 J
ª 3 ¥ 10 3 Sekunden ª 1 Stunde
=
5 ¥ 10 -23 J / s 5 ¥ 10 -23 J / s
Wir nehmen nun an, dass die benötigte Energie, um das Elektron
vom Atom freizusetzen, in der Grössenordnung von einigen eV
sein muss. Die benötigte Zeit für das Ansammeln einer solchen
Energie aus der Welle ist gleich:
t=
Während dieser Zeit würde das Elektron aus der Lichtwelle die
Energie ansammeln, die es braucht, um die Metalloberfläche verlassen zu können. Eine solche Verzögerung wurde nie beobachtet!
Im Gegensatz dazu gibt es dafür eine obere Grenze von ª1 ns!
Demonstrationsexperiment: Photoelektrischer Effekt
1059
Das Herausschlagen von Elektronen durch den photoeleketrischen
Effekt wird mit Hilfe eines Elektroskops (Siehe Kap. 11.5.3) gemessen. Mit einer positiven Spannung wird das Elektroskop geladen: der
Zeiger des Elektroskops wird ausgelenkt. Das Elektroskop wird dann
durch einen Leiter mit einer metallischen Platte, die vertikal liegt,
verbunden (Siehe Abb. 1). Eine Lampe wird eingeschaltet: ihr Licht
fällt auf die metalllische Platte. Wir beobachten, dass das Elektroskop
entladen wird, sobald die Lampe brennt. Die von der metallischen
Physik
1060
Quantenmechanik
Photoelektrischer Effekt.
Platte herausgeschlagenen Elektronen kompensieren die positive
Ladung im Elektroskop. Der Zeiger des Elektroskops verschiebt sich
langsam nach seiner ursprünglichen Position. Nun wiederholen wir
das Experiment, aber mit einer Glasplatte zwischen der Lampe und
der metallischen Platte. Wir bemerken, dass der ultraviolette Teil des
Lampelichts nicht durch das Glas durchgelassen wird. Wir beobachten in diesem Fall, dass das Elektroskop geladen bleibt, auch wenn
die Lampe eingeschaltet wird. Wir schliessen daraus, dass nur der
energetische Teil des Lichts (d.h. UV) verantwortlich für den Effekt
ist.
Figur 1.
17.2.2 Definition des Photons
Einstein1 hat im Jahre 1905 eine wichtige Annahme über die Natur
des Lichts gemacht (die Photonentheorie des Lichts). Seine Vorstellung war in scharfem Kontrast zur Wellentheorie des Lichts.
Er schlug vor, dass
1. A. Einstein (1789-1956).
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Die Quantisierung des Lichts
elektromagnetische Welle nicht kontinuierlich im Raum verteilt sind, sondern in kleinen Paketen quantisiert sind.
Elektromagnetische Wellen entstehen aus der Bewegung einer
endlichen Zahl von im Raum lokalisierten Quanten, die nur
als Ganzes absorbiert oder emittiert werden können.
Diese Quanten werden als Photonen (g) bezeichnet.
Elektromagnetische Wellen sind deshalb als Strahlung von
Elementarteilchen (die Photonen) zu betrachten.
hc
l
Die Energie eines einzelnen Photons ist durch die Beziehung
gegeben:
E = hn =
= J .s
1061
wobei n die Frequenz der elektromagnetischen Welle, l die
Wellenlänge, c die Lichtgeschwindigkeit bedeuten, und h ist
die Plancksche Konstante.
Einheit:
[Frequenz]
Energie]
[h] = [
Der Wert der Planckschen Konstante h ist
h = 6, 63 ¥ 10 -34 J .s = 4,14 ¥ 10 -15 eV .s
Das Produkt hc ist gleich (1eV=1,602x10–19 J)
hc ª 2 ¥ 10 -25 J .m = 1, 2 eV .mm
Beispiel: sichtbares Sonnenlicht
Physik
1062
Quantenmechanik
hc 1, 2 eV .mm
ª
= 3 eV
0, 4 mm
l
E Rot ª
1, 2 eV .mm
= 1, 7 eV
0, 7mm
Sichtbares Spektrum l ª 0,4(Violett)-0,7(Rot) µm
EViolett =
Anzahl der Photonen auf der Oberfläche der Erde:
(2eV )(1, 602 ¥ 10 -19 J )
150 W / m 2
= 4, 7 ¥ 1016 g / s / cm 2 !!
Annahme: PSonneª150 W/m2 auf der Erdoberfläche, Egª2 eV
Ng ª
Eine sehr grosse Anzahl von Photonen! Wir beginnen zu merken,
dass die Plancksche Konstante sehr klein ist relativ zur Grösse der
Energien und Zeiten, die uns aus dem Alltag vertraut sind.
Demonstrationsexperiment: Photonenzähler
Um einzelne Photonen nachzuweisen, verwenden wir einen “Photomultiplier” (Siehe Abb. 2), der ein elektrisches Signal erzeugt,
wenn ein Photon von der Photokathode des Photomultipliers nachgewiesen wird. Der elektrische Puls erzeugt einen höhrbaren Ton.
Der Hörsaal wird verdunkelt und der Photomultiplier eingeschaltet.
Man hört einige Töne, wenn einzelne Photonen nachgewiesen werden. Wir benutzen nun ein Feuerzeug als Photonenquelle. Das Feurzeug wird angezündet und man bemerkt, dass die Rate von
nachgewiesenen Photonen zunimmt. Wir nähern nun die Quelle dem
Photomultiplier und die Rate der Photonen nimmt weiter zu.
Schliesslich befindet sich das Feuerzeug sehr nah am Photomultiplier.
Die Rate der nachgewiesenen Photonen wird riesig.
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Die Quantisierung des Lichts
Photosensor
Photenzähler: einzelne Photonen werden mit einem Photosensor
(“Photomultiplier”) nachgewiesen.
Figur 2.
17.2.3 Erklärung des Photoelektrischen Effekts
In scharfem Kontrast zur Wellentheorie des Lichts ist die Energie der
Welle im Fall der Photonentheorie in einzelnen Punkten konzentriert.
Wir können das Photonenbild auf den photoelektrischen Effekt
anwenden und damit schreiben:
E = hn = A + E k
1063
wobei E die Energie des Photons ist. Diese Gleichung wird so interpretiert, dass ein Photon eine Energie E in die Metalloberfläche trägt,
wo sie dann von einem einzelnen Elektron absorbiert wird. Ein Teil
Physik
1064
Quantenmechanik
dieser Energie wird für das Entweichen des Elektrons aus dem Metall
gebraucht: das Elektron war ursprünglich im Metall gebunden und
die sogenannte Austrittsarbeit A wird gebraucht, um das Elektron
freizusetzen. Die übrige Energie wird in kinetische Energie des Elektrons Ek umgewandelt:
E k = hn - A
Diese Energie ist die maximale kinetische Energie, die das Elektron
nach dem Verlassen der Metalloberfläche haben kann.
E k = hn 0 - A = 0
fi
hn 0 = A
Das Intensitätsproblem: Wenn wir die Lichtintensität vergrössern, nimmt die Anzahl der Photonen entsprechend zu und damit
die Anzahl von herausgeschlagenen Elektronen.
Das Frequenzproblem: Wenn die kinetische Energie des Elektrons gleich Null ist, erhalten wir:
Mit dieser Theorie können die ursprünglichen Probleme (Siehe
Kap. 17.2.1) gelöst werden:
1.
2.
3.
Diese Gleichung zeigt, dass, wenn die Frequenz des Lichts kleiner
als n0 ist, wird kein einziges Photon die Energie haben, die zur
Emission erforderlich ist. Dies gilt unabhängig von der Intensität
des Lichts.
Das Problem der Zeitverzögerung: In der Photonentheorie ist
die Energie des Lichts nicht mehr gleichmässig über den Querschnitt des Strahls verteilt, sondern wird sich an einzelnen Punkten
konzentrieren. Damit wird das Elektron unmittelbar nach Auftreffen des Lichts herausgeschlagen.
Die Photonentheorie ist in guter Übereinstimmung mit den experimentellen Daten. Einige Werte der Austrittarbeit für verschiedene
Materialien sind in Tabelle 1 aufgelistet.
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Die Quantisierung des Lichts
Austrittsarbeit (eV)
Tabelle 1.
Stoff
5,0
4,08
4,7
Aluminium
Kupfer
5,1
Beryllium
Gold
5,01
4,14
Nickel
6,35
4,5
Platin
4,3
4,73
Eisen
Silber
Blei
Zink
17.2.4 Ruhemasse des Photons:
Jedes Photon verhält sich wie ein Teilchen und besitzt deshalb eine
Energie E und einen Impuls p.
pem - Druck =
E
c
(Totalabsorption)
1065
Wir haben in Kap. 16.6 schon erwähnt, dass auch in der klassischen
Theorie elektromagnetische Wellen Energie und Impuls tragen. Wir
haben in Kap. 16.6.3 gesehen, dass im Fall der Totalabsorption der
Welle die Beziehung zwischen der Energie der Wellen und dem übertragenen Impuls die folgende ist
Physik
1066
Quantenmechanik
fi
b=
pc
=1
E
fi E = pc ( Photonen )
Die Photonen müssen sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die
Beziehung zwischen Energie und Impuls der Photonen folgt deshalb
aus der Relativitätstheorie
b = v /c =1
r
2
Wenn die Photonen von einer Fläche absorbiert werden, ist natürlich
die gesamte Energie und der gesamte Impuls erhalten. Die Welle
scheint deshalb Energie und Impuls zu tragen.
Weil (Siehe Kap. 14.12)
( E ) 2 - ( pc ) 2 = (m0c 2 )
folgt, dass die Ruhemasse des Photons gleich null ist:
r
E = pc fi m0c 2 ∫ 0
( Photonen )
Wir sprechen von masselosen Elementarteilchen.
Es folgt daraus, dass es kein Bezugssystem gibt, relativ zu
welchem Photonen sich in Ruhe befinden.
Photonen besitzen nur kinetische Energie und bewegen sich relativ zu
allen Beobachtern mit derselben Geschwindigkeit, der Lichtgeschwindigkeit.
b =1 ¤
g =•
Streng genommen ist der Lorentzfaktor von Photonen gleich unendlich:
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Die Quantisierung des Lichts
Das Photon kann nur eine endliche Energie besitzen, wenn es masselos ist:
E = gm0c 2 Æ (•)(0)c 2 = endlicher Wert
17.2.5 Spin des Photons
Wir sind an der Polarisation der Photonen interessiert. Wir haben in
Kap. 16.5 gesehen, dass elektromagnetische Wellen polarisiert sein
können.
Die Polarisation muss einem internen Freiheitsgrad des Photons entsprechen.
Wir sagen, dass
die Polarisation der Welle dem Spin J der Photonen entspricht.
Weil es zwei unabhängige mögliche Polarisationen einer elektromagnetischen Welle gibt (d.h. z.B. vertikale oder horizontale Richtungen), kann der Spin des Photons nur zwei unabhängige Werte
annehmen.
oder
J z = -1
1067
Der Spin wird als ein Vektor betrachtet, der nur in Bewegungsrichtung oder in entgegengesetzer Bewegungsrichtung des Photons zeigen kann! Siehe Abb. 3.
J z = +1
Diese Richtungen werden als
bezeichnet.
Physik
1068
Bewegungsrichtung
z
z
Spin Jz=+1
Bewegungsrichtung
Spin Jz=–1
Der Spin des Photons kann in zwei unabhängige Richtungen
Quantenmechanik
γ
γ
Figur 3.
zeigen.
17.2.6 Die Compton-Streuung
Die Compton-Streuung wird im Fall der Wechselwirkung von Strahlung und Materie in den Bereichen der Röntgen- und der g-Strahlung
beobachtet.
Im Jahre 1923 führte Compton2 ein Experiment durch, bei dem
monochromatische Röntgenstrahlung auf Graphit fiel. Die Intensitätsverteilung der gestreuten Röntgenstrahlung wurde in Abhängigkeit der Wellenlänge gemessen:
Compton fand, dass die Streuintensität bei zwei Wellenlängen
ein Maximum hat. Das eine Maximum liegt bei der Wellenlänge der einfallenden Strahlung und das andere bei der um
einen bestimmten Betrag Dl grösseren Wellenlänge l’. Diese
2. A. H. Compton (1892-1962).
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Die Quantisierung des Lichts
1069
sogennante Compton-Verschiebung ändert sich mit dem Winkel, unter dem die gestreuten Röntgenstrahlen beobachtet
werden. Siehe Abb. 4.
Figur 4. Compton-Streu-Experiment: die Intensität der gestreuten
Strahlung wird als Funktion der Wellenlänge l’ für verschiedene
Streuwinkel gemessen (http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu/).
Physik
1070
Quantenmechanik
h
(1 - cosf )
me c
Die Compton-Verschiebung kann in quantitativer Form so ausgedrückt werden:
Dl = l ¢ - l =
wobei f der Streuwinkel ist, und me die Ruhemasse des Elektrons.
Demonstrationsexperiment: Streuung von Photonen an Elektronen
in Cu mit 137Cs (662 KeV)
Eine Cesium-137 Quelle mit einer Aktivität von ca. 1,7 MBq (eine
Aktivität von 1 Becquerel3 (=1 Bq) entspricht einem radioaktiven
Prozess pro Sekunde) emittiert einzelne Photonen der Energie
662 KeV.
Die Photonen werden in einem vertikalen Kupfer-Target gestreut
(Siehe Abb. 5). Mit einem Detektor werden die Photonen nachgewiesen und ihre Energie als Funktion des Streuwinkels gemessen. Das
Spektrum der nachgewiesenen Photonen (d.h. ihre Energieverteilung)
wird gemessen und mit Hilfe eines Computers anzegeigt.
Wir beobachten die Energieverteilung der Photonen für verschiedene
Streuwinkel. Wir bemerken, dass die mittlere Energie der nachgewiesenen Photonen tatsächlich vom Streuwinkel abhängt. Sie nimmt mit
zunehmendem Winkel ab.
3. Antoine Henri Becquerel (1852-1908).
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Die Quantisierung des Lichts
Quelle
Detektor
Kupfer-Target
Anordnung der Photon-Streuung an Elektronen.
Anzeige des Spektrums der Photonen (Energieverteilung)
Figur 5.
Wir bemerken:
Eine einfache Erklärung der Compton-Streuuung kann man
gewinnen, wenn man sich vorstellt, dass Photonen und Elektronen einander wie Billardkugeln stossen.
1071
Wir betrachten einen Stoss zwischen einem Photon und einem Elektron, von dem wir annehmen, dass es anfänglich in Ruhe und nahezu
frei ist (wir vernachlässigen, dass das Elektron an ein Atom gebunden
ist). Wir wenden die Energie-Impuls-Erhaltung an. Wir müssen den
relativistischen Ausdruck für die Energie des Elektrons und Photons
verwenden.
Physik
1072
Quantenmechanik
hn + me c 2 = hn ¢ + gme c 2
Die Erhaltung der Gesamtenergie kann so geschrieben werden:
vor dem Stoss
hn
Elektron
x
q
Elektron
nach dem Stoss
hn ¢
Kinematische Konfiguration bei Compton-Streuung.
f
wobei wir die Gesamtenergie (Ruhemasse und kinetische) des Elektrons vor und nach dem Stoss und die Energie des Photons vor und
nach dem Stoss betrachtet haben (Siehe Abb. 6).
y
Figur 6.
Die vektorielle Impulserhaltung sieht so aus:
r
r
r
pg = pg ¢ + pe
und
pg =
Eg hn
=
,
c
c
pg ¢ =
hn ¢
c
wobei die Beträge der relativistischen Impulse des Elektrons und des
Photons sind:
pe = gme v e
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Die Quantisierung des Lichts
Ï hn h n ¢
=
cosf + gme v e cosq
ÔÔ c
c
Ì
hn ¢
Ô
ÔÓ0 = c sin f + gme v e sin q
Wir erhalten für die x- und y-Komponente:
und für die Energie:
hn = hn ¢ + (g - 1) me c 2
Im Experiment wurden die Rückstosselektronen nicht beobachtet.
Man muss ve (d.h. auch g) und q vom Gleichungssystem eliminieren:
2
2
ÏÊ hn hn ¢
2
ˆ
Ï hn hn ¢
cosf˜ = (gme v e cosq )
ÔËÁ
cosf = gme v e cosq
¯
c
c
Ô
ÔÔ c
c
fi Ì
Ì
2
2
ˆ
ÔÊ hn ¢
Ô hn ¢
m
=
sin
f
g
e v e sin q
sin f˜ = (gme v e sin q )
ÁÓÔ c
¯
ÓÔË c
oder
2
2
2
2
2
2
ˆ
Ê hn hn ¢
ˆ Ê hn ¢
cosf˜ + Á
sin f˜ = (gme v e ) (sin 2 q + cos2 q ) = (gme v e )
Á
Ë c
¯ Ë c
¯
c
und
2
2
hn hn ¢
2
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
cosf + Á
Á ˜ -2
˜ = (gme v e )
Ë c ¯
Ë c ¯
c c
1073
hn hn ¢
2
Ê hn ˆ
Ê hn ¢
ˆ Ê hn ¢
ˆ
cosf + Á
cosf˜ + Á
sin f˜ = (gme v e )
Á ˜ -2
Ë c
¯ Ë c
¯
Ë c ¯
c c
Es folgt:
Physik
1074
Quantenmechanik
1
1 - (v e / c )
Ê
2
hn - hn ¢
me c 2
-2
hn - hn ¢ ˆ ˆ
˜ ˜
me c 2 ¯ ¯
=1+
Aus der Energiegleichung erhalten wir:
g=
Die Geschwindigkeit ist gleich:
Ê
Ë
(v e )2 = c 2 Á1 - ËÁ1 +
Damit können ve und g vom System eliminiert werden:
2
2
hn hn ¢
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
cosf + Á
Á ˜ -2
˜ =
Ë c ¯
Ë c ¯
c c
2
-2
Ê Ê
Ê
ˆ
h
- hn ¢ ˆ ˆ
h
n
h
n
n
¢
2
2
Á1 +
˜ ( me ) c Á1 - Á1 +
˜ ˜
me c 2 ¯ ¯
me c 2 ¯
Ë
Ë Ë
2
2
2
Ê
ˆ
hn - hn ¢ ˆ
hn hn ¢
2 Ê
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
cosf + Á
˜ = ( me c ) Á Á1 +
Á ˜ -2
˜ - 1˜
Ë c ¯
Ë c ¯
me c 2 ¯
c c
ËË
¯
2
2
hn hn ¢
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
fi Á ˜ - 2
cosf + Á
˜ =
Ë c ¯
Ë c ¯
c c
Ê Ê hn - hn ¢ ˆ Ê hn - hn ¢ ˆ 2 ˆ
˜ ˜
˜ +Á
me c 2 ¯ Ë me c 2 ¯ ¯
Ë
(mec )2 Á 2ËÁ
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Quantisierung des Lichts
2
2
2
2
2
Ê
h
h
n
n
¢
Ê
ˆ ˆ
˜
Á 2 me ( hn - hn ¢ ) + ËÁ
¯ ¯˜
c
Ë
hn hn ¢
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
fi Á ˜ - 2
cosf + Á
˜ =
Ë c ¯
Ë c ¯
c c
2
2
2
Ê
Ê hn ˆ Ê hn ¢ ˆ
Ê hnhn ¢ ˆ ˆ
Á 2 me ( hn - hn ¢ ) + ËÁ c ¯˜ + ËÁ c ¯˜ - 2ËÁ c 2 ¯˜ ˜
Ë
¯
hn hn ¢
Ê hn ˆ
Ê hn ¢ ˆ
fi Á ˜ - 2
cosf + Á
˜ =
Ë c ¯
Ë c ¯
c c
2
Ê hˆ
Ê 1 ˆ
Ê hˆ
fi Á ˜ - 2 h 2 Á
˜ cosf + Á ˜ =
Ë l¯
Ë ll ¢ ¯
Ë l¢¯
Dl ∫ l ¢ - l =
h
(1 - cosf )
mc
e
Êm c
ˆ
fi 1 - cosf = Á e (l ¢ - l )˜
Ë h
¯
2
2
Ê
ˆ
1
1
h
h
Ê
ˆ
Ê
ˆ
Ê
ˆ
2Ê 1 ˆ
Á 2 me hc ËÁ l - l ¢ ¯˜ + ËÁ l ¯˜ + ËÁ l ¢ ¯˜ - 2 h ËÁ ll ¢ ¯˜ ˜
Ë
¯
und wie erwartet:
Physik
1075
1076
Quantenmechanik
17.3 Die Wellennatur der Teilchen
17.3.1 Die Hypothese von de Broglie
Louis de Broglie4 schlug im Jahr 1924 vor, dass
auch Elektronen, wie Photonen, Wellen- und Teilcheneigenschaften besitzen.
und
E = pc fi
pc =
hc
fi
l
hw
∫ hw
2p
und
p=
p=
h
l
h hk
=
∫ hk
l 2p
h
ª 1, 054 ¥ 10 -34 J .s
2p
p=
h
l
Wenn die Photonen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften
besitzen, warum sollte dies nicht auch für Elektronen gelten?
hc
l
Für das Photon schlug Einstein vor, dass
E = hn =
und
Für ein Elektron müssen dieselben Gleichungen gelten:
E = hn
wobei E die Energie und p der Impuls des Elektrons ist.
E = hn =
Oft werden diese Beziehungen so geschrieben:
wobei
h=
4. L. de Broglie (1892-1987).
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Quantenmechanik
Ï0 wenn 0 < x < d
E pot ( x ) = Ì
Ó• andernfalls
Die Wellennatur der Teilchen
p = 2 me E kin
d
Die Definition des eindimensionalen Kastenpotentials Epot(x).
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
In der klassischen Mechanik würde man die Position des Elektrons
mit Hilfe seines Ortsvektors beschreiben. Wir sagen, dass zur Zeit t
das Elektron sich bei der Position r befindet, wobei r der Ortsvektor
des Elektrons ist.
Figur 7.
Epot(x)
Siehe Abb. 7.
Der eindimensionale Kasten der Breite d wird durch einen Potentialtopf mit unendlich hohen Wänden beschrieben, wobei gilt
fi
hc
2 me c 2 E kin
1, 23 ¥ 10 -9 m
U (Volt)
1078
Beispiel: nicht-relativistisches Elektron
Sein Impuls ist
E kin
h
=
2 me E kin
1
p2
= me v 2 =
2
2 me
h
=
p
und seine Wellenlänge ist
l=
hc
2 me c 2eU
ª
Wenn ein ruhendes Elektron durch einen Potentialunterschied U
beschleunigt wird, ist seine kinetische Energie gleich
E kin = eU fi l =
Für U=10’000 Volt finden wir l ª 1,23x10–11 m.
Wir bemerken noch einmal, dass die Plancksche Konstante klein ist.
Sie führt zu Wellenlängen, die sehr klein sind, relativ zur Grösse der
Längen, die uns aus unserem Alltag vertraut sind.
17.3.2 Ein Elektron in einem Kasten
Wir betrachten ein endliches Volumen V, das die Form eines Kastens
besitzt. Wir nehmen an, dass ein Elektron sich im Volumen V befindet.
1077
Um das Problem zu vereinfachen, werden wir die eindimensionale
Lösung suchen.
Physik
Die Wellennatur der Teilchen
E=
e
p2
+ E pot
2m
Die klassische, nicht-relativistische, gesamte Energie des Elektrons
ist
Weil
E pot ( x ) = • wenn x < 0 oder x > d
kann das Elektron sich nie in diesen Bereichen befinden. Das Elektron muss deshalb im Kasten bleiben.
In der Quantenmechanik kann das Elektron nicht mehr mit Hilfe seines Ortsvektors lokalisiert werden. Wir müssen das Elektron als eine
Welle betrachten.
Das Elektron wird mit Hilfe seiner Wellenfunktion y beschrieben:
r
y = y ( r , t)
y = y ( x, t)
Ïin 3 Dimensionen:
Wellenfunktion: Ì
Óin 1 Dimension:
Wir müssen für die Wellenfunktion eine Bedingung finden, die der
Tatsache entspricht, dass das Elektron sich nie ausserhalb des Kastens
befinden wird. Wir nehmen an, dass die Wellenfunktion des Elektrons
ausserhalb des Kastens verschwindet (diese Annahme gilt nur, wenn
das Kastenpotential unendlich hoch ist) !
y ( x, t) ∫ 0 wenn x £ 0 oder x ≥ d
1079
Randbedingung für Kastenpotential
Wir werden deshalb der Wellenfunktion sogenannte Randbedingungen auferlegen
y (0, t) = y ( d, t) ∫ 0
Physik
1080
Quantenmechanik
Zeitabhängigkeit
f ( t)
{
Wir suchen eine harmonische stationäre Lösung für das Elektron,
die die Randbedingungen erfüllt. In Analogie zu stehenden Wellen
(Siehe Kap. 6.8) faktorisieren wir die räumliche und die zeitliche
Abhängigkeit der Wellenfunktion:
Räumliche Abhängigkeit
Ansatz: y ( x, t) = ( A sin( kx ) + B cos( kx )) ¥
1444
424444
3
wobei A und B Konstanten sind, die bestimmt werden müssen.
B=0
und
kd = np
ÔÏy (0, t) = (0 + B) f ( t) = 0
Ì
ÓÔy ( d, t) = ( A sin( kd ) + B cos( kd )) f ( t) = 0
Aus den Randbedingungen folgt, dass die Wellenfunktion zu jeder
Zeit in den Punkten x=0 und x=d verschwinden muss:
oder
p
d
n = 1, 2, 3,...
wobei n als Quantenzahl bezeichnet wird.
Es folgt daraus,
kn = n
Wir sehen, dass als Folge der Randbedingung der Wellenvektor des
Elektrons ein ganzzahliges Vielfaches von p/d sein muss.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Ê h2 ˆ
p2
n
= n2Á
˜
2 me
Ë 8 me d 2 ¯
wobei
Ê h2 ˆ
E1 = Á
˜
Ë 8 me d 2 ¯
Die Energie ist quantisiert. D.h., das Elektron kann nicht eine
beliebige Energie annehmen. Da die Energie E von der Quantenzahl n abhängt, kann die Energie des Elektrons nur die Werte
E n = n 2 E1
annehmen!
Die Energie mit n=1 ist die Grundzustandsenergie, d.h. die niedrigste Energie, die das Elektron im Kasten besitzen kann.
Die Energie und der Impuls des Elektrons im endlichen Kasten
werden nie verschwinden, d.h. n>0 ! Das Elektron kann im Kasten
nie ruhen. Es besitzt immer eine minimale kinetische Energie und
wird sich immer bewegen.
Es gilt
2
Ê h 2 ˆ 1 (6, 63 ¥ 10 -34 J .s) 1 6 ¥ 10 -38 J 3, 8 ¥ 10 -19 eV
E1 = Á
ª
ª
=
˜
d2
d2
Ë 8 me ¯ d 2 8(9,11 ¥ 10 -31 kg) d 2
Wir haben in Kap. 11.3.4 gesehen, dass in Atomen der Abstand der
Elektronen vom Kern ungefähr bei
rElektron ª 10 -10 m
(10
-10
m)
2
3, 8 ¥ 10 -19 eV
ª 40 eV !!
liegt. Die minimale Energie eines Elektrons, das sich in einem
Kasten des Durchmessers gleich diesem Radius befindet, ist gleich
E1 ª
2 E1
ª 0, 01c
me
Diese Energie entspricht der Geschwindigkeit
p1 = 2 me E1 = me v e fi v e =
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
4.
3.
2.
Wir bemerken:
Quantenmechanik
En =
Die Wellennatur der Teilchen
und
1.
hkn hnp nh
=
=
2p
2pd 2 d
1082
Mit Hilfe der Beziehungen von de Broglie können wir die Energie
und den Impuls des Elektrons im Kasten bestimmen:
pn ∫ hkn =
Die Wellenfunktionen für n=1,2,..,6 und die entsprechenden Energien
sind in Abb. 8 gezeigt.
ψ
1081
Figur 8. Die (räumliche) Abhängigkeit der stationären Wellenfunktionen
h=1
und die entsprechenden Energien eines Elektrons in einem Kasten (h
und me=1).
Physik
Die Schrödinger-Gleichung
5.
Ein Elektron kann sich nie im Bereich eines Atoms befinden, und
sich langsamer als mit 1% der Lichtgeschwindigkeit bewegen.
Die niedrigste Energie nimmt mit der Grösse des Kastens d im
Quadrat ab. Für makroskopische Längen ist sie natürlich vernachlässigbar, und wir finden das klassische Ergebnis wieder zurück.
Ein Elektron in einem makroskopischen Kasten kann sich in Ruhe
befinden. Dieses Ergebnis ist aber nur eine Näherung.
17.4 Die Schrödinger-Gleichung
Im Jahr 1926 formulierte E. Schrödinger5 eine Wellengleichung zur
Beschreibung der Ausbreitung der Wellenfunktion des Teilchens, in
Analogie zur Wellengleichung für klassische mechanische oder elektromagnetische Wellen.
Die gesamte klassische Energie eines nicht-relativistischen Teilchens,
das sich in einem Potential bewegt, ist gleich
r
r
p2
+ E pot ( r , t)
2m
E=
und
r
Ê ∂ ∂ ∂ˆ
r
p ∫ -ih— = -ihÁ , , ˜
Ë ∂x ∂y ∂z ¯
1083
Schrödinger postulierte, dass man die klassische EnergieImpuls-Beziehung benutzen muss, und die Energie und den
Impuls durch Operatoren, die auf die Wellenfunktion wirken,
ersetzen muss:
∂
E ∫ ih
∂t
5. E. Schrödinger (1887-1961).
Physik
1084
Quantenmechanik
Ey ∫ ih
∂
y
∂t
Der Energie-Operator (wird auch als Hamilton-Operator bezeichnet) wird folgendermassen benutzt
und der Impuls-Operator
r
Ê ∂y ∂y ∂y ˆ
r
,
, ˜
py ∫ -ih—y = -ihÁ
Ë ∂x ∂y ∂z ¯
(
)
Die kinetische Energie wird so berechnet
r
2
r
r
2
Ê p2 ˆ
h
h 2 Ê ∂ 2y ∂ 2y ∂ 2y ˆ
1
+
+
— 2y =
-ih— y =
Á
˜
Á ˜y =
2m
2m
2 m Ë ∂x 2 ∂y 2 ∂z 2 ¯
Ë 2m ¯
wobei wir den Laplace-Operator (Siehe Kap. 16.2.1) erkennen.
Die Schrödinger-Gleichung wird deshalb so hergeleitet:
r
r
r
r
r
p2
Ey ( r , t) =
y ( r , t) + E pot ( r , t)y ( r , t)
2m
oder
r
r
- h2 r 2 r
∂ r
— y ( r , t) + E pot ( r , t)y ( r , t)
ih y ( r , t) =
∂t
2m
Schrödinger - Gleichung
Diese Differentialgleichung setzt die zeitliche und die räumlichen
partiellen Ableitungen der Wellenfunktion miteinander in Beziehung.
Sie beschreibt, wie die klassische Wellengleichung, die zeitliche Entwicklung der Wellenfunktion.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Schrödinger-Gleichung
Die Zeitentwicklung der Wellenfunktion wird deshalb durch Integration der Schrödinger-Gleichung gewonnen.
Wir bemerken, dass die Schrödinger-Gleichung explizit die imaginäre Zahl i verwendet. Deshalb erwarten wir, dass die allgemeinen
Lösungen der Schrödinger-Gleichung komplexwertig sind.
17.4.1 Ein freies Teilchen in einer Dimension
ih
- h2 ∂2
∂
y ( x, t) =
y ( x, t)
∂t
2 m ∂x 2
Wir betrachten die Schrödinger-Gleichung:
Ansatz:
y ( x, t) = Ae i( kx -wt ) = A cos( kx - wt) + Ai sin( kx - wt)
wobei k der Wellenvektor und w die Kreisfrequenz ist.
Es folgt,
∂
- h2 ∂2
ih ( Ae i( kx -wt ) ) =
( Ae i( kx -wt ) )
∂t
2 m ∂x 2
- h2
(ik ) 2 Ae i( kx -wt )
2m
ih(-iw ) Ae i( kx -wt ) =
hw =
h2k 2
2m
freies Teilchen
1085
und die Beziehung zwischen dem Wellenvektor und der Kreisfrequenz des freien Teilchen (die Dispersion-Beziehung) ist
Physik
1086
Quantenmechanik
h 2
k
2m
fi 2pn =
2
h Ê 2p ˆ
h Ê 1ˆ
Á ˜ fi n =
Á ˜
2m Ë l ¯
2m Ë l ¯
2
Damit ist die Beziehung zwischen Frequenz n und Wellenlänge l des
Elektrons die folgende:
w=
fi
2pn = c
2p
l
fi
n=
c
l
Diese Beziehung ist verschieden von der im Fall von elektromagnetischen oder mechanischen Wellen. Im Kap. 16.3.1 haben wir für eine
harmonische elektromagnetische Welle mit der Bedingung, dass sich
die Welle mit der Lichtgeschwindigkeit ausbreitet, folgende Beziehung gefunden:
w = ck
p2
, E = hw und p = hk
2m
fi
hw =
h2k 2
2m
Die Dispersion-Beziehung des Elektrons ist aber das Analogon zu der
Beziehung zwischen Energie und Impuls und sollte deshalb erwartet
werden. Mit Hilfe der Gleichungen von de Broglie finden wir tatsächlich folgendes:
E=
Dass die Frequenz des freien Elektrons vom Inversen des Quadrats
der Wellenlänge abhängt, wird deshalb erwartet, wenn wir bemerken,
dass die Energie zum Quadrat des Impulses proportional ist.
17.4.2 Die stationären Zustände
Um eine stationäre Lösung der Schrödinger-Gleichung zu finden,
werden wir, in Analogie zu den stehenden Wellen, einen Ansatz
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Schrödinger-Gleichung
Zeitabhängigkeit
betrachten, in dem die räumliche und die zeitliche Abhängigkeit faktorisiert werden (Siehe Kap. 6.8 und 17.3.2):
r
f{
(r )
¥
c ( t)
{
Ansatz: y ( x, t) =
Räumliche Abhängigkeit
Im Fall, dass die potentielle Energie Epot unabhängig von der Zeit ist,
wird sich die Schrödinger-Gleichung vereinfachen:
r
r
r
∂
- h2 r 2 r
ih (f ( r ) c ( t)) =
— (f ( r ) c ( t)) + E pot ( r )(f ( r ) c ( t))
∂t
2m
r
r ∂
r
r
r
- h2
c ( t)— 2 (f ( r )) + E pot ( r )(f ( r ) c ( t))
fi ihf ( r ) ( c ( t)) =
∂t
2m
r
1 ∂c ( t) - h 2 1 r 2 r
=
fi ih
r — f ( r ) + E pot ( r )
c ( t) ∂t
2m f (r )
Wir bemerken, dass die linke Seite der letzten Gleichung nur von der
Zeit abhängt und die rechte Seite nur vom Ortsvektor. Beide Seiten
sind deshalb voneinander unabhängig und müssen gleich einer Konstanten sein!
Ansatz:
1087
1 ∂c ( t)
= ihe iwt (-iw )e - iwt = hw = E = Konst. Æ ok!
c ( t) ∂t
c ( t) ∫ e - iwt
fi ih
Die allgemeine Lösung der stationären Zustände ist dann
r
r
y ( r , t) = f ( r )e - iwt
Physik
1088
r
r
r
∂
- h 2 r 2 r - iwt
ih (f ( r )e - iwt ) =
— (f ( r )e ) + E pot ( r )(f ( r )e - iwt )
∂t
2m
r
r
r
- h 2 r 2 r - iwt
E (f ( r )e - iwt ) =
— (f ( r )e ) + E pot ( r )(f ( r )e - iwt )
2m
Quantenmechanik
wobei
oder
r - h2 r 2 r
r r
Ef ( r ) =
— f ( r ) + E pot ( r )f ( r )
2m
Zeitunabhängige Schrödinger - Gleichung
Diese Gleichung hängt natürlich nur vom Ortsvektor ab. Wenn die
potentielle Energie bekannt ist, kann sie im Prinzip gelöst werden,
um die räumliche Abhängigkeit der Wellenfunktion zu finden.
Die vollständige Lösung ist dann
r
r
y ( r , t) = f ( r )e - iwt
wobei wir eine sehr einfache Zeitabhängigkeit erkennen. Die Kreisfrequenz ist gleich
w = E /h
17.4.3 Die Interpretation der Wellenfunktion
Die Wellenfunktion y kann komplexe Werte annehmen. Ihre Interpretation wurde während des ersten Teils des 20. Jahrhunderts viel diskutiert.
M. Born6 hat eine Interpretation der Wellenfunktion gegeben, die
heutzutage als die richtige angenommen wird:
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Schrödinger-Gleichung
Die Wellenfunktion beschreibt den Zustand des Elektrons. Ein
Elektron wird tatsächlich als ein “Teilchen” nachgewiesen:
Das Betragsquadrat der Wellenfunktion entspricht der Wahrscheinlichkeit, das Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden.
Sein Verhalten, d.h. sein Impuls und seine Energie, wird aber
durch seine Wellenfunktion beschrieben.
In mathematischer Form:
1) Die Wahrscheinlichkeit P, dass das Teilchen sich in einem
infinitesimalen Volumen dV an einem Punkt r befindet, ist
gleich
r 2
r
r
y ( r , t) dV = y * ( r , t)y ( r , t) dV
V
wobei y* die komplex Konjugierte der Wellenfunktion ist.
V
2) Die mittlere Position des Elektrons im Volumen V (oder
der sogenannte Erwartungswert des Ortsvektors r) wird deshalb durch die folgende Beziehung gegeben:
r
r r 2
r r r
r ( t) = ÚÚÚ r y ( r , t) dV = ÚÚÚ y * ( r , t) r y ( r , t) dV
V
V
r
r r r
p( t) = ÚÚÚ y * ( r , t) py ( r , t) dV
1089
3) Die mittlere Energie und der mittlere Impuls werden in
ähnlicher Weise durch ihre Erwartungswerte bestimmt:
r
r
E ( t) = ÚÚÚ y * ( r , t) Ey ( r , t) dV
6. M. Born (1882-1970).
Physik
1090
Quantenmechanik
Wir bemerken, dass das Elektron nicht mehr in einem bestimmten
Punkt des Raumes lokalisiert wird. Tatsächlich kann man nicht mehr
sagen, wo das Elektron sich befindet!
Die Schrödinger-Gleichung sagt nicht voraus, wie sich das
Elektron als Funktion der Zeit bewegt. Sie sagt voraus, wie
die Wellenfunktion des Elektrons sich ausbreitet. Die Wellenfunktion sagt nicht voraus, wo das Elektron sich befindet. Sie sagt voraus, was die Wahrscheinlichkeit ist, das
Elektron an einem bestimmten Ort zu finden.
Wir können deshalb nicht mehr die Bahnkurve eines Elektrons definieren.
Beispiel: Elektron im Kastenpotential.
y ( x, t) ∫ f ( x )e - iwt
Wir betrachten die eindimensionalen stationären Wellenfunktionen
des Elektrons im Kasten
Stationärer Zustand fi
2
2
weil
e iz = 1
Das Betragsquadrat des räumlichen Teils der Wellenfunktionen ist in
Abb. 9 gezeigt:
2
y ( x, t) = f ( x )e - iwt = f ( x )
Der zeitabhängige Teil spielt deshalb keine Rolle im Betrag. Wenn
das Elektron sich in einem stationären Zustand befindet, ist die Wahrscheinlichkeit, es an einem bestimmten Punkt des Raumes zu finden,
unabhängig von der Zeit!
Wir bemerken auch, dass das Elektron im Raum nicht lokalisiert ist. D.h., es gibt verschiedene unabhängige entfernte
Raumgebiete, in denen die Wahrscheinlichkeit, das Elektron
zu finden, nicht verschwindet.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Schrödinger-Gleichung
Die Anzahl dieser Raumgebiete hängt von der Energie ab und nimmt
mit ihr zu.
Figur 9. Das Betragsquadrat der Wellenfunktionen, die die stationären
Zustände des Elektrons im Kasten beschreiben.
17.4.4 Reduktion der Wellenfunktion
Wir haben gesehen, dass ein Elektron im Raum nicht lokalisiert sein
muss.
1091
Es kann z.B. sein, dass das Elektron sich in sehr entfernten
Raumgebieten mit gleicher Wahrscheinlichkeit befinden kann!
Siehe Abb. 10.
Physik
1092
Quantenmechanik
Vor dem Nachweis:
Wahrscheinlichkeit von 50%
Wahrscheinlichkeit von 50%
Nach dem Nachweis (Reduktion der Wellenfunktion):
Wahrscheinlichkeit von 100%
Figur 10. Reduktion der Wellenfunktion. Wenn das Elektron nachgewiesen
wird, wird seine Wellenfunktion auf den Punkt, wo es nachgewiesen wird,
reduziert.
Was geschieht, wenn das Elektron nachgewiesen wird?
Wir haben gesagt, dass das Elektron sich als ein Teilchen verhalten
wird. D.h., ein Elektron wird immer an einem bestimmten Punkt des
Raumes nachgewiesen.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Schrödinger-Gleichung
Die Wellenfunktion beschreibt die Wahrscheinlichkeit vor dem Nachweis, das Elektron an einem bestimmten Punkt zu finden.
Nach dem Nachweis ist das Elektron lokalisiert. Wenn wir zur Zeit t
das Elektron an einem bestimmten Punkt nachweisen, muss sich zur
Zeit t das Elektron in diesem Punkt befinden.
Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron zur Zeit t an diesem
Punkt zu finden, muss gleich 100% sein.
Es folgt daraus, dass die Wellenfunktion sich spontan entsprechend
ändern wird, wenn das Elektron an einem bestimmten Punkt nachgewiesen wird. Wir sprechen von der Reduktion der Wellenfunktion.
Die Reduktion ist spontan, und wenn die Wellenfunktion vor
dem Nachweis sehr ausgedehnt war, dann muss sie spontan in
einen Punkt kollabieren.
Wenn wir die Wellenfunktion als eine räumlich ausgedehnte Welle
betrachten, würden wir sagen, dass während ihrer Reduktion sie sich
mit unendlicher Geschwindigkeit durch den Raum (d.h. schneller als
die Lichtgeschwindigkeit) bewegen muss.
Deshalb können wir die Wellenfunktion nicht als etwas betrachten,
das wirklich im Raum ausgedehnt ist.
1093
Die Reduktion der Wellenfunktion ist noch heutzutage das am wenigsten verstandene Rätsel der Quantenmechanik. Einstein hat z.B. diese
Erklärung als nicht befriedigend betrachtet.
Physik
1094
Quantenmechanik
17.5 Elektron durch Doppelspalt
Wir haben bemerkt, dass ein Elektron (oder ein Photon) sich unter
bestimmten Umständen wie ein Teilchen oder wie eine Wellen verhält. Man spricht von Dualismus.
N. Bohr7, der bei der Entwicklung der Quantenmechanik eine
wesentliche Rolle spielte, hat ein Komplementaritätsprinzip ausgedrückt:
Für die vollständige Beschreibung eines Teilchens braucht
man sowohl den Wellen- als auch den Teilchenaspekt.
Wir können nun ein Experiment betrachten, bei dem sich der Wellenund der Teilchenaspekt gleichzeitig zeigen müssen.
Elektron durch Doppelspalt: Im Experiment fällt ein Elektronstrahl
auf einen Doppelspalt.
Wir nehmen an, dass die Elektronen mit Hilfe eines Schirms nachgewiesen werden. Wenn die Elektronen auf den Schirm fallen, werden
sie Licht erzeugen. Man kann durch die Intensität des Lichts auf dem
Schirm die räumliche Verteilung der Elektronen berechnen.
Siehe Abb. 11.
7. N. Bohr (1885-1962).
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Elektron durch Doppelspalt
Elektronstrahl
d
θ
Intensität des Elektronstrahls
Schirm
Figur 11. Das erzeugte Beugungsmuster, wenn Elektronen auf einen
Doppelspalt fallen.
l
d
n = 0,1, 2,...
( Maxima)
Damit in einem Punkt ein Maximum der Intensität entsteht, muss gelten (Siehe Kap. 16.7.7)
sin q = n
wobei q der Winkel zwischen dem Elektronenstrahl und der Normalen auf den Schirm ist.
Für d>>l verschwindet der Beugungseffekt natürlich. Wir haben
z.B. eine solche Situation angetroffen, als wir den Einzelspalt studiert
haben. Siehe Kap. 16.7.6 und die entsprechenden Figuren.
1095
Wir erwarten deshalb Interferenzstreifen (d.h. ein Beugungsmuster) auf dem Schirm, wenn der Abstand d zwischen den
Physik
1096
Quantenmechanik
h
=
p
2 me c 2 E kin
hc
Spalten ungefähr so gross wie die Elektronenwellenlänge l
ist:
d ªl =
Für ein ruhendes Elektron, das durch einen Potentialunterschied von
10’000 Volt beschleunigt wird, ist die Wellenlänge ungefähr gleich
(Siehe Kap. 17.3.1) l ª 1,23x10–11 m. Dann muss der Abstand zwischen den Spalten ungefähr so “klein” sein!
Im Jahre 1961 gelang es C. Jönsson, diesen Effekt direkt nachzuweisen.
Siehe Abb. 12.
Wie erwartet ist das Beugungsmuster dasselbe wie bei der Beugung
von Licht, wenn die Elektronen sich wie Wellen verhalten.
Figur 12. Beugungsmuster von Elektronen beim Doppelspaltexperiment.
Das Muster ist dasselbe wie bei der Beugung von Licht.
Doppelspaltexperiment - Ein Elektron nach dem anderen. Wir
nehmen nun an, dass einzelne Elektronen durch die Anordnung
gesendet werden.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Elektron durch Doppelspalt
D.h.,
die Elektronen sind zeitlich so getrennt, dass sich zu einer
bestimmten Zeit nur ein einzelnes Elektron in der Anordnung
befindet.
Die Position eines Elektrons nach dem Doppelspalt wird mit Hilfe
eines Elektronendetektors nachgewiesen. Der Detektor wird einzelne
Elektronen nachweisen und wird ein elektrisches Signal erzeugen,
wenn ein Elektron von ihm absorbiert wird. Wir studieren die Rate
der Elektronensignale als Funktion der Position x entlang der vertikalen Achse (Siehe Abb. 13):
x
1097
Elektronendetector
Ein einzelnes Elektron wird natürlich nur in einem Punkt
nachgewiesen. Wir messen die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron in einem Punkt, ein Elektron nach dem anderen, nachzuweisen.
d
D
Nur ein Elektron durch Doppelspalt.
pelectron
Figur 13.
Physik
1098
Quantenmechanik
Beugungmuster mit 10 Elektronen.
Das Experiment kann schneller durchgeführt werden, wenn wir den
Schirm durch einen photographischen Film ersetzen. Der photographische Film wird einzelne Elektronen als kleine Punkte nachweisen.
Wenn wir 10 Elektronen durch die Spalten lassen, werden wir auf
dem Film z.B. das folgende Muster beobachten. Siehe Abb. 14.
Figur 14.
Wenn wir mehr Elektronen, ein Elektron nach dem anderen,
durch die Spalten lassen, werden wir den Aufbau der Interferenzstreifen beobachten!
Siehe Abb. 15.
Obwohl alle Elektronen denselben Anfangszustand haben
(gleicher Impuls, gleiche Anfangsposition vor dem Spalt, ...),
werden sie den Film an verschiedenen Orten treffen!
Nun können wir eine Frage über die Bahnkurve des Elektrons beantworten. Die Frage ist die folgende: durch welchen Spalt ist das Elektron gegangen?
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Elektron durch Doppelspalt
100 Elektronen
1000 Elektronen
10000 Elektronen
Intensitätsverteilung
Exp. Resultat
Figur 15. Simulation des Aufbaus der Interferenzstreifen, wenn Elektronen
auf den photographischen Film fallen.
1099
Wir haben im Experiment angenommen, dass sich zu einer bestimmten Zeit nur ein einzelnes Elektron in der Anordnung befindet. Das
Experiment zeigt aber, dass auch in diesem Fall Interferenzstreifen
entstehen. Sie bilden sich langsam, in dem ein Elektron nach dem
anderen auf den Film trifft.
Physik
1100
Quantenmechanik
Wenn wir das Beugungsmuster in diesem Fall beobachten, folgt, dass
das Elektron mit sich selbst interferieren muss. D.h., die Wellenfunktion des Elektrons spürt beide Spalte.
Die Wellenfunktion des einzelnen Elektrons wird mit sich
selbst interferieren, und sie bestimmt wo mit welcher Wahrscheinlichkeit die Elektronen auf den Film gelangen.
Das Elektron verhält sich wie eine im Raum ausgedehnte
Welle, wenn es durch die Spalte geht.
Im Prinzip könnten wir vor jeden Spalt einen Elektronendetektor
platzieren, der beim Durchgang eines Elektrons z.B. ein elektronisches Signal erzeugt.
Wir könnten dann versuchen die Bahnen der einzelnen Elektronen zu
identifizieren. Sobald wir die Anordnung bauen, beobachten wir, dass
die Interferenzstreifen verschwunden sind. Beim Durchgang durch
die Spaltdetektoren werden die Elektronen so beinflusst, dass das
Interferenzmuster zerstrört wird.
Wenn wir die Beugung beobachten, können wir nicht sagen,
welchen Spalt das Elektron durchquert hat.
17.6 Die Unschärferelation
Wir haben in Kap. 17.4 gesehen, dass die (eindimensionale) Wellenfunktion eines freien Teilchen mit einem Impuls p die folgende ist
y ( x, t) = Ae i( kx -wt ) = A cos( kx - wt) + Ai sin( kx - wt)
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Unschärferelation
wobei
p2
p2
= hw fi w =
2m
2 mh
p = hk fi k = p / h
und E =
Das Teilchen besitzt einen bestimmten Impuls p. Wir bemerken, dass die Lokalisierung eines solchen Teilchens unmöglich ist!
Wenn wir das Betragsquadrat der Wellenfunktion nehmen, beobachten wir, dass es zu jeder Zeit über den gesamten Raum konstant ist:
2
y ( x, t) = y *y = Ae i( kx -wt ) A*e - i( kx -wt ) = A 2 = konst.
D.h., harmonische ebene Wellen beschreiben ein Teilchen, das räumlich und zeitlich unendlich ausgedehnt ist:
Das Teilchen ist zu jeder Zeit mit gleicher Wahrscheinlichkeit
an jedem Ort des Raumes!
Ein lokalisiertes Teilchen kann nicht durch eine harmonische Welle
mit einer einzigen Kreisfrequenz w und Wellenzahl k beschrieben
werden. Wir brauchen sogenannte Wellenpakete, die aus einer
Summe von ebenen Wellen bestehen:
n
n
n
y ( x, t) = Ây ( x, t) = Â A e i( kn x -w n t )
n
wobei An die Amplitude der harmonischen Wellen mit Wellenvektor
kn und Kreisfrequen wn ist.
1101
Die Summe harmonischer Wellen führt zu einem lokalisierten
Teilchen.
Physik
1102
Quantenmechanik
Wir beginnen mit einer kleinen Anzahl von Wellen. Die Amplituden
der Wellen wurden so gewählt, dass sie ein Maximum um einen Wellenvektor k besitzen.
Die Summe von 3 harmonischen Wellen wird in Abb. 16 gezeigt. Mit
nur 3 Wellen ist die resultierende Welle nicht lokalisiert.
Figur 16. Wellenpakete: die resultierende Wellenfunktion ist die Summe der
3 gezeigten Wellenfunktionen mit verschiedenen Amplituden und
Kreisfrequenzen.
In Abb. 17 betrachten wir die Summe von 5 harmonischen Wellen.
Die resultierende Welle besitzt verschiedene Maxima. Zwischen diesen Maxima verschwindet die resultierende Welle, weil die harmonischen Wellen einander auslöschen.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Wellenpakete: die Summe von 5 harmonischen Wellen.
Die Unschärferelation
Figur 17.
Wenn die Anzahl der Terme in der Summe zunimmt, wird die resultierende Wellenfunktion immer mehr lokalisiert.
Die Summe von 9 harmonischen Wellen wird in Abb. 18 gezeigt.
Zusammenfassend haben wir gefunden, dass die Wellenfunktion
eines lokalisierten Teilchens gleich der Summe harmonischer Wellen
mit verschiedenen Wellenvektoren ist. Es folgt, dass
1103
ein lokalisiertes Teilchen keinen bestimmten Impuls p besitzen kann.
Physik
1104
Wellenpakete: die Summe von 9 harmonischen Wellen.
Quantenmechanik
Figur 18.
Wir ersetzen nun die Summe der harmonischen Wellen durch ein
Integral
y ( x, t) = Ú dkA( k )e i( kx -wt )
wobei A(k) die Verteilungsfunktion der Wellenvektoren ist.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Unschärferelation
A( k ) µ e
2s k2
( k - k0 ) 2
k
k
Die Amplituden A(k) wurden so gewählt, dass sie ein Maximum um
einen Wellenvektor k0 besitzen. Man kann z.B. eine Gauss-Verteilung benutzen
k0
wobei sk die Standardabweichung ist. Siehe Abb. 19.
A(k)
k0
Figur 19. Gauss-Verteilung mit Mittelwert gleich k0 und
Standardabweichung gleich sk.
s xs k =
1
2
1105
Man kann beweisen, dass ein Integral von harmonischen Wellen,
deren Amplituden eine Gauss-Verteilung haben, zu einem lokalisierten Teilchen mit einer räumlichen Gauss-Verteilung führt, und es gilt
Physik
1106
Quantenmechanik
s xs k ≥
1
2
fi
s xs p ≥
h
2
wobei sk und sx die Standardabweichungen der Gauss-Verteilungen
sind. Diese Beziehung gilt für eine Gauss-Verteilung. Für andere Verteilung ist das Produkt grösser als 1/2, d.h.
oder
h
(s x )(hs k ) ≥ 2
Für eine harmonische Welle ist sp =0 und deshalb ist sx unendlich.
Das Teilchen kann nicht lokalisiert werden! Für ein unendlich gut
lokalisiertes Teilchen, d.h. sx =0, ist sp unendlich. Es besitzt keinen
bestimmten Impuls.
Die Standardabweichungen sp und sx entsprechen den
Genauigkeiten Dp und Dx, mit welchen man die Position oder
den Impuls des Teilchens gleichzeitig messen kann. Man kann
den Ortsvektor und den Impuls nicht gleichzeitig mit unendlicher Genauigkeit messen.
h
2
Heisenbergsche Unschärferelation
Diese Beziehung ist als die Unschärferelation von Heisenberg8
bekannt und wurde zuerst im Jahre 1926 formuliert:
DxDpx ≥
Sie sagt aus, dass im Bereich der Quantenmechanik der Ortsvektorund der Impulsoperator eines Teilchens korreliert sind. Man sagt,
dass sie nicht kommutieren.
8. W. Heisenberg (1901-1976).
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die Unschärferelation
Entweder wollen wir die Position des Teilchens mit unendlicher
Genauigkeit messen, oder wir werden den Impuls messen.
Wenn wir zusätzlich die Position des Teilchens mit unendlicher
Genauigkeit messen, wird die Wellenfunktion so gestört, dass der
Impuls nicht mehr definiert ist.
In einer ähnlichen Weise ist die Position des Teilchens nicht mehr
definiert, wenn wir seinen Impuls mit unendlicher Genauigkeit messen.
Man kann diese Beobachtung noch einmal mit der Reduktion der
Wellenfunktion (Siehe Kap. 17.4.4) in Beziehung setzen.
wobei k = p / h und w =
p2
2 mh
Wenn wir den Impuls p eines freien Teilchens mit unendlicher
Genauigkeit messen, wird die Wellenfunktion so kollabieren, dass sie
eine harmonische Welle mit einem bestimmten Wellenvektor k wird
(Siehe Kap. 17.4):
y ( x, t) = Ae i( kx -wt )
Das Betragsquadrat dieser Funktion ist, wie schon erwähnt, eine
Konstante über den ganzen Raum,
2
y ( x, t) = y *y = Ae i( kx -wt ) A*e - i( kx -wt ) = A 2 = konst.
1107
und das Teilchen befindet sich in jedem Punkt des Raumes mit derselben Wahrscheinlichkeit.
Beispiel: ein freies 10 eV-Elektron bewegt sich in die x-Richtung
Geschwindigkeit vx ª 1,9 x 106 m/s
Physik
1108
Quantenmechanik
Impuls des Elektrons:
px = me v x = (9,11 ¥ 10 -31 kg)(1, 9 ¥ 10 6 m / s) ª 1, 7 ¥ 10 -24 kgm / s
h
1, 054 ¥ 10 -34 Js
ª
ª 3 ¥ 10 -9 m
2 Dpx 2(1%)(1, 7 ¥ 10 -24 kgm / s)
Wir nehmen an, dass wir die Geschwindigkeit auf 1% genau messen
können. Mit welcher Genauigkeit kann man gleichzeitig den Ort des
Elektrons messen?
Dx ª
Das Ergebnis entspricht ungefähr 200 Atomdurchmessern.
Beispiel: ein Golfball
h
1, 054 ¥ 10 -34 Js
ª
ª 3 ¥ 10 -33 m
2 Dpx 2(1%)(1, 8 kgm / s)
Masse : 45g, Geschwindigkeit v=40m/s. Wir messen die Geschwindigkeit mit einer Genauigkeit von 1%.
Dx ª
Diese Länge ist etwa 1018 mal kleiner als der Durchmesser des
Atomkerns!! Die Unschärferelation liefert bei makroskopischen
Objekten keine sinnvolle Grenze.
17.7 Röntgen- und Elektronenbeugung
17.7.1 Röntgenbeugung
Wir haben die Röntgenbeugung schon im Kap. 16.8 erwähnt. Photonen fallen z.B. auf die Oberfläche eines Kristalls. Wir nehmen an,
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Röntgen- und Elektronenbeugung
Kristall
dass im Kristall die Atome die fundamentalen Bausteine des Kristallgitters bilden, und dass das Gitter eine kubische Symmetrie hat.
elle
nenw
Siehe Abb. 34 des Kapitels 16 und Abb. 20.
Photo
a
Figur 20. Ein Schnitt durch einen Kristall. Jedes Atom wird als ein Punkt
dargestellt.
1109
Die Bedingung der konstruktiven Interferenz heisst die Bragg9Bedingung. Siehe Abb. 38 des Kapitels 16.
9. Bragg, W.H. (1862-1942) und Bragg, W.L. (1890-1971).
Physik
1110
Quantenmechanik
Demonstrationsexperiment: Bragg’sche Reflexion mit 3cm-Wellen
Gitter
Bragg’sche Reflexion mit 3cm-Wellen
Empfänger
Als Modell der Symmetrie eines Kristalls verwenden wir ein Gitter
von metallischen vertikal gestellten Streifen (Siehe Abb. 21). Jeder
Streifen wirkt als Zentrum für die Beugung der Welle. Ein Mikrowellen-Gerät erzeugt elektromagnetische Wellen mit einer Wellenlänge
von 3 cm in Richtung des Gitters. Die Welle wird an jedem Streifen
gestreut. Wir messen die Intensität der gebeugten Welle mit Hilfe
eines Mikrowellen-Empfängers. Wir beobachten die Intensität der
gebeugten Welle als Funktion des Winkels. Die Intensität besitzt klare
Maxima, die der Bragg-Bedingung für eine konstruktive Interferenz
entsprechen.
Quelle
Figur 21.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Röntgen- und Elektronenbeugung
Demonstrationsexperiment: Bragg’sche Reflexion mit Röntgenstrahlen
Bragg’sche Reflexion mit Röngtenstrahlen.
1111
Röntgen-Strahlen werden an einem Kristall gebeugt. Wir messen die
Intensität der gebeugten Strahlen als Funktion des Winkels. Sie zeigt
klare Maxima bei bestimmten Winkeln (Siehe Abb. 22). Diese Winkel entsprechen der Bragg-Bedingung für eine konstruktive Interferenz.
Figur 22.
Physik
1112
Quantenmechanik
17.7.2 Elektronenbeugung
Davisson und Germer10 entdeckten zuerst im Jahr 1927 die Beugungs- und Interferenzeffekte von Elektronen.
Kristall
Elektronenstrahl
Elektronenkanone
Bei ihrem Experiment wurden Elektronen auf einen Kristall (Nickeloder Goldkristall) geschossen. Die Elektronen wurden durch einen
variablen Potentialunterschied beschleunigt.
Siehe Abb. 23.
Schirm
18 cm
gebeugtes Elektron
Figur 23. Illustration des Davisson-Germer-Experiments. Die Elektronen
wurden durch einen Potentialunterschied beschleunigt und auf einen
Kristall geschossen.
Mit diesem Experiment konnte man die Beugungsmuster eines Elektrons mit dem eines Photons vergleichen.
10.C.J. Davisson (1881-1958) und L. Germer.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Röntgen- und Elektronenbeugung
Wenn die Photonen und Elektronen dieselbe Wellenlänge besitzen,
werden sie änhliche Beugungsmuster erzeugen. Siehe Abb. 24.
Anwendung: Elektronenmikroskop (E. Ruska, 1986)
Weil auch Elektronen Welleneigenschaften besitzen, kam die Vermutung auf, dass man auch Elektronen zur Abbildung von Objekten verwenden kann.
0
1
2
3
Das Beugungsmuster eines Elektronenstrahls.
4 cm
1113
Die Auflösung eines Mikroskops hängt von der Wellenlänge des
Strahls ab, der benutzt wird, um die Abbildung zu erzeugen. Weil das
Elektron geladen ist, kann man mit Hilfe von hohen Potentialunterschieden sehr kleine Wellenlängen erreichen. Es ist schwieriger Photonen mit solch kleinen Wellenlängen zu erzeugen.
Figur 24.
Physik
1114
Quantenmechanik
Demonstrationsexperiment: Elektronenbeugung
Elektronen werden mit Hilfe einer Hochspannung von ungefähr
60 kV beschleunigt. Diese Elektronen werden auf einen Kristall
geschossen (Siehe Abb. 25). Die Elektronen werden wegen ihrer Wellennatur am Kristall-Gitter als eine Welle gestreut. Die Position der
gebeugten Elektronen wird mit einem Fluoreszenz-Schirm nachgewiesen.
Experimentelle Anordung für die Elektronenbeugung.
Die Hochspannung wird variiert, bis das charakteristische Beugungsmuster beobachtet wird (Siehe Abb. 26).
Figur 25.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Der Beugungsmuster der gebeugten Elektronen an einem Kristall.
Der Tunneleffekt
Figur 26.
17.8 Der Tunneleffekt
Im Kap. 17.3.2 haben wir gesehen, dass für ein in einem unendlich
tiefen Potentialtopf eingeschlossenen Elektron die Wahrscheinlichkeit gleich Null war, es ausserhalb dieses Topfes zu finden.
Wir betrachten nun den Tunneleffekt:
1115
der Tunneleffekt ist ein quantenmechanisches Phänomen, bei
dem ein Teilchen (z.B. ein Elektron) eine Potentialbarriere
durchqueren kann, die im klassischen Sinn für das Teilchen
undurchdringlich sein sollte.
Physik
1116
Quantenmechanik
Wellenfunktion beim Tunneleffekt.
Wir betrachten eine Potentialwand mit der Höhe U0 und der Dicke
2d. Von links nähert sich ein Elektron mit der Gesamtenergie E. Klassisch würde das Elektron reflektiert, wenn E<U0. Die Wellendarstellung des Elektrons sagt dagegen voraus, dass es dem Elektron
möglich ist, die Wand zu “durchtunneln” und seinen Weg nach rechts
fortzusetzen. Siehe Abb. 27.
Figur 27.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Der Tunneleffekt
x>d
-d< x<d
x < -d
Wir betrachten die Schrödinger-Gleichung für die folgende potentielle Energie:
= V0
=0
E pot ( x ) = 0
Ef ( x ) =
- h2 ∂2
f ( x ) + V0f ( x )
2 m ∂x 2
Wir sind am Fall E<U0 interessiert. Im Potentialtopf sieht die zeitunabhängige Schrödinger-Gleichung so aus:
oder
∂ 2f ( x ) 2 m
+ 2 ( E - V0 )f ( x ) = 0
∂x 2
h
x <d
Diese Differentialgleichung ist von der Form (Beachte E<U0):
∂ 2f ( x )
- k 2f ( x ) = 0
∂x 2
mit Ansatz (k2=–2m(E–V0)/h2>0):
f ( x ) = Ae kx + Be - kx
∂ 2f ( x ) 2 mE
+ 2 f( x) = 0
∂x 2
h
1117
d.h. eine exponentiell verschwindende Welle. Für die Bereiche ausserhalb des Potentialtopfes ist die Schrödinger-Gleichung (Epot=0):
Physik
1118
Quantenmechanik
oder
∂ 2f ( x )
+ K 2f ( x ) = 0
∂x 2
mit Ansatz (K2=2mE/h2>0):
f ( x ) = Ce iKx + De - iKx
x >d
x>d
x < -d
x <d
d.h. eine sich fortpflanzende Welle mit Wellenvektor K. Wir können
diesen Ansatz verbessern, wenn wir die folgende Bedingung stellen:
ein Teil der einfallenden Welle wird an der Wand des Potentialtopfes
reflektiert und ein Teil der Welle wird durch den Potentialtopf “durchtunneln”. Wir schreiben daher die allgemeine Lösung als:
= e iKx + R e - iKx
f ( x ) = Ae kx + Be - kx
= Te iKx
(Beachte k und K) wobei R der Reflexionskoeffizient ist und T der
Transmissionskoeffizient.
Die Wellenfunktion f(x) muss in jedem Punkt stetig sein: wir passen
die Wellenfunktion und ihre räumliche Ableitung in den Punkt x=d
und x=–d an:
Ïe - iKd + R e iKd = Ae - kd + Be kd
Ô
- iKd
- R e iKd ) = k ( Ae - kd - Be kd )
ÔiK (e
Ì kd
iKd
- kd
Ô Ae + Be = Te
Ô
kd
iKd
- kd
Ók ( Ae - Be ) = iKTe
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Der Tunneleffekt
Damit
Physik
iK
Ï - iKd
+ R e iKd + (e - iKd - R e iKd ) = 2 Ae - kd
Ôe
k
Ô
Ôe - iKd + R e iKd - iK (e - iKd - R e iKd ) = 2 Be kd
k
ÔÔ
Ì
iK
Ô2 Ae kd = ÁÊ1 + ˜ˆ Te iKd
Ë
k¯
Ô
Ô
iK
Ô2 Be - kd = ÁÊ1 - ˜ˆ Te iKd
Ë
k¯
ÓÔ
iK
Ï -2 iKd
Ê iK ˆ
+ R + (e -2 iKd - R) = Á1 + ˜ Te -2 kd
Ôe
Ë
k¯
k
Ô
Ì
Ôe -2 iKd + R - iK (e -2 iKd - R) = ÁÊ1 - iK ˜ˆ Te 2 kd
ÔÓ
Ë
k¯
k
ÏÊ iK ˆ
Ê iK ˆ -2 kd Ê iK ˆ -2 iKd
- Á1 + ˜ e
ÔÁ1 - k ¯˜ R = ËÁ1 + k ¯˜ Te
Ë
k¯
ÔË
Ì
ÔÁÊ1 + iK ˜ˆ R = ÁÊ1 - iK ˜ˆ Te 2 kd - ÁÊ1 - iK ˜ˆ e -2 iKd
Ë
Ë
k¯
k¯
k¯
ÓÔË
ÈÊ iK ˆ 2 Ê iK ˆ 2 ˘
e -2 iKd ÍÁ1 - ˜ - Á1 + ˜ ˙
k¯ Ë
k¯ ˚
ÎË
T=
2
2
È
˘
iK
iK
ˆ
Ê
ˆ
Ê
2
kd
2
kd
ÍÁ1 - ¯˜ e - ËÁ1 + ¯˜ e ˙
k
k
ÎË
˚
1119
1120
Quantenmechanik
d.h.,
È Ê 2iK ˆ ˘
2e -2 iKd Í-Á
˜˙
Î Ë k ¯˚
T=
ÈÊ 2iK K 2 ˆ
˘
Ê 2iK K 2 ˆ
- 2 ˜ e 2 kd - Á1 +
- 2 ˜ e -2 kd ˙
ÍÁ1 k
k ¯
k
k ¯
Ë
ÎË
˚
[
] [
È Ê 2iK ˆ ˘
2e -2 iKd Í-Á
˜˙
Î Ë k ¯˚
=
1
(k 2 - K 2 )e 2kd - (k 2 - K 2 )e -2kd - 1k 2iKe 2kd + 2iKe -2kd
k2
und
sinh z ∫
1 z
(e - e - z )
2
e -2 iKd 2 kK
2Kk cosh 2 kd - i(K 2 - k 2 ) sinh 2 kd
1 z
(e + e - z )
2
]
Mit den Definitionen der hyperbolischen Sinus- und Kosinusfunktionen:
cosh z ∫
schreiben wir:
T=
(2kK ) 2
2
(2Kk cosh 2kd) 2 + ((K 2 - k 2 ) sinh 2kd)
Dieses Resultat entspricht der Amplitude (d.h. eine komplexe Zahl)
der transmitierten Welle. Der Betrag dieser Amplitude ist daher:
2
(2kK ) 2
2
(2Kk ) 2 + (K 2 + k 2 ) (sinh 2kd) 2
(2kK ) 2
(2Kk cosh 2kd) 2 + (K 4 + k 4 - 2k 2K 2 )(sinh 2kd) 2
T = T *T =
=
=
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Der Tunneleffekt
Der Betrag des Koeffizients verschwindet nicht! Wie erwähnt gibt es
Transmission, obwohl dies im klassischen Sinn verboten ist. Wir
beobachten das “Durchtunneln” des Teilchens.
Diese Situation war schon in Abb. 27 zusammengefasst, wo die Ausbreitung der Wellenfunktion des Elektrons für verschiedene Energien
des Elektrons E dargestellt sind.
Wir bemerken:
Wenn E<U0, verschwindet die Wellenfunktion nicht plötzlich
in der Potentialwand, sondern nimmt exponentiell ab. Wenn
die Dicke des Potentialtopfs so ist, dass die Wellenfunktion,
obwohl exponentiell verschwindend, noch nicht vernachlässigbar ist, wenn das Teilchen das andere Ende des Potentialtopfs erreicht, wird es nach dem Potentialtopf weiterlaufen.
sinh 2 kd ∫
2
ª
2
+ k2)
(4 kK ) 2
(K
1 2 kd
(e - e -2kd ) ª 21 (e 2kd )
2
(2kK ) 2
2Ê 1
ˆ
2
+ k 2 ) Á e 2 kd ˜
Ë2
¯
2 md 2
(V0 - E ) > 0
h2
e -4 kd
kd >> 1
2
1121
Obwohl die Wahrscheinlichkeit für das Durchtunneln nicht verschwindet, ist sie im Allgemeinen klein. Wenn kd gross ist, nämlich,
wenn der Potentialtopf entweder so hoch und/oder so dick ist, dass
der Transmissionskoeffizient klein ist, gilt:
Daher
2
T ª
(K
kd =
Nun erinnern wir uns daran, dass gilt:
Physik
1122
Quantenmechanik
d.h.,
beim Tunneleffekt hängt der Wert des Transmissionskoeffizients empfindlich von der Dicke d und von der Differenz zwischen V0 und E ab.
2 me
(V - E ) =
h2 0
2
-31
-34
8p 2 me
(V0 - E )
h2
2
8p 2 me
E
h2
-31
2
2
(6) 2
(4 5 )
K ª 5k
e -4 kd ª
2
J / eV ) ª 5 ¥ 10 9 m -1
J / eV ) ª 11 ¥ 10 9 m -1
e -4 kd ª 2e -4 kd
-19
8p (9,11 ¥ 10 kg)
(6 - 5eV )(1, 602 ¥ 10
(6,63 ¥ 10 Js)
2 me
E=
h2
2
-34
5k
)
8p (9,11 ¥ 10 kg)
(5eV )(1, 602 ¥ 10
(6,63 ¥ 10 Js)
(4 k
2 2
(6k )
-19
Beispiel: Ein Elektron mit einer Gesamtenergie von 5 eV fällt auf
eine Potentialwand, deren Höhe U=6 eV beträgt. Die Breite der Wand
ist 2d=0,7 nm. Was ist der Betrag des Transmissionskoeffizients?
k=
=
und
K=
ª
D.h.,
Damit:
2
T ª
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Der Tunneleffekt
(
-4 ( 0, 35 nm ) 5 ¥10 9 m -1
Für eine Dicke dª0,35 nm finden wir:
2
T ª 2e -4 kd ª 2e
(
) ª 2 ¥ 10 -3
-4 ( 0,1nm ) 5 ¥10 9 m -1
) ª 0, 27
Für eine dünnere Barriere dª0,1 nm erhalten wir:
2
T ª 2e -4 kd ª 2e
2
2000
2
ª TElektron ¥ 4 ¥ 10 -20
Wir bemerken, dass die Faktoren k und K proportional zur Wurzel der
Masse des Teilchens sind. Wenn wir dieselbe Barriere und statt eines
Elektrons ein Proton betrachten, erhalten wir (die Masse des Protons
ist ca. 2000-Mal so gross wie die des Elektrons):
2
TProton ª TElektron e -
Für ein Proton wird der Transmissionskoeffizient bereits verschwindend klein. Es macht wenig Sinn, vom Phänomen bei einem makroskopischen Körper etwas zu erwarten.
Anwendung: Das Tunnel-Mikroskop
Eine feine Metallnadel wird rasterförmig (wie beim Fernseher) in
einem Abstand von etwa 1 nm über eine Oberfläche geführt. Aus der
Oberfläche tunneln Elektronen durch die Lücke zwischen Oberfläche
und Nadel. Der dabei entstehende “Tunnelstrom” hängt sehr empfindlich (exponentiell) vom Abstand zwischen Nadel und Oberfläche
ab. Mit dieser Methode kann ein dreidimensionales Rasterbild der
Oberfläche gewonnen werden.
1123
Mit dem Tunnel-Mikroskop können die Oberflächen von Materialien
mit sehr grosser Genauigkeit studiert werden. Siehe z.B. Abb. 28.
Physik
1124
Oberfläche eines Kristalls mit Schweizer-Kreuz.
Quantenmechanik
Figur 28.
17.9 Das Wasserstoffatom
wobei
Ê h2 ˆ
E1 = Á
˜
Ë 8 me d 2 ¯
Im Kap. 17.3.2 haben wir ein Elektron in einem Kasten studiert. Wir
haben gesehen, dass als Folge der Randbedingungen, die Energie des
Elektrons quantisiert war. D.h., die Energie des Elektrons kann nur
die folgenden Werte annehmen:
E n = n 2 E1
wobei n=1,2,3,.. eine Quantenzahl ist. Es gibt viele andere Anordnungen, bei denen die Energie der stationären Zustände quantisiert
ist.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete man, dass Atome diskrete Lichtlinien unterschiedlicher Farbe emittieren (Siehe
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Das Wasserstoffatom
Kap. 11.7.2). Die Wellenlängen-Abstände und Intensitäten der Linien
sind für jedes chemische Element charakteristisch.
wobei
n = 1, 2, 3,...
N. Bohr schlug ein Modell des Wasserstoffatoms vor (Siehe
Kap. 11.7.4). Er postulierte, dass die stabilen Bahnen des Elektrons
im Wasserstoffatom, d.h. die stationären Zustände des Elektrons, diskrete Energien besitzen:
-13, 6 eV
En =
n2
En
Licht
Eg = hn = E1 - E 2
¤
n=
E1 - E 2
h
1
( E - Em )
h n
Frequenz des Lichts:
n=
Beim Übergang des Elektrons von einem stationären Zustand
mit Energie E1 in einen stationären Zustand mit niedrigerer
Energie E2 wird ein Photon der Energie
emittiert.
Graphish dargestellt:
Elektron
Em
Die möglichen Energieniveaus werden in Abb. 29 dargestellt.
1125
Das niedrigste Energieniveau ist der Grundzustand und ist für ein
Wasserstoffatom gleich –13,6 eV. Wenn n nach unendlich geht,
nimmt die Energie En den Maximalwert null für ein gebundenes
Elektron an.
Physik
1126
Quantenmechanik
–3.40
0
–.544
–.850
–1.51
n=1
n=2
n=5
n=4
n=3
Die Energieniveaus für ein Wasserstoffatom.
–13.6
E
Die Differenz zwischen den beiden Niveaus ist gleich der Energie,
die dem Elektron zugeführt werden muss, um es aus dem Atom zu
lösen. Diese Energie wird als Ionisierungsenergie bezeichnet (Siehe
Kap. 11.7.5).
Figur 29.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Das Wasserstoffatom
Quantenmechanik
e2 1
R( r)Y (q,f )
4pe 0 r
r r r
r r
L = r ¥ p = -ihr ¥ —
r
Ê
∂
∂ˆ
1
1 ∂2 ˆ
Ê
fi L2 = - h 2 Á
Á sin q ˜ + 2
˜
∂q ¯ sin q ∂f 2 ¯
Ë sin q ∂q Ë
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Ïn = 1, 2, 3, 4,...
Hauptquantenzahl
Ô
Ìl = 0,1, 2, 3,..., n - 1 Drehimpulsquantenzahl
Ô
magnetische Quantenzahl
Óm = - l, l + 1,..., 0,..., l - 1, l
Die Lösung dieser Gleichung ist mathematisch kompliziert und wir
werden diese Herleitung nicht durchführen. Wir bemerken nur, dass
sie zu drei unabhängigen Quantenzahlen führt, die als n, l und m
bezeichnet werden. Diese Quantenzahlen können beim Wasserstoffatom folgende Werte haben:
È - h2 1 ∂2
e2 1 ˘
1 r2
ER( r)Y (q,f ) = Í
L ˙R( r)Y (q,f )
2 r +
2 mr 2
4pe 0 r ˚
Î 2 m r ∂r
Damit:
Wir bemerken, dass die Winkelabhängigkeit dem Drehimpuls entspricht. Man kann mit der Definition des Drehimpulses zeigen, dass
gilt:
-
∂ˆ
- h2 È1 ∂2
1Ê 1 ∂ Ê
1 ∂2 ˆ ˘
r+ 2Á
Á sin q ˜ + 2
Í
˜ ˙R( r)Y (q,f )
∂q ¯ sin q ∂f 2 ¯ ˚
r Ë sin q ∂q Ë
2 m Î r ∂r 2
ER( r)Y (q,f ) =
und damit erhält man die Schrödinger-Gleichung für die stationären
Zustände des Wasserstoffsatoms:
1128
17.9.1 Wasserstoffatom mit Schrödinger-Gleichung
Die vollständige Lösung des Wasserstoffatoms kann mit Hilfe der
Schrödinger-Gleichung gewonnen werden. Man nimmt an, dass das
Proton, d.h. der Kern des Atoms, sich in Ruhe befindet.
e2 1
4pe 0 r
Ein Elektron bewegt sich um den Kern mit der kinetischen Energie
Ekin=p2/2me und besitzt die potentielle Energie (Siehe Kap. 11.7)
E pot ( r) = -
Wasserstoffatom
Es folgt, dass die stationären Lösungen der Schrödinger-Gleichung
die folgende Differentialgleichung erfüllen: (Siehe Kap. 17.4.2)
r - h2 r 2 r
e2 1 r
Ef ( r ) =
— f (r ) f (r )
2m
4pe 0 r
Wir erwarten eine Kugelsymmetrie des Problems! Die Kugelkoordinaten werden daher oft verwendet, weil sie in diesem Fall praktischer
sind. Die Wellenfunktion kann in einen radialen Teil und in einen
winkelabhängigen Teil unterteilt werden:
r
f ( r ) ∫ R( r)Y (q,f )
r
∂ˆ
1 ∂2
1Ê 1 ∂ Ê
1 ∂2 ˆ
r+ 2Á
—2 =
Á sin q ˜ + 2
˜
∂q ¯ sin q ∂f 2 ¯
r ∂r 2
r Ë sin q ∂q Ë
1127
Man verwendet nun die Darstellung des Laplace-Operators in Kugelkoordinaten:
Physik
Das Wasserstoffatom
Quantenmechanik
r
f n ,l ,m ( r ) ∫ Rnl ( r)Yl ,m (q,f )
wobei
E0 =
1
(4pe 0 )2
e 4 me
ª 13, 6eV
2h2
n = 1, l = 0, m = 0
Ïn = 2, l = 0, m = 0
Ì
Ón = 2, l = 1, m = -1, 0,1
Ïn = 3, l = 0, m = 0
Ô
Ìn = 3, l = 1, m = -1, 0,1
Ô
Ón = 3, l = 2, m = -2, -1, 0,1, 2
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Die entsprechenden Wellenfunktionen sind in Abb. 30 gezeigt.
und
und
Wir betrachten z.B. die folgenden Lösungen:
Die Unterschalen weisen auch eine Entartung auf, je nach dem Wert
der magnetischen Quantenzahl m. Für ein gegebenes l gibt es 2l+1
Werte für m. Die Zahl m entspricht der Orientierung des Drehimpulses.
Die Schalen können weiter unterteilt werden in Unterschalen mit dem
gleichen Wert für die Bahndrehimpuls-Quantenzahl l. Die Zahl der
möglichen Werte von l für ein gegebenes n ist gerade gleich n. Alle
Elektronen einer Unterschale besitzen die gleiche Energie, aber verschiedenen Drehimpuls.
Alle Zustände mit dem gleich Wert von n haben die gleiche Energie.
Man sagt, dass die Elektronen mit gleicher Hauptquantenzahl eine
Schale bilden (Siehe Kap. 11.3.4).
E0
n2
m=+1
m=0
m=–1
m=0
1129
1130
d.h. das Elektron im Wasserstoff wird durch diese drei Zahlen charakterisiert:
En = -
Die Energie des Elektrons hängt nur von der Hauptquantenzahl ab:
Es gilt:
1.
2.
3.
l = 0,1, 2,...,( n - 1)
Die radiale Abhängigkeit der Wellenfunktion hängt von n ab. Sie
bestimmt die Wahrscheinlichkeit, das Elektron in verschiedenen
Abständen vom Kern anzutreffen.
Die Quantenzahlen l und m entsprechen dem Bahndrehimpuls
des Elektrons. Man kann beweisen, dass der Drehimpuls L des
Elektrons durch
L = l( l + 1) h
gegeben ist. D.h., der Drehimpuls des Elektrons ist auch quantisiert! Die magnetische Quantenzahl gibt die Komponente des
Drehimpulses in einer bestimmten Richtung an.
l=n–1
l=1
l=0
m=+l
m=0
m=–l
Graphisch können die Elektronzustände im Wasserstoffatom so dargestellt werden:
n
Physik
(a)
(b)
top view
z
(c)
(d)
top view
z
= 1, m =0
side view
n = 2,
(
e)
(f
top view
z
= 1, m = –1
side view
n = 2,
+8 zusätzliche Lösungen
= 1, m =1
side view
n = 2,
(i )
Einige stationäre Zustände des Wasserstoffatoms.
= 0, m =0
= 0, m =0
= 0, m =0
n = 2,
n = 1,
Das Wasserstoffatom
E = –13.6eV
Physik
Figur 30.
n = 3,
E = –3.40eV
E = –1.51eV
(g)
h)
1131
1132
Quantenmechanik
pa03
1
e -r /a0
Wir betrachen z.B. den Grundzustand mit n=1, l=0 und m=0. Die
Wellenfunktion zeigt eine Kugelsymmetrie, d.h. sie hängt nur vom
Abstand r ab:
f ( r) =
h2
ª 0, 529 ¥ 10 -10 m
me e 2
wobei a0 der sogenannte Bohr-Radius ist.
a0 ∫ 4pe 0
4 2 -2 r / a 0
re
dr
a03
Die radiale Wahrscheinlichkeitsdichte wird definiert als die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man das Elektron in einer Kugelschale mit
den Radien r und r+dr findet, dividiert durch dr. Für den Grundzustand ist sie gleich
f 2 ( r) dV = f 2 ( r)( 4pr 2 ) dr =
wobei 4pr2dr das Volumen der Schale ist. Diese Funktion besitzt ein
Maximum bei r=a0. Wir sprechen nicht mehr von einer Bahn, die das
Elektron um den Kern beschreibt. Man hat eine Wahrscheinlichkeit
von 90%, das Elektron innerhalb einer Kugel mit Radius 2.7a0 zu finden. Die Frage nach der Grösse des Wasserstoffatoms ist deshalb
nicht sehr einfach zu beantworten.
Wir können nun den ersten angeregten Zustand (d.h. mit n=2) des
Wasserstoffatoms betrachten. Die Drehimpulsquantenzahl kann zwei
verschiedene Werte annehmen: l=0 oder 1. Wenn die Zahl verschieden von null ist, besitzt das Elektron einen Bahndrehimpuls. Seine
Komponente entlang einer bestimmten Richtung wird durch die
magnetische Quantenzahl m gegeben.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
top
n = 2,
z
= 1, m = –1
L
Spinquantenzahl ms = -
1
1
oder +
2
2
1
2
0,–1,–2
0,1,2
3
des Wasserstoffatoms (bis n=3).
n
0,–1
2,6,10
–1/2
0, 1
2, 6
–1/2
0
–1/2
0
2
l
ms
2
18
Besetzung der
Unterschalen
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Energie und Wellenfunktionen sind unterschiedlich, aber die Klassifikation der Zustände in Schalen und Unterschalen bleibt unverändert.
die Zustände eines Elektrons im Mehrelektronenatom genau
durch die gleiche Folge von Quantenzahlen beschrieben werden können wie beim Wasserstoffatom.
Was passiert in Fall von Mehrelektronenatomen? Die genaue analytische Lösung eines Atoms mit vielen Elektronen ist hoffnungslos
(trotzdem im Prinzip numerisch lösbar). Man beobachtet glücklicherweise, dass:
8
Besetzung der
Schalen
m
Tabelle 2. Zustände
Die Spinquantenzahl verdoppelt die Anzahl der Zustände des Elektrons in Atomen (z.B. im Wasserstoffatom). Eine Darstellung dieser
Klassifikation des Wasserstoffatoms nach Schalen und Unterschalen
ist in der Tabelle 2 aufgelistet.
Sz = msh
Quantenmechanik
= 1, m =0
side
z
Eigendrehimpuls des Elektrons
top
z
n = 2,
L
side
z
Der Elektronspin ist quantisert und kann nur die Werte +1/2 und –1/2
aufweisen:
= 1, m =1
L
z
Wellenfunktionen der ersten angeregten Zustände.
1134
Siehe Abb. 31.
top
z
n = 2,
side
Figur 31.
17.10 Eigendrehimpuls des Elektrons
1133
Ein weiteres Studium des Wasserstoffatoms (und von Atomen im Allgemeinen) zeigt, dass es noch eine andere Art Drehimpuls gibt, der
Eigendrehimpuls des Elektrons, oder kurz sein Spin.
Physik
Rotation und Vibration von Molekülen
Wenn wir die Elektronen auf die verschiedenen Zustände in einem
solchen Atom verteilen wollen, müssen wir das Paulische11 Ausschliessungsprinzip verwenden:
Paulisches Ausschliessungsprinzip: kein Zustand darf mit
mehr als einem Elektron besetzt werden.
Wenn diese Regel nicht gälte, würden alle Elektronen eines Mehrelektronenatoms auf die Schale mit n=1 fallen, und die Chemie der
Elemente wäre nicht, was sie ist! Sie erklärt das Periodensystem der
Elemente (Siehe Kap. 11.3.3).
17.11 Rotation und Vibration von
Molekülen
Im Kap. 12.11 haben wir die Wärmekapazitäten von Gasen und Festkörpern studiert.
Bei niedrigen Temperaturen konnten die Rotation und Schwingung
von Gasmolekülen nicht angeregt werden. Die Rotations- und
Schwingungsfreiheitsgrade existieren nicht, sie sind eingefroren.
2
1
(I w ) L2 l(l + 1)h2
I w2 = D
=
=
2 D
2ID
2ID
2ID
l = 0,1, 2,...
1135
Wir können dieses Ergebnis durch die Quantisierung des Drehimpulses erklären. Die Rotationsenergie eines Moleküls kann mit Hilfe seines Trägheitsmoments ausgedrückt werden (Siehe Kap. 10.4):
E Rot =
11.W. Pauli (1900-1958).
Physik
1136
Quantenmechanik
l = 0,1, 2,...
wobei l die Quantenzahl des Drehimpulses ist. Diese Gleichung entspricht verschiedenen Rotationsenergieniveaus
E Rot ( l) = Bl( l + 1)
wobei B eine charakteristische Rotationsenergie des Moleküls ist.
Das Energieniveau mit l=1 entspricht der niedrigsten Rotationsenergie, bei der das Molekül rotiert.
Wenn die Temperatur T so klein ist, dass
kT << E Rot ( l = 1) = 2 B
wobei k die Boltzmann-Konstante ist, kann das Molekül nicht rotieren!
wobei w = k / m
Eine ähnliche Situation gilt auch für die Schwingung des Moleküls.
Die Lösungen der Schrödinger-Gleichung für einen einfachen harmonischen Oszillator (Siehe Kap. 5.4) ergeben die Energieniveaus
1ˆ
Ê
EVib = Á n + ˜ hw
Ë
2¯
wobei n=0,1,2,... die Schwingungsquantenzahl ist. Für den Übergang zwischen den Schwingungszuständen muss man mindestens die
Energie hn zuführen. Ein typischer Wert für ein Molekül ist
hnª0,1 eV. Zum Vergleich ist bei Zimmertemperatur kTª0,02 eV, und
die Schwingung des Moleküls kann nicht angeregt werden.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Das EPR-Paradoxon
17.12 Das EPR-Paradoxon
Im Jahre 1935 haben Einstein, Podolsky und Rosen ein Gedankenexperiment vorgeschlagen. Sie betrachteten ein System, das aus zwei
Photonen besteht.
Quelle
γ2
Zwei Photonen werden gleichzeitig von einer Quelle emittiert.
γ1
Die experimentelle Anordnung ist die folgende: eine Quelle emittiert
gleichzeitig und in entgegengesetzer Richtung zwei Photonen.
Figur 32.
Wenn ein Photon von der Quelle emittiert wird, nehmen wir an, dass
sein Spin (Siehe Kap. 17.2.5) in einer beliebigen Richtung zeigen
kann (in Wirklichkeit gibt es Regeln, die den Spin bestimmen). D.h.,
die entsprechende elektromagnetische Welle ist nicht polarisiert.
Wenn zwei Photonen gleichzeitig emittiert werden, können ihre Spins
auch in einer beliebigen Richtung zeigen. Diese Spins sind aber korreliert!
r
r
y ( r1, J z1, r2 , J z 2 , t)
1137
D.h., es gibt nur eine Wellenfunktion, die beide Photonen und ihren
Spin beschreibt:
Physik
1138
Quantenmechanik
wobei r die Ortsvektoren und Jz1, Jz2 die Spins der Photonen sind.
Wir nehmen an, dass sich beide Photonen durch den Raum bewegen
werden, und dass nach einer gewissen Zeit t, d.h., in einem Abstand
d=ct, die Polarisation eines der Photonen gemessen wird.
Der Spin eines Photons wird immer als +1 oder –1 gemessen. D.h.
der Spinvektor zeigt immer in die Bewegungsrichtungs des Photons
oder in entgegengesetzter Richtung dazu.
Wenn das Photon nicht polarisiert ist, ist die Wahrscheinlichkeit, das
Photon in einer gegebenen Spinrichtung zu beobachten, gleich 50%.
In 50% der Fälle wird der Spin in die Bewegungsrichtung gemessen,
und in den anderen 50% der Fälle wird er in entgegengesetzter Richtung gemessen.
Wenn wir den Spin des Photons messen, wird der Teil der Wellenfunktion, der den Spin beschreibt, kollabieren. D.h., nach dem Nachweis
ist die Richtung des Spins bestimmt, und die Wellenfunktion muss
deshalb dieser Richtung entsprechen.
Wir betrachten nun die Messung des Spins beider Photonen. Jeder
Spin kann als +1 oder –1 gemessen werden.
Nun haben wir gesagt, dass beide Photonen, die gleichzeitig emittiert
werden, korreliert sind. Eine einzige Wellenfunktion beschreibt beide
Photonen.
D.h. die Messung eines Photons wird den Zustand des anderen Photons beeinflussen!
Dieser Einfluss ist spontan und wirkt immer, auch wenn die
Photonen sehr weit voneinander entfernt sind.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Das EPR-Paradoxon
Man sagt, dass die Quantentheorie nicht lokal ist, d.h. die Messung an
einem bestimmten Ort des Raumes kann die Beobachtungen in einem
anderen, a priori sehr entfernten Ort, spontan beeinflussen.
Dass eine solche nicht-lokale Wirkung tatsächlich existiert, wurde
vor kurzem noch einmal experimentell bewiesen.
Siehe Abb. 33.
In diesem Experiment wurden die nicht-lokalen Quantenkorrelationen zwischen Photonen mit einem Abstand von 10 km nachgewiesen!
Zwei Infrarot-Photonen werden erzeugt und durch optische Glasfasern ungestört in sehr entfernte Bereiche gebracht.
Die experimentellen Resultate sind in ausgezeichneter Übereinstimmung mit der Theorie!
1139
Dies besagt, dass die Wellenfunktion beider Photonen wirklich dieselbe ist. Die Photonen bewegen sich mit beiden Spinzuständen bis
einer der Spins gemessen wird. Die Wellenfunktion kollabiert dann
spontan und beeinflusst den Spin des anderen Photons. Dies passiert
spontan, unabhängig von der Entfernung zwischen beiden Photonen.
Das sogenannte EPR-Paradoxon ist kein Widerspruch!
Physik
1140
P
Quantenmechanik
r
se
La
R++
R-+
km
4.5
ch
an
ne
l
9.3
km
&
k
8.1
nel
han
mc
ntu
qua
m
FL
Genev
a
KNbO3
R+R--
qu
an
tum
7.3
km
APD1 -
APD2-
Bell
evue
1
APD1 +
classicalchannels
2
APD2 +
Bernex
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Am Abend beobachten wir die Sterne am Himmel. Was passiert vom
Standpunkt der Quantenmechanik?
Anwendung: das Licht von einem weit entfernten Stern
Figur 33. Das Experiment von Genf, um die Existenz von nicht-lokalen
Quantenkorrelationen zu beweisen.
Figure 1 . Schematic setup to demonstrate quantum
correlations : pairs of correlated photons are produced
in Geneva and each of the twins routed through a
Swisscomfiber-optic network to analyzerslocated in
the villages of Bernexand Bellevue,respectively.The
results of the measurements are retransmitted to
Geneva, revealing the nonlocal quantum correlations.
10.9 km
Das EPR-Paradoxon
Wir betrachten ein Photon, das vom weit entfernten Stern emittiert
wurde. Wir nehmen an, dass der Stern Licht isotrop emittiert. Als
Folge nehmen wir an, dass die Wellenfunktion des emittierten Photons sich isotrop und kugelförmig radial ausbreitet. Siehe Abb. 34.
Die Wahrscheinlichkeit, das Photon über die gesamte Kugel nachzuweisen, ist konstant (wenn das Photon nicht nachgewiesen wird).
Daher hängt die Wahrscheinlichkeit, das Photon in einem Punkt der
Kugel nachzuweisen, vom Inversen der Fläche der Kugel ab. Wie
erwartet hängt die Intensität eines Sterns vom Inversen des Quadrats
des Abstands ab. Wir bemerken, dass die Wahrscheinlichkeit, das
Photon nachzuweisen, dieselbe ist in jedem Punkt des Universums,
der sich im gleichen Abstand vom Stern befindet (wenn das Photon
wirklich isotrop emittiert wurde).
Wir befinden uns auf die Erde. Die Wahrscheinlichtkeit, ein Photon
von einem weit entfernten Stern nachzuweisen, ist klein. Was passiert, wenn wir trotzdem ein Photon des Sterns absorbieren? Die
ganze Wellenfunktion (eine Kugel des Radiuses gleich der Distanz
Stern-Erde) wird spontan in unserem Auge (oder im Punkt wo wir das
Photon nachgewiesen haben) kollabieren.
Stern
Erde
1141
Figur 34. Ausbreitung der Wellenfunktion eines Photons, das von einem weit
entfernten Stern emittiert wurde.
Physik
1142
Quantenmechanik
17.13 Eine weitere Unschärferelation
In dieser Vorlesung haben wir oft von der Energieerhaltung gesprochen. Wir haben gesehen, dass viel in der Physik auf ihr basiert. Nach
de Broglie hängt die Frequenz eines Teilches mit der Energie über die
Beziehung
E = hw
wobei k = p / h und w =
p2
2 mh
zusammen. Wenn wir nun eine harmonische Welle betrachten, sehen
wir dieselbe Symmetrie zwischen Ortsvektor und Wellenvektor wie
zwischen Kreisfrequenz und Zeit:
y ( x, t) = Ae i( kx -wt )
h
2
Heisenbergsche Unschärferelation
Diese Symmetrie führt zu einer zusätzlichen Unschärferelation für
die Energie und die Zeit:
DEDt ≥
D.h., es ist unmöglich die Energie E während eines Zeitintervalls Dt
mit einer Genauigkeit kleiner als DE, zu messen.
Wenn wir sehr kurze Zeitintervalle betrachten, können wir nicht mehr
sagen, ob die Energie wirklich erhalten wird, weil es nicht mehr möglich ist, die Energie mit unendlicher Genauigkeit zu definieren.
Man kann sagen, dass die Energie eines Systems nicht erhalten werden muss, solange wir die Verletzung der Energieerhaltung nicht messen können! D.h., die Energieerhaltung
kann während sehr kurzen Zeitintervallen verletzt werden.
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)
Eine weitere Unschärferelation
h
h
ª
2 DE 2( M 0c 2 )
Eine interessante Folge ist, dass das Vakuum nicht wirklich “leer” ist.
Es wirken sogenannte Quantenfluktuationen des Vakuums, bei
denen Elementarteilchen aus dem Vakuum während sehr kurzen Zeitintervallen erzeugt werden. Die Erzeugung dieser Teilchen der
Gesamtmasse M0 würde im Prinzip zu einer Verletzung der Energieerhaltung führen. Wenn diese Teilchen nur während dem Zeitintervall
Dt leben und sich nachher vernichten, wobei
Dt ª
gilt, kann diese Verletzung der Energieerhaltung nicht bemerkt werden.
1143
Solche Effekte wurden experimentell nachgewiesen, und sie beweisen noch einmal, dass die Konzepte der Quantentheorie eine richtige
Beschreibung der Natur ergeben.
Physik
1144
Quantenmechanik
Physik I&II, WS 02/03-SS03, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

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