Zum Exponat... - Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus

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Zum Exponat... - Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus
Exponat des Monats
November 2012
Croix de Guerre
Zur Unterzeichnung des Montanunion-Vertrages reiste Adenauer erstmals in seiner Funktion als Außenminister 1951 nach Paris. Mit dem Abkommen besiegelten die Außenminister der Bundesrepublik
Deutschland, Frankreichs, Italiens und der Benelux-Staaten die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Bereits im Mai 1950 von Jean Monnet initiiert und präsentiert durch
Robert Schuman, war ein Jahr später der erste rechtswirksame Schritt auf dem Weg zur europäischen
Einigung Wirklichkeit geworden.
Auf seinem Zimmer im Hotel Crillon wurde dem Bundeskanzler ein Croix de Guerre übergeben. Es handelt sich um das Kriegkreuz eines französischen Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg, das ihm dessen
Tochter, die französische Studentin Simone Patrouilles, zusammen mit einem Brief hatte zukommen
lassen. Die starke Bildhaftigkeit des Geschenks wird noch dadurch unterstrichen, dass der Vater der
Absenderin an den Folgen des Ersten Weltkriegs verstorben war. Das Croix de Guerre ist heute in der
Ausstellung des Adenauerhauses zu sehen.
Hier die deutsche Übersetzung des Briefes von Simone Patrouilles an Konrad Adenauer vom 18. April
1951, der dem Geschenk beigelegen hatte:
„Herr Bundeskanzler!
Ich habe die große Ehre, mich als Französin aus Paris an Sie zu wenden, die sich zusammen mit vielen
anderen Menschen unserer alten Stadt unendlich über den Besuch Eurer Exzellenz in unserer alten
Hauptstadt gefreut hat, so kurz Ihr Aufenthalt hier auch ist.
Ich erblicke darin das Symbol eines ersten wirklichen Schrittes auf dem Wege des Friedens und des
Heiles, nicht nur für Ihr Vaterland, sondern für Frankreich und alle Völker, die sich des Wertes des gemeinsamen Erbes bewusst sind, das wir die Pflicht und die Mission haben zu verteidigen.
Mein Vater ist an den Folgen des Krieges 1914-1918, den er von Anfang bis Ende mitmachte, gestorben.
Ich bitte Sie, sehr geehrter Herr Kanzler, dieses Kriegskreuz eines französischen Soldaten, das meinem
Vater gehörte und das ich diesem Brief beilege, annehmen zu wollen.
Behalten Sie es als bescheidene Erinnerung an Ihren bedeutsamen Besuch in Paris im April 1951. Es ist
eine bescheidene Geste der Hoffnung auf eine reine und wahre Versöhnung der beiden Völker, die so
viel, eines durch das andere gelitten haben.
Simone Patrouilles“
Die junge Französin wählte ein symbolträchtiges Zeichen der Vergangenheit, war aber gleichwohl im
Ganzen gegenwarts- und zukunftsgerichtet. Sie begegnete dem deutschen Gründungskanzler ohne
Ressentiments – mehr noch, sie würdigte seine Bemühungen um die Aussöhnung zwischen den Nachbarländern. Hoffnung statt Verbitterung stand für sie im Vordergrund. Dies war sechs Jahre nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs, als noch viel Misstrauen und zahlreiche Vorurteile vorherrschten und die
Saarfrage das Verhältnis trübte, umso erstaunlicher. Simone Patrouilles sah jedoch nicht die Hemmnisse, sondern die Perspektiven. Die 1950/51 angestoßene Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs
im Rahmen der EGKS gilt dabei als richtungsweisend.
Adenauer antwortete postwendend: Im Bewusstsein der Symbolkraft des Geschenks, betonte er, wie tief
ihn der Brief bewegt habe. In dem kurzen Schreiben bekräftigte der europäische Gründungsvater die
Bedeutung der Jugend im Zuge des deutsch-französischen Aussöhnungsprozesses. Bei einem spontanen Treffen um 19 Uhr dankte er der Studentin persönlich. Später, in seinen Memoiren, fasste er seine
Empfindungen so zusammen: „Für mich bedeutete diese Gabe, die mir bei meinem ersten offiziellen
Besuch als Vertreter des deutschen Volkes in Paris übergeben wurde, ein Zeichen dafür, dass vor allem
die Jugend unserer beiden Völker zusammenfinden möge. Dieses ‚Croix de Guerre’ war während meiner
ganzen Kanzlerjahre für mich Symbol des echten Willens des französischen Volkes, mit dem deutschen
Volk Freundschaft zu schließen. Es ist mir sehr kostbar.“
Text: Claudia Waibel
Quelle: StBKAH
Patrouilles Schreiben ist abgedruckt in: Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, Stuttgart 1965, S.
440; Adenauers Schreiben ist abgedruckt in: Rudolf Morsey/ Hans-Peter Schwarz (Hrsg.), Adenauer.
Rhöndorfer Ausgabe, Briefe 1951-1953, bearbeitet von Hans Peter Mensing, Berlin 1987, Nr. 20, S. 47;
Zitat aus: Konrad Adenauer, Erinnerungen 1945-1953, Stuttgart 1965, S. 440.

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