Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung - BQN

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Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung - BQN
BQN Berlin
Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund 1
Berlin braucht dich!
Erfolg in der Ausbildung
Projektergebnisse und Empfehlungen für
eine bessere Ausbildungssicherung bei
Auszubildenden mit Migrationshintergrund
BQN Berlin
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 1
1 Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund
1 Diese Broschüre stellt die Ergebnisse des Projekts Berlin braucht
dich! Erfolg in der Ausbildung vor, das zum Programm Integration
und Ausbildung gehörte und von September 2010 bis Dezember
2011 von der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und
Soziales finanziert wurde.
2 vgl. Mauruszat, Regine (o. J.): Eypertise „Sicherung von
Ausbildungserfolg bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund“, Berlin.
EInleitung1
BQN Berlin wirbt mit der Kampagne Berlin
braucht dich! dafür, dass mehr Jugendliche
mit Migrationshintergrund eine Ausbildung
beim Land Berlin machen. Außerdem sollen
sich Betriebe für diese Zielgruppe öffnen.
Berlin soll von allen Talenten profitieren, die
es in der Stadt gibt.
Der Beginn einer Ausbildung ist nur der
erste Schritt. Denn Jugendliche mit Migrationshintergrund haben nach dem Ausbildungsbeginn ein deutlich größeres Risiko,
ihre Ausbildung abzubrechen – ohne eine
andere Ausbildung aufzunehmen.2 Um diesen Sachverhalt zu untersuchen, führte
BQN Berlin zusammen mit der Türkischen
Gemeinde in Deutschland (TGD) das Projekt
Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung durch.
BQN Berlin beschäftigt sich seit Beginn der
Kampagne Berlin braucht dich! mit Ausbildungssicherung. Aufbauend auf der Expertise „Sicherung von Ausbildungserfolg bei
Auszubildenden mit Migrationshintergrund“
initiierte BQN Berlin die Maßnahme „Verhinderung von Ausbildungsabbruch“. Dabei
unterstützten Lerncoaches am OSZ Gesundheit abbruchgefährdete Auszubildende. Ein
Sprachtest und die Beratung des Lehrerkollegiums ergänzten die Maßnahme.
Die TGD verfügt ebenfalls über umfangreiche Erfahrung mit Ausbildungssicherung
und führte u.a. die Maßnahme Diversity
Factory bei Vivantes durch. Diversity-Trainings für Ausbilder/innen waren wichtiger
Bestandteil des Projekts.
Das Projekt Berlin braucht dich! Erfolg
in der Ausbildung begann mit einer
Bestandsaufnahme in Partnerbetrieben
der Kampagne Berlin braucht dich!:
Ausbildungsleitungen und Auszubildende
wurden zu Schwierigkeiten, zum Beispiel
aufgrund eines unterschiedlichen kulturellen Hintergrundes oder der Sprache, befragt, die möglicherweise zu Abbrüchen
führen.3
Hierauf aufbauend diskutierten Ausbildungsleitungen in drei Workshops den
Nutzen von verschiedenen Unterstützungsinstrumenten und beschlossen, dass innerhalb der Projektlaufzeit zunächst interkulturelle Trainings für ihre Mitarbeiter/innen
konzipiert und durchgeführt werden sollten.
Um dem Bedarf an Sprachförderung und
Nachhilfe gerecht zu werden, beschäftigte
sich das Projekt zudem mit dem Nutzen von
ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) der
Bundesagentur für Arbeit. In diesem Zusammenhang entstand auch ein Flyer, der
Auszubildende über abH informiert.
Die Ergebnisse des Projektes werden von
BQN Berlin ab 2012 in die Kampagne Berlin
braucht dich! übernommen. Gleichzeitig
wurden Empfehlungen für die Partnerbetriebe von Berlin braucht dich! und für
verschiedene Senatsverwaltungen daraus
abgeleitet (siehe Seite 10ff).
Inhalt
1
2
Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund:
Ergebnisse der Bestandsaufnahme
2
8
Planungsworkshops
8
Interkulturelle Trainings und Empfehlungen
11
Ausbildungsbegleitende Hilfen (abH) der Bundesagentur für Arbeit und Empfehlungen
3
4
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 1
1 Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund
1 Schwierigkeiten von
Auszubildenden mit
Migrationshintergrund:
Ergebnisse der Bestandsaufnahme
Grundlage der Bestandsaufnahme bilden
Interviews von BQN Berlin mit Personalverantwortlichen und Auszubildenden.3 Die
potenziellen Schwierigkeiten sollten von
beiden Seiten aus beleuchtet werden.
Insgesamt wurden 18 Personen befragt.
Die Antworten können an dieser Stelle
letztlich nicht objektiv bewertet werden.
Daher sollte bedacht werden, dass die
jeweils erwähnte Schwierigkeit durch die
Auszubildenden oder den Betrieb gleichermaßen verursacht sein können – zum Beispiel wenn sich ein Betrieb noch zu wenig
auf Auszubildende mit Migrationshintergrund eingestellt hat.
Schwierigkeiten
3 Interviews wurden bei der Howoge, der degewo, der Gesobau,
der Senatsverwaltung für Inneres und Sport, dem Bezirksamt
Tempelhof-Schöneberg, dem Bezirksamt Neukölln und der
Verwaltungsakademie geführt. Neben diesen Betrieben
beteiligten sich die Berliner Wasserbetriebe und Vivantes an den
Planungsworkshops und den interkulturellen Trainings.
2 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
Alle Interviewpartner/innen – also sowohl
die Ausbildungsleitungen als auch die Jugendlichen – führten einige Schwierigkeiten
auf den Migrationshintergrund von Auszubildenden zurück. Dabei sollte erwähnt
werden, dass die Mehrzahl der Auszubil-
Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund 1
„Ich denke auch, dass viele
Kollegen sich gar nicht damit
beschäftigen, wie das in anderen
Kulturen ist.
So wie ich jetzt zum Beispiel auch
vom Ahmed weiß, der geht in den
Pausen auch mal beten.“
denden mit Migrationshintergrund keine
Probleme hat und sich gut im Betrieb integriert hat. Einige von ihnen gehören in ihrer
Berufsschule sogar zu den Klassenbesten.
II Betriebsatmosphäre
Ein Großteil der Schwierigkeiten betrifft die
Betriebsatmosphäre. Dabei stellte sich die
Frage, ob sich der/die Jugendliche nicht
richtig einfügt oder ob der Betrieb den/die
Jugendliche/n mit seinem kulturellen Hintergrund nicht respektiert.
Hierzu bemerkte ein Auszubildender:
„Ich denke auch, dass viele Kollegen sich
gar nicht damit beschäftigen, wie das in
anderen Kulturen ist. So wie ich jetzt zum
Beispiel auch vom Ahmed weiß, der geht
in den Pausen auch mal beten, […] das
Verständnis dafür aufzubringen, das fehlt
manchen. Die eine Dame im Rechnungswesen war so ein bisschen überwältigt
davon, dass er das macht“.
Wie geht man mit Auszubildenden um, die
Gebetszeiten einhalten wollen? Wie mit
dem Tragen eines Kopftuches? Nach Angaben der Personalverantwortlichen stellt das
Tragen des Kopftuchs kein Problem dar und
ist weder für eine Einstellung noch im
Arbeitsalltag hinderlich. Teilweise erwähnten sie jedoch, dass es nicht gern gesehen
werde. So wurde der Fall einer Auszubildenden geschildert, die wegen ihres Kopftuchs
auf eine Stelle ohne Publikumsverkehr versetzt wurde.
Nichtsdestotrotz berichtete die Mehrzahl
der Befragten (Auszubildende und Ausbildungsleitungen), dass der Umgang mit
diesen sichtbaren Unterschieden nur wenige Probleme mit sich bringt. Es käme aber
vor, dass Mitarbeiter/innen aufgrund eines
Migrationshintergrundes Zuschreibungen
vornehmen.
Die befragten Personalverantwortlichen
verwiesen auf die Unsicherheit von Mitarbeitern/innen im Umgang mit den Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Exemp-
larisch ist eine Sekretärin, die bislang kaum
mit Migranten/innen zu tun hatte und nun
mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund zusammenarbeitet. Sie ist verunsichert und weiß nicht, wie sie sich verhalten
soll.
Beispielhaft ist auch der Fall einer Ausbildungsleiterin, die von einem Auszubildenden mit türkischem Migrationshintergrund
berichtete, der sich den Gepflogenheiten
des Betriebes zu wenig angepasst habe.
Ihre Dienstanweisungen habe er zwar
akzeptiert, Hinweise auf eine angemessene
Kleidung oder zu unpassenden Einmischungen in private Gespräche aber ignoriert.
Ratschläge von männlichen Mitarbeitern
habe derselbe Auszubildende hingegen
angenommen. Sie selbst war sich unsicher,
was die Ursache sei. Ist es der Migrationshintergrund? Oder ist das Verhalten darauf
zurückzuführen, dass der Auszubildende
ein junger Mann ist – ganz unabhängig von
seinem Migrationshintergrund?
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 3
1 Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund
„Sie sind in
meinen Augen
europäisch‘,
höre ich ständig.
‚Sie sind zwar
von der Herkunft
her Türke, aber
eigentlich sind
Sie ja Deutsche,
weil Sie verhalten sich ja gut.“
4 Diese Behauptungen konnten nicht überprüft werden, da
Schulen nicht in das Projekt eingebunden waren.
4 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
Auch eine Auszubildende störte sich an
Zuschreibungen durch Kollegen/innen, die
sie als Diskriminierung empfindet:
„Anstatt dass man vielleicht mal sagt:
‚Hey, da sitzt gerade gegenüber eine Türkin, eine Vollbluttürkin, die aber vielleicht
anders ist als die anderen Türken. ‚Sie
sind in meinen Augen europäisch‘, höre
ich ständig. ‚Sie sind zwar von der Herkunft her Türke, aber eigentlich sind Sie ja
Deutsche, weil Sie verhalten sich ja gut.“
Einige der befragten Personalverantwortlichen befürchten Ähnliches: Sie sorgen sich
z. B., dass manche Mitarbeiter/innen diskriminierende Bemerkungen gegenüber den
Jugendlichen fallen lassen könnten. Dies
befürchten sie nicht nur für ihren Betrieb,
sondern auch für die Berufsschulen – den
zweiten wichtigen Lernort der Jugendlichen.
Ausbilderinnen erwähnten in diesem
Zusammenhang, dass die Auszubildenden
immer wieder von diskriminierenden Äußerungen ihrer Lehrer/innen berichten.4
Um diesen Schwierigkeiten zu begegnen,
wünschen sich viele Betriebe eine Unterstützung, welche die interkulturelle
Kompetenz der Mitarbeiter/innen fördert.
Die meisten Befragten würden gerne ein
ein- bis zweitägiges Seminar besuchen, das
ggf. regelmäßig wiederholt wird. Teilweise
möchten die befragten Auszubildenden
auch, dass Auszubildende ohne Migrationshintergrund an solchen Fortbildungen
teilnehmen.
II Leistungsfähigkeit
Bei diesem Punkt stellt sich die Frage,
inwieweit die Schwierigkeiten darauf zurückzuführen sind, dass die betreffenden
Jugendlichen keine ausreichende Leistungsfähigkeit mitbringen oder dass die Anforderungen der Betriebe nicht erfüllbar sind.
Es zeigte sich, dass sich alle befragten Auszubildenden mündlich nahezu fehlerfrei
ausdrücken. Häufig erwähnten die Ausbildungsleiter/innen aber, dass viele Jugendliche mit Migrationshintergrund mangelnde
Kenntnisse der deutschen Schriftsprache
besäßen. So hätten selbst einzelne Auszubildende mit Mittlerem Schulabschluss
große Probleme mit der Grammatik und
wendeten z. B. die Groß- und Kleinschreibung nicht richtig an. Viele Ausbildungsleitungen gaben aber an, dass alle Auszubildenden gleichermaßen von Unkenntnis in
Grammatik und Rechtschreibung betroffen
seien – ob sie nun einen Migrationshintergrund haben oder nicht.
Eine andere Art der Sprachschwierigkeit
treffe wiederum fast ausschließlich auf Auszubildende mit Migrationshintergrund zu.
So fehle teilweise das Textverständnis bei
komplizierten Ausbildungsinhalten oder
Texten mit Fachwörtern. Dazu eine Personalverantwortliche:
„Die scheinen sich das zu übersetzen,
was sie in der Schule lernen und erklären
es sich in ihrer Muttersprache und übersetzen es dann zurück. […] Ab Mitte
Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund 1
zweites Ausbildungsjahr funktioniert das
nicht mehr, und da fangen die Probleme
an. Weil dann Begriffe auftauchen, die die
nicht kennen. Die auch zuhause ihnen
nicht vermittelt werden. Die junge Kosovo-Albanerin, die ich hatte, da haben wir
einmal die Woche Nachhilfe gemacht, […]
die hat immer auf Wörter in ihrem Lehrbuch gezeigt und ich hab ihr die erklärt.
Die hat einfach nicht verstanden, was dieses Wort bedeutet. Die war nicht dumm.
Nachdem wir das übersetzt hatten, hat
die durchaus auch den Zusammenhang
erkennen können. Aber sie hat einfach
begriffliche Probleme gehabt.“
Nicht ausreichende Sprachkenntnisse
führen nach Ansicht von Interviewpartnern/
innen zu schlechteren Leistungen in der
Schule. Werden Texte nicht verstanden, verschlechtere sich die Leistungsfähigkeit insgesamt.
Andere Ausbildungsleiter/innen erklären
sich schlechte Leistungen der Jugendlichen
eher mit einer starken zeitlichen Einbindung – insbesondere von jungen Frauen –
in die Familien. Ihnen bleibe daher zu wenig
Zeit zum Lernen. Zur Frage, ob Leistungen
von Auszubildenden mit Migrationshintergrund im Durchschnitt schlechter seien, gab
es keine einheitliche Meinung.
Ganz allgemein sahen viele Interviewpartner/innen die Leistungsfähigkeit der Auszubildenden durch die Rahmenbedingungen
in der Berufsschule eingeschränkt. Hier
falle viel Unterricht aus. Lehrer/innen seien,
ggf. durch Überlastung, schlecht vorbereitet und demotiviert. Der Zusammenhang
des Unterrichtsinhaltes mit den Themen der
Ausbildung sei nicht immer erkennbar.5
Einige Betriebe beanspruchen bei Grammatik- oder Rechtschreibproblemen ausbildungsbegleitende Hilfen. Das ist das RegelNachhilfeangebot der Bundesagentur für
Arbeit, das allen Jugendlichen bei einer
betrieblichen Erstausbildung kostenlos zur
Verfügung steht. Bei diesen fehlt jedoch
ein Angebot für Deutsch als Zweitsprache.
Eine Interviewpartnerin zeigte sich überzeugt, dass die ausbildungsbegleitenden
Hilfen in vielen Fällen nichts nützen,
„weil die nicht auf das sprachliche Problem eingehen. Die gehen auf das schulische Problem ein. Das heißt also: Die
kauen das Material, was in der Schule
vermittelt wird, einfach wieder und hoffen,
dass sie das irgendwann begreifen. Aber
sie erkennen nicht das eigentliche Problem, was der Auszubildende hat, dass
das eine sprachliche Barriere ist.“
In den Interviews wünschten sich die Ausbildungsleitungen langfristig eine Anpassung der abH an die genannten Bedürfnisse.
Dies ist eine der Empfehlungen zu den abH,
die auf den Seiten 11/12 dieser Broschüre
ausführlich beschrieben sind.
5 siehe Fußnote 3
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 5
1 Schwierigkeiten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund
6
„Ich glaube,
ganz oft ist das
eine Mentalitätsfrage,
Einhaltung von
Regeln, von
Werten, die so
in der ganz
normalen Betriebsordnung
verankert sind.“
6 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
II Einhalten von Regeln
Auch beim Einhalten von Regeln sehen die
befragten Ausbilder/innen teilweise besondere Schwierigkeiten bei den Auszubildenden mit Migrationshintergrund. Hierbei
steht zur Diskussion, ob dies an der nicht
ausreichenden Angepasstheit des/der
Jugendlichen liegt oder ob Jugendliche die
Regeln nicht akzeptieren, weil diese sich
nicht aus dem betrieblichen Ablauf herleiten lassen.
Einige der Interviewpartner/innen gaben an,
dass formelle oder informelle Regeln
ignoriert würden:
„Ich glaube, ganz oft ist das eine Mentalitätsfrage, Einhaltung von Regeln, von
Werten, die so in der ganz normalen Betriebsordnung verankert sind. Sei es Einhalten von Verabredungen, sei es Einhalten von Uhrzeiten, pünktliches zum Dienst
erscheinen und schlicht und ergreifend,
sich mal melden, wenn man nicht kommt
oder später kommt. Dass das in der deutschen Kultur irgendwie sehr verankert ist
und in vielen anderen Ländern eben nicht
so fester Bestandteil der Gesellschaft ist.
Und da gibt es auf jeden Fall immer
Aneckungen.“
Ein ähnliches Problem betrifft nach Auskunft von Ausbildern/innen männliche muslimische Auszubildende. In Einzelfällen
nähmen sie keine Anweisungen von weiblichen Vorgesetzten entgegen. So wurde
von Auszubildenden berichtet, die oft zu
spät kamen. Auf den Hinweis, sie mögen
pünktlich kommen, hätten sie patzige Antworten gegeben.
Als eine Unterstützungsform haben Betriebe erste Erfahrung mit Mentorensystemen
gesammelt, diese aber wegen Ressourcenknappheit bisher nicht ausgebaut. Ein ggf.
betriebsübergreifendes Mentoringsystem
könnte die Akzeptanz berechtigter Regeln
durch die Jugendlichen fördern.
Als weitere Unterstützungsmaßnahme
wünschten sich Ausbildungsleitungen die
Einrichtung einer betriebsübergreifenden
Supervision, die existierende Beratungseinrichtungen sinnvoll unterstützt.
Planungsworkshops 2
2 Planungsworkshops
Expertinnen und Experten gemeinsam
entscheiden und gestalten lassen – das ist
ein wichtiges Prinzip der von BQN Berlin im
Rahmen des Projektes Berlin braucht dich!
durchgeführten Planungsworkshops.
Zehn Vertreter/innen aus Betrieben (die
Wohnungsgesellschaften degewo, Howoge
und Gesobau, Vivantes, das Bezirksamt
Neukölln sowie die Senatsverwaltung für
Inneres und Sport) kamen im Mai 2010
zusammen, um gemeinsam die Ergebnisse
der Bestandsaufnahme zu diskutieren.
Welche der dort genannten Schwierigkeiten
sind am größten? Welche Unterstützungsmaßnahmen wurden in einzelnen Betrieben
schon erprobt? Welche Erfahrungen wurden hier schon gemacht? Deutlich wurde in
der Diskussion, dass in Betrieben zwar viel
Unterstützung angeboten wird: Oft wird
diese aber nur auf der individuellen Ebene
geleistet. Gerade bei den Sprachproblemen
stießen die Ausbilder/innen oft an fachlichdidaktische und/oder zeitliche Grenzen.
Ebenfalls diskutiert wurde, wie die Betriebe
Migranten/innen fördern können, ohne diese Auszubildenden als eine Sondergruppe
zu behandeln.
Man war sich einig, dass die Synergieeffekte des Berlin braucht dich! Konsortiums
auch für das Projekt Erfolg in der Ausbildung genutzt werden sollten. Das Konsortium ist ein Zusammenschluss von 46
Betrieben mit Landesbeteiligung und des
Öffentlichen Dienstes mit 32 Schulen.
Gemeinsam planen und realisieren sie
Betriebsbegegnungen für Schüler/innen mit
Migrationshintergrund. Im Rahmen des
Konsortiums könnten Unterstützungsmaßnahmen durchgeführt werden, die einzelne
Betriebe nicht für sich organisieren können.
Alle Projektbeteiligten einigten sich darauf,
den Schwerpunkt des Projekts auf die
Entwicklung und Erprobung interkultureller
Trainings von Ausbildungsverantwortlichen
zu legen, um eine Verbesserung der
Betriebsatmosphäre herbeizuführen.
Daneben sollte auch das Nachhilfeangebot
und hier insbesondere das für Deutsch als
Zweitsprache überprüft werden.
BQN Berlin informierte die Teilnehmer/
innen, was die ausbildungsbegleitende
Hilfen (abH) leisten, welche Auszubildenden daran teilnehmen dürfen und wie die
Antragstellung funktioniert. In der Projektlaufzeit wurde ein jugendgerechter Flyer
über abH entwickelt.6 Beim Abschlussworkshop des Projektes wurde mit den Ausbildern/innen erörtert, worauf Betriebe bei der
Beantragung von abH achten sollten.
6 http://www.bqn-berlin.de/publikationen.php
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 7
3 Interkulturelle Trainings
3 Interkulturelle
Trainings und
Empfehlungen
Konzeption und Durchführung
Mit den Trainings – so war dies in den Planungsworkshops vereinbart worden – sollten folgende Ziele erreicht werden:
II Die Teilnehmer/innen sollten sicherer
werden im Umgang mit Auszubildenden
mit Migrationshintergrund. Sie sollten z.
B. einschätzen lernen, wie viel Rücksicht
sie im Arbeitsalltag auf eine/n Muslim/a
nehmen sollten, der/die im Ramadan
fastet.
II Die Teilnehmer/innen sollten sich interkulturell sensibel verhalten, sich z. B. bei
Sprachschwierigkeiten geduldig zeigen
und Auszubildenden mit und ohne
Migrationshintergrund gleiche Chancen
geben.
II Die Teilnehmer/innen sollten die richtige
Balance finden zwischen Bestärkung
(affirmative action), Toleranz und
Einhaltung festgelegter Regeln.
8 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
Um dies zu erreichen, wurden zwei Formate
entwickelt:
1 Ein eintägiges Schnuppertraining für die
Personalverantwortlichen
Dieses Training wurde im Vorfeld der anderen Trainings durchgeführt, um den Ausbildungsleitungen einen Einblick in die Methode interkultureller Trainings zu geben.
Ihre Reaktionen waren positiv:
„Das Schnuppertraining war für mich sehr
informativ und hat mich zum Nachdenken
bzw. Überdenken angeregt.“
2 Zweitägige Trainings für Ausbilder/innen
und Praxisanleiter/innen.
Diese Trainings wurden auf Grundlage des
Feedbacks der Ausbildungsleitungen konzipiert. Dabei sollte der Schwerpunkt auf
selbstreflexiven Übungen liegen: Was ist
die eigene Identität? Vor welchem Hintergrund bewerte ich Situationen und Menschen? Wie kommuniziere ich, und wie
kommunizieren andere? Welche Missverständnisse kann es dabei geben?
Interkulturelle Trainings 3
Um die gewünschte Handlungsorientierung
zu erreichen, wurden am Nachmittag des
zweiten Tages Fallbeispiele mithilfe von Rollenspielen aus dem Arbeitsalltag der Teilnehmer/innen behandelt.
Insgesamt 28 Mitarbeiter/innen (22 Frauen,
sechs Männer) von Vivantes, der Howoge,
der Gesobau, den Berliner Wasserbetrieben
sowie den Bezirksämtern Neukölln und
Tempelhof-Schöneberg nahmen teil.
Auswertung der Trainings
Um herauszufinden, welchen Beitrag die
Trainings für die Verbesserung der Betriebsatmosphäre in den Partnerbetrieben
leisten, begleitete BQN Berlin die Trainings
mit einer internen Evaluation. Das Evaluationsdesign sah erstens vor, dass direkt im
Anschluss an die Trainings eine erste Reaktion mithilfe eines Fragebogens ermittelt
werden sollte. Zweitens sollte überprüft
werden, inwieweit die Trainings zu einer
positiven Verhaltensänderung der Teilnehmer/innen gegenüber Auszubildenden mit
Migrationshintergrund beigetragen haben.
Diese Frage wurde bei drei Gruppendiskussionen in drei verschiedenen Betrieben
überprüft.
Die Ergebnisse der beiden Erhebungen
wurden in den Abschlussworkshops des
Projektes mit den Ausbildungsleitungen
diskutiert. Für Empfehlungen an die Politik
waren dabei insbesondere folgende
Ergebnisse relevant:
Die Feedbackbögen zeigen, dass ein Großteil der Teilnehmer/innen (39 Prozent, N =
28) vor Beginn skeptisch gegenüber den
Trainings eingestellt war.7 Die skeptischen
Personen sollten anschließend angeben, ob
sich ihre Skepsis im Verlauf des Trainings
gelegt habe: Bis auf eine Person bestätig-
7 Bei der Frage nach der Skepsis im Vorfeld der Trainings gab es
sechs Antwortmöglichkeiten: „trifft voll und ganz zu“, „trifft
überwiegend zu“, „teils-teils“, „trifft eher nicht zu“, „trifft gar
nicht zu“, „weiß nicht“.
ten alle elf Skeptiker/innen, dass dies voll
und ganz bzw. überwiegend zutreffe. Trotz
dieser positiven Entwicklung muss gefragt
werden, worauf die teilweise weiterhin
existierende Skepsis zurückzuführen ist.
Hier ergeben sich zwei Anhaltspunkte:
In einer offen formulierten Frage nach vermissten Inhalten wünschte sich ein Großteil
der Teilnehmer/innen (39 Prozent) mehr
kulturspezifisches Wissen und darauf aufbauende Hinweise zum eigenen Verhalten.
Gleichzeitig äußerten sie den Wunsch nach
mehr Praxisbezug. Zwar wurden die Rollenspiele zu den Fallbeispielen der Teilnehmer/
innen positiv aufgenommen, jedoch sei
hierfür insgesamt zu wenig Zeit gewesen.
In den Gruppendiskussionen wurde die
Bedeutung der selbstreflexiven Übungen
betont:
TN 1: „Erst dachte ich, wozu brauch’ ich
das eigentlich? Aber im Nachhinein denk’
ich: Einige Sachen waren ja so schlecht
nicht. Die Übung mit dem Vorwärtsgehen
zum Beispiel: Da merk’ ich schon im Nachhinein, wie eingeschränkt manche sind
aufgrund ihrer Herkunft.“
TN 2: „Ich glaube man erinnert sich im
Berufsalltag nicht so an die einzelnen
Übungen, sondern das ist mehr so diese
Sichtverschiebung. Die ist aber schon da.“
Deutlich wird also, dass die selbstreflexiven
Übungen ein elementarer Bestandteil der
Trainings sind. Im Arbeitsalltag kann daran
angeknüpft werden. Auf die Übungen sollte
nicht zugunsten eines längeren praxisbezogenen Teiles verzichtet werden. Auch wurde
deutlich, dass manche Teilnehmer/innen
etwas Zeit brauchen, bis das bei den Übungen Erlernte reflektiert und im (Arbeits-)
Alltag umgesetzt wird. Daneben wurde in
den Gruppendiskussionen das Bedürfnis
geäußert, an Trainings in wiederholter, aufeinander aufbauender Form teilnehmen zu
wollen. Auf diese Weise könnten Erfahrungen, die im Anschluss an ein erstes Training
gemacht wurden, noch einmal reflektiert
werden.
Interkulturelle Trainings
fortführen
In einem abschließenden Workshop wurden
die Trainingsergebnisse mit den Ausbildungsleitungen diskutiert und eine
Weiterarbeit für 2012 im Rahmen der
Kampagne Berlin braucht dich! geplant.
Alle Ausbildungsleitungen wünschten sich
eine Weiterführung der interkulturellen
Trainings, um die interkulturelle Öffnung
ihrer Betriebe voran zu bringen.
Dabei sind ihnen drei Punkte wichtig:
1 Die Ausbildungsleitungen möchten das
gemeinsam erarbeitete Trainingskonzept
für Ausbilder/innen und Praxisanleiter/
innen weiterentwickeln. Es wurde festgestellt, dass eine einmalig stattfindende
Veranstaltung bei zahlreichen Mitarbeitern/
innen nicht ausreicht, um Einstellungen zu
revidieren, die sie sich über viele Jahre
angeeignet haben. Vielmehr sollten
Initial- und Fortsetzungstrainings kombiniert werden. In diesen könnte eine
interkulturell sensible Ausbildung entlang
der bekannten neuralgischen Punkte
(Probezeit, Zwischenprüfung, Abschlussprüfung) thematisiert werden. Jeweils im
Vorlauf eines Ausbildungsabschnittes könnte die vorangegangene Phase reflektiert
und die anstehende geplant werden.
2 Sie möchten eine größere Anzahl an
Mitarbeitern/innen in die Trainings
entsenden und in ihren Betrieben dafür
werben, dass neben Ausbildern/innen und
Praxisanleitern/innen andere Berufsgruppen teilnehmen können.
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 9
3 Interkulturelle Trainings
3 Sie wünschen sich, dass Auszubildende
in die Trainings einbezogen werden. Die am
Projekt beteiligte Verwaltungsakademie
bietet ihren Auszubildenden zum/zur Bürokommunikationskaufmann/frau und zum/
zur Verwaltungsfachangestellten solche
Trainings ab sofort innerhalb des neu strukturierten Faches Bürgerorientiertes Verwaltungshandeln an. Bislang fehlt ein vergleichbares Angebot für Auszubildende aus
den Betrieben mit Landesbeteiligung. Im
Abschlussworkshop wurde das Bedürfnis
formuliert, dass alle Auszubildenden des
Öffentlichen Dienstes gleich zu Beginn ihrer
Ausbildung als„Teambuilding“-Maßnahme
verpflichtend an einem interkulturellen Training teilnehmen sollten.
10
Empfehlungen zu interkulturellen Trainings für Ausbildungspersonal
Interkulturelle Trainings haben sich als
wichtiges Element zur Qualifizierung des
Personals erwiesen. Die Ergebnisse aus
dem Projekt Berlin braucht dich! Erfolg in
der Ausbildung zeigen allerdings, dass es
zurzeit noch keine exakt passenden
Trainingsformate gibt. Die im Projekt
entwickelten Inhalte bilden die Grundlage,
auf der nun mit Unterstützung der Senatsverwaltungen und der beteiligten Betriebe
aufgebaut werden soll. An sie richten sich
folgende Empfehlungen:
Empfehlungen an die Senatsverwaltungen
1. Empfehlung: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und
Frauen und die Senatsverwaltung für Inneres und Sport setzen sich
für die Erhöhung des Anteils der Beschäftigten mit Migrationshintergrund, § 4 Abs.5 PartInG, ein, insbesondere durch Erhöhung des
Anteils der Auszubildenden mit Migrationshintergrund auf mindestens 25 Prozent. Weiterhin setzen sich die Senatsverwaltungen dafür
ein, dass die im Partizipations- und Integrationsgesetz geforderte
Weiterbildung in interkultureller Kompetenz für alle Beschäftigten,
§ 4 Abs.3 PartInG, zügig umgesetzt wird und entsprechende Mittel
im Etat eingeplant werden. Sie unterstützen die Betriebe ideell und
materiell bei der Erstellung der Trainingsangebote, siehe Empfehlung 3.
2. Empfehlung: Die Senatsverwaltungen unterstützen eine Ergänzung des im Partizipations- und Integrationsgesetz genannten
Benchmarkings, § 4 Abs.5 PartInG, um eine wissenschaftliche Evaluation der Fortbildungen zur interkulturellen Kompetenz für Ausbildungspersonal und Auszubildende. Die Umsetzung wird mit dem
Integrationsbeauftragten abgestimmt.
Empfehlungen an die Betriebe
3. Empfehlung: Die Betriebe mit Landesbeteiligung und die Behörden des Öffentlichen Dienstes entwickeln eine Strategie, wie interkulturelle Trainings zu ihrer interkulturellen Öffnung beitragen
können. Das Berlin braucht dich! Konsortium koordiniert diese
Entwicklung und berücksichtigt dabei die jeweils relevanten Akteure. Dies sind für die Betriebe des Öffentlichen Dienstes neben den
einzelnen Behörden sowohl die Verwaltungsakademie, VAK, als
auch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport, als Ausbildungsverantwortliche für den Senat. In Bezug auf die Planung der Trainings für Auszubildende wird die VAK als Anbieterin von interkulturellen Trainings innerhalb des Fachs „Bürgerorientiertes
Verwaltungshandeln“ einbezogen.
4. Empfehlung: Die Strategie soll eine Möglichkeit vorsehen, dass
Auszubildende als Multiplikatoren/innen qualifiziert und eingesetzt
werden können. Möglich erscheint die Ausbildung von Peer-Trainern/
innen, d. h. jungen Mitarbeitern/innen bis 25 Jahren.
10 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
Ausbildungsbegleitende Hilfen 4
4 Ausbildungsbegleitende
Hilfen (abH) der Bundesagentur für Arbeit und
Empfehlungen
Hintergrund
Die ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH)
der Bundesagentur für Arbeit sind das umfangreichste Angebot zur Unterstützung
von Auszubildenden, deren Ausbildungserfolg bedroht ist. „Durch Förderung des
Erlernens von Fachtheorie, Fachpraxis,
Stützunterricht zum Abbau von Sprach- und
Bildungsdefiziten sowie durch sozialpädagogische Begleitung“8 soll der erfolgreiche
Abschluss einer betrieblichen Berufsausbildung gewährleistet werden. Mit der Umsetzung der abH sind in Berlin aktuell acht
Träger an verschiedenen Standorten im
Stadtgebiet beauftragt.9
Die Interviews zu Beginn des Projektes, die
Planungsworkshops und bilaterale Gespräche mit Ausbildern/innen verschiedener
Betriebe ergaben, dass abH heute nicht von
allen betroffenen Auszubildenden gleichermaßen angenommen werden. Ursache ist
eine teilweise ungenügende Information
über die abH. Als Lösung wurde im Rahmen
des Projektes ein Flyer entwickelt. Das Faltblatt erläutert, was abH sind und wie sie
beantragt werden können.
Zusätzlich zur ungenügenden Information
besteht aber das Problem, dass ein spezieller Bedarf bestimmter Personengruppen
durch das SGB II und das SGB III – die für
die abH maßgeblichen Gesetzbücher – bislang nicht gedeckt ist. Daneben hindern interne Regelungen der Arbeitsagenturen
und Jobcenter Jugendliche daran, die abH
in einem ihren Schwierigkeiten angemessenen Umfang wahrzunehmen. BQN Berlin
empfiehlt daher den zuständigen Senatsverwaltungen und Betrieben, die unten genannten Punkte in geeigneter Weise zu forcieren.
8 http://www.arbeitsagentur.de/nn_27658/Navigation/zentral/
Unternehmen/Hilfen/Rehabilitation/AusbildungsbegleitendeHilfen/Ausbildungsbegleitende-Hilfen-Nav.html#d1.2, Zugriff
12/2011.
9 Die acht Träger sind Schildkröte GmbH, die Gesellschaft für
berufsbildende Maßnahmen (GFBM), die Fortbildungsakademie
der Wirtschaft (FAW), die Bildungsmarkt Vulkan gGmbH, TÜV
Rheinland Akademie GmbH, die Werkstatt neue Technologien und
Kultur (WeTeK), das Institut für Betriebsorganisation und Informations-Technik (InBIT), die Deutsche Angestellten-Akademie (DAA)
und die TÜV Rheinland Akademie GmbH.
Empfehlungen zu ausbildungsbegleitenden Hilfen
Defizitäre Kenntnisse der deutschen
Schrift- bzw. Fachsprache hindern viele
Auszubildende mit Migrationshintergrund –
trotz vorhandener Ausbildungsreife – am
Ausbildungserfolg. Bisher können nach
gesetzlicher Vorschrift (§ 241 SGB III)
lediglich allgemeine „Maßnahmen zum
Abbau von Sprachdefiziten“ gefördert
werden. Dieser Unterricht entspricht aber
nicht den spezifischen Bedürfnissen der
Migranten/innen.
5. Empfehlung: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und
Frauen nimmt in geeigneter Weise Einfluss auf eine Überarbeitung
der Bundesgesetze SGB II und SGB III: Der die abH behandelnde
Paragraph § 241 SGB III soll dahin gehend geändert bzw. konkretisiert werden, dass zur Absicherung der betrieblichen Erstausbildung
bei Migranten/innen ein spezieller ergänzender Deutschunterricht
auf Grundlage der bisherigen Sprachkenntnisse angeboten wird, um
den betrieblichen Ausbildungserfolg zu sichern.
BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung? I 11
4 Ausbildungsbegleitende Hilfen
Neben dieser die Gesetzgebung betreffenden Empfehlung sind zusätzliche Änderungen auf anderen Ebenen notwendig:
Ausbildungsbegleitende Hilfen werden entweder durch die jeweilige Arbeitsagentur
oder Jobcenter bewilligt – je nachdem,
ob der/die Auszubildende zusätzlich zu
seinem/ihrem Arbeitsentgelt Aufstockungsleistungen wie z. B. Wohngeld erhält
(Zuständigkeit beim Jobcenter) oder nicht
(Zuständigkeit bei der Arbeitsagentur). Die
inhaltliche Ausgestaltung der Hilfen ist bei
beiden Gruppen identisch, aber die Vergabebedingungen weichen voneinander ab:
Auszubildende im Zuständigkeitsbereich
einer Arbeitsagentur können in der Regel
wählen, ob sie die abH beim Träger im Bezirk des Wohnortes, des Betriebes oder der
Berufsschule wahrnehmen. Demgegenüber
dürfen Auszubildende im Zuständigkeitsbereich eines Jobcenters die abH nur im Bezirk
ihres Wohnortes wahrnehmen. Auszubildende können die abH oft einfacher in ihren
Alltag integrieren, wenn sie diese direkt im
Anschluss an ihre Berufsschule oder Arbeit
im Betrieb absolvieren können. Müssen sie
erst in den Bezirk ihres Wohnortes zurückfahren, sind sie ggf. schon zu müde, um von
der abH profitieren zu können. So ist es für
Jugendliche im Zuständigkeitsbereich eines
Jobcenters weniger wahrscheinlich, dass sie
an einer abH teilnehmen. Außerdem müssen diese Jugendlichen bei einem Umzug in
einen anderen Bezirk i. d. R. den Träger
wechseln, da nur wenige Träger für mehrere
Bezirke zuständig sind. Auch dadurch wird
ein Abbruch der abH wahrscheinlicher.
Ein anderes Hindernis besteht in der Anzahl
der von der Agentur und den Jobcentern
eingekauften Plätze. Ein Träger nannte das
Problem, dass seine Plätze für JobcenterKunden schon belegt seien und er interessierte Jugendliche daher abweisen musste.
12 I BQN Berlin I Berlin braucht dich! Erfolg in der Ausbildung
Die folgende Empfehlung bezieht sich gleichermaßen auf beide oben genannten Nachteile.
6. Empfehlung: Die Senatsverwaltung für Arbeit, Integration und
Frauen nimmt bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern darauf
Einfluss, dass die Auszubildenden – unabhängig davon, ob sie in
den Zuständigkeitsbereich einer Arbeitsagentur oder eines Jobcenters fallen – die abH nach Wahl entweder im Bezirk ihres Wohnortes,
ihres Ausbildungsbetriebes oder der Berufsschule wahrnehmen
können. Die Abrechnung der Maßnahmen erfolgt zwischen den
Agenturen und Jobcentern nach Wohnsitz der Auszubildenden.
Einige Träger beklagen außerdem eine zu geringe Aufgeschlossenheit mancher Oberstufenzentren (OSZ) gegenüber ihrem Angebot. So sei es vorgekommen, dass ein Träger, der
an einem OSZ über sein Angebot informieren wollte, von der Schulleitung abgewiesen
wurde. Dies sei damit begründet worden, dass das OSZ seine Schüler/innen bereits
ausreichend unterstütze.
7. Empfehlung: Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
Wissenschaft versendet ein Informationsschreiben, das über
ausbildungsbegleitende Hilfen informiert und auf deren Bedeutung
im Rahmen der Förderlandschaft hinweist.
Abschließend lässt sich festhalten, dass das Projekt Berlin braucht dich! Erfolg in der
Ausbildung wichtige Ergebnisse erarbeitet hat, auf deren Grundlage sich der Ausbildungserfolg von Auszubildenden mit Migrationshintergrund sichern lässt. Es hat sich gezeigt,
dass Betriebe der Ausbildungssicherung der Jugendlichen mit Migrationshintergrund eine
große Bedeutung beimessen. Sie sollten dabei in Zukunft durch noch effektivere Instrumente unterstützt werden. Dazu gehört auch die Kampagne Berlin braucht dich!, die
weiterhin an dem Ziel arbeitet, den Anteil Jugendlicher mit Migrationshintergrund in allen
Ausbildungsbereichen auf 25 Prozent zu erhöhen. 25 Prozent, die ihre Ausbildung
erfolgreich abschließen.
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Autorin: Katharina Goethe
Redaktion: Oliver Panne,
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