Dass der italienische Piaggio-Konzern in der von ihm begründeten

Transcrição

Dass der italienische Piaggio-Konzern in der von ihm begründeten
Dass der italienische Piaggio-Konzern in der von ihm begründeten Dreiradsparte so
lange allein herrschen konnte, muss überraschen. Erst 2013 forderte der Peugeot
Metropolis 400 die Italiener heraus, die ihrerseits reagieren und in diesem Jahr den
rundherum überarbeiteten Piaggio mp3 500 ABS/ASR ins Rennen schicken.
tropolis ist modern gezeichnet, weist innovative Technikmerkmale wie Keyless-Go oder
die Reifendruckkontrolle auf und integriert
das für die PKW-Führerscheineignung notwendige Fußbremspedal weniger störend.
Last but not least kostete er weniger.
Doch seit Mitte diesen Jahres schlägt das
Imperium zurück mit einem technisch gründlich renovierten mp3 500. Optische Retuschen wie neue Scheinwerfer, die LED-Ausstattung und das getönte Windschild machen
ihn zwar eine Spur dynamischer, an der
grundsätzlichen Linie hat das aber nichts geändert. Auch die Motorisierung bleibt in der
Basis gleich: Leicht modifiziert, bietet das
493 Kubikzentimeter große Viertaktherz neben der Standardeinstellung ein über den
Startknopf anwählbares „Eco"-Motormapping. Damit ändert sich der Charakter von
sportlich nach ökonomisch, was vor allem im
geringeren Spurt- und Durchzugsvermögen
seinen Ausdruck findet. Unverändert stehen
stramme 40 PS und 45,5 Newtonmeter Dreh-
moment zur Verfügung.
Da kann der knapp 100 Kubikzentimeter
kleinere Franzosen-Single nicht ganz mithalten, auch wenn seine Motordaten mit 37 PS
und 38 Nm ebenfalls nicht von Pappe sind.
Modern gestaltet sich die Startprozedur:
Während der Piaggio über ein herkömmliches
Zünd-Lenkschloss verfügt, genügt dem Franzosen ein Transponder in der maximal 1,50
Meter entfernten Jackentasche - über einen
Drehknopf wird das Lenkschloss gelöst, die
Zündung aktiviert und der Motor per Startknopf angelassen. Dann pröttelt der Franzose etwas pubertär aus dem Schalldämpfer,
wo der mp3 dezenter und sonorer klingt.
Beim Ampelsprint setzt sich der Italiener
subjektiv etwas nachdrücklicher in Szene,
was auch der erwachseneren Tonalität der
mp3-Auspuffanlage zuzuschreiben ist. Allerdings müssen beide Aspiranten beim Spurt
aus dem Stand ihrer vergleichsweise langen
Übersetzung und den in Relation zu Einspurfahrzeugen hohen Gewichten Tribut zollen.
Erst mit zunehmendem Tempo spielt vor allem der mp3 seine Durchzugsstärke aus und
kommt am Ende mit maximal 142 km/h auf
der Autobahn schneller voran als der nur
sechs km/h langsamere Franzose.
Von der Bauweise unterscheiden sich die
beiden Motoren kaum voneinander: vier von
einer obenliegenden Nockenwelle gesteuerte
Ventile beatmen die Brennräume, je eine Einspritzdüse bereitet das Gemisch auf und eine
Lambdasonde kümmert sich gemeinsam mit
einem Katalysator um die Abgasentgiftung.
Während der Franzmann mit gentlemanliker
Laufruhe zu gefallen weiß, zeigt der Italiener
einen grobkörnigen Motorlauf. Dessen etwas
kurzhubiger ausgelegter, höher drehender
Einzylinder verkonsumiert im Schnitt 4,8 Liter Sprit auf hundert Kilometer, der Franzosen-Triebling zieht sich lediglich 4,6 I rein.
Durch den größeren 13,5-l-Tank schafft er so
respektable 293 Kilometer mit einer Füllung,
der mp3 muss im Standardmodus spätestens
nach 250 Kilometern an die Zapfsäule.
Solche Etappenlängen lassen sich auf beiden Dreiradlern vorn wie hinten schmerzlos
bewältigen. Dabei integriert der Peugeot seinen Piloten mit einer aktiven Haltung stärker
ins Geschehen, während der Piaggio den Fahrer eine Spur weiter weg vom Lenker und
durch den größeren Trittbrett-Sitzbank-Abstand ein wenig aufrechter platziert. Dieser
dürfte bei beiden gerne etwas größer sein die Knie liegen selbst bei Durchschnittsgroßen fast über Polsterhöhe.
Durch den flachen Durchstieg und eine
Sitzhöhe von 780 Millimetern gelangen beim
Metropolis Fahrer nahezu jeder Statur beguem auf die Kommandozentrale. Beim mp3
erschwert weniger das mit 790 Millimeter minimal höhere Polster den Aufstieg, vielmehr
stört der breite Mitteltunnel. Das ist auch zusammen mit der nach wie vor wenig idealen
Einbaulage des Fußbremspedals der Grund
für die geringere Bewegungsfreiheit gegenüber dem Gallier-Möbel.
Die Mitfahrgelegenheiten auf dem hinteren
Plätzchen sind ebenfalls nicht zu verachten
dank der ausklappbaren Rasten, die beim
Peugeot schon Trittbrett-Format erreichen.
Hier sitzen Beifahrer recht innig am Piloten,
erfreuen sich einer guten Rückenunterstützung und stabiler, gut zur Hand liegender
Haltegriffe. Dagegen sitzen Sozias auf dem
weichen, ausladenden Italiener-Heck viel höher als der Fahrer und wenig integriert, zudem liegt die Haltereling ungünstig tief und
weiter hinten.
Hemdsärmelig: Wenig formschöne Schalterarmatur, aber multifunktionaler Startknopf.
Feinschliff: Elegante Bedieneinheit plus ein ModeKnopf zum Umschalten der Cockpitanzeige.
Das Thema Wind- und Wetterschutz fördert ebenfalls deutliche Unterschiede zu tage. Hinterm Metropolis-Windschild zerrt der
Fahrtwind nur an der Schulter, und auch das
lässt sich durch einfaches Hochschieben der
Scheibe beheben - dazu müssen nur zwei
Tasten auf der Scheibe gedrückt werden.
Aber: Je höher das Schild steht, um so stär-
Sechs in der Öffentlichkeit: Das attraktivere Erscheinungsbild bleibt dem Franzosen vorbehalten, der Piaggio wirkt trotz LED-Bestückung altbacken.
ker zieht der Unterdruck am Rücken. Der ist
beim mp3 schon in der Standardstellung - die
sich nur nach umständlichem Lösen der
Schrauben verstellen lässt - noch höher, dafür werden die Hände durch die cleveren Ausbuchtungen besser geschützt. Grundsätzlich
bietet die bauchigere mp3-Verkleidung den
besseren Schutz für die unteren Gliedmaßen,
doch der Mitteltunnel grätscht die Beine weiter als beim Metro, so dass der Zug hieran
stärker ausfällt.
Doppel: Knöpfe für Sitzbank und Heckklappe.
Knopfleiste: Nur zwei Tasten sind belegt.
Spart Platz: Fußpedal-Anlenkung im Bug.
Stört: Mittige Einbaulage des Bremspedals.
Geht's um Alltagstauglichkeit und Reisequalitäten, stehen auch die Mitnahmemöglichkeiten immer im Fokus. Für den Stauraum
unter der Metro-Sitzbank können sich Reisefreunde nicht so richtig begeistern: Die Freude über die vom Bug aus elektrisch bediente
doppelte Belademöglichkeit durch die Heckklappe oder die geöffnete Bank macht der
zerklüftete Boden und die winzige Verbindung von Haupt- und Heckabteil zunichte.
Immerhin lässt sich hinten ein Integralhelm
unterbringen. Im Bug befindet sich ein zentral verriegeltes Handschuhfach, in dem
Kleinkram Platz findet. Klassisch praktisch
Franzosen-Duo: Neben der abgebildeten Standardvariante gibt es noch den Metropolis RS, ganz in
edlem Titan gehalten und mit orangen Zierstreifen an Felgen und Lufteinlass versehen (8849 Euro).
Sendbote: Mit einem Transponder in den Tasche
kann der Metropolis gestartet werden.
Satte Auflage: Ausklappbare Sozius-Trittbretter
bieten den Füßen einen ausgezeichneten Halt.
präsentiert sich der Italiener: Hat der Druckknopf in der Front die durchgehende Sitzbank geöffnet, tut sich ein riesiger Schlund
auf, in den mindestens zwei Touring-Jethelme passen. Dazu gibt es ein winziges, nicht
abschließbares Fächlein überm Cockpit, das
eine USB-Buchse beherbergt, und einen serienmäßigen Gepäckträger.
Noch größere Unterschiede offenbaren die
Dreirad-Fahrwerke. Der italienische Weg
sieht zwei über Einzelschwingen unabhängig
voneinander aufgehangene Vorderräder vor,
die per Parallelogramm-Strebenkonstruktion
miteinander verbunden sind. Beim Metropolis übernehmen zwei Dreiecksguerlenker mit
Schwingungsdämpfern die Führung, die zu
einem beweglichen Parallelogramm verbunden sind und sich über ein vertikal montier-
Umfangreich und unübersichtlich: Zahlreiche
Skalen und Anzeigen verwirren Metro-Neulinge.
tes Federbein abstützen. Beide Systeme lassen sich im Stand und bei langsamer Fahrt
arretieren, um an der Ampel cool die Füße
auf dem Trittbrett zu lassen. Die fahrdynamischen Vorzüge der Dreiräder sind anerkannt:
Die größere Kontaktfläche gegenüber einem
Einzelrad baut höhere Radführungskräfte auf
und kann mehr Bremskräfte übertragen.
Der verfeinerten mp3-Konstruktion verhelfen größere Vorderräder im 13-Zoll-Format
statt den früher und heute beim Franzosen
verbauten Zwölfzöllern zu mehr Stabilität bei
Geradeaus- und Schrägfahrt. Gleichzeitig
lenkt der Piaggio präziser auf der angepeilten Linie ein und behält diese weitgehend
bei, doch der Kraftaufwand, um das Dreirad
überhaupt in Schräglage zu bringen, ist höher als beim Metropolis. Der leichtfüßigere,
aber nervösere Peugeot verlangt hingegen
nach dem ganzen Körper, um in Schräglage
auf unebenem Geläuf auf Kurs zu bleiben. In
Wechselkurven und bei schnellen Ausweichmanövern zeigt sich, dass die Dreiradler hinsichtlich der Agilität nicht das Niveau eines
herkömmlichen Scooters erreichen können.
Beim Fahrkomfort macht sich der höhere
Abrollkomfort der 13-Zöller bemerkbar. Nicht
nur auf innerstädtischem Kopfsteinpflaster
wirkt er rückenschonend und beruhigend.
Diesen Vorteil kann auch die sensibel auf
Fahrbahnunebenheiten ansprechende Vorderradführung des Metropolis nicht wettmachen, die kleinere Asphaltpustel wirkungsvoll
Italienischer Zwilling: Den mp3 gibt's als technisch identische Sport- (hier gezeigt) und Businessversion,
die sich durch schwarze Felgen, eine braune Sitzbank und die Schalldämpferverkleidung unterscheidet.
Komplett: Über den zahlreichen Anzeigen
versteckt sich ein USB-Anschluss in der Klappe.
Klare Trennung: Abbiend- und Fernlicht brennen
nur separat, das LED-Tagfahrlicht immer.
auch weiterhin stark einengt.
Statt ABS vertraut der Franzose einer
Kombibremse, die über den linken Bremshebel die Bremskraft auf alle drei Scheiben
gleichmäßig verteilt; rechts stoppt der Franzose nur vorn. Für gute Verzögerungen muss
sehr kräftig am Hebel gezogen werden, darunter leidet die Dosierbarkeit. Auch das SBC
kann mit dem Fußpedal betätigt werden, gefühlvoller wird es dadurch nicht.
Hell und praktisch: Unter dem serienmäßigen
Gepäckträger leuchten LEDs markant auf.
heraus filtert. Bei derberen Verwerfungen
oder schrägen Absätzen ist der Piaggio im
Vorteil, der solche Unbill einfach gelassener
verarbeitet.
Zweite große Neuerung am mp3 ist das
kombinierte ABS/ASR-System von Conti,
bekannt aus Beverly 350 und dem Tourenflaggschiff X10. Unbedachte Beschleunigungsdrifts verhindert die Antischlupfregelung ASR selbst auf rutschigem Untergrund,
das mitunter recht frühe Eingreifen wird von
einer flackernden Leuchte im Cockpit signalisiert. Deutlich größere Bremsscheiben vorn
machen die Verzögerungsorgane äußerst effektiv, über die beiden etwas weit abstehenden Hebel sind die Bremskräfte ordentlich
dosierbar. Wesentlich indifferenter agiert die
Kombi-Fußbremse, deren Pedal den Fußraum
Für die Feststellbremse genügt dem Piaggio ein mechanischer Hebel im Bug, während
beim Peugeot eine Schiebetaste mit dem Löwen-Logo in der Lenkermitte diese elektrisch
betätigt. Etwas unübersichtlich ist die Informationsflut inklusive Reifendruckkontrolle im
modernen Cockpit. Das macht der Piaggio
mit verschiedenen vom Lenker aus anwählbaren Anzeigen übersichtlicher.
Der Spruch von der Konkurrenz, die das
Geschäft belebt, trifft hier voll und ganz zu.
Denn ob Piaggio die fahrwerkstechnischen
Neuerungen ohne das Auftauchen des Peugeot Metropolis bereits in diesem Jahr eingeführt hätte, darf bezweifelt werden. Dass
der Franzose dem mp3 in manchen Dingen
wie der eleganten Optik, der modernen Ausstattung und nicht zuletzt beim Preis dennoch voraus ist, darf als Beleg für die gelungene Erstentwicklung herhalten - und
zugleich als Aufforderung für eine Modellpflege nach italienischer (Fahrwerks-)Art
verstanden werden.
Thilo Kozik