Das Zahntechnikerhandwerk zwischen Gesundheitspolitik und Markt

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Das Zahntechnikerhandwerk zwischen Gesundheitspolitik und Markt
Wolfram Wassermann / Wolfgang Rudolph
Das Zahntechnikerhandwerk
zwischen Gesundheitspolitik
und Markt
Problemstudie zur Entwicklung
einer Branche
des Gesundheitshandwerks
1
Inhalt
Seite
Vorwort
4
1
1.1
1.2
1.3
Vorbemerkungen
Fragestellungen und Zielsetzung
Untersuchungsmethoden
Zur aktuellen politischen Situation in der Branche
5
5
6
7
2
2.1
Zur Branchenkonstellation
Das Zahntechnikerhandwerk als Teil des
Gesundheitswesens
Zahntechniker als Zulieferer - eingeklemmt
zwischen Machtblöcke
10
3
3.1
3.2
Zur Branchenentwicklung
Aus den „goldenen Jahren“ in die Strukturkrise
Die Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung
23
23
30
4
4.1
4.2
4.3
4.4
4.5
Branchen- und Betriebsstrukturen
Immer mehr, immer kleinere Betriebe
Kleinbetriebe: Zwischen Künstlern und Krautern
Mittelgroße Betriebe im Zentrum
Großbetriebe an der Schwelle zu Industrie und Handel
Sonderfall Flemming Dental
41
42
46
50
52
54
5
5.1
5.2
5.3
Ausgewählte Entwicklungsprobleme
Auslandsproduktion
Zankapfel Praxislabor
Netzwerke und überbetriebliche Kooperation
57
57
62
69
2.2
10
11
2
6
6.1
6.2
6.3
Berufliche Aus- und Weiterbildung
Berufliche Ausbildung
Berufliche Weiterbildung
Fachhochschul-Studiengang Dentaltechnologie
77
77
88
93
7
7.1
7.2
7.3
7.4
7.5
CAD/CAM im Zahntechnikerhandwerk
Ausgangslage
Stand der Entwicklung
Einsatz im Dentallabor
Folgen für Organisation, Weiterbildung und Beschäftigung
Wann setzt sich CAD/CAM durch?
98
98
99
99
105
108
8
8.1
8.2
Einkommensentwicklung
Äußere Einflüsse auf das Lohnniveau
Lohnerhebungen als betrieblicher Orientierungsrahmen
113
113
126
9
9.1
9.2
Entwicklung der Arbeitsbedingungen in den Labors
Die Gesundheit der Zahntechniker/innen in der Statistik
Gefährdung von Zahntechnikern und Patienten
durch Schadstoffe
120
120
10
10.1
10.2
10.3
Die Beziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Innungen und Gewerkschaften
Das „Problem Tarifvertrag“
Betriebsräte im Zahntechnikerhandwerk
133
133
138
141
11
Perspektiven der Branchenentwicklung im
gesundheitspolitischen Kontext
148
131
Literaturverzeichnis
166
Zu den Autoren
176
Hans Böckler Stiftung
178
Das RKW Rationalisierungs- und Innovationszentrum
der Deutschen Wirtschaft
180
3
Vorwort
Der wirtschaftliche und technologische Wandel vollzieht sich nicht nur im
Industrie- und Dienstleistungssektor. Auch im Handwerk lösen Marktveränderungen, Technologieentwicklungen und neue unternehmenswirtschaftliche Konzepte strukturelle Veränderungen aus. Sie haben erhebliche Folgen für die Entwicklung der Unternehmen, der Beschäftigung und
der Arbeitsbedingungen. Neben Handwerksbereichen, die im Rampenlicht
stehen, gibt es Bereiche, die in der Öffentlichkeit wenig beachtet und in ihrer
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung meist unterschätzt werden. Dazu gehört auch das Gesundheitshandwerk - vom Augenoptikerüber das Hörgeräteakustiker- und das Orthopädietechniker- und Orthopädieschuhtechniker- bis zum Zahntechnikerhandwerk.
Die vorliegende Untersuchung ist die erste Branchenanalyse des
Zahntechnikerhandwerks, des größten Gewerbezweigs innerhalb des
Gesundheitshandwerks. Sie beschreibt die Entwicklung, die Struktur und
die Perspektiven der Branche und ihrer Betriebe. Im einzelnen analysieren
die Autoren die Auswirkungen demografischer, ökonomischer, technologischer, gesundheits- und handwerkspolitischer Faktoren auf die Arbeitsbedingungen, die Qualifikationsanforderungen, die Einkommensentwicklung
sowie die Situation der Interessenvertretung der im Zahntechnikerhandwerk
Beschäftigen. Die Darstellung dieser Zusammenhänge macht den Bericht,
über das Zahntechnikerhandwerk hinaus, zu einem gelungenen Beispiel
einer umfassenden Branchenanalyse.
Eschborn und Düsseldorf, Mai 2003
Rationalisierungs- und Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft
Hans-Böckler-Stiftung
4
1
Vorbemerkungen
1.1
Fragestellungen und Zielsetzung
In den siebziger und achtziger Jahren erlebte das Zahntechnikerhandwerk
einen starken wirtschaftlichen Aufschwung. Hintergrund war vor allem die
Tatsache, dass die Krankenkassen ab Mitte der 70er Jahre die Kosten für
Zahnersatz zu 100 Prozent zu tragen hatten. In der westdeutschen Gesellschaft stiegen - nicht zuletzt auf der Grundlage gestiegenen Wohlstands ganz allgemein die Ansprüche an Qualität und Ästhetik des Zahnersatzes.
Seit Ende der 90er Jahre ist die Branche jedoch einem einschneidenden
Strukturwandel unterworfen. Zu den wesentlichen Auslösern gehören
Veränderungen in der Finanzierung des Gesundheitswesens, die sich jeweils
unmittelbar auf die wirtschaftliche Situation der Branche auswirken. Die
staatlichen Versuche zur Kostendämpfung im Bereich der Krankenversicherung („Gesundheitsreform“) haben in den vergangenen Jahren zu einer
einschneidenden Verschlechterung der Auftragslage für die Zahnlabors
geführt. Viele Betriebe wurden geschlossen, andere bauten Personal ab.
In der Krisensituation entstanden durch Übernahme in Schwierigkeiten
geratener kleiner Betriebe größere Unternehmen bzw. Unternehmensgruppen. Eine andere Reaktionsweise besteht in Zusammenschlüssen kleiner Unternehmen zu Einkaufsverbünden. Gleichzeitig kam es angesichts
drohender Arbeitslosigkeit zu zahlreichen „Notgründungen“ kleinster Zahnlabors mit ungünstigen ökonomischen Überlebensaussichten. Angesichts
enger werdender Verdienstchancen sind viele Zahnärzte dazu übergegangen, Zahnersatz auch in eigenen „Praxislabors“ zu fertigen. Gleichzeitig
wurden neue Fertigungs- und Verfahrenstechnologien einschließlich der
Anwendung EDV-gestützter Technologien (CAD/CAM) entwickelt, deren
branchenweite Einführung Arbeits- und Beschäftigungsstrukturen zukünftig tiefgreifend verändern können. Die Branche befindet sich insgesamt in
einem Prozess der Neustrukturierung mit weitreichenden Auswirkungen
auf die Unternehmens- und Betriebsstrukturen sowie auf die Qualifikationsanforderungen, Arbeitsstrukturen und die Beschäftigungssituation.
In einer Pilotstudie sollte eine erste systematische Bestandsaufnahme der
Veränderungsprozesse im Zahntechnikerhandwerk unternommen werden.
Dabei sollten die angedeuteten Entwicklungen auf der Ebene der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der Gesundheitspolitik, der demographi-
5
schen Entwicklung, der Bedeutung neuer Fertigungstechnologien sowie der
Qualifikations- und Beschäftigungsentwicklung aufeinander bezogen werden, um darauf aufbauend erste Prognosen zur weiteren Entwicklung in der
Branche zu ermöglichen. Die Ergebnisse sollen hinsichtlich ihrer Bedeutung
für die handwerks- und mittelstandspolitische sowie für die gesundheitspolitische Debatte ausgewertet werden. Schließlich sollten Gestaltungsmöglichkeiten auf der Ebene der Sozialpartner (Innungsverband, Gewerkschaft) ausgelotet werden.
Die Studie wurde durch einen Verbund von RKW und Hans-Böckler-Stiftung
(HBS) gefördert. Zwischen beiden Auftraggebern ist eine Aufteilung je
spezifischer Aspekte der angedeuteten Gesamtproblematik vereinbart
worden. Als Ergebnis beider Teilstudien wurde ein integrierter Gesamtbericht erstellt, der hier vorgelegt wird.
1.2
Untersuchungsmethoden
Für die vorliegende Untersuchung stand uns ein Bearbeitungszeitraum von
fünf Monaten zur Verfügung (Oktober 2002 bis Februar 2003).
In einem ersten Schritt wurden die verfügbaren Daten und Dokumente zur
Entwicklung der Branche ausgewertet. Hierzu waren Recherchen im Internet
und in den uns erreichbaren Bibliotheken an der Universität Kassel, der
Universität Göttingen sowie im dortigen Institut für Handwerksforschung
nötig. Auf der Grundlage dieser Informationen wurden Leitfäden für die
folgenden Expertengespräche und Interviews ausgearbeitet.
Ein Kernelement bildeten persönliche Gespräche mit Akteuren aus der
Branche und ihrem unmittelbaren Umfeld. Insgesamt führten wir 26 Expertengespräche bzw. Einzel- und Gruppeninterviews durch. Dazu gehörten in
erster Linie Expertengespräche mit insgesamt zehn Betriebsinhabern. Diese
Gespräche waren teilweise mit Betriebsbesuchen verbunden. Der größte
der untersuchten Betriebe umfasste 80, der kleinste 19 Beschäftigte. Hinzu
kamen vier Interviews mit Betriebsratsmitgliedern, in einem Fall in Form eines
Gruppeninterviews mit mehreren Betriebsratsmitgliedern.
Darüber hinaus wurden Expertengespräche mit zwei regionalen Innungsvertretern (Obermeistern) sowie mit Funktionären des Bundesinnungsverbandes des Zahntechnikerhandwerks VDZI geführt.
6
Zu Fragen der Technologieentwicklung sowie über Probleme der Berufsausbildung und der Weiterbildung sprachen wir mit insgesamt sechs Experten
an Berufsschulen, Fachhochschulen und in einer universitären Forschungsgruppe.
Im gewerkschaftlichen Bereich führten wir Expertengespräche mit
Handwerksfachleuten der IG Metall. Darüber hinaus hatten wir die Gelegenheit zur Teilnahme an zwei Fachausschusssitzungen der IG Metall für
Funktionäre (Betriebsratsmitglieder) aus dem Zahntechnikerhandwerk. Ein
weiteres Expertengespräch führten wir mit einem Vertreter des Deutschen
Zahntechniker Verbandes.
Die Ergebnisse dieser Gespräche bilden die wesentliche Grundlage für die
Ausarbeitung des Berichts. Die Gespräche mit den Praktikern aus Betrieben,
Forschung, Weiterbildung und Verbänden halfen uns auch bei der anschließenden vertiefenden Literatur- und Datenanalyse. Im Mittelpunkt dieser
sekundäranalytischen Arbeiten stand die Auswertung von Fachzeitschriften, statistischem Material aus unterschiedlichen Quellen sowie der uns
zugänglichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen und Forschungsarbeiten
zu Einzelaspekten der Branchenentwicklung. Die Lektüre der aktuellen
Auseinandersetzungen um die politischen Entscheidungen im Gesundheitssystem ergänzten unsere Studien.
Die Ergebnisse der sekundäranalytischen Auswertung von Branchendaten,
Forschungsergebnissen und Fachzeitschriften wurden mit den Ergebnissen
der Expertengespräche abgeglichen und dienten zur Vertiefung bzw. Überprüfung der Gesprächsergebnisse.
1.3
Zur aktuellen politischen Situation in
der Branche
Die Schwerpunkte unserer Studie liegen im wesentlichen auf der Ebene
langfristig wirkender Strukturveränderungen in den Bereichen Beschäftigung, Qualifikation und Technologieeinsatz. Als wir im September 2002 mit
den Recherchen begannen, war nicht abzusehen, dass die Branchensituation durch zwei einschneidende Ereignisse plötzlich und unvermittelt in
das Interesse der politischen Öffentlichkeit dringen sollte.
Am 4. November 2002 wurden die Pläne der Bundesregierung bekannt,
durch Einsparmaßnahmen im Gesundheitswesen einer stärkeren Steige-
7
rung der Kassenbeiträge entgegenzuwirken. Gesundheitsministerin Schmidt
kündigte u. a. an, die Höchstpreise für Zahnersatz um fünf Prozent zu
senken und gleichzeitig die Mehrwertsteuer für Produkte der Zahntechnikerbranche von bisher sieben auf 16 Prozent anzuheben. Aktivisten der
Branche protestierten gegen die damit verbundene Verschlechterung ihrer
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit Demonstrationen und Kundgebungen vor dem Berliner Regierungssitz. Innungsfunktionäre prognostizierten die Gefahr weiterer Betriebsschließungen und Entlassungen im kommenden Jahr. Schlaglichtartig waren die Entwicklungsprobleme zum Gegenstand politischer Auseinandersetzungen geworden.
Nur eine Woche später musste sich die Öffentlichkeit mit einem Abrechnungsskandal von Zahnärzten und einer im Auslandsgeschäft von
Zahnersatzproduktion tätigen Handelsfirma auseinandersetzen. Die im
Auslandsgeschäft erzielten Kostenvorteile waren jahrelang nicht den Patienten bzw. den Krankenkassen zugute gekommen, sondern in die Taschen
der beteiligten Zahnärzte und Firmen geflossen. Es wurde klar, dass es sich
bei diesem Fall, der mittlerweile als einer der größten Abrechnungsskandale
in der Geschichte der Bundesrepublik gilt, lediglich um die berühmte „Spitze
des Eisbergs“ handelte. Die Suche nach Schuldigen ist noch nicht abgeschlossen. An die Betrugsdiskussion wurde dann noch eine Debatte um mögliche
Gesundheitsgefährdungen für deutsche Patienten durch im Ausland gefertigten Zahnersatz angeschlossen.
Schließlich legten alle wichtigen Akteure des Gesundheitssystems ebenso
wie die Bundesministerin für Gesundheit und Soziales bis Anfang Februar
ihre Forderungen und Vorschläge für eine Reform der Kassenfinanzierung
und der Ausgaben für die durch die gesetzlichen Krankenkassen finanzierten Gesundheitsdienstleistungen vor. Wir schließen unsere Branchenanalyse
zu einem Zeitpunkt ab, zu dem die wichtigsten Weichenstellungen, die
entscheidend für die Zukunft der Zahntechnikerbranche sein können, noch
nicht wirklich absehbar sind.
Diese Ereignisse politisierten in erheblichem Maße die Entwicklungen in
einer sonst eher außerhalb des öffentlichen Interesses agierenden Branche.
Zusammenhänge zwischen unseren Fragestellungen und den aktuellen
öffentlichen Konflikten und Skandalen wurden offensichtlich. Dies blieb
nicht ohne Einfluss auf unsere Untersuchung.
Die aktuellen Diskussionen führten zwangsläufig zu einer gewissen Überlagerung der Themen unserer Analyse von langfristig wirkenden Struktur- und
8
Entwicklungsproblemen durch die tagesaktuellen Auseinandersetzungen in
der Branche. Dies spürten wir auch oftmals bei unseren Vor-Ort-Besuchen
in zahntechnischen Betrieben, Berufsschulen, Forschungseinrichtungen und
Verbänden. Die Turbulenzen der letzten Monate wirkten sich schließlich
auch praktisch auf unsere Recherchearbeit aus. Verbandsvertreter sagten
vereinbarte Interviewtermine kurzfristig ab oder verschoben sie auf spätere
Zeitpunkte. Insgesamt kam die politische Aktualisierung der Spannungen
und Konflikte, in denen sich die Branche befindet, der Studie aber zugute.
Vieles, was unter anderen Bedingungen möglicherweise als wenig auffallende, scheinbar unveränderliche Struktur erschienen sein mag, ist heute in
Bewegung geraten. Alte Gewissheiten gelten nicht mehr, neue Perspektiven sind heute leichter formulierbar. In der gesamten Branche hat ein
Suchprozess nach Alternativen eingesetzt. Wir Forscher haben davon profitiert.
Die Autoren, Kassel, April 2003
9
2
Zur Branchenkonstellation
2.1
Das Zahntechnikerhandwerk als Teil des
Gesundheitswesens
Im Sommer 2002 legten fünf Branchen des sog. „Gesundheitshandwerks“
ein gemeinsames Positionspapier vor, in dem sie versuchten, sich neben den,
wie es hieß, „großen Akteuren der Gesundheitspolitik, Pharma-Riesen,
Ärzteverbänden und einflussreichen gesetzlichen Krankenkassen“ sowie
dem „anzeigengewaltigen Verband der Privaten Krankenkassen“ in der
gesundheitspolitischen Debatte Gehör zu verschaffen. Diese fünf
Gesundheitshandwerke sind
die
die
die
die
die
Augenoptiker,
Hörgeräteakustiker,
Orthopädie-Schuhtechniker,
Orthopädie-Techniker,
Zahntechniker.
Es handelt sich nach Angaben der Verfasser um insgesamt 24.000 mittelständische Unternehmen mit zusammen rund 160.000 Beschäftigten. Ihre
Verbände führen in dem Papier Klage darüber, innerhalb des großen
Konzerts des Gesundheitswesens politisch an den Rand gedrängt und
wiederholt zum „Spielball der Reformexperimente in der gesetzlichen Krankenversicherung“ gemacht worden zu sein (vgl. VDZI v. 7.6.2002). In der Tat
erstellen diese Handwerke unverzichtbare Produkte und Dienstleistungen
der Gesundheitspflege. Ihr Status innerhalb des Gesundheitswesens erscheint jedoch in mancher Hinsicht deklassiert gegenüber den medizinischen und pflegerischen Berufen, den Krankenhäusern sowie den großen
Verbänden und den Branchen der Medizinindustrie. Dies hat einerseits
sicher traditionell-standesrechtliche Gründe der Unterscheidung zwischen
akademischen und nichtakademischen Berufen, sowie zwischen staatlichen bzw. quasi staatlichen Institutionen, großindustriellen Strukturen
einerseits und klein- und mittelbetrieblichen Handwerksstrukturen
andererseits.1
1
Interessanterweise werden in den von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung
(KZBV) herausgegebenen statistischen Darstellungen des Gesundheitswesens zwar alle
Ärzteberufe, Krankenpfleger, Assistenten, Apotheker sowie Tierärzte und Heilpraktiker
aufgeführt, nicht jedoch die Zahntechniker (vgl. KZVB-online).
10
Das häufig als „Zukunftsmarkt“ oder „Jobmaschine“ apostrophierte Gesundheitswesen umfasst insgesamt rund 4,1 Mio. Beschäftigte. Etwas mehr
als die Hälfte (2,1 Mio.) üben einen Gesundheitsberuf aus. Dazu zählen Ärzte
und Ärztinnen, Krankenschwestern und Krankenpfleger, Physiotherapeuten
sowie medizinisch-technische Assistenten. Weitere 260.000 Beschäftigte
arbeiten in sozialen Berufen als Altenpfleger, Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen etc. Einer dritten Gruppe sind weitere 225.000 Personen im
Gesundheitshandwerk oder in sonstigen Gesundheitsfachberufen zugeordnet (vgl. Stat. Bundesamt, Pressemitteilung v. 28.5.2002). Hierzu gehört
auch das Zahntechnikerhandwerk mit seinen rund 66.000 Beschäftigten in
etwa 7.600 Betrieben.
2.2
Zahntechniker als Zulieferer eingeklemmt zwischen Machtblöcke
Wenn man in den vergangenen Monaten mit Inhabern zahntechnischer
Betriebe über die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation ihrer
Branche sprach, stieß man überwiegend auf pessimistische Zustandsschilderungen. Die Umsätze scheinen ungesichert, gesundheitspolitische
Entscheidungen gehen auch zu Lasten des Zahntechnikerhandwerks, vielen
Betrieben droht das „wirtschaftliche Aus“, die Verdienstchancen für zahntechnische Fachkräfte bleiben seit Jahren hinter den Einkommensentwicklungen in anderen Berufen zurück, Arbeitsplätze drohen verloren zu
gehen, qualifizierte Arbeitskräfte verlassen die Branche, um in anderen
Wirtschaftsbereichen eine stabilere berufliche Zukunft zu suchen etc. Kurzum,
die Branche befindet sich offenbar in einem nachhaltigen Erosionsprozess,
der bei vielen ihrer Akteure von einer pessimistischen und teilweise resignativen Sichtweise auf die Verhältnisse begleitet wird.
Fragt man nach den Hintergründen dieser negativen Grundstimmung, dann
wird, gewissermaßen unterhalb der aktuellen gesundheitspolitischen Konflikte, eine für die Zahntechniker sehr ungünstige Grundkonstellation ihrer
Branche im Verhältnis zu den Berufsgruppen, Branchen und Institutionen
sichtbar, mit denen sie kooperieren muss. Im Mittelpunkt sowohl der
rechtlichen als auch der tatsächlichen Beziehungen innerhalb des
zahnmedizinischen Gesundheitsbereichs steht ein Viereck zwischen Patienten, Krankenkassen, Zahnärzten und den kassenzahnärztlichen Vereinigungen. Zahntechniker stehen außerhalb dieses Beziehungsvierecks. Als
Zulieferer der Zahnärzte haben sie keine Rechtsbeziehung zu den Patienten,
und in der Praxis reduziert sich ihr Kontakt zu ihnen auf die Farbmusterung
11
vor der Anfertigung von Zahnersatz im Frontbereich des Gebisses. Zahntechniker sehen sich häufig gewissermaßen umringt von übermächtigen
„Partnern“. Innerhalb des Beziehungsgeflechts zwischen staatlicher
Gesundheitspolitik, Patienten, Krankenkassen, Zahnärzten und Zahnarztverbänden sehen sich die Zahntechniker jeweils in die zweite Reihe gedrängt. Zu den eigentlichen Endverbrauchern ihrer Produkte, den Patienten,
haben sie kaum Kontakte. Die Zahnärzte und ihre Verbände haben ebenso
wie die Kassen in den gesundheitspolitischen Aushandlungsprozessen eine
starke Rolle, während die Dentallabore als „untergeordnete Zulieferer“ im
Schatten stehen. - „Das Geld geht einen langen Weg durch Kassen,
Zahnarztverbände und Zahnärzte, bis ein wenig davon beim Zahntechniker
ankommt“, so charakterisierte einer unserer Gesprächspartner die randständige Situation seiner Branche.
Stellung der
Zahntechniker im
Gesundheitssystem
BEL
ZahntechnikerInnungen
Gesundheitspolitik
Gesundheitspolitik
Krankenkassen
Patienten
Kassenzahnärztliche
Vereinigung
Zahnärzte
Praxislabors
Dentallabors
Dentallabors
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel 2003
Bild 1:
Stellung der Zahntechniker im Gesundheitssystem
12
Zur strukturellen und psychologischen Situation
der Zahntechniker
Kassen
Dentalindustrie,
Dentalhandel
Zahnärzte
Zahntechniker
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel 2003
Bild 2:
Zur strukturellen und psychischen Situation der Zahntechniker
Wir untersuchen im folgenden die drei bedeutendsten wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Gruppierungen bzw. Institutionen, mit denen es das
Zahntechnikerhandwerk zu tun hat. Und wir fragen nach der Art der
Beziehungen zwischen diesen Akteuren. Dabei steht die jeweilige Perspektive des Zahntechnikerhandwerks im Vordergrund.
13
Die „Schicksalsgemeinschaft“ mit den Zahnärzten
Die hauptsächlichen Marktpartner der handwerklichen Dentallabors sind
die Zahnärzte. Zwischen den Dentallabors und den eigentlichen Endverbrauchern des Zahnersatzes, den Patienten, stehen die Zahnärzte. Sie sind
Auftraggeber, und in gewissem Umfang auch Konkurrenten der Zahntechniker.
Zahntechniker stehen nicht in einer unmittelbaren rechtlichen Beziehung zu
den Patienten. Sie erbringen ihre Leistung gegenüber dem Zahnarzt auf der
Grundlage eines Werkvertrages. Rechtlich ist die Anfertigung von Zahnersatz im Auftrag des Zahnarztes ein „Vorleistungsprodukt“. Die Aufträge
gelangen nicht unmittelbar vom Patienten (Auftraggeber, Kunde) an die
zahntechnischen Labors, sondern vom Zahnarzt, der die Entscheidung über
Notwendigkeit, Art und Umfang von Zahnersatz trifft und auf dem Wege der
Verordnung an die Zahntechniker gibt, sofern er sich nicht entschließt, den
Zahnersatz im eigenen Praxislabor anzufertigen. Die Auftragslage der
handwerklichen Dentallabors ist demnach weitgehend vom Verordnungsverhalten der Zahnärzte abhängig. Zahntechniker sind Zulieferer der Zahnärzte (vgl. Feldmann/Budelmann, 1998, S. 82ff).
Die Zahl der Zahnärzte hat sich in den vergangenen 30 Jahren kontinuierlich
um insgesamt 64 Prozent erhöht. Hatte jeder Zahnarzt statistisch gesehen
im Jahre 1970 rund 2.000 Einwohner zu behandeln, so waren es im Jahre
2000 nur noch ca. 1.300 (vgl. Stat. Bundesamt, 2002). Im internationalen
Vergleich ist die „Zahnarztdichte“ in Deutschland besonders hoch. Im
europäischen Durchschnitt kommen etwa 1.900 Einwohner auf einen
Zahnarzt; in Holland, England und Österreich müssen sich weit über 2.000
Einwohner einen Zahnarzt teilen (vgl. Zahnärztliches Lexikon, 1998). Konjunkturell liegt die Phase der kontinuierlichen Umsatz- und Verdienststeigerung der Zahnärzte bereits zurück. In den 90er Jahren ist die Zahl der
Zahnarztpraxen bei mehr oder weniger stagnierenden Umsätzen für die
Zahnbehandlung weiter gewachsen. Ähnlich wie bei den Zahntechnikern
sind die Patientenmärkte pro Zahnarzt kleiner geworden. Nach Angaben
der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) sind die Einkommen
der Zahnärzte in den 90er Jahren stark zurückgefallen. Lagen ihre Einkommen 1980 noch an der Spitze der Einkommenspyramide aller medizinischen
Berufe, so waren sie bis 1998 auf den viertletzten Platz zurückgefallen.
Hatte ihr Einkommensniveau 1980 bei rund 135 Prozent des durchschnittlichen Ärzteeinkommens gelegen, so liegt es heute bereits deutlich unter dem
ärztlichen Durchschnittseinkommen (vgl. KBZV, 2001).
14
Wirtschaftlich und beschäftigungspolitisch stellen die Praxen der rund 54.000
niedergelassenen Zahnärzte ein bedeutendes Gewicht dar. Die Branche
beschäftigt insgesamt rund 270.000 Selbständige und Arbeitnehmer und
erzielt einen Gesamtumsatz von 35 Mrd. Euro (2000). Zusammen mit den
angrenzenden und mit den Zahnärzten kooperierenden Branchen (Dentallabors, Dentalhandel, Dentalindustrie sowie zahnärztliche Körperschaften)
ergibt sich ein zahnmedizinischer Komplex von annähernd 400.000 Beschäftigten (vgl. KZBV, 2001, S. 33f). Die Zahnärzteschaft verfügt über starke
Interessenvertretungsorganisationen, deren besondere Stärke darin besteht, dass sie im gesetzlichen Auftrage wesentliche gesundheitspolitische
Funktionen erfüllen. Den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen obliegt nicht
nur die Zulassung der Kassenzahnärzte, sie haben auch die Aufgabe der
Verteilung der von den gesetzlichen Krankenkassen gezahlten Vergütungen auf die Zahnärzte. Die von den Krankenkassen ausgezahlte „Gesamtvergütung“ für die zahnmedizinische Behandlung geht von den Kassen über
die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen als Honorare an die Zahnärzte.
Diese geben dann einen Teil an die Zahntechniker weiter, die in ihrem
Auftrag Zahnersatz herstellen.
Das Zahlenverhältnis zwischen Zahntechnikern und Zahnärzten ist in Deutschland statistisch außergewöhnlich hoch. Auf nahezu jeden Zahnarzt kommt
bei uns ein Zahntechniker (Verhältnis 1,3 : 1 in 1998). Im europäischen
Durchschnitt kommen fast doppelt so viele Zahnärzte auf einen Zahntechniker (2,4 : 1). In Holland etwa, wo Zahnersatzkosten nicht von den Kassen
übernommen werden, kommen statistisch fast vier Zahnärzte auf einen
Zahntechniker. In Deutschland besteht offenbar auf dem Hintergrund
unseres Sozialversicherungssystems, das über die GKV-Leistungen den
Zahntechnikern über viele Jahre in gewisser Weise einen Garantieumsatz
gewährleistet hat, ein besonders expandiertes Netz von Zahntechnikern
und zahntechnischen Labors. Diese Konstellation verstärkt - insbesondere in
Zeiten nachlassenden Umsatzes - die Position der auftragvergebenden
Zahnärzte gegenüber den auftragsuchenden Zahntechnikern.
Ein gewerbliches Zahnlabor erhält in Deutschland durchschnittlich von etwa
sechs Zahnärzten seine Aufträge. Umgekehrt arbeiten die meisten zahnärztlichen Praxen mit mehreren Labors zusammen (vgl. Bundesgesundheitsbericht 1998). Etwa ein Viertel der Anfertigungen von Zahnersatz verbleibt
in eigenen, den Zahnarztpraxen angegliederten sog. „Praxislabors“. In
gewisser Weise ist ein Teil der Zahnärzte demnach nicht nur Auftraggeber
des Zahntechnikerhandwerks, sondern auch gleichzeitig sein Konkurrent.
Von den Zahntechnikern wird oftmals darüber Klage geführt, dass Zahnärz-
15
te die wirtschaftlich lohnenden Zahnersatzarbeiten in ihren eigenen Praxislabors machen ließen und für das Zahntechnikerhandwerk nur die weniger
profitablen Arbeiten übrig ließen. Eine andere Klage bezieht sich darauf,
dass Zahnärzte in den letzten Jahren dazu übergegangen seien, Aufträge an
handwerkliche Labors nur unter der Bedingung zu vergeben, dass sie von
den Zahnärzten gelieferte Edelmetalle und Legierungen verwendeten. Ein
solches Verhältnis erinnert an Bedingungen aus der Zeit vorindustrieller
Vertragsverhältnisse. Dem Auftragnehmer fehlen damit wichtige Bedingungen für die Entfaltung einer eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit. Sie sind
letztlich nichts anderes als ausgelagerte Lohnarbeiter. Schließlich scheinen
die Zahnärzte, soweit sie über die finanziellen Mittel verfügen, die krisenhafte Situation des Zahntechnikerhandwerks zunehmend dazu zu nutzen,
ihr Kapital durch Beteiligung oder Aufkauf zahntechnischer Labors in ihre
Zuliefererbranche fließen zu lassen. In vielen Fällen sind Zahnärzte offenbar
bereits stille Teilhaber an einem zahntechnischen Labor (vgl. Fedderwitz,
2000). Dies würde bedeuten, dass es derzeit Zahnärzten gelingt, ihre
berufsständische Stärkeposition gegenüber den Zahntechnikern auch auf
der Ebene von Eigentumsstrukturen auszubauen.
Das Verhältnis zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern ist jedoch über
diese wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse hinaus durch eine Reihe
struktureller und sozialer Asymmetrien geprägt, die die handwerklichen
Zahntechniker strukturell in eine schwächere Position gegenüber ihren
akademischen Auftraggebern versetzen. Die Berufsordnung schreibt exklusiv den Zahnärzten die Behandlung der Patienten zu. Zahntechniker dürfen
weder Abdrücke für Zahnersatz nehmen, noch diesen nach Fertigstellung
selbst einsetzen. Andererseits können Zahnärzte auch eigene Dentallabore
unterhalten und dort unter eigener Leitung Zahnersatz anfertigen lassen.
Zahntechniker arbeiten infolgedessen ausschließlich auf ärztliche Anordnung. Das wirtschaftliche Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis wird
demnach durch eine berufsständische Hierarchie überlagert. Die spezifische
psycho-soziale Situation der Zahntechniker charakterisiert A. Hohmann
folgendermaßen:
„Die Arbeitsteilung in der zahnmedizinischen Tätigkeit ist gekennzeichnet
durch eine strenge hierarchische Ordnung, wo der Zahntechniker nahezu
widerspruchslos auszuführen hat, was der Arzt dekretiert. Das, was als
Prototyp gelungener medizintechnischer Kooperation gelten könnte, stellt
sich dar als starres System einer, aus deklarierter und tatsächlicher
Verantwortungskompetenz abgeleiteter Weisungsautorität der einen und
der von imponderabler Skepsis gekennzeichneten, halbherzigen Unterord-
16
nung der anderen. (...) In der Folge haben die Zahntechniker aus einem
Komplex der Minderwertigkeit und der, ihren tatsächlichen Wert unterbietende Anerkenntnis, ein hypertrophes Selbstbewusstsein entwickelt, das
weil es sich gegenüber der medizinischen Autorität als wirkungslos erweist,
gegen eine produktive Zusammenarbeit mit kollegialen Partnern gerichtet
ist; die Konkurrenzsituation im Zahntechnikerhandwerk ist nicht mehr nur
mit wirtschaftlicher Bestandssicherung zu erklären“ (Hohmann, o. J., S.6f).
Der Zahnarzt ist demnach aus der Perspektive der Zahntechniker gleichzeitig Partner, Gegner und Herr - ein überaus kompliziertes und tiefgründig
verankertes Verhältnis. Zahntechniker bezeichnen ihr Verhältnis gegenüber
den Zahnärzten oftmals als „Schicksalsgemeinschaft“, ein Begriff, in dem
die Erfahrung von grundsätzlicher Abhängigkeit, aber auch von wechselseitigem „Aufeinander-angewiesen-sein“ mitschwingt. In Zeiten wirtschaftlicher Prosperität und steigender Umsätze wurde dieses widersprüchliche
Verhältnis gewissermaßen im Sinne einer „win-win-Partnerschaft“ zeitweise
überdeckt. Seitdem die Umsätze und Einkommenschancen stagnieren bzw.
sinken, wie dies etwa seit Mitte der 90er Jahre der Fall ist, treten diese
strukturellen Hindernisse der Zusammenarbeit wieder offen zutage und
prägen die Auseinandersetzung. Aus Partnern werden Gegner. So ist es
möglicherweise zu erklären, dass der VDZI als Interessenvertretung des
Zahntechnikerhandwerks auf die Umsatzeinbrüche seit 1998 vor allem mit
Polemiken gegen die Praxislabors der Zahnärzte reagierte (und ihnen
angesichts enger werdender Verdienstmöglichkeiten „die Verfolgung wirtschaftlicher Gewinninteressen vorwarf“) anstatt die veränderten
gesundheitspolitischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des
zahnmedizinisch-technischen Berufsfeldes insgesamt zu untersuchen.2
2
Zur Problematik der zahnärztlichen. „Praxislabors“ vgl. ausführlich Abschnitt „5.
Ausgewählte Entwicklungsprobleme“
17
Die Kassen „am längeren Hebel“
Die gesetzlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen tragen zusammen als
sog. „Primärkassen“ einen wesentlichen Anteil der Kosten, die in Deutschland für Zahnersatz anfallen. Die Kassen agieren gewissermaßen stellvertretend für die Versicherten (Patienten), also die eigentlichen Endverbraucher
des Zahnersatzes. Im sog. „Bundeseinheitlichen Leistungsverzeichnis (BEL)“
werden die Ansprüche der Versicherten auf die Finanzierung ihres Zahnersatzes durch die Kassen festgelegt. Das BEL wird auf Bundesebene zwischen
dem Bundesinnungsverband der Zahntechniker mit den Bundesverbänden
der Krankenkassen unter Beteiligung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung ausgehandelt. Die Vergütungen für die nach dem BEL abrechnungsfähigen zahntechnischen Leistungen vereinbaren die Innungsverbände der Zahntechniker mit den Landesverbänden der Krankenkassen
und den Verbänden der Ersatzkassen.
Veränderungen der in der BEL festgelegten Höchstpreise für Zahnersatz
bewegen sich in den Grenzen, die die Einnahmesituation der Kassen
ermöglicht. In den vergangenen Jahren ging es bei den jährlichen Verhandlungen lediglich um marginale Preisanhebungen unterhalb der Inflationsquote. Im Jahre 2002 konnten lediglich 0,8 Prozent an Mehrausgaben
verhandelt werden. Die Innungen haben also kaum Verhandlungsspielraum.
Aus der Perspektive der Zahntechniker sitzen die Kassen stets „am längeren
Hebel“. Engagierte Interessenvertreter der Zahntechniker empfinden diese
Konstellation als „staatliches Diktat“. Sie fühlen sich von der Politik „auf den
Arm genommen“.
Die Einnahmen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen stiegen in
den 90er Jahren kontinuierlich von rund 90 Mio. Euro (1991) auf 145 Mio.
Euro (2000), dies entspricht einer Ausgabensteigerung von etwa 60 Prozent
in zehn Jahren. Im gleichen Zeitraum stieg das Gesamtvolumen der GKVAusgaben für die zahnärztliche Behandlung einschließlich Zahnersatzkosten
von knapp 9 Mrd. Euro auf 11 Mio. Euro, was einer Steigerung um rund 22
Prozent entspricht. Der Anteil der Kosten für Zahnmedizin und Zahntechnik
an den Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen sank also. Im Jahr
2000 betrug er knapp neun Prozent.
Interessant ist nun ein Vergleich dieser Zahlen mit den statistischen Werten
für die gesamte Ausgabenentwicklung für Zahnersatz.
18
Tabelle1:
Ausgaben für Zahnersatz
Ausgaben für Zahnersatz in Deutschland 1992 bis 2000
und Anteile der wichtigsten Ausgabenträger in Prozent
Gesamtausgaben
(in Mio.
Euro)
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
5.954
4.912
5.634
5.854
6.300
6.469
5.895
5.280
5.623
Öffentl.
Haushalte
%
0,8
0,8
0,7
0,7
0,6
0,7
0,3
0,7
0,7
gesetzliche
Krankenversicherung
%
49
40
41
41
42
43
49
43
42
gesetzliche
Unfallversicherung
%
0,2
0,2
0,2
0,2
0,2
0,2
0,2
0,3
0,3
private
ArbeitKrankenver- geber
sicherung
%
%
10
14
13
13
13
12
12
14
14
5
5
5
5
5
5
2
5
5
Privathaushalte
%
36
40
41
40
39
40
36
37
38
Quelle: Statistisches Bundesamt, Gesundheitsausgabenrechung
Die Tabelle 1 zeigt zunächst, dass die Ausgaben für Zahnersatz im Verlauf
der 90er Jahre insgesamt stagnierten bzw. leicht zurückgingen (minus 5
Prozent). Der Anteil der gesetzlichen Krankenkassen an den Kosten sank in
diesem Zeitraum deutlich von 49 auf 42 Prozent, der der privaten Kassen
stieg von 10 auf 14 Prozent. Der Anteil, den die Patienten selbst zusätzlich
für Zahnersatz aufbringen (Privathaushalte) stieg bis 2000 auf 38 Prozent
der Gesamtkosten. Er dürfte heute (2003) etwa ebenso hoch sein, wie der
Anteil der gesetzlichen Krankenkassen. Damit setzt sich eine Entwicklung
fort, die bereits in den siebziger Jahren begann. 1976, nachdem der
Zahnersatz als Regelsachleistung in die gesetzlichen Krankenkassen eingeführt worden war, betrug der Kassenanteil über 73 Prozent, während die
Patienten lediglich 19 Prozent zu den Zahnersatzkosten beisteuerten.
Seitdem sank der Kassenanteil kontinuierlich, während der Anteil der
Patienten an den Ausgaben ebenso kontinuierlich anstieg. Heute zahlen die
Patienten aus eigener Tasche ebenso viel für ihren Zahnersatz wie die
Kassen. Der derzeit vieldiskutierte Ausstieg der Krankenkassen aus der
Zahnersatzfinanzierung findet also seit 25 Jahren auf schleichendem Weg
bereits statt. Dies bedeutet eben auch, dass ein immer größerer Anteil des
Umsatzes des zahntechnischen Handwerks nicht mehr kassenabhängig ist.
19
Die Zahntechniker ihrerseits haben in den 30 Jahren, in denen die prosperierende Entwicklung ihrer Branche ganz weitgehend von der Entwicklung
steigender Leistungen und Kosten der Krankenkassen für Zahnersatz geprägt war, eine ausgesprochene „Kassenfixierung“ entwickelt. Die Leistungen der GKV hatten ihnen über eine lange Periode gewissermaßen eine
durch staatliche Gesundheitspolitik gewährleistete Umsatzgarantie gesichert. Seit 1988 sind nun wiederholt durch gesundheitspolitische Entscheidungen die von den Kassen gezahlten Höchstpreise für den Zahnersatz
gesenkt worden. Die Reaktion großer Teile der Zahntechnikerbranche, und
insbesondere die ihrer Verbandsfunktionäre, läuft nun im wesentlichen auf
ein Festhalten am hergebrachten System der staatlichen Umsatzgarantie
hinaus. Diese Position ist allerdings dann wenig erfolgreich, wenn - wie dies
zur Zeit der Fall ist - durch die Absenkung der Preise trotz Umsatzgarantie
zwangsläufig der Erlös der Betriebe sinkt. Eine alleinige Fixierung auf die
Kassenfinanzierung des Zahnersatzes bietet den Zahntechnikern demnach
keine Entwicklungsperspektive. Eine Minderheit von Dentallabors versucht
dagegen in bestimmten Marktnischen stärker kassenunabhängige Umsätze
zu erzielen. Einige versuchen sich, ganz auf dem privatfinanzierten Markt für
exklusiveren Zahnersatz zu etablieren. Eine Entwicklungsperspektive für die
gesamte Branche enthält diese Strategie indes auch nicht.
Global Player Dentalindustrie
Enge wirtschaftliche Beziehungen bestehen zwischen dem Zahntechnikerhandwerk und der Dentalindustrie. Diese beliefert sowohl Zahntechniker als
auch Zahnärzte mit dem technischen Bedarf an Utensilien für Praxen und
Labors. Dazu gehören sowohl Werkzeuge als auch Rohstoffe und Materialien für die Zahnersatzherstellung. Bei den Rohstoffen für die Zahnersatzherstellung handelt es sich vor allem um Edelmetalle (Gold, Titan etc.) sowie um
Metalllegierungen und andere Materialien wie Keramik oder Kunststoffe.
Die Dentalindustrie liefert sämtliche Laboreinrichtungen sowie spezielle
Maschinen und Anlagen, die die zahntechnischen Handwerksbetriebe benötigen. Technische Geräte wie Gussöfen, Zentrifugen, Brennöfen und seit
etwa zehn Jahren zunehmend auch EDV-gestützten Anlagen (CAD/CAMKomponenten) gehören zur technischen Ausstattung der Labors. Die
Zulieferer für den Bedarf an Labormaterialien treten sowohl als Hersteller,
als auch als Händler für dentale Rohstoffe und Geräte auf.
20
Die deutsche Dentalindustrie umfasst etwa 200 bis 300 Unternehmen mit
rund 17.000 bis 20.000 Beschäftigten. 200 dieser Firmen sind im „Verband
der deutschen Dentalindustrie (VDDI)“ organisiert.3 Der Branchenumsatz
der Mitgliedsfirmen betrug im Jahre 2001 rund 3 Mrd. Euro. Die Branche ist
ein exportintensiver Industriezweig: Der Exportanteil beträgt etwa 45 Prozent. Auch für ausländische Anbieter ist der deutsche Dentalmarkt interessant. Er ist der größte innerhalb der EU. Die Konjunktur der Dentalindustrie
ist zwar unmittelbar an die wirtschaftliche Entwicklung der Zahnärzte und
der Zahntechniker gebunden, sie verfügt jedoch auf den Auslandsmärkten,
auf denen sie mit ihren Qualitätsprodukten „Made in Germany“ eine gute
und kontinuierlich expandierende Stellung einnimmt, über Ausgleichsmöglichkeiten, wenn in Deutschland der Absatz - etwa wegen gesundheitspolitisch bedingter Friktionen - ins Stocken gerät. Insbesondere für die
kleineren Firmen, die nicht die Möglichkeiten zum „global playing“ haben,
sind die deutschen Zahnärzte und Zahntechniker der Schwerpunktmarkt
(vgl. www.vddi.de).
Die durchschnittliche Betriebsgröße beträgt in der Dentalindustrie rund 80
Beschäftigte, während die zahntechnischen Handwerksbetriebe durchschnittlich nicht mehr als acht Beschäftigte zählen. Einerseits besteht die
Mehrheit der Dentalindustrie aus kleinen und mittelgroßen Mittelstandsfirmen. Mehr als die Hälfte der Betriebe hat weniger als 20 Beschäftigte.
Aber eine bedeutende Minderheit besteht aus großen Unternehmen, die
teilweise zu internationalen Konzernzusammenhängen gehören.
Insbesondere in diesen Unternehmenszusammenhängen wird ein hoher
Forschungs- und Entwicklungsaufwand betrieben, so dass von ihnen weitgehend die technischen Entwicklungstrends im Zahntechnikerhandwerk
vorgegeben werden.
Zu den Branchenführern gehört u. a. „Degussa-dental“, eine Unternehmensgruppe mit einem internationalen Netzwerk von Produktionsstätten und
Niederlassungen. Sie wurde 2001 von dem US-amerikanischen Dental-Multi
„Dentsply“ übernommen. Die neue Unternehmensgruppe beschäftigt rund
1.500 Arbeitnehmer und erwirtschaftet in den Geschäftsbereichen Zahntechnik und Implantologie einen jährlichen Umsatz von etwa 500 Mio. Euro.
3
Die Unternehmen des Dentalhandels sind im „Bundesverband Dentalhandel e.V. (BVD)“
zusammengeschlossen. Der Verband hat ca. 200 Mitgliedsfirmen, zu denen nach
Auskunft des Verbandes „auch dem Fachhandel besonders verbundene Hersteller“
gehören (vgl. www.bvdental.de).
21
Das entspricht etwa einem Sechstel des gesamten Branchenumsatzes. Der
Vorsitzende des Branchenverbandes VDDI kommt aus der Geschäftsführung von „degussa-Dental“. Ein weiteres Weltmarktunternehmen ist die
„Sirona-Dental-Systems“, ein Ableger aus dem Hause Siemens. Der norddeutsche Dentalmaterialhersteller „Voco“ startete im Jahre 2000 eine
Partnerschaft mit einer großen US-amerikanischen Fachhandelskette. Sein
Exportanteil erreicht seither 60 Prozent. Weitere Großunternehmen der
Branche sind etwa das internationale Konzernunternehmen „3M Espe“
sowie aus mittelständischen Wurzeln hervorgegangene Großanbieter wie
die „KaVo Dental GmbH“ (Produktionsstätten in Italien, Brasilien und USA)
und die Bremer „BEGO“, ein Traditionsunternehmen, das heute mit seiner
breiten Produktpalette zwischen Edelmetallen und High-Tech-Ausstattungen für die Labors zu den Trendsettern der Branche zählt (vgl. Devigne,
2002; Maibach-Nagel, 2001).
Für die Zahntechniker ergibt sich im Verhältnis zu Dentalindustrie und
Dentalhandel so etwas wie eine strukturelle David-Goliath-Situation. Sie
sind in aller Regel wirtschaftlich schwächer als ihre Zulieferer. Aufgrund ihres
geringen wirtschaftlichen Gewichts sind sie den Preisvorstellungen von
Herstellern und Händlern weitgehend ausgesetzt. Kleine Handwerksfirmen
mit relativ geringem Bedarf an Materialien und Geräten sind bei Verhandlungen um Preise und Konditionen in einer schwachen Position gegenüber
Dentalindustrie und Dentalhandel. Die Bildung von Einkaufsgemeinschaften
unter den Zahntechnikern ist als Reaktionsweise auf diese Unterlegenheitssituation zu sehen.4 Auch hinsichtlich der Anschaffung neuer Technologien
ergibt sich für die Labors ein eindeutiges Abhängigkeitsverhältnis gegenüber
den großen Anbietern der Dentalindustrie: Hat sich ein Laborbesitzer einmal
für ein technisches System oder für die Produktkette eines CAD/CAMSystems entschieden, dann ist er an den Hersteller für viele Jahre gebunden.
Die Geräte können nur im Verbund eines Herstellers betrieben werden. Eine
Kombination mit Elementen anderer Hersteller ist in der Regel nicht möglich.
Mit dem Kauf des System eines bestimmten Herstellers bindet sich der
Laborinhaber meist auch an die Abnahme der Rohstoffe (Metalllegierungen,
Keramik, Kunststoffe etc.) dieses Herstellers (vgl. Witkowski, 2002). Die
vielbeschworene „Partnerschaft“ zwischen Dentalindustrie und zahntechnischem Handwerk ist oftmals eher ein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis.
4
Vgl. Abschnitt „5c. Netzwerke und überbetriebliche Kooperation“ dieses Berichts.
22
3
Zur Branchenentwicklung
3.1
Aus den „goldenen Jahren“ in die
Strukturkrise
Der Beginn einer anhaltenden prosperierenden Entwicklung des
Zahntechnikerhandwerks in der Bundesrepublik wurde Anfang der 70er
Jahre durch ein Urteil des Bundessozialgerichts gesetzt, in dem die Kosten für
Zahnersatz als durch die Krankenkassen zu finanzierende Krankheitsausgaben definiert wurden. Bis 1976 übernahmen die Kassen 100 Prozent der
Kosten für Zahnersatz. Aber auch als die Kassenleistungen für Zahnersatz
auf 80 Prozent gekürzt waren, hielt der Auftragsboom an. Die Folge war
eine stetig steigende Nachfrage nach Zahnersatz, und eine starke Wachstumsentwicklung im Zahntechnikerhandwerk setzte ein. Zwischen 1963
und 1997 wuchs die Zahl der Zahntechniker von ursprünglich knapp 11.000
auf rund 85.000 (Maibach-Nagel, 2002). Das entspricht einer Steigerung von
immerhin fast 700 Prozent in 34 Jahren. Durchschnittlich wuchs die Berufsgruppe demnach in jedem Jahr um 2.000 Personen.
Die Ausgaben für Zahnersatz pro Kassenmitglied stiegen von 1976 bis zum
Ende der 80er Jahre - ähnlich wie die Ausgaben in anderen Bereichen der
medizinischen Versorgung - um über 50 Prozent. Seit 1979 verdoppelte sich
in Westdeutschland die Zahl der zahntechnischen Labors von 3.300 auf rund
6.500 im Jahre 1995. Im gleichen Zeitraum stieg auch die Zahl der Beschäftigten der Branche stark an: von rund 45.000 auf über 60.000 (+ 33%). Etwa
seit Beginn der 90er Jahre zeigen die statistischen Indikatoren Anzeichen
einer wirtschaftlichen Stagnation der Branche. Seit 1998 brach der Umsatz
für Zahnersatz stark ein (- 25%), er erholte sich bis 2001 allmählich, erreichte
jedoch noch nicht wieder das Ausgangsniveau. Ähnlich entwickelte sich die
Beschäftigung: Sie ging 1998/99 um rund 25 Prozent zurück und erholte sich
seit 2001 wieder leicht (vgl. KZBV, 2001).
Bild 3 auf der folgenden Seite zeigt, dass sich im Bereich der
zahnmedizinischen und der zahntechnischen Berufe zwischen 1980 und
1996 alle Wachstumsindikatoren deutlich nach oben entwickelten. Die Zahl
der Zahntechniker stieg in diesem Zeitraum um rund 40 Prozent, die der
zahntechnischen Labors sogar um über 90 Prozent. Die Zahl der niedergelassenen Zahnärzte vermehrte sich um fast 50 Prozent. Die wesentliche
finanzielle Basis dieser Entwicklung bildeten die Ausgaben der Kassen für
23
zahnärztliche Behandlung und Zahnersatz. Nach der Statistik der gesetzlichen Kassen (GKV) stiegen diese Ausgaben im untersuchten Zeitraum um
knapp 50 Prozent. Die durch andere Kassen und Privatversicherte ausgegebenen Mittel sind in diesen Zahlen also nicht enthalten. Die Schwankungen
in der Umsatzentwicklung für Zahnmedizin und Zahntechnik erklären sich
aus gesetzgeberischen Eingriffen in die Erstattungspolitik der Kassen. Die
Zahl der Zahnarztpraxen und der zahntechnischen Labors scheint sich
jedoch weitgehend unbeeindruckt von den periodischen Umsatzeinbrüchen
kontinuierlich noch oben entwickelt zu haben. Dies zeigt die hohe Attraktivität, die beide Berufe über eine lange Wachstumsperiode genossen. Sowohl in der zahnmedizinischen, als auch in der zahntechnischen Branche
war lange Zeit viel Geld zu verdienen. Entsprechend war ihr Zuzug.
Der Boom im zahnmedizinisch-zahntechnischen Bereich
Westdeutschland 1980 bis 1996
Wachstumsindikatoren 1980 = 100
210
Zahl der gewerbl. Labors
190
Zahl der Zahntechniker
GKV-Ausgaben zahnärztl. Behandlung inkl. Zahnersatz
170
Zahl der niedergel. Zahnärzte
150
130
110
90
1980
1982
1984
1986
1988
1990
1992
1994
1996
Quellen: KZBV-Jahrbuch 2001, DHKT-Betriebsstatistik, Statistisches Bundesamt Fachserie 4-7.1;
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel, eigene Berechnungen
Bild 3:
Der Boom im zahnmedizinisch-zahntechnischen Bereich
Ein Vergleich der Wachstumsentwicklung zwischen niedergelassenen Zahnärzten und Zahntechnikern in Westdeutschland zeigt eine im Laufe der
Entwicklung stetig zunehmende zahlenmäßige Diskrepanz beider Berufs-
24
gruppen. Die Zahl der Dentallabors und seit Anfang der 90er Jahre auch die
der Zahntechniker ist deutlich stärker gewachsen, als die der Zahnärzte.
1980 standen etwa 3.500 Dentallabors knapp 28.000 Zahnarztpraxen
gegenüber (1:8) Rund 45.000 Zahntechniker arbeiteten damals in der
Branche. 1995 hatten sich die Relationen aufgrund des starken Wachstums
der Zahntechnikerbranche verschoben. 6.500 Labors mit 62.000 Zahntechnikern standen rund 40.000 Zahnärzten gegenüber (1:6).
So wie die Boomjahre der Zahntechnikerbranche in den 70er und 80er
Jahren als Folge gesundheitspolitischer Weichenstellungen zu erklären
waren, so steht auch die derzeitige krisenhafte Entwicklung der Branche in
einem engen Zusammenhang mit der politischen Steuerung der Kosten des
Gesundheitswesens. Die Branchenentwicklung lässt sich nur sehr eingeschränkt mit Kategorien marktwirtschaftlicher Entwicklung analysieren.
„Markt“ und „Umsatz“ im Zahntechnikerhandwerk sind durch die Bindung
der Preise und die durch die Kassen für Zahnersatz zur Verfügung gestellten
Mittel reglementiert, aber auch gesichert. Die Preisregulierung durch die
Kassen stellt für die Branche gleichzeitig eine Art „Umsatzgarantie“ dar.
Politische Entscheidungen zur Finanzierung der Gesundheitskosten schlagen jeweils unmittelbar auf die ökonomische Situation des Zahntechnikergewerbes durch. Dies soll an vier jüngeren gesundheitspolitischen Reformversuchen zur Kostensenkung im Gesundheitswesen verdeutlicht werden:
• 1988/89 verfügte Gesundheitsminister Blüm (CDU) eine Senkung der
Kassenzuschüsse für Zahnersatz von bisher 80% auf 60%. Vor
Inkrafttreten der Verteuerung des Zahnersatzes stieg der Umsatz noch
einmal stark an, weil viele Patienten ihre Zähne noch zu den alten
Konditionen restaurieren ließen. In den Umsatzkurven von Zahnärzten
und Zahntechnikern entstand damals der sog. „Blüm-Bauch“. Anschließend stürzten die Umsatzzahlen für die zahnärztliche Behandlung (inkl.
Kosten für Zahnersatz) um fast 30 Prozent ab. In den zahntechnischen
Labors sank die Beschäftigung zwischen 1988 und 1990 um rund 8
Prozent.
• 1993 griff Gesundheitsminister Seehofer (CDU) mit dem Ziel der Kostensenkung zum Mittel einer Zwangssenkung der durch die Kassen zu
entrichtenden Preise für Zahnersatz um fünf Prozent. Dies bedeutete
eine entsprechende Erhöhung des Eigenanteils der Patienten für Zahnersatz. Darauf geschah ähnliches wie fünf Jahre zuvor: Im Vorfeld dieser
Preissenkung stieg der Umsatz um rund 15 Prozentpunkte, um 1993
entsprechend abzusacken. Man sprach damals vom sog. „Seehofer-
25
Gipfel“. Die Umsätze in den westdeutschen Labors sanken 1993 um 13
Prozent, stiegen 1994 aber wieder um rund 9 Prozent an. Zu einem
Beschäftigungsabbau kam es damals noch nicht.
• 1998 kam es im Rahmen der zweiten Seehoferschen Reform zu den
bisher stärksten Umsatzeinbrüchen der Zahntechnikerbranche: Die staatliche Regulierung der Preise für Zahnersatz wurde aufgehoben, die Preise
sollten künftig durch freie Marktkonkurrenz geregelt werden. Die Versicherten erhielten von den Kassen Festbeträge. Zahnärzte, Zahntechniker und Patienten waren verunsichert und warteten ab. In den Zahnarztpraxen wurden wieder mehr Zahnfüllungen gemacht und Aufträge für
Zahnersatz gingen entsprechend zurück. Der Umsatz der Zahntechniker
sank 1998 um rund 34 Prozent. Die Beschäftigung in den zahntechnischen
Labors sank zwischen 1997 und 1999 um 26 Prozent.
• 1999 wurde von Gesundheitsministerin Fischer (Grüne) das alte Preisregulierungssystem wieder in Kraft gesetzt. Die Umsätze im Zahntechnikerhandwerk stiegen daraufhin zwischen 1999 und 2001 um rund 17
Prozent wieder an. Die Beschäftigung hinkte diesmal allerdings nach, sie
verharrte bis Ende 2001 auf dem niedrigen Niveau von 1999.
Einerseits gesundheitspolitische Sonderkonjunktur ...
Die Höhe der Ausgaben für Zahnersatz liegt bundesweit heute leicht unter
dem Niveau zu Beginn der 90er Jahre (97%). In den 90er Jahren kam es zu
zwei durch gesundheitspolitische Maßnahmen ausgelösten vorübergehenden Absenkungen der Ausgaben: 1993 hatte Minister Seehofer die Höchstpreise für Zahnersatz um 5 Prozent gekappt. Die Folge war eine Ausgabensenkung um 18 Prozent, die einer Umsatzsenkung für das Zahntechnikerhandwerk etwa im gleichen Umfang entsprach. Zu einer zweiten Absenkung kam es 1998/99 infolge der Umstellung der Zahnersatzfinanzierung
auf sog. Festzuschüsse, die mit einer freien Preisbildung auf dem Markt
einhergehen sollte. Angesichts der bei Zahnärzten, Zahntechnikern und
Patienten herrschenden Preisverunsicherung wurden viele Aufträge offenbar verschoben. Die Ausgaben sanken in diesen beiden Jahren um insgesamt
20 Prozent. Ab 1999 gilt wieder das traditionelle System einer anteiligen
Finanzierung des Zahnersatzes durch die Kassen. Seitdem stiegen die
Ausgaben für Zahnersatz, und damit der Umsatz der Zahntechnikerbranche,
bis 2001 um ca. 11 Prozent. Politisch gewollten Ausgabensenkungen folgen
demnach stets Ausgabenspitzen, da dann die zunächst zurückgehaltenen
26
Aufträge wiederum zur Geschäftsbelebung führen. Bezogen auf den untersuchten Zeitraum 1992 bis 2001 haben die Ausgaben für Zahnersatz ihr
Ausgangsniveau demnach fast gehalten (s. Bild 4).
Vergleich Ausgabenentwicklung für Zahnersatz versus
Beschäftigungsentwicklung im Zahntechnikerhandwerk
(1992 = 100)
120
110
100
100
103
100
111
107
99
95
90
80
110
106
82
70
Ausgaben für
Zahnersatz
60
Beschäftigung in
Labors
87
94
86
84
97
85
50
40
1992 1993 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Quelle: Gesundheitsausgabenrechnung, Stat. Bundesamt sowie
Versichertenstatistik der Berufsgenossenschaft;
Grafik u. Berechnungen: Büro für Sozialforschung Kassel, 2003
Bild 4:
Vergleich Ausgabenentwicklung für Zahnersatz
Welche Effekte waren im gleichen Zeitraum bei der Beschäftigung zu
beobachten? Insgesamt lag das Beschäftigungsniveau im Jahre 2001 etwa
15 Prozent unter dem des Jahres 1992. Bis in die zweite Hälfte der 90er Jahre
stieg die Beschäftigung in den Zahnlabors kontinuierlich um insgesamt 10
Prozent an. Die 5-prozentige Preisabsenkung von 1993 führte damals also
trotz großem Umsatzverlust nicht zu Personalabbau. Das Gegenteil war
27
zunächst der Fall. In den Jahren 1998/99 kam es dagegen parallel zur
Ausgabenabsenkung zu einem Personalabbau von insgesamt rund 25
Prozent. Damit war der Personalabbau gegenüber den Einnahmeverlusten
deutlich überproportional. Seit 1999 stagniert die Beschäftigung. Der Auftragsanstieg in den Jahren 1999 bis 2001 führte demnach nicht zu entsprechenden Neueinstellungen. Auf die seit Jahren unsichere Preis- und Umsatzsituation reagiert das Zahntechnikerhandwerk seit 1997 offenbar mit einem
kontinuierlichen Personalabbau.
Seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre sind weitere Strukturveränderungen
und Beschäftigungsbewegungen zu beobachten, die insgesamt auf einen
Zerfall bisheriger Branchenstrukturen hindeuten: Die Zahl der ausbildenden
Betriebe sowie der Auszubildenden nahm deutlich ab. Viele bisher als
Angestellte beschäftigte Meister gründeten eigene Kleinbetriebe. Die Zahl
der Labors stieg und ihre Durchschnittsgröße sank. Darüber hinaus haben
seit 1998 viele Fachkräfte die Zahntechnikerbranche verlassen und Arbeit in
anderen Wirtschaftsbereichen gefunden.
Zum 1. Januar 2003 wurde nun im Rahmen des von Ministerin Schmidt (SPD)
auf den Weg gebrachten Kostendämpfungsgesetzes eine Absenkung der
Höchstpreise für Zahnersatz um fünf Prozent durchgesetzt. Es ist davon
auszugehen, dass diese Maßnahme im vierten Quartal 2002 zu einer
vorübergehenden überdurchschnittlichen Umsatzsteigerung geführt hat,
da viele Zahnärzte ihre Patienten noch zu den günstigeren Bedingungen
versorgen wollten. Die Beschäftigung wird von dem Umsatzverlust wahrscheinlich erst mit zeitlicher Verzögerung betroffen werden.
Die dargestellten temporären Eingriffe der Gesundheitspolitik in die Preisgestaltung führen insgesamt zu Turbulenzen bei Umsatz und Beschäftigung
der Branche. Man kann aber den Eindruck gewinnen, dass die staatlichen
Regulierungsversuche letztlich dahinter liegende längerfristige Entwicklungen des Umfangs an Zahnersatz nicht verändern. So stiegen die Ausgaben
für die zahnärztliche Versorgung trotz wiederholter staatlicher Eingriffe zur
Kostensenkung zwischen 1976 und 2000 um 55 Prozent, was einer durchschnittlichen jährlichen Umsatzsteigerung von rund 2 Prozent entspricht. Da
der Anteil der Kosten für Zahnersatz (Labor- und Materialkosten) an den
zahnärztlichen Leistungen langfristig kontinuierlich gestiegen ist, ist der
Aufwand für Zahnersatz - der allerdings nicht vollständig den zahntechnischen
Labors zugute kommt - zwischen 1976 und 2000 sogar um 65 Prozent
gestiegen. Die Kostensenkungspolitik der Gesundheitsminister in den
vergangenen 15 Jahren hat also die langfristig wirkende Wachstumstendenz des Zahnersatzmarktes nicht bremsen können.
28
Innerhalb der Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen im Jahre 2000
(rund 250 Mrd. DM) machten die Kosten für zahnärztliche Behandlung
inklusive Zahnersatz mit insgesamt 22 Mrd. DM etwa neun Prozent des
Gesamtetats aus. 32 Prozent oder sieben Mrd. DM fielen davon für
Zahnersatzkosten an. Langfristig gesehen ist der Aufwand für zahnärztliche
und zahntechnische Leistungen seit Anfang der 90er Jahre insgesamt
weniger stark gewachsen, als in den beiden Jahrzehnten davor. Sein
Wachstum verlief überdies in den vergangenen 12 Jahren niedriger als der
anderer Bereiche des Gesundheitswesens, namentlich der Krankenhäuser.
Wir haben es bezogen auf den Zahnersatz also nach wie vor mit einem
Wachstumsmarkt zu tun. Die Wachstumsentwicklung verläuft spätestens
seit Mitte der 90er Jahre jedoch deutlich schwächer.
... andererseits eingebunden in die allgemeine
Konjunkturentwicklung
Die gegenwärtige wirtschaftliche Krisenentwicklung ist jedoch nicht allein
aus den gesundheitspolitischen Zusammenhängen zu erklären. Zwar existiert in der Zahntechnikerbranche, wie in allen von der GKV-Finanzierung
direkt oder indirekt abhängigen Wirtschaftsbereichen, eine gewisse
gesundheitspolitische Sonderkonjunktur. Eine Verbindung zur allgemeinen
konjunkturellen Lage besteht jedoch in doppelter Hinsicht: (1) Der GKVHaushalt, der einen großen Teil der Zahnersatzausgaben steuert, ist von der
Lohnsumme und damit von der allgemeinen Beschäftigungssituation abhängig. (2) Aufgrund des mittlerweile sehr hohen Umsatzanteils, der per
Zuzahlung unmittelbar aus den Privatkassen der Patienten kommt, ist die
Branche auch über diesen Mechanismus der allgemeinen Wirtschaftskonjunktur unterworfen. Die Kaufkraft der Patienten beeinflusst die Branchenkonjunktur umso stärker, je höher die Zuzahlungsanteile beim Zahnersatz
liegen. Dies zeigen auch Vergleiche mit Entwicklungen in anderen Handwerksbranchen sowie im gesamten Mittelstand. Das Handwerk insgesamt befindet sich seit Jahren in einer anhaltenden rezessiven Entwicklung. Bei etwa
gleichbleibender Betriebszahl (670.000) ist die Beschäftigung zwischen 1994
und 2001 6,3 Mio. auf 5,3 Mio. abgesunken (-16%). Auch im Handwerk
insgesamt werden die Betriebe immer kleiner (vgl. ZDH-Zahlen). 2002 ist der
Umsatz im Handwerk um fast fünf Prozent geschrumpft, 300.000 Arbeitsplätze sind abgebaut worden. Nach Einschätzung des ZDH steht das
Handwerk im Jahr 2003 vor einem weiteren Umsatzrückgang von mindestens
einem Prozent. Die Unternehmen hätten wegen einer dramatisch verschlechterten Eigenkapitalsituation keine Puffer mehr. Für Zwischen-
29
finanzierungen in wirtschaftlich negativen Zeiten sei in vielen Handwerksbetrieben kein Geld mehr da. Umsatzrückgänge würden sofort auf die Beschäftigung durchschlagen (vgl. FR v. 22.1.2003).
Die Mittelstandskonjunktur verlor in den vergangenen drei Jahren
insbesondere auf dem Hintergrund einer anhaltend schwachen Binnennachfrage immer mehr an Tempo. Die konjunkturelle Schwäche zieht sich
quer durch alle Wirtschaftsbereiche. Der Bau sowie der Einzelhandel sind
besonders betroffen, doch auch das Verarbeitende Gewerbe, der Großhandel sowie die Dienstleister spüren die Flaute deutlich. Die kleinen und
mittleren Unternehmen konnten 2002, wie bereits im Jahr davor, keine
positiven Beschäftigungsimpulse setzen. Der Anteil der mittelständischen
Betriebe, die ihre Beschäftigung reduzierten war um rund 16 Prozentpunkte
höher als der Anteil der Betriebe mit Beschäftigungszuwächsen. Die
Investitionsbereitschaft der Mittelständler hat sich innerhalb von zwei Jahren nahezu halbiert. Nur noch ein Viertel ist zu Investitionen bereit. Auch die
Ertragslage hat sich 2002 weiter verschlechtert: Firmen mit rückläufigen
Erträgen waren im abgelaufenen Jahr in der Mehrheit (vgl. Mittelstandsmonitor 2003).
3.2
Die Umsatz- und
Beschäftigungsentwicklung
Die Zahl der Dentallabors nahm in Gesamtdeutschland in den 90er Jahren
kontinuierlich zu. Sie stieg von 6.445 im Jahre 1991 auf über 8.800 im Jahre
2001 (+ 37%). Dabei war das Wachstum im Westen mit etwa 39 Prozent
deutlich stärker als im Osten, wo die Zahl der Dentallabors im gleichen
Zeitraum um rund 26 Prozent stieg.
Die Zahlen des Mikrozensus weisen etwa bis 1997 eine deutliche Wachstumstendenz für die Zahl der Zahntechniker (Selbständige, Arbeiter, Angestellte
und Auszubildende) aus. Diese Zahlen betreffen sowohl Zahntechniker in
Dentallabors, als auch solche, die in anderen Wirtschaftsbereichen, wie
etwa zahnärztlichen Praxislabors arbeiten. Die Beschäftigung stieg zwischen 1993 und 1997 von 70.000 auf etwa 77.000 Personen (+ 10%). Seit
1998 ist die Zahl der Zahntechniker im Bundesgebiet rückläufig. 2001
schätzte der Mikrozensus noch 68.000 Zahntechniker (-12%). Sie hat damit
ungefähr wieder das Niveau des Beginns der 90er Jahre erreicht. Zwischen
1998 und 1999 kam es in der gesamten Berufsgruppe zu einem
30
Beschäftigungsabbau um 5.000 Personen. Bis 2001 vergrößerte sich dieser
Rückgang auf 9.000 Arbeitsplätze. Innerhalb der Gruppe der Zahntechniker
hat sich die Beschäftigung der Selbständigen (Meister) und der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer (Arbeiter und Angestellte) unterschiedlich entwickelt. Zwischen 1993 und 2001 ist die Zahl der Selbständigen von etwa 7.000 auf 8.000 gestiegen (+ 14%), während die Zahl der
Arbeitnehmer im gleichen Zeitraum von 54.000 auf 52.000 zurückgegangen
ist (-4%), nachdem sie 1997 vorübergehend einen Höchststand von 61.000
Personen erreicht hatte. Das Zahlenverhältnis zwischen Selbständigen und
Arbeitnehmern verschiebt sich demnach langfristig immer mehr zugunsten
der Selbständigen (Stat. Bundesamt, Erwerbstätige nach Berufsgruppen,
Mikrozensus).
Zahl der Zahntechniker 1993 - 2001 Bundesgebiet
(Selbständige, Arbeiter, Angestellte, Auszubildende)
80000
70000
60000
76000
77000
77000
72000
70000
53500
50000
50000
50000
47000
45000
69000
46000
68000
45000
40000
30000
alle Zahntechniker
20000
Zahntechniker in
Dentallabors
10000
0
1993
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Quelle: Stat. Bundesamt, Mikrozensus: E rwerbstätige nach B erufsordnungen,
303 Zahntechniker; Grafik: Büro für Sozialfors chung K assel, 2002
Bild 5:
Zahl der Zahntechniker 1993-2001
31
Betrachtet man ausschließlich die Zahl der Zahntechniker in Betrieben des
Handwerks (gewerbliche Dentallabors), so ergibt sich über den gesamten
Zeitraum der 90er Jahre eine kontinuierliche Tendenz des Beschäftigungsrückgangs: Von 53.500 im Jahre 1993 sank die Beschäftigung hier bis 2001
auf 45.000 Personen (-16%). Hier trat bereits Mitte der 90er Jahre eine
Stagnation in der Beschäftigung ein, die dann ab 1998 in einen deutlichen
Rückgang überging. Die Zahl der Arbeitnehmer in den Dentallabors ging
zwischen 1998 und 2001 von rund 41.500 auf 38.200 zurück (-8%). Von
1998 auf 1999 verloren knapp 5.400 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz in der
Branche (vgl. Bundesanstalt für Arbeit, Berufe im Spiegel der Statistik).
Die Handwerksstatistik des Stat. Bundesamtes erlaubt einen Vergleich von
Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung seit 1996. Die Beschäftigungszahlen der Handwerksstatistik umfassen neben den Zahntechnikern auch
andere Berufsgruppen, die in den Handwerksbetrieben beschäftigt sind
(z. B. Verwaltungsangestellte, Kurierfahrer etc.). Hier stehen uns allerdings
keine absoluten Zahlen, sondern nur Angaben über die jeweiligen Veränderungen gegenüber dem Vorjahr zur Verfügung. Der Vergleich zwischen
Umsatz- und Beschäftigungsentwicklung zeigt einen weitgehend parallelen
Verlauf, wobei die Ausschläge der Umsatzentwicklung etwas ausgeprägter
verlaufen und die Effekte veränderter Umsätze sich erst mit einer gewissen
Verzögerung in der Beschäftigungsentwicklung auswirken.
1998 verzeichnete die Branche gegenüber 1997 einen krassen Umsatzeinbruch von rund 34 Prozent. Hintergrund war die Umstellung der Finanzierung des Zahnersatzes, durch die die Kassen den Patienten nun Festbeträge
anstelle anteiliger Kostenerstattung für Zahnersatz zahlten. Die Folge war,
dass sowohl Patienten als auch Zahnärzte verunsichert waren und Zahnersatzprojekte verschoben. Ab 1999 wurde wieder das alte System der anteiligen
Finanzierung eingeführt. Darauf hin stiegen die Umsätze wieder an. Bis 2001
konnte jedoch erst rund ein Drittel des Verlustes von 1998 wieder wettgemacht werden (+ 12%). Die Beschäftigung verzeichnete 1998 gegenüber
dem Vorjahr ein Minus von knapp 11 Prozent und im folgenden Jahr noch
einmal einen Rückgang um knapp 16 Prozent. Bis 2001 hatte sich die
Beschäftigung trotz leicht steigender Umsätze noch nicht wieder erholt. Sie
blieb bei etwa 78 Prozent des Standes vor dem großen Umsatzeinbruch.
Bezieht man den in der Handwerksstatistik errechneten Beschäftigungsabbau der Dentalbranche für 1998 und 1999 auf die Beschäftigtenzahlen der
Handwerkszählung von 1995, so ergibt sich für diesen Zeitraum ein Verlust
von rund 18.600 Arbeitplätzen (1997: 82.300, 1999: 63.700). Während die
32
Beschäftigungsstatistik der Berufsgruppe der Zahntechniker für die Jahre
98/99 in den Labors nur einen Rückgang von etwa 5.000 Personen ausweist,
lag der Arbeitsplatzabbau bezogen auf alle Beschäftigten der Branche
offenbar deutlich höher.
Umsatz und Beschäftigung im
Zahntechnikerhandwerk 1997 - 2001
Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in %
20
15
8
10
5
0
-5
2,1 1,2
1,7
0,9
-0,6
-2
-10
-9,3
-15
-14,6
-20
-25
-25,3
-30
1997
1998
1999
Umsatz
Beschäftigung
2000
2001
Quelle: Vierteljährliche Handwerksberichterstattung d. S tatistischen B undesamtes
IV C 2; Grafik: B üro für Sozialforschung Kassel, 2002
Bild 6:
Umsatz und Beschäftigung
Die statistische Datenbasis für die Beschäftigtenentwicklung nach der
Handwerksstatistik ist jedoch nicht unumstritten. Der Bundesinnungsverband
der Zahntechniker (VDZI) stützt sich bei seinen Berechnungen auf die
Versichertenstatistik der zuständigen Berufsgenossenschaft für Feinmechanik und Elektrotechnik (BGFE). In dieser Zählung sind alle Beschäftigten,
unabhängig von Status und Berufsgruppe vertreten, also neben den Zahntechnikern auch betriebstätige Eigentümer und mithelfende Familienangehörige, Verwaltungspersonal, Ausfahrer und sonstige Hilfskräfte. Nach
dieser Datenbasis war der Einbruch der Beschäftigtenzahlen im Zuge der
33
Umsatzkrise 1998/99 stärker, als nach den Zahlen der Handwerksstatistik.
Zwischen 1997 und 1999 sank die Zahl der Versicherten um 19.400, was
einem Beschäftigungsverlust von 23 Prozent entspricht. Nach den BGZahlen stagniert die Zahl der Versicherten in den Dentallabors bis 2001 auf
dem Niveau von 1999. Im Jahre 2001 zählte die BG rund 66.400 Versicherte.
Die statistische Datenlage zur Beschäftigungsentwicklung im Zahntechnikerhandwerk ist einigermaßen unübersichtlich, da verschiedene Datenquellen
jeweils unterschiedliche Grundgesamtheiten erfassen. Die Berufsstatistik
umfasst auch Zahntechniker außerhalb der Zahntechnikerbranche, Handwerks- und BG-Statistik kennen keine Unterscheidung nach Berufsgruppen
und Berufsstatus. Zum Vergleich haben wir in der Tabelle 2 die Angaben aus
den drei uns zur Verfügung stehenden Datenquellen zusammengestellt.
Tabelle 2: Beschäftigungsentwicklung
Beschäftigungsentwicklung bei Zahntechnikern und berufsfremden
den zahntechnischen Labors 1996 – 2001
Arbeitnehmern in
(gerundete Zahlen)
1996
A. Versichertenstatistik BG
Dentallabors*
B. alle Beschäftigten
in Dentallabors**
C. Zahntechniker
in
Dentallabors***
D. andere
Arbeitnehmer in
Dentallabors****
Anteil D. an B.
1997
1998
1999
2000
2001
85.200
86.100
73.900
66.700
65.400
66.400
81.500
82.300
74.700
63.700
62.500
63.200
50.000
50.000
47.000
45.000
46.000
45.000
31.500
32.300
27.700
18.700
16.500
18.200
37%
39%
37%
29%
26%
29%
* Versichertenstatistik der Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik
(BGFE).
** Zahlen der Handwerksstatistik (Indizes) berechnet auf der Basis der Beschäftigungszahlen aus der Handwerkszählung 1995
*** Zahlen aus der Berufsgruppenstatistik des Stat. Bundesamts (a.a.O.)
**** Differenz der Werte in den Zeilen B. und C.
Die Übersicht zeigt, dass die Versichertenstatistik der Berufsgenossenschaft
(Zeile A.) grundsätzlich höhere Werte enthält, als die Beschäftigungszahlen
aus der Handwerksstatistik (Zeile B.). Zeile C. enthält die Daten aus der
Berufsstatistik und zeigt die Beschäftigungsentwicklung in der Berufsgruppe
34
der Zahntechniker (inkl. Selbständige und Auszubildende) in den Labors.
Durch einen Vergleich der Zahlen der Spalten B. und C. haben wir versucht,
die Beschäftigungsentwicklung der sonstigen Arbeitnehmergruppen in den
Dentallabors, also den Verwaltungsangestellten, Ausfahrern und anderen
Hilfskräften zu ermitteln.5
Arbeitnehmer in den gewerblichen Dentallabors, die nicht zur Berufsgruppe
der Zahntechniker gehören, werden von keiner uns bekannten Statistik
gesondert erfasst. Eine gesonderte Betrachtung der Entwicklungen in dieser
Arbeitnehmergruppe scheint jedoch notwendig, um die Strukturveränderungen in den Belegschaften des Zahntechnikerhandwerks besser
zu verstehen.
Beschäftigungsentwicklung in zahntechnischen Labors 1996 bis 2001
85200
86100
81500
82300
Versichertenstatistik
BG
73900
66700
65400
66400
63700
62500
63200
45000
46000
45000
16500
18200
12000
2001
74700
50000
31500
50000
47000
Zahntechniker in
Dentallabors nach
Berufsstatistik
32300
27700
18700
1996
Beschäftigte in
Dentallabors nach HWStatistik
1997
1998
1999
andere Berufsgruppen
in Dentallabors
Quellen: Versichertenstatistik BGFE, H andwerksstatistik d. Stat. Bundesamts, Ber ufsstatistik d. Stat.
Bundesamts, eigene Berechnungen (gerundete Werte) ; Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel, 2003
Bild 7:
5
Beschäftigungsentwicklung
Ein solches Vorgehen kann nur Annäherungswerte erbringen, da sich durch dieses
Verfahren die Unsicherheiten und Ungenauigkeiten der Mikrozensuserhebungen aus
zwei unterschiedlichen Statistiken per Summierung möglicherweise systematisch
vergrößern.
35
Waren Mitte der 90er Jahre noch 37 Prozent der Beschäftigten in den
Dentallabors (inkl. Inhaber und Auszubildenden) berufsfremde Arbeitnehmer wie Verwaltungsangestellte, Ausfahrer und andere Hilfskräfte, so ist ihr
Anteil bis 2001 auf rund 30 Prozent zurückgegangen. Diese Arbeitnehmergruppe ist zwischen 1996 und 2001 um 42 Prozent zurückgegangen,
während der Beschäftigungsrückgang aller in den Labors Beschäftigten im
gleichen Zeitraum nur 12 Prozent ausmachte. In der Folge der Umsatzkrise
von 1998/99 ging die Beschäftigung in den Labors nach den Zahlen der
Handwerksstatistik um 18.600 Arbeitsplätze zurück, die Gruppe der „sonstigen Arbeitnehmer“ verlor im gleichen Zeitraum allein 13.600 Stellen. Fast
drei von vier Beschäftigten, die in den Jahren 1998/99 ihre Arbeit verloren,
waren demnach keine Zahntechniker, sondern berufsfremde Arbeitnehmer.
In der Krise haben die Inhaber offenbar zuerst beim randständigen Personal
Einschnitte gemacht, während sie wohl versucht haben, die Fachkräfte zu
halten. Seitdem die Umsätze seit 1999 wieder anstiegen, hat man kaum
Fachpersonal neu eingestellt. Die zusätzliche Arbeit wurde wohl durch
Mehrarbeit des Fachkräftebestands geleistet. Die Gruppe der anderen
Arbeitnehmer stieg jedoch wieder spürbar an, sie wuchs zwischen 2000 und
2001 um fast 1.700 Personen, was einem Plus von 10 Prozent entsprach. Das
Mehr an Aufträgen konnte nicht mit dem auf ein Mindestmaß zurückgefahrenen Bestand an Hilfskräften bewältigt werden. Wo mehr Aufträge zwischen Praxen und Labors zu bewegen waren, musste man beispielsweise
wieder zusätzliche Ausfahrer einstellen.
Erosion der Beschäftigung
Vergleicht man nun die Beschäftigungsentwicklung der verschiedenen
Berufsgruppen im Zahntechnikerhandwerk sowie die Entwicklung der
Arbeitsplatzzahlen für Zahntechniker in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen, so ergibt sich folgendes Bild:
• Die Zahl der Zahntechniker (Selbständige, Arbeiter, Angestellte, Auszubildende) in allen Wirtschaftsbereichen ist zwischen 1996 und 2001 von
76.000 auf 68.000 zurückgegangen (- 8.000). Ein Teil dieses Verlustes
erklärt sich aus dem Rückgang der Berufsausbildung: Während die
Statistik 1998 noch rund 8.000 Auszubildende zählte, waren es 2001 nur
noch rund 7.000. Viele Zahntechniker haben Branche und Beruf verlassen. Nicht wenige von ihnen sind in andere Wirtschaftsbereiche abge-
36
wandert oder haben versucht, in branchennahen Tätigkeitsfeldern, wie
etwa als Unternehmensberater für Dentalbetriebe oder als Vertreter für
Produkte von Dentalindustrie bzw. Dentalhandel, Fuß zu fassen.
• Die Zahl der Arbeitnehmer unter den Zahntechnikern (inkl. Zahntechnikerhelfer) in allen Wirtschaftsbereichen ist 1999 um rund 5.500 Personen
gegenüber 1998 zurückgegangen, seitdem bis 2001 aber wiederum um
rund 2.300 angestiegen. Das Gesamtsaldo beträgt demnach einen
Verlust von rund 3.200 Stellen. Dies zeigt, dass der Trend zum Branchenwechsel in der Gruppe der Selbständigen offenbar stärker verbreitet ist,
als bei den angestellten Arbeitnehmern.
• Die Zahl der Zahntechniker in den Dentallabors (Selbständige, Arbeiter,
Angestellte) ist schwächer zurückgegangen, als das in der gesamten
Berufsgruppe der Fall war: Von 47.000 Personen 1998 sank sie mit
leichten Schwankungen bis 2001 auf rund 45.000 Personen (- 2.000). Der
Umsatzeinbruch von 1998 wurde im Kern der Fachkräfte demnach
weniger durch Entlassungen, als durch Arbeitszeitkürzungen aufgefangen, die mit Verdiensteinbußen verbunden waren.
• Die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Zahntechniker (Arbeitnehmer) in den Dentallabors ist 1999 gegenüber 1998 stark zurückgegangen
(- 5.400 Beschäftigte), stieg seitdem jedoch bis 2001 wieder allmählich um
rund 2.000 Stellen an (Saldo: minus 3.400 Stellen). Der Vergleich dieser
Entwicklung mit der Beschäftigungsentwicklung in den Dentallabors
einschließlich der Selbständigen zeigt, dass die Beschäftigung der Arbeitnehmer deutlich stärker unter dem Umsatzeinbruch von 1998 gelitten
hat, als die der Selbständigen in der Branche.
• Betrachtet man nur die abhängig Beschäftigten (ohne Auszubildende)
unter den Zahntechnikern (gleichgültig ob in Dentallabors oder Praxislabors beschäftigt), so ergeben sich ähnliche Entwicklungstendenzen.
Ihre Zahl sank zwischen 1996 und 2000 von 55.485 auf 50.095 (- 10%).
Während die Zahl aller Zahntechniker in den 90er Jahren sich nur
geringfügig verringerte, war der Rückgang in der Gruppe der als Arbeitnehmer beschäftigten Zahntechniker deutlich stärker. In der Umsatzkrise von 1998/99 sank ihre Zahl von 57.000 (1997) auf 48.400 Arbeitnehmer (- 8.600 Personen oder 15%). Die Zahl aller Zahntechniker (einschließlich Selbständige und Auszubildende) sank in den Jahren 1998/99
von 77.000 (1997) auf 72.000 Personen (- 5.000 Beschäftigte oder 6%).
Die Zahl der gemeldeten Arbeitslosen mit Zielberuf Zahntechniker stieg
37
zwischen 1997 und 1999 von 4.300 auf rund 8.800 (+ 4.500). Die
Umsatzkrise hat demnach etwa die Hälfte der entlassenen Zahntechnikergesellen in die Arbeitslosigkeit, die andere Hälfte in andere Branchen
getrieben.
• Eine große Zahl der bisher angestellten Meister hat als Reaktion auf die
Umsatzkrise versucht, sich selbständig zu machen. Die Zahl der Selbständigen stieg in der Krisensituation zwischen 1997 und 2000 von 8.000 auf
9.000 (+ 12,5%). Die bis 1998 unbedeutende Gruppe der „Selbständigen
ohne Beschäftigte“ stieg in der Statistik 1999 auf 1.000 und im folgenden
Jahr sogar auf 2.000 Personen an. Dies deutet auf zahlreiche „Notgründungen“ kleinster Ein-Mann-Betriebe hin. Die Zahl der Selbständigen ist dann bis 2001 wieder auf das alte Niveau (8.000 Selbständige)
zurückgefallen, die Gruppe der Selbständigen ohne Beschäftigte ist bei
1.000 Personen geblieben.
• Auch die Zahl der Zahntechniker, die in Branchen außerhalb der gewerblichen Dentallabors beschäftigt waren, also etwa in zahnärztlichen
Praxislabors, privaten und öffentlichen Dienstleistungsbetrieben sowie
im Dentalhandel oder in Fräszentren, ist durch den Umsatzeinbruch von
1998 stark in Mitleidenschaft gezogen worden: Von 28.000 sank ihre
Zahl bis 2001 auf rund 21.000 Personen (-7.000).
Veränderte Belegschaftsstrukturen
Eine Reihe weiterer Strukturveränderungen in den Belegschaften weisen
auf Umstrukturierungen hin, die gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen die
Branche allmählich verändern:
• Die Zahlen der Berufsstatistik zeigen einen deutlichen Rückgang der
Ausbildungsverhältnisse: Aus 9.000 Auszubildenden in 1993 wurden
7.000 im Jahre 2001 (- 22%). Betrug der Anteil der Auszubildenden an
allen Zahntechnikern 1991 noch knapp 12,5 Prozent, war er bis 2001 auf
rund 10 Prozent gesunken. Er liegt damit aber noch deutlich über dem
Berufsausbildungsniveau im Handwerk insgesamt: Dort waren 2001 nur
rund 4 Prozent der Handwerker Auszubildende.
• Die Gewichte der Geschlechter haben sich in der Berufsgruppe der
Zahntechniker in den 90er Jahren deutlich verschoben: Während 1993
38
noch 53 Prozent Männer und entsprechend 47 Prozent der Zahntechniker Frauen waren, betrug der Frauenanteil im Jahre 2001 mittlerweile 52
Prozent (48% Männer).
• Auch in der Altersstruktur kam es in den 90er Jahren zu Verschiebungen.
Die Gruppe der unter 35jährigen hatte 1993 einen Anteil von 53 Prozent.
2001 betrug der Anteil dieser Altersgruppen nur noch etwa 41 Prozent.
Die Gruppe der über 55jährigen Zahntechniker hatte 1993 einen Anteil
von etwa 4 Prozent, im Jahre 2001 hatte sich der Anteil der älteren
Zahntechniker auf 9 Prozent erhöht.
• Bei den Arbeitszeitstrukturen haben sich im Laufe der 90er Jahre stärker
Teilzeitverhältnisse durchgesetzt. 1993 arbeiteten rund 88 Prozent der
Zahntechniker 35 und mehr Stunden pro Woche. Im Jahre 2001 betrug
deren Anteil nur noch 84 Prozent. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten
(weniger als 35 Std.) erhöhte sich von knapp 14 Prozent auf rund 16
Prozent.
Branche im Umbruch
Branchenexperten, mit denen wir sprachen, gehen heute davon aus, dass in
den kommenden Jahren bis zu einem Drittel der Betriebe wird aufgeben
müssen: Dies steht jedoch keineswegs allein ursächlich mit aktuellen und zu
erwartenden gesundheitspolitischen Eingriffen im Zusammenhang. In den
vergangenen Jahren hat sich aufseiten der Zahntechnik ein Überangebot
kleiner und kleinster Betriebe mit schwachen wirtschaftlichen Grundlagen
und geringen Entwicklungsmöglichkeiten aufgebaut. In sofern handelt es
sich um eine strukturelle Krise, die sich in jahrelanger Entwicklung herausgebildet hat. Die aktuellen Preiskürzungen und weitere zu erwartende
Umsatzverluste infolge absehbarer gesundheitspolitischer Eingriffe verschärfen möglicherweise diese Krisensituation, sind jedoch nicht Auslöser
der für viele Betriebe möglicherweise ruinösen Entwicklung. Die negative
Beschäftigungsentwicklung hat bereits deutlich vor der 1998er Krise eingesetzt. Ein seit Beginn der 90er Jahre stetig wachsender Markt für die
Auslandsproduktion von Zahnersatz dürfte auf diese Entwicklung sicher
Einfluss gehabt haben. Ebenfalls langfristiger Art ist die Tendenz der stetigen
Verkleinerung der Betriebe. Der stets als besonders vital geltende Bereich
der mittelgroßen Betriebe hat stark an Gewicht verloren. Viele Jahre
erfolgreiche Traditionsbetriebe sind oft zu fragwürdigen Kleinexistenzen
geworden. Auch ungelöste Probleme bei der Nachfolgeregelung führen
39
schließlich in vielen Fällen zu Betriebsschließungen. Hierin spiegelt sich nicht
zuletzt die sinkende Attraktivität vieler Betriebe in der Branche: Die bisher
verbreitete Übernahme der Betriebe durch im Betrieb beschäftigte Meister
ist in vielen Fällen offenbar zu wenig erfolgversprechend geworden. Die im
Vergleich zu anderen Branchen relativ verschlechterten Verdienstmöglichkeiten nehmen der Branche zunehmend das nötige Potenzial an
qualifizierten und motivierten Fachkräften. Die gesunkene Ausbildungsaktivität in der Branche signalisiert ebenfalls, dass das „goldene Zeitalter“,
das in den vergangenen zwanzig Jahren so viele qualifizierte und hochmotivierte junge Leute angezogen hat, in der bisherigen Form wohl vorbei
ist.
40
4
Branchen- und Betriebsstrukturen
Das Zahntechnikerhandwerk ist eine durch kleine Betriebs- und Unternehmensstrukturen geprägte Branche mit überwiegend mittelständischen
Eigentums- und Leitungsformen.
Nach der Statistik wurden im Jahre 2001 rund 68.000 Zahntechniker im
Bundesgebiet gezählt (Mikrozensus). Rund 8.200 von ihnen waren Selbständige, knapp 7.400 von diesen Selbständigen hatten Betriebe mit zusätzlichen Beschäftigten. Nach den Zahlen des Deutschen Handwerkskammertages waren im Jahre 2001 rund 8.800 Zahntechnikerbetriebe in die Handwerksrolle eingetragen, davon rund 1.200 (13%) in Ostdeutschland.
Betriebsentwicklung Dentallabors 1991 - 2001
6907
6445
7274
6295
7549
6563
7998
7802
6769
6974
8250
7210
8421
8579
7335
7295
8691
7481
8821
7587
5846
5241
HWKT-Statistik
BG-Statistik
1991
1992
1993
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
Quelle: Deutscher Handw erkskammertag, Zahl der jeweils zum 31.12. in die Handw erksrolle eingetragenen Betriebe und
handwerklichen Nebenbetriebe sowie Betriebsstatistik der Ber ufsgenossenschaft für Feinmechanik und E lektrotechnik;
Grafik: Büro für S ozialforschung Kassel, 2003)
Bild 8:
Betriebsentwicklung Dentallabors 1991-2001
41
Die Betriebstatistik der für die gewerblichen Dentallabors zuständigen
Berufsgenossenschaft Feinmechanik und Elektrotechnik verzeichnete 2001
rund 7.600 Laborbetriebe.6 Aus beiden Statistiken ist demnach - unabhängig
von spezifischen Abweichungen und Fehlerquellen im Einzelnen – eine seit
langem anhaltende Tendenz der Vermehrung von Unternehmen und Betriebsstätten bei gleichzeitig sinkender Beschäftigtenzahl abzulesen. Die Vermehrung der zahntechnischen Betriebe scheint bis in die jüngste Zeit anzuhalten.
Im ersten Halbjahr 2002 standen nach der Zählung des Handwerkskammertages 269 Betriebsgründungen 206 Abgängen gegenüber (vgl. www.zdh.de).
4.1
Immer mehr, immer kleinere Betriebe
Die Zahl der gewerblichen Handwerksbetriebe (Dentallabors) ist seit Beginn
der 90er Jahre kontinuierlich gewachsen. Während 1991 knapp 6.500
Betriebe in die Handwerksrolle eingetragen waren, waren es im Jahre 2001
rund 8.800. Das entspricht einem Wachstum von 35 Prozent in 10 Jahren.
Dabei vollzog sich die Vermehrung der Betriebszahlen zwischen 1991 und
1998 in Ost und West in etwa im gleichen Tempo. Seit dem massiven
Umsatzeinbruch des Jahres 1998 ist jedoch eine geteilte Entwicklung zu
beobachten: Im Westen stieg die Zahl der Betriebe weiter an. Zwischen 1997
und 2001 wuchs der Betriebsbestand um 10 Prozent. Im Osten verringerte
sich der Betriebsbestand im gleichen Zeitraum dagegen um rund 9 Prozent.
Dies lässt vermuten, dass die Verschlechterung der Ertragslage 1998 im
Westen zu einer Gründerwelle kleiner und kleinster Betriebe bzw. selbständiger Existenzen geführt hat, die größer war, als die Zahl der
Betriebsschließungen. Im Osten dagegen war die Zahl der Betriebsaufgaben
offenbar höher, als die der Betriebsgründungen durch sich selbständig
machende Zahntechniker.
6
Die vom Deutschen Handwerkskammertag geführte Betriebsstatistik führt alle
Unternehmen auf, die in die sog. Handwerksrolle eingetragen sind. Die Zahl der so
ermittelten Betriebe liegt systematisch über der tatsächlichen Zahl der
Handwerksbetriebe, weil auch große Industrie- oder Handelsunternehmen in die
Handwerksrolle eingetragen werden können, wenn sie nur einen Handwerksmeister
beschäftigen (vgl. Stat. Bundesamt, Fachserie 4/ Reihe 7.1, Allgemeine und methodische
Erläuterungen). Diese Abweichung macht sich demnach hauptsächlich in der Gruppe
der größeren Betriebe bemerkbar. Die Betriebsstatistik der zuständigen
Berufsgenossenschaft weist eine niedrigere Betriebszahl (Betriebsstättenzahl) aus. Für
2001 zählte sie 7.587 Betriebe, also 14 Prozent weniger, als die Zählung des
Handwerkskammertages (vgl. BGFE, 2002)
42
Da die Zahl der im Zahntechnikerhandwerk Beschäftigten in den 90er
Jahren nicht im gleichen Umfang wuchs, wie die Zahl der Betriebe, sank in
diesem Zeitraum die durchschnittliche Betriebsgröße der Dentallabors kontinuierlich: Beschäftigte ein Betrieb 1992 noch etwa 13 Personen, so betrug
die durchschnittliche Betriebsgröße im Jahre 2001 nur noch 8,7 Beschäftigte
(BGFE-Statistik). Die verstärkte Betriebsgründungsaktivität der letzten Jahre
wird häufig in einen direkten Zusammenhang mit den Umsatzeinbrüchen
des Jahres 1998 gestellt. In diesem durch die Seehofersche Festbetragsregelung geprägten Krisenjahr verdoppelte sich die Zahl der arbeitslos
gemeldeten Arbeitnehmer aus der Branche von rund 4.400 auf knapp 9.000.
Gleichzeitig stieg die Zahl der Zahntechniker mit dem Status von Selbständigen zwischen 1998 und 2000 von 7.000 auf 9.000. Innerhalb der Gruppe
der Selbständigen zählte die Statistik zwischen 1999 und 2000 einen
Zuwachs um rund 1.000 Selbständige ohne Beschäftigte (vgl. Stat. Bundesamt, Erwerbstätige nach Berufsordnung, Mikrozensus). Diese Zahlen lassen
in der Tat vermuten, dass die Krisensituation 1998 für einen Schub der
Gründung zahlreicher besonders kleiner und kleinster Betriebe gesorgt hat.
Als Reaktion auf eine seit Jahren unbefriedigende Lohnentwicklung sind in
den letzten Jahren viele qualifizierte Zahntechniker, die bisher als Meister in
Dentallabors gearbeitet hatten, den Weg in die Gründung - angesichts
sinkender Nachfrage - oftmals unwirtschaftlicher Kleinbetriebe gegangen
(vgl. Winkler, o. J.). Man begann in der Branche von sog. „Wohnzimmer- oder
Garagen-Labors“ zu sprechen.
Schließlich haben sich in den 90er Jahren insbesondere sehr kleine Betriebe
auf neu entstandene Bereiche, wie etwa die Kiefernorthopädie, oder die
exklusive Verarbeitung neuer Materialien, wie etwa Titan oder Vollkeramik
konzentriert. Das Angebot an Produkten, Materialien und Qualitäten hat
sich immer stärker ausdifferenziert. Diese Gesamttendenz drückt sich
wahrscheinlich auch in einer zunehmenden Ausdifferenzierung der Betriebsstruktur aus. Hinzu kommt nach Beobachtung von Innungsfunktionären,
dass heute Zahntechniker nach bestandener Meisterprüfung stärker als
früher dazu neigen, sich möglichst schnell selbständig zu machen.
Über die Verteilung der Zahntechnischen Betriebe nach Betriebsgrößenklassen
liegen uns aus der Handwerkszählung 1995 folgende Daten vor: Damals gab
es knapp 300 Ein-Personen-Betriebe. Bei diesen Kleinstbetrieben ohne
weitere Beschäftigte handelt es sich um kleine Werkstätten, in denen ein
Meister alleine arbeitet. Diese Gruppe machte damals nur rund vier Prozent
des gesamten Betriebsbestandes aus. Der Anteil der Kleinbetriebe mit 1 bis
4 Beschäftigten betrug Mitte der 90er Jahre rund 22 Prozent. Die meisten
43
Betriebe fanden sich in den mittelgroßen Größenklassen: 68 Prozent der
Betriebe wiesen damals zwischen fünf und 19 Beschäftigte auf. Der Anteil
der größeren Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigte betrug etwa 1,5
Prozent (vgl. Stat. Bundesamt, Handwerkszählung 1995). Bezüglich der
Betriebsgrößenstruktur ergab sich bis 2001 eine tiefgreifende Veränderung.
Nach von der Münchener „iconsult GmbH“ durch Telefonumfragen ermittelten Zahlen hat sich das Gewicht der Kleinstbetriebe mit 1 bis 4 Beschäftigten innerhalb der vergangenen sechs Jahre fast verdoppelt: 39 Prozent
der Dentallabors gehören heute zur Gruppe dieser Kleinstbetriebe. Nach
diesen neueren Zahlen haben heute fast drei Viertel (73%) aller zahntechnischen Betriebe weniger als 10 Beschäftigte.
Der Anteil der Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten hat sich im gleichen
Zeitraum von 14 auf sieben Prozent halbiert. Nur noch 474 Dentallabors
gehören heute zu dieser Größenklasse, 1995 waren es noch über Tausend.
Die offenbar langfristig stabile Tendenz der Branche zu sehr kleinen Betriebseinheiten dürfte auch in Zukunft anhalten.7
Etwa durch die Möglichkeit, künftig einen Teil des Stipendiums zur Erwerbung des Meistertitels („Meister-BAFÖG“) nicht zurückzahlen zu müssen,
wenn sich Jungmeister innerhalb von zwei Jahren nach der Prüfung selbständig machen (und damit zwei weitere Arbeitsplätze schaffen), wird sich die
Tendenz der Gründung weiterer Kleinstbetriebe sicher weiter verstärken.
Dies hat eine Reihe von Konsequenzen. Sehr kleine Betriebe, etwa solche
mit weniger als 5 Beschäftigten, bilden seltener Lehrlinge aus, als mittlere
und größere Betriebe. Tatsächlich ist die Zahl der Ausbildungsbetriebe in der
zweiten Hälfte der 90er Jahre deutlich gesunken: 1999 gab es 635 Ausbildungsbetriebe weniger als noch 1995 (-15%). Die Inhaber sehr kleiner
Betriebe halten häufiger Distanz gegenüber Innungen und Verbänden, als
die mittlerer und größerer Labors, weil für sie Aufwand und Ertrag eines
Verbandsengagements nicht in einem guten Verhältnis stehen. Schließlich
sind die zeitlichen und finanziellen Spielräume vieler Kleinstbetriebe häufig
so eng, dass die Möglichkeiten regelmäßiger Weiterbildung stark eingeschränkt sein können. Sehr kleine Betriebe sind nur selten in der Lage, sich
jeweils die neuesten Maschinengenerationen anzuschaffen. Damit dürfte
auch der Markt für kostspielige Anschaffungen etwa im Bereich neuer
Technologien auch längerfristig sehr begrenzt bleiben.
7
Vgl. dl-online 03/2001 (Beilage der Zeitschrift Dental-Labor vom März 2001), S. 9
44
Dentallabors nach Größenklassen 1994
Anteile an der Gesamtzahl in %
2222
14
32
1- 4 Besch.
10 - 19 B.
5 - 9 Besch.
20 u. mehr B.
31
Quelle: Handwerkszählung 1995, Fachserie 4 Stat. Bundesamt;
Grafik: B üro für Sozialforschung K assel, 2002
Dentallabors nach Größenklassen 2001
Anteile an der Gesamtzahl in %
7
20
39
34
1- 4 Besch.
10 - 19 B.
5 - 9 Besch.
20 u. mehr B.
Q uelle: iconsult dental G mbH, Betriebsbefragung Juni 2001;
Grafik: B üro für Sozialforschung K assel, 2002
Bild 9:
Dentallabors nach Größenklassen
45
4.2
Kleinbetriebe: Zwischen Künstlern
und Krautern
Ein Vergleich der Umsatzzahlen nach den Betriebsgrößenklassen hatte
anlässlich der Handwerkszählung 1995 ergeben, dass Ein-Personenbetriebe
mit 90.000 DM und kleine Betriebe mit 2 bis 4 Beschäftigten und 88.000 DM
pro Beschäftigten deutlich überdurchschnittliche Umsätze erwirtschafteten. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Umsatz der Branche lag damals bei gut
84.000 DM pro Beschäftigten. Andererseits wies die Umsatzsteuerstatistik
für das Jahr 2000 lediglich rund 6.400 Betriebe mit einem Umsatz von mehr
als 16.617 Euro aus. Es ist also anzunehmen, dass über 1.000 Kleinstbetriebe
unterhalb der Umsatzsteuergrenze arbeiten. Dabei kann es sich sowohl um
Gründerbetriebe als auch um „Aussteiger“ handeln, die in diesem Jahr den
Markt verlassen haben, und eben auch um kleinstbetriebliche Existenzen,
die dauerhaft auf diesem Minimalniveau arbeiten (vgl. Stat. Bundesamt,
Fachserie 2, Reihe 1.1). - Die wirtschaftlichen Kennzahlen deuten also
bereits einen differenzierten Befund an: Im Bereich der Kleinstfirmen findet
man sowohl prosperierende als auch wirtschaftlich wenig erfolgreiche
Betriebe.
Innerhalb der in der Betriebsstatistik ausmachbaren Gruppe der Kleinstbetriebe
empfiehlt sich nach den Ergebnissen unserer Expertengespräche mit Betriebsinhabern und Innungsvertretern eine weitere Differenzierung nach qualitativen Gesichtspunkten. In unseren Gesprächen war immer wieder die Rede
von dem ausgeprägt individualistischen, ja mitunter „eigenbrödlerischen“
Naturell vieler Zahntechnikermeister. Sie verstehen sich in aller Regel in
erster Linie als Handwerker mit einem hohen Qualitätsanspruch. Die Verarbeitung von kostbaren Edelmetallen und die hohen ästhetischen Ansprüche
an den Zahnersatz lassen für nicht wenige von ihnen die Grenzen zu
künstlerischen Ansprüchen an ihre Produkte verschwimmen: „Viele von
ihnen sind verliebt in ihr Handwerk. Sie fühlen sich oft mehr als Künstler und
sehr viel weniger etwa als Unternehmer oder Arbeitgeber!“
Für diesen Menschenschlag dürfte die Organisationsform des Ein-MannLabors oder eines Betriebes, in dem die Ehefrau das Büro macht und der
Inhaber und Meister mit zwei oder drei technisch hochqualifizierten und
erfahrenen Fachkräften in der Werkstatt arbeitet, die Arbeits- und Betriebsstruktur sein, die ihrer Mentalität entspricht. Dass diese Mini-Betriebe nicht
automatisch mit einer ökonomisch prekären „Krauterexistenz“ gleichzusetzen sind, wurde von den befragten Branchenexperten uns gegenüber immer
wieder betont. Diese Betriebe arbeiten in kleinen aber feinen Marktnischen
46
für besondere Produkte. Ihre Stärke sind langjährige stabile Beziehungen zu
einem überschaubaren Kreis von Zahnärzten. Sie haben sich teilweise in
kleinen Spezialmärkten, wie etwa Titanprodukte oder Spezialherstellungen
für den Bereich der Kieferorthopädie und Zahnersatz auf Implantaten oder
teure vollkeramische Produkte eingenistet. Die soziale Struktur solcher
Betriebe gleicht eher einer Gruppe qualifizierter und sehr selbständig arbeitender Fachleute, in der der Meister die Rolle eines primus inter pares spielt.
Die vorherrschende Arbeitsstruktur ist die der ganzheitlichen Arbeitsvollzüge.
Arbeitsteilung ist hier wenig ausgeprägt. Maschinen – auch teure Anschaffungen - werden hier als Hilfsmittel und Handwerkszeuge der Fachkräfte
eingesetzt. Die Trennung zwischen Privatleben und Betrieb ist hier nicht sehr
ausgeprägt. Wohnung und Werkstatt finden sich in dieser Szene meist unter
einem Dach.
In den Fachzeitschriften werden immer wieder solche Kleinstbetriebe, die
unter dem Motto „klein aber fein“ arbeiten, porträtiert. Die Inhaber werden
als technische Perfektionisten dargestellt, die sich leidenschaftlich für die
Qualität ihrer Produkte einsetzen. In solchen Berichten wird immer wieder
auf hohe ästhetische Ansprüche bei der Ausstattung der Werkstätten und
„stilvolles Ambiente“ in den Räumen verwiesen, die die Patienten zur
Farbanpassung des Zahnersatzes besuchen. Von stilvoller Kombination aus
alten Möbeln und moderner Technik ist hier häufig die Rede, vom „Dentallabor für die Sinne“, von Einrichtungen, die man als „Augenschmaus“
bezeichnen kann: „Ästhetik pur!“8
Die Betriebsorganisation ist hier minimalistisch. Der Meister arbeitet alleine
oder mit ein, zwei vertrauten Fachkräften zusammen. Ehefrau und Söhne/
Töchter helfen mit. Besondere Anforderungen an Führung und Betriebsmanagement entfallen. Hier herrschen Bedingungen des „Familienbetriebs“
im engeren Sinne.9 Wachstum ist für diese Zahntechniker kein Wert an sich.
Manche tun sich schwer, den geeigneten „zweiten Mann“ zu finden,
8
9
Vgl. etwa die Betriebsreportagen in der Zeitschrift „Dental-Labor“: „Der andere Weg –
Erfolg mit ars dentis“, Heft 12/2001, „Das Dentallabor der Sinne“, Heft 1/2001;
„Qualität vom Feinsten - Made in Straßdorf“, Heft 1/2002; „Ein Perfektionist auf der
Spur der Natur“, Heft 12/2001; „Ein Einzelkämpfer auf dem Lande“, Heft 12/2001
Nach den Daten der Handwerkszählung 1995 betrug der Anteil der
sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer in Betrieben mit 1 bis 4 Beschäftigten nur
70 Prozent. Fast jeder Dritte war hier also Selbständiger oder Familienangehöriger. Im
Branchendurchschnitt betrug der Arbeitnehmeranteil über 95 Prozent.
47
andere betonen, sie seien an einem weiteren zahlenmäßigen Wachstum
ihrer Kundschaft gar nicht interessiert, weil sie befürchten, in einem größeren Betrieb könne „die Qualität verloren gehen“. Solche Betriebe haben
kein professionelles Marketing. Sie bauen auf die Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Zahnärzte und Patienten. Viele von ihnen arbeiten im
Hochpreissektor, Aufträge für Privatpatienten haben bei ihnen einen höheren Anteil am Umsatz als im Rest der Branche. Von Lehrlingsausbildung ist in
den Berichten über diese Kleinstbetriebe niemals die Rede, wohl aber wird
ausführlich von den intensiven Weiterbildungsaktivitäten der Inhaber berichtet.
Eine weitere, zahlenmäßig bedeutsame Gruppe kleiner Dentallabors ist in
der Größenklasse zwischen fünf und zehn Beschäftigten angesiedelt. Nach
der Betriebsgrößenstatistik umfasste sie 2001 rund 2.300 Betriebe oder rund
34 Prozent aller Dentallabors. Über sie finden sich erwartungsgemäß keine
Porträts in den Fachzeitschriften der Branche. Dies sind die eigentlichen
Elendsbetriebe, die gezwungen sind zu Dumpingpreisen zu arbeiten und
Nacht- und Wochenendarbeit in Kauf zu nehmen. Sie sind darauf angewiesen, „bei den Zahnärzten Klinken zu putzen“ und auch oftmals Aufträge
anzunehmen, „die sich eigentlich nicht rentieren“.
Diese Betriebe haben formelle Strukturen. Nicht wenige von ihnen waren
früher deutlich größer, sind aber aufgrund von Umsatzrückgang auf ihr
heutiges Maß geschrumpft. Hier ist der Inhaber in erster Linie in der
Produktion beschäftigt. Sei es, dass er kein Talent für die kaufmännischen
Aspekte des Geschäfts hat, sei es, dass die knappe Auftragslage keine
Freistellung für Aufgaben außerhalb der Werkstatt zulässt, arbeitet in
solchen Betrieben der Meister meist voll in der Werkstatt mit. Es gibt kaum
geregelte Arbeitszeiten. Gearbeitet werden muss - vom Chef wie von den
angestellten Zahntechnikern - „wenn die Aufträge raus müssen, auch wenn
das am Wochenende ist ...“. Besonders schlimm soll es hier nach Schilderungen unserer Gesprächspartner um die Weihnachtszeit zugehen, wenn noch
letzte Aufträge vor Jahresende abgeliefert werden müssen. Da gilt dann das
Motto: „Arbeiten und Schlafen unter dem Weihnachtsbaum!“
Zu den systematischen Schwächen in der Führung von Betrieben dieser
Größenordnung gehört oftmals die Tatsache, dass die Inhaber bzw. Meister
solcher Betriebe zwar fachlich qualifiziert sind, aber keine Fähigkeiten und
kein Interesse für Betriebsmanagement und Marktbeziehungen (Marketing,
Kundensuche) entwickelt haben. Diese Tendenz des sich Vergrabens der
Inhaber in der Werkstatt ist ein auch in vielen anderen Handwerksbranchen
48
verbreitetes Phänomen. Betriebliche Kostenrechnung und Fehleranalysen in
den betrieblichen Abläufen werden hier nicht betrieben. Teure Fehlentscheidungen, wie etwa die Anschaffung kostspieliger und für Betriebe
dieser Größenordnung unrentabler technischer Geräte können die Folge
sein.
Gegenüber den finanziellen und organisatorischen Anforderungen einer
ISO-Zertifizierung sind solche Betriebe häufig offenbar überfordert. Das
Medizinproduktegesetz „MPG“ schreibt (seit 1998) vor, dass zahntechnische
Labors alle Fertigungsschritte dokumentieren müssen. So muss z.B. der
Metallguss dokumentiert werden. Gussgeräte, die eine solche Dokumentation zuverlässig ermöglichen, sind jedoch heute noch recht kostspielig. Es ist
nicht auszuschließen, dass diese von außen gesetzten Qualitätsnormen in
Zukunft nicht wenige dieser Kleinbetriebe vom Markt drängen werden.
Hinsichtlich einer grundsätzlich auch für Betriebe dieser Größenordnung
sinnvollen überbetrieblichen Kooperation mit anderen Dentallabors, etwa
zum günstigeren Einkauf von Rohstoffen und Geräten im Dentalhandel, sind
diesen Kleinbetrieben jedoch enge Grenzen gesetzt. Einerseits sind die
Arbeitskapazitäten der Inhaber für solche firmenübergreifenden Aktivitäten
oft zu schwach. Die überbetrieblichen Einkaufsverbünde und Firmen-Netzwerke nehmen ihrerseits derartige Kleinbetriebe gar nicht auf, weil sie
davon ausgehen, dass dort nicht die nötigen Ressourcen für überbetriebliche
Zusammenarbeit anzutreffen sind. Die Kleinbetriebe dieses Typs befinden
sich gewissermaßen in der klassischen Kooperationsfalle: Einem objektiv
hohen Bedarf an Kooperation und Hilfe von außen stehen hier häufig
mangelnde innere Ressourcen zur Aufnahme und Pflege von Kooperation
gegenüber.
Trotz Preisbindung durch die Höchstpreisvorgaben der Kassen existiert hier
offenbar ein grauer Konkurrenzmarkt unter den kleinen zahntechnischen
Labors. Nicht wenige Zahnärzte scheinen gegenüber solchen Labors, die an
der Existenzgrenze wirtschaften, ihre Auftraggeberstellung für die
Durchsetzung von Preisnachlässen oder anderer Vergünstigungen auszunutzen. Über die zahlenmäßige Verbreitung dieser „Unterwelt“ des zahntechnischen Handwerks liegen uns keine Angaben vor. Bereits vor dem
Umsatzeinbruch des Jahres 1998 kam eine Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum zu dem Ergebnis, die kleinen Meisterlabore arbeiteten im
Westen wie im Osten unrentabel und seien zum Teil überschuldet (VDZI-Info
05/2000). Die Grenzen zur Schattenwirtschaft sind an diesem unteren Rand
der Zahntechnikerbranche fließend. So veröffentlichte der VDZI beispiels-
49
weise im Jahre 2001 den Fall eines Zahntechnikers, der auf der Basis von
Pseudo-Arbeitsverträgen für insgesamt fünf Zahnärzte produzierte, ohne in
die Handwerksrolle eingetragen gewesen zu sein. Er war vom Amtsgericht
Steinfurt zu eine Geldbuße in Höhe von 3.000 DM verurteilt worden (VDZIInfo 02/2002).
4.3
Mittelgroße Betriebe im Zentrum
Ein Vergleich der Umsatzzahlen nach den Betriebsgrößenklassen hatte
anlässlich der Handwerkszählung 1995 ergeben, dass der durchschnittliche
Pro-Kopf-Umsatz der mittelgroßen Betriebe mit 10 bis 19 Beschäftigten mit
82.000 DM damals deutlich unter dem Branchendurchschnitt von gut 84.000
DM pro Beschäftigten lag. Die Betriebe dieser Größenklasse bildeten Mitte
der 90er Jahre mit einem Anteil von 32 Prozent die größte Gruppe der
Dentallabors in der Branche. Der Anteil dieser auch verbandspolitisch
wichtigen Mittelgruppe - aus Betrieben dieser Größenordnung kommen
häufig die Innungs-Obermeister - hat sich bis heute jedoch auf knapp 20
Prozent reduziert.
Der größte Teil unserer Gesprächspartner bei den Expertengesprächen für
diese Studie kam aus dem Kreis von Inhabern von Betrieben einer Größenordnung zwischen 10 und 30 Beschäftigten. Auf der Ebene der Arbeitsorganisation herrschen hier - wie in den kleineren Handwerksbetrieben
auch - überwiegend ganzheitliche Arbeitsvollzüge durch Fachkräfte vor.
Eine gewisse Arbeitsteilung zeigt sich in den Werkstätten entlang der
Unterscheidung der verschiedenen Materialien, die verarbeitet werden. So
liegt etwa die Herstellung von Zahnersatz aus verschiedenen Metallen
(Gold, Titan etc.), Kunststoffen oder Keramik bei jeweils anderen Zahntechnikern, die die Verarbeitung der unterschiedlichen Grundstoffe je spezifische Verarbeitungsvorgänge verlangt. Hier macht nicht mehr jeder alles,
aber die Grundstruktur der Fertigung ist im wesentlichen ganzheitlich. Die
Produkte werden von den Zahntechnikern in weitgehend selbständiger
Arbeit hergestellt.
In Labors etwa ab einer Größe von 15 Beschäftigten ist eine erste Differenzierung in der Betriebsorganisation unvermeidlich. Hier findet man in der
Werkstatt einen Betriebsleiter, der sich auf die Technik konzentriert, während der Chef sich um Aufträge und Markt kümmert. Eine andere Lösungsform dieses Leitungsproblems, wie wir sie verschiedentlich angetroffen
50
haben, besteht in einer Art „Doppelspitze“: Zwei Brüder, beide gelernte
Zahntechniker, teilen sich die Leitung der Firma. Während sich der eine
stärker auf Werkstatt und Betrieb konzentriert, übernimmt der zweite die
Außenbeziehungen der Firma, also etwa Verträge mit den Lieferanten der
Rohstoffe und der technischen Ausstattung, die Beziehungen zu anderen
Labors und zu den Zahnärzten. In anderen Fällen haben sich zwei Meister zur
gemeinsamen Leitung einer Firma zusammengetan. Hier sind in der Regel
die Kompetenzbereiche zwischen beiden klar abgegrenzt: Während der
eine für den technischen Ablauf verantwortlich ist, managt der andere den
betriebswirtschaftlichen Part sowie den Kundenservice.
Aufgrund dieser Arbeitsteilung in der Spitze sind diese Betriebe auch in der
Lage, etwa Kooperationen zu anderen Firmen in Form von Einkaufsverbünden einzugehen oder Weiterbildungsangebote von Herstellern und
Verbänden zu nutzen. Einige der uns bekannt gewordenen überbetrieblichen
Verbünde, wie etwa die Organisation „Compedent“ mit mittlerweile rund
40 Mitgliedsfirmen, nehmen nur Betriebe mit mindestens 20 Beschäftigten
in ihr Netzwerk auf. Die Betriebe der mittleren Größenordnung können also
nicht nur günstigere Einkaufsbedingungen bei den Rohmaterialien nutzen,
sondern auch Informations- und Weiterbildungsangebote dieser überbetrieblichen Verbünde nutzen. Sie sind grundsätzlich sowohl intern als auch
extern kooperationsfähig. Betriebe dieser Größenordnung sind in der Lage,
die ISO-Zertifikate zu erwerben. Auch die vom Medizinproduktegesetz
(MPG) geforderte lückenlose Dokumentation der Fertigungsvorgänge stellt
hier kein unüberwindliches Hindernis dar. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten dürften die Betriebe dieses Organisationstyps auch angesichts sich
verschlechternder ökonomischer Rahmendaten (GKV-Finanzierung) sich als
flexibel genug erweisen, um zu überleben und sich auf neue wirtschaftliche
und technologische Bedingungen einzustellen. Auf Umsatzeinbrüche wird
mit Kurzarbeit und Entlassungen reagiert, der erfahrene Kern der Zahntechniker bleibt dabei möglichst erhalten.
51
4.4
Großbetriebe an der Schwelle zu Industrie
und Handel
Betriebe mit 50 und mehr Beschäftigten gelten in der Branche als Großbetriebe. Mitte der 90er Jahre lag nach den Ergebnissen der Handwerkszählung der Pro-Kopf-Umsatz in Betrieben mit über 50 Beschäftigten mit
rund 90.000 DM deutlich über dem Branchendurchschnitt (84.000 DM).
Bereits damals gehörten lediglich 104 Betriebe (1,5%) zur Gruppe der
großen Betriebe innerhalb der Branche. Sie beschäftigten allerdings knapp
10 Prozent aller Beschäftigten. Heute ist das Gewicht der größeren Betriebe
gegenüber den 90er Jahren weiter zurückgegangen.1995 gab es noch über
1.000 Betriebe mit 20 und mehr Beschäftigten, 2001 waren es nur noch 474
(vgl. HW-Zählung 1995 und iconsult-Daten 2001, a.a.O.).
In den 90er Jahren hat sich in Ostdeutschland sehr rasch eine Reihe
überdurchschnittlich großer handwerklicher Dentallabors entwickelt. Inhaber größerer westdeutscher Dentallabors investierten damals in diese Betriebe, weil sie hier erhebliche Wachstumsmärkte vermuteten. So begann
etwa das Berliner Labor Rübeling+Klar 1991 mit 13 Mitarbeitern. „Die
Nachfrage nach Zahnersatz entwickelte sich in den ersten Jahren explosionsartig“, heißt es in einem Firmenporträt. Die Mitarbeiterzahl schnellte bis
1994 auf 80 Beschäftigte, ein Neubau musste bezogen werden. Heute
(2002) beschäftigt das Berliner Labor rund 100 Mitarbeiter. Ähnlich verlief
die Entwicklung im 1991 in Erfurt gegründeten Zweigbetrieb des Kasseler
Laborunternehmens Werth&Priester. Man fing mit 17 Mitarbeitern an, und
„der junge Betrieb wuchs rasend schnell“. Ein Jahr später mussten bereits
die Betriebsräume erweitert werden, denn das Labor beschäftigte mittlerweile
rund 100 Mitarbeiter. Mitte der 90er Jahre folgte der Umzug in eine moderne
Produktionsstätte. Mittlerweile haben die Umsatzrückgänge Ende der 90er
Jahre jedoch dazu geführt, dass der Erfurter Betrieb Personal abbauen
musste. Bis zum Jahre 2002 war die Erfurter Belegschaft wieder auf 75
Mitarbeiter zurückgegangen.
Die Firma Werth&Priester hat an ihrem Hauptsitz in Kassel ein Großlabor mit
90 Beschäftigten. Man versucht aber trotz dieser Größenordnung traditionelle Handwerksstrukturen zu erhalten: „Wir sind immer noch ein Familienbetrieb. Ich kenne jeden Mitarbeiter!“, betont die Inhaberin. Im Kasseler
Betrieb begrüße sie morgens jeden Einzelnen. - Das Problem, trotz inzwischen
entstandener großbetrieblicher Strukturen nicht in die industrielle Anonymität hineinzuwachsen, beschäftigte auch die Führung eines anderen hand-
52
werklichen Großlabors. Bei der Fa. Scharl in Amberg fragte man sich, wie
man die Vorteile eines Kleinlabors mit denen eines Großlabors verbinden
könnte. Man gab schließlich die klassische Abteilungsstruktur auf und führte
vier innerbetriebliche „Leistungszentren“ ein, die weitgehend selbständig
ihre Arbeit erledigen und auch die Kontakte zu den Kunden halten. Die
Zahnärzte kommunizieren so mit einer kleinen übersichtlichen Laborgruppe,
die aber auf die Infrastruktur eines großen Unternehmens zurückgreifen
kann. Der Einsatz jeweils neuester Technik und Freiräume für stetige
Mitarbeiter-Fortbildung seien so garantiert. 10
Insgesamt ist die Gruppe von Großlabors mit 100 bis 200 Technikern sehr
überschaubar. Sie arbeiten als sog. „Versandlabors“ für einen überregionalen Markt für feste Preise, die man ihren Internetseiten entnehmen kann. Die
Fertigung wird hier zum großen Teil durch angelernte Kräfte nach arbeitsteiligindustriellen Methoden der Massenfertigung am Fließband gemacht. Die
Zahl solcher Großlabors mit quasi industrieller Fertigung hat sich im Verlauf
der 90er Jahre deutlich reduziert. Einige haben sich durch Kooperation mit
ausländischen Fertigungsstätten (Asien) gehalten. Sie haben einen Großteil
der zahntechnischen Arbeiten an ausländische Betriebe verlagert, treten
auf dem deutschen Markt aber nach wie vor als Hersteller von Zahnersatz
auf.
In die Gruppe dieser größeren Unternehmen der Branche, die faktisch keine
Handwerksbetriebe mehr sind, gehören auch die sog. „Fräszentren“. Hier
werden im Auftrag von Dentallabors oder Zahnärzten auf der Basis spezialisierter technischer Ausstattung sog. Halbfabrikate gefertigt. Die Labors
schicken den Fräszentren entweder konventionelle Modellvorlagen (Abdrücke) oder, sofern sie mit EDV-gestützten Scannern ausgestattet sind,
Fräsvorlagen in Dateiform. Die gefrästen Stücke (Kronen, Brückengerüste
etc.) werden anschließend in den Dentallabors verblendet und ästhetisch
endverarbeitet.
10
Vgl. „Qualitätsmanagement wird groß geschrieben“, in: Quintessenz Zahntechnik, Heft
9/2002; „Erfolgreich in Erfurt“, in: Dental-Labor, Heft 4/2001, sowie „Große
Dentallabors mit Atmosphäre“, in: Dental-Labor, Heft 6/2002; „50 Jahre Zahntechnik
Scharl!“, in: Dental-Labor, Heft 9/2001
53
4.5
Sonderfall Flemming-Dental
Einen bisher einmaligen Sonderfall in der Branche bildet die Entwicklung der
Unternehmensgruppe „Flemming-Dental“. Seit 1996 hat sich die Hamburger „Flemming Holding GmbH & Co. KG“ durch die Übernahme ehemals
mittelständischer Dentallabors stark ausgeweitet. Ähnlich einem FranchiseSystem schlossen sich einzelne Labors der Gruppe an oder wurden aufgekauft. Die Hamburger Zentrale betreut und unterstützt sie bei Technik-,
Buchhaltungsproblemen und vor allem in Marketingaktivitäten. Hauptfinanzier wurde die Gothaer Versicherungsgruppe.
Das Unternehmenskonzept ist gewissermaßen der Versuch einer Übertragung des „Fielmann-Konzepts“ auf die Zahntechnikerbranche. Ähnlich wie
im Falle von „Fielmann“ wollte man über ein dichtes Netz örtlicher Niederlassungen auch direkt mit den Endverbrauchern, den Patienten, in unmittelbaren Kontakt treten. Der ehemalige Geschäftsführer der Fielmann-Gruppe
übernahm die Geschäftsführung bei Flemming. Mit großem Finanzaufwand,
der durch eine dahinterstehende Versicherung (Gothaer Versicherungsgruppe) abgedeckt wurde, wollte man in kurzer Zeit zu einem jedermann
bekannten, bundesweit marktbeherrschenden Anbieter für Zahnersatz
werden. Flemming setzt seine Finanzkraft u. a. so ein, dass den Patienten zur
Finanzierung der Kosten, die über den Krankenkassenanteil für Zahnersatz
hinausgehen, zinsgünstige Ratenzahlungsmöglichkeiten angeboten werden („payDent Zahnersatzfinanzierung“).
Mit dieser Strategie wurde Flemming in wenigen Jahren zum Primus der
Branche. Mittlerweile wurden insgesamt 87 Laborbetriebe per Übernahme
in die Holding integriert. In nahezu jeder größeren Stadt gibt es mittlerweile
eine Niederlassung. Der Umsatz lag im Jahr 2000 bei rund 100 Millionen Euro.
Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Flemming fast 2.500 Mitarbeiter. Mit rund
360 Auszubildenden wurde das Unternehmen gleichzeitig zum größten
Ausbilder der Branche. Der Marktanteil betrug nach Firmenangaben im
Jahre 2002 etwa drei Prozent. Auf mittlere Sicht peilt man einen Marktanteil
von etwa fünf Prozent an. Dies würde eine Ausweitung des Niederlassungsnetzes auf etwa 250 Dentallabors in Deutschland voraussetzen. Bei seiner
weiteren Suche nach Übernahmeobjekten bleiben Kleinlabors ausgeschlossen, Flemming sucht Betriebe erst ab einer Größenordnung von 20 Beschäftigten aufwärts. - Mittlerweile hat sich die Gruppe auch auf den europäischen Markt ausgedehnt. Insgesamt neun Niederlassungen bestehen bisher
in Schweden, Großbritannien und Lettland.
54
Aber den Gipfel seiner Entwicklung hat der „Fielmann der Zahntechnik“
möglicherweise bereits überschritten. Im Juni 2002 meldete die „Zahnarztwoche (DZW)“, dass die Gothaer Versicherung die „Lust an Flemming“
verloren habe und neue Investoren suche. „Ohne frisches Geld geht vermutlich nichts mehr“, lautete die Schlagzeile des Blattes. Kurz darauf meldete
Flemming den Einstieg der Berliner Beteiligungsgesellschaft CMP mit 49
Prozent der Anteile. Der bisherige Mehrheitsaktionär Capiton bleibe mit 44
Prozent am Unternehmen beteiligt. Hinter der CMP („Capital Management
Partners“) stehen Gesellschaften wie die Hypo-Vereinsbank, der Gerling
Konzern sowie die Unternehmensberatung Roland Berger (vgl. metallnachrichten, Jan. 2003).
Kürzlich wurde in der Branche über einen geplanten Börsengang der
Flemming-Gruppe spekuliert. Die Geschäftsführung dementierte: Grundsätzlich sei in den kommenden Jahren ein solcher Schritt zwar vorgesehen,
für die nächsten zwei Jahre lägen dafür aber keine konkreten Pläne vor. Dies
wurde vor allem mit den schlechten wirtschaftlichen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen begründet. Ein Börsengang solle schließlich
in einem positiven Umfeld erfolgen (vgl. zm-online v. 14. 11. 02).
In der Branche wurde die Expansionsentwicklung von Flemming-Dental eine
Zeit lang mit großer Aufmerksamkeit, teilweise mit Besorgnis beobachtet.
Die Inhaber mittelständischer Labors fragten sich: „Wird uns Flemming mit
Discountpreisen letztlich kaputtmachen?“ - Nach Beobachtungen unserer
Gesprächspartner im Kreis unabhängiger Labore scheint die expansive
Entwicklung des Unternehmens mittlerweile gebremst zu sein. Man geht
offenbar davon aus, dass das „Flemming-Experiment“ langfristig zum Scheitern verurteilt sei. Eine standardisierte Produktionsweise eigne sich für die
Zahntechnik nicht, denn die hieße Verzicht auf individuelle Gestaltung und
Qualität. Nach aller Erfahrung komme dem mittelständischen Inhaber eine
sehr wichtige Rolle zu. Sein persönliches Engagement sei nicht nur für die
Qualität, sondern auch für die ökonomische Überlebensfähigkeit der Betriebe unverzichtbar. Ein Filialleiter könne diese Rolle eben nicht übernehmen.
Die weiteren Expansionsankündigungen der Gruppe hält man im allgemeinen für unrealistisch. Nachteilig für die Realisierung eines großangelegten
Discount-Geschäfts sei die Rückkehr zur staatlichen Höchstpreisregulierung
im Jahre 1999. Die Einführung freier Preiskonkurrenz, so wie sie Minister
Seehofer (CDU) vorgesehen hatte, wäre dem Expansions- und Niedrigpreiskonzept à la Fielmann dagegen entgegengekommen.
55
Ein ungeplanter Nebeneffekt der massenweisen Übernahme mittelständischer Dentallabors soll nach brancheninternen Beobachtungen darin bestanden haben, dass die ehemaligen Eigentümer dieser Betriebe nach
Ablauf der einjährigen Schutzfrist nach dem Verkauf in vielen Fällen wiederum
eigene kleine Labors gegründet hätten. Dies sei in der Regel unter Mitnahme
der besten Mitarbeiter und der besten Kunden ihrer ehemaligen Betriebe
geschehen. - Wir haben es hier offenbar mit dem Phänomen zu tun, dass die
Expansion eines großen Unternehmens indirekt auch zur Bildung neuer,
kleinerer Betriebe führen kann.
Inzwischen sind die Geschäfte eher rückläufig. In einigen Niederlassungen
ist es im letzten Jahr bereits zu Entlassungen gekommen. Nach Meldungen
der IG Metall wurden mittlerweile in der Hamburger Zentrale 40 von 150
Stellen gestrichen. Im November 2002 wurden danach alle Filialbetriebe per
Rundschreiben angewiesen, jeweils fünf Arbeitsplätze einzusparen. Dies
würde bei vollständiger Realisierung die Streichung von rund 400 Arbeitsplätzen bzw. einem Sechstel aller Beschäftigten entsprechen. In der IGMetall-internen Hotline für Zahntechniker häufen sich seitdem die Anrufe
von Flemming-Beschäftigten, die sich über erhöhten Druck und Schikanen
der örtlichen Geschäftsführer beklagen. Das Informationsblatt der IG Metall
enthält zahlreiche Beispiele für Konflikte um Entlassungen, Lohn- und
Urlaubskürzungen in den Flemming-Filialen. Die Gewerkschaft spricht von
ersten „Rissen in der heilen Welt der Flemming-Familie“.11
11
Vgl. „metallnachrichten – Flemming dental“, Januar 2003, IGM-Vorstand, Ressort
Handwerk
56
5
Ausgewählte Entwicklungsprobleme
Nach einer längeren Periode von Wachstum und Prosperität befindet sich die
Zahntechnik seit einiger Zeit in einer Phase der wirtschaftlichen Stagnation
und des strukturellen Umbruchs. An die Stelle alter Sicherheiten ist eine
Reihe von Entwicklungsrisiken getreten, die der Branche zu schaffen machen. In der laufenden Debatte über Ursachen und „Schuldige“ der misslichen Lage werden - neben der Restriktivität und Unberechenbarkeit staatlicher Gesundheitspolitik - immer wieder einzelne Teilentwicklungen zur
Erklärung herangezogen. Dabei entspricht es seltsamerweise der Branchenpsychologie, Begründungen für Fehlentwicklungen meist außen zu suchen.
Wir diskutieren hier drei ausgewählte Entwicklungsprobleme der Branche,
um zu zeigen, dass solche „Außenprobleme“ gleichzeitig in vieler Hinsicht
auch mit internen Entwicklungen zusammenhängen können. Die Konkurrenz der Auslandsproduktion etwa ist eine teilweise von der Branche
mitbetriebene Entwicklung, der man sich durch eigene neue angepasste
Entwicklungsstrategien stellen sollte. Das gespannte Verhältnis zu den
Zahnärzten und ihren Praxislabors kann sicher nicht durch Verbote und
rechtliche Änderungen der Berufsordnungen, sondern eher durch konsequente Formen der Zusammenarbeit zwischen Zahntechnikern und Zahnärzten aufgelöst werden. Schließlich stellen die vielfältigen Ansätze der
überbetrieblichen Netzwerke zwischen den Handwerksbetrieben und mit
Herstellern im Bereich der Dentalindustrie einen aussichtsreichen Ansatz für
die zukünftige Branchenentwicklung dar.
5.1
Auslandsproduktion
Die deutsche Zahntechnik ist seit Jahren in erheblichem Umfang an der
allgemeinen Globalisierungsentwicklung beteiligt. Von ihren stofflichen und
organisatorischen Merkmalen sind Zahntechnik und Zahnersatz relativ
leicht in grenzüberschreitende europäische und auch weltweite Wirtschaftsbeziehungen integrierbar. Einerseits arbeitet das Zahntechnikerhandwerk,
wie dies für viele deutsche Handwerkszweige charakteristisch ist, traditionell zwar überwiegend für überschaubare lokale oder regionale Märkte.
Möglichst enge Kundenbeziehungen und leichte Erreichbarkeit sind in
sofern Anforderungen, die für möglichst ortsnahe Beziehungen zwischen
Patienten, Zahnärzten und Zahntechnikern sprechen. Andererseits sind die
Zahntechniker vom unmittelbaren Kontakt zu den Patienten getrennt, da
57
die Abformung der Zahnersatzmodelle sowie die Einpassung beim Patienten
in Deutschland grundsätzlich von einer anderen Berufsgruppe übernommen
wird. Darin unterscheidet sich die Marktstellung der Zahntechniker von der
anderer Handwerke, wie etwa Heizungsinstallateuren, Elektrikern,
Gebäudereinigern etc., die ihre Arbeit zu einem wichtigen Teil direkt beim
Kunden vor Ort verrichten. Da sie - von der Farbanpassung des Zahnersatzes
einmal abgesehen - nicht selbst am Patienten arbeiten, ist die eigentliche
Herstellung des Zahnersatzes prinzipiell ortsunabhängig. Sie sind Zulieferer
für die Zahnärzte, die den Zahnersatz bei den Patienten einsetzen. Von
anderen Zuliefererbranchen, die wegen möglichst kurzer Transportwege
auf räumliche Nähe zum Auftraggeber angewiesen sind (z. B. Just-in-timeProduktion der Automobilzulieferer), unterscheidet sich die Zahntechnik
durch die Tatsache, dass ihr Produkt klein, leicht und gut zu transportieren
ist. Das globale Flugliniennetz in Verbindung mit Post und privaten Paketdiensten bietet technisch gesehen gute Voraussetzungen für eine grenzüberschreitende Versorgung mit Zahnersatz. Durch die Digitalisierung der
Abformungen und Modelle können gewissermaßen die Konstruktionsdaten
für Zahnersatz heute per Internet an jeden Arbeitsort der Welt transferiert
werden.
Die mittlerweile entwickelten grenzüberschreitenden Verflechtungen bei
der Produktion und Versorgung mit Zahnersatz sind vielfältig. Wir nennen
einige dieser Konstellationen ohne Anspruch auf Vollständigkeit:
• In den vergangenen Jahren hat sich von Deutschland aus ein Trend zum
sog. „Gesundheitstourismus“ entwickelt. Deutsche Patienten lassen sich
im Urlaub in Ländern des europäischen Auslandes, etwa in Spanien oder
in Polen von dortigen Zahnärzten und Zahntechnikern Zahnersatz anpassen. Sie nutzen dabei erhebliche Preisunterschiede. Nach einem Bericht
im Spiegel kostete 2001 in einer polnischen Zahnklinik ein Zahnersatz, für
den man in Deutschland rund 16.000 DM zahlen musste, nur etwa 6.000
DM (vgl. Spiegel, Heft 28/2001). Diese Variante des gewissermaßen
individuellen Imports von Zahnersatz durch die Patienten selbst findet
prinzipiell bisher seine Grenzen darin, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur für Kosten aufkommen, die durch Zahnbehandlung in Deutschland entstehen (Territorialprinzip). Privatversicherte sind hier grundsätzlich anders gestellt, sie genießen in der Regel einen europaweiten
Versicherungsschutz (vgl. Dental-Labor, Heft 11/2002). Im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung und einer möglichen Änderung der
deutschen gesetzlichen Bestimmungen für die Kostenübernahme durch
die gesetzlichen Kassen könnte es auf diesem Gebiet demnach zu einem
erheblichen Wachstum kommen.
58
• Deutsche Zahntechniker sind offenbar dazu übergegangen, am Geschäft mit dem Preisgefälle selbst teilzuhaben. Im zitierten Spiegelbericht
wird von einem Berliner Zahntechniker berichtet, der im grenznahen
polnischen Slubice ein Zahnlabor eröffnet hat, in dem zehn polnische
Arbeitnehmer zu polnischen Löhnen Zahnersatz für deutsche Patienten
fertigen (vgl. ebd.). Auch diese Variante dürfte nach der Osterweiterung
der EU weitere Entwicklungschancen haben.
• Deutsche Zahntechniker unterhalten Vertragsbeziehungen mit zahntechnischen Labors in Ländern mit niedrigem Lohnniveau. Sie wirtschaften nach einer Mischkalkulation: Besonders heikle Arbeiten, die
möglicherweise Zwischenproben am Patienten und Nacharbeiten verlangen, bleiben im heimischen Labor. Der Rest geht ins asiatische Partnerlabor.
• Schließlich hat sich eine offenbar wachsende Gruppe von Handelsunternehmen gebildet, die in Deutschland Zahnersatz zu Niedrigpreisen anbieten, den sie in ausländischen Laboren (in China, Hongkong, Singapur,
Malaysia, Ungarn, Polen, Mallorca und den Seychellen) anfertigen lassen.
Dabei arbeiten sie mit Großlaboren zusammen, die teilweise erst durch
Investitionen dieser deutschen Firmen in den Stand gesetzt wurden,
Zahntechnik nach deutschem Standard anzufertigen. Die Arbeit der
angelernten Kräfte in solchen Labors wird in der Regel von deutschen
Zahntechnikern überwacht. In diese Gruppe fällt auch die Mühlheimer
Firma „Globudent“, deren Geschäftspraktiken im Zusammenhang mit
einem großangelegten Abrechnungsskandal kürzlich an die Öffentlichkeit gekommen sind. Auftraggeber dieser global agierenden Firmen sind
sowohl Zahnärzte, als auch deutsche Dentallabors. Grundsätzlich handelt es sich bei der Auslandsproduktion von Zahnersatz jedoch um legale
wirtschaftliche Aktivitäten.
Dieser kleine Überblick über einige Varianten der Globalisierung des Zahntechnikmarktes zeigt zumindest folgendes: Die deutsche Zahntechnikbranche ist keineswegs als Opfer des Globalisierungsprozesses zu sehen.
Deutsche Unternehmen treten in vielen Fällen als Initiatoren und Akteure
der Auslandsproduktion auf.
Nach Angaben der Zeitschrift FOCUS ist der Import von Zahnersatz in den
vergangenen fünf Jahren deutlich angestiegen. Er entwickelte sich von 14
Mio. Einheiten Zahnersatz (Kronen, Brücken, etc.) 1997 auf 24 Mio. Einheiten im Jahre 2001. Dies entspricht einer Steigerung um 70 Prozent. Sachverständige der AOK taxieren den Anteil auslandsgefertigter Produkte am
59
deutschen Markt auf mittlerweile 15 Prozent (vgl. FOCUS, Heft 48/2002).
Nach Einschätzungen eines Branchenexperten ist der Einsatzbereich der
Auslandsproduktion heute jedoch aus wirtschaftlichen Überlegungen auch
grundsätzlich begrenzt. Nicht alle Arbeiten könnten an ausländische Labore
weitergegeben werden. Für die Auslandsfertigung eigneten sich hauptsächlich kleine Brücken, die einen Umsatzanteil von etwa 20 Prozent ausmachten. An dieser Produktgruppe könne man verdienen. Aufwendigere Arbeiten müssten dagegen im Inland gefertigt werden, bei sehr einfachen
Arbeiten lohne sich der Transfer ins Ausland nicht.
Innerhalb der Branche ist die Haltung gegenüber dem Auslandsgeschäft
höchst zwiespältig und häufig widersprüchlich, je nachdem, auf welcher
Ebene man darüber Gespräche führt. Auf der Ebene der Innungen wird die
Auslandsfertigung im allgemeinen abgelehnt und als schädlich für die
Branche verurteilt: Auslandsproduktion gefährde Arbeitsplätze im eigenen
Land und trage das Risiko in sich, dass die strengen deutschen Qualitätsnormen nicht erreicht würden. Im Rahmen unserer Betriebs- und Experteninterviews erfuhren wir jedoch, dass offenbar viele große und mittelgroße
Dentallabors bereits ihre eigenen Auslandsbeziehungen unterhalten oder
zumindest Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit ausländischen Firmen
besitzen. Dies gilt auch für Eigentümer von Dentallabors, die Führungspositionen in den Innungen einnehmen. Ein Innungsobermeister berichtete
etwa, er habe zeitweise Aufträge an eine Firma auf den Philippinen
vergeben. Die Qualität der Produkte sei nicht schlecht gewesen. Die
Kostenvorteile seien aber teilweise durch nötige Nachbesserungen wieder
aufgefressen worden, die dann im deutschen Labor gemacht werden
mussten. Schließlich habe er den Versuch aber beendet, weil er Handwerker
bleiben und nicht zum Händler werden wollte. Insgesamt entsteht in punkto
Auslandsfertigung gewissermaßen der Eindruck einer gespaltenen Moral in
der Branche: Auf offizieller Ebene wird sie bekämpft, in der eigenen Firma
oft betrieben.
Zu den Befürwortern der Ausweitung der Herstellung von Zahnersatz im
Ausland gehören vor allem die Krankenkassen. Insbesondere die Ersatzkassen haben in den vergangenen Jahren in speziellen Informationskampagnen
bei den Patienten für den Einsatz von Zahnersatz ausländischer Fertigung
geworben. Sie wollen durch die Nutzung des Preisniveauunterschiedes die
Kosten für Zahnersatz senken helfen. Im gleichen Zusammenhang steht die
Entscheidung der Bundeswehr, Zahnersatz für die Angehörigen der Truppe
künftig in Zahnlabors in Polen fertigen zu lassen. Auch diese Entscheidung
soll Einsparungen bei den Gesundheitskosten bringen. Auf beide Initiativen
reagierten sowohl die Verbände der Zahnärzte, als auch die Zahntechniker-
60
innungen - in seltener Einmütigkeit - mit Protest und Ablehnung. Die
Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) verurteilte die Werbung der
Kassen für ausländische „Billig-Labore“ als einen „elementaren Eingriff in
das Verhältnis zwischen Zahnarzt und Patient“, letzterer werde dadurch
verunsichert und unnötige Diskussionen würden heraufbeschworen. Dadurch
werde die Arbeit der Zahnärzte erschwert. Allein der Zahnarzt sei der einzig
Verantwortliche für die Qualität seiner Zahnbehandlung, deshalb müsse ihm
allein die Entscheidung über das geeignete Labor obliegen. Billig-Importe
brächten Qualitäts- und Haftungsrisiken, weil der Zahnarzt nicht überprüfen
könne, ob die deutschen Qualitätsstandards (Medizinproduktegesetz) eingehalten würden. Da Material- und Laborkosten für den Zahnarzt durchlaufende Posten seien, habe er keinerlei finanzielle Vorteile durch eine niedrigere Laborrechnung. Preisnachlässe der Labore müssten an Patienten und
Kassen weitergegeben werden... (vgl. zm-online, 17/2002). - Erklärungen
dieser Art klingen freilich nach Aufdeckung des „Globudentskandals“, in
dem enthüllt wurde, dass sich mindestens 2.000 Zahnärzte den Kostenvorteil zwischen Inlands- und Auslandspreisen per mit Geld gefüllten Briefumschlägen haben zustecken lassen, wenig überzeugend.
Aus Zahntechnikersicht kritisierte Herbert Stolle, der Vorsitzende des Freien
Verbandes Zahntechnischer Laboratorien (FVZL) die Entscheidung der Bundeswehr zur Einführung von Zahnersatz aus Polen vor allem mit dem
Arbeitsplatzargument: Die Verlagerung der Aufträge ins Ausland führe im
Inland, insbesondere in der norddeutschen Küstenregion (in der Stolle ein
Netzwerk von Zahnlabors betreibt) zu Arbeitsplatzverlusten. Stolle will in
Briefen an die Bundestagsabgeordneten darauf hinwirken, dass die Entscheidung der Bundeswehr rückgängig gemacht wird. Auch der VDZI
kündigte an, sich für eine Revision einzusetzen: „Dem Steuern zahlenden
Innungsbetrieb ist es nicht zu vermitteln, dass Geld aus öffentlichen Kassen
nun in die Taschen der ausländischen Konkurrenz fließen soll.“ Stolle fügte
der Polemik eine weitere Dimension hinzu, indem er unterstellte, dass im
Ausland hergestellter Zahnersatz grundsätzlich mit gesundheitlichen Risiken
für die Patienten in Deutschland behaftet sei: Durch den „Einkauf fragwürdiger Qualität von nicht näher identifizierten ausländischen Herstellern“
würden die deutschen Soldaten zu „medizinischen Versuchsobjekten“ (vgl.
Dental-Labor, Heft 6/2002).
Durch die Diskussion im Zusammenhang mit dem jüngsten Skandal um den
Abrechnungsbetrug bei dem Auslandsimporteur „Globudent“ wurden in
der Branche offenbar seit langem vorhandene Bedenken in bezug auf
mögliche Gesundheitsrisiken durch im Ausland gefertigten Zahnersatz nun
erneut belebt. Bisher spielt sich die Debatte jedoch auf der Ebene von
61
Vermutungen, Behauptungen und Gegenbehauptungen ab. Greifbare Belege für gesundheitliche Schäden bei Patienten, die seit Jahren mit asiatischem Zahnersatz im Mund leben, liegen indes nicht vor. Letztlich ist diese
Diskussion wohl auch Ausdruck der allgemein zwiespältigen Stimmung in
der Branche gegenüber dem Zahnersatz aus dem Ausland: Die einen sehen
durch ihn ihre Existenz gefährdet, die anderen profitieren von ihm.
Mittlerweile sind die Ermittlungen der Kassen im Zusammenhang mit betrügerischen Abrechnungen von Auslandszahnersatz fortgeschritten. Die AOK
Niedersachsen brachte ihre Ermittlungsergebnisse Anfang Januar 2002 auf
die Formel „Globudent ist überall!“. Nach den Ermittlungen standen rund 50
Unternehmen im Verdacht, Zahnersatz aus dem Ausland weitaus zu teuer
abgerechnet und ein gemeinsames Geschäft mit den Zahnärzten gemacht
zu haben. Die Zahl der an diesen Machenschaften beteiligten Zahnärzte
übersteigt wahrscheinlich 2.000 (vgl. Frankfurter Rundschau v. 11.1.2003).
Der Skandal macht einmal mehr auf die Unbeweglichkeit der Höchstpreisfestsetzung durch die BEL aufmerksam. Die beteiligten Zahnärzte und
Dentallieferanten haben diese Höchstpreise offenbar auch gewissermaßen
als „Mindestpreise“ aufgefasst. Nach dem Motto „Unter dem BEL-Niveau
wird nicht abgerechnet!“. Die BEL-Preise zu unterbieten lohnt sich derzeit
nicht, es sei denn, man macht es kriminell... - Um die Kostenvorteile durch
im Ausland gefertigten Zahnersatz für eine Einsparung der Kassenausgaben
nutzbar machen zu können, wird es nötig sein, Alternativen zu der BELHöchstpreisfestsetzung für Zahnersatz zu schaffen.
5.2
Zankapfel Praxislabor
Die Konkurrenz der Zahnärzte
Neben den meistergeführten gewerblichen Dentallabors existiert in Deutschland eine zweite Gruppe von Labors, in denen Zahnersatz gefertigt wird.
Rund ein Drittel aller niedergelassenen Zahnärzte unterhält in der Praxis ein
zahntechnisches Labor. Etwa in der Hälfte dieser „Praxislabors“ arbeiten
angestellte Zahntechniker. Die Beschäftigung pro Labor beträgt durchschnittlich etwas mehr als ein/e Arbeitnehmer/in. Es handelt sich also in aller
Regel um Kleinstbetriebe in den Praxisräumen der Zahnärzte. Die Beschäftigung eines Zahntechnikermeisters schreibt die zahnärztliche Berufsord-
62
nung hier nicht vor. Leitung und Verantwortung liegen beim Zahnarzt selbst.
Zur zahnärztlichen Qualifikation gehört auch eine zahntechnische Ausbildung.
Entwicklung des zahnärztlichen Praxislaborwesens
1991 - 2000 Bundesgebiet
9178
8941
8065
7206
7303
6153
7629
7981
7302
6631
6280
7893
6607
8907
6734
7046
Zahl der Praxislabors
Zahl der angestellten Zahntechniker
1991
1993
1995
1996
1997
1998
1999
2000
Q uelle: KZBV-Jahrbuch 2001, eigene Berechnungen;
G rafik: B üro für Sozialforschung K assel 2002
Bild 10: Entwicklung des zahnärztlichen Praxislaborwesens
Das sog. „Praxislaborwesen“ ist eine alte Einrichtung. Nach Zahlen des
KZBV, die bis auf das Jahr 1979 zurückgehen, betrug der Anteil dieser
Zahnarztlabors am Gesamtaufwand für Zahnersatz (Material- und Laborkosten im Bereich Prothetik) stets zwischen 25 und 30 Prozent. Der Anteil
der gewerblichen Dentallabors betrug im allgemeinen entsprechend 70 bis
75 Prozent (KZBV-Jahrbuch 2001, S. 84f).
In rund 7.000 Zahnarztpraxen existierten nach der KZBV-Statistik im Jahre
2000 solche Praxislabors. Zum Vergleich: Die Betriebsstatistik des
Zahntechnikerhandwerks verzeichnete im gleichen Jahr rund 8.700 in die
63
Handwerksrolle eingetragene zahntechnische Meisterbetriebe. In den zahnärztlichen Praxislabors arbeiteten im Jahr 2000 knapp 9.000 Zahntechniker.
In den gewerblichen Dentallabors arbeiteten im gleichen Jahr rund 64.000
Beschäftigte, davon hatten 9.000 den Status von Selbständigen, 53.000
waren Arbeitnehmer (Mikrozensus). Auf einen Zahntechniker in einem
Praxislabor kamen demnach durchschnittlich sieben Zahntechniker bzw.
andere Arbeitnehmer in den gewerblichen Labors.
Bild 10 auf der vorhergehenden Seite zeigt die Entwicklung des Laborbestandes sowie die Beschäftigtenentwicklung im Praxislaborwesen im
Verlauf der 90er Jahre. Nimmt man das Jahr 1991 zum Ausgangspunkt, dann
waren sowohl der Bestand an Praxislabors als auch die Beschäftigung im
Jahre 2000 mit minus drei Prozent leicht rückläufig. Nimmt man das Jahr
1997 - das Jahr vor dem tiefen Einbruch des Umsatzes im Prothetikgeschäft
- zum Ausgangspunkt, dann kann man von einer Zunahme der Zahl der
Praxislabors um rund 1.000 oder 12 Prozent, und von einer Zunahme der
Beschäftigung um etwa 450 Zahntechniker oder um knapp sieben Prozent
sprechen. Im gleichen Zeitraum verzeichnete die Beschäftigtenstatistik der
gewerblichen Dentallabors einen Rückgang von 9.000 Zahntechnikern oder
15 Prozent. In der Folge von Entlassungsaktionen und Betriebsschließungen
in vielen Betrieben des Zahntechnikerhandwerks ist offenbar ein Teil der
entlassenen oder von Entlassung bedrohten Arbeitnehmer aus den gewerblichen Dentallabors in den Praxislabors der Zahnärzte untergekommen. Bis
2002 haben sich die Beschäftigtenzahlen im Dentalhandwerk wieder leicht
erholt, und seit 1999 ist die Beschäftigung in den Praxislabors ebenso leicht
rückläufig. Von einer starken Verschiebung der Gewichte zugunsten der
Praxislabors als Folge des Umsatzeinbruchs von 1998, wie dies vom zentralen Innungsverband des Zahntechnikerhandwerks (VDZI) behauptet wurde,
kann aufgrund dieser statistischen Zahlen demnach nicht gesprochen werden.
Interessant sind Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland bei der
Entwicklung des Praxislaborwesens. Im Osten unterhält nur jeder zehnte
Zahnarzt ein eigenes Labor mit einer zahntechnischen Fachkraft, während
es im Westen 17 Prozent sind. Die Marktanteile der Praxislabors am
Gesamtumsatz für Zahnersatz sind ebenfalls unterschiedlich: Während der
Umsatzanteil im Westen rund 31 Prozent beträgt, liegt er im Osten bei nur
knapp 18 Prozent (s. Bild 11).
64
Umsatzanteile gewerbliche
Dentallabors versus
Praxislabors - West 2000 -
Umsatzanteile gewerbliche
Dentallabors versus
Praxislabors - Ost 2000 18%
31%
Dentallabors
Praxislabors
Dentallabors
Praxislabors
69%
82%
Umsatz West
8.740 Mio DM
Um satz Ost
1.290 Mio DM
Quelle: KZBV-Jahrbuch 2001; Material- u. Laborkosten
Prothetik und Kfo, 2000 einschl. Privatversicherte,
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel 2002
Quelle: KZBV-Jahrbuch 2001; Material- u. Laborkosten
Prothetik und Kfo, 2000 einschl. Privatversicherte,
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel 2002
Bild 11: Umsatzanteile
Spannungen zwischen den Berufsgruppen
Dass die Existenz der von Zahnärzten geführten Praxislabors neben den
gewerblichen Labors der Zahntechniker immer wieder Gegenstand von
Konflikten und gegenseitigen Vorwürfen ist, verweist auf offenbar tief
verankerte grundsätzliche Spannungen zwischen beiden Berufsgruppen.
Seit langem fühlen sich die Zahntechniker als Handwerker gegenüber den
Zahnärzten als Akademiker benachteiligt und oft „von oben herab behandelt“. Obwohl beide Berufsgruppen tagtäglich zusammenarbeiten, haben
sich hier alte Standesunterschiede bis heute erhalten. Die Gerichte beschäftigen sich bis heute mit der Abgrenzung zwischen den beiden Berufsgruppen: Dürfen Zahntechniker an den Patienten Abdrücke vornehmen und
den gefertigten Zahnersatz anschließend einsetzen? Die Zahnärzte halten
die Arbeit im Mund des Patienten für ihre geschützte Domäne. Dürfen
Zahnärzte eigene zahntechnische Labore ohne fachkundige Leitung durch
65
Zahntechnikermeister betreiben? Die Handwerksmeister halten dies für
ihren exklusiven Bereich. Zahntechnikerverbände fordern von Zeit zu Zeit
gar ein Verbot der zahnärztlichen Praxislabors.
Im Sommer 2001 ging der Zentralverband der Zahntechnikerinnungen VDZI
mit einer Meldung an die Öffentlichkeit, derzufolge sich der Umsatzanteil
der Praxislabors zwischen 1997 und 2000 deutlich vergrößert hatte (von
rund 28 auf rund 31 Prozent des Zahntechnik-Umsatzes). Gleichzeitig
hätten die handwerklichen Labore ihren Personalbestand im gleichen Zeitraum um fast 20.000 reduzieren müssen, um sich dem Auftragsrückgang der
Jahre 1998 und 1999 anzupassen. In den Praxislabors seien 1999 dagegen
rund 13 Prozent mehr Zahntechniker beschäftigt gewesen als zwei Jahre
zuvor. Die Kritik des Zahntechnikerverbandes lief auf die Behauptung
hinaus, die Zahnärzte hätten sich in der Umsatzkrise auf Kosten der
Zahntechniker saniert. Er forderte die Bundespolitik auf, „die
Vergewerblichung des freien Heilberufs Zahnarzt ordnungspolitisch zu thematisieren“ (vgl. Dental-Labor, Heft 7/2002).
Von Seiten der Zahntechniker wird kritisiert, viele Zahnärzte hätten in den
vergangenen Jahren angesichts reduzierter Verdienstmöglichkeiten im eigentlichen zahnmedizinischen Bereich begonnen, zunehmend auf Umsätze
im zahntechnischen Bereich zu setzen. Sie führen Fälle auf, in denen
Zahnärzte durch die Bildung von sog. Laborgemeinschaften, Arbeitsgemeinschaften zahnärztlicher Labore oder „Praxislaborvermietungsgesellschaften“
die Grenzen ihrer berufsständischen Bindung an den Heilberuf überschritten, um ins Zahntechnikgeschäft einzusteigen. Unter den Zahntechnikern
ist man offenbar davon überzeugt, dass die Praxislabore der Zahnärzte eine
Art „Schmutzkonkurrenz“ darstellen: Der Umsatz pro Zahntechniker in
Praxislabors könne nur deshalb um rund 15 bis 20 Prozent über dem
durchschnittlichen Umsatz eines Zahntechnikers in handwerklichen Laboren liegen, weil die Zahnärzte die profitableren Arbeiten im eigenen Labor
machen ließen, während sie weniger attraktive Aufträge nach außen
vergäben: „Der Zahnarzt sucht sich die Sahnestücke raus, für uns bleibt der
Ramsch!“
Weitere ungerechtfertigte finanzielle Vorteile zögen die Zahnärzte, da die
Praxislabors von der Gewerbesteuer befreit seien und nicht der Aufsicht
durch die Berufsgenossenschaft unterlägen, deren Sicherheitsauflagen für
manchen kleinen Handwerksbetrieb ein erheblicher Kostenfaktor seien.
Weit verbreitet unter Zahntechnikermeistern ist offenbar auch der Vorwurf,
die Qualität des in Praxislabors gefertigten Zahnersatzes sei generell niedriger als die der Handwerksbetriebe.
66
Der Vorsitzende des VDZI versucht dies mit strukturellen Vergleichen zu
belegen: „Wo ist das Bemühen um das größere Leistungsangebot für den
Patienten eher zu erwarten - in einem Praxislabor oder in einem im
Wettbewerb stehenden größeren, arbeitsteiligen gewerblichen Labor? Wo
ist die Standardisierung auf wenige zahntechnische Lösungen eher zu
erwarten? Wo ist der Leistungswettbewerb, der Austausch von neuem
Wissen und praktischen Erfahrungen höher - im Praxislabor, wo in der Regel
nur ein Techniker arbeitet, oder in einem größeren, arbeitsteiligen gewerblichen Labor?“ (vgl. Quintessenz Zahntechnik, Heft 11/2000).
Die Forderungen des VDZI laufen auf eine Änderung der zahnärztlichen
Berufsordnung hinaus. Die Bestimmungen für den Betrieb von Praxislaboren
sollen darin restriktiv gefasst werden: Ihr Aufgabenkatalog soll auf eilige
Reparaturen von Zahnersatz und auf Leistungen beschränkt werden, die die
zahnärztlich-prothetische Behandlung vorbereiten.
Die Zahnärzte reagieren auf diese Kritik gewissermaßen standesgemäß: In
einer Stellungnahme des Vorsitzenden der kassenzahnärztlichen Vereinigung KZBV heißt es z. B.: „Der Zahnarzt als Freiberufler hat natürlich das
Recht, für seine Patienten ein Praxislabor zu führen oder aber sich an einem
anderen Unternehmen zu beteiligen. Die Zahntechniker müssen akzeptieren, dass sie ein Zulieferberuf für den Zahnarzt sind. Es gibt für sie keine
anderen Möglichkeiten, als sich auf dem für sie seit jeher vorhandenen
Markt einzurichten und damit das Schicksal ihrer Auftraggeber - der
Zahnärzte - zu teilen.“ (vgl. zm-online, 17/2000). Die standespolitische
Position der Zahnärzteverbände gegenüber den Zahntechnikern setzt auf
eine klare Überordnung der Zahnmedizin gegenüber der Zahntechnik:
„Zahnärztliche und zahntechnische Tätigkeit sind von jeher ein Berufsbild.
Die Zahntechnik ist und bleibt fester Bestandteil der zahnärztlichen Ausbildung und Approbationsordnung“ (vgl. Maibach-Nagel, 2002).
Die Forderungen der Zahntechniker an die Politik wurden vom Vorstand der
Bundeszahnärztekammer als „Anmaßung“ zurückgewiesen. Es sei unglaublich, dass ein auftragnehmender Handwerksberuf sich zu Lasten
seines Auftraggebers über die Politik Zugriff auf dessen Berufsordnung
verschaffen wolle (vgl. ebd.).
Der aktuelle Streit um die Praxislabors verweist letztlich auch auf tieferliegende Spannungen zwischen beiden Berufsgruppen, die durch die Umsatzrückgänge der letzten Jahre aktualisiert und oftmals zugespitzt werden.
So klagen viele Zahntechnikermeister darüber, dass sie von den Zahnärzten
immer öfter ausgenutzt und - etwa durch die Forderung nach Skonto-
67
gewährung oder Bonusforderungen - unter Druck gesetzt würden. Angesichts schrumpfender Aufträge seien viele Inhaber kleiner Betriebe schließlich
bereit, „zu unmöglichen Preisnachlässen“ und anderen Sonderkonditionen
zugunsten der Zahnärzte zu arbeiten. Ein Zahntechnikermeister charakterisierte die Haltung mancher Zahnärzte bei den Vertragsgesprächen so:
„Sie erwarten ständig kleine Dienstleistungen oder Zugeständnisse. Was
gibt es unter dem Tisch? Kann ich an Deiner Tankstelle tanken? Wie ist es
mit einem Urlaub auf Mallorca? etc“. Ein anderer berichtet von einem Fall,
in dem ein Zahnarzt seine Vorbedingungen für einen Auftrag sogar schriftlich formuliert hatte. Dazu gehörten u. a. (1) Alle Leistungen für die Familie
des Zahnarztes umsonst, (2) Erbringung sozialer Leistungen, (3) Stellung
eines oralen Kamerasystems etc, etc.12
Nicht wenige der Zahntechnikermeister, mit denen wir sprachen, sehen auf
diesem Hintergrund die Zahnärzte nicht als gleichberechtigte Partner,
sondern eher als Gegner an. Die Zahnärzte beanspruchen aus ihrer Sicht die
Position des über dem Zulieferer stehenden Auftraggebers. Sie verhalten
sich gegenüber den Patienten als Alleinanbieter. Wenn der Patient Klagen
wegen seines neuen Zahnersatzes habe, dann müsse das Labor unentgeltlich nachbessern. Der Fehler könne aber auch in der Abformung oder in der
Anpassung durch den Zahnarzt passieren. Ein Risiko entstehe dem Zahnarzt
jedoch nicht.
„Es gibt Zahnärzte, die jede Form guter kaufmännischer Gepflogenheiten in
der Zusammenarbeit mit dem gewerblichen Labor vermissen lassen und jede
zusätzliche Einkommensmark nehmen. Es gibt gewerbliche Zahntechniker,
denen das Wasser so bis zum Halse steht, dass sie jede Ausverkaufsmentalität an den Tag legen, um das nächste Schuldengespräch zu überstehen“, so charakterisiert VDZI-Chef Winkler die Zwangslage, in der sich
mittlerweile offenbar viele Zahntechnikermeister befinden (vgl. Quintessenz Zahntechnik, Heft 11/2000, S. 1148).
12
Wir zitieren derartige zugespitzte Schilderungen aus unseren Interviews mit Inhabern
aus Zahnlabors, um etwas von der Atmosphäre wiederzugeben, die offenbar mitunter
im Verhältnis zwischen Zahntechnikern und Zahnärzten herrscht. Dabei kann es aus
methodischen Gründen nicht um eine objektive Darstellung des Verhältnisses zwischen
Zahnmedizinern und Zahnhandwerkern gehen.
68
Herbert Stolle, Vorsitzender einer mit dem VDZI konkurrierenden Berufsorganisation der Zahntechniker, sieht Teile der Branche auf einem verhängnisvollen Weg in die Schattenwirtschaft: „Natürlich wissen wir(...), dass die
Auswüchse (Korruption, verbotene Rabatte, Nötigung, Abrechnungsbetrug)
in letzter Zeit rapide zugenommen haben. Die tiefere Ursache dieser
Fehlentwicklung liegt jedoch in den falschen politischen Rahmenbedingungen.“ Diese werden u. a. als ungerecht, leistungsfeindlich und
erdrückend reglementierend empfunden. Das Verhalten der Betroffenen
wird als Notwehr betrachtet, ihr Unrechtsbewusstsein relativiert sich
angesichts staatlicher Willkür (vgl. Stolle, 2002).
Während die eine Position die Hauptschuld für die derzeitige Misere bei den
Zahnärzten gesichtet hat, prangert die andere pauschal „staatliche Willkür“
als Grund für das aktuelle Übel an. Wir sehen eine Momentaufnahme einer
in die Krise geratenen Branche, die nun etwas orientierungslos nach Schuldigen und Lösungen sucht. Dabei suchen ihre Verbandsvertreter offenbar
überwiegend nach Gründen außerhalb der Branche und ihren Betrieben.
5.3
Netzwerke und überbetriebliche
Kooperation
„Gemeinsam sind wir stark!“ - Unter diesem ursprünglich aus dem gewerkschaftlichen Bereich stammenden Motto versuchen immer mehr Dentallabors ihre spezifischen Entwicklungsprobleme, die sich u. a. aus den
begrenzten Ressourcen kleiner Betriebe, ihrer schwachen und isolierten
Marktstellung ergeben, im Verbund mit anderen zahntechnischen Handwerksbetrieben zu lösen. Der Schritt zur „Organisation“ hat in aller Regel
zunächst hauptsächlich wirtschaftliche Motive. Man will über gemeinsames
Einkaufen, gemeinsames Marketing und Synergien in der Nutzung von
Maschinen Vorteile erzielen, die kleinen Einzelgängern verschlossen bleiben. In einer zweiten Stufe kommt das Element der tatsächlichen Kooperation, des Erfahrungsaustausches und des gemeinsamen Lernens und
Entwickelns mit Berufskollegen hinzu. Wenn dies glückt, kann die organisatorische und soziale Isolation als eines der größten Entwicklungshemmnisse
kleiner Handwerksbetriebe überwunden werden. Nicht selten wird diese
Form der Selbstorganisation in überschaubaren Betriebsverbünden von den
beteiligten Betriebsinhabern mittlerweile als Alternative zur traditionellen
Innungsorganisation aufgefasst.
69
Im Laufe unserer Recherchen sind wir auf rund 20 solcher Verbundorganisationen in der Zahntechnikbranche gestoßen. Wie unterschiedlich
die Philosophien, die Dienstleistungen und die Kooperationstiefe dieser
Verbünde sind, soll anhand der Darstellung fünf ausgewählter exemplarischer Fälle verdeutlicht werden.
Von der Einkaufsgemeinschaft zur strategischen
Partnerschaft
Das Netzwerk „CompeDent“ entstand 1997 als „Marketinggemeinschaft
Zahntechnik“ mit zunächst 16 Dentallabors. Ziel war es ursprünglich,
gegenüber der Dentalindustrie eine starke Einkaufsgemeinschaft zu bilden.
Durch die Abnahme größerer Mengen an Edelmetallen und anderen Rohstoffen sowie Legierungen etc. für die Produktion konnte man so gegenüber
Herstellern und Handel günstigere Preise und Lieferkonditionen herausholen. Ein weiteres Aktivitätsfeld sollte von Anfang an die gemeinsame
Entwicklung von Marketingstrategien für Praxis und Labor bilden.
Initiator und Gründungsmitglied der Initiative war das Amberger Dentallabor
Scharl, das mittlerweile in großbetriebliche Dimensionen hineingewachsen
ist. In der Selbstdarstellung dieser Firma wird die CompeDent-Gruppe als
eine der bedeutendsten Gruppierungen auf dem deutschen Dentalmarkt
bezeichnet.
Bereits nach zwei Jahren wurde aus der Einkaufsgemeinschaft ein Firmenverbund mit deutlich erweiterten Zielen und Aktivitäten. Aus der Marketinggemeinschaft wurde die CompeDent-Gruppe. Im Jahre 2000 gehörten ihr
rund 40 eigenständige inhabergeführte Dentallabors mittlerer Größenordnung mit insgesamt rund 1.200 Beschäftigten an. Die Gruppe repräsentierte
in diesem Jahr einen Gruppenumsatz von ca. 120 Mio. DM (62.000 Euro). In
dieser Formation soll es gelingen, im anstehenden Verdrängungswettbewerb
innerhalb der Branche, der zu Marktbereinigungen führen wird, zu bestehen. Durch den gezielten Zusammenschluss mittelgroßer Betriebe soll versucht werden, den sog. „Verlust der Mitte“ zu vermeiden, der im Zusammenhang mit dem allgemeinen Strukturumbruch der Branche prognostiziert
wird.
Die Partnerbetriebe der Gruppe sind auf das ganze Bundesgebiet verteilt.
Die Standorte der Betriebe liegen in der Regel räumlich so weit voneinander
entfernt, dass sich die regionalen Märkte der einzelnen Mitglieder nicht
70
überschneiden (Gebietsschutz). Bei der Entscheidung über die Aufnahme
neuer Mitgliedsbetriebe haben die bestehenden Mitglieder ein Vetorecht.
Durch diese Vorkehrungen soll direkte Konkurrenz zwischen den Mitgliedern vermieden werden. Aufgenommen werden nur Betriebe mit 20 und
mehr Beschäftigten. Durchschnittlich beträgt die Betriebsgröße der Mitgliedslabore heute 30 Beschäftigte. Es handelt sich also durchaus um Betriebe
gewissermaßen am oberen Rande des Mittelfeldes in der Branche. Betrieblichen Kleinexistenzen steht dieses Netzwerk demnach nicht offen. Darüber
hinaus müssen die Bewerberbetriebe gewisse Merkmale aufweisen. Sie
sollen innovativ und qualitätsorientiert arbeiten.
Die CompeDent-Gruppe hat die Rechtsform einer GmbH & Co KG, wobei
ausschließlich die Partnerlabore Kommanditisten werden können. Als besondere Eigenschaft der Gruppe wird die Eigenständigkeit jedes einzelnen
Mitgliedsbetriebs betont: Die „Einzigartigkeit jedes Partnerlabors“ soll gestärkt werden. Die Unternehmensführung bleibt uneingeschränkt in der
Hand ihrer mittelständischen Inhaber. Dieses Strukturmodell eines überbetrieblichen Verbundes kann also in gewisser Weise als Gegenentwurf zum
Übernahmemodell von Flemming-Dental angesehen werden, wo nach der
Übernahme die ehemaligen Firmeneigner zu weisungsgebundenen Geschäftsführern wurden.
In der Selbstdarstellung wird ein umfangreicher Katalog betriebsübergreifender Projekte und Dienstleistungen für die Mitgliedsbetriebe genannt
(vgl. www.compedent. de):
• Einführung eines einheitlichen Qualitätsmanagementsystems mit gemeinsamer Zertifizierung
• Einrichtung eines Informations- und Ideenpools
• gemeinsamer Einkauf
• gemeinsames Marketingkonzept
• einheitliche und exklusive Dental-Software als Plattform aller gemeinschaftlicher Aktivitäten
• Aufbau, Pflege und Weiterentwicklung einer gemeinsamen
Internetplattform der Gruppe
• Mitarbeiterschulung im Rahmen eine eigenen „CompeDent-Lern-Werkstatt“
• Laborübergreifendes Angebot an Seminaren, Weiterbildung und Wissensaustausch
71
• Betriebsvergleich als Basis für die betriebswirtschaftliche Optimierung
der Partnerlabore.
Der Inhaber eines der Labore, die Mitglied bei CompeDent sind, hob uns
gegenüber an erster Stelle die wirtschaftliche Macht der Gruppe beim
Einkauf von Materialien und Geräten hervor: „Die Gruppe wird von der
Herstellern sehr umworben. Immerhin haben wir zusammen einen Umsatz
in dreistelliger Millionenhöhe!“
Darüber hinaus sieht er Synergieeffekt in der Zusammenarbeit: Es besteht
die Möglichkeit zum Leistungsaustausch. Die Mitgliedsbetriebe können z. B.
einzelne Aufträge an Partnerbetriebe weitergeben, wenn dort die technischen Voraussetzungen für deren Fertigung besser sind. Dies kommt z. B. bei
ausgefallenen Fertigungstechniken oder, wenn es um die Verarbeitung von
Rohstoffen geht, die im eigenen Betrieb nicht verarbeitet werden können,
in Frage.
Mittlerweile habe man für die Netzmitglieder ein überbetrieblich organisiertes Weiterbildungswesen entwickelt. Hier können sich die Netzmitglieder
auch über aktuelle technische Entwicklungen informieren und austauschen.
Schließlich habe C. ein gemeinsames Marketingkonzept zur Produktpräsentation gegenüber den Zahnärzten erarbeitet, das allen Mitgliedsfirmen zur Verfügung stehe.
Auch hinsichtlich der Nutzung von CAD/CAM-Technologien wird ein Austausch innerhalb des Netzwerkes praktiziert: Mitgliedslabors können z. B.
Fräsaufträge an andere Mitgliedsfirmen vergeben, die mit entsprechender
Technik ausgestattet sind. Das Modell geht an ein mit der Technik ausgestattetes Partnerlabor zur Bearbeitung. Das Halbfabrikat kommt dann
zurück und wird anschließend in der eigenen Firma von Fachkräften weiterverarbeitet. Dies habe sich etwa bei der Anfertigung von kleinen Brücken als
erfolgreich erwiesen.
Zukunftsentwicklung im Mittelständler-Netzwerk
Ebenfalls mittelgroße Meisterbetriebe durch den Strukturumbruch der Branche zu leiten hat sich die Unternehmensgruppe „VISIONDental“ vorgenommen. Das Konzept dieser Gruppe selbständiger Dentallabors soll zur Verbesserung des Marktanteils sowie zu einer Stärkung der Marktposition der
Mitgliedsbetriebe führen (vgl. www.visiondental.de).
72
Gegründet von der Firma „Vareler Dentaltechnik“ zählt diese Gruppe
mittlerweile elf Partnerbetriebe, davon fünf im Oldenburger, fünf im Leipziger
Raum. In Berlin und Hamburg werden derzeit weitere Mitgliedschaften
vorbereitet. Der Schwerpunkt dieses Netzwerkes soll auch künftig in
Norddeutschland liegen. Bei der weiteren Rekrutierung wird eine Obergrenze von etwa 50 Mitgliedsbetrieben angepeilt. Da die Initiative von einem
nicht innungsgebundenen Betrieb ausging, gehört die große Mehrheit der
Mitgliedsbetriebe zu den verbandslosen Betrieben. Mittlerweile sind jedoch
auch einige Innungsbetriebe hinzugekommen. Die Gruppe verfügt über ein
eigenes Büro in Oldenburg mit Personal und einem Geschäftsführer.
Das Angebot der Gruppe gegenüber ihren Mitgliedsbetrieben liest sich wie
ein Katalog all der Dienstleistungen, die für die betriebliche Entwicklung
grundnotwendig, in kleinen Handwerksbetrieben mit eigenen Ressourcen
aber in der Regel nicht zu leisten sind:
• gemeinsamer Einkauf von Dental- und Büromaterialien
• Nutzung gemeinsamer Lohnbüro- und Steuerberaterdienstleitungen
• gemeinsames Qualitätsmanagement, Hilfe bei Zertifizierungen
• gemeinsames Marketingkonzept
• Hilfe bei der Vermittlung von Beratung und Weiterbildung etc.
Neben den Mitgliedsbetrieben gehört eine Gruppe sog. „Leistungspartner“
zu diesem Netzwerk. Dabei handelt es sich um Lieferanten, Dentalhändler,
Fortbildungs- und Forschungseinrichtungen, Marketingfirmen und Unternehmensberater. Zu dieser Gruppe, deren Dienstleistungen den eingeschriebenen Dentallabors zur Verfügung stehen, gehören bisher zwölf
Adressen. Zur Bearbeitung betriebsübergreifender Projekte wurden Arbeitsgruppen eingerichtet.
Zu den Zukunftsprojekten von VISIONDental gehört die Einrichtung eines
gemeinsamen Fräszentrums. Ausgestattet mit 20 Fräsmaschinen und vier
Zahntechnikern sollen dort für die Mitglieder der Gruppe Halbfertigprodukte
gefertigt werden, die dann anschließend in den einzelnen Labors weiterverarbeitet und ästhetisch vollendet werden. Das Modell einer zentralen
CAM-Fertigung für Mitgliedsbetriebe in Deutschland soll alle deutschen
Qualitätsmaßstäbe erfüllen, gleichzeitig aber Kosteneinsparungen ermöglichen. Es ist nicht zuletzt auch als ein Gegenmodell zur Vergabe von
Aufträgen in ausländische Labors konzipiert.
73
Qualifizierung und wirtschaftliche Förderung in der
Gruppe
Eine stärker auf Qualifizierung ausgerichtete Strategie verfolgt die „Vereinigung Umfassender Zahnersatz (VUZ)“. Mit inzwischen 210 zahntechnischen
Labors als Mitgliedsbetrieben, in denen rund 3.500 Beschäftigte arbeiten,
bietet der „Qualitätsverbund“ ein systematisches Rundumangebot zur
Stärkung der Entwicklungsfähigkeit mittelständischer Betriebe, angesichts
von Konzentrationsprozess und Verdrängungswettbewerb. In einer eigenen
„Akademie Umfassende Zahntechnik (AUZ)“ wird ein vier Semester umfassender Studiengang zur Weiterbildung in den Bereichen Zahntechnik, Schnittstelle Zahnmedizin und Zahntechnik, sowie Betriebswirtschaft und Marketing angeboten. Die Absolventen des Studiengangs erhalten ein Gütesiegel,
mit dem sie ihre Betriebe gegenüber Zahnärzten und Krankenkassen als
Qualitätsbetriebe ausweisen können.
Darüber hinaus bietet die VUZ auch eine Einkaufs- und Marketing-Genossenschaft. Vollmitglieder der Genossenschaft zahlen etwa 1.300 Euro
Einlage und erwerben damit Geschäftsanteile. Bestandteil der Struktur ist
die enge Verknüpfung von Verein, Genossenschaft und Akademie. Für die
Vollmitgliedschaft in der Einkaufsgenossenschaft wird eine Mitgliedschaft
im Verein vorausgesetzt. Der wiederum erfordert das Absolvieren des
Qualifizierungsstudienganges an der Akademie. Die Kosten pro Semester
betragen rund 1.700 Euro. Nach fünfjähriger Tätigkeit kam der VUZ im Jahre
2000 auf einen Umsatz von rund 23 Mio. Euro (vgl. „Wo der Schuh drückt“,
in: zm-online, 11/2001).
Systemanwendung im Betriebsverbund
Eine andere Orientierung verfolgt die „bellaDent“-Gruppe. Hier steht weniger die Einkaufsgemeinschaft und die allgemeine Hilfe bei der Zukunftssicherung mittelständischer Labors im Vordergrund. Es handelt sich um einen
Betriebsverbund, der sich die Markteinführung und Verbreitung einer speziellen Technologie zum Ziel gesetzt hat. Das „Belladent-System“ umfasst
eine CAD/CAM-Gerätekonfiguration, mit der vollkeramischer, metallfreier
Zahnersatz gefertigt wird. Der verarbeitete Werkstoff ist „In-Ceram-Kera-
74
mik“, die schon seit zehn Jahren auf dem Markt ist, nun aber systematisch
im Zusammenhang mit CAM-Frästechnik verarbeitet wird.13
Die Gruppe wurde 1999 u. a. auf Initiative des Geschäftsführers und
Teilhabers des Dentallabors Mesch im niedersächsischen Bad Bevensen aus
der Taufe gehoben. Die wesentlichen Ziele der Initiative waren die Verbreitung des technischen „belladent-Systems“, verbunden mit der Entwicklung
eines entsprechenden Marketing- und Kommunikationskonzepts. Der Kern
des Verbundes besteht heute aus fünf eigenständigen mittelständischen
Laboren, verteilt auf die Bundesrepublik. Diese Labors beschäftigen zusammen rund 150 Zahntechniker. Sie gehören demnach zu den größeren in der
Mittelgruppe der Branche. Dabei handelt es sich nicht um „Newcomer“. Sie
stellen eher eine Auswahl erfahrener Firmen mit guter Marktposition dar.
Keiner der Meisterbetrieb ist jünger als 15 Jahre.
Den beteiligten Labors wird die CAD/CAM-Technik ohne eigene Investitionskosten zur Verfügung gestellt. Ein Gebietsschutz soll interne Konkurrenz im
Verbund verhindern. Bei der Anwendung des Belladent-Systems unterstützen sich die fünf Labors gegenseitig bei technischen Verbesserungen,
internen Schulungen, und erreichen durch einen gruppeninternen Austausch von Aufträgen eine höhere Kapazitätsauslastung ihrer technischen
Anlagen. In den fünf Labors stehen zehn Frässtationen zur Verfügung.
Mittlerweile weitet sich die Gruppe aus. Bis 2002 hatte man insgesamt 14
weitere Lizenzlabore hinzugewonnen. Die Leistungspalette, die den interessierten Labors geboten wird, erinnert an Strukturen des Franchise-Systems.
Nach Belladent-Angaben können neue Mitglieder u. a. folgenden Nutzen
erwarten (vgl.www.belladent.de):
• ein komplettes, sofort einsetzbares technisches System
• keine oder nur geringe eigene Investitionskosten
• Gebietsschutz
• Exklusivrecht auf Vertrieb
13
Mittels Laser wird der präparierte Zahnstumpf abgetastet. Die erfassten Daten werden
an eine computergesteuerte Fräsmaschine übermittelt. In einem patentierten
Tauchverfahren wird die Keramikmasse auf den Modellstumpf aufgetragen. Aus dem so
entstandenen Keramikrohling wird anhand der lasererfassten Daten ein
Keramikkäppchen gefräst.
75
• günstige Konditionen beim Materialeinkauf (In-Ceram)
• Marketingunterstützung
• Überregionale Präsenz in Fachmedien.
In den Partnerbetrieben von Belladent werden ausschließlich Keramikrohstoffe einer einzigen Firma (VITA In-Ceram) verwendet. Die Initiatoren
der Gruppe legen aber großen Wert auf ihre Eigenständigkeit. Das eigene
„System“, das man verbreiten will, besteht aus der spezifischen Kombination von Keramikeinsatz und CAD/CAM-Technik zur Herstellung anspruchsvoller, biokompatibler Zahnersatzprodukte. Dabei werden Hersteller und
Industrie als Partner gesehen, mit denen allerdings ein „Knowhow-Austausch und Wissenstransfer nach beiden Seiten offen sein“ sollte (vgl.
Quintessenz Zahntechnik, Heft 28/2002).
Der Keramikhersteller VITA In-Ceram unterhält seit 2001 ein eigenes Netzwerk von Dentallabors, die In-Ceram-Produkte verarbeiten. Innerhalb dieser
Gruppe der sog. „In-Ceram Professionals“ werden in zahlreichen Arbeitskreisen Zahntechniker im Umgang mit Material und Verfahren weitergebildet. Auch betriebswirtschaftliche Hilfen, Abrechnungsfragen und Probleme
in der Zusammenarbeit mit Zahnärzten und die Patienteninformation stehen
auf dem Programm dieser Marketingstrategie (vgl. www.in-ceram.de).
Zwischen der industrieinitiierten Gruppe der „Professionals“ und dem mittelständischen Belladent-Verbund besteht offenbar keine formelle Verbindung.
76
6
Berufliche Aus- und Weiterbildung
In diesem Abschnitt wird auf das System der beruflichen Aus- und Weiterbildung im Zahntechnikerhandwerk eingegangen. Im Sinne der Zielsetzungen dieser Studie kann und soll hier nicht die Darstellung des beruflichen
Bildungssystems dieser Handwerksbranche in seiner ganzen Differenziertheit
und Komplexität vorgenommen werden. Vielmehr soll anhand der Erkenntnisse aus den Experteninterviews und der Dokumentenanalyse Hinweisen
nachgegangen werden, wo sich Umbrüche und Wandlungsprozesse vollziehen, die neue Anforderungen an die Qualifikationsstruktur richten. Im
Mittelpunkt stehen dabei die Betrachtung des Strukturwandels in technologischer und unternehmensorganisatorischer Hinsicht, sowie Zusammenhänge, die sich aus der Krisenphase der Branche durch die gesundheitspolitische Steuerung ergeben.
6.1
Berufliche Ausbildung
Neue Ausbildungsordnung
Seit 1998 gilt für den Zahntechniker-Beruf eine neue Ausbildungsordnung.
Für alle, die ihre Ausbildung ab dem 1. August 1998 begonnen haben, sind
die Inhalte dieser Ausbildungsordnung verbindlich. Die vorgehende fußt auf
einer unverbindlichen Innungsempfehlung aus dem Jahr 1964, deren Überarbeitung und Neufassung war notwendig geworden, weil sie im Sinne der
Ausbildungsanforderungen nicht mehr zeitgemäß erschien.
Nach den ersten 18 Monaten der Ausbildung wird eine Zwischenprüfung
abgenommen, sie besteht aus einem praktischen und einem schriftlichen
Teil. Am Ende der 3½-jährigen Ausbildung steht die Gesellenprüfung. In ihr
müssen drei Prüfungsstücke angefertigt, eine Arbeitsprobe erstellt und ein
schriftlicher Teil absolviert werden. Auf Antrag kann der schriftliche Teil
durch eine mündliche Prüfung Ergänzung finden. Die Prüflinge müssen den
Nachweis erbringen, dass sie Arbeitsabläufe selbständig planen, durchführen und die Arbeitsergebnisse selbständig kontrollieren können.
Bereits bei der Vorbereitung zur Ausbildungsordnung 1998 war der Zusammenhang zwischen Ausbildung und dem Einsatz neuer Technologien ein
zusätzliches Thema der Neufassung. Sicher waren zu diesem Zeitpunkt
77
noch nicht alle technologischen Innovationen von heute absehbar. Das hat
man aber dadurch aufgefangen, dass die Technologien in der Ausbildungsordnung nicht konkret beschrieben wurden.
Von Vertretern des VDZI wird eingeräumt, dass die Ausbildung nach der
neuen Ausbildungsordnung als betriebliche Ausbildung noch nicht in vollem
Umfang tauglich sei - nur 70 bis 80 Prozent werde durch diese abgedeckt,
ansonsten handele es sich um überbetriebliche Ausbildung. Man hat es hier
noch mit einer Umbruchssituation zu tun, Anfangsschwierigkeiten sind, so
die Verbandsvertreter, noch zu überwinden. Hinsichtlich der prüfungsrelevanten Unterlagen wird die Ausbildungsordnung inzwischen besser
angenommen als gedacht. Seitens der Gewerkschaft und von Betriebsräten
wird darauf hingewiesen, dass ausschließlich nach der Ausbildungsordnung
auszubilden sei, ausgebildet würde jedoch oft nach der Prüfungsordnung.
Da die Erfahrungen mit der neuen Prüfungsverordnung zur Zeit noch nicht
allzu umfangreich sind, bleibt abzuwarten, wie ihre Bewertung ausfällt. In
der Zeitschrift „Dentallabor“ wird von der Auswertung der Prüfungsverfahren berichtet, die von Prüfungskommissionen vorgenommen werden.
Im Mittelpunkt stehen dabei die „sehr aufwändige Beurteilungsarbeit“ und
der Kompromiss zwischen den durch die Prüfungsordnung vorgegebenen
Vorstellungen von einer sogenannten handlungsorientierten Prüfung und
dem was realisierbar ist. Offen bleibt demnach auch noch die Antwort auf
die Frage, „ob die neue Prüfung den Anforderungen des Handwerks und der
Prüflinge besser gerecht wird als die alte“ (dental-labor, 8/2001, S. 1277).
Praxiserfahrungen aus dem Ausbildungssystem
Insbesondere aus dem Kreis von Berufsschullehrern, Zahntechnikergesellen
und Betriebsratsmitgliedern wird Kritik an der herrschenden Ausbildungspraxis laut. Die betriebliche Ausbildung scheint hierbei in etlichen Fällen der
Schwachpunkt zu sein. Die Hauptanforderungen des Ausbildungsziels „Planen - Durchführen - Kontrollieren“ werden deshalb mitunter nicht erreicht,
„weil die praktische Ausbildung in den Betrieben schlecht läuft“. Berufsschullehrer belegen dies damit, dass sie selbst oft Fragen von den Schülern
zur Lösung betrieblicher Probleme gestellt bekommen, oder sonstige Fragen
aus der Praxisanwendung, die eigentlich durch die betriebliche Ausbildung
abgedeckt sein müssten. In einigen Betrieben, so berichten die Schüler in der
Berufsschule, würden sie kräftig in die Erbringung von Überstunden einbezogen - von bis zu 50 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit ist die Rede.
78
Von Gesellen, darunter auch Betriebsratsmitglieder, erfuhren wir, dass in
einigen Dentallaboren nach ihrer Erfahrung die Ausbildung unbefriedigend
gehandhabt wird, in anderen wiederum besser. Oft handelt es sich im
Grunde genommen um gar keine echte Ausbildung, die Auszubildenden
würden in die Arbeit in vollem Umfang eingespannt und letztlich ausgenutzt.
Über die Tätigkeit im Gesellenprüfungsausschuss versuchen sie selbst,
Einfluss auf die Ausbildungsqualität zu nehmen. „Die Gesellen dringen
darauf, dass breit gefächert ausgebildet wird“. Eine der Anforderungen ist
zum Beispiel, dass im Rahmen der Ausbildung eine Fehleranalyse gemacht
wird.
Aus der Sicht von Laborinhabern, aber auch von Gesellen und Betriebsräten
wird in der Berufsschulausbildung grundsätzlich eine hohe Qualität erbracht.
Kritik bezieht sich auf der Inhaberseite an der Einführung des zweiten
Berufsschultages - darunter habe die Ausbildungsqualität eher gelitten.
Kritik wird auch an einzelnen Lehrern geübt, dies kann jedoch schlecht
verallgemeinert werden, da sie sich auf konkrete Fälle und Erfahrungen im
Dreiecksverhältnis Labor - Auszubildende(r) - Lehrer beziehen. Die Zahl der
Lehrkräfte, zumindest an bestimmten Schulen, hat nach Beobachtung von
Laborinhabern zugenommen, bei gleichzeitigem Rückgang der Auszubildenden-Zahlen. Hier wird ein zunehmendes Missverhältnis kritisiert, etwa in
dem Sinne, dass auf der einen Seite des dualen Ausbildungssystems die
Kapazitäten ausgeweitet werden, während die andere mit erheblichen
(wirtschaftlichen) Problemen behaftet ist.
Die Berufsschulausbildung verfügt durchaus über Möglichkeiten der Weiterentwicklung. So wird zum Beispiel verschiedentlich angestrebt, die Ausbildung zu Zahnarzthelfern mit der Ausbildung von Zahntechnikern zusammenzulegen. Erfahrungen dazu sollen bereits vorhanden sein. Hier könnte
ein Synergiegewinn erzielt werden, davon abgesehen, dass dies auch einen
Beitrag zur Angleichung der Wissensgrundlage zwischen Zahnarztpraxis
und Dentallabor bedeuten würde.
„Exodus“ der zukünftigen Fachkräfte?
Der extremen Nachfragesteigerung bei Zahnersatz in den siebziger Jahren
konnte die Branche wegen viel zu geringer Herstellungskapazitäten nicht
beikommen. Die damalige Fachkräfte-Knappheit konnte nur mit erheblichen Lohnsteigerungen bewältigt werden, aber auch durch erhebliche
Ausbildungsinvestitionen, die damals zu einer Ausbildungsquote von fast 25
79
Prozent der Beschäftigten führte (vgl. Winkler, o. J.). In der Folgezeit kam es
zu weiteren Anpassungswellen in der Ausbildung. Seit Mitte der 90er Jahre
geht die Zahl der Auszubildenden im Zahntechnikerhandwerk zurück. Dies
folgt einerseits dem langfristigen Trend des Rückgangs an Beschäftigten,
scheint aber dem gegenüber ein überproportionales Ausmaß zu besitzen.
Aus Bild 12 ist zu ersehen, dass die Zahl der Auszubildenden Mitte der
neunziger Jahre mit knapp 15.000 einen Höhepunkt erreicht hatte, während
sie bereits fünf Jahre später mit knapp 9.000 auf 61 Prozent dieses Höchstwertes zurückgegangen war.
Zahl der Auszubildenden in zahntechnischen
Handwerksbetrieben 1991 - 2000 Bundesgebiet
18000
16000
13903
14000
12000
10000
14558
13622
9982
9705
8846
8000
6000
4000
2000
0
1991
1993
1995
1997
1999
2000
Quelle: BIBB-Datenblatt 3031 Zahntechniker/in
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel, 2002
Bild 12:
Zahl der Auszubildenden
Die Branche hat Mitte der 90er Jahre über mehrere Jahre hinweg hohe
Anstrengungen in die Ausbildung qualifizierter Facharbeiter investiert. In
Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs (ab 1998) verschlechtern sich die
Einkommensperspektiven des qualifizierten Personals. Die Folge sind Ab-
80
wanderungen in andere Branchen, aber auch der Versuch der Hochqualifizierten, ihre Chance in der Selbständigkeit zu suchen (vgl. Winkler, W., o. J.).
Aufgrund des nachlassenden Bedarfs an qualifiziertem Nachwuchs werden
die Ausbildungszahlen in einer solchen Situation zurückgefahren.
Bestätigt wird diese Tendenz durch die Ergebnisse der Experteninterviews.
Übereinstimmend wird aus betrieblicher Sicht berichtet, dass es zur Zeit sehr
schwer sei, Auszubildende zu bekommen. Noch gravierender sind die
Berichte über den „Exodus“ aus der Branche, sei es nach vollendeter
Ausbildung, oder auch noch während der Ausbildung, dann vor allem ab dem
dritten Lehrjahr. Ein aktuelles Beispiel aus dem Jahr 2002: In einer Berufsschulklasse im dritten Lehrjahr sind von ursprünglich 27 Auszubildenden nur
noch 17 übrig geblieben. Von denen, die die Ausbildung und damit den einst
angestrebten Beruf verlassen haben, wollen drei bis vier Zahnmedizin
studieren, der Rest wechselt den Ausbildungsberuf oder hat andere Pläne.
Zur Erklärung wird genannt, dass sich die Branchensituation hinsichtlich der
beruflichen Perspektiven, die Auszubildende heute sehen, negativ auswirkt
- dazu gehört auch die Erwartung eines für das Handwerk vergleichsweise
geringen Einkommens. Ein Innungsobermeister berichtet, dass sich die Zahl
der Auszubildenden innerhalb von zwei bis drei Jahren nahezu halbiert habe.
Was den Ausbildungsabbruch angeht, findet sich eine weitere Bestätigung
in der Statistik, und zwar über den Anteil von Ausbildungsvertragslösungen:
Während dieser in den Vorjahren zwischen 26 und 30 Prozent schwankte,
erreichte er 1999 den Spitzenwert von 46 Prozent, sank dann - in 2000 - auf
32 Prozent ab, verblieb damit aber noch auf hohem Niveau (Quelle: Statistisches Bundesamt, BIBB-Datenblatt 3031 Zahntechniker/in).
Auch aus dem Berufsschulbereich werden die genannten Tendenzen bestätigt. Viele Absolventen der Ausbildung verlassen im Anschluss das Zahntechniker-Handwerk. Das Hauptmotiv sei, dass man nach beendeter Ausbildung
recht schnell feststelle, was man als Zahntechniker verdienen könne. Einige
versuchen, relativ schnell den Meisterlehrgang zu machen, weil das als
einzige Möglichkeit gesehen wird, in diesem Handwerk heute einen
einigermaßen zufriedenstellenden Verdienst zu erzielen. Inwieweit dies auf
kurze oder mittlere Sicht von Erfolg gekrönt ist, steht dahin - heißt es doch
gleichzeitig, dass Meister nach ihrer Ausbildung nicht selten als Geselle im
Labor weiterbeschäftigt und -bezahlt werden. Ein Laborinhaber berichtete,
dass bei denen, die nach absolvierter Lehre die Zahntechnik verlassen, der
zu erwartende soziale Status eine gewichtige Rolle spielt. Man arbeitet nicht
so gern im Handwerk, wenn man aufgrund der Schulbildung (vor allem im
Fall des Abiturs) noch andere Alternativen hat und die Branche wechseln
kann.
81
Ein Betriebsratsmitglied berichtet, dass der Exodus aus Branche und Beruf
auch Auswirkungen in den Dentallabors hat, indem die Qualität der Ausbildung generell nachlasse. Viele Kunden würden mittlerweile sagen: „Lasst
bitte keine Lehrlinge an die Arbeit ran!“. Ein Betriebsratsmitglied aus einem
anderen Betrieb bestätigte diese Tendenz: Das Interesse am Ausbildungsberuf gehe zurück - „Realschüler kriegen wir schon kaum mehr“. Dadurch
sinke auch automatisch das Qualitätsniveau der Ausbildung. Ausgebildet
werde zwar nach wie vor, aber unter anderen Bedingungen. Früher sei ein
Ausbildungsplan erstellt worden, der Betrieb habe sich um die Ausbildung
wirklich gekümmert. Heute würden die Auszubildenden als billige Arbeitskräfte gelten, sie selbst versuchten auf individuell unterschiedliche Weise,
irgendwie durch die Prüfung zu kommen. Bis etwa 1998 sei im betreffenden
Betrieb noch jeder Lehrling übernommen worden, heute sei das nicht mehr
der Fall.
Bild 13 zeigt hier ein Dilemma auf. Was auf der einen Seite positiv für das
Zahntechniker-Handwerk zählt, dass die schulische Vorbildung der Auszubildenden nämlich deutlich höher ist als im übrigen Handwerk, mag sich auf
der anderen Seite als Nachteil erweisen: Sie verhilft den Auszubildenden zu
größerer beruflicher Flexibilität und ermöglicht den Fortgang aus der Branche. Positiv für die Branche ist dies wiederum nicht. Wie uns ein Gesprächspartner sagte: „Es gehen die Guten, die Cleveren!“.
Festzuhalten ist, dass das Image der Branche, das Außen- wie das Binnenimage, geprägt durch den wirtschaftlichen Abschwung, auch auf den
Ausbildungsmarkt und damit, zeitversetzt, auch auf die Facharbeiterstruktur
der Zukunft durchschlägt. Egbert Maibach-Nagel, Chefredakteur der
Zahnmedizinischen Mitteilungen, spricht von Perspektivlosigkeit in der Branche und urteilt: „Was den beruflichen Nachwuchs angeht, so ist das
Vertrauen der Jugend in die Zukunft dieser Berufssparte eher verhalten.“ Er
zitiert die Auffassung des VDZI, der zu Folge eine dramatische Entwicklung
in der Beurteilung der Einkommenschancen im Zahntechnikerhandwerk
durch die Jugend festzustellen ist (www.zm-online.de, 11/2001). Diese
Wirkung wird noch verstärkt durch die nachlassende Bereitschaft und / oder
das Vermögen der Dentallabore, Ausbildungsplätze anzubieten.
Bild 14 zeigt die (sinkende) Entwicklung der Zahl der Ausbildungsstätten in
der zweiten Hälfte der neunziger Jahre. Innerhalb von vier Jahren stellten 13
Prozent weniger Betriebe Ausbildungsplätze im Zahntechniker-Handwerk
zur Verfügung. Zur Erinnerung: Im gleichen Zeitraum erhöhte sich die Zahl
der Dentallabore kontinuierlich, zumeist durch Ausgründungsprozesse durch
82
Meister, die sich im Zuge der Krise selbständig machten. Dies ist kein
Widerspruch. Während etliche traditionsreiche Betriebe, die zuvor zu den
festen Ausbildungsgrößen der Branche zählten, der wirtschaftlichen Lage
zum Opfer fielen, und andere, die weiterbestehen, aber nicht mehr ausbilden, sind die kleinen, neu entstandenen Gründungslabore zur Ausbildung
selten in der Lage.
Schulische Vorbildung der Ausbildungsanfänger
52%
54%
Handwerk
allgemein
ZahntechnikerHandwerk
23%
20%
20%
19%
8%
So
ns
tig
e
Ha
up
tsc
hu
le
als
ch
ule
Re
Ab
itu
r
4%
Quelle: VDZI, eigene Bearbeitung
Grafik: Büro für Sozialforschung, Kassel, 2002
Bild 13:
Schulische Vorbildung der Ausbildungsanfänger
Durch die gleichzeitig sinkende Zahl der Auszubildenden insgesamt senkte
sich bei Reduzierung der Zahl der Ausbildungsstätten auch die Ausbildungsquote pro Ausbildungslabor. Waren 1995 im statistischen Mittel noch drei
Auszubildende in einer Ausbildungsstätte beschäftigt, waren es 1999 nur
noch zwei.
83
Zahl der Ausbildungsstätten im Zahntechnikerhandwerk
1995 - 1999 Bundesgebiet
6000
5000
4820
4444
4185
4000
3000
2000
1000
0
1995
1998
1999
Q uelle: BIBB -Datenblatt 3031 Zahntechniker/in,
G rafik: B üro für Sozialforschung K assel, 2002
Bild 14: Zahl der Ausbildungsstätten
Die Zahntechnikerinnung für das Saarland hat in einer außerordentlichen
Mitgliederversammlung im November 2002 eine Empfehlung beschlossen,
keine Lehrlinge mehr einzustellen. Bei diesem Beschluss beziehen sich die
Innungsmitglieder auf das im November verabschiedete Beitragssicherungsgesetz, das den Zahntechnikern eine Absenkung ihrer Vergütungen um fünf
Prozent brachte. Nach dem Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz 1981 und
dem Gesundheitsstrukturgesetz von 1992 sei es bereits das dritte Mal, dass
das Zahntechniker-Handwerk gesetzlich verfügte Einbußen hinnehmen
müsse. So seien Betriebsschließungen und zahlreiche Entlassungen zu
befürchten. Es sei nicht mehr zu verantworten, junge Menschen für einen
Beruf auszubilden, der durch die ständigen Eingriffe des Gesetzgebers in
seiner Existenz gefährdet werde und ihnen keine Chancen mehr für eine
berufliche Existenz bieten könne (Der Saarhandwerker -SH-, 12/2002).
84
Zusammenfassend ist festzustellen: Die Ausbildungsintensität lässt seit
Mitte der 90er Jahre stark nach. Dies ist also keine Folge des jüngsten
Umsatzeinbruchs in 1998/1999. Stattdessen ist dieser Effekt zum einen mit
der Verkleinerung der Betriebe, zum anderen mit der allmählichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu begründen. Ein weiterer Grund
liegt in der abnehmenden Attraktivität der Branche einschließlich der Einkommenserwartung, sowie im Rückgang der Kapazität der Ausbildungsbetriebe.
Auszubildenden-Struktur
Abschließend zum Aspekt der Ausbildung sollen einige Strukturdaten die
Zusammensetzung der Auszubildenden im Zahntechniker-Handwerk darstellen. Der Frauenanteil lag 1991 schon bei 61 Prozent, ging dann wieder
zurück und steigt seit 1997 (54%) wieder an, im Jahr 2000 erreichte er 59%.
Der Frauenanteil in den neuen Bundesländern beträgt 64 Prozent, in den
alten Bundesländern 58 Prozent. Aus einer Berufsschule in Norddeutschland
wurde berichtet, dass dort der Anteil weiblicher Auszubildender unter den
gut 140 Auszubildenden insgesamt mittlerweile fast 70 Prozent beträgt.
Dies bestätigt den Trend, dass sich die Dominanz der weiblichen Dentallabor-Beschäftigten weiter verstärken wird. Für die gesamte Branche liegt
deren Anteil zur Zeit bei etwa 55 Prozent.
Das Alter der Ausbildungsanfänger betrug im Jahre 2000 (Zahlen aus
zurückliegenden Jahren stehen leider nicht zur Verfügung) im statistischen
Durchschnitt 19,7 Jahre. Nur gut zehn Prozent beginnen ihre Ausbildung im
Alter von 16 Jahren, immerhin fast 8 Prozent sind 24 Jahre und älter. Diese
Angaben korrespondieren mit den weiter oben dargestellten Daten über die
schulische Vorbildung der Auszubildenden. Das Durchlaufen höherer Schulabschlüsse bedingt ein recht spätes Eintrittsalter in die berufliche Ausbildung. Nach Erkenntnissen aus der bereits erwähnten Berufsschule ist der
Hauptschulabschluss bei Ausbildungsanfängern im Zahntechnikerhandwerk
inzwischen fast eine „Rarität“.
Technischer Betriebswirt Zahntechnik
Die Handwerkskammer Hamburg hat in Kooperation mit der Zahntechnikerinnung einen besonders qualifizierenden Ausbildungsgang für Abiturienten
ausgearbeitet. Innerhalb von vier Jahren können Interessenten parallel zwei
85
Qualifikationen erreichen: die des Zahntechniker-Gesellen und die des
Technischen Betriebswirts Zahntechnik (TBWZ). Zusätzlich zur handwerklichen Ausbildung erwerben die Auszubildenden an der Technischen Akademie der Handwerkskammer auch die Kenntnisse zur Qualifikation eines
Medizinprodukteberaters für die Sonderanfertigungen zahntechnischer
Leistungen und werden in Bereichen wie Planung, Controlling, Organisation,
Personalführung und Marketing ausgebildet. Gleichzeitig werden die Teile
3 und 4 der Meisterprüfung abgelegt, die Teile 1 und 2 können nach
erfolgreichem Abschluss des Studienganges nachgeholt werden, so dass
man dann auch über die Meister-Qualifikation verfügt (www.zi-nord.de).
Diese Sonderausbildung erfordert zwei Verträge - einen Ausbildungsvertrag
mit einem zahntechnischen Labor für den Gesellenbrief und einen zweiten
mit der Technischen Akademie. Die Ausbildung begann im September 2002,
ein nächster Aufnahmetermin ist für September 2003 geplant. Eine Beschränkung auf zunächst 15 Teilnehmer ist vorgesehen.
Mit der Ausbildung soll den Absolventen eine Zukunftsperspektive als
Führungskraft in der betrieblichen Laborleitung geboten werden, daher sind
in die Ausbildung auch die oben erwähnten Managementfähigkeiten integriert. Die Ausbildung orientiert sich am Qualitätsmanagementmodell der
European Foundation for Quality Management.
Die VUZ - Vereinigung Umfassende Zahntechnik - bietet an Ihrer Akademie
für Umfassende Zahntechnik (AUZ) in Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer Münster einen neuen Studiengang an, der in 18 Monaten zum
Betriebswirt des Dental-Handwerks führt. Der Abschluss wird von allen
öffentlichen und staatlichen Organisationen anerkannt (dental-labor, L., 8/
2002).
Meister-Ausbildung
Der zahlenmäßige Bestand an Zahntechniker-Meistern ist der Statistik nur
annähernd zu entnehmen. Die im Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes enthaltenen Daten beziehen sich zum einen auf den zusammengefassten Ausbildungsbereich „Meister, Techniker und Fachschulabschluss“, zum
anderen kann auch das Merkmal „Selbständige“ als Anhaltspunkt dienen.
Die Kategorie „Selbständige“ schließt die Meister ein, die einen Betrieb
führen. Was die Gesamtzahl der Meister anbelangt, schwankte diese
zwischen 1995 und 1998 zwischen 17.000 und 19.000, in den Jahren 1999
86
bis 2001 zwischen 13.000 und 14.000. Der Zeitpunkt des Krisenjahres 1998
ist hier deutlich erkennbar. Für die Selbständigen (Meister) gilt dies nicht, hier
steigen die Zahlen eher leicht an, auf 8.000 im Jahr 200114 - dieses Ergebnis
bestätigt den Trend der allmählichen Zunahme der Zahl der Betriebe durch
Neugründungen.
Der Frauenteil unter den Meistern sank zwischen 1995 und 1998 von 46 auf
43 Prozent, bewegte sich jedoch zu diesem Zeitpunkt noch auf hohem
Niveau, bevor er 1999 auf 31 Prozent abrutschte. Seitdem steigt er wieder
an, auf 35 Prozent in 2001. Offensichtlich verlor die Zahntechniker-Branche
im Krisenjahr 1998 überproportional an weiblichen Meistern. Einen ähnlichen Bruch gibt es beim Frauenanteil unter den Selbständigen nicht - dort
stieg im Gegenteil deren Anteil zwischen 1998 und 1999 von 13 Prozent auf
17 Prozent an, in 2001 erreichte er 20 Prozent. Diese Zahlen machen auch
deutlich: Während die Gruppe der Selbständigen mit 80 Prozent noch
eindeutig männer-dominiert ist, stellen die Frauen unter den Meistern mehr
als ein Drittel, unter allen Zahntechnikern verfügen Sie mit 52 Prozent
bereits über die Mehrheit.
An insgesamt 14 Zahntechniker-Meisterschulen können sich Zahntechnikergesellen auf die Meisterprüfung an einer Handwerkskammer vorbereiten,
nach drei Gesellenjahren ist dies möglich. Der erfolgreiche Abschluss der
Meisterausbildung berechtigt zur Führung bzw. Gründung eines Handwerksbetriebes und zur Ausbildung von Zahntechniker-Gesellen. 659 Zahntechniker/innen haben 1999 ihre Meisterprüfung abgelegt. Gegenüber
1998, dem Jahr der 2. Seehoferschen Reform, bedeutete dies einen Rückgang um 6,8 Prozent. Die Quote bestandener Prüfungen stieg in diesem
Zeitraum von 68 auf 73 Prozent. Der Frauenanteil unter den erfolgreichen
Prüflingen stieg von 1994 bis 1999 von 14 auf 24 Prozent, er folgt damit dem
Wachstumstrend des Anteils weiblicher Zahntechniker/innen, freilich auf
niedrigerem Niveau.
Im Expertengespräch mit Vertretern des VDZI wurde auch die MeisterQualifikation angesprochen. Meister haben in der Regel in erster Linie ihre
technische Fachlichkeit, die Qualität der Produkte etc. im Auge, in Erfüllung
ihrer Tätigkeit. Die kaufmännische bzw. betriebswirtschaftliche Kompetenz
muss nicht immer gleichermaßen hinzukommen, in vielen Fällen ist sie
14
Nach Tiefstwerten in 1996 und 1998 mit jeweils 7.000. Das statistische Material bietet
für das Zahntechniker-Handwerk nur Werte im Tausenderstellen-Bereich.
87
weniger ausgeprägt. Der VDZI verwies in diesem Zusammenhang darauf,
dass aus seiner Sicht die Meister den Ausbildungsgang des Betriebswirts im
Handwerk absolvieren müssten, dies wäre absolut notwendig.
Man wehrt sich aber auch dagegen, wenn diese kaufmännische „Leitungsschwäche“ zum Gegenstand von Vorurteilen gemacht wird. Dies bezieht
sich auf Erfahrungen mit Fachleuten, die einen industrieökonomischen
Ansatz mitbringen und ihre Theorien auf das Handwerk übertragen. „Sie
übersehen völlig, dass man es hier mit einer angepassten ökonomischen
Rationalität zu tun hat, die für kleine Handwerksunternehmen gilt und dort
auch ihren spezifischen Wert besitzt“.
Klar sei natürlich, so wird weiter ausgeführt, dass 90-95 Prozent der Inhaber
keine Investitionsalternativen-Berechnungen durchführen können und dazu
externer Hilfe bedürften. Das Wissen über neue Technologien sei allerdings
schon verfügbar, auch den Inhabern und Meistern, darüber hinaus gibt es
sicher auch „Pioniere“, wie in jedem Markt. Beim Einfluss auf
unternehmerische Entscheidungen sind zur Zeit die Strukturveränderungen
durch politische Entscheidungen weitaus gravierender, als Fragen der neuen
Technik.
6.2
Berufliche Weiterbildung
Zahntechniker werden einerseits als individualistisch beschrieben, aber
auch, dass sie mit großem Engagement ihre Arbeit verrichten und eine hohe
Befriedigung aus der Tätigkeit und dem fertigen Produkt schöpfen. Ihren
Beruf betrachten sie als künstlerischen, das Produkt ihrer Fertigung besteht
aus Unikaten. Ein Verbandsvertreter formuliert launig: „Dessen sind sich die
Zahntechniker auch bewusst. Sie wissen, dass sie etwas Dauerhaftes für
den Menschen entwickeln und setzen ihren ganzen Ehrgeiz da rein. Das was
sie machen, muss ein Leben lang küssen und lachen können!“. Berufliche
Weiterbildung gehört infolgedessen zu den unbestrittenen Anforderungen
in einer Handwerksbranche, deren „Output“ an die hohe Qualität und
Effizienz der beruflichen Tätigkeit gebunden ist. Dies ergab auch eine Studie
der Gmünder Ersatzkasse (GEK), die den Zahntechnikern im Vergleich mit
anderen Handwerken einen führenden Platz in der Fortbildungsbereitschaft
zuerkannte. Häufige Innovationen hinsichtlich Material und Verfahrenstechniken erklären dies ebenso wie das vorstehend beschriebene hohe Maß
an Identifikation mit der ausgeübten Tätigkeit, das dieser Berufsgruppe
seitens der befragten Experten attestiert wird.
88
An und für sich sind die Voraussetzungen für eine effektive und branchengerechte Weiterbildung also vorhanden, das von uns recherchierte System
der beruflichen Fortbildung ist vielseitig und bietet gute Ansätze für die
Bedarfsdeckung. Einige (in der Regel größere) Betriebe bieten betriebliche
Fortbildungsmaßnahmen an, Unternehmensnetzwerke und Innungen überbetriebliche Programme. Hinzu kommen die Anbieter aus dem Bereich der
Dentalindustrie und solche, die sich frei am Markt auf Fortbildung in der
Dentaltechnik spezialisiert haben. Auf alle diese Angebote wird noch
eingegangen.
Zur Kritik der Weiterbildungssituation
Dennoch gibt es auch Kritik an der gängigen Praxis der Weiterbildung. In
Gesprächen mit Beschäftigten aus den Betrieben, Betriebsratsmitgliedern
und Gewerkschaftern der IG Metall, wird einerseits von einem hohen Bedarf
an betrieblicher Weiterbildung gesprochen, andererseits aber auch deutlich
gemacht, dass diesem in der Realität nur unzureichend nachgekommen
wird. Zur gängigen Praxis gehört demzufolge:
• „Second-hand“-Fortbildung
Abteilungs- oder Laborleiter besuchen einen Fortbildungskurs, manchmal
der Betriebsinhaber selbst oder mitarbeitende Familienangehörige. Durch
knappe Berichte, so heißt es, würden die Zahntechniker im Betrieb von
Erkenntnissen des Lehrgangs informiert, sodann werde von ihnen erwartet,
dass sie mit dem betreffenden Material oder dem Verfahren anwendungsbezogen umgehen können. Mitunter bestehe die Übergabe des erworbenen Wissens in der Weiterreichung der Gebrauchsanleitung für das technische Gerät oder System, die man vom Lehrgang mitgebracht habe.
• Fortbildung als „Privatsache“
Formal werde der Wert der Weiterbildung in den Labors selten in Frage
gestellt. Hinsichtlich der Umsetzung erwarte man von den Beschäftigten
jedoch eigenes Engagement, lasse diese sich selbst um geeignete
Weiterbildungsmaßnahmen kümmern. Diese fühlten sich dabei jedoch weitgehend im Stich gelassen, eine fördernde oder gar planmäßige Unterstützung durch die Laborleitung erfolge kaum. Hinzu kommt, dass meist nur
solche Fortbildungsmaßnahmen Akzeptanz fänden, die wenig kosteten und
am besten in der Freizeit wahrzunehmen seien, ohne Freistellung von der
89
Arbeit. Typisch in den Berichten ist der sogenannte „Mach mal!“-Effekt. Er
bestehe darin, dass eine neue Technik angeschafft werde und im Labor zur
Anwendung kommen solle. Die Zahntechniker müssten dann damit klar
kommen - wie, sei ihre Sache. Ein Gesprächspartner berichtet, dass er mit
der Laserschweißtechnik arbeitet. Letztlich sei er, was Beherrschung und
Lernverhalten angehe, Autodidakt: „Das musste ich mir selbst beibringen!“.
Und: „Die Maschine wurde uns erst einmal hingestellt, wir sollten damit nun
umgehen. Das hat am Anfang aber nicht geklappt. Dann bin ich zum Chef
gegangen. Der hat gesagt: ‘Ich kanns au nidd, du musst eben üben!’“.
• Die Dominanz der Dental-Industrie
Die meisten Fortbildungslehrgänge werden von den Herstellern und Anbietern von Technik und Verfahren angeboten und ausgerichtet. Ein Besuch
solcher Schulungskurse sei dann erfolgreich, wenn die Schulung gezielt auf
das gerichtet wäre, was in der betrieblichen Anwendung erforderlich sei.
Oftmals, so wird berichtet, ist das nicht der Fall - der Lehrgangsinhalt stimme
selten mit den betrieblichen Anforderungen überein.
Der Besuch von Schulungen Industrie-unabhängiger Träger soll eher die
Ausnahme darstellen. Betriebliche Weiterbildungskonzepte oder -pläne
sollen in den seltensten Fällen bestehen. In Unternehmens-Verbünden wie
Einkaufs- und Vertriebsgemeinschaften, Dentallabor-Netzwerken, aber auch
in großen Unternehmensgruppen scheint die Situation hinsichtlich der
Weiterbildungspraxis für Beschäftigte günstiger zu sein, dort werden häufig
eigene Weiterbildungsveranstaltungen angeboten. Aus dem Bereich der
Firma Flemming-Dental wird berichtet, dass dort ein eigenes Kursprogramm
bestehe, an dem Beschäftigte in halbjährlichem Turnus teilnehmen könnten,
es kämen vorwiegend externe Referenten zum Einsatz.
Ob die vorstehend geschilderte Kritik repräsentativ für die ganze Branche ist,
kann hier nicht beurteilt werden. Natürlich sind solche Schilderungen immer
von den konkreten Erfahrungen der teilnehmenden Gesprächspartner
abhängig, so soll auch nicht verschwiegen werden, dass aus der selben
Gesprächsgruppe auch Berichte kamen, die mit „bei uns läuft es mit der
Fortbildung ganz gut“ bilanziert werden können.
Von Laborinhabern und Innungsobermeistern wird darauf hingewiesen,
dass die schlechte Ertragslage der Branche ein gewichtiger Grund dafür sei,
dass die Weiterbildung unter Kostendruck gerate. Sicherlich stelle die
Kostenseite, objektiv gesehen, ein schwieriges Problem dar, insbesondere
90
im kleinen Betrieb. Freistellung von Mitarbeitern, Lehrgangsgebühren und
Spesen stellten nicht unwesentliche Kostenfaktoren dar. Andererseits müsse - betriebswirtschaftlich betrachtet - bei der Investitionsabschätzung von
neuen Techniken oder Verfahren ein Weiterbildungsanteil bereits mitkalkuliert werden, um die möglichst reibungslose Anwendung betrieblich
auch sicherstellen zu können.
Ein regelrechter „Weiterbildungsboom“ mit einem „Überangebot an
Weiterbildungskursen“ seitens der Dentalindustrie oder von Einzelpersonen
wird von A. Hohmann festgestellt. Sie dienen nach seiner Auffassung dazu,
den Professionalisierungswillen der Zahntechniker zu befriedigen und würden häufig zu überhöhten Preisen angeboten. Meist handelt es sich um
Kursangebote zu Materialverarbeitungsverfahren der Firmenprodukte, die
an den Erwerb umfassender Systeme gebunden sind. Hohmann: „Diese
Weiterbildungskurse behandeln jenseits jeder Ganzheitlichkeit unsystematische Teilaspekte der Zahntechnik und bieten Tricks und Tipps zur Verfeinerung des Werkzeug- und Materialgebrauchs an, die eigentlich zum
Standardrepertoire zahntechnischer Handwerksleistung gehören. Oder es
wird die Vermittlung vermeintlich neuer Technologien angepriesen, denen
die wissenschaftliche Absicherung völlig fehlt.“ Dort werde der vermeintliche Kenntnisvorsprung mit der Erfahrung aus der Praxis verteidigt, „...
obgleich diese Referenten nicht einmal die Meisterqualifikation besitzen“.
Begleitet werden diese Angebote „... mit repressiven Werbemethoden, die
den Zahntechniker nötigen, sich mit den unsinnigsten Ansichten und Arbeitsmethoden seines eigenen Fachbereichs auseinander zu setzen, weil ihm
glauben gemacht wird, seine Verweigerung bedeute für ihn den wirtschaftlichen Ruin“. (Hohmann, A., o.J., S. 13-14).
Weiterbildungsangebote von Innungen und
Firmenverbünden
Auch die Innungen engagieren sich beim Angebot von Weiterbildungsmaßnahmen. Ein Innungsobermeister berichtet, dass per Rundschreiben an
die Meister Hinweise auf eigene Fortbildungsveranstaltungen der Innung
ergehen, die von Fall zu Fall organisiert werden. Dabei stehen TechnikThemen, aber auch Vorträge im kaufmännischen Bereich im Vordergrund.
Bei den kaufmännischen Themen richtet sich das Angebot an die Meister,
alle anderen Themen sind auch für die Gesellen offen - die Meister entscheiden jeweils, wen sie mitbringen. Einige Innungen geben eigene Kursprogramme heraus.
91
Als Beispiel sei die Zahntechnikerinnung in Württemberg genannt
(www.ziw.de), Inhalte der dortigen Schulungen oder Seminare sind:
Composite-Inlay, Galvano-Technik, Implantatologie, Modellgusstechnik,
Crozat-Technik, dentale Fotografie oder der Umgang mit Werkstoffen, wie
zum Beispiel Titan. Auch Zusatzkenntnisse wie EDV, Kalkulation oder
Kundenberatung werden vermittelt. Die Zahntechnikerinnung Münster mit
200 Mitgliedslaboren bietet an:
• Internetseminare
• Mitarbeiterführung und -motivation
• Abrechnung zahntechnischer Leistungen
• Grundseminare zum Unternehmermodell nach dem Arbeitssicherheitsgesetz
• Wie vermeide ich Fehler bei Abschluss und Beendigung von Arbeitsverträgen.
Oftmals wird im Bereich der beruflichen Weiterbildung kooperiert - zwischen
der Innung und einer nahegelegenen Meisterschule, oder einer für diesen
Zweck gegründeten Gesellschaft. So verweist die Innung Berlin bezüglich
des Lehrgangsprogramms auf die Zahntechniker-Meisterschule BerlinBrandenburg. Im dortigen Technologiezentrum kommen Meister, Vertreter
der Industrie und Dozenten der Meisterschule als Referenten zum Einsatz.
Der inhaltliche Schwerpunkt liegt in der technischen Fortbildung. Die
Zahntechnikerinnung Württemberg hat mit der Deutschen Gesellschaft für
Prothetik und Werkstoffkunde die Tochtergesellschaft „Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie e.V.“ gegründet, die der Förderung der Fort- und
Weiterbildung und der Wissenschaft auf dem Gebiet der technologischen
Arbeitsverfahren dient. Ein weiteres Beispiel (www.zahntechnikfortbildung.de): Das Ausbildungszentrum für Zahntechnik in SchleswigHolstein wird von der dortigen Zahntechnikerinnung getragen. Im Gebäude
der Landesberufsschule und der überbetrieblichen Ausbildungsstätte für
Zahntechnik werden neben dem Meisterseminar auch Fortbildungskurse
angeboten.
Neue Fortbildungsanforderungen liegen seit einigen Jahren im Bereich der
Erfüllung der Standards des Medizinproduktegesetzes (MPG). Nach Einschätzung von Experten wird dieses Gesetz die Zahntechniker-Branche
weiter entscheidend beeinflussen. Das MPG wirkt für viele Zahntechniker,
so ist zu hören, noch immer unverständlich und verbreitet Unbehagen
(dental-labor, Heft 12/2001). Lückenlose Sicherheitsketten beim Nachweis
92
der Goldverwendung vom Ursprung über den Hersteller bis zum Anwender
sind demnach eher die Ausnahme. Offenkundig tun sich auch viele Dentallabors schwer, das MPG „nicht als Ballast, sondern als Chance zur Neuorientierung beim betriebsinternen Qualitätsmanagement“ zu begreifen. Auch
das MPG wirkt verändernd auf die Rolle des Zahntechnikers - „Die Verantwortung im Umgang mit einem aufgeklärten Patienten steigt, deshalb muss
der Zahntechniker als Hersteller mehr denn je eine Beraterfunktion gegenüber dem Zahnarzt einnehmen“. Der Fortbildung, etwa im Bereich der
regelmäßigen Nachschulungen für Medizinprodukte-Berater, wird daher
eine weiterhin steigende Aufmerksamkeit zukommen. Seminare wie TotalQuality-Management, Biokompatibilität, Materialkunde, Implantologie und
Führung und Kommunikation sind Bestandteile des Seminarprogramms für
Medizinprodukte-Berater. (Vgl. ebd.). Neben der AUZ (Akademie Umfassende Zahntechnik), auf die sich das vorstehende Beispiel bezieht, schulen
auch andere Anbieter diese Inhalte.
6.3
Fachhochschul-Studiengang
Dentaltechnologie
Bisher spart das gesamte Ausbildungssystem den Bereich der Hochschulausbildung aus. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich in der Dentaltechnologie aber eine rasante Entwicklung vollzogen, die auch die beruflichen Tätigkeitsfelder verändert und erweitert hat. Diese Felder lassen sich
durch die „klassische“ Ausbildungskapazität des Zahntechniker-Handwerks
nicht mehr hinreichend abbilden. Neue Anforderungen haben sich entwickelt, die auf die Kompetenz der Ingenieurwissenschaften angewiesen sind.
Aus der Literatur lassen sich folgende Anforderungsbereiche erkennen, die
Absolventen einer solchermaßen akademisch geprägten Ausbildung erforderlich machen:
• Der zahnmedizinisch-technische Forschungsbereich. Er wird bislang vom
industriellen Fertigungs- und Vertriebsfeld bestimmt.
• Die unternehmerische Betriebsführung. Sie muss sowohl den Anpassungsprozess an die sich verändernden Marktstrukturen, als auch hohe Ansprüche der Qualitätssicherung gewährleisten.
93
• Die Vermittlung, Umsetzung und Überwachung von verfahrens- und
materialtechnischen Innovationen. Diese Anforderungen bestehen sowohl für Handwerksbetriebe, die klinischen Forschungsinstitute und
zahnärztlichen Praxen, als auch für die Dentalindustrie (vgl. auch:
Hohmann, A., o.J., S. 10).
Diese Entwicklung und die Erfahrung, dass die defizitären Ausbildungsstandards kaum noch mittels der Qualifizierung durch Weiterbildungsmaßnahmen erreicht werden können, bewogen den VDZI, eine Markt- und
Bedarfsanalyse durchzuführen, die in dem Ergebnis endete, einen Fachhochschul-Studiengang Dentaltechnologie einzurichten. Die Wahl fiel auf
die FH Osnabrück, mit deren Präsidium der VDZI-Vorstand 1999 vorbereitende Gespräche führte. Die dort bereits vorhandenen Werkstoff- und Verfahrenstechnik-Studiengänge wurden als „Standbeine“ für das angestrebte
Zahntechnik-Studium betrachtet.
Im März 2001 startete dann das Ingenieurstudium Dentaltechnologie an der
FH Osnabrück. Das Studium endet mit dem Abschluss als Diplom-Ingenieur
und dauert insgesamt acht Semester. Es vermittelt theoretische und praktische Kenntnisse um Material, Verarbeitung, Forschung und Arbeitsprozesse
in der Zahntechnik. Das dreisemestrige Grundstudium vermittelt Wissen in
den Ingenieurs- und allgemeinen Naturwissenschaften, während des Hauptstudiums sollen sich die Studenten vorrangig mit den dentalen Fächern
beschäftigen. CAD/CAM, Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung
gehören zum Fächerkanon. Das Hauptstudium beinhaltet zwei Praxissemester von je 26 Wochen.
Die Eingangsbedingungen, um Dentaltechnologie in Osnabrück studieren zu
können, wurden im Vergleich zu anderen Studiengängen bewusst verschärft: Genügt dort die Fachhochschulreife, so muss hier zusätzlich die
Qualifikation des Zahntechniker-Gesellen nachgewiesen werden. Begründet wird dies mit dem dann möglichen reibungslosen Übergang in den
Studienbereich der zahntechnischen Fertigungstechnik, nachdem man sich
mit den naturwissenschaftlichen und ingenieurmäßigen Grundlagen beschäftigt hat (Zylla, I.-M., 2002: , S. 1178-1183). Etwa 30-50 Studenten
sollen sich z. Zt. pro Jahr in Osnabrück einschreiben, die Ausbildung befindet
sich jetzt im zweiten Studienjahr.
Nach Auskunft des VDZI, der sich nach wie vor in einer Art Patenschaft für
diesen Studiengang sieht, ist es definitiv so, dass nur in Osnabrück bisher
eine akademische Ausbildung für Dentaltechnik möglich ist, an keiner
94
anderen Fachhochschule, Technischen Hochschule oder Universität in
Deutschland besteht ein vergleichbarer Studiengang. Wenn das Studium in
Osnabrück (Niedersachsen) sich bewährt, ist nicht auszuschließen, dass
auch anderswo dieser Studiengang eingerichtet werden kann. Die oben
bereits zitierte Denkschrift von A. Hohmann hat allerdings bereits einen
zweiten Ansatz zur Einrichtung eines FH-Studiengangs angestoßen. In
dieser Denkschrift wird von einem speziellen Bedarf an weiterführenden
Bildungsangeboten auf Fachhochschulniveau in der Region OstwestfalenLippe (NRW) ausgegangen. Dieser gründet sich auf den im Schuljahr 2001/
02 eingerichteten Fachoberschul-Bildungsgang Medizintechnik für Schülerinnen und Schüler aus den Berufen Augenoptik, Orthopädietechnik und
Zahntechnik am Carl-Severing-Berufskolleg in Bielefeld.
Diese Initiative wurde von der Fachhochschule Lippe in Lemgo aufgegriffen.
Auch dort wird die Einführung des Studiengangs Dentaltechnologie geplant.
Ursprünglich war dessen Eröffnung für das Wintersemester 2002/3 vorgesehen. Das war im ersten Anlauf organisatorisch nicht zu schaffen, da allein die
Anforderung der Modularisierung für die Abschlüsse B.A. und M.A. seitens
des Wissenschaftsministeriums Umsetzungszeit kostete. So wurde um ein
Jahr verschoben - d. h., dass nach der jetzigen Planung der Studiengang im
WS 2003/4 eingerichtet werden soll. Eine stichhaltige Bedarfsermittlung ist
in Arbeit, curriculare Fragen sind nach dortiger Auskunft lösbar. Die FH Lippe
verfüge, so wird uns berichtet, über gutes Personal, vor allem im technischen
und Marketing-Bereich, was den medizinischen Bereich angehe, denke man
an entsprechende Lehraufträge.
In Lemgo sind gegenüber Osnabrück erweiterte Eingangsvoraussetzungen
für die Studienbeginner geplant. Neben den Aspiranten, die über den
zweiten Bildungsweg und den Meisterzugang kommen, ist auch die Aufnahme von Abiturienten beabsichtigt.
Am Konzept der FH Osnabrück wird vor allem von Seiten der IG Metall Kritik
geübt. Die Gewerkschaft betrachtet die dortige Ausbildung sehr skeptisch,
der Studiengang würde von der Arbeitgeberseite sehr stark unterstützt,
diese und die FH Osnabrück selbst hätten sich bei der Planung und Einrichtung des Studiengangs gegenüber dem Sozialpartner IGM als wenig kooperativ erweisen. Konkret wird kritisiert, dass in Osnabrück lediglich der
Zahntechniker-Abschluss als Eingangsvoraussetzung für das Studium gilt „warum nicht auch Abiturienten?“ Auch an der Wissenschaftlichkeit des
Studiengangs werden Zweifel geübt, man belegt das durch Kenntnis von
Lehrplan-Konzepten. Allerdings wird auch aus gewerkschaftlicher Sicht für
95
die Notwendigkeit eines Studiengangs Dentaltechnologie eingetreten, nur
eben nicht mit den Voraussetzungen, die z. Zt. in Osnabrück vorgefunden
werden. Perspektivisch plädieren Gesprächspartner der IG Metall dafür,
einen durchgehenden wissenschaftlichen Weg aufzubauen, mit den Modulen:
Berufsschule
Fachhochschule
Universität
In mehreren Gesprächen mit Experten wurden wir des öfteren auf einen
Zusammenhang hingewiesen, der eine weitere Begründung für die Bemühungen liefern könnte, einen Studiengang Dentaltechnologie einzuführen.
Nicht wenige Praktiker aus der Zahntechnik erhoffen sich von einem
wissenschaftlichen Studium mit akademischem Abschluss, mit der Qualifikation von Zahnärzten gleichziehen zu können, ggf. auf diesem Weg auch
mehr Anerkennung von einem Berufsstand zu erlangen, mit dem man
naturgemäß eng kooperieren muss, der die eigentliche „Kundschaft“ darstellt und zu dem man infolgedessen in einem Abhängigkeitsverhältnis steht.
Das Wort von „sich dann auf gleicher Augenhöhe zu begegnen“ macht
dabei immer wieder die Runde. Auf den Technikertagen in St. Moritz 2001
war bereits von der Erwartungshaltung die Rede, dass man sicher auch bald
über „die ersten Doktoren der Zahntechnik“ verfügen werde (dental-labor,
Heft 4/2001, S. 627).
Das wenig entwickelte Selbstbewusstsein der Zahntechniker im Beziehungsgeflecht der bereits beschriebenen Hierarchie zwischen Zahnarzt und
Techniker hofft man in der Branche u. a. durch die Einrichtung eines FHStudiengangs aufwerten zu können. „Aus dieser Überkompensation des
unterbewerteten Statuses erwächst der Wunsch, den Weiterbildungsbereich durch ein akademisches Aufbaustudium zu nobilitieren und eine der
zahnmedizinischen Profession annähernd gleichgestellte Position zu erreichen.“ (Hohmann, A., o. J., S. 6-7). Ohne sich allzu tief in die Psychologie des
Verhältnisses zwischen zwei Berufsständen zu begeben, kann sicher festgehalten werden, dass man sich von diesem Studiengang und dem Einsatz
akademisch gebildeter Absolventen eine allgemeine Aufwertung des Images
der Zahntechnikerbranche erhofft.
Im VDZI stellt man sich auch für Dentallabore einen Absolventen-Bedarf vor,
sicherlich erst ab mittlerer Größenordnung. Dieser Bedarf richte sich im
Labor möglicherweise auf die Schnittstelle hin zur Industrie, indem jemand
96
gebraucht wird, der qualifiziert beurteilen kann, was aus der Industrie
kommt. Gerade bei steigendem Angebot an neuen Technologien und neuen
Materialien ist eine solche Aufgabe von Relevanz, etwa hinsichtlich der
Beurteilung von Gefahrstoffen, anderer Folgenabschätzungen oder der
Effizienz des Einsatzes bestimmter Techniken. „Es ist heute wichtiger denn
je, jemand zu haben, der sich mit wissenschaftlichen Systemen auskennt,
Technik und Verfahren beurteilen kann, über eine vernünftige EDV-Ausbildung verfügt“. Andere Einsatzbereiche können aus Sicht des VDZI bei der
Gewerbeaufsicht, bei Forschung und Entwicklung, im Berufsschullehrerbereich liegen, oder auch im europäischen Ausland. Im übrigen werden ja
auch vielleicht ganz neue Marktangebote durch die Studienabgänger erschlossen, neue Impulse und neue Angebote möglicherweise in die Selbständigkeit führen, etwa als Berater. In anderen europäischen Ländern gibt es da
schon Vorgaben.
Im Gespräch mit einem Innungsobermeister meinte dieser: Ein akademischer Abschluss sei seiner Meinung nach schon sinnvoll. Er könne sich
vorstellen, dass die Absolventen eine gute Chance besäßen, im Bereich der
Industrie bzw. Forschung einen Arbeitsplatz zu bekommen, sicherlich auch
an Universitäten und Berufsschulen, d.h. im pädagogischen Bereich, bzw.
der Lehre. In den Laboren würden die Absolventen aber ganz sicher nicht
benötigt.
Was den Einsatz in Handwerksbetrieben angeht, äußern sich Labor-Inhaber
auf ähnliche Weise: „Im Zahntechniker-Handwerk brauchen wir den Diplom-Ingenieur nicht“. Das schließe nicht aus, dass nicht doch irgendwo
Bedarf bestehe, das könne man letztlich aber erst dann sagen, wenn die
ersten Absolventen fertig seien.
Immerhin ist vorstellbar, dass in den Verbünden von mittelständischen
Betrieben bzw. Netzwerken, die sich sozusagen „großbetriebliche Strukturen“ schaffen, Absolventen des Studiengangs Dentaltechnologie zum Einsatz kommen könnten.
An der Fachhochschule Lippe erfahren wir noch einen anderen Aspekt in der
Diskussion um die Notwendigkeit des Studiengangs: Dies entspräche auch
einer internationalen Tendenz in europäischen Ländern und den USA, die
dahin gehe, dass mittlerweile fast jeder vergleichbare Berufsabschluss der
hier angesprochenen Zielgruppe mit einem akademischen Abschluss verbunden ist.
97
7
CAD/CAM im
Zahntechnikerhandwerk
7.1
Ausgangslage
Bereits seit Beginn der 80er Jahre haben sich Forscher und Entwickler mit der
Frage beschäftigt, wie die damals erst für den industriellen Bereich entwickelte CAD/CAM-Technologie auch im zahntechnischen Bereich eingesetzt
werden könnte. Während beim industriellen Einsatz von CNC-Maschinen
die gleiche Form Tausende oder Zehntausende Mal gefertigt wird, ist in der
Zahntechnik jeder Zahnersatz ein Unikat. Die vorhandene Technologie
konnte also nicht einfach mit modifizierten Programmen und Werkzeugen
im Zahnlabor eingesetzt werden. Was folgte, war eine jahrzehntelange
Entwicklungstätigkeit zur Optimierung der Programme, zur Erprobung verschiedener Werkstoffe und schließlich zur Entwicklung von Geräten, deren
wirtschaftliche Daten sie in kleinen mittelständischen Dentallabors einsetzbar machen würden.
Traditionell erfolgt die Herstellung von Zahnersatz (Kronen und Brücken) bis
heute überwiegend durch intensive manuelle Tätigkeit, die ein hohes
Qualifikationsniveau und große berufliche Erfahrung voraussetzen. Die
hohen Kosten bei der Herstellung von Zahnersatz ergeben sich einerseits
daraus, dass die traditionelle Fertigung sehr personalintensiv ist. Andererseits
werden in Deutschland traditionell sehr teure Edelmetalle (Gold, Platin und
entsprechende Legierungen) eingesetzt.
Durch den Einsatz von CAD/CAM-Techniken wird nun seit etwa 20 Jahren
angestrebt, eine weitgehende Automatisierung des Herstellungsprozesses
zu erreichen und bislang nicht oder nicht wirtschaftlich einsetzbare Werkstoffe, insbesondere Hochleistungskeramiken, einzusetzen. Das Ziel dieser
Entwicklung besteht in der Herstellung ästhetischer und biokompatibler
Kronen und Brücken zu Preisen, die schließlich deutlich unter den derzeitigen
Kosten der Herstellung von Zahnersatz liegen sollen. Eine solche Entwicklung wäre aus gesundheitspolitischer Sicht wünschenswert, wenn dadurch
eine deutliche Kostensenkung erreicht werden könnte. Die beschäftigungspolitischen Effekte sind dagegen widersprüchlich: Auf der einen Seite wird
es im Inland zur Ersetzung von menschlicher Arbeitskraft durch Maschinen
98
kommen. Auf der anderen Seite könnte eine billige Inlandsproduktion von
Zahnersatz wenigstens teilweise eine Alternative zur seit Jahren anwachsenden Auslandsproduktion von Zahnersatz bilden.
7.2
Stand der Entwicklung
Heute bieten fast alle auf dem deutschen Markt agierenden Hersteller von
Dentaltechnik eigene Geräte an, die mit CAD/CAM-Technologie arbeiten.
Die folgende Übersicht zeigt, dass es sich überwiegend um Produkte in
Deutschland ansässiger Firmen handelt. Daneben spielen Anbieter aus der
Schweiz, den Niederlanden und Schweden sowie Frankreich/Kanada eine
Rolle auf dem deutschen Markt. Die große Mehrheit der angebotenen
Systeme arbeitet mit optischer Digitalisierung vom Gipsmodell. Hier werden
also nach wie vor in traditioneller Weise beim Zahnarzt Abformungen
genommen und im Dentallabor zunächst als Gipsmodell erstellt. Optischintraoral arbeitet nur das System CEREC. Hier wird die optische Modellaufnahme in der Zahnarztpraxis im Mund des Patienten abgenommen. Die Daten
gelangen hier ohne Umweg über ein handwerkliches Modell in die CAD/
CAM-Verarbeitung. Fast alle Systeme eignen sich für die Verlagerung des
eigentlichen Fertigungsvorgangs an CNC-Maschinen außerhalb der Dentallabors. Schließlich ist erkennbar, welche Systeme sich für die Hartbearbeitung
von Keramikgrundstoffen eignen. Nur bei Geräten, die sich auch für die
Hartbearbeitung eignen, sind beide Zielsetzungen - die des Einsatzes der
CAD/ CAM-Technologie sowie die der Nutzung von Werkstoffen, deren
Verarbeitung in Dentallabors nicht möglich war - erfüllt.
7.3
Einsatz im Dentallabor
Worum geht es technisch-organisatorisch bei der Nutzung der CAD/CAMTechnik im zahntechnischen Bereich? - Bild 15 stellt die Arbeitsschritte des
traditionellen Verfahrens denen des CAD/CAM-Verfahrens gegenüber.
Durch den Einsatz von CAD/CAM-Systemen mit extraoraler Digitalisierung
am Modell werden alle traditionellen Arbeitsschritte zwischen der Erstellung
des Gipsmodells und der abschließenden Verblendung verändert. Es ergeben sich drei neue Arbeitsschritte: Beim Einsatz von Systemen mit intraoraler
Digitalisierung (mit einer sog. „Mundkamera“) geht die Veränderung noch
tiefer: Hier fällt zusätzlich die Abformung beim Zahnarzt sowie die Modellfertigung weg. Nach der Digitalisierung im Mund des Patienten oder am
99
Tabelle 3: Übersicht über derzeit angebotene CAD/CAM-Systeme
Übersicht über derzeit angebotene CAD/CAM-Systeme
Produkt/Hersteller
Typ der
Digitalisierung
Hartbearbeitung
möglich?
CEREC 3
Fa. Sirona Dental System GmbH,
Bensheim
CELAY
Mikrona Technologie AG
Spreitenbach (Schweiz)
DCS-Precident
DCS Dental AG
Allschwil (Schweiz)
DENTAL CAD/CAM GN-I
GC Corporation (Tokyo, J.)
DECIM
Decim AB, Schweden
digiDent
Girrbach Dental GmbH
Pforzheim
PRO 50
Fa. Cynovad
(Bron, Frankreich/Kanada)
Lava
3M ESPE Dental AG
Seefeld
CICERO
Cicero Dental Systems B.V.
(Hoorn, NL)
Cercon smart ceramics
Degussa Dental GmbH & Co. KG,
Hanau
Everest
KaVo Elektronisches Werk GmbH,
Leutkirch
Procera
Nobel Biocare Deutschland GmbH,
Köln
WOL-CERAM
WDT-Wolz-Dental-Technik GmbH,
Ludwigshafen
FutureDent
Fa. BEGO, Bremen
optisch
intraoral
ja
zentralisierte
Fertigung
möglich?
nein
mechanisch
nein
möglich
optisch
extraoral
ja
möglich
optisch
extraoral
optisch
extraoral
optisch
extraoral
ja
möglich
ja
ja
ja
möglich
optisch
extraoral
ja
ja
optisch
extraoral
nein
möglich
optisch
extraoral
nein
ja
optisch
extraoral
nein
möglich
optisch
extraoral
nein
möglich
mechanisch
nein
ja
optisch
extraoral
nein
möglich
optisch
extraoral
ja
ja
Quelle: Luthardt, u.a., Aktuelle CAD/CAM-Systeme zur Herstellung von keramischem Zahnersatz,
ZWR, 2001, Hefte 11 und 12, auf Stand 2002 aktualisiert
100
Gipsmodell werden die aufgenommenen Daten am Bildschirm nachbearbeitet. Dies geschieht mit einer entsprechenden CAD-Software. Der
nächste Schritt ist die eigentliche mechanische Bearbeitung des Zahnersatzrohstoffes (Schleifen, Fräsen etc.) durch eine CNC-gesteuerte Maschine.
Das Ergebnis ist ein Rohling für eine Krone oder Brücke. Es entspricht in etwa
dem Gussrohling in der traditionellen Fertigung. An dieser Stelle kommen
traditionelle und neue Fertigung gewissermaßen wieder zusammen. Auch
das Produkt der CAM-Fertigung muss von qualifizierten Fachkräften nachbearbeitet und verblendet werden.
Vergleich konventionelles und CAD/CAM-Verfahren zur
Herstellung von Zahnersatz
Konventionelles
Verfahren
Patient
Präparation
CAD/CAM
Tec hnik
Intraorale
Digitalisierung
Abformung
Artikulator
Modell
Extraorale
Digitalisierung
Wachs modellation
Konstruktion
CAD
Einbetten
Guss
Verblendung
Bearbeitung
CAM
Patient
Quelle: Projekt “Computerzahn”, TU Dresden, Luthardt u.a., 2002; Grafik: Büro für Sozialforschung Kas sel
Bild 15: Vergleich konventionelles und CAD/CAM-Verfahren
101
Welche Veränderungen von Arbeit und Arbeitsorganisation sind beim Einsatz von CAD/CAM zu erwarten? Grundsätzlich sind zwei Einsatzformen
der neuen Technik zu unterscheiden:
• Integrierter Einsatz aller CAD/CAM-Komponenten im Dentallabor: Hier
wird sowohl die Digitalisierung des Modells, die CAD-Bearbeitung sowie
die CAM-Fertigung im Labor selbst eingesetzt (Dezentraler Einsatz)
• Einsatz von Digitalisierung und CAD-Bearbeitung im Dentallabor und
Vergabe der CAM-Fertigung in externe Bearbeitungs- bzw. Fräszentren
(Mischtypus aus dezentralem und zentralem Einsatz).
Da eine Anschaffung der gesamten integrierten Technologie mit ihren
verschiedenen Verarbeitungsstufen aufgrund der hohen Investitionskosten
auf absehbare Zeit für kleine und mittelgroße Handwerksfirmen wirtschaftlich kaum erschwinglich sein dürfte, wird sich in naher Zukunft vor allem der
Mischtypus aus dezentraler und zentraler Anwendung von CAD/CAM
durchsetzen. Die mit der Anwendung eines solchen Systems verbundenen
Veränderungen bei den Arbeits- und Qualifikationsanforderungen wird in
der folgenden Grafik schematisch dargestellt.
Von drei derzeit im Dentallabor vollzogenen Verarbeitungsschritten werden
zwei im Dentallabor bleiben und wie bisher von Fachkräften ausgeführt
werden. Für die Arbeit mit der Digitalisierung und der entsprechenden CADNachbearbeitung der Daten werden Zahntechniker in den Labors mit einer
Zusatzausbildung eingesetzt werden, sofern CAD-Kenntnisse nicht in Zukunft auch Gegenstand der beruflichen Erstausbildung sein werden. Hier
werden möglicherweise zusätzliche qualifizierte dienstleisterische Tätigkeiten, wie etwa die Patientenberatung und das digitalkameragestützte
„Imaging“ hinzukommen.
Der zweite Verarbeitungsschritt wird beim dezentral-zentralen Mischtyp
der CAD/ CAM-Anwendung aus dem Dentallabor heraus verlagert. Das
digitalisierte Modell wird per Datenübertragung an ein externes Bearbeitungszentrum abgegeben. Hier arbeiten Arbeitnehmer mit einer speziellen Qualifikation zur Bedienung der CNC-Maschinen. Diese Arbeitnehmer müssen
nicht „vom Fach“ sein. Die automatisierten Abläufe an den Schleif- und
Fräsmaschinen erlauben eine Maschinenbelegung rund um die Uhr, also
auch an Wochenenden mit einem geringen Aufwand an menschlicher
Überwachungs- und Notfalltätigkeit. Diese Bearbeitungszentren können
prinzipiell an jedem beliebigen Ort der Welt stehen, sofern die Verkehrswege eine pünktliche Rücklieferung der Rohprodukte an die Dentallabors
garantieren.
102
Der dritte Verarbeitungsschritt wird dann wieder dezentral in den Dentallabors durchgeführt. Hierbei werden - wie bisher - hochqualifizierte Fachkräfte eingesetzt. Möglicherweise können durch die Entlastung der Fachkräfte von den mechanischen Routinearbeiten (Wachsmodellation, Einbetten, Guss) diese dann mehr Zeit für ein besonders hochwertiges ästhetisches
„Finish“ des Zahnersatzes aufbringen.
Schritte der Verarbeitung im CAD/CAM-Verfahren und die
Anforderungen an Qualifikation und Arbeit
Fertigungsschritt
Arbeits- u. Qualifikationstyp
1.
Dentallabor (dezentral)
Modellerstellung
Farbanpassung
Traditionelle Facharbeit
Digitalisierung/
CAD-Aufbereitung
Zahntechniker mit
Zusatzausbildung
Datentransport per Internet
2.
Bearbeitungszentr um (zentr al)
Herstellung des Kronenbzw. Brückengerüsts
(CNC-maschinelles
Schleifen/Fräsen)
Maschinenbedienung
CNC-Qualifikation
automatische Abläufe
rund um die Uhr
Versand
3.
Verblendung des
Rohzahnersatzes
Dentallabor (dezentral)
Traditionelle Facharbeit mit
hohen Qualitätsansprüchen
ästhetischer Feinschliff
Grafik: Büro für Sozialforschung Kassel, 2002
Bild 16: Schritte der Verarbeitung im CAD/CAM-Verfahren
103
Anlaufschwierigkeiten mit der neuen Technik
In einigen Praxisberichten von Zahntechnikern, die bereits seit einigen
Jahren mit CAD/CAM arbeiten, werden die typischen Umstellungsschwierigkeiten bei der Arbeit mit der neuen Technologie und der veränderten Fertigungsweise dokumentiert. So berichtet etwa Dirk Ahlmann, Inhaber eines zahntechnischen Labors, sehr plastisch über die zahlreichen
Enttäuschungen und Anfangsschwierigkeiten beim Einsatz der neuen Technik in seinem Betrieb. Ahlmann hatte 1992 das System der Firma DCS
angeschafft, das damals noch mit einem mechanisch arbeitenden Abtaster
ausgestattet war. Man hatte sich vorgenommen, von nun an traditionelle
zahntechnische Fertigungstechnik, nämlich die Arbeit mit der verlorenen
Form, durch Digitalisierung der Stumpfoberfläche zu ersetzen. Gleich die
ersten Versuche mit der Digitalisierung brachten offenbar „erschreckende
Ergebnisse“! Alle Werkstücke misslangen und mussten aufwendig mit
Laserschweißtechnik „gerettet“ werden. Man musste sich schnell von dem
Gedanken einer Produktion im größeren Rahmen verabschieden und beschränkte sich fortan auf die Anfertigung von Einzelteilen.
Ahlmann berichtet von schwierigen, langwierigen Lernprozessen im Umgang mit der neuen Technik. Dabei war man sich nicht immer klar darüber,
welcher Anteil an den Misserfolgen auf eigenes falsches „Handling“ oder
auf nicht funktionierende Software zurückzuführen war. Zwischendurch
kam der Verdacht auf, sich für „eine komplett falsche Technologie“ entschieden zu haben. Zu den wichtigsten Erfahrungen zählte die Notwendigkeit einer vollständigen Veränderung der Arbeit von Anfang an: „Die
Anwendung jeglicher Erfahrungen aus jahrelanger Gusstechnologie führten
zu Misserfolgen, ein völliges Umdenken war erforderlich.“ Erst nach einer
Anlernzeit von drei Jahren gelang es in diesem Fall offenbar, zu qualitativ
brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Dazu war allerdings ein ständiger
Austausch mit der Herstellerfirma notwendig, der auch zur Weiterentwicklung von Soft- und Hardware führte. Heute, nach über acht Jahren Arbeit mit
dem DCS-Frässystem hat man es bei Ahlmann letztlich erreicht, die Gerüstherstellung so zu standardisieren, „dass innerhalb der Produktion mehr Zeit
für den ästhetisch-künstlerischen Bereich bleibt“ (vgl. Ahlmann, 2000).
In einem anderen Praxisfall berichtet ein Laborinhaber über seine Erfahrungen mit dem Einsatz des digiDent-Frässystems der Fa. Girrbach. Der Autor
glaubt, angesichts der technischen Entwicklung sei ein Übergang von
handwerklicher zu industrieller Produktionsweise auch im Zahntechnikerhandwerk letztlich unvermeidlich. Wer diesen Trend nicht mit vollziehe,
104
verschwinde über kurz oder lang vom Markt oder produziere Nischenprodukte. Angesichts dieser Situation stünden heute viele Labore vor der
Entscheidung, sich entweder mittels CAD/CAM ein neues Standbein aufzubauen oder eine Dienstleistung von Fremdfirmen (Fräszentren) anzunehmen. Er entschloss sich, mittels der CAD/CAM-Fertigung ein eigenes weiteres Standbein aufzubauen. Separat vom weiterhin handwerklich arbeitenden Laborbetrieb wurde ein eigenes Fräszentrum errichtet, das seine
Dienstleistungen für andere Dentallabore und für Zahnärzte anbietet. Der
Autor kommt zu dem Schluss, dass heute die „sehr rationelle Fertigung der
CAD/CAM-Anlage aus dem Labor nicht mehr wegzudenken“ sei. Die
Anlage erlaube die Erschließung neuer Marktsegmente und könne
insbesondere die steigenden Nachfrage nach vollkeramischen Materialien
befriedigen. Für den Autor ist demnach klar, „dass die neue Technik ein
fester Bestandteil der Fertigung im zahntechnischen Labor wird“. Leider
fehlen in dem Bericht Hinweise auf die Qualifikationsanforderungen im
Umgang mit der neuen Technik. Man erfährt lediglich, die Labormannschaft
stehe „den neuen Möglichkeiten offen gegenüber, denn technischer Fortschritt ist nicht aufzuhalten...“ (vgl. Gojowy, 2002).15
7.4
Folgen für Organisation, Weiterbildung
und Beschäftigung
Mit dem dezentral-zentralen Mischtypus des CAD/CAM-Einsatzes werden
in absehbarer Zeit vor allem neue Anforderungen auf die Zahntechniker
hinzukommen, die sowohl auf der Ebene der Erstausbildung als auch der
beruflichen Weiterbildung zu bewältigen sind. Mit einer Dequalifizierung der
Zahntechniker ist dagegen nicht zu rechnen. Es wird eher möglich sein, das
Gewicht noch stärker als bisher auf hohe Qualität bei den beiden in den
Labors verbleibenden Fertigungsschritten Modellerstellung und Verblendung zu legen.
Das Berufsbild der Zahntechniker wird sich im Zusammenhang mit der CAD/
CAM-Anwendung jedoch insgesamt ändern. Die Arbeit mit der neuen
Technik verlangt in hohem Maße ein Dazulernen und eine Veränderung
15
Die Fachzeitschriften sind in den letzten Jahren voll von solchen Praxisberichten, die
jeweils die Qualitäten einzelner CAD/CAM-Systeme schildern. Ihr Wert ist allerdings
dann begrenzt, wenn man spürt, dass bei diesen sog. Erfahrungsberichten die PRAbteilungen der entsprechenden Herstellerfirma den Autoren die Feder geführt haben.
105
eingeschliffener Arbeitsweisen. Von einzelnen Herstellern wird über Fälle
berichtet, wo die traditionell ausgebildeten Zahntechniker trotz Anlernens
nicht in der Lage waren, das System zu bedienen. Andere Hersteller betonen
dagegen, die Bedienung ihrer Software sei selbsterklärend und leicht zu
erlernen. In Zukunft wird das Qualifikationsprofil von Fachkräften der
Zahntechnik neben dem traditionellen handwerklichen Material- und
Fertigungswissen grundlegende Kenntnisse der CAD/CAM-Technologie und
die Fähigkeit zu ihrer kreativen Anwendung umfassen müssen.
Interessant ist ein Hinweis auf möglicherweise generationsspezifische Vorbehalte gegenüber der neuen Technik: So wurde beobachtet, dass vor allem
Lehrlinge lieber mit dem PC arbeiteten, statt z. B. Metallarbeiten durchzuführen. Sie entwerfen daher gerne Käppchen am Bildschirm und schätzten
dies - offenbar im Unterschied zu ihren älteren Kollegen - als verantwortungsvolle Aufgabe ein (vgl. Quintessenz Zahntechnik, Heft 7/2002, S 778).
So schwer sich die Mehrheit der heutigen Meistergeneration mit der CAD/
CAM-Technik offenbar wirklich anfreunden kann, so selbstverständlich
wird sie von der Generation der in den nächsten Jahren entsprechend
ausgebildeten Zahntechniker als Werkzeug eingesetzt werden.
Durch die räumlich-organisatorische Trennung zwischen Digitalisierung (CAD)
und Materialbearbeitung (CAM) wird sich der Bereich externer Fertigungsbetriebe ausweiten und zu einer eigenständigen Größe im Zahntechnikerhandwerk werden. Die Betreiber solcher Fertigungszentren werden in
erster Linie die Dentalindustrie sowie der Dentalhandel sein. In sofern wird
künftig also eine wichtige Fertigungsstufe des Zahnersatzes aus der
Handwerksbranche im engeren Sinne in angrenzende Wirtschaftsbereiche
verlagert werden. Eine Alternative zu dieser Tendenz der Externalisierung
liegt in den in den vergangenen Jahren sich stark ausbreitenden Firmenverbünden mittelständischer Zahntechnikerfirmen. Bereits heute nutzen die
Mitglieder solcher Netzwerke die technischen Einrichtungen anderer
Mitgliedsbetriebe. Eine Nutzung von CAM-Maschinen im Firmenverbund
kann die Auslastung und die wirtschaftliche Amortisation solcher Anschaffungen ermöglichen. In sofern dürfte die Konzeption der überbetrieblichen
Zusammenarbeit („Gemeinsam sind wir stark!“) zwischen Handwerksunternehmen auch im Zuge der weiteren Ausbreitung von CAD/CAMTechnik weiteren Aufschwung erleben.
Sofern in mittlerer Frist von den Herstellern auch Gerätekonstellationen zu
Preisen angeboten werden, die auch einer größeren Zahl von Betrieben
erlauben, alle Arbeitsschritte der CAD/CAM-Technologie im eigenen zahn-
106
technischen Labor zu betreiben, werden sich weitere Veränderungen für
Arbeitsstrukturen und Qualifikationsanforderungen ergeben. Die Bedienung und Überwachung der Fräsmaschinen erfordert eine zusätzliche
spezielle Ausbildung. Sofern hier Arbeitsplätze entstehen, die auf die CNCMaschinen spezialisiert sind, könnten hier in Zukunft wahrscheinlich auch
Arbeitnehmer ohne vollständige Facharbeiterausbildung eingesetzt werden.
Andererseits sehen die meisten Laborinhaber, mit denen wir über ihre
Erfahrungen mit der CAD/CAM-Anwendung sprachen, das Zahntechnikerhandwerk dadurch nicht auf dem Wege zur Industrialisierung. Sie sind davon
überzeugt, dass es zu einer „handwerklichen“ Anwendung der neuen
Technologie kommen wird. Sie sehen die neue Technik eher als ein neues
Werkzeug in den Händen von Handwerksgesellen.
Durch den Wegfall traditioneller Arbeitsschritte der Zahntechniker
(Artikulatoren, Wachsmodellation, Einbetten, Guss etc.) fällt prinzipiell auch
der entsprechende Arbeitsaufwand weg. Dies wird langfristig-strukturell
auch zu einem verminderten Bedarf an Arbeitskraft in den Laboren führen.
Der Umfang dieses künftigen Minderbedarfs an qualifizierter Arbeitskraft ist
heute noch nicht zuverlässig abzuschätzen. Insbesondere bei der in den
meisten kleinen und mittleren Dentallaboren verbreiteten Arbeitsstruktur
weitgehend ganzheitlicher Arbeitsvollzüge durch die Zahntechniker wird es
eher zu einer Umstrukturierung der Arbeitsaufgaben kommen. In Betrieben
mit bereits taylorisierter Arbeitsorganisation können dagegen bestimmte
handwerkliche Arbeitsschritte leichter vollständig durch Maschinen ersetzt
werden. In solchen Fällen kann die Anschaffung einer CNC-Frässtation auch
in Dentallabors zur Entlassung von Arbeitskräften führen.
Insgesamt ist aufgrund des CAD-CAM-Einsatzes mit einer Entlassungswelle
in den kommenden Jahren nach Ansicht der Inhaber und Arbeitnehmer aus
der Branche, die wir befragten, jedoch kaum zu rechnen. Der Anteil
handwerklicher Fertigung wird auch bei maschineller Herstellung von Rohprodukten hoch bleiben. Eine richtige Massenproduktion nach industriellem
Vorbild sei aufgrund der Individualität jedes einzelnen Zahnersatzes grundsätzlich nicht denkbar. Dass CAD/CAM sich zum Jobkiller auswirken könnte,
wurde von allen, mit denen wir in der Branche sprachen, weitgehend
ausgeschlossen. Allerdings wurde immer wieder betont, dass sich alle Arbeitnehmer wie Inhaber - künftig stärker umstellen müssten. Ohne
gezielte Weiterbildung an neuen Materialien und Techniken habe der Beruf
keine Chance.
107
„Ein Jobkiller ist CAD/CAM keinesfalls. Bestenfalls wird es zu Verlagerungen
kommen. Die heutige Arbeitswelt ist eine Bewegung ohne Ende. Ständig
kommen Neuerungen hinzu. Alles ist im Fluss. Wer Strömungen nicht nutzt,
verliert den Job.“16
In einem indirekten Sinne könne CAD/CAM jedoch dann zum „Jobkiller“
werden, meinte einer unserer Gesprächspartner, wenn sich die Anschaffung des teuren Geräts betriebswirtschaftlich nicht rechne und ein Dentallabor aufgrund einer solchen unüberlegten Anschaffung in wirtschaftliche
Schwierigkeiten gerate ...
7.5
Wann setzt sich CAD/CAM durch?
Bereits seit Mitte der 80er Jahre werden CAD/CAM-Geräte angeboten. Bis
heute hat die Technologie jedoch noch keinen branchenweiten Durchbruch
erzielen können. Eine Reihe von Varianten ist nach wenigen Jahren wieder
vom Markt verschwunden, weil sie entweder keine wirkliche Praxistauglichkeit erreicht hatten, nur einen sehr kleinen Einsatzbereich (nur
bestimmte einfache Formen des Zahnersatzes) abdeckten, oder wirtschaftlich nicht zu betreiben waren.
Zwar bieten alle Hersteller heute eigene Systeme an. Die verkauften
Stückzahlen dürften bisher jedoch sehr niedrig liegen. Die Hersteller zeigten
Ihre Systeme zwar auf allen dentaltechnischen Messen der vergangenen
Jahre. Bei manchen dieser Angebote handelte es sich aber noch um
Prototypen, deren Dentallabortauglichkeit noch nicht unter Beweis gestellt
wurde. Angesichts der derzeitigen unklaren politisch-ökonomischen Rahmenbedingungen der Branche reagiert der Markt überwiegend verunsichert.
Viele potenzielle Käufer verharren bisher offenbar in der „Erst-einmalabwarten-Position“ (vgl. Quintessenz Zahntechnik, Heft 1/2002, S. 65).
Auf der Grundlage von Einschätzungen aus unseren Expertengesprächen
mit Wissenschaftlern und Betriebsinhabern schätzen wir, dass heute maximal 1.000 CAD/CAM-Systeme in den deutschen Dentallabors stehen. Diese
sind entweder gekauft oder geleast. Die Zahl der Systeme, die auch in der
16
Henning Rörup, Inhaber der Firma „Mesch-Dental“, Bad Bevensen, in einem Interview
in der Zeitschrift „Quintessenz Zahntechnik“, Heft 1/2002, S. 63-69
108
Produktion eingesetzt werden, dürfte jedoch deutlich niedriger sein. In
mehreren Gesprächen mit Inhabern und Zahntechnikern erfuhren wir, dass
in vielen Betrieben die Geräte verschiedener Hersteller eine Zeit lang erprobt
wurden, man sich zum Kauf jedoch dann nicht entschließen konnte. In
einigen Fällen berichtete man uns auch, dass Geräte, die vor einigen Jahren
für teures Geld angeschafft worden seien, heute in der Abstellkammer des
Labors verstaubten.
Worin liegen die wesentlichen Verbreitungshindernisse? Vollständige CAD/
CAM-Systeme kosten bisher zwischen 50.000 und 150.000 Euro. Die hohen
Herstellungskosten für die Geräte ergeben sich nicht zuletzt daraus, dass bei
den niedrigen Stückzahlen, die die Hersteller bisher absetzen können, die
Geräte bisher nach Auftragserteilung jeweils quasi handwerklich gefertigt
werden müssen. Auch die größeren Hersteller dürften bisher pro Jahr kaum
mehr als 20 bis 50 solcher Geräte absetzen. Selbst das Produkt des
derzeitigen Marktführers „Precident“ der Schweizer Firma DCS dürfte nach
Einschätzung von Experten bisher kaum mehr als 200 mal ausgeliefert
worden sein.
Da die hohen Investitionskosten vollständiger CAD/CAM-Systeme die finanziellen Möglichkeiten der meisten zahntechnischen Betriebe übersteigen,
setzen zunehmend immer mehr Hersteller auf eine Teilung der Gerätekonfiguration. Sie bieten den Dentallabors lediglich die CAD-Komponenten
an. Solche Geräte erfordern nur Investitionen zwischen 20.000 und 45.000
Euro. Die eigentliche CAM-Fertigung wird dann an zentrale Bearbeitungszentren vergeben. Diesem „abgespeckten“ Modell werden allgemein größere Verbreitungschancen zugesprochen.
Grundsätzlich bestehen für Dentallabors demnach drei Varianten der CAD/
CAM-Nutzung:
• Ohne eigene Investitionen in die CAD/CAM-Technik können Labors ihre
Modelle an ein Fräszentrum versenden und das zu verblendende Gerüst
zurück erhalten,
• Sie können einen sog. „Scanner“ zur Digitalisierung der Modelldaten
anschaffen und die für die Herstellung benötigten Daten an ein Fräszentrum übermitteln, oder
• Sie können das gesamte CAD/CAM-System anschaffen, im eigenen
Labor betreiben und darüber hinaus zur wirtschaftlichen Auslastung für
andere Labors Aufträge übernehmen.
109
Einen spürbaren Schub in Richtung CAD/CAM-Anwendung wird es in den
deutschen Dentallabors allerdings erst geben können, wenn wenigstens ein
Teil der zahntechnischen Fachkräfte über die entsprechenden Zusatzqualifikationen verfügen und zur Arbeit mit den neuen Fertigungsmethoden
motiviert sind. Dies wird erst der Fall sein, wenn CAD/CAM-Wissen zum
systematischen Teil der Berufsausbildung und der Weiterbildung geworden
ist. In sofern gehen auch vom Ausbildungssystem fördernde bzw. hemmende Einflüsse auf die Verbreitungschancen der neuen Technologie aus.
Verbreitungshindernisse liegen nicht nur auf der Ebene der Dentallabors mit
ihrer Investitionsschwäche und ihren Entwicklungsproblemen. Entscheidend für die Frage, ob sich eine neue Technik durchsetzt, ist letztlich das
Verhalten der Zahnärzte. Eine volle Nutzung der CAD/CAM-Technologie
ergibt sich in aller Regel nur, wenn damit auch neue Materialien zum Einsatz
kommen, die mit traditionellen Arbeitsverfahren nicht bearbeitet werden
können. Hierbei geht es in erster Linie um Produkte aus metallfreier
Hartkeramik („Zirkonoxyd“). Diesem Material werden besondere ästhetische und biokompatible Eigenschaften nachgesagt. Nur wenn sich die
Zahnärzte mit dem neuen Material und seinen Eigenschaften anfreunden
können, werden sie diese den Patienten auch einsetzen. Bisher überwiegen
jedoch noch die Vorbehalte gegenüber der Hartkeramik. Der Marktanteil
von Hartkeramikprodukten liegt derzeit bei nur ein bis drei Prozent.
Die Diskussion scheint hier erst gerade begonnen zu haben: „Was Gold und
Legierungen in Jahrzehnten erreicht haben und was Zahnmedizin und
Zahntechnik an Erfahrungen damit gewonnen haben, kann Zirkonoxyd
nicht in wenigen Jahren erreichen. (...) Wir müssen keramisch denken
lernen!“, so wird ein Experte auf der Jahrestagung 2002 der „Arbeitsgemeinschaft Dentale Technologie“ zitiert (vgl. Dental-Labor, Heft 7/2002).
Der Zahnarzt ist bei der Einführung neuer Materialien und Verfahren
generell das konservative Element. Wenn der Zahnarzt aus einem neuen
Produkt einen Nutzen zieht, dann kann sich dieses relativ schnell ausbreiten.
Dies war etwa der Fall bei den in den 90er Jahren aufgekommenen
vollkeramisch adhesiven Inlays. Sie waren von den Zahnärzten offenbar
leicht und erfolgreich einzusetzen. Ihre Fertigung konnte gut mit dem
CEREC-System, das ursprünglich für die Zahnärzte selbst entwickelt wurde,
bewerkstelligt werden.
Das im Zusammenhang mit CAM wichtige Material Hartkeramik ist zur Zeit
noch extrem teuer, es kostet in der Regel mehr als Gold. Es spielt derzeit
gewissermaßen noch die Rolle des „angesagten In-Materials“ für Privatpa-
110
tienten. Diese Position von Hartkeramik als „exotisch und teuer“ ist damit
auch eine weitere Hürde für eine stärkere Verbreitung der CAD/CAMSysteme.
Für die zahntechnischen Labore besteht ein weiteres Anwendungshindernis
darin, dass man sich beim Kauf eines CAD/CAM-Gerätes der Firma A. auch
daran bindet, ausschließlich das teure Rohmaterial beim entsprechenden
Hersteller zu kaufen. So können also die derzeitigen hohen Materialpreise
als eine weitere sehr wichtige Verbreitungshürde der neuen Technik gelten.
- Wir haben es demnach heute noch mit einer doppelten Sperre gegenüber
einer stärkeren Verbreitung der CAD/CAM-Technik in der Zahntechnikerbranche zu tun:
• Zahnärztliche Vorbehalte gegenüber dem Einsatz von Zahnersatz aus
Hartkeramik, 17
• Hohe Anschaffungs- und Betriebskosten der Technologie, die einen
wirtschaftlichen Einsatz in kleinen und mittleren Dentallabors nicht
ermöglichen.
Unsere Gesprächspartner stimmten aber darin weitgehend überein, dass
dem Duo CAD/CAM und Hartkeramik die Zukunft in der Zahntechnik
gehören dürfte. Nach diesen Einschätzungen dürfte diese Technologie in
etwa 10 Jahren einen wichtigen Marktanteil errungen haben.
Noch nicht klar ist heute, ob und in welchem Maße CAD/CAM später auch
zur Kostenreduktion beitragen kann. Dies würde eine Senkung der Materialkosten sowie eine Einsparung von Personalkosten für qualifizierte Zahntechniker und ihren Ersatz durch angelernte Arbeiter an den Fräsmaschinen
voraussetzen.
17
Für den sehr wahrscheinlichen Fall, dass die Patienten in naher Zukunft, dadurch, dass
sie immer größere Kostenanteile des Zahnersatzes aus eigener Tasche zahlen, stärker
selbst Einfluss auf die Auswahl der Zahnersatzmaterialien nehmen werden, wird ihr
Urteil ebenfalls stärker über die Verbreitungschancen von CAD/CAM im Zusammenhang
mit Hartkeramik mitentscheiden. Nach Ansicht von Zahnärzten, mit denen wir über
diese Frage gesprochen haben, wird sich der bereits bei den Zahnärzten anzutreffende
Materialkonservativismus möglicherweise noch verstärken: Die Patienten sind
Experimenten in ihrem Mund verständlicherweise grundsätzlich abgeneigt und werden
sich eher für das „Bewährte“ entscheiden. Eine Wende könnte hier nur eine deutliche
Preissenkung der Hartkeramikprodukte bringen.
111
Sicher wird die CAM-Technik in Zukunft hochfeinen ästhetischen Zahnersatz ermöglichen. Die CAD/CAM-Technologie als ganzes wird sicher nicht
mehr vom Markt verschwinden. Sie wird sich in ihren einzelnen Elementen
weiterentwickeln und ausdifferenzieren. Die bisher bekannten Vollsysteme,
die Digitalisierung, CAD und CAM-Fräsung als ganzes für die Anwendung im
zahntechnischen Labor anbieten, werden möglicherweise aber nur eine
vorübergehende Episode bleiben. In Zukunft werden wahrscheinlich die
Teilsysteme der ersten beiden Stufen (Digitalisierung, CAD) dezentral in den
Labors eingesetzt werden und das dritte Teilsystem (CAM) in zentralen
Fräszentren. In einer späteren Entwicklungsstufe der Technologie, die dann
preisgünstige integrierte und leicht zu bedienende Systeme ermöglichen
würde, ist dann auch ein dezentraler Einsatz von CAD/CAM in kleinen und
mittelgroßen Handwerksbetrieben vorstellbar. Erst wenn die CAD/CAMTechnik - etwa analog zur Entwicklung vom elektronischen Großrechner
zum Personalcomputer - diesen Weg zurückgelegt hat, dann wird sie sich
schließlich mit der individualistischen und leicht zur Isolation neigenden
Betriebsführungsmentalität vieler Zahntechnikermeister versöhnen können.
112
8
Einkommensentwicklung
In diesem Abschnitt wird auf die Entwicklung der Löhne und Gehälter im
Zahntechniker-Handwerk eingegangen. Insbesondere interessierte hier die
Frage, welche Einflüsse die gesetzlichen Eingriffe der Gesundheitsreform
auch auf diesen Faktor der Branchenentwicklung genommen haben. Im
Zahntechniker-Handwerk bestehen, im Unterschied zu den meisten Berufen des Gesundheitswesens, keine Flächentarifverträge. So stellte sich auch
die Frage, in welcher Ausdifferenzierung die betriebliche Lohn- und
Gehaltsfindung vorgenommen wird und wie sie sich aktuell gestaltet.
8.1
Äußere Einflüsse auf das Lohnniveau
Das Zahntechniker-Handwerk ist in besonderer Weise von gesetzlichen
Eingriffen betroffen, die nicht nur das Versorgungsverhalten der Patienten
und ihrer Zahnärzte beeinflussen, sondern damit auch den Fachkräftemarkt
der Zahntechniker. Deren Lohnniveau und Lohnstruktur werden durch diese
gesetzlichen Eingriffe unmittelbar berührt. Allein am Beispiel der Umsatzeinbrüche in Folge der zweiten Seehoferschen Reform 1998 ist eine erhebliche
Dämpfung des Lohn- und Gehaltsniveaus zu beobachten. Im Zusammenwirken mit der Höchstpreisentwicklung führt dies in der Branche zu einer
Situation, in der jährliche Lohnerhöhungen, wie sie in anderen Branchen
stattfinden, von den Dentallabors nicht geleistet werden können (Winkler,
W., o. J.).18
Zum Verständnis dieses Hintergrunds ist es hilfreich, sich die Marktbeziehungen der Branche zu vergegenwärtigen: Weder ist die zahntechnische
Leistung eine eigenständige, noch ist der einzelne Handwerksbetrieb ein
originärer Leistungserbringer im Sinne des Gesetzes, der über seine eigenständige Leistung eine direkte vertragliche Vereinbarung mit den Krankenkassen abschließt, wie etwa der Arzt oder Hörgeräteakustiker bzw. deren
Verbände. Infolgedessen bekommt das Labor seinen Auftrag weder von der
Krankenkasse noch vom Patienten selbst - es wird ausschließlich im Auftrag
des Zahnarztes tätig.
18
Im Rahmen dieses Aufsatzes erörtert der Geschäftsführer des VDZI den Zusammenhang
zwischen regulierten Absatzpreisen und Lohnentwicklung.
113
Zur Regelung der Marktbeziehungen werden zwischen den Landesverbänden
der Krankenkassen und den Innungsverbänden Verträge über Höchstpreise
für zahntechnische Leistungen abgeschlossen. Ziele dieser Verträge sind,
einerseits den Zahnärzten eine Kalkulationssicherheit zur Steuerung der
Ausgaben zu verschaffen, für die Versicherten bedeuten sie Preissicherheit
bzw. einen Schutz gegen knappheitsbedingte Preissteigerungen, und für die
Krankenkassen stellen sie Transparenz für das reale Leistungsgeschehen
dar. In diesen Kollektivverträgen (BEL) werden keine konkreten Leistungspreise, sondern lediglich limitierende Rahmendaten vereinbart. Letztlich
werden allein zwischen Zahnarzt und Zahntechniker die realen Preis-,
Leistungs- und Qualitätszusammenhänge bestimmt - im Wettbewerb unter
den Handwerksbetrieben.
Ein kurzer historischer Rückblick: Die extreme Nachfragesteigerung bei
Zahnersatz ab Mitte der siebziger Jahre traf auf zu geringe Herstellungskapazitäten. Erhebliche Lohnsteigerungen waren ebenso die Folge, wie
steigende Ausbildungsinvestitionen, bis hin zu einer Ausbildungsquote von
fast 25 Prozent. Erst in den frühen 80er Jahren konnte die Lohndynamik und
der daraus resultierende Preisdruck vermindert werden. Das war auch der
Hintergrund für den Gesetzgeber, für zahntechnische Leistungen ein Abrechnungssystem mit Höchstpreisregelung einzuführen (vgl. Winkler, W., o.
J., S. 5).
Der Zusammenhang zwischen Preis und Lohn erweist sich somit wegen ihrer
Personalintensität als das Spezifikum der Branche. Für die Beschäftigten
führte dies seit Beginn der 90er Jahre zumindest teilweise zu einer Abkoppelung von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, für die Unternehmen zu einem durchaus existenziellen Problem.
Bis 1989 sind zumindest die gezahlten Bruttomonatslöhne nahezu konstant
gehalten worden. Ab 1990 sind erstmals wieder nennenswerte Steigerungsraten, wie auch bei der Höchstpreisentwicklung, festzustellen. Dieser
Steigerungsrate ging eine Steigerung der Zahnersatznachfrage voraus, die
im wesentlichen durch die starke Bevölkerungszuwanderung und durch den
‘Vereinigungsboom’ begründet gewesen ist. Auch hier führte wieder die
Knappheit der Fachkräfte im Zahntechniker-Handwerk bei freien Arbeitsmärkten zu schnelleren Lohnsteigerungen. Der Gesetzgeber reagierte auf
die hohe Zahnersatznachfrage im Rahmen des Gesundheitsstrukturgesetzes
1992 mit einer Absenkung der Höchstpreise um 5 Prozent ab 1993 und einer
Quasi-Bindung der Höchstpreise an die Entwicklung der beitragspflichtigen
Einnahmen je Mitglied in der GKV (vgl. Winkler, W., o. J., S. 6).
114
Vergleich der Monatsbruttoeinkommen
der Zahntechniker mit dem Handwerk allgem ein
150
Handwerk
allgemein
140
Index 1986 = 100%
Alte Bundesländer
130
120
ZahntechnikerHandwerk
110
100
'86
'87
'88
'89
'90
'91
'92
'93
'94
'95
'96
'97
'98
'99
'00
'01
Quelle: Winkler, W., 2001 (VDZI); eigene Darstellung Büro für Sozialforschung, Kassel, 2003
Lohnindex Handwerk (allgemein): Fachserie 16, Reihe 3, “Arbeitsverdienste im Handwerk”,
Statistisches Bundesamt
Lohnindex Zahntechniker-Handwerks: Er ergibt sich aus den Ergebnissen der Lohnerhebungen
des V DZI
Bild 17: Vergleich der Monatsbruttoeinkommen
Bild 17 verdeutlicht nun die entstandene „Lohnschere“. Die monatlichen
Bruttolöhne19 sind im allgemeinen Handwerk seit 1985 um 53 Prozent
gestiegen. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn des Zahntechnikers stieg
im gleichen Zeitraum nur um 29 Prozent. Winkler: „Hierdurch erhält das
Zahntechniker-Handwerk zunehmende Lohnkonkurrenz um die qualifizierten Fachkräfte, gegen die es angesichts der Preisentwicklung immer weniger bestehen kann.“ (ders., S. 7). Die leicht steigende Tendenz, die der
Verlauf der Einkommenskurve des Zahntechnikerhandwerks für 2001 aufweist, erklärt sich mit einem gestiegenen Auftragsvolumen in diesem
Zeitabschnitt, das zu mehr Arbeit und damit zu einer höheren
Bruttoeinkommenssumme geführt hat.
19
ohne Berücksichtigung der Sonderzahlungen wie z.B. das 13. Monatsgehalt.
115
Eine nachlassende Attraktivität der Branche, zunehmende Abwanderung
aus Gewerbe und Beruf, sinkendes Interesse an Ausbildungsplätzen und die
Tendenz zur Bildung von selbständigen Kleinstbetrieben, deren Zahl seit
Mitte der 90er Jahre steigt, sind als Folgen dieser Entwicklung anzusehen.
8.2
Lohnerhebungen als betrieblicher
Orientierungsrahmen
Die oben dargestellten Monatsbruttoeinkommen im Zahntechniker-Handwerk fußen auf den Ergebnissen der Lohnerhebung des VDZI. Diese empirischen Erhebungen über das Lohn- und Gehaltsniveau in Innungsbetrieben
werden in jährlichen Abständen durchgeführt. Aufgrund der Ermangelung
von Tarifverträgen kommt dieser jährlichen Erhebung eine wichtige
Dienstleistungsfunktion für die zahntechnischen Betriebe zu, die somit quasi
über einen „Orientierungsrahmen“ für die betriebliche Lohn- und
Gehaltsfindung verfügen. Da die real gezahlten Einkommen in Höhe und
Struktur regional erheblich streuen, weist diese Erhebung auch Tabellen
nach Innungsbereichen auf, jeweils differenziert nach den Abteilungen
Kunststoff, Modellguss, Edelmetall und Keramik sowie Allroundtechniker.
Zusätzlich wird eine Differenzierung nach Gesellenjahren vorgenommen.
Tabelle 4 zeigt in groben Schritten die Entwicklung der Löhne und Gehälter
zwischen 1986 und 2001.
Tabelle 4: Monatslöhne und Gehälter
Monatslöhne und Gehälter nach Abschluss des 2. Geschäftsjahres, alte Bundesländer
Abteilung:
1986
1992
1996
2001
Kunststoff
978 €
1.275 €
1.385 €
1.451 €
Modellguss
1.036 €
1.393 €
1.328 €
1.614 €
Edelmetall/Keramik
1.058 €
1.467 €
1.430 €
1.678 €
Allround-Techniker
-
1.433 €
1.268 €
Angestellte
Zahntechnikermeister
-
3.440 €
3.677 €
Zahntechnische
Hilfskräfte
866 €
1.129 €
1.125 €
1.733 €
in der
nicht in der
Produktion: Produktion:
3.729 €
3.910 €
1.286 €
Quellen: VDZI, 2002: Löhne und Gehälter im Zahntechniker-Handwerk 2001 sowie Feldmann, U.,
Budelmann, H., 1998; eigene Berechnung (auf Euro-Basis) und Darstellung
116
An der Lohnerhebung 2001 haben sich 644 Betriebe beteiligt, 523 davon aus
den alten Bundesländern. In den 644 Betrieben waren 6.960 Beschäftigte zu
verzeichnen, die durchschnittliche Beschäftigtenzahl pro Betrieb betrug
11,1. Von den 5.181 Innungsbetrieben haben sich somit 12,4 Prozent an der
Erhebung beteiligt. Zur Repräsentativität der Daten fällt auf, dass die
durchschnittliche Betriebsgröße der an der Befragung beteiligten Labors
größer ist als im realen Branchenmaßstab. Daher ist zu vermuten, dass echte
Durchschnittswerte hinsichtlich der monatlichen Löhne und Gehälter eher
nach unten zu korrigieren sind.
Wichtige Ergebnisse der Lohnerhebung in 2001 waren:
• Die Löhne und Gehälter in den neuen Bundesländern erreichen ein
durchschnittliches Lohnniveau von rund 71 Prozent der Einkommen in
den alten Bundesländern.
• Im Vergleich zum Jahr 2000 sind die durchschnittlichen Löhne und
Gehälter im Westen um 4,3 Prozent (neue Bundesländer: 3,3%) gestiegen. Vor allem erfahrene Techniker konnten Lohnerhöhungen erzielen.
Der VDZI erklärt die für die Branche vergleichsweise nicht unerheblichen
Lohnerhöhungen mit der Notwendigkeit der Versorgung durch qualifizierte Beschäftigte.
• Auszubildende in den alten Bundesländern erhalten im ersten Lehrjahr
durchschnittlich 600 DM (307 €), im zweiten Lehrjahr 712 DM (364 €), im
dritten 830 DM (424 €) und im vierten 941 DM (481 €). In den neuen
Bundesländern beträgt die Ausbildungsvergütung zwischen 64 und 66
Prozent.
Eingeschlossen in die Lohnerhebung sind auch Fragen zu betrieblichen
Standards, die in anderen Branchen gemeinhin Regelungsbestandteil in
Rahmentarifverträgen sind. Die wichtigsten Ergebnisse für 2001 waren:
• Arbeitszeit: 72,5 Prozent der Betriebe vermelden eine Arbeitszeit von 40
Wochenstunden, eine geringere Arbeitszeit wird von 27,0 Prozent der
Betriebe mitgeteilt, eine längere Arbeitszeit von 0,5 Prozent.
• Urlaubstage: Durchschnittlich erhalten die Beschäftigten im Westen 26,2
Urlaubstage, im Osten 25,2. Die Vergleichszahl des tariflichen Jahresurlaubs in der Gesamtwirtschaft für 2001 beträgt 30,6 Tage.
117
• Urlaubsgeld: Der Anteil der Betriebe, die 2001 ein zusätzliches Urlaubsgeld zahlten, nahm gegenüber dem Vorjahr ab, im Westen von 41,4 auf
40,5 Prozent, im Osten von 30,1 auf 27,3 Prozent. Die durchschnittliche
Höhe des Urlaubsgeldes lag im Westen bei 45 Prozent des Bruttolohnes,
im Osten bei 37 Prozent. Beide Durchschnittswerte lagen leicht über
denen des Vorjahres.
• Weihnachtsgeld: 65,6 Prozent der Betriebe in den alten Bundesländern
zahlten Weihnachtsgeld (1997 waren es noch 74,9%), das im Durchschnitt 58,9 Prozent des Bruttoeinkommens ausmachte. Im Osten zahlten 47,1 Prozent (1997: 61,7%), die Höhe betrug 51,6 Prozent eines
Bruttolohnes.
• Vermögenswirksame Leistungen: In den alten Bundesländern zahlten
71,7 Prozent der Betriebe vermögenswirksame Leistungen, in den neuen
Ländern 50,4 Prozent.
• Darüber hinaus werden von den Betrieben zahlreiche unterschiedliche
freiwillige soziale Leistungen gemeldet, sie reichen von Prämien (Gewinnprämien bzw. Gewinnbeteiligungen, Umsatzprämien, Treueprämien) bis
hin zur Gewährung von Fahrtkostenpauschalen oder Zuwendungen bei
Jubiläen, Hochzeiten, Geburtstagen etc.
Eine weitere Lohnerhebung im Zahntechniker-Handwerk wurde von der IG
Metall 1999 vorgelegt (IG Metall Vorstand, Abt. Handwerk, Abt. Tarifpolitik,
1999). Ein direkter Vergleich der Ergebnisse mit der VDZI-Erhebung ist nicht
möglich, da bei den IGM-Zahlen eine Differenzierung nach Berufsjahren
nicht vorgenommen wird. Hinzu kommt, dass das Ausgangssample in der
gewerkschaftlichen Untersuchung wesentlich kleiner ist, als in der des VDZI.
Kommentierend zu den Unterschieden der ermittelten Einkommenshöhen,
betrachtet nach Abteilungen, heißt es bei der IG Metall: „Die Unterschiede
der durchschnittlichen Stundenlöhne innerhalb der Abteilungen sind enorm.
In den Abteilungen Keramik und Edelmetall schwanken die Stundenlöhne
zwischen 14,36 DM [7,34 €] und 29,31 € [14,99 €]. Das kann im Monat
einen Unterschied von 2.600,- € [1.329 €] brutto für dieselbe Arbeit
ausmachen.“ Im Unterschied zur VDZI-Erhebung hat die IGM auch die
Lohnhöhe getrennt nach Männern und Frauen erhoben und kommt zu dem
Ergebnis, dass eine ungleiche Entlohnung zwischen den Geschlechtern nicht
festzustellen sei.
118
In Gesprächen mit Arbeitnehmern der Branche stellten wir fest, dass die
persönliche Einkommenssituation in der Regel als stagnierend bezeichnet
wird. Mitunter ist sogar von Lohnverlust die Rede, zumindest, wenn längere
Zeiträume in die vergleichende Betrachtung einfließen. Insbesondere bei
den Arbeitnehmern, die die „goldenen 80er Jahre“ in der Zahntechnik erlebt
haben, wird das Zurückbleiben hinter der allgemeinen Lohnentwicklung von
Facharbeitern als besonders gravierend empfunden.
Ein bislang noch nicht angesprochener Effekt der restriktiven Einkommensentwicklung als Folge der Umsatzkrise in der Branche betrifft die Arbeitszeit.
Auf Rückgänge bei den Arbeitsaufträgen wird u. a. auch mit verkürzter
Arbeitszeit reagiert. Daraus ergibt sich unmittelbar auch ein geringeres
Einkommen, da diese Art von Arbeitszeitverkürzung nicht mit einem Lohnausgleich verbunden ist. Diese Art der Reaktion auf die Krise wurde uns bei
Besuchen in Zahntechnik-Labors geschildert. Immerhin handelt es sich bei
dieser Vorgehensweise um einen Beitrag zur Beschäftigungssicherung.
Aus der Berufsstatistik des Statistischen Bundesamtes geht hervor, dass die
Betriebe mit einer weiteren Maßnahme im Bereich der Arbeitszeitverkürzung
zur Reduzierung des „Kostenfaktors Arbeit“ beitragen. Demnach hat sich
der Anteil der Teilzeiterwerbstätigen20 gegenüber den Vollzeiterwerbstätigen
von 1998 bis 2001 von 11,4 Prozent auf 16,2 Prozent erhöht. Der Einsatz von
Teilzeitarbeit scheint eine charakteristische Reaktionsform der Branche auf
Kostendruck und Schwankungen im Arbeitsvolumen zu sein: Auch auf den
Umsatzrückgang in 1993 wurde offenbar mit dem vermehrten Einsatz von
Teilzeitarbeit reagiert (Erwerbstätige nach Berufsordnungen ..., Statistisches Bundesamt, 1993-2001).
20
Als Teilzeiterwerbstätige gelten Erwerbstätige mit einer Arbeitszeit von bis zu 31
Stunden.
119
9
Entwicklung der
Arbeitsbedingungen in den Labors
Veränderungen, denen die Branche im Laufe der Jahre unterlag, sind auch
für die Arbeitsbedingungen in den Dentallabors nicht ohne Folgen geblieben.
Dies betrifft zum Beispiel den Einsatz neuer Techniken wie CAD/CAM und
Laser, den Einsatz neuer Arbeitsstoffe, aber auch eine Verdichtung der
Arbeitsleistung mit Folgen wie erhöhtem Zeitdruck und Stresserscheinungen.
9.1
Die Gesundheit der Zahntechniker/innen
in der Statistik
Zum Zusammenhang von Arbeit und Gesundheit verfügen wir für die
Berufsgruppe der Zahntechniker über empirische Erkenntnisse, die aus dem
Jahr 1997 stammen und in einer Befragung ihrer Versicherten seitens der
Gmünder Ersatzkasse (GEK) erhoben wurden.21 Einige ausgewählte Erkenntnisse aus dieser Studie (Gmünder Ersatzkasse GEK -Hg.-, 1999)
werden hier vorgestellt. Auch wenn die zugrunde liegende Untersuchung
vor mittlerweile sechs Jahren, und damit vor dem Umsatz- und Beschäftigungseinbruch der Branche 1998, erstellt wurde, bietet sie detaillierte Einblicke in
den Belastungs- und Gefährdungskomplex des Zahntechniker-Berufs.
Arbeitsbelastungen
In die Frage nach der empfundenen Arbeitsbelastung wurden nicht nur
Aspekte der Arbeitsumgebung einbezogen, sondern auch solche der Arbeitsorganisation, sowie psychomentale und psychosoziale Faktoren. Die folgende Übersicht präsentiert die acht am höchsten bewerteten Belastungsfaktoren und deren Quantifizierung. Die Antwortmöglichkeiten „sehr stark
belastend“ und „stark belastend“ wurden hier zusammengefasst behandelt.
21
Ende 1997 wurden 2.000 nach dem Zufallsprinzip ermittelte Zahntechniker befragt.
640 ausgefüllte Fragebögen kamen zurück - das entspricht einem Rücklauf von 32
Prozent.
120
Übersicht 1:
Arbeitsbelastung
Übersicht: Arbeitsbelastung
• Zeitdruck
Der Zeitdruck bei der Ausführung der Arbeit wurde am höchsten
bewertet, mit 52 Prozent. Ein hohes (gefordertes) Arbeitstempo,
Hektik und Zeitdruck führen in der Berufsgruppe der Zahntechniker zu
starker oder sehr starker Belastung.
• Zwangshaltung • Vorwiegend sitzen • Staub und Schmutz
Diese Nennungen bezogen sich auf Belastungen, die den Arbeitsplatz
direkt betreffen. Die einseitige körperliche Beanspruchung wurde als
unangenehm empfunden und von fast der Hälfte der Befragten (47%
und 45%) als belastend bewertet. Fast ebenso häufig wurde die
Belastung durch Schmutz und durch den Umgang mit Stäuben empfunden (45%). Alle drei Faktoren wurden von jeweils etwa einem
Viertel der Befragten sogar als sehr belastend empfunden.
• Verantwortung für Qualität • Starke Konzentration • Lärm
• Häufig Störung/Unterbrechung
An fünfter Stelle und immerhin von 36 Prozent der Befragten wurde die
Verantwortung für Qualität als Belastungsfaktor genannt. Ein sozusagen
„rundes Bild“ ergibt sich, wenn man die ebenfalls hoch bewertete
starke Präzisions- und Konzentrationserfordernis (33%) einbezieht,
sowie mögliche Störfaktoren wie Lärm (32%) und häufige Unterbrechungen (29%).
Neben der Belastung durch Stäube und Schmutz, die bereits genannt
wurden, empfanden die Zahntechniker die raumklimatische Situation in den
Laborräumen aber auch durch weitere Faktoren belastet. Etwa ein Viertel
klagte jeweils über den Umgang mir Gasen und Dämpfen (insbesondere
Lösemitteldämpfe), andere Luftverunreinigungen und mangelnden Luftwechsel. Offenbar mangelt es oft an geeigneten Absaugvorrichtungen an
Arbeitsplätzen und in Werkstätten.
Der Häufigkeit der Nennung nach immer noch relevant waren Belastungen,
die sich auf die innerbetriebliche Organisation beziehen. 27 Prozent fühlten
sich durch die anfallende Arbeitsmenge belastet, ein ebenso hoher Anteil
121
durch lange Arbeitszeiten und häufige Überstunden.22 Offenbar wird in
vielen Betrieben versucht, den Arbeitsanfall mit einer knappen Personaldecke zu bewältigen, so dass für 20 Prozent der Befragten die „knappe
Personaldecke“ ebenso zum Belastungsfaktor wird.
Die Befragung lässt auch differenzierte Ergebnisse nach Alter und betrieblicher Funktion zu. Nicht überraschend ist, dass sich Meister und Angehörige
einer mittleren Führungsebene bei einer Reihe von Faktoren weniger belastet fühlten, als Facharbeiter. Facharbeiter fühlten sich von Einflüssen der
Arbeitsumgebung, Arbeitsorganisation und des Arbeitsvolumens durchweg
stärker belastet. Dies kann damit zu tun haben, dass die Meisterebene
aufgrund der betrieblichen Arbeitsteilung über teilweise andere Arbeitsbedingungen verfügt. Ein einzelner Einflussfaktor hatte bei den Meistern ein
höheres Gewicht (37%) als bei den Facharbeitern (28%): häufige Störungen
und Unterbrechungen im Arbeitsablauf.
Bei der Betrachtung des Belastungsspektrums nach Alter teilte die Studie die
Befragten in drei Altersgruppen ein: bis 30 Jahre, 30-49 Jahre und 50 Jahre
und älter. Hier fällt auf, dass die mittlere Gruppe keine Belastung häufiger
angab, als die beiden anderen Gruppen. „Hier ist möglicherweise der
Prozess der beruflichen Sozialisation und Gewöhnung bereits abgeschlossen, die körperlich-mentale Verfassung aber noch so stabil, dass Belastungen weniger stark wahrgenommen werden“ (ebd, S. 55). Die Gruppe der
jüngsten Zahntechniker litt vor allem unter der einseitigen Körperhaltung,
unter Aspekten der Arbeitsumgebung (Luft, Gase, Dämpfe), unter Arbeitsaufkommen, Überstunden, Störungen und widersprüchlichen Arbeitsanforderungen. Die Gruppe der älteren Mitarbeiter fühlte sich hingegen
durchweg in hohem Maße belastet.
Eine Stärke der GEK-Befragung erweist sich darin, dass neben der detaillierten Darstellung der Ergebnisse für die Zahntechniker auch ein Vergleich zur
Situation in artverwandten Metallfachberufen vorgenommen werden kann.23
Demnach ergab sich hinsichtlich der Arbeitsbelastung folgendes Bild: Grund-
22
23
7% der Befragten leisten täglich Überstunden, weitere 20% mehrmals wöchentlich, bei
60% fallen Überstunden unregelmäßig an.
Die Grundlage dafür bieten andere GEK-Versichertenbefragungen. Es handelt sich um
die Metallfachberufe Werkzeug-, Industrie- und Zerspanungsmechaniker, Augenoptiker
und Elektroberufe.
122
sätzlich war das Belastungsprofil der Zahntechniker dem anderer Metallfachberufe ähnlich, es ergaben sich aber auch Abweichungen. So hatten
Versicherte anderer Metallfachberufe wesentlich häufiger in belastender
Weise mit Maschinen zu tun. Abhängigkeit vom Maschinentempo, Umgang
mit veralteten Maschinen und Anlagen, Verantwortung für (teure) Maschinen gehörten dort zu den Problemfeldern. Dem gegenüber war es bei den
Zahntechnikern vor allem die vorwiegend im Sitzen stattfindende Tätigkeit,
verbunden mit Zwangshaltungen, die sie von anderen Berufsgruppen unterschied. Aber auch unregelmäßiger Arbeitsanfall, der zu Termindruck und
Überstunden führte, kennzeichnete andere Metallfachberufe weniger.
Stärker als in anderen Branchen ausgeprägt war bei den Zahntechnikern
auch die Belastung durch Stäube, Schmutz und Fette.
Neben den allgemeinen Fragen, die sich an alle Berufsgruppen richteten,
wurden in der Befragung der Zahntechniker zusätzlich spezielle Fragen
gestellt, die die Probleme der spezifischen täglichen Berufspraxis stärker
konturierten. So empfanden 70 Prozent der Zahntechniker den bei der
Arbeit anfallenden Schleifstaub als besonders belastend. Auch das laute
Absauganlagengeräusch (63%), die intensive Sehaufgabe (62%) und die
nach vorn orientierte Sitzhaltung gehörten zu den gravierendsten Belastungsfaktoren. Mögliche Infektionsgefahren stellten für die Hälfte aller Befragten
eine Belastung dar. Während Männer eher Probleme mit der intensiven
Sehaufgabe hatten, fühlten Frauen sich eher von der spezifischen Sitzhaltung, dem Lärm, der Verletzungsgefahr mit dem Bohrer und durch
Schleifstaub belastet.
Gefragt wurden die Zahntechniker auch, ob sich im Rahmen der ermittelten
Belastungen Veränderungen ergeben hatten. Diese Veränderungen bezogen sich auf den Zeitraum des vorangegangenen Jahres - zurückgerechnet
vom Befragungszeitpunkt Ende 1997. Hier fällt zumindest auf, dass die
Sicherheit des Arbeitsverhältnisses für 43 Prozent der Befragten als zunehmend gefährdet betrachtet und vom gleichen Anteil auch als belastend
empfunden wurde.
Gesundheitliche Beschwerden
Die Zahntechniker wurden zum einen danach gefragt, welche Beschwerden sie in den letzten 12 Monaten zu verzeichnen hatten und wie häufig
diese auftraten. Die Hälfte der Versicherten hatte im letzten Jahr vor der
Befragung keine oder nur selten gesundheitliche Beschwerden. Die Art der
123
häufigsten Beschwerden ist nachstehender Tabelle zu entnehmen. Hinzu
kamen noch Nennungen von Husten und Reizung der Atemwege, sowie ein
empfindlicher Magen.
Die folgende Tabelle bezieht bereits einen weiteren Schritt der Befragung
ein: Hier wurden die Zahntechniker gefragt, bei welchen Beschwerden sie
einen Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen vermuteten. An dieser
Stelle wird deutlich, dass die als belastend empfundenen Arbeitsbedingungen
ihre Entsprechung in den gesundheitlichen Beschwerden fanden.
Übersicht 2:
Gesundheitliche Beschwerden
Übersicht: Gesundheitliche Beschwerden
• Schulter-/Nackenbeschwerden • Rückenschmerzen
Am häufigsten wurde ein Zusammenhang zwischen den Arbeitsbedingungen und Beschwerden im Schulter- und Nackenbereich (60%)
und im Rücken (51%) gesehen.
• Müde/erschöpft • Kopfschmerzen • Nervosität/innere
Unruhe
• Mürrisch reagieren
Dieser Zusammenhang wurde auch für diesen Beschwerdenkomplex
vermutet, am häufigsten wurde hier der Erschöpfungszustand mit 41
Prozent genannt, Kopfschmerzen, Nervosität und innere Unruhe zu 32
Prozent. Mürrisch reagieren / schnell verärgert sein beklagten 31
Prozent der Befragten.
• Hautprobleme
Ein Viertel der Befragten vermutete auch einen Zusammenhang zwischen Hautbeschwerden und den Arbeitsbedingungen.
Insgesamt erkannte eine große Mehrheit von 77 Prozent der Befragten, dass
die Bedingungen am Arbeitsplatz Einfluss auf den Gesundheitszustand
haben. 47 Prozent davon vermuteten einen teilweisen Einfluss, 30 Prozent
einen starken bzw. sehr starken Einfluss.
Vergleicht man die von den Zahntechnikern angegebenen gesundheitlichen
Beschwerden mit denen anderer Metallfachberufe, so fanden sich die
124
größten Unterschiede bei den Schulter- und Nackenbeschwerden, die von
den Zahntechnikern besonders häufig genannt wurden. An zweiter Stelle
standen Befindlichkeitsstörungen aus dem psychomentalen Bereich, bis hin
zu Erschöpfungszuständen. Auch die genannten Hautprobleme können in
der Berufsgruppe der Zahntechniker den berufstypischen Beschwerden
zugerechnet werden. Das sieht auch die zuständige Berufsgenossenschaft
der Feinmechanik und Elektrotechnik so, die die Zahntechniker unter den
Berufen mit deutlich erhöhtem Risiko für Kontaktekzeme aufführt. Durch
den Umgang mit hautreizenden Stoffen über einen längeren Zeitraum
führen auch geringe Dosen zur sog. Abnutzungsdermatose, einem nichtallergischen Kontaktekzem (BGFE, Jahresbericht 2001).
Gesundheit und Gesundheitsverhalten
Die befragten Zahntechniker schätzten trotz aller Belastungen und Beschwerden ihren eigenen Gesundheitszustand überwiegend positiv ein.
Wie aus der nachfolgenden Grafik erkennbar ist, bezeichneten 50 Prozent
der Zahntechniker ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut, nur 12
Prozent als weniger gut oder sogar schlecht (3%). Für den Rest von 35
Prozent war der Gesundheitszustand zufriedenstellend. Dies könnte man
als Widerspruch zu den zuvor geäußerten Belastungen und Beschwerden
verstehen. Man stößt jedoch im Zusammenhang mit einer weiteren Frage
auf einen möglichen Erklärungsansatz. Zahntechniker messen, im übrigen
häufiger als andere Metallfachberufe, der persönlichen Verantwortung für
die eigene Gesundheit eine hohe Bedeutung bei. 55 Prozent fühlten sich
ziemlich oder völlig verantwortlich für den derzeitigen Gesundheitszustand.
Diese Verantwortlichkeit drückte sich in gesundheitsfördernden Maßnahmen aus, denen man individuell nachgeht. Zu solchen Maßnahmen gehörten
zu jeweils über 50 Prozent Entspannungstechniken, eine gesunde Ernährung und aktive Sport- bzw. Fitness-Aktivitäten. Alle angeführten Maßnahmen lagen über den Vergleichswerten anderer Metallfachberufe, in besonderer Weise auch die Teilhabe an „kreativen Aktivitäten“.
Sicherlich handelte es sich bei den Ergebnissen der Befragung um subjektive
Urteile im Rahmen einer Selbsteinschätzung. Allerdings entsprach das
Ergebnis der durchaus positiven Gesamtbeurteilung des eigenen Gesundheitszustandes auch den Erkenntnissen, über die die GEK im Zuge der
Inanspruchnahme ihrer Leistungen als Krankenkasse verfügte.
125
Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes
Zahntechniker im Vergleich zu anderen Metallfachberufen
50
Zahntechniker
40
Andere Berufe
30
20
10
sc
hle
c
ht
ut
en
ige
w
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s te
lle
zu
frie
d
rg
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gu
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h
rg
ut
0
Quelle: Gmünder Ersatzkasse, Grafik: Büro für Sozialforschung, Kassel, 2002
Bild 18: Einschätzung des eigenen Gesundheitszustandes
Die GEK, die zum Zeitpunkt der Befragung 32.000 Zahntechniker und
Zahntechnikerinnen versicherte, bestätigte dieses Ergebnis im Vergleich mit
anderen Berufsgruppen: „... [Es] soll hier darauf hingewiesen werden, dass
es sich bei der Berufsgruppe der Zahntechniker um eine relativ gesunde
Versichertengruppe der GEK handelt“ (ebd., S. 67). Das erwies sich auch bei
den GEK-Zahlen zum Krankenstand der Berufsgruppe. Bei den Männern
betrug der Krankenstand 2,0 Prozent in 1996, bei den Frauen 2,5 Prozent.
Deutlich höher lag er in anderen Berufsgruppen: 3,3 Prozent bei Männern
und 3,4 Prozent bei Frauen. Ähnliche Resultate zeigten auch die Ergebnisse
der Arbeitsunfähigkeitsstatistik.
126
Arbeitszufriedenheit
Ein weiterer Grund für die durchaus positive Beurteilung des Gesundheitszustandes mag noch in einem anderen Zusammenhang gesehen werden.
Trotz der klar definierten Belastungsfaktoren und gesundheitlichen Beschwerden bewerteten die Zahntechniker, wie an anderer Stelle dieser
Arbeit ausgeführt, ihre Arbeitszufriedenheit als hoch. Arbeitswissenschaftliche
Erkenntnisse bestätigen den Zusammenhang zwischen Arbeitszufriedenheit
und Einschätzung des gesundheitlichen Zustandes. Diese Erkenntnis drückte sich auch in der GEK-Befragung bei der Beantwortung der Frage nach der
Zufriedenheit aus.
Etwa die Hälfte der befragten Zahntechniker bewertete die allgemeine
Arbeitszufriedenheit überwiegend positiv. 49 Prozent waren mit der Arbeitssituation sehr zufrieden bzw. zufrieden. Etwa 34 Prozent äußerten sich mit
„teils/teils“ und 17 Prozent waren weniger oder nicht zufrieden. (s. Übersicht 3)
Übersicht 3:
Arbeitszufriedenheit
Übersicht: Arbeitszufriedenheit:
• Berufliche Fähigkeiten einbringen
Dies erschien für die Zahntechniker am wichtigsten - drei Viertel sagten
„trifft zu“ oder „trifft voll zu“.
• Ich identifiziere mich mit meiner Arbeit
Zwei Drittel der Befragten stimmten dieser Aussage zu.
• Arbeit interessant und abwechslungsreich
Dies ist der dritte Aspekt von Beruf, Arbeit und Tätigkeit, der positiv
bewertet wurde - mit 63 Prozent.
• Gute Kontakte zu Kollegen
Es folgt der Komplex von Aspekten, die sich aus dem Miteinander der
betrieblichen Leistungsgemeinschaft ergeben. 60 Prozent stimmten
hier zu.
127
• Von Vorgesetzten anerkannt
58 Prozent fühlten sich von den Vorgesetzten unterstützt und anerkannt.
• Relativ sicherer Arbeitsplatz
Dem stimmten 50 Prozent der Befragten zu. Zu vermuten ist, dass
dieser Aspekt heute, sechs Jahre nach der Befragung, die vor der
Umsatzkrise stattfand, weniger Zustimmung bekommen würde.
• Gutes Betriebsklima
Auch das Betriebsklima beurteilten 50 Prozent als gut.
• Ich identifiziere mich mit meiner Firma
Trotz aller sonstigen positiven Zuschreibungen konnten sich nur 40
Prozent der Befragten insgesamt mit ihrer Firma identifizieren.
• Beruflich weiterkommen • Ich verdiene gutes Geld
Diese zwei Aspekte erhielten die niedrigste Bewertung. Berufliches
Weiterkommen wurde nur von 28 Prozent, überwiegend von jüngeren
Befragten, für möglich gehalten. Das Ende der Skala bildete die
Bezahlung: Nur ein Viertel gab an, gutes Geld zu verdienen. Auch bei
dieser Frage würde das Ergebnis in der heutigen Situation der Branche
und der restriktiven Einkommensentwicklung sicher noch schlechter
ausfallen.
Fazit: Relativ gesund und dennoch belastet
So erbrachte die GEK-Studie ein Ergebnis, das man wie folgt zusammenfassen kann (ebd., S. 104-105): Zahntechniker sind (1997) im Vergleich zu
anderen vergleichbaren Berufsgruppen relativ gesund und relativ
beschwerdenfrei. „Relativ gesund“ heißt jedoch, dass auch bei ihnen
ständig Erkrankungen neu entstehen oder bestehende sich verschlimmern
können. Es heißt auch, dass Arbeitsbelastungen das Befinden beeinträchtigen und Beschwerden persönliche Lebensqualität rauben können. Der
Termindruck, unter dem Hochpräzisionsarbeit zu leisten ist, wächst ständig
an. Ergonomische Belastungen und solche durch Arbeitsstoffe entstehen.
Arbeitsorganisation und Personalführung, die bei kleinen Betrieben vom
128
Inhaber bzw. Meister „miterledigt“ werden, funktionieren nicht immer
krisenfrei. Beschwerden im Bereich des Halte- und Stützapparates betreffen
fast alle Beschäftigten, psychomentale Beschwerden folgen an zweiter
Stelle.
Die Befragung der GEK ist sicher von hohem Wert, hinsichtlich ihrer
Differenziertheit und der Gründlichkeit, mit der hier ein „Gesundheitsprofil“
des Zahntechnikerberufes erarbeitet wurde. Allerdings ist diese Studie
mittlerweile sechs Jahre alt. Manche Bewertungen der Belastungsfaktoren
werden noch immer typisch für die Branche sein, andere mögen sich
verschlechtert haben, wie am Beispiel der Bewertung des „sicheren Arbeitsplatzes“ deutlich wird.
Noch immer, so bestätigte eine Aussage der Innungskrankenkassen aus
dem Jahr 2002, sind die Zahntechniker gesünder als der Durchschnitt aller
Versicherten. Während das Gesamthandwerk einen Krankenstand von 5,2
Prozent aufwies, das Gesundheits- und Reinigungsgewerbe einen Krankenstand von 4,9 Prozent, so verfügten die Zahntechniker mit 3,5 Prozent in
2002 über den absolut niedrigsten Wert.
Ähnliches gilt für die Arbeitsunfähigkeitsfälle pro Beschäftigten. Im Gesamthandwerk lag 2002 hier der Durchschnitt bei 1,47, beim Gesundheits- und
Reinigungsgewerbe bei 1,35 und bei den Zahntechnikern bei 1,17. Bei der
durchschnittlichen Falldauer einer Arbeitsunfähigkeit kamen Zahntechniker
auf 11 Tage, sie wurden in diesem Fall von Frisören und Kosmetikern mit 10,8
Tagen noch knapp unterboten. Im Gesamthandwerk betrug die Dauer 13,1
Tage. Die Fehltage im Zahntechniker-Handwerk ergaben wiederum den
niedrigsten Wert mit 12,9 Tagen. Im Gesundheits- und Reinigungsgewerbe
betrugen die Fehltage 17,8 Tage, im Gesamthandwerk 19,2 Tage (VDZI
Infoline, 2002).
Praxisberichte
Wir haben zu diesem Thema auch Laborinhaber und Beschäftigte befragt.
Deren Aussagen können hier nicht als repräsentativ gelten, wir erwähnen
sie jedoch, weil sie eine Reihe von Hinweisen auf die Praxiserfahrung vor Ort
enthalten und zudem einige Ergebnisse der vorstehend dargestellten GEKStudie bestätigen. Das bezieht sich z. B. auf den Belastungsfaktor Stress.
Hierzu wird berichtet, dass der Zeitdruck, unter dem im Labor produziert
wird, auch in den letzten Jahren weiter angestiegen ist. „Der Fahrer steht
129
schon an der Tür und wartet, der Patient sitzt schon auf dem Stuhl ...!“.
Dabei wird betont, dass Stress für die Branche generell nichts Neues ist,
„heute aber ist er ein ständiger Begleiter“. Stress sei einer der Faktoren, die
dazu führten, dass immer mehr Zahntechniker den Beruf verlassen.
Auch das Problem der Arbeitsstoffe in den Labors findet Bestätigung. Die
zum Einsatz kommenden Materialien haben sich im Lauf der Jahre verändert. Es gibt im zahntechnischen Labor mittlerweile eine ganze Palette an
Gefahr- und Problemstoffen - dazu gehören Kunststoffe, Wachs, Gips,
Chrom / Kobalt, Keramik, Flusssäure, u.v.a.m. Bei all diesen Stoffen ergibt
sich das Problem der Handhabung. Oft gibt es zudem keine Kennzeichnung,
weil dies für kleine Mengen an Arbeitsstoffen nicht erforderlich ist. Nach
Beobachtungen eines Zahntechnikers, der auch wegen einer eigenen
Erkrankung seit Jahren im Gesundheitsschutz aktiv ist, haben Erkrankungen
im Hautbereich unter den Zahntechnikern zugenommen. Vermutet wird,
dass die Gründe für diesen Anstieg in der Verarbeitungsweise und in den
Bestandteilen von Kunststoffen liegen.
Gegenüber der Einsatzhäufigkeit und der Einsatzbreite von Stoffen halten
die eigentlich erforderlichen Präventionsmaßnahmen im Labor oftmals nicht
Schritt. Ein uns geschildertes Beispiel bezieht sich auf den Einsatz von
Handschuhen. Normal gebräuchliche Handschuhe seien beispielsweise für
die Handhabung von lichthärtenden Kunststoffen, deren Einsatz sich verstärkt habe, nicht geeignet. Aus einem anderen Betrieb hörten wir, dass
Erkrankungen an Hepathitis C in der Branche verstärkt auftauchen würden.
Dagegen könne zwar geimpft werden, aber trotz Innungsbeschluss würden
etliche Betriebe die Kosten nicht übernehmen. Die Prävention beim Umgang
mit Materialien wiederum leide unter dem allgemeinen Zeitdruck - ein
Materialbad zur Desinfektion dauere 12 Minuten.
Wiederholt hörten wir Einschätzungen aus Betrieben, dass wegen der
kritischen Preis- und Ertragssituation der Branche an Maßnahmen zur
Arbeitssicherheit und im Gesundheitsschutz gespart werde. Das Einhalten
von Richtlinien, Gesetzen, Vorschriften usw. unterliegt generell einem
„laxeren Umgang“ als früher - da sei man bei der Arbeitssicherheit und im
Gesundheitsschutz in den Betrieben schon mal weiter gewesen. Im Vergleich mit Berichten aus anderen Branchen kann man den Eindruck bekommen, dass es sich hierbei auch um Schwächen handelt, die typisch für das
Gesundheitsmanagement im Kleinbetrieb sind.
130
So steht wahrscheinlich die notwendige Verbesserung des Arbeits- und
Gesundheitsschutzes im ganz normalen betrieblichen Alltag oftmals hinter
der Aufmerksamkeit zurück, die ab und zu Meldungen hervorrufen, die auf
den Einsatz spezieller Stoffe und deren Gefahren verweisen.
9.2
Gefährdung von Zahntechnikern
und Patienten durch Schadstoffe
Ein Beispiel der jüngeren Vergangenheit war der Fall von berylliumhaltigen
Legierungen, das vor allem vom VDZI thematisiert wurde, der sich auf eine
Studie des Europäischen Komitees für Normung berief.24 Während bei der
Herstellung in Deutschland angeblich kaum noch berylliumhaltige Legierungen verwendet werden, ist dies bei den Herstellern von Legierungen und
Zahnersatz in anderen Ländern nach der Warnung des VDZI noch nicht
überall der Fall. Beryllium und seine Verbindungen sind in der MAK- und BATListe als Krebs erzeugende Stoffe, Kategorie 2, eingestuft. Kategorie 2
bedeutet: Krebs erzeugend, im Tierversuch. Um jedes Risiko bei der drohenden Gefährdung für Beschäftigte auszuschließen, müssten Laborinhaber
und ihre Mitarbeiter mit hohem Aufwand absolute Vorsicht beim Gießen,
Ausarbeiten und Brennen dieser Legierungen walten lassen. Hintergrund ist,
dass durch die Bearbeitung berylliumhaltige Dämpfe und Aerosole (Stäube)
auftreten, über die Atmung aufgenommen werden und u. a. zur Schädigung
der Lunge führen können. Laut Zahntechnikermeister J. Schwichtenberg25
wird der deutsche Markt aus dem europäischen Ausland von einer „kaum
noch überschaubaren Zahl neuer Legierungsangebote vornehmlich kleiner
Billig-Anbieter“ überflutet (VDZI Infoline, 2002). Dem Laborinhaber helfe hier
kein CE-Zeichen und auch nicht das Medizinproduktegesetz, das beim
Patientenschutz ansetze, um die Legierungen bewerten zu können.
Wenn die Experten von einer nachgewiesenen ernsthaften Bedrohung der
Patienten durch den Einsatz bestimmter Gefahrstoffe wie Beryllium ausgehen, dann liegt hier offensichtlich auch ein erhebliches Gefährdungspotenzial
24
25
Resolution des technischen Normenausschusses CEN/TC 55 „Zahnheilkunde“ des
Europäischen Komitees für Normung in Brüssel
VDZI Vorstandsmitglied, Vizepräsident des Europäischen Dachverbandes der nationalen
Zahntechniker-Verbände.
131
für die Beschäftigten. Schwichtenberg: „Ob in Deutschland oder in Europa,
ob Import oder Export, auf welchen Wegen auch immer: Patienten- bzw.
Konsumentenschutz und der Gesundheitsschutz der Mitarbeiter der Laboratorien sind zwei Seiten einer Medaille. Beides muss in einem ganzheitlichen Risikomanagement in ganz Europa sicher gestellt werden“ (VDZI
Infoline, 2002).
Die BGFE - Berufsgenossenschaft der Feinmechanik und Elektrotechnik bestätigte die Gefährlichkeit solcher Legierungen, wies aber darauf hin,
dass der Unternehmer nach der Gefahrstoffverordnung prüfen muss, ob
Legierungen mit einem geringeren gesundheitlichen Risiko als die von ihm in
Aussicht genommenen erhältlich sind. Geeignete Ersatzstoffe für Kronen
und Brücken seien verfügbar. Sie empfiehlt die Prüfung mit Hilfe des
Sicherheitsdatenblattes oder durch Anfrage beim Hersteller. Dass durch
Kennzeichnung z. B. durch ein CE-Zeichen der Berylliumanteil noch nicht
ausgewiesen ist, solle zukünftig durch eine europäische Norm verändert
werden (BGFE, 2002).
132
10
Die Beziehungen zwischen
Arbeitgebern und Arbeitnehmern
10.1 Innungen und Gewerkschaften
Die Sozialpartner im Handwerk bestehen auf der Ebene einer Branche aus
den Innungen und der in dieser Branche vertretenen Gewerkschaft. Im hier
untersuchten Handwerk sind dies die Zahntechniker-Innungen und die für
das Zahntechniker-Handwerk zuständige Gewerkschaft, die IG Metall.
In der Bundesrepublik existieren über 7.000 Handwerksinnungen, als Vereinigungen von selbständigen Handwerksmeistern. Ihre Zusammensetzung,
Funktion und Aufgaben sind durch die Handwerksordnung (HwO) gesetzlich
festgelegt. Während die Handwerkskammern Pflichtzusammenschlüsse
der im Handwerk tätigen Betriebsinhaber sowie der dort tätigen Arbeitnehmer sind, handelt es sich bei den Handwerksinnungen um Selbstverwaltungsorganisationen mit freiwilliger Mitgliedschaft von selbständigen Handwerksmeistern.
Die 24 Zahntechniker-Innungen im Bundesgebiet werden jeweils von einem
Innungsobermeister geführt. Der Dachverband der Innungen des Zahntechniker-Handwerks ist der VDZI - Verband Deutscher Zahntechniker-Innungen
-, mit Sitz in Dreieich bei Frankfurt. Der VDZI versteht sich als Interessenvertretung der beruflichen und wirtschaftlichen Interessen des Zahntechniker-Handwerks und unterstützt die Mitgliedsinnungen in ihren gesetzlichen
und satzungsmäßigen Aufgaben.
Wichtige Pflichtaufgaben der Innungen sind u. a.:
• entsprechend den Vorschriften der Handwerkskammer die Lehrlingsausbildung zu regeln und zu überwachen,
• die Gesellenprüfungen abzunehmen und hierfür Gesellenprüfungsausschüsse einzurichten,
• das handwerkliche Können der Meister und Gesellen zu fördern,
• bei der Verwaltung der Berufsschulen mitzuwirken,
• die von der Handwerkskammer erlassenen Vorschriften und Anordnungen durchzuführen.
133
Darüber hinaus gibt es für die Handwerksinnung „Soll-Aufgaben“ und
„Kann-Aufgaben“. Zu den Sollaufgaben gehören die Verbesserung der
Wirtschaftlichkeit der Mitglieder-Betriebe und die Beratung bei der Vergabe
öffentlicher Lieferungen und Leistungen. Im Zuge von Kann-Bestimmungen
können die Innungen Tarifverträge abschließen, soweit solche Verträge
nicht durch den übergeordneten Innungsverband geschlossen werden.
Hinzu kommen Aufgabenstellungen im Bereich der Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und Auftraggebern, sowie zwischen Ausbildern und Auszubildenden.
Über die Wahl des Gesellenausschusses sind auch die Arbeitnehmer an der
Innungsarbeit beteiligt. Der Gesellenausschuss wirkt an der Tätigkeit der
Ausschüsse für Berufsbildung, Gesellenprüfungen und Schlichtung zwischen Innungsmitgliedern und Auszubildenden mit.
Im Gespräch mit Vertretern des VDZI wird deutlich, dass die Gefahr einer
allmählichen Erosion des Innungswesens nicht gesehen wird. Innungen seien
durchaus zeitgemäße „Dienstleistungsunternehmen“ und wichtiger denn
je, zum einen als „politisches Sprachrohr“, gerade in der aktuellen Debatte
um gesundheitspolitische Fragen, aber auch als „WissensverarbeitungsInstitut“, indem politisch-ökonomische Zusammenhänge erarbeitet und
übermittelt werden. Eine Aufgabe als Sozialpartner gegenüber den
Interessenvertretungen der Arbeitnehmer wird dagegen bisher nicht gesehen.
5.181 Mitgliedsbetriebe hatten die Zahntechnikerinnungen 2001 im gesamten Bundesgebiet (VDZI, 2002). Hinsichtlich der Mitgliederdichte gibt der
VDZI einen Organisationsgrad von knapp 70 Prozent an, er ist somit höher
als im Durchschnitt des gesamten Handwerks von 57 Prozent (VDZI, 2000).
Das bedeutet aber auch, dass 30 Prozent der Dentallabors nicht oder nicht
mehr der Innung angehören. Inhaber, die der Innung kritisch gegenüberstehen, begründen dies oft mit den Beitragskosten, für die man keinen
äquivalenten Gegenwert erhalte, mitunter auch mit Argumenten, die sich
auf aktuelle Fragen der Innungspolitik beziehen. Austritt ist jedenfalls eine
Erscheinung, mit der die Innungen häufig zu tun haben. Nach Angaben des
VDZI war z. B. im Jahr 2000 ein Verlust von zwei Prozent an Mitgliedsfirmen
(gut 100 Betriebe) zu verzeichnen.
Dass die Bindekraft der Innungen unter der ökonomischen Krisenentwicklung
gelitten hat, sieht man daran, dass im Dezember 2001 eine Situation
während der VDZI-Delegiertenversammlung entstand, in der der Vorstand
geschlossen zurück trat. Er sah nach einer lediglich knapp ausgefallen
134
Mehrheit für den Haushaltsvorschlag die materielle Planungssicherheit nicht
mehr gegeben, um die berufspolitischen Ziele nach außen verhandeln zu
können. Den Hintergrund, so wird in der Zeitschrift „dental-labor“ (1/2002)
vermutet, bildete der Einnahmenrückgang als Auswirkung der Umsatzkrise
in der Branche: „Das ganze Desaster der Jahre 1998 und 1999 hat offensichtlich auch die Politikfähigkeit des VDZI in Frage gestellt. Eine Konsequenz, die sich wohl aus den Beitragsstrukturen auf Grundlage der Lohnsumme bei über 20.000 verlorenen Arbeitsplätzen in der Zahntechnik
ergibt“.
Zu den „Konkurrenz“-Verbänden, die im Bereich der nicht innungsangehörigen Handwerksbetriebe Mitglieder rekrutieren, gehört der Freie
Verband Zahntechnischer Laboratorien e. V. (FVZL). Vorsitzender und Gründer des Verbandes ist der Zahntechnikermeister Herbert Stolle aus Cuxhaven.
Nach seinen Angaben vom Juni 2002 verfügt der FVZL über 180 Mitglieder,
zumeist Dentallabor-Inhaber, die etwa 2.000 Arbeitnehmer beschäftigen
(www.fvzl.de). Gegründet vor ca. 20 Jahren versteht sich der FVZL als
„standespolitischer Kampfverband“. Das selbst formulierte Ziel des Verbandes ist „die Schaffung eines freien, unabhängigen Zahntechnikerhandwerkes
ohne staatliche Reglementierung oder die Einflussnahme von Krankenkassen und anderen Institutionen.“ Die Grundlage dafür bildet „die Überzeugung, dass ein leistungsstarkes Gesundheitswesen in Deutschland und
damit eine optimale Behandlung kranker Menschen am besten gewährleistet wird auf der Grundlage von Vertrags- und Wahlleistungen“. So wird,
auch in Konfrontation zur Position der Innungen, gefordert: „Freie Preise für
freie Unternehmer“, „Festzuschüsse, weil sie gerechter sind“ und „Kostenerstattung“. Den Mitgliedern werden eine Reihe von Service-Leistungen
geboten, dazu gehören neben Informations- und Beratungsleistungen auch
Veranstaltungen über technische Innovationen und zur Weiterqualifikation.
Herbert Stolle gilt in der Branche als „Modernisierer“ und setzt sich betont
für eine bessere Zusammenarbeit mit den Zahnärzten ein.
In Inhaberinterviews wird oft eine Distanz zur Handwerksinnung deutlich.
„Aus der Innung bin ich ausgetreten, obwohl ich vorher in Vorstandsfunktionen war“, so ein Zahntechnikermeister. Es habe öfter Konflikte mit
der Innung gegeben, u. a. über ein von ihm entwickeltes Beteiligungsmodell.
„Der Innungskram ist großer Kinderkram“, sagte ein anderer Inhaber. Er ist
vor Jahren aus der Innung ausgetreten, weil die damals von ihm jährlich zu
erbringende Beitragssumme in keinem Verhältnis zur Gegenleistung gestanden hätte. Er sieht auch keine besondere Funktion der Innung im Zahntechniker-Handwerk, auch weil die Rolle als Tarifpartner in Ermangelung eines
Tarifvertrags entfalle. Es verblieben die Funktionen der Aushandlung von
135
Marktpreisen und die der allgemeinen Informationsweitergabe, genannt
wird in diesem Zusammenhang ein örtlicher Meisterstammtisch. Er persönlich könne sich im Gespräch mit ihm bekannten Meistern aber auch alle
relevanten Informationen selbst beschaffen. In manchen Fällen scheint es
auch die „Schwarz-weiß-Darstellung“ verbandlicher Politik zu sein, die eher
abschreckt: „Verbände sind nicht mein Ding, das zeigt sich jetzt auch wieder
aktuell an der Auseinandersetzung um die geplante Preisabsenkung im
Gesundheitswesen. Ich sehe mich eher als Einzelgänger“. Eine Haltung, die
sich sowohl dem VDZI als auch der Stolle-Gruppe gegenüber skeptisch zeigt,
drückte sich in folgendem Satz aus: „Der VDZI versammelt sich hinter der
Parole ‘die Zahnärzte sind unsere Gegner!’, der freie Verband glaubt eher
‘die Zahnärzte sind unsere Partner!’.“
Zumindest zum Thema Leistung und Mitgliedsbeitrag versucht die eine oder
andere Zahntechnikerinnung in die Offensive zu gehen. Die ZahntechnikerInnung Berlin-Brandenburg (ZIBB) wirbt unter der Überschrift „Durch dieses
System geht mehr. Deutlich mehr“ für die Mitgliedschaft in der Innung („ZIBB
- dahinter steht ein Leistungsangebot, das sehr viel möglich macht“). Neben
einem umfangreichen Leistungskatalog wird eine Liste „geldwerten Zusatznutzens“ präsentiert. Sie enthält 12 Punkte, in denen Innungsmitglieder
gegenüber Nichtmitgliedern Geld sparen, mit Angabe des jeweiligen Prozentsatzes.26 Zum Schluss heißt es: „Die Geschäftsstelle der Innung ist kein
Kindergarten, der nun erwartet, dass Sie postwendend Ihre Mitgliedschaft
gleich zusagen (...). Deswegen können Sie sich (...) vollkommen unverbindlich berechnen lassen, welcher finanzielle Vorteil Ihrem Labor durch die
Innungsmitgliedschaft entsteht. Testen Sie uns also!“ Auch wird die Möglichkeit einer „Schnupper-Mitgliedschaft“ für die Dauer von sechs Monaten
angeboten. (www.zibb.de).
Die Vertretung der Interessen von Beschäftigten im Zahntechniker-Handwerk obliegt der Industriegewerkschaft Metall. Erst 1980 hat der DGB
beschlossen, dass sich Zahntechniker in der IG Metall organisieren können.
Zuvor waren ÖTV und IG Chemie, Papier, Keramik für die ZahntechnikerBranche zuständig. Die ÖTV bekam im Zuge der Neuverteilung der gewerkschaftlichen Zuständigkeiten den Gesundheitsbereich zugeteilt und ist heute noch für die Betreuung der Beschäftigten in Praxislaboren zuständig. Die
IGM hatte noch Ende der 80er Jahre 1.500 Mitglieder in der Branche, der
Mitgliederbestand war zwischenzeitlich jedoch erheblich gesunken. Die
26
Z. B.: 60% bei Ausbildungsgebühren, 36% bei Entsorgung von Sonderabfällen und
jeweils 100% bei diversen Beratungsdienstleistungen.
136
Gründe lagen zum einen in der Umsatz- und Beschäftigungskrise der
Branche, zum anderen darin, dass nach dem Scheitern von Bemühungen, in
Norddeutschland einen Tarifvertrag abzuschließen, die Betreuung der Mitglieder in dieser relativ kleinen Handwerksbranche weitgehend eingestellt
wurde. Die Frustration vieler Mitglieder tat ein übriges. Ende der 90er Jahre
korrigierte die IG Metall dieses branchenpolitische Vorgehen, worauf die
Mitgliederzahlen wieder kräftig ansteigen - nach eigenen Angaben um 200
Prozent gegenüber dem Stand von 1998. Seit einigen Jahren konzentriert
sich die IGM somit verstärkt auf diese Handwerksbranche. Dazu trägt eine
breite Palette an Serviceangeboten bei, die den Mitgliedern und ratsuchenden Zahntechnikern unterbreitet wird. Ein bundesweit tätiger Fachausschuss Zahntechnik wurde 1997 ins Leben gerufen. Er trifft sich regelmäßig, Erfahrungsaustausch unter den Praktikern aus den Labors wird organisiert, branchenpolitische Diskussionen werden geführt und externe Experten aus Wissenschaft und Praxis eingeladen. Regelmäßige Arbeitshilfen
werden in Broschürenform herausgegeben.
Seit 1998 besteht eine „Zahntechniker-Service-Line“, ein kostenloser
Telefonservice, der bundesweit Zahntechniker bei der Lösung arbeitsrechtlicher und betrieblicher Probleme berät. Nach Auskunft der IG Metall
arbeitet diese „Hotline“ sehr erfolgreich - bislang gingen Tausende von
Anrufen ein, davon ein überwiegender Anteil von Nicht-Mitgliedern der
Gewerkschaft. Die Hauptaufgabe der Telefonleitung besteht in der Beratung und Problemlösung, nebenher wertet die IGM die Gespräche jedoch
auch aus, um daraus Erkenntnisse über die häufigsten Problemfällen zu
gewinnen - im „Computerdeutsch“ gewissermaßen eine FAQ-Liste
(„frequently asked questions“). Demnach sind die größten Probleme beim
Beratungsbedarf von Zahntechnikern:
• ungerechte Bezahlung
• überlange Arbeitszeiten
• Mobbing
• Berufskrankheiten, insbesondere Allergien
• fehlende Ansprüche an Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld
• ungenügende Ausbildungsverläufe
• schwierige wirtschaftliche Situation
• Arbeitslosigkeit
• ungerechtfertigte Kündigung.
137
Seit 2001 besteht im Internet ein fachbezogenes Informationsangebot, dass
inzwischen als Netzwerk konzipiert ist und ein Portal für den interaktiven
Austausch mit allen am Thema Interessierten bietet - einschließlich der
Kommunikationsplattform für eine geschlossene Benutzergruppe. Nach
Auskunft der IGM verzeichnet die Homepage jährlich eine Besucherzahl von
etwa 10.000. Betreut wird die Berufsgruppe der Zahntechniker von einem
hauptamtlichen Gewerkschaftssekretär aus dem Ressort Handwerk /
Betriebspolitik KMU sowie dem Ressort Tarifpolitik in der Vorstandsverwaltung
der IG Metall in Frankfurt.
Ebenfalls als Arbeitnehmer-Vertretung versteht sich der DZV - Deutscher
Zahntechniker-Verband e.V. -, der 1972 aus mehreren Gesellenversammlungen heraus gegründet wurde. Seine Anerkennung als Gewerkschaft hat er nicht erreicht und versteht sich als ein Interessenverband der
Zahntechniker. Es ist im Rechtsschutz seiner Mitglieder aktiv, auf inhaltlichen Feldern wie Berufsbildung, Arbeits- und Gesundheitsschutz, und gibt
eine Zeitschrift heraus („proDent“). Dieser Verband, der ausschließlich
ehrenamtlich geführt wird, hat parallel zum Arbeitsplatzverlust in der
Branche auch ein Großteil seiner Mitglieder verloren - von ehemals 4.000
sind noch ca. 500 Zahntechniker/innen Mitglied.
10.2 Das „Problem Tarifvertrag“
Die Branche des Zahntechnikerhandwerks verfügt bis heute nicht über
einen Flächentarifvertrag, aber über eine Reihe von Firmentarifverträgen,
gewöhnlich mit den Inhalten eines Manteltarifvertrags. 1987 hatte der DZV
den Entwurf eines Tarifvertragswerks27 vorgelegt, der 1991 aktualisiert
wurde. Seitdem sind die Entwürfe im Internet verfügbar (www.zdv.de), eine
Bereitschaft der Arbeitgeberseite zu ernsthaften Gesprächen oder Verhandlungen bestand laut Chronik des DZV jedoch nie, zumal dem DZV die
Tariffähigkeit schon 1978 durch das LAG Hannover aberkannt worden war.
Nach Auskunft der IG Metall bestehen in der Branche einige wenige
Haustarifverträge und Betriebsvereinbarungen, darüber hinaus sind aber
alle Anläufe in Richtung Flächentarifvertrag, die auch von der IG Metall im
27
Entwürfe für: Manteltarifvertrag, Entgelttarifvertrag, Rationalisierungsschutzabkommen,
Tarifvertrag für Auszubildende, Tarifvertrag zum Schutze gewerkschaftlicher
Vertrauensleute und Tarifvertrag zur Flexibilisierung der Rahmenbedingungen.
138
Laufe der Zeit unternommen wurden, bislang erfolglos geblieben. Der VDZI,
mit dem sich die IG Metall zu diesem Thema immerhin im Gespräch befand,
verhält sich zur Frage von Tarifverträgen bislang zurückhaltend bis abweisend. Bei unseren Recherchen erfuhren wir von Vertretern des VDZI, dass
man in fachlichen Fragen gegenüber der Gewerkschaftsseite keine gegensätzlichen Interessenlagen feststellte. Man sehe jedoch die Gefahr, dass
Regularien wie Tarifverträge zu gefährlichen Bedingungen für die Betriebe
auf einer finanziellen Ebene führen würden. Die Branche habe bisher nur
überlebt, weil die Betriebe klein und flexibel seien. Durch Tarifverträge
drohe jedoch alles „gleichgemacht“ zu werden. Strukturen aus anderen
Handwerken oder der Industrie seien auf das Zahntechnikerhandwerk nicht
übertragbar. Auch müssten die sozialen Strukturen der Branche bewahrt
werden. Die Beschäftigten hätten schon in der Vergangenheit mit den
Unternehmen hervorragend mitgezogen. So müsse das Ziel sein, die
Beschäftigungssicherung in den vorhandenen sozialen Strukturen zu garantieren.
Im Gespräch mit der Gewerkschaft, so verlautet nach Einschätzung von IG
Metall-Vertretern, habe der VDZI durchaus auf den langjährigen Trend der
Lohnentwicklung im Zahntechnikerhandwerk verwiesen, der zu Lasten der
Beschäftigten gehe. Im Gegensatz zur IG Metall strebe man aber nicht an,
dass Löhne und Gehälter im Zahntechnikerhandwerk durch Tarifverträge
eine Mindestsicherung bekommen sollten. Die Probleme seien verursacht
durch politische Fehlentwicklungen in der Verteilungspolitik (Gesundheitsreform) und durch die Konkurrenz der Praxislabore - in diese Probleme seien
die Innungsbetriebe eingezwängt, ein Tarifvertrag könne das nicht lösen.
Diese Begründungen sind in gewisser Weise nachvollziehbar. Während
Tarifverträge normalerweise dazu dienen, einen wesentlichen Faktor, nämlich den Lohn, aus dem Konkurrenzverhältnis in der Branche herauszunehmen, mag ein solches Vorgehen in der derzeitigen Situation des Zahntechnikerhandwerks aus Sicht der Inhaber keinen Sinn ergeben - bei von außen
regulierten Bedingungen. Dass dennoch ein gewisser Bedarf an Normierungen besteht, zeigt der VDZI nicht zuletzt mit seinen jährlichen Lohnerhebungen.
Beide Parteien stimmen bislang überein, die Gespräche fortzusetzen. Wie es
heißt, arbeitet die IG Metall inzwischen an konkreten Tarifvertragsentwürfen
(Entgeltrahmentarifvertrag und Manteltarifvertrag), die nach Auskunft eines IG Metall-Vertreters etwa im Mai 2003 vorgelegt werden sollen. Die
139
Entwürfe werden zur Zeit im schon erwähnten Internet-Netzwerk diskutiert, die Inhalte sollen, so lautet einem IGM-Vertreter zufolge das Ziel, den
Anforderungen eines modernen und flexiblen Tarifvertragswerks entsprechen.
Die IG Metall betrachtet ihr Verhältnis gegenüber dem VDZI als ein kritischforderndes. Es gebe eine Reihe von unterschiedlichen inhaltlichen Positionen, dazu gehörten: die Gesundheitspolitik, die Umsetzung der Ausbildungs-Neuordnung, die Beurteilung der Technologieentwicklung und das
Thema Tarifverträge. Dies alles aber seien inhaltliche Felder, in denen eine
Verständigung und ein gemeinsames Agieren auf politischer Ebene Vorteile
bringen würde, auch für den VDZI. Bislang sei nicht erkennbar, dass der VDZI
dies erkennen würde, man beschäftige sich dort zu sehr mit sich selbst.
Es vermittelt sich der Eindruck, dass sich beide Seiten zur Zeit noch nicht als
tariffähig erweisen, die objektiven wie organisatorischen Voraussetzungen
scheinen dafür noch nicht gegeben. Die IG Metall bemüht sich seit einigen
Jahren mit viel Sachverstand ihrer Akteure und einer breit angelegten
Informations- und Kommunikationspolitik um eine planvolle Aufbauarbeit
ihrer Position in der Branche, und ist damit in begrenztem Umfang durchaus
erfolgreich. Ihr Handicap ist der noch relativ geringe Organisationsgrad. Die
Innungen im Zahntechnikerhandwerk wiederum sind noch relativ hoch
organisiert. Ihnen scheint jedoch derzeit in Form der allenthalben entstehenden Kooperationsverbünde mittelständischer Dentallabors spürbare Konkurrenz zu entstehen: Gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Weiterbildung
und gemeinsames Marketing sind unmittelbar nützliche überbetriebliche
Funktionen, die vielen Inhabern wichtiger sind als die traditionelle Lobbyarbeit der Innungen.
Die Innungen betreiben aber bisher keine eigenständige Arbeitgeberpolitik.
Sie wäre die Voraussetzung für eine wirkliche Branchenpolitik beider Seiten,
die bislang aber nicht stattfindet. So macht sich im Zahntechnikerhandwerk
gleichsam ein Vakuum breit, wo in anderen Handwerksbranchen bereits
eine lange Tradition tarifpartnerschaftlicher Arbeit besteht. Eine Zukunft
haben unter den absehbaren veränderten Rahmenbedingungen der Branche Innungen und die Gewerkschaft nur gemeinsam als die die Branchenbedingungen prägenden Sozialpartner.
140
10.3 Betriebsräte im Zahntechnikerhandwerk
Verbreitung und Strukturen
In der Gruppe der kleinen Betriebe in der deutschen Wirtschaft ist die
Existenz von Betriebsräten eher eine Seltenheit. Das gilt insbesondere für
Kleinstbetriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern. Da die durchschnittliche Größe
von Zahnlabors in Deutschland bei rund acht Beschäftigten liegt, haben wir
es hier mit einer typischen, kleinbetrieblich strukturierten Branche zu tun.
Dass auch hier nur wenige Betriebsräte bestehen, scheint kein branchentypisches Phänomen zu sein. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind in
Betrieben ab fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern Betriebsräte zu wählen.
Das Potenzial an nach dem Gesetz betriebsratsfähigen Betrieben im Zahntechniker-Handwerk lässt sich - mit der gebotenen Vorsicht - abschätzen:
Nach einer Erhebung von 200128 hatten 73 Prozent der dort registrierten
insgesamt knapp 6.800 Betriebe weniger als zehn Beschäftigte. Betrachtet
man nur die Größenklassen ab zehn Mitarbeiter29, so man kommt im
Zahntechniker-Handwerk auf eine Größenordnung von z. Zt. mindestens
1.800 Betrieben, in denen Betriebsräte wählbar wären. Theoretisch - denn
man weiß auch, dass die Wahl von Betriebsräten in kleinen, mittelständisch
geprägten Betrieben kein einfaches Unterfangen ist.
Kleine, überschaubare Werkstätten sind zwar kein konfliktfreier Raum, das
Konflikt-Lösungsverhalten ist aber in der Regel ein anderes, als in großen
Betrieben. Nicht wenige Beschäftigte in kleinen Betrieben können sich gar
nicht vorstellen, dass ein gewählter Betriebsrat30 die formale Verhandlungsposition gegenüber dem Inhaber einnimmt, denken auch oft, ein Betriebsrat
könne nur in weit größeren Betrieben gewählt werden. Der Inhaber wiederum
meint, eine „Institution“ Betriebsrat könne ihm in seine Betriebsführung
hineinreden, seine unternehmerischen Freiheiten beschneiden, von der
Befürchtung „gewerkschaftlicher Fernsteuerung“ ganz zu schweigen.
28
29
30
Erhebung der Firma iconsult dental, München, in: dl-online, 2002
Wir berücksichtigen die Betriebe mit weniger als 10 Beschäftigten nicht, weil aufgrund
der Belegschaftszusammensetzung in diesen Betrieben in der Regel nicht davon
auszugehen ist, dass die Zahl von 5 wahlberechtigten Arbeitnehmern erreicht wird.
Nach dem BetrVG sind in Betrieben zwischen 5 und 20 wahlberechtigten
Arbeitnehmern Betriebsräte zu wählen - bestehend aus einer Person, zwischen 21 und
50 Arbeitnehmern ist die Wahl eines dreiköpfigen Betriebsrats vorgesehen.
141
In den bestehenden Kleinbetrieben mit Betriebsrat werden solche Vorbehalte und Befürchtungen nach erfolgter Wahl und einiger Zeit des miteinander
Erfahrungen Sammelns oft gegenstandslos, oftmals erkennt auch der Chef,
dass es Vorteile haben kann, einen Ansprechpartner zu besitzen, der das
Vertrauen der Belegschaft genießt. Dennoch - die Hürden bis zur Gründung
eines Betriebsrats sind hoch angesetzt und gehen durch die Köpfe aller
Beteiligten. Aus unseren Forschungen in kleinbetrieblichen Mitbestimmungsstrukturen wissen wir, dass der Gründung von Betriebsräten zumeist ein
betrieblicher Konfliktfall oder eine gravierende Problemlage vorausgeht.
Auf der Suche nach Lösungen wendet sich die Belegschaft dann häufig an
Berater, z. B. an die Gewerkschaft, um sich zu erkundigen, ob ein Betriebsrat
ein Mittel wäre, das vorhandene Problem zu lösen, und wie man einen
solchen gründet. Das vor eineinhalb Jahren reformierte Betriebsverfassungsgesetz hat die formalen Hürden beim Wahlverfahren heruntergesetzt,
durch das sogenannte vereinfachte Wahlverfahren für Betriebe bis 50
Beschäftigte. Dies hat bereits seit Herbst 2001 zu einem gewissen Schub an
Neugründungen geführt - gerade in kleinen Betrieben. (vgl. Rudolph, W.,
Wassermann, W., 2002).
Nach Einschätzung des zuständigen Gewerkschaftssekretärs der IG Metall
ist die Zahl der Betriebsräte im Zahntechniker-Handwerk steigend. Etliche
dieser Gremien sind ein „Krisenprodukt“ - sie wurden Ende der 80er und
Anfang der 90er Jahre gegründet. Der Haupt-Beweggrund für die Belegschaften, einen Betriebsrat zu wählen, hatte mit der wirtschaftlichen
Situation der Branche zu tun und den Ängsten, die beschäftigungsbezogen
durch die ersten Stufen der Gesundheitsreform hervorgerufen waren. Zu
dieser Zeit war nach Auskunft von Betriebsratsmitgliedern noch weitgehend
unklar, welche Gewerkschaft sich für die Zahntechniker zuständig fühlte.
Die IG Metall begann dann aber, auf die zuerst wenigen Anfragen aus den
Betrieben dieses Handwerkszweigs zu reagieren. Seit Ende der neunziger
Jahre scheint es eine „zweite Welle“ von Neugründungen zu geben wiederum auf dem Hintergrund der krisenhaften Entwicklung und begünstigt durch die seitdem aktivere Rolle der IGM.
Um etwas über die Strukturen der Betriebsräte in Dentallabors und die
dazugehörigen Betriebe zu erfahren, analysierten wir Betriebsräte, die in
den Jahren 1998 und 1999 in dieser Branche gewählt wurden, anhand von
Wahldaten der IG Metall, und verglichen deren Ergebnisse mit Merkmalen
aller Betriebsräte im Handwerk aus dem Betreuungsbereich der IGM
(s. Bild 19).
142
Profil der Betriebsräte
Angestellte im Betrieb:
14%
Zahntechniker-Handwerk und Handwerk
in der IG Metall gesamt, BR-Wahl 1998
(im Vergleich)
Zahntechnik
IGM-Handwerk gesamt
41 %
Angestellte im BR:
14%
31 %
Frauenanteil im Betrieb:
48%
15%
Frauenanteil im BR:
32%
Wahlbete iligung:
82 %
77%
IGM-Mitglieder im BR:
63 %
Alter BR-Mitglied er:
18-30 Jahre:
18%
13%
31-45 Jahre:
52%
46%
25%
29%
0%
1%
4%
11%
46-59 Jahre:
60 Jahre+:
ohne Angabe:
10 %
72 %
BR-Vorsitzende in der IGM:
80%
88%
BR-Mitglieder:
Erstmalig gewählt:
Wiedergewählt :
72%
59 %
28%
41 %
Quelle: BR -Wahldaten der IG Meta ll aus 1 998 für den “Trendreport Betriebsrätewahlen 2002”; eigene Berechnungen
Bild 19: Profil der Betriebsräte
Unsere kleine Analyse beruht auf Daten aus 25 Dentallabors. Knapp die
Hälfte dieser Betriebsratsgremien war zum damaligen Zeitpunkt eine Neugründung. Der kleinste Betrieb mit Betriebsrat, von dem wir Kenntnis haben,
hatte 11 Beschäftigte, der größte 114, der Durchschnitt lag bei 40 Beschäftigten.31 Entsprechend ihrer Größe verfügten sechs dieser 25 Betriebe über
31
Angaben aus Betriebsratswahlen 1998 und 1999. Ergebnisse der BR-Wahl 2002 liegen
noch nicht vor.
143
einen einköpfigen Betriebsrat (5-20 Beschäftigte), 15 über ein dreiköpfiges
Gremium (21-50 Beschäftigte) und vier Betriebe hatten fünf BR-Mitglieder
(51-100 Beschäftigte).
In den Belegschaften hatten Frauen fast den gleichen Anteil wie die Männer
- 48 Prozent. Im gesamten Handwerk (IGM-Bereich) war dies anders - dort
fanden wir einen Frauen-Anteil von lediglich 15 Prozent in den Belegschaften. Dort verfügten die Frauen über einen Anteil von 19 Prozent im
Betriebsrat. In der Zahntechnik war dieser Anteil im BR zwar höher (32%),
entsprach aber ebenfalls nicht dem Anteil der weiblichen Belegschaft.
Angestellte waren im zahntechnischen Labor in der Minderheit gegenüber
den Arbeitern und verfügten in den Betriebsräten über einen gleich hohen
- nämlich 14prozentigen - Anteil. Dieser lag weit unter dem Anteil der
Angestellten im gesamten Handwerk, wo diese Personengruppe über 41
Prozent Belegschaftsanteil und fast ein Drittel der Mandate verfügte.
Neben diesen Merkmalen, die die typische Branchensituation abbilden, gibt
es einige Spezifika in der Betriebsräte-Struktur der Zahntechniker-Branche,
die typischerweise denen von erstmalig gewählten Betriebsräten in kleinen
Betrieben entspricht. Dazu gehörte die recht hohe Wahlbeteiligung - sie lag
mit 82 Prozent über dem Gesamtergebnis für das Handwerk (77%). In
erstmalig gewählten Betriebsräten ist üblicherweise der Anteil der gewerkschaftlich nicht organisierten BR-Mitglieder größer als in Betrieben mit länger
existentem Betriebsrat. So auch in der Dentaltechnik, wo im untersuchten
Zeitraum etliche Gremien neu gegründet worden waren: 63 Prozent der
Mandate in den Dentallabors fielen an IG-Metall-Mitglieder oder Mitglieder
anderer DGB-Gewerkschaften, im gesamten Handwerk waren es jedoch 72
Prozent. In der Funktion der Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden waren jedoch weit häufiger IGM-Mitglieder zu finden, als unter den
einfachen Mandatsträgern. Noch ein anderer Unterschied gegenüber der
Vergleichsmenge aus dem gesamten Handwerks-Bereich der IGM fällt ins
Auge: Die BR-Mitglieder in den Dentallabors waren deutlich jünger. Dass sich
ein hoher Prozentsatz in der ersten Amtsperiode befand, war natürlich dem
Umstand geschuldet, dass es sich bei einem Teil dieser Betriebsräte um
Neugründungen handelte.
Gründungsmotive, Gründungskonflikte
Dort, wo wir Expertengespräche mit Inhabern aus Dentallabors und
Betriebsratsmitgliedern führen konnten, erhielten wir den Eindruck, dass es
sich im beiderseitigen Miteinander um ein relativ entspanntes und im
144
wesentlichen zweckbetontes Verhältnis handelte. Man akzeptiert sich
gegenseitig und legt Wert auf gegenseitige Information und Kommunikation
- wenig formal, mehr informell, wie es der Situation im Kleinbetrieb entspricht. Inhaber machen wenig Hehl aus der Überzeugung, dass ein Betriebsrat nützlich sein kann - im Sondieren und Klären von betrieblichen Problemlagen, an denen in wirtschaftlichen Notzeiten kein Mangel herrscht. Das
Verhältnis des Chefs gegenüber dem Betriebsrat, gegebenenfalls auch
schon beim erstmaligen Auftauchen des „Ansinnens“, einen Betriebsrat
wählen zu wollen, ist sicher auch vom beruflichen „Vorleben“ des Inhabers
abhängig. So hat ein Meister, der den Betrieb übernommen hat und zuvor
im selben Betrieb zunächst als Geselle und dann als Meister tätig war, in der
Regel ein „entspannteres“ Verhältnis gegenüber einer Interessenvertretung
der Beschäftigten, als in Konstellationen, in denen ein anderer Betrieb vom
Meister gegründet oder übernommen wurde.
Speziell unmittelbar vor und in der Gründungsphase kann es aber auch sein,
dass Inhaber heftig gegen die Gründung eines Betriebsrats opponieren. Das
folgende Beispiel zeigt einerseits, welchen Widerstand die Arbeitgeberseite
geltend machen kann, wenn eine Belegschaft an die Gründung eines
Betriebsrats denkt, verdeutlicht jedoch auch, dass Belegschaften, Betriebsräte und die IGM ihre betriebspolitischen Möglichkeiten, dort, wo entsprechende Voraussetzungen gegeben sind, auch konstruktiv und phantasievoll
zu nutzen wissen. Die Belegschaft eines mittelgroßen Labors in Bayern
plante die Gründung eines Betriebsrats. Dies traf auf energischen Widerstand des Inhabers, der der gesamten Belegschaft „über Nacht“ die Kündigung aussprach und ankündigte, dass er den Betrieb „zumachen“ wolle.
Laut Schilderung eines IGM-Vertreters, von dem wir dieses Beispiel erfuhren,
war die BR-Gründung aber nur ein vorgeschobener Grund des Inhabers, die
eigentliche Ursache für die Betriebsschließung seien wirtschaftliche Schwierigkeiten gewesen. Teile der Belegschaft haben sich daraufhin hilfesuchend
an die IGM gewandt. Diese habe, um den Fortbestand des Betriebes sichern
zu wollen, sich vermittelnd an die Flemming-Dental-Gruppe in Hamburg
gewandt. Dort bestand durchaus Interesse, die damals in Bayern noch
bestehende geografische Betriebslücke der Gruppe zu schließen - der
Betrieb wurde dann tatsächlich vom bisherigen Inhaber an Flemming-Dental
veräußert. In der Folge kam es auch zur Gründung eines Betriebsrats, mit
dem ein Sozialplan vereinbart wurde. Es wurden zwar Entlassungen vorgenommen, der Betrieb konnte aber gerettet werden und besteht noch immer
- einschließlich Betriebsrat.
145
Betriebliche Konfliktpartnerschaft
Dort, wo es Betriebsräte gibt, fühlen diese sich in der Regel auch mitverantwortlich - für das Überleben des Betriebes. Für Maßnahmen zur Kostensenkung sind sie offen, bei personellen Maßnahmen versuchen sie den Weg
der Abfederung allzu gravierenden „Kahlschlags“ zu gehen. Die Betriebsratsmitglieder kommen zumeist aus dem Kreis der qualifizierten ZahntechnikerGesellen und in der Regel nicht aus der Gruppe von Hilfskräften. Dies
bestimmt auch ihr Verhältnis zur Meisterseite bzw. zum Inhaber - eine große
Distanz (fachlich wie menschlich) besteht kaum. Das Eingebundensein in
überschaubare betriebliche Prozesse, einschließlich wirtschaftlicher Art,
führt eher zu einem Vertretungsstil, der sich auch in Entscheidungen
einmischt, die im BetrVG nicht vorgesehen sind. „Mitdenken statt fordern“
könnte man diese Haltung betrieblicher Interessenvertreter bezeichnen. So
äußern sich Betriebsräte - etwa aus Sorge um die Zukunftsfähigkeit der
Betriebe - auch durchaus zu Fragen der Veränderung der Produktpalette
und neuer Serviceangebote gegenüber den Kunden.
Die Rolle der Gewerkschaft ist nach unserem Eindruck dabei eher die der
beratenden Instanz im Hintergrund, auf die man zurückgreift, wenn man
Informationen benötigt. Betriebsratsmitglieder nehmen das Seminarangebot der IGM in Anspruch, die wichtigste unter den gewerkschaftlichen
Dienstleistungen aber scheint zu sein, im Rahmen von Veranstaltungen mit
Betriebsräten anderer Dentallabors in den gemeinsamen Erfahrungsaustausch zu treten. Die Rolle hauptamtlicher Gewerkschafter beschränkt sich
dabei eher auf Moderation, Beratung und die Systematisierung der politischen Arbeit.
Inhaber aus Labors ohne Betriebsrat sehen die „mitbestimmte“ Betriebswelt oft karikaturenhaft überzeichnet. Sie fürchten Einflussnahme von
außen und die Beschneidung ihrer unternehmerischen Handlungsfreiheit.
Mitunter werden in Gesprächen mit Inhabern dann Beispiele zitiert, die man
„irgendwo gehört“ hat, und die blockierende Verhaltensweisen von Betriebsräten beinhalten, die in „jenen Betrieben“ dazu geführt hätten, dass
im Grunde nur die Produktion aufgehalten wird. Der Realitätsgehalt solcher
Schilderungen hält jedenfalls der uns geschilderten Praxis in den untersuchten Betrieben mit Betriebsrat nicht stand.
Inhaber in Betrieben ohne Betriebsrat praktizieren den direkten Weg der
Kommunikation und Problemlösung, in größeren Betrieben auch mit Hilfe
einer mittleren Führungsebene aus angestellten Meistern bzw. Abteilungs-
146
leitern. Die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten leidet darunter in der
Regel nicht, zumindest solange nicht, wie es dem Betrieb ökonomisch gut
geht.
In Krisenzeiten, die eigentlich immer mit Beschäftigtenabbau verbunden
sind, ist in Betrieben mit Betriebsrat offenbar die Chance größer, dass solche
Prozesse sozial abgefedert verlaufen. Die Betriebsräte bemühen sich in
solchen Situationen um Lösungen, die von allen betroffenen Beschäftigten
als fair empfunden werden können. Dass der Inhaber in erster Linie auf die
Kostenseite des Betriebes schaut, ist normal und hat mit seiner Funktion und
Interessenlage zu tun. Wenn es aber noch eine weitere „Instanz“ im Betrieb
gibt, die die Interessenlage der Beschäftigten im Auge hat, haben notwendige Anpassungsmaßnahmen eine gute Chance, in einem regulierten Verfahren bewältigt zu werden.
Ein weiterer Unterschied betrifft die Wahrscheinlichkeit, dass mit Existenz
eines Betriebsrats auch eine Verbindung zur Gewerkschaft hergestellt wird.
Ist man ansonsten auf das Informationsmonopol des Inhabers angewiesen,
so gelangen hier die Gesellen aus ihrer kleinbetrieblichen Isolation. Dies
bildet schließlich auch die Voraussetzung, sich über tarifliche und gesetzliche
Normungen zu informieren und diese über betriebliche Vereinbarungen
soweit wie möglich zu übernehmen.
147
11
Perspektiven der
Branchenentwicklung im
gesundheitspolitischen Kontext
Die Krise sitzt tief
„Der deutsche Steinkohlenbergbau und die gewerblichen zahntechnischen
Labors haben Eines gemeinsam: Beide werden nicht mehr gebraucht!“ - Auf
diese Formel brachte bereits Mitte der 90er Jahre ein Funktionär der
Zahnärzteschaft in provokativer Absicht die düsteren Entwicklungsaussichten des Zahntechnikerhandwerks (vgl. Fedderwitz 2000). - Man sollte
vielleicht hinzufügen, dass der Steinkohlenbergbau aufgrund seiner traditionell staatsnahen Stellung dabei aber über eine ungleich wirkungsvollere
politische Lobby zur wirtschafts- und sozialpolitischen Abfederung des
notwendigen Strukturwandels verfügt, als das Zahntechnikerhandwerk.
Das Zahntechnikerhandwerk hat eine über dreißig Jahre andauernde außergewöhnliche Prosperitätsentwicklung hinter sich und muss sich nun
offenbar grundsätzlich verändernden wirtschaftlichen und politischen
Rahmenbedingungen anpassen. Der Vorwurf des Zahnärztefunktionärs
zielte auf eine aus seiner Sicht viel zu statische Orientierung dieses Handwerks am „Erreichten“ und eine zu gering entwickelte Bereitschaft zum
Wandel und zur Anpassung an die neuen Verhältnisse. Die weitgehende
Finanzierung des Zahnersatzes durch die Gesetzlichen Krankenkassen
(GKV) hat beide Gewerbe (Zahnärzte wie Zahntechniker) in den vergangenen
35 Jahren wohlhabend gemacht. Heute, wo die Finanzierung des Zahnersatzes durch die Krankenkassen immer stärker in den Hintergrund tritt, wird ein
Festhalten an den bisherigen Leistungen der GKV keine Rettung bringen
können. Zahntechniker wie Zahnärzte müssen sich an den neuen Marktbedingungen orientieren.
Die Zahntechnikerbranche bietet derzeit ein zwiespältiges Bild. Auf der
einen Seite werden die Innungsvertreter nicht müde, das offenbar nahe
Ende der Branche aufgrund ruinöser staatlicher Eingriffe zu proklamieren.
Eine Unterversorgung der Bevölkerung mit Zahnersatz wird für möglich
gehalten. Ihre Perspektive lautet schlicht: „Hände weg von den Höchstpreisen!“ In Gesprächen mit Betriebsinhabern hat man jedoch öfters den
Eindruck, dass viele von ihnen bereits seit einiger Zeit dabei sind, ihre
148
Betriebe auf die Zeit nach dem Ausstieg aus der staatlichen Höchstpreisbindung vorzubereiten. Sie setzen auf Kooperation mit anderen Betrieben,
öffnen ihre Betriebe für den Einsatz neuer Materialien und
Verarbeitungstechnologien und suchen den direkten Kontakt zu den Patienten. Dies ist sicher kein Widerspruch. Es zeigt aber, dass die Branche im
Umbruch und in unterschiedlichen Richtungen auf der Suche nach Lösungen
aus der seit Jahren anhaltenden Krise ist. Denn die Erosionstendenzen
innerhalb der einst so „goldenen Branche“ sind nicht zu übersehen:
Aus der Umsatz- und Beschäftigungskrise von 1998 hat sie sich noch nicht
wirklich erholen können. Zwar sind die Umsätze vorerst wieder angestiegen, zu einer Konsolidierung der betrieblichen Verhältnisse ist es in den
vergangenen drei Jahren jedoch nicht gekommen: Beschäftigung und Entlohnung stagnieren nach wie vor fast auf Krisenniveau, die Zergliederung in
immer mehr Kleinstbetriebe geht weiter, das Ausbildungsniveau ist auf
einem Tiefstand, die Abwanderung von Fachkräften scheint sich fortzusetzen. Infolge nachlassender Ausbildungsaktivitäten und Abwanderungen
junger Leute setzt sich auch allmählich ein Überalterungsprozess der Beschäftigten durch.32 Die vierteljährlich vom Bundesinnungsverband VDZI
herausgegebenen „Konjunkturbarometer“ der Branche zeigten im
vergangenen Jahr Mal um Mal ein düsteres Bild: Die Mehrheit der Betriebe
hat nach drei Jahren erzwungener Kapazitätsanpassung und wirtschaftlicher Stagnation offenbar die Hoffnung auf eine wirtschaftliche Erholung
aufgegeben. Bereits vor dem Bekanntwerden der Regierungspläne zur
Absenkung der Preise für Zahnersatz im vergangenen Jahr war die Zahl der
Laborinhaber, die weitere Entlassungen beabsichtigten, wesentlich höher,
als die derjenigen, die Neueinstellungen planten (vgl. VDZI, 2002). Die
Zahntechnikerbranche befindet sich seit längerer Zeit in einer strukturellen
Krisensituation, die durch aktuelle gesundheitspolitische Eingriffe
möglicherweise überlagert und verschärft, nicht aber ausgelöst wurde.
Warten auf die Reform
Die staatliche Gesundheitspolitik wird weiterhin eine wichtige Rahmenbedingung für die Finanzierung des Zahnersatzes bilden. Allerdings wird die
weitgehend kartellisierte Preisregulierung zwischen Krankenkassen und
32
1993 waren 16 Prozent der Beschäftigten älter als 45 Jahre, 2001 betrug der Anteil
dieser Altersgruppe bereits 33 Prozent (vgl. Stat. Bundesamt, Mikrozensus: Erwerbstätig
nach Berufsgruppen und ausgewählten Merkmalen)
149
kassenärztlichen Vereinigungen wohl weitgehend durchbrochen werden.
Die quasi staatliche Höchstpreisbindung für Zahnersatz und die damit
verbundene Umsatzgarantie für das Zahntechnikerhandwerk wird immer
stärker in den Hintergrund treten. Marktbeziehungen zwischen Patienten,
Kassen, Zahnärzten und Zahntechnikern werden immer mehr an Bedeutung
gewinnen. Im Gesundheitsministerium verspricht man sich Entlastungen für
die Krankenversicherung durch eine weitgehende Entmachtung der kassenärztlichen Vereinigungen. „Ich will die Monopole brechen“, so wird die
Gesundheitsministerin zitiert (vgl. Frankfurter Rundschau v. 18. Januar
2003).
Eine konsistente Konzeption einer neuen gesundheitspolitischen Regulierung, die gleichzeitig einerseits dem Anspruch einer gesellschaftlich akzeptablen solidarischen Gesundheitsversorgung aller Bürger/innen gerecht wird
und die Kosten für die Krankenkassenbeiträge auf ein wirtschaftlich verträgliches Maß senkt, ist indes bis heute nicht in Sicht. Derzeit liegen lediglich
einzelne Teilelemente vor, die für die Entwicklung des Umsatzes an Zahnersatz von Bedeutung sind. Welche sind das?
Zu den ersten „Sofortmaßnahmen“ des Gesundheitsministeriums Ende
2002 gehörte die sog. „Nullrunde“ für Ärzte und Zahnärzte, d.h., die
gegenüber den gesetzlichen Kassen abgerechneten Arztleistungen bleiben
in diesem Jahr auf dem Niveau von 2002. Unmittelbar betroffen sind die
Umsätze der Zahntechniker nicht. Möglicherweise werden aber Zahnärzte
versuchen, durch mehr eigene Leistungen an den Patienten ihr Einkommen
aufzubessern (Plomben statt Kronen), was zu Umsatzeinbußen bei den
Zahntechnikern führen könnte.
Die regulierten Preise für Zahnersatz wurden um fünf Prozent gesenkt, die
Mehrwertsteuer für Zahnersatzprodukte von sieben auf 16 Prozent angehoben. Letzteres bringt zwar mehr Geld in die Steuerkasse, führt aber nicht
zur Entlastung der Krankenkassen. Die Entlastung der Kassen durch die
Höchstpreissenkung für Zahnersatz dürfte minimal sein: Da der Anteil der
Ausgaben für Zahnersatz nur etwa drei Prozent der gesamten GKVAusgaben ausmacht, entsteht - bei unveränderter Nachfrage nach Zahnersatz - für die Kassenhaushalte durch diese Maßnahme gerade einmal eine
Entlastung von etwa 0,15 Prozent.
In welchem Umfang die staatliche Preissenkung auch zu einer Umsatzeinschränkung im Zahntechnikerhandwerk führt, ist schwer zu sagen. Zu
bedenken ist dabei, dass heute der Anteil der GKV-Leistungen an den
150
Ausgaben für Zahnersatz bereits bei nur noch rund 40 Prozent liegt. Im
Durchschnitt muss die Zahntechnikerbranche also in diesem Jahr mit einer
Umsatzeinbuße von etwa zwei bis zweieinhalb Prozent fertig werden. Dies
wird vor allem die Betriebe, die vollständig von GKV-Zahlungen abhängig
sind, stärker treffen als andere. Ein Teil der Betriebe wird jedoch entsprechenden Ausgleich durch Mehreinnahmen von den Patienten erzielen
können. Der Anteil der Privathaushalte an der Finanzierung des Zahnersatzes, der bereits heute bei 40 Prozent liegt, wird weiter steigen. Die staatliche
Preisabsenkung hat also nicht in jedem Falle einen entsprechenden Umsatzverlust zur Folge.
Die Effekte der kurzfristig getroffenen politischen Maßnahmen sind demnach sowohl für die Sanierung der gesetzlichen Kassen, als auch für die
Umsatzentwicklung der Zahntechnikerbranche eher gering und wenig
spektakulär. In sofern erscheinen uns die vom VDZI anlässlich seiner Protestaktionen Ende 2002 formulierten Untergangsszenarien wenig realitätsbezogen. Innungsvertreter hatten Szenarien eines drohenden Verlustes von
bis zu 35.000 Arbeitsplätzen - also mehr als der Hälfte der bestehenden
Arbeitsplätze - aus Anlass der vom Gesundheitsministerium beabsichtigten
Preisabsenkung prognostiziert. Solche wenig plausiblen Horrorszenarien
sind auch im Sinne einer Interessenvertretung der Branche wenig hilfreich.
Immerhin gilt gegenüber solchen Übertreibungen ein warnender Hinweis,
den Rita Süßmuth kürzlich in einer Zahntechnikerveranstaltung gab: „Wenn
sich herausstellt, dass die Zahntechniker nach einer Absenkung der Preise
für Zahnersatz noch die gleiche Qualität liefern können und der Patient dann
die gleiche Leistung für geringere Kosten bekommt, muss man davon
ausgehen, dass die Kassen jahrelang Geld zum Fenster heraus geworfen
haben“ (vgl. Fuchs, 2003, S. 12).
Längerfristig wird der Ausgabenanteil der gesetzlichen Krankenkassen an
den Kosten für Zahnersatz weiter zurückgehen. Ein weiterer schrittweiser
Ausstieg der gesetzlichen Kassen aus der Finanzierung des Zahnersatzes
erscheint unvermeidlich, selbst wenn die dadurch erzielbaren Einspareffekte für die GKV eher gering sein werden. Die Reaktion auf diese
Perspektive ist in der Branche zwiespältig: Während sich die einen an die
vielgescholtene, aber eben sichere staatliche Preisgarantie ihrer Produkte
klammern, wollen andere sich so schnell wie möglich aus der „staatlichen
Bevormundung“ befreien, um sich den Herausforderungen eines freien
Marktes ohne Umsatzgarantien zu stellen.
151
Die vom Bundesgesundheitsministerium Anfang Februar 2003 vorgelegten
„Eckpunkte zur Modernisierung des Gesundheitswesens“ gehen auf die
Frage der künftigen Finanzierung des Zahnersatzes nicht explizit ein. Allgemein soll an die Stelle von Lobbyismus der Verbände ein Qualitätswettbewerb
der Krankenkassen und der Leistungserbringer (also auch der Zahnärzte und
Zahntechniker) treten. Die bisherige Monopolstellung der Verbände bei der
Preisbildung soll zurückgedrängt werden. Die Kassen sollen an die Fachärzte
Fallpauschalen zahlen und mit Zahnärzten und Zahntechnikern künftig
direkte Verträge über Zahnersatz- und Zahnbehandlungskosten aushandeln können. Ziel der Belebung eines Qualitätswettbewerbs der Krankenkassen und Leistungserbringer soll die Erschließung von Wirtschaftlichkeitsreserven und die Beschleunigung von Innovationsprozessen sein. Änderungen auf der sog. „Einnahmeseite“, also Fragen, die auch die Finanzierung
des Zahnersatzes betreffen, sollen später im Zusammenhang mit den
Empfehlungen der „Rürup-Kommission“ vorgelegt werden. Die Stellung der
Patienten soll bei allen Entscheidungen gestärkt werden. Sie sollen „von
Betroffenen zu Beteiligten“ werden. Dies ist eine Formulierung, die eine
höhere finanzielle Beteiligung der Patienten an den Zahnersatzkosten
bereits vorbereitet (vgl. Eckpunkte, Februar 2003).
Experten der CDU-Bundestagsfraktion wollen den Arbeitgeberanteil an den
Kassenkosten bei 6,5 Prozent einfrieren und darüber hinausgehende Kosten
einerseits über Steuern finanzieren lassen (Stichwort „versicherungsfremde
Leistungen“ wie Kosten für Schwangerschaft, Mutterschaft und Sterbegeld), andererseits Einsparungen durch Eigenfinanzierung seitens der Patienten erzielen. Die zahnärztliche Behandlung einschließlich des Zahnersatzes soll künftig aus den GKV-Leistungen herausgenommen werden. Man
will die hier bereits seit langem bestehende Praxis der Eigenbeteiligung
durch die Patienten gewissermaßen auf ein 100-Prozent-Niveau weiterführen. Dies soll nach Berechnung der CDU-Autoren eine Senkung der Beitragssätze um rund 1 Prozent ermöglichen. Alle Versicherten wären im Gegenzug
verpflichtet, eine ergänzende Versicherung für zahnärztliche Behandlung
abzuschließen. Erste überschlägige Berechnungen hätten ergeben, dass das
derzeitige Leistungsspektrum der GKV im Bereich zahnärztlicher Behandlung mit monatlichen Versicherungsprämien in Höhe von 20 bis 25 Euro
sicherzustellen sei. Weitere Einsparungen sollten durch Selbstbehaltzahlungen
der Patienten zwischen 150 und 300 Euro jährlich erzielt werden (vgl.
Widmann-Mauz/ Storm, Jan. 2003).
152
Die Zahnärzteverbände befürworten ein Modell diagnoseabhängiger Festzuschüsse für Zahnbehandlung und Zahnersatz auf Basis einer Kostenerstattung. Sie plädieren demnach ebenfalls für eine Erhöhung des Eigenanteils der Patienten an den Zahnbehandlungskosten. Zahnbehandlung und
Zahnersatz sollten künftig von dem „starren Korsett von Pflichtversicherung
und Budgetierung“ befreit werden. Dabei schließen die Zahnärztefunktionäre
auch einen vollständigen Ausstieg der Kassen aus der Zahnmedizin nicht
aus, sofern dies mittels zusätzlicher Versicherungsangebote in für die
Patienten finanziell akzeptabler Form geschehe (vgl. zm, Jan. 2003). Die
Zahnärzte liegen mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf einer
Linie, deren Vorsitzender betonte, die Ärzte könnten mit rund 95 Prozent der
CDU-Vorschläge gut leben (vgl. FAZ v. 13.2.2003).
„Union und SPD gehen bei der Reform aufeinander zu“, so die Beobachtung
von Experten zur derzeitigen Debatte um eine neue Gesundheitsreform (vgl.
FR v. 12.2. 2003). Möglicherweise wird sich die CDU stärker bei der
Neuordnung der Finanzierungsbasis der Kassen („Einnahmeseite“), die SPD
dafür bei den von ihr vorgeschlagenen Reformen auf der Ausgabenseite
(„Effizienzreform“) durchsetzen. Auch wenn zum Zeitpunkt der Erstellung
dieses Berichts noch viele Fragen offen sind, zeichnet sich ab, dass die
geltende Höchstpreisfestsetzung für Zahnersatzkosten („BEL“) auf die eine
oder andere Art beendet oder wenigsten zurückgedrängt werden dürfte.
Auf dem Hintergrund des Zwangs zu politischer Einigung zwischen den
beiden großen politischen Lagern (Gesetzgebungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat) wird es immer wahrscheinlicher, dass der Anteil, den
die Patienten künftig an der Finanzierung von Zahnbehandlung und Zahnersatz zu tragen haben werden, auf die eine oder andere Weise deutlich
ausgeweitet wird. Eine Verlagerung der Zahnersatzkosten aus dem GKVLeistungsumfang auf die Patienten selbst, möglicherweise begleitet durch
die Einführung spezieller Versicherungen für Zahnbehandlung, erscheint in
diesem Zusammenhang als wahrscheinlich.
Welche Entwicklung wird das Zahntechnikerhandwerk angesichts seiner
strukturellen Krisensituation und unter den heute erkennbaren gesundheitspolitischen Umsteuerungen in der Finanzierung des Zahnersatzes nehmen?
Die hier formulierten Überlegungen haben nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Entwicklungsprognose. Wir versuchen lediglich, auf der Grundlage der untersuchten wirtschaftlichen, technischen, sozialen und politischen Entwicklungen gewissermaßen Möglichkeiten einer zukünftigen
Branchenentwicklung zu formulieren.
153
Bedarf an Zahnersatz wird nicht sinken
Die Frage, wie sich in Zukunft der medizinische und gesellschaftliche Bedarf
an Zahnersatz entwickeln kann, wird von den Experten derzeit uneinheitlich
beantwortet. Die präventive Zahnmedizin hat in den vergangenen 25 Jahren
offenbar deutlich messbare Erfolge erzielen können. Die Zahngesundheit
hat sich vor allem bei Kindern und Jugendlichen erheblich verbessert. Diese
Beobachtung ließ einige Autoren vermuten, dass vor allem der Anteil
prothetischer Leistungen infolgedessen mittelfristig zurückgehen würde. R.
Saekel schätzte 1999 für die Zeit nach dem Jahr 2000 einen Rückgang des
Zahnersatzbedarfs von bis zu 25 Prozent (vgl. Saekel, 1999). Ein Anfang
2001 veröffentlichtes Gutachten von Kerschbaum u. a. kam jedoch zu dem
Ergebnis, der Bedarf an Zahnersatz werde trotz der zu verzeichnenden
zahnmedizinischen Erfolge bis zum Jahr 2020 wahrscheinlich nicht zurückgehen (vgl. Kerschbaum, 2001). Ein Problem solcher Prognosen besteht
darin, dass es bei der Ermittlung des künftigen Zahnersatzbedarfs schwer
fällt, zwischen objektiv medizinischer Indikation einerseits und den Auswirkungen des Finanzierungssystems (in Deutschland im wesentlichen durch
Krankenkassen) zu unterscheiden. Ressourcen und Restriktionen des
gesundheitspolitischen Finanzierungssystems steuern den geäußerten Bedarf an Zahnersatz möglicherweise nicht weniger stark, als zahnmedizinische
Befunde.
Der Rückgang von Erkrankungen, die zum Zahnverlust führen (Karies,
Parodontitis) in jungen Jahren vermindert den lebenslangen Zahnersatzbedarf offenbar nicht wesentlich. Der Bedarf an Zahnersatz verschiebt sich
bei vielen Menschen auf einen späteren Lebensabschnitt. Vor allem die
erhöhten Lebenserwartungen alter Menschen werden in diesem speziellen
Feld einen wachsenden Bedarf an Zahnersatz schaffen. Im Jahr 2020 wird
bereits jeder dritte Einwohner über 65 Jahre alt sein. Hieraus ergibt sich ein
wachsender spezifischer Markt an „Altersprothetik“: Die herausnehmbaren
Prothesen werden mehr und mehr festsitzendem Zahnersatz weichen, auch
für die weitere Verbreitung der Implantologie bietet sich der wachsende
Markt älterer Patienten offenbar an.
Bei jüngeren Patienten wird sich - u. a. aufgrund gewachsener Ansprüche
und Erwartungen an eine ästhetische Erscheinung in Beruf und Privatleben
- der Bedarf in spezifischer Weise weiterentwickeln: Ästhetisch motivierte
Restaurationen der Zähne, Einzelzahnversorgungen sowie adhäsive Zahnmedizin werden hier zunehmen (vgl. Kerschbaum, 2001).
154
Diese Prognosen berücksichtigen sowohl den Bedarf an Zahnersatz im
engeren medizinischen Sinne, sowie sich im Zusammenhang mit sozialen
und ästhetischen Ansprüchen entwickelnde Motive der Patienten, sich für
Zahnersatz zu entscheiden. Bei der Frage der Finanzierung werden sich,
maßgeblich auf den Hintergrund der knappen Ressourcen der gesetzlichen
Krankenkassen, Differenzierungen bei der Bedarfsermittlung einstellen.
Man wird deshalb künftig möglicherweise zwischen „subjektivem und
objektivem Behandlungsbedarf“ unterscheiden. Damit dürften dann entsprechende Weichenstellungen der Zahnersatzfinanzierung zwischen Kassen und Patienten selbst gestellt werden.
Weiterer Rückgang der Zahnersatzfinanzierung
durch die GKV
Der Ausstieg der gesetzlichen Krankenkassen aus der Zahnersatzversorgung
hat bereits seit langem begonnen. Heute tragen die gesetzlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen zusammen nur noch etwa 40 Prozent der
Kosten für Zahnersatz. Die Privathaushalte haben mittlerweile statistisch
gesehen bereits einen ebenso hohen Anteil an der Finanzierung des Zahnersatzes. Wenn sich nun Pläne zu einem - über Stufen verlaufenden vollständigen Ausstieg der Zahnersatzfinanzierung aus der GKV durchsetzen sollten, dann entsteht gesundheitspolitisch eine neue Situation. Zumindest
im Bereich der Versorgung mit Zahnersatz käme es gewissermaßen zu
einem grundsätzlichen Perspektivwechsel: Gesundheit würde hier nicht
mehr als gesellschaftliches Gut sondern eher als „privates Vergnügen“
definiert (vgl. Feldmann/ Budelmann, 1998).
Zweifellos würde der vollständige GKV-Ausstieg einerseits zur Einschränkung des marktfähigen „Bedarfs“ an Zahnersatz insgesamt führen und
andererseits eine Differenzierung zwischen „einfachem“ und kostengünstigerem Zahnersatz und hochwertigem, gehobenen ästhetischen Ansprüchen genügenden Angeboten einleiten. Zur Finanzierung des Zahnersatzes würde sich ein neuer Zweig privater „Dental-Versicherungen“ etablieren. Eine solche Lösung wäre aus der Sicht normal und gering verdienender Arbeitnehmerhaushalte nur akzeptabel, wenn die Krankenkassenbeiträge durch den Ausstieg aus der Zahnersatzfinanzierung wirklich spürbar sinken würden.
Eine andere Variante dürfte ein Ausstieg der GKV aus dem bisherigen Prinzip
der Höchstpreisfestsetzung und der anteiligen Finanzierung des Zahnersat-
155
zes durch die Kassen sein. Die Patienten würden ihren Zahnersatz grundsätzlich aus eigenen Mitteln kaufen, und von ihrer Kasse einen, die minimale
Grundversorgung abdeckenden, Zuschuss erhalten. Sie müssten - entsprechend ihren finanziellen Möglichkeiten - die Kostenrisiken für Zahnersatz
versuchen, mit privaten Zusatzversicherungen abzufangen. Ein solches
System begrenzter Zuschüsse für Zahnersatz ginge mit einer Liberalisierung
der Preisbildung einher. Die Patienten müssten auf der Grundlage von Preisund Qualitätsvergleichen über ihren Zahnersatz entscheiden. Der Markt für
Zahnersatzprodukte würde weitgehende Differenzierungen zwischen „elementarer Grundversorgung“ und hochwertigen Prothesen mit ästhetischen
Ansprüchen entwickeln. Sowohl Preis- als auch Qualitätskonkurrenz würden sich etablieren. Dies hätte für die Betriebe des Zahntechnikerhandwerks
weitreichende Veränderungen zur Folge.
Bliebe es bei der zur Zeit vom Bundesgesundheitsministerium favorisierten
Lösung, die Preisgestaltung künftig - unter Ausschaltung der kassenzahnärztlichen Vereinigungen und der Zahntechnikerinnungen - direkt
zwischen Kassen und Dentallabors abzuwickeln, dann würde dies ebenfalls
stärker als bisher Konkurrenz- und Marktmechanismen in der Branche
auslösen. Möglicherweise würden bei einem solchen System vor allem große
Anbieter mit quasi industrieller Produktion, Netzwerke mittelständischer
Dentallabors und der Dentalhandel mit Produktionsstätten im Ausland
stärker ins Spiel kommen. Isolierte Handwerksfirmen müssten versuchen,
sich dem per Direktvereinbarung entstehenden Preisniveau anzupassen.
Modernisierung der Branchenstrukturen
Ein weitgehender Umbruch in den Betriebs- und Branchenstrukturen des
Zahntechnikerhandwerks scheint damit gewissermaßen programmiert.
Unsere Analyse der Strukturveränderungen innerhalb der Branche im Verlauf der 90er Jahre bis heute hatte erbracht, dass sich das Dentalhandwerk
bereits seit Mitte der 90er Jahre in mancher Hinsicht in einem Erosionsprozess befand. Eine kontinuierlich steigende Anzahl immer kleiner werdender Dentallabore versucht seither auf einem stagnierenden und zeitweise
schrumpfenden Markt für Zahnersatz zu agieren. Die Umsatzkrise von 1998
hatte diese längerfristig für viele Betriebe ruinöse Entwicklung zwar verstärkt, aber nicht ursächlich ausgelöst. Dass die konjunkturellen Mechanismen in der Branche nicht mehr funktionieren, zeigt die Tatsache, dass ein
allmählicher Wiederanstieg des Umsatzes in der Phase zwischen 1999 und
2002 nicht zu einem entsprechenden Plus an Beschäftigung geführt hat. Die
156
staatliche Höchstpreisfestsetzung hat den Zahntechnikern zwar bis heute
insgesamt eine gewisse Umsatzgarantie beschert, angesichts weiterer
Preissenkungsverordnungen gerät die Umsatzgarantie allerdings mehr und
mehr zu einer „Elendsgarantie“. Angesichts einer chronisch geringen
Eigenkapitalausstattung der mittelständischen Familienbetriebe und sinkender Gewinne haben viele Betriebe angesichts der jüngsten Preissenkung
nun keine Reserven mehr.33 - Ein weiteres Festhalten an der „alten
Ordnung“, die den Zahntechnikern per BEL dreißig Jahre Wohlstand und
Expansion garantiert hatte, erscheint angesichts des zu erwartenden weiteren schrittweisen Ausstiegs der gesetzlichen Kassen aus der Finanzierung
des Zahnersatzes jedoch perspektivlos.
Eine nicht geringe Anzahl von Handwerksfirmen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren ihren Betrieb aufgeben müssen. Die Schätzungen unserer Gesprächspartner unter Betriebsinhabern, Innungsfunktionären und Gewerkschaftern in Bezug auf die Anzahl der gefährdeten Betriebe schwanken zwischen Anteilen von 20 bis 30 Prozent der
bestehenden Betriebe. Diesen Einschätzungen zufolge würden zwischen
1.200 und 2.500 Dentallabors mit insgesamt rund 4.000 bis 10.000 Beschäftigten im Laufe der kommenden fünf Jahre aufgeben und den Markt
verlassen. Nur ein Teil dieser Zahntechniker wird wahrscheinlich Arbeit in
erfolgreicheren Dentalfirmen oder in zahnärztlichen Praxislabors finden,
andere werden die Branche verlassen.34
Betroffen werden vor allem kleine Betriebe sein, die bisher in ausschließlicher Abhängigkeit von GKV-Aufträgen gearbeitet haben und keine zusätzlichen, durch die Patienten direkt finanzierten Umsätze aufbauen konnten.
Die Geschäftsaufgabe zahntechnischer Betriebe wird sich zumindest teilweise
im Rahmen des in den nächsten Jahren anstehenden Generationswechsels
abspielen. Viele Familienbetriebe, deren Inhaber das Rentenalter erreichen,
werden nicht weitergeführt werden. Eine andere Gruppe kleiner Betriebe,
33
34
Der Bundesinnungsverband VDZI versuchte innerhalb seiner Kampagne zur Abwehr der
5%-igen Preisabsenkung Ende 2002 mit der Vorlage betriebswirtschaftlicher
Kennziffern aus 1.000 Betrieben nachzuweisen, dass diese Betriebe durch weitere
Preissenkungen in den Ruin getrieben würden (vgl. VDZI, Nov. 2002).
Eine darüber hinausgehende Prognose über die Beschäftigungsentwicklung ist allein
auf der Grundlage dieser Überlegungen nicht möglich. Die Umsatzentwicklung der
Branche wird auch stark von der allgemeinen wirtschaftlichen Konjunktur, insbesondere
von den Kasseneinnahmen sowie von der Kaufkraftentwicklung der Privathaushalte
abhängen.
157
denen es in den letzten Jahren gelungen ist, sich in bestimmten Nischenmärkten mit hochqualitativem und hochästhetischen Zahnersatzprodukten
und Dienstleistungen rund um den Zahnersatz zu etablieren, werden davon
unberührt bleiben und möglicherweise expandieren. Die ersten im Bereich
der Flemming-Gruppe bekannt gewordenen Aktionen zur Personalreduktion
signalisieren, dass möglicherweise auch in größeren Betrieben die Grenzen
des Wachstums erreicht sind und weiterer Personalabbau anstehen könnte.
Da zumindest bis 2020 nicht mit einem stark rückläufigen Bedarf an
Zahnersatz zu rechnen ist, wird das Betriebssterben zur Entspannung der
Umsatzsituation der verbleibenden Betriebe führen.35
Die absehbare Ablösung der staatlich regulierten Höchstpreisfestsetzung
durch eine vom Markt bestimmte Entwicklung wird einerseits viele heute
noch bestehende Betriebe und Arbeitsplätze vernichten, andererseits aber
auch Entwicklungs- und Innovationskräfte in der Branche freisetzen. Das
Marktangebot, das bisher stark von den in der BEL festgelegten Produktqualitäten geprägt und in gewisser Weise eingegrenzt war, wird im Laufe
der Jahre eine zunehmende Differenzierung erfahren. Neben Betrieben, die
sich auf Zahnersatz für preisgünstige „Grundversorgung“ konzentrieren,
werden Märkte für besonders aufwendigen und besonderen ästhetischen
Ansprüchen genügenden Zahnersatz entstehen. Bisher randständige Materialien, mit besonderen ästhetischen und biokompatiblen Eigenschaften,
wie etwa Hartkeramik und andere metallfreie Produkte, werden allmählich
größere Marktanteile erringen.
Neben der reinen Erstellung von Zahnersatz wird sich möglicherweise eine
Reihe von Dienstleistungen rund um den Zahnersatz etablieren. Ein Beispiel
ist das bereits heute von innovativen Labors angebotene „Dental-Imaging“
und weitere beratende Dienstleistungen bei der Auswahl und Pflege des
Zahnersatzes. Auf die speziellen Anforderungen an die Prothetik alter
Menschen ausgerichtete Angebote werden zunehmen, denn dieses Marktsegment wird wachsen. Eine ganze Gruppen von Dentallieferanten wird
sich in diesem Markt etablieren. Die angedeuteten Entwicklungen werden
viele Zahntechniker insgesamt näher an die Patienten bringen. Der Kontakt
zwischen Patienten und Zahntechnikern wird künftig bereits bei der Auswahl von Qualitäten und Preisen des Zahnersatzes beginnen und
35
Dass eine derartige Reduktion von Betrieben und Zahntechnikern nicht zwangsläufig zu
einer Versorgungskrise mit Zahnersatz führen muss, zeigt ein Blick über die Grenzen in
Nachbarländer mit wesentlich geringerer Zahntechnikerdichte als in Deutschland.
158
möglicherweise auch Fragen der Finanzierung des Zahnersatzes einschließen. Zumindest ein Teil der Dentallabors wird damit nicht mehr ausschließlich Zulieferer für die Zahnärzte bleiben, sondern selbst in unmittelbaren
Kontakt zu den Patienten treten. Möglicherweise wird in vielen Fällen an die
Stelle der alten Zuliefererkette Patient-Zahnarzt-Zahntechniker eine entsprechende Dreiecksstruktur treten.
Gute Überlebens- und Entwicklungschancen werden vor allem mittelgroße
Betriebe haben, die bereits heute mit anderen gleichartigen Betrieben in
Netzwerken zusammenarbeiten (Materialeinkauf, Weiterbildung, Technikeinsatz etc.). Die Auslandsfertigung und die Einfuhr von Zahnersatz wird,
insbesondere nach der Osterweiterung der EU, deutlich zunehmen. Dort
erzielte Preisvorteile werden das deutsche Handwerk einerseits unter Druck
setzen, andererseits wird diese Situation dazu führen, dass sich auch
deutsche Dentallabore - evtl. in Partnerschaft mit einzelnen Kassen, Zahnärzteverbünden und Firmen des Dentalhandels - im Auslandsgeschäft wirtschaftlich engagieren werden. In unmittelbaren Grenzregionen zu den mittel- und
osteuropäischen Nachbarländern werden sich für Inhaber deutscher Dentallabors Investitionsmöglichkeiten in grenznahe Labors mit niedrigeren Arbeitskosten eröffnen. Im Zusammenhang mit den notwendigen größeren Investitionen - sei es in neue Technologien in deutschen Betrieben, sei es in den
Aufbau von Produktionskapazitäten im Ausland - wird der wirtschaftliche
Einfluss von Kapital aus den dem Zahntechnikerhandwerk benachbarten
Branchen (Dentalindustrie, Dentalhandel, zahnärztliches Investment, private Versicherungen) zunehmen. Traditionelle handwerkstypische Eigentumsund Betriebsformen werden allmählich zurückgedrängt werden.
Die CAD/CAM-Technologie wird in den nächsten Jahren ihre Entwicklungsund Ausbreitungschancen vor allem im Feld betrieblicher Verbünde finden.
Nicht die kleinen isolierten Handwerksbetriebe, sondern Netzwerke zwischen Labors und Fräszentren werden Zug um Zug mit der neuen Technik
arbeiten. Die veränderten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen
werden stärker als bisher Konkurrenzmechanismen um Preise und Qualitäten des Zahnersatzes fördern. Auf diesem Hintergrund werden vor allem
Technologien Chancen auf dem Markt haben, die auch in kleineren und
mittleren Betrieben realisierbare Kostensenkungseffekte ermöglichen. Angesichts des durch Marktzwänge dann ausgeübten Drucks zur Kostensenkung bei gleichzeitig für die Patienten akzeptabler Qualität werden
möglicherweise technisch-organisatorische Rationalisierungsmöglichkeiten
im Zusammenhang mit neuen Fertigungstechnologien und dem Einsatz
neuartiger Verfahren überhaupt erst freigesetzt,
159
für deren Verbreitung bisher weder die staatliche Höchstpreisbindung noch
die betriebswirtschaftlichen Bedingungen der meisten Betriebe entsprechende Voraussetzungen boten.36
Auf dem Weg zu „Industriellen Beziehungen“?
Die Innungen und Innungsverbände des Zahntechnikerhandwerks werden
im Zuge der absehbaren Veränderungen im System der Zahnersatzfinanzierung ihre historischen gesundheitspolitischen Aufgaben und Funktionen weitgehend verlieren. Dies dürfte nicht nur für den Fall der vollständigen Herauslösung der Zahnersatzfinanzierung aus den GKV-Leistungen
gelten. Auch bei einer weiteren Ausweitung der Zuzahlungen für Zahnersatz sowie durch die geplante direkte Vertragsgestaltung zwischen Kassen
und Dentalfirmen werden die BEL-Höchstpreise immer mehr an Bedeutung
für die Umsätze im Zahntechnikerhandwerk verlieren. Über die Branchenumsätze wird künftig kaum noch in Verhandlungen zwischen Innungen und
Kassen entschieden werden, sondern jede einzelne Dentalfirma wird eigene
Marktpolitik machen müssen. An die Stelle des Lobbyismus im Konzert der
Interessenverbände des Gesundheitssystems wird bei den ZahntechnikerInnungen möglicherweise stärker die Rolle als Arbeitgeberverbände mit den
klassischen sozialpolitischen Branchenaufgaben treten. Nicht mehr die
Ebene staatlicher Gesundheitspolitik, sondern die Arbeitnehmer und ihre
gewerkschaftlichen Interessenvertreter wären dann die Adressaten einer
neuen Verbandspolitik.
Letztlich dürfte die zukünftige Entwicklung der Interessenvertretungsorganisationen beider Seiten, also der Innungen und der Gewerkschaft,
nicht unwesentlich davon abhängen, in wieweit es ihnen gelingen wird, die
wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen für Unternehmen und Beschäftigte - jeder für seine Seite, letztlich aber auch gemeinsam - zu prägen. In
einem Prozess zwischen Konflikt und Kooperation wird es u. a. darum
gehen, wirtschaftliche Rahmenbedingungen und verbindliche soziale Normen für die Arbeit in der Branche zu vereinbaren und zu kontrollieren, sowie
36
So wirbt beispielsweise der Bremer Dentaltechnologie-Hersteller BEGO seit Anfang
2003 mit seinem neuartigen Verfahren „Medifacturing“ als einem System, das „mehr
unternehmerische Freiheit in einem reglementierten Gesundheitsmarkt“ sichere. Mittels
des neuen Verfahrens könne beispielsweise die Arbeitszeit zur Herstellung eines
Käppchens von 49 auf zirka drei Minuten verkürzt werden (vgl. Fuchs, 2003, S. 10).
160
eine von Inhaber- wie Arbeitnehmerseite anerkannte Branchenkultur weiterzuentwickeln. Diese sozialpartnerschaftliche Ordnungsfunktion der Verbände ist im Zahntechnikerhandwerk bisher unentwickelt. Gerade in der
tiefgreifenden Umbruchphase, durch die die Branche in den kommenden
Jahren gehen wird, wäre eine solche Gestaltungsfunktion, die von Arbeitgeber- wie von Arbeitnehmerseite akzeptiert wird, notwendig. Erst wenn in
einem solchen Prozess den gewerkschaftlichen Interessenvertretern eine
rechtlich wie politisch gleichwertige Stellung gegenüber Innungen und VDZI
eingeräumt wird, wenn also auf gleicher Augenhöhe zwischen den Verbänden gehandelt wird, entsteht eine Grundlage dafür, dass beide Verbände
Brancheninteressen ggf. auch gemeinsam nach außen vertreten.
Vergleiche zwischen der staatlich regulierten Höchstpreisentwicklung für
Zahnersatz und der Einkommensentwicklung bei den Zahntechnikern haben gezeigt, dass das Handwerk im Verlauf der zweiten Hälfte der 90er
Jahre einen massiven Verfall des Einkommensniveaus seiner Beschäftigten
zu verzeichnen hatte. Die Einkommensentwicklung der Fachkräfte hinkt
seit 1993 deutlich hinter dem Niveau der Einkommen von vergleichbaren
Fachkräften in anderen Handwerksbranchen her (vgl. Winkler, o. J.). Die
Folge waren eine stark nachlassende Ausbildungsaktivität der Branche,
sinkende Motivation und Abwanderungsbewegungen der Fachkräfte in
andere Wirtschaftsbereiche. Die Branche hat damit einerseits an Attraktivität für den potenziellen Fachkräftenachwuchs und andererseits an
Innovationsfähigkeit angesichts neuer Herausforderungen im Zusammenhang mit neuen Verfahren und Technologien eingebüßt. Die faktische
Bindung der Lohnentwicklung an die staatliche Preisregulierung hat demnach - zumindest in den letzten zehn Jahren - einen überwiegend destruktiven
Einfluss auf die Branchenentwicklung ausgeübt.
Bei einer in unseren Überlegungen unterstellten Aufhebung der Höchstpreisregelung für Zahnersatz bzw. bei einem weiteren Rückzug der GKVLeistungen aus der Zahnersatzfinanzierung wäre hier also eine allmähliche
Normalisierung der Einkommensentwicklung zu erwarten. Die Betriebsinhaber und ihre Innungen könnten nun erstmals - wie dies in anderen
Handwerksbranchen üblich ist - mit ihren Arbeitnehmern an Markt-, Umsatz-, Gewinn- und Leistungsgrößen orientierte Löhne aushandeln. Zweifellos würde dies zunächst auch mit einer stärkeren Differenzierung der
Lohnchancen je nach Marktsituation und technisch-organisatorischem
Entwicklungsstand der Betriebe einhergehen. Auf der Inhaberseite könnten
aber bisher oft blockierte Motivationen für die Erschließung neuer Märkte
sowie den Einsatz neuer (personal-)kostensparender Verfahren und Tech-
161
nologien freigesetzt werden. Für Arbeitnehmer in den entwicklungsfähigen
Betrieben dürfte sich dadurch die Chance zu einer Einkommensentwicklung
ergeben, die nicht mehr von der allgemeinen Lohn-Preisentwicklung abgekoppelt wäre. Auf dem Hintergrund dieser neuen Situation würde die
Branche auch wieder an Attraktivität für junge Nachwuchskräfte gewinnen.
Eine solche Entwicklung würde das seit Jahren von den Gewerkschaften
geäußerte Interesse am Abschluss von Tarifverträgen zur allgemeinen
Regelung von Einkommens- und Arbeitzeitstrukturen möglicherweise auf
eine neue Grundlage stellen. Die Innungen haben solche Forderungen bisher
mit Hinweis auf die gewissermaßen „ausgetrocknete“ Preis- und Ertragsentwicklung als unrealistisch zurückgewiesen. In der Tat boten die durch die
Einnahmesituation der Kassen begrenzten minimalen Preiserhöhungen für
Zahnersatz der letzten Jahre kaum Verhandlungsspielraum für eine akzeptable tarifliche Lohnentwicklung. In einer Branche mit wenig ausgeprägter
Konkurrenz erscheint eine für alle Betriebe bindende Lohnnorm nicht
vordringlich. Die Gefahr von Schmutzkonkurrenz durch niedrige Löhne
bestand aufgrund des knappen Angebots an qualifizierten Fachkräften
lange Zeit nicht. Dies kann sich unter den Bedingungen eines „liberalisierten
Marktes“ jedoch nachhaltig ändern. Unter der Bedingung sich jetzt
möglicherweise stärker entwickelnder Konkurrenzverhältnisse zwischen
den Betrieben könnten die Betriebsinhaber künftig ein Interesse an einer
betriebsübergreifenden allgemeinen tarifpolitischen Normung der Lohnund der Arbeitsbedingungen in der Branche entwickeln. Ein Einstieg in
tarifliche Normierung könnte bei einzelnen Unternehmen auf der Ebene von
Firmentarifverträgen beginnen. Möglicherweise könnten auch die kooperativen Netzwerke der Zahntechnikerbetriebe Interesse an einem tarifpolitischen Mandat entwickeln. Denn es kann für Netzwerkunternehmer
von Interesse sein, durch gemeinsame Tarifverträge gewissermaßen „den
Rücken frei zu bekommen“ für die Verfolgung strategischer Ziele. Schließlich
entstünde hier ein neues Handlungsfeld für die Innungen, in das sie auch ihre
im Zusammenhang mit den regelmäßigen Lohnerhebungen ausgebildete
Kompetenz einbringen könnten.
Die Arbeit von Innungen und Gewerkschaft an tariflichen Branchennormen
könnte gewissermaßen zum Kernstück einer „Normalisierung“ der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen in der Branche werden. Weitere gemeinsame Gestaltungsfelder lägen beispielsweise in der beruflichen Weiterbildung und in einem betriebsübergreifenden Gesundheitsschutz für die Beschäftigten der Branche. Derartige Gemeinschaftsaktivitäten könnten mittelfristig weitreichende Folgen für das Verhältnis zwischen Innungen und
162
Gewerkschaften in der Branche haben. Eine solche neue Aufgabenzuweisung könnte nicht zuletzt auch die bestehenden Interessenorganisationen
von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite stärken. Erosionstendenzen innerhalb der Innungsorganisation könnten möglicherweise gestoppt werden.
Für Arbeitnehmer der Branche könnte es interessanter werden, einer
Gewerkschaft beizutreten, wenn diese aktiv an der Gestaltung von Lohnund Arbeitsbedingungen beteiligt ist. Die Entwicklung des Betriebsrätewesens als der entscheidenden dezentralen Ebene zur Umsetzung und
Anwendung der überbetrieblich ausgehandelten Tarifnormen könnte
schließlich in der Zahntechnikerbranche neue Impulse erhalten. In manchem
Betrieb, in dem es bereits einen Betriebsrat gibt, wird die Anwendung
tariflicher Normen bereits seit Jahren durch Firmentarifverträge oder betriebliche Vereinbarungen geregelt.
Branchenkultur im Umbruch
Das Zahntechnikerhandwerk befindet sich heute in mehrfacher Hinsicht an
einer folgenreichen Entwicklungsschwelle. Bisher wurden ihre wichtigen
wirtschaftlichen Rahmendaten (Preise, Umsatz) gewissermaßen im Schutz
staatlich gelenkter Gesundheitspolitik auf zentraler Ebene (Kassen, Innungen) vereinbart. Durch das absehbare Aufbrechen des Systems staatlich
gelenkter Preise und Umsätze werden die Dentallabors künftig deutlich
stärker als bisher Konkurrenzmechanismen ausgesetzt sein. An die Stelle
staatlicher Preisvorgaben, die die Verhältnisse in den Betrieben, einschließlich der Einkommensentwicklung der Beschäftigten, weitgehend steuerten,
werden nun Mechanismen parzellierter Entscheidungen auf einzelbetrieblicher Ebene treten. Die Branche tritt damit gewissermaßen aus dem
staatlichen Gesundheitsfinanzierungssystem heraus, das ihr jahrzehntelang
Wohlstand garantiert hatte, zum Schluss aber eher entwicklungshemmend
wirkte.
Der Eintritt in die Konkurrenzwirtschaft enthält neben den gesundheitspolitisch gewollten Chancen zur Entwicklung rationellerer kostensparender
Produktionsmethoden auch eine Reihe wirtschaftlicher und sozialer Risiken
für Inhaber wie Arbeitnehmer der Branche. Eine rein einzelbetrieblichkonkurrenzhafte Ökonomie, wie sie etwa dem neoliberalen Modell entspräche, würde möglicherweise das grundsätzliche Strukturproblem der Branche weiter verschärfen: Kleine isolierte Inhaberbetriebe stehen alleine
wirtschaftlich mächtigeren gesellschaftlichen Gruppierungen wie Krankenkassen, Dentalindustrie und einem stärker werdenden Dentalhandel mit
163
Auslandsproduktion gegenüber. Der ungehemmte Kampf „Jeder gegen
Jeden“ würde nicht zuletzt gewachsene Qualifikationen und Wissenspotenziale zerstören. Die mittelstandspolitische Alternative zu einer derartigen „manchesterkapitalistischen Perspektive“ läge sicher in einer Förderung intermediärer Strukturen zur zwischenbetrieblichen Kooperation in der
Branche. Ein hilfreiches Strukturmuster zur Stärkung der Entwicklungsfähigkeit in qualifikatorischer, technologischer und wirtschaftlicher Sicht ist in den
seit einigen Jahren verstärkt auftretenden Kooperationsnetzwerken mittelständischer Dentallabors zu sehen. Ihr Ziel ist es, bei der Wahrung ihrer
mittelständischen Eigentums- und Entscheidungsgrundlagen, auch von größeren wirtschaftlichen Dimensionen abhängige Entwicklungschancen etwa
in der Weiterbildung und im Einsatz neuer Technologien zu nutzen. Im
Zusammenhang mit wirtschaftspolitischen Überlegungen zur Sicherung und
Weiterentwicklung mittelständischer Betriebsformen (Stichwort
„Mittelstandsinitiative“) wären im Bereich solcher Kooperationsnetze eigenständiger Dentallabors auch sinnvolle Felder staatlicher Wirtschaftsförderung zu finden.
Die Entwicklung einer weiteren intermediären Branchenstruktur zur Verbesserung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Beziehungen zwischen Betrieben, Inhabern und Arbeitnehmern, muss die Branche aus sich
selbst heraus leisten. Die Branche steht vor der Aufgabe, auf der Grundlage
ihres hohen beruflichen Qualifikationsniveaus gewissermaßen eine gemeinsame „Branchenkultur“ zu entwickeln. Kernstück einer von allen Akteuren
gemeinsam getragenen Branchenkultur wäre der Schutz und die Förderung
der hohen beruflichen Qualifikation der Zahntechniker, sowie deren Weiterentwicklung im Einklang mit neuen Techniken, Fertigungsverfahren und
Materialien. Gleichrangig anzusehen wäre der Schutz der körperlichen
Unversehrtheit der Beschäftigten und die Förderung ihrer Gesundheit. Dies
sind Aufgaben, die nicht allein auf einzelbetrieblicher Ebene, sondern nur
durch Kooperationsformen innerhalb der Branche geleistet werden können.
Eine so verstandene konsensuale Branchenkultur könnte als eine Alternative zur durch die ungehemmte Freisetzung von Konkurrenzmechanismen
drohenden „Wolfsgesellschaft“ angesehen werden. An der Entwicklung
einer solchen, auf formellen wie informellen Regeln beruhenden Branchenkultur müssen alle wichtigen Branchengruppen sich beteiligen können. Hier
entsteht also ein gemeinsames Arbeitsfeld für die in der Branche bereits
bestehenden Verbände, also Innungen und Gewerkschaften, aber auch für
überbetriebliche Verbünde, Weiterbildungs- und Forschungseinrichtungen.
Die Entwicklung anerkannter Normen für die Aus- und Weiterbildung sowie
tarifvertragliche Vereinbarungen über Einkommen und Arbeitszeitstrukturen
164
könnten eine wichtige Grundlage einer solchen Branchenkooperation bilden. Der Auftakt für einen solchen Weg könnte die Eröffnung eines offenen
„Branchendialogs“ zwischen den wichtigsten Akteuren der Branchen bilden.
165
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Zu den Autoren
Wolfram Wassermann, Dr. rer. pol., Sozialforscher, Jahrgang 1946
Berufliche Stationen: Landesinstitut Sozialforschungsstelle Dortmund, wiss.
Fachreferent beim Hauptvorstand der Gewerkschaft Textil-Bekleidung,
Mitgründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro für Sozialforschung
Kassel.
Forschungsthemen: Industrielle Konflikte, betriebliche Alltagskonflikte,
Arbeitsgestaltung und Mitbestimmung, Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen in Kleinbetrieben, Branchenanalysen im KMU-Bereich, wirtschaftlicher Strukturwandel und Entwicklung des Betriebsrätewesens, Trenduntersuchungen Betriebsratswahlen, Strukturveränderungen der Gewerkschaften, Industrielle Beziehungen im internationalen Vergleich.
Buchveröffentlichungen der letzten Jahre: Wassermann, W., Rudolph, W.,
1996: Betriebsräte im Wandel, Münster; Wassermann, W., 1999: Diener
zweier Herren. Arbeitnehmer zwischen Arbeitgeber und Kunde, Münster;
Wassermann, W., 2002: Die Betriebsräte. Akteure für Demokratie in der
Arbeitswelt, Münster.
Wolfgang Rudolph, Soziologe M.A., Jahrgang 1949.
Berufliche Stationen: Kaufmännischer Angestellter in einem mittelständischen Betrieb, Betriebsratsvorsitzender. Studium an der Universität Göttingen und an der London School of Economics and Political Science. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Gesamthochschule Kassel -Universität-,
Mitgründer und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro für Sozialforschung
Kassel.
Forschungsthemen: Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen in Kleinbetrieben, Branchenanalysen im KMU-Bereich, wirtschaftlicher Strukturwandel
und Entwicklung des Betriebsrätewesens, Trenduntersuchungen Betriebsratswahlen, Industrielle Beziehungen im internationalen Vergleich, Soziologie
der Verkehrsbeziehungen.
Veröffentlichungen der letzten Jahre: Wassermann, W., Rudolph, W., 1996:
Betriebsräte im Wandel, Münster; Rudolph, W., Wassermann, W., 1998:
Trendreport Betriebsrätewahlen ’98. Das Profil der Betriebsräte zum Ende
der 90er Jahre, Düsseldorf; Rudolph, W., Wassermann, W., 2000: Das Modell
„Ansprechpartner“. Gewerkschaftliche Ansprechpartner für Arbeitnehmer
176
in kleinen Betrieben, Düsseldorf; Rudolph, W., 2002: Mobil mit Bus und Bahn:
Kinder und Jugendliche entdecken den ÖPNV, Reihe „direkt. Verbesserung
der Verkehrsverhältnisse in den Gemeinden“, Nr. 57, hrsg. vom BMVBW,
Berlin; Sacher, M., Rudolph, W., 2002: Innovation und Interessenvertretung
in kleinen und mittleren Unternehmen, Düsseldorf.
177
Die Hans Böckler Stiftung ...
... ist das Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerk des
DGB. Sie ist in allen ihren Aufgabenfeldern der Mitbestimmung als
Gestaltungsprinzip einer demokratischen Gesellschaft verpflichtet. Sie wirbt
für diese Idee, unterstützt Mandatsträger in Mitbestimmungsfunktionen
und tritt für erweiterte Mitbestimmungsrechte ein.
Gegründet...
... wurde die Stiftung im Juli 1977 durch den Beschluss des Deutschen
Gewerkschaftsbundes, die Vorläuferorganisationen „Hans-Böckler-Gesellschaft“ und „Stiftung Mitbestimmung“ zusammenzuschließen. Im Jahre
1995 wurde das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) als
Forschungsabteilung in die Stiftung integriert.
Finanziert wird die Stiftung ...
... im wesentlichen aus zwei Quellen. Zum einen erhält sie Zuwendungen der
Arbeitnehmervertreterinnen und –vertreter in Aufsichtsräten, die ihre Aufsichtsratstantiemen an die Stiftung abführen, und sie erhält Spenden von
Personen und Institutionen, die die Arbeit der Stiftung unterstützen möchten. Zum anderen erhält sie über das Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft, Forschung und Technologie öffentliche Mittel, die zweckgebunden für Stipendien gewährt werden.
Förderin und Förderer der Stiftung ...
... kann werden, wer ihre Satzungsziele unterstützen will. Die Mehrheit der
Förderinnen und Förderer sind Arbeitnehmervertreterinnen und –vertreter
in Aufsichtsräten.
Aufgaben der Stiftung ...
... sind die Förderung von Theorie und Praxis der Mitbestimmung durch die
wissenschaftliche Beratung und Qualifizierung vornehmlich von Betriebsund Personalräten, Männern wie Frauen, und von Arbeitnehmervertretern
in Aufsichtsräten. Dienstleistungen sind die Forschungsprojekte zur Erhebung, Analyse und praxisgerechten Aufbereitung von Daten zu den Themen
Mitbestimmung, Strukturpolitik, Arbeitsgesellschaft, öffentlicher Sektor,
Sozialstaat, Arbeitsmarkt, Wirtschaft und Tarifpolitik. Dienstleistungen für
178
die rund 2.000 Stipendiatinnen und Stipendiaten der Stiftung sind zum
Beispiel eigene Bildungsangebote und die Vermittlung von Praktikantenstellen.
Die Zusammenarbeit ...
... mit Vertreterinnen und Vertretern von Wissenschaft und Praxis aus
Unternehmen und Verwaltungen ist das Fundament der Arbeit der Stiftung.
Ein Netz von Veranstaltungen, Arbeitskreisen und Beiräten dient dem
Erfahrungsaustausch und der Realisierung gemeinsamer Vorhaben. Die
Mitbestimmungsförderung organisiert zum Beispiel Arbeitskreise der
Arbeitsdirektorinnen und –direktoren der verschiedenen Branchen.
Forschungsprojekte werden durch Beiräte begleitet, in denen Vertreterinnen und Vertreter von Wissenschaft, Gewerkschaft und Interessenvertretung mitwirken.
Öffentlichkeitsarbeit
Ihre Arbeitsergebnisse und Dienstleistungen veröffentlicht die Stiftung über
Veranstaltungen, Publikationen und Medienproduktionen. Sie gibt zwei
Monatszeitschriften heraus: Das Magazin „Mitbestimmung“ und die „WSIMitteilungen“.
179
Das RKW Rationalisierungs- und
Innovationszentrum der Deutschen Wirtschaft...
...ist ein bundesweite Netzwerk, das sich für den Erfolg insbesondere der
kleinen und mittleren Unternehmen engagiert. Das RKW fördert Rationalisierung und Innovation in ökonomischer, technologischer, sozialer und
ökologischer Hinsicht, um Wachstum und sichere Arbeitsplätze zu erreichen. Das heißt: vernünftiges Gestalten der wirtschaftlichen, sozialen und
organisatorischen Prozesse im Unternehmen, Steigern der Produktivität
durch technische und betriebswirtschaftliche Innovationen, nachhaltiges
Verbessern der Arbeitsbedingungen und der Qualifikation der Beschäftigten
und verantwortlicher Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
Gegründet...
... wurde das RKW 1921 von Unternehmern, Verbänden und der Politik. Seit
der Wiedergründung 1948 sind die Wirtschaft, Sozialpartner, Politik und
Verwaltung die Träger des RKW. Neben der Bundesgeschäftsstelle bestehen zwölf selbständige Landesverbände.
Die Aufgabe des RKW...
...ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes. Gemeinsam
mit den Sozialpartnern, Politik, Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft
entwickelt das RKW Konzepte zur Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Auf betrieblicher Ebene unterstützt das RKW die kleinen und
mittleren Unternehmen durch Information, Weiterbildung und Beratung.
Der Verein RKW e.V. .....
... ist der Dachverband für die zwölf unabhängigen RKW-Vereine in den
Bundesländern. Sie bilden das föderative Prinzip der Bundesrepublik Deutschland ab. Die bundesweite Präsenz, Neutralität und Gemeinnützigkeit sind
die Stärken des RKW. Insgesamt gehören rund 5000 Unternehmen den
Vereinen an. Sie verankern das RKW in seiner wichtigsten Zielgruppe. Die
ehrenamtlichen Mitarbeiter in Vorständen und Beiräten und in dem hochkarätig besetzen Kuratorium tragen wesentlich zum Erfolg des RKW bei.
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Das fachliche Profil...
...der Bundesgeschäftsstelle umfasst betriebwirtschaftliche, arbeitwirtschaftliche und sozialwirtschaftliche Themen. Mittelstandsfinanzierung,
EU-Erweiterung, Beschäftigung, Arbeit und Organisation sowie Innovative
Technologien in Dienstleistung und Produktion sind zentrale Fragestellungen. Die Projektergebnisse veröffentlicht das RKW im eigenen Verlag,
kommuniziert sie in Veranstaltungen und erprobt sie in einzelnen Unternehmen durch Pilotprojekte. Kontinuierlich berichtet das RKW über seine Arbeit
in der Zeitschrift RKW-Magazin und auf seiner Website www.rkw.de.
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Büro für Sozialforschung Kassel
Forschung · Beratung · Weiterbildung
© 2003 Alle Rechte vorbehalten
RKW - Verlag
Düsseldorfer Straße 40
65760 Eschborn
RKW-Nr. 1465
ISBN 3-89644-212-0
Layout: RKW, Eschborn
Druck: Druck Partner Rübelmann, Hemsbach
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