Schwarz, rot, tot
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Schwarz, rot, tot
Materialien für den Unterricht Heidi Hassenmüller Schwarz, rot, tot Umschlag: Kathrin Schüler ISBN: 978-3-8415-0108-0 7./8. Klasse Thematik: Gewalt, Rassismus, Politik, Freundschaft, „Rechte Szene“ 1 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 1. Teil: Hintergründe und Zusammenhänge von Christine Hagemann Rechtsradikalismus bei Jugendlichen – alles halb so schlimm? Ein Teufelskreis aus Schuld, Scham und Einsamkeit verhindert jede Handlungsfähigkeit. Die Hilfe besteht nicht nur aus konkreten Maßnahmen (Zeugenschutzprogramm), sondern vor allem aus Zutrauen und Solidarität. • Wird ein Übeltäter „abgestempelt“, hat er oft endgültig keinen Grund mehr ein Verhalten zu ändern, von dem er bisher selber vielleicht noch nicht wirklich überzeugt war. Die letzten Skrupel könnten beseitigt werden für das existenziell Bedeutendere, das Gefühl von Zugehörigkeit. Nur da, wo das Kind sich beachtet und anerkannt fühlt, kann es auch Vertrauen und bewusstes Handeln entwickeln. Die Zahl der Gewalttaten unter Jugendlichen sei nicht angestiegen, nur die besorgte Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sei gewachsen, rechtsextremistische Straf- und Gewalttaten seien durchschnittlich in Deutschland eher geringer geworden, vermelden neue Statistiken. Andererseits gibt es Studien, die sowohl die Zahl der gewaltbereiten als auch der ausländerfeindlichen Jugendlichen bei 30 – 50 % sehen, Diskussionen entbrennen, ob Medien, Computerspiele oder mangelhafte Erziehung schuld an der bedrohlichen Entwicklung sind. Für den, der als Opfer oder als Handelnder in die Spirale aus Hilflosigkeit und Gewalt gerät, sind alle diese Überlegungen müßig. Deshalb stehen an dieser Stelle einzig die Fragen: Was macht Kinder empfänglich für die rechtsradikale Szene und was kann die Schule tun, um Jugendliche in ihrer Entwicklung zu selbstsicheren, bewusst und interpersonal tolerant handelnden Personen zu fördern? Die Beschäftigung mit dem Rechtsextremismus im Unterricht hat Udo nicht schützen können, die Begegnung in seinem eigenen Leben fand ganz anders statt. Für ihn stellte sich erst später heraus, dass sein „Retter“ und Vorbild Willi nicht wirklich ihn meinte. Aus seiner Verstrickung findet er keinen Ausweg. Letztlich rettet ihn nur seine Empathiefähigkeit. • Bei der Antizipation der männlichen Rolle ist für Jungen das „männliche Vorbild“ unerlässlich. Das muss nicht unbedingt der Vater sein, auch andere Erwachsene in seiner Nähe, Vertraute, Lehrer, tragen zur Entwicklung der eigenen Persönlichkeit bei. Wichtig ist eine grundsätzliche Akzeptanz, die weder von Wohlverhalten abhängt noch von Konflikten erschüttert werden kann. Ein Kind, das Gefühle anderer ihm gegenüber nicht als Klischees, sondern als verlässliche Basis erlebt, kann ein tragfähiges Zutrauen in seine eigenen Gefühle entwickeln. Kinder stark machen Das Buch „Schwarz, rot, tot“ von Heidi Hassenmüller zeigt eindrücklich, dass die Kategorisierung in Opfer und Täter nicht schlüssig ist. Udo wechselt kurzfristig von der Opfer- in die Täterrolle, er erlebt einen Rausch, der ihm später nur ein schlechtes Gewissen bereitet. Eigentlich wollte er Anerkennung und nicht immer der Unterlegene sein. • Ein verändertes Verhalten oder Zurückgezogenheit sind nicht untypisch für Kinder in der Pubertät. Dennoch sollten Eltern und Lehrer aufmerksam auf die Signale achten, die vielleicht auch in Form von provozierender Aggressivität ausgesandt werden. Die leichtfertig benutzte Formel aggressiv = böse stimmt nicht. Verhalten ist allenfalls richtig oder falsch, angemessen oder überzogen. Dem Bedürfnis, Gewalt anzuwenden, können Gefühle wie Angst (innere Unsicherheit, Überforderung) oder Frustration (Enttäuschung, Minderwertigkeitsgefühle, Unterlegenheit) zugrunde liegen. Hier ist es wichtig, rechtzeitig gegenzusteuern. 2 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot Auf der Suche Mit Erstaunen stellen viele Erwachsene fest, dass Jugendliche in rechtsorientierten Gruppen bereitwillig straff reglementierte Strukturen und hierarchische Autorität akzeptieren, was sie in ihrem sonstigen Umfeld strikt ablehnen. Im Sinne der entwicklungspsychologischen Theorie einer fortschreitenden Autonomie des Einzelnen, die Regeln nicht mehr als unumstößlich vorgegeben, sondern als verhandelbare Übereinkunft begreift, scheint diese Haltung eine Regression, zumindest eine Stagnation darzustellen. Andererseits muss bedacht werden, dass an der Schwelle von der Kindheit (heteronom) zum Erwachsensein (autonom) die neue Rolle noch diffus ist und kompliziert erscheint, dass alte, bekannte Muster aber Sicherheit geben. Die Eingliederung in eine neue Gruppe und die Ausrichtung auf „höhere Werte“, die „große gemeinsame Sache“, verschleiern, dass auf der Verhaltensebene kein Fortschritt stattfindet. Hinzu kommt, dass die Suche nach einem Platz in der Gesellschaft für viele Jugendliche mit Angst und Frustration einhergeht. Für die, die keinen Arbeitsplatz finden, keine Perspektive sehen und auch in der Familie keinen Halt haben, bietet die hermetische Struktur der rechten Gruppen eine klare, überschaubare Orientierung. Eltern fühlen sich ihren Kindern in der Pubertät gegenüber hilflos, wenn sie das Gefühl bekommen, sie emotional nicht mehr erreichen zu können. Die Kinder kapseln sich ab, wollen keinen Einblick in ihre Gefühle mehr zulassen, und zur Behauptung ihrer Eigenständigkeit ziehen sie es vor, sich kühl und schroff zu verhalten. Wo diese Situation nicht in Konflikte mündet, entsteht durch Überspielen häufig eine zunehmende Oberflächlichkeit der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, manchmal bis zum Desinteresse. Beide Seiten fühlen sich unverstanden, gekränkt und frustriert. Eltern leiten daraus oft das Urteil ab, die Kinder seien egoistisch, gefühlskalt und interesselos. Sie verkennen, dass die Heranwachsenden sich selber hilflos in ihren sich ändernden Beziehungen zu sich selbst und ihrer Umwelt fühlen und vor allem Anerkennung suchen. Die Jugendlichen sind durchaus auf der Suche nach Sinn, Werten und persönlichem Erfolg. Sie sehen sich aber in einem gesellschaftlichen Umfeld, das ihnen ihre Wünsche verweigert, sich zumindest nicht für sie interessiert. Die Abkehr von dieser Gesellschaft erscheint ihnen nur konsequent. In den rechten Gruppen treffen sie auf „Gleichgesinnte“, bei denen sie sich nicht mehr unverstanden und abgelehnt fühlen. Die Gruppe gibt einzelnen Schwachen das Gefühl von Stärke. Für das Gefühl, nicht mehr schwach zu sein, nehmen sie die geforderte Konformisierung in Kauf. Sie erhalten die Anerkennung, die ihnen ihr Umfeld bisher verweigert hat. 1. Gruppe und Führer Der Weg von desorientierten Jugendlichen führt nicht zwangsläufig in die rechtsradikale Szene. Sie stellt ein Auffangbecken dar, auch einen Fluchtpunkt aus der realen Umwelt, mit festem Halt und einfachen Lösungen, wie ihn Jugendliche etwa auch in Sekten, Drogen oder anderen Süchten suchen. Für viele ist es nicht die Ideologie, die diese Szene attraktiv macht, sondern ihr Angebot von Akzeptanz, Sinn und Macht. Auf der Suche nach Zusammenschluss jenseits der kindlichen Erfahrungswelt scheint sich in dieser neuen Gruppe fester Halt zu bieten: Die Zusage von Überlegenheit und Stärke lässt die eigene Erfolglosigkeit und Isolation vergessen. Die „Kameraden“ stehen zusammen, jeder hat seinen festen Platz, dort ist der Jugendliche wichtig. So beachtet und „aufgewertet“, übernimmt der Einzelne bereitwillig auch Aufgaben, zumal sie letztlich ja der „großen Sache“ dienen. Als „höheres Ziel“ bekommt diese einen weihevollen Charakter, repräsentiert durch den Führer, der als verklärte Gestalt fast kultisch verehrt und nicht hinterfragt wird. Das konkrete Ziel bleibt nebulös, es gestaltet sich eher als ein „Befreien-von“, womit sich die Jugendlichen emotional leicht identifizieren. Strukturen dieser Art sind z.B. auch von Sekten bekannt. Darüber hinaus ist hier möglich, was besonders den männlichen Jugendlichen in ihrer momentanen Situation verlockend erscheint: ein Ventil für all die angestaute Aggression, die das Resultat von Frustration, Angst und Schwäche ist. In dieser Gruppe gibt es die Erlaubnis für Gewalt. 3 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 2. Gruppe und Gewalt Die Notwendigkeit der Gegenwirkung Die Einhaltung der Gruppennormen ist bindend für den Verbleib in der Gruppe. Das Akzeptieren der Gruppennorm entbindet den Einzelnen von individuellen Entscheidungen und Verantwortungen. Dies kann zu einer Enthemmung führen: Der Einzelne handelt ohne schlechtes Gewissen der Gruppennorm entsprechend anders, als er es aus eigenem Impuls oder eigener Überlegung tun würde. Eine Weltsicht, bei der Freund- und Feindbilder eindeutig vorgeprägt sind, begünstigt Aggressivität und Gewalt. Vorbilder, durch die Aggressivität gegen die Umwelt gerechtfertigt wird, haben einen großen Einfluss auf das Verhalten des Einzelnen. Er lernt Verhaltensmuster kennen, durch die andere Macht, Einfluss oder Vorteile erlangen. Es erscheint folgerichtig, diese Verhaltensweisen selber anzuwenden, um zu den angestrebten Zielen zu gelangen. Diese Ziele reichen vom kurzfristigen Frustabbau bis zur Erringung von Macht und (auch politischer) Herrschaft. In Deutschland ist der Rechtsextremismus in den westlichen Bundesländern vor allem partei- und verbandsförmig organisiert, in den östlichen herrschen Kleingruppen und Cliquen vor, die ein Lebensgefühl ausdrücken. Hier wie dort werden in den aktiven Stoßtrupps diejenigen gefördert und von den Mitgliedern als Anführer bewundert, die sich durch besondere Härte und Skrupellosigkeit auszeichnen. Die neuere Forschung weist hier auf mangelnde biologische Strukturen im Gehirn hin, was eine Empathiefähigkeit grundsätzlich verhindert. Die Unfähigkeit, eine emotionale Furcht vor einem drohenden Ereignis zu empfinden, prädestiniert sie als Vorbilder in gewalttätigen Gruppen. Die anderen erreichen durch wiederholtes Ausüben von Gewalt ein Einschleifen dieser Verhaltensmuster und eine Abstumpfung ihrer Empathiefähigkeit, die im Sinne der Gruppenideologie gefördert und belohnt wird. Die angenommene Überlegenheit der Gruppe ist in der rechtsextremistischen Einstellung vorgegeben. Die eigene Großartigkeit und Überlegenheit ungetrübt zu genießen erfordert es, kein Mitgefühl für das Opfer zu haben, sich von Schuldoder Schamgefühlen zu befreien. Neutralisierungstechniken sind z. B. die Ablehnung des Opfers („Das war doch nur ein ...“), die Verharmlosung des Geschehens („Das war doch gar nicht so schlimm“), die Umdeutung der Tat als Selbstschutz, die Umdeutung des Opfers zum Aggressor. In der sozialpsychologischen Arbeit wurden für gewalttätige Jugendliche Trainings entwickelt, durch die sie befähigt werden können, die bisher ausgeübten, eingeschliffenen Verhaltensweisen zu verlassen. Durch einen geöffneten Blick für universelle soziale Werte und ein emotional gefestigtes Selbstbild können sie ein neues Verhalten entwickeln. Der besondere Schwerpunkt bei der Auseinandersetzung mit jugendlichen Aggressionen ergibt sich hier aus der Tatsache, dass Gewaltbereitschaft und Empathielosigkeit in rechtsextremistischen Gruppen zum Handlungskonzept gehören und dass viele Jugendliche darin eine Lösung für ihre Probleme sehen. Für die Praxis wurden aus der Arbeit von Sozialarbeitern und Psychologen mit jugendlichen Gewalttätern Konzepte und Methoden entwickelt, die auch in Schulen mit Erfolg angewandt wurden. Um den Sprachgebrauch zu erleichtern, werden im weiteren Text die (nicht immer scharfen) Termini Täter und Opfer verwendet. Im Gegensatz zu der These, dass Gewalt als Aggressionsabbau ein männliches Problem sei, ist eine steigende Zahl von auffällig gewalttätigen Mädchen festzustellen. 1. Lernziele: Der Täter soll erkennen, • dass er auf Kosten Schwächerer seine eigene Hilflosigkeit kompensiert, dass er sein eigenes Minderwertigkeitsgefühl kurzfristig durch das Gefühl von Macht überspielt, • dass aggressives Verhalten ihm auf die Dauer keine Vorteile verschafft, • dass die Sicht des Opfers seine Rechtfertigung erschüttert, • dass das Bild, das er von sich selber hat, nicht der Wirklichkeit entspricht g Stärkung des positiven Selbstkonzepts. 4 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 2.1. Intervention in der Konfliktsituation Der Täter soll lernen, • sich körperlich und geistig zu entspannen, seine Kraft und Ausdauer für konstruktive Anstrengung zu nutzen g Schwelle zur Gewaltbereitschaft anheben, • auf Provokationen nicht aggressiv zu reagieren, die eigenen Aggressionen nicht im Gewaltausbruch zu entladen g Erlernen von Konfliktvermeidungsstrategien, • die Person des anderen wie seine eigene zu (be-) achten und zu respektieren g kommunikative Auseinandersetzung. „Live-Space-Interview“1, das sofortige (Streit-)Gespräch im aktuellen Lebenskontext als ritualisierte Methode der Grenzziehung: Diese Vorgehensweise wird bei gravierenden körperlichen und verbalen Auseinandersetzungen angewandt. Unmittelbar nach dem Vorfall wird der Täter durch zwei geschulte Pädagogen mit seiner Tat konfrontiert. Dabei wird er sehr emotional und deutlich nach seiner Rechtfertigung für sein Verhalten befragt. Wichtig hierbei ist, dass der Täter in einen Rechtfertigungsnotstand gerät und seine Neutralisierungsversuche deutlich infrage gestellt werden. Erst wenn dies erreicht ist, werden mit dem Täter Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Mögliche Formen: Wiedergutmachung, Opferausgleich, Entschuldigung vor dem Klassenverband, schriftliche Schilderung des Vorfalls aus der Sicht des Opfers. Im Selbstbild vieler gewaltbereiter Jugendlicher weicht das ersehnte Idealbild von sich selbst stark von ihrer Wirklichkeit ab. Die eigene Erfolglosigkeit oder Unbedeutendheit wird kompensiert durch den Wunsch nach Unbesiegbarkeit, Überlegenheit und Macht. In der Gewaltanwendung verschaffen sie sich zumindest kurzfristig dieses Gefühl, der andere ist der Unterlegene, der Hilflose, nicht sie selber. Hierin besteht ihr Erfolg, und sie sind stolz auf sich, solange sie sich mit nichts als ihrem eigenen „Gewinn“ auseinandersetzen müssen. 2.2. Aufarbeitung des Geschehens Der Vorfall wird mit allen Beteiligten, evtl. im Klassenverband, besprochen. Die Situation sollte sich beruhigt haben, es soll aber bis zur Aufarbeitung nicht zu viel Zeit verstreichen, um Verharmlosungs- bzw. Neutralisierungsstrategien zu vermeiden. Die Beteiligten schildern das Erlebte jeweils aus ihrer Sicht, die übrige Gruppe nimmt Stellung. An dieser Stelle sollte klar werden, dass das Gewaltverhalten von den anderen nicht akzeptiert und schon gar nicht bewundert wird. Die Gruppe wappnet sich hierdurch gegen weitere Unterdrückung, da sie sich als solidarisch empfindet und sich in weiteren Fällen gegenseitig unterstützen kann. Bei Vorfällen mit deutlich rechtsextremistischem Hintergrund geraten Mitschüler und Lehrer auf der kognitiven Ebene allerdings schnell an Grenzen. Die emotionale Ebene im Gespräch nicht zu verlassen ist nahezu unmöglich, auch weil die Mitglieder rechter Gruppen auf solche ideologischen Rechtfertigungen trainiert sind. In solchen Fällen sollten evtl. in Absprache mit Kollegen oder der Schule weiterführende, längerfristige Konzepte wie soziale Gruppenstunden, Projekte oder Trainings eingesetzt werden. 2. Direkte Konfrontation Dies Bemühen um eine Erziehung zur Gewaltvermeidung muss ergänzt werden durch Strategien zur sofortigen inhaltlichen Auseinandersetzung in der gewaltbelasteten Situation selbst. Dies ist schon im Sinne der Opfer geboten, und auch die Erfahrung zeigt, dass kindliches aggressives Verhalten und Machtspiele nicht allein durch Ermahnungen aufgelöst werden können. Konfrontatives Eingreifen ist kein Beweis, pädagogisch versagt zu haben. Eine sofortige Gegenwirkung kann Eskalationen von gewalttätigem Verhalten brechen. Wichtig ist, dass auf emotionales Verhalten auch auf emotionaler Ebene reagiert wird, Appelle oder Belehrungen wären an dieser Stelle nutzlos. Eine bewusste Klärung wird nachfolgend durchgeführt. Das methodische Vorgehen muss klar definiert sein, es soll eine Hilfe zur Selbstkorrektur sein. 5 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 3. Das „Anti-Aggressivitäts-Training“ AAT2 Langfristig ist es für Sascha wichtig, inhaltliche Methoden der Auseinandersetzung ohne Gewalt zu erlernen, kommunikative und soziale Fähigkeiten zu entwickeln. Dazu ist die Grundlage ein Selbstvertrauen, das die ständige Demonstration von körperlicher Stärke überflüssig macht. Vorrangig geht es seinem Trainer (hier dem Bewährungshelfer) darum, seine Selbstsicherheit zu stärken, die Schwelle seiner Gewaltbereitschaft zu senken und Einsichtsfähigkeit für sein Verhalten aufzubauen. Als Trainingsmethode vorgestellt wird hier ein Interaktionsmodell, das entwickelt wurde für die Auseinandersetzung mit jugendlichen Gewalttätern. Die meisten methodischen Konzepte für Schulen basieren auf Elementen des AAT und sind sehr individuell auf die jeweilige Schule zugeschnitten. Der Täter wird mit seiner Tat, den Folgen seiner Tat und mit seinem eigenen Selbstbild konfrontiert. Er lernt die leicht provozierbaren Anteile seiner Persönlichkeit kennen, erkennt ihre Hintergründe und soll lernen, sie zu beherrschen. (Das vorliegende Beispiel beschreibt einen Fall aus der Resozialisierungsarbeit im Jugendstrafvollzug. Dies soll auf keinen Fall eine assoziierte Nähe von allen aggressiven oder rauflustigen Schüler(innen) zur Kriminalität herstellen, jedoch lässt sich an diesem Beispiel in komprimierter Form die Struktur der Methode am deutlichsten erkennen. Zudem sind die Grundstrukturen für Gewaltbereitschaft und unsoziales Verhalten oft ähnlich.) Die Methode: Das Training erstreckt sich über fünf Monate mit wöchentlichen Sitzungen. Es besteht aus zwei Hauptkomponenten: a) Konfrontation Gesprächsrunden 1 1/2-stündig, 1 x wöchentlich Eine Runde von ca. zehn Personen unterschiedlichen Alters führt in immer gleicher Zusammensetzung Gespräche mit Sascha über sein Verhalten. Die Teilnehmer wurden vom Trainer zuvor über seine Straftaten informiert. Während der Gespräche sitzt Sascha auf dem „heißen Stuhl“ in der Mitte, die Teilnehmer um ihn herum. Er muss sich den bohrenden Fragen im Kreuzverhör stellen. Ausflüchte werden nicht zugelassen. Die verbale Auseinandersetzung ist ruhig, aber konfrontativ und provokativ. Trainer: „Wir lassen für Rechtfertigungen gar keinen Raum. Wir sagen: ‚Das Opfer kann nichts für deine evtl. schwere Kindheit, das Opfer kann nichts für deine Probleme.‘ Sascha muss sich stellen. Wir lassen ihm keinen Spielraum.“ Sascha fühlt sich in die Mangel genommen, die Fragen sind ihm lästig, er ist in Erklärungsnot. „Was geht dir durch den Kopf, wenn du jemandem eine reinhaust? – Ist dir nicht in den Sinn gekommen, dass das ein völlig unfairer Kampf war? – Und du sagst, du hast es im Griff! Wann fängst du mal an, ehrlich zu sein!?“ Die Fragen sollen Sascha reizen. Er sträubt sich dagegen, sich in die Lage seines Opfers zu versetzen. Es findet so lange eine Konfrontation statt, bis er nachgibt, erst dann fängt er an nachzudenken. Ohne seine Umdeutungen und Verharmlosungen muss er sich sich selber stellen. Er lernt, sich mit Worten zu wehren und Provokationen zu ertragen. Erst kurz vor einem Aggressionsausbruch bricht Die Situation: Sascha ist auffallend gewalttätig, schon mehrfach stand er wegen Körperverletzung vor dem Jugendrichter. Für Sascha ist es wichtig, immer der Sieger zu sein, auch anderen zu zeigen, dass er stark und überlegen ist, nachgeben ist für ihn lächerlich und peinlich. „Wenn ich einen umgehauen habe und jemand hat’s gesehn, dann hab ich mich gut gefühlt.“ Er ist von Kampfsport fasziniert und setzt ungehemmt seine körperliche Überlegenheit ein. Schuld an seinen Gewaltausbrüchen sind in seinen Augen immer die anderen. Die Analyse: Das Bedürfnis nach Überlegenheit ist für Sascha so vorrangig, dass er sich um seine Opfer keine Gedanken macht. Schwäche ist ihm unerträglich; die Angst, lächerlich oder schwach zu wirken, führt dazu, dass auf der Straße schon ein Blick ausreicht, seine Gewaltbereitschaft zu provozieren. Gewalt ist für ihn das einfachste Mittel, das Gefühl von Überlegenheit und Stärke zu bekommen, andere Mittel stehen ihm nicht zur Verfügung. 6 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot der Trainer die Situation ab. Durch das „Austesten“ der eigenen Grenzen lernt Sascha sich selber und die Gründe für sein Handeln kennen. Er sieht sich nicht mehr nur als der souveräne, unbeugsame Kämpfer, sondern erlebt sich als leicht kränkbarer, wenig selbstbewusster Versager. Die Opferperspektive zeigt sein Verhalten in einem ganz anderen Licht. Wenn er Mitgefühl empfinden kann, wird ihm klar, dass er wirkliche Stärke nicht in Härte, Hass und Gewalt findet. die Schüler bleiben jedoch auch die eindrücklichsten Berichte und Zahlen oft nur Lehrbuchwissen, das nicht auf das eigene Erleben übertragen wird und vor eigener Verstrickung nicht schützen kann. • Die Eindrücklichkeit wird gefördert, wenn betroffene Personen zum Gespräch mit der Klasse eingeladen werden, wie z. B. Zeitzeugen der NSVerfolgung oder Aussteiger aus der Gewaltszene. Sobald Jugendliche ihr gesellschaftliches Umfeld wahrnehmen, werden sie auch mit negativen Erscheinungen konfrontiert; Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot oder Verschuldung finden in ihrer Umgebung statt. Auch viele Erwachsene haben angesichts ihrer persönlichen Misere den Wunsch nach einfachen Erklärungen, die dann meist plakativ in Polarisierung und Ausgrenzung münden. Udo findet es in seiner kindlichen Sicht „gemein, dass Opa die versprochene Wohnung nicht bekommt, stattdessen bekommen sie die Ausländer“. Das ist es, was er von Erwachsenen hört, die er für wissender und erfahrener hält. Niemand bringt ihn auf die Idee, dass „die Ausländer“ einfach andere Menschen sind, die noch bedürftiger als sein Opa sind. Die Nazi-„Ideologie“ bedient den Wunsch nach schnellen Erklärungen. Die „Schuldigen“ werden per definitionem festgestellt, die Argumentationskette ist so simpel, dass sie einleuchtend erscheint, also scheint auch die Schlussfolgerung schlüssig: „Die Juden waren es schon immer, Ausländer müssen raus, Andersdenkende sind Feinde“, ganz einfach. • Kinder brauchen eine Anleitung zum Selber-Denken. Weder der Verweis auf Recht und Ordnung noch die Verlagerung der Zuständigkeiten können diese Forderung ersetzen. Die Verantwortung hierfür liegt in großem Maße bei der Schule, da gegenüber dem Elternhaus eine eigenständige Meinungsbildung oft von subjektiven Bedingungen (wie z. B. pubertäre Abgrenzung oder übertragene Konflikte) zu sehr überlagert wird. b) Anti-Blamier-Übungen 1 x wöchentlich mit derselben Gruppe Gemeinsam werden Spiele und Bewegungsübungen durchgeführt. Sascha muss teilnehmen an Kreisspielen mit Luftballons auf dem Kopf, Polonäsen oder Discotänzen. Für ihn ist das „völlig peinlich“, er fühlt sich ausgesetzt und lächerlich, aber er muss es aushalten. Durch das wiederholte Training wird die Grenze für das für ihn erträgliche Maß an „Lächerlichkeit“ langsam verschoben. Trainer: „Selbst der Blick einer anderen Person in der Straßenbahn ist für Jugendliche wie Sascha schon eine Art Blamage. Sie werden angeguckt, fühlen sich blamiert und müssen reagieren. Und sie haben nur die Möglichkeit, mit Gewalt zu reagieren. Wer bei uns den Bi-Ba-Butzemann oder den Gesang mit DJ Ötzi überstanden hat, den stört es auch draußen nicht mehr, wenn er angeguckt wird.“ Auch hier werden für Sascha seine Grenzen überschritten, aber die fröhliche Runde signalisiert ihm, dass es „nicht ernst“ ist. Im Sinne einer systematischen Desensibilisierung lernt er, gelassen zu bleiben, von sich selber abzusehen und Gestik und Mimik seiner Mitmenschen richtig zu interpretieren. Die positive Atmosphäre der Gruppe fördert stressfreie und herzliche Gegenreaktionen. Meinungsbildung als Aufgabe der Schule 1. Ethische Argumentation Ethische Argumentation kann erlernt werden. Hier ist nicht in erster Linie an die spontane Auseinandersetzung mit aktuellen Problemthemen gedacht. Diese werden auch in der Gesellschaft meist kontrovers und emotional diskutiert, auch dort oft genug nur „aus Die Lehrpläne für die Mittelstufe beinhalten die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, und die allermeisten Lehrer nehmen ihre Aufgabe als Aufklärer und Mahner sehr gewissenhaft wahr. Für 7 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot dem Bauch heraus“, so dass Schüler wie auch Lehrer mit einer kompetenten Analyse überfordert sind. Wünschenswert ist eine operante Beschäftigung mit den Normen unseres Verhaltens, die die Schüler in die Lage versetzen, selber auch in anderen Situationen zwischen einfachem Appell, Paränese und Argumentation zu unterscheiden. Kinder haben oft ein gutes „Gefühl“ für ethische Werte, wissen es aber gegenüber sicher vorgebrachten Gegenargumenten nicht zu verteidigen. Kinder haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit, das weiß jeder, der mit Heranwachsenden über ihre „Rechte“ diskutiert. Spontan haben sie zunächst sich selber im Blick, sie kämpfen um ihre Position in der Erwachsenenwelt oder einfach um ihren Vorteil, aber abgesehen von jugendlichem Egoismus haben sie durchaus die Sensibilität und die Einsicht, dass Pauschalisierungen als Argument nicht zulässig sind oder dass jeder Mensch grundsätzlich Rechte auf Selbstbehauptung hat wie sie selber, dass aus Unterschieden zwischen Menschen keine Ungleichwertigkeit abgeleitet werden kann. Wenn diese grundlegenden Folien bewusst sind, werden die Thesen des Rassismus absurd. • „Moral predigen ist leicht, Moral begründen schwer.“3 Der Umgang mit Analyse und Argumentation muss mit den Jugendlichen erarbeitet werden. Hierbei geht es nicht um Belehrung, sondern um den Weg zu einer begründeten eigenen Position, die es ihnen ermöglicht, sich gegen Indoktrinierung, Polemisierung und Scheinargumente zu behaupten. Für Pädagogen bestehen in Weiterbildungen, Kursen und Literatur vielfältige Möglich- keiten, eine verantwortungsbewusste Anleitung hierzu zu übernehmen. Alle sprachlichen und geisteswissenschaftlichen Fächer bieten Ansatzräume. • Moderatoren und Beratungslehrer • Gesprächsführung, Gruppendynamik und Konfliktlösungsstrategien • Lit.: Ginters, Werte und Normen 2. Politische Meinungsbildung Die politische Meinungsbildung ist vielfältigen Einflüssen ausgesetzt. Die Jugendlichen erkennen sehr wohl, dass unter wachsendem Druck durch internationale Krisen, Terrorismus oder Migration die gesamtgesellschaftliche Toleranz abnimmt, die rechtsstaatlichen Werte mehr beschworen als beworben werden. Gerade deshalb ist die Auseinandersetzung mit den grundlegenden Normen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unerlässlich. Eine kritische Betrachtung führt keineswegs zur Erodierung von Werten oder ihrer Aufhebung, sie ist die Basis für einen begründeten und einsichtigen Umgang. Der zukünftige mündige Staatsbürger hat das Recht zu erfahren, warum Normen sinnvoll sind, wer sie setzt und warum, nur so ist eine gewissenhafte eigene Beteiligung an ihrer Weiterentwicklung möglich. Jugendliche, die nicht gelernt haben zu hinterfragen oder deren Fragen nicht ernst genommen werden, sind leichte Opfer für Demagogen aller Art. Ob das Kind sich weiterhin fraglos neuen Rollen- und Gruppenzwängen unterwirft oder ob es in der Lage ist, sich kritisch mit Normen und Erwartungen auseinanderzusetzen, entscheidet sich auch unter dem Einfluss der Schule. Anmerkungen: 1 Redl, Erziehung schwieriger Kinder. 2 Anti-Aggressivitäts-Training (AAT) ist als Markenname geschützt. Das AAT wird von sozialpädagogisch und -psychologisch für diese Methode geschulten Trainern durchgeführt. Das Anti-Aggressivitäts-Training beginnt inzwischen auch in Regelschulen Anwendung zu finden. Das Gesamtprojekt findet unter der Federführung des Instituts für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS) in Frankfurt a. M. statt. Es ist beabsichtigt, in Kooperation mit VOGG (Video-Offensive gegen Gewalt) in Köln Videos für den Einsatz im Schulunterricht zu produzieren. Eine ausführliche Darstellung des Curriculums, der Methoden und der Qualitätsanforderungen für das AAT finden Sie in: Weidner u. a., Gewalt im Griff. 3 Arthur Schopenhauer, Motto seines Buches „Die Grundprobleme der Ethik“. Literatur: Döbert, R., Habermas, J., Nunner-Winkler, G., Entwicklung des Ichs, Bodenheim 1984. Findeisen, H. V., Kersten, J., Der Kick und die Ehre. Vom Sinn jugendlicher Gewalt, München 1999. Ginters, R., Werte und Normen. Einführung in die philosophische und theologische Ethik, Düsseldorf 1987. Ders., Typen ethischer Argumentation. Zur Begründung sittlicher Normen, Düsseldorf 1976. Guggenbühl, A., Die unheimliche Faszination der Gewalt. Denkanstöße zum Umgang mit Aggression und Brutalität unter Kindern, München 1997. Habermas, J., Moralbewusstsein und kommunikatives Handeln, Stuttgart 2001. Modena, E. (Hg.), Das Faschismus-Syndrom. Zur Psychoanalyse der Neuen Rechten in Europa, Gießen 2001. Peukert, U., Interaktive Kompetenz und Identität, Düsseldorf 1979. Redl, F., Erziehung schwieriger Kinder. Beiträge zu einer psychotherapeutisch orientierten Pädagogik, München 1987. Richter, H. E., Wer nicht leiden will, muss hassen. Zur Epidemie der Gewalt, Hamburg 1995. Weidner, J., Kilb, R., Kreft, D., Gewalt im Griff. Band 1: Neue Formen des Anti-Aggressivitäts-Trainings, Weinheim 1997. 8 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 2. Teil: Tipps und Literaturwegweiser für die Behandlung des Romans „Schwarz, rot, tot“ in der Sekundarstufe I von Renate Bohne-Berger Rechtsextremismus als Thema in der Sekundarstufe Hoyerswerda hat mehr als deutlich gemacht, dass diese Einschätzung überholt ist. Seit Beginn der 90er-Jahre haben rechtsradikal motivierte Gruppen und Einzeltäter mehrfach ihren Fremdenhass in die Öffentlichkeit getragen, Gewalttaten verübt und offensichtlich Zulauf gewonnen – gerade auch von Jugendlichen. Damit hat sich auch die Bedeutung des Themas Rechtsradikalismus im Schulunterricht deutlich geändert – die (ehemals subjektiv vorhandene) zeitliche Distanz zum „Untersuchungsgegenstand“ ist für Schüler(innen) nicht mehr gegeben. Die ernsthafte Auseinandersetzung mit Fragen zur Entstehung von Fremdenhass und Gewaltbereitschaft in unserer Gesellschaft muss an den Schulen fächerübergreifend erfolgen und dabei u. a. auch die Rolle der medialen Vermittlung rechtsradikaler Ideen und Gewalttaten thematisieren. Neben der Vermittlung von Wissen und Informationsquellen müssen Jugendliche die Chance bekommen, sich im Dialog mit Gleichaltrigen mit Fragen auseinanderzusetzen, die auch in den Haltungsbereich gehen, wie z. B. der Umgang mit Stammtischparolen über Ausländer, die im Alltag z. T. „salonfähig“ sind. Jugendliche müssen befähigt werden, die möglichen Folgen autoritärer Denk- und Verhaltensweisen in Gruppen einzuschätzen bzw. lernen zu durchschauen, wie wichtig es ist, als Mitglied von Gruppen sowohl argumentativ als auch handelnd eigenverantwortlich und selbstbewusst aufzutreten. Dazu kann die Behandlung von Jugendliteratur wie dem Buch„Schwarz, rot, tot“ von Heidi Hassenmüller im Schulunterricht beitragen. Bevor das Fach Politik oder Sozialkunde in den Fächerkanon der schulischen Lehrpläne Anfang der 70er-Jahre aufgenommen wurde, erreichte die Mehrzahl der Schüler(innen) der Sekundarstufe immer noch ihren Abschluss, ohne im bis dahin häufig noch chronologisch aufgebauten Geschichtsunterricht über das deutsche Kaiserreich hinausgelangt zu sein oder Fragen des Scheiterns der Weimarer Republik, geschweige denn Ursachen der nachfolgenden Diktatur des „Dritten Reichs“ untersucht zu haben. Bis 1990 etwa finden sich in den Schulbüchern dann umfängliche Materialien zum Nationalsozialismus, im Fach Politik für die Sek I wurde vor allem auch die politische Sozialisation der Jugendlichen seit 1933 didaktisch aufbereitet. Die Intention lag sicher zum Teil darin, neben der Vermittlung von Wissen Jugendlichen vor allem auch das Verstehen dieser Zeit zu ermöglichen. Die in den Büchern ausgewählten Kommentare, Redeauszüge und Fotos spiegelten entsprechend vielfältig sozialgeschichtliche Milieus, Machtstrukturen und Denkweisen der nationalsozialistischen Gesellschaft, was bei Schüler(innen) im Unterricht der Sek I immer eine deutlich höhere Aufmerksamkeit und Interesse erregte als jedes andere Inhaltsfeld des Fachcurriculums Politik/Sozialkunde. Das Bedürfnis, Fragen zu stellen oder selbst von Berichten der Großeltern oder anderer Verwandter zu erzählen, führte in der Lerngruppe anfangs dann meist zu einer eher emotionalen als sachlichen Betrachtung, was zeitweise durch die affektive Lernzielsetzung der „Betroffenheitspädagogik“ in den Lehrerausbildungsseminaren auch als Anspruch an guten Unterricht formuliert wurde. Auch wenn aktuelle Bezüge zu Neonazis in den 70er- und 80er-Jahren immer hergestellt werden konnten, war Rechtsradikalismus im Bewusstsein vieler Schüler(innen) aber eben eher ein Thema „von gestern“ und wurde schon gar nicht als ein ihre Generation betreffendes politisches Problem größeren Ausmaßes gesehen. 9 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot Anmerkungen zur Eignung des Romans für den Schulunterricht ihm öffnen, ihn verschlingen oder ganz einfach, er wäre groß und stark und mutig.“ (S. 8) Wie vorausgehende Jugendromane, die sich mit Rechtsextremismus und Gewalt beschäftigen (vgl. Literaturliste, s. u.), präsentiert Hassenmüller eine Beispielgeschichte mit dem für diese Gattung typischen Grundmuster: Die jugendliche Hauptfigur – die zunächst mit eher geringem Selbstwertgefühl ausgestattet ist – gerät in den Bann einer rechtsextremen Gruppe und stellt erst nach einigen Erlebnissen als Gruppenmitglied fest, dass die ursprüngliche Faszination verfliegt und dass – ausgelöst durch Gewalttaten – die anfangs positiv bewertete Kameradschaft umschlägt in Gruppen druck, Angst und den Wunsch, sich von der Gruppe zu lösen. Im Zentrum des Romans steht der Jugendliche Udo Lehnhof, Schüler der Klasse 9b einer Ganztagsschule. Udos Eltern arbeiten beide. Besonders, wenn er auf Josef trifft, hat er dieses Gefühl. Einer von Josefs Helfern ist der türkische Mitschüler Izmar, der in der Schule und auf dem Schulweg Josefs Befehle ausführt, vor allem wenn es darum geht, den Mitschüler Leo Lintorf zu quälen. „Leos Gesicht Maske.“ (S. 14) „Es gab fast keinen Tag, an dem Leo nicht gepiesackt wurde.“ (S. 13) Mit seinem besten Freund Jürgen beschließt Udo, sich generell rauszuhalten, „... er würde den Teufel tun und sich mit Josef anlegen. Das wäre der reinste Größenwahn.“ (S. 14) Udo erlebt Leo zunächst in der Rolle des Opfers, das sich nicht wehrt und keine Reaktionen zeigt. „Und er war erleichtert, dass seine Eltern nicht zu viel vom Schulbetrieb mitbekommen.“ (S. 13) Wie sich später herausstellen wird, ist dies nicht die einzige Fehleinschätzung auf Udos Seite. Die Autorin bezieht in den Handlungsaufbau nur wenige Mitschüler ein und lenkt das Interesse des Lesers vielmehr auf einzelne Charaktere, mit denen Udo sich im Verlauf seiner Entwicklung intensiver auseinandersetzt. Dazu gehört Nina Bröddin, die ebenfalls bereits im ersten Kapitel vorgestellt wird. Udo bewundert Nina und ist sehr erstaunt und noch mehr erfreut, als Nina sich im Verlauf der Handlung für ihn interessiert. eine undurchdringliche Udos Versuch, Leo beim Einsammeln seiner Bücher zu helfen, die von Josefs Handlanger Jan auf den Gang geworfen worden waren, wird umgehend sanktioniert. In der Schulkantine stellt Josef ihm ein Bein und drückt Udos Gesicht in den Spaghettiteller (S. 8). Hassenmüller platziert die Eltern zunächst eher am Rand der Handlung und skizziert das Bild eines berufstätigen Paares, das sich nur sporadisch und oberflächlich für den heranwachsenden Sohn zu interessieren scheint – zumindest sieht Udo dies so, und der Erzähler schildert anfangs gelegentlich Udos Unsicherheit und Reaktionen gegenüber Vater und Mutter. „Udo begriff selbst nicht, wie er überhaupt auf die Idee kommen konnte, Nina könnte je mehr als ein herablassendes Mitleid für ihn empfinden. Sie konnte jeden Jungen haben, wenn sie gewollt hätte.“ (S. 9) „Seine Mutter interessierte sich kaum für die Schule, höchstens für seine Noten.“ (S. 12) Udos Bezugsperson ist der Großvater, den die Autorin nutzt, um Udos Weg in eine rechtsradikale Gruppe möglichst anschaulich zu beschreiben. Opa Hans ist der Vater von Udos Vater und hat immer Zeit für seinen Enkel. Einfühlsam entwickelt die Autorin für den Leser die Zweifel und Unsicherheiten des Schülers. war „Udo wünschte wieder einmal, er könnte sich unsichtbar machen oder der Boden würde sich unter 10 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot „Fix und fertige Lösungen waren nicht Opas Ding.“ (S. 16) Udos Lehrer nehmen an der Handlung kaum teil, und seine Klassenlehrerin Frau Böhme und Herr Holm bleiben Randfiguren, die allerdings an einigen Stellen notwendige Weichen in dialogischen Situationen stellen, in denen Udos Situation in den Blick gerückt wird. Diese eher neutrale Rolle des Beobachtens oder Kommentierens hat für die Behandlung im Unterricht den Vorteil, dass der Fokus auf der Entwicklung der Hauptperson, also beim Thema bleibt und keine Nebenhandlungen im Bereich Lehrer-Schüler-Verhältnis eröffnet werden, wie es bei vielen Jugendromanen der Fall ist, die in schulischem Setting angesiedelt sind. In den weiteren Kapiteln führt die Handlung zunächst ins Asylantenheim, dessen Bewohner zum Teil in die neuen Wohnungen umziehen sollen, und Opa kommentiert: Udo erlebt, dass sein Großvater, der seit Jahren auf der Warteliste für eine neue Sozialwohnung steht, weiter in seinen feuchten zwei Zimmern im Schrebergarten wohnen muss, da die Gemeinde Wohnraum für Asylanten braucht. Das Fazit im Schrebergarten lautet: „Ausländer sind eben wichtiger als ehrliche Deutsche.“ (S. 18) Damit führt die Autorin im ersten Kapitel Udos soziales Umfeld in Schule und Familie ein und bereitet parallel die Entwicklung des zentralen Konflikts vor. Die eher umrisshafte Präsentation der Eltern lässt für jugendliche Leser einerseits Spielraum zur Identifikation mit dem geschilderten Eltern-Sohn-Verhältnis bzw. fordert auch eine Auseinandersetzung und eigene Standortbestimmung heraus. Auch die von der Autorin gewählte Erzählperspektive, die kontinuierlich im weiteren Verlauf der Handlung den Schwerpunkt auf die Wahrnehmung und Gefühlswelt der Hauptperson legt, kann jugendlichen Lesern den Zugang zur Gesamtthematik erleichtern bzw. zur Lektüre motivieren. Neben der Charakterzeichnung bietet die Wahl des Settings weitere Anreize, sich mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Weniger die geografischen Orte der Handlung (explizit genannt wird die Schülerdemo in Greifswald, S. 129) sind bedeutsam, sondern die konkreten sozialen Milieus wie Schule, Schulhof, Schulweg, Schrebergarten, Kneipe, Asylantenheim etc., die für Jugendliche z. T. aus eigener Anschauung vorstellbar sind. Zudem ist durch die Verwendung authentischer Namen rechtsextremer Gruppierungen (S. 61) oder staatlicher Maßnahmen, wie z. B. das Zeugenschutzprogramm, Realitätsnähe hergestellt. Daraus ergeben sich im Unterricht Anknüpfungsfragen, die z. T. im Buch auch schon gestellt werden: „Ich gönne jedem Menschen ein anständiges Dach über dem Kopf. Aber man sollte den Einheimischen nicht das Gefühl geben, sie kämen an zweiter Stelle. Das gibt ganz bestimmt Ärger.“ (S. 20) Udos Großvater wird recht behalten. Sein Enkel wird auf dem Nachhauseweg beim Betrachten eines Propagandaplakats mit der Aufschrift „Ausländer raus!“ von Josefs Helfern zusammengeschlagen und als „elendes Nazischwein“ beschimpft. Dieses Ereignis wird zur Gelenkstelle in der Handlung. Udo erhält hier Hilfe von einem jungen Mann in Springerstiefeln und braun-grüner Tarnhose, wie sich später herausstellt, Willi Wöhlert, leitendes Mitglied der National Demokratischen Front. Auf Anraten Willis verschweigt Udo später bei den Eltern und der Polizei den genauen Tathergang. „Sein linkes Auge war kaum noch zu sehen und die Wange war blau-rot verfärbt und doppelt so dick wie normal. Aber irgendwie fand er, es sähe cool aus. Als wenn er glorreich eine Schlägerei hinter sich gebracht hätte. Er würde sich hüten, den Unbekannten zu erwähnen.“ (S. 23) Josef und Izmar erscheinen ebenso übel zugerichtet in der Schule, lassen Udo aber erstaunlicherweise in Ruhe. Wie sich herausstellt, kennen sie Udos unbekannten Helfer, und nachdem Udo in der Schule und „So etwas wäre doch hier bei uns nicht möglich! Was meinst du, Udo?“ (S. 13) 11 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot gegenüber der Polizei und seinen Eltern nicht direkt aufklärt, dass er mit dem Poster der NDF überhaupt nichts zu tun hat – wie offensichtlich angenommen wird –, löst sein Erscheinen in der Schule plötzlich ungewohnte Aufmerksamkeit aus. Tageslicht im Stillen oft dafür geschämt. Das war jetzt vorbei. Willi hatte ihm die Augen geöffnet.“ (S. 47 f.) Mithilfe von zwei Skinheads schlägt Udo Josef brutal zusammen. Wie seine Helfer ist Udo dabei maskiert und schlüpft in die Rolle des Rächers. „Er bemerkte die Blicke der anderen Schüler. Es war, als sähen sie ihn heute zum ersten Mal.“ (S. 26) Udos Vater rät seinem Sohn, einen Karatekurs zu besuchen, und Udo trifft genau dort seinen „Retter“ wieder, der ihn zu einer Cola einlädt. „Als Josef Rosenberg ankam, spannte Udo jeden Muskel. Jetzt konnte er sich für jahrelange Hänseleien, Schikanen und Gemeinheiten revanchieren.“ (S. 48) Die Autorin gibt den Lesern einen intensiven Einblick in Udos Gefühle, seinen Machtrausch und seinen inneren Monolog. Udo entfernt sich von seinem Freund Jürgen, seinen Eltern und erzählt auch Opa nichts von seinen neuen Freunden. Er lebt zunehmend in Willis Welt und genießt die Kameradschaft der Gruppe. Hier fühlt er sich bestätigt und ernst genommen. „Mensch, das ist ein cooler Typ, dachte Udo. Den schien so schnell nichts aus der Fassung zu bringen.“ (S. 33) An dieser Stelle sind nun alle Weichen für den weiteren Verlauf der Handlung gestellt. Heidi Hassenmüller gelingt es, eine glaubwürdige und zugleich psychologisch interessante Ausgangslage für die Entwicklung des Hauptcharakters zu schaffen. Udos Begeisterung für Willi wird einerseits durch dessen Rettungsaktion verständlich, andererseits auch durch die einfachen Parolen, die Willi für aktuelle politische Probleme bereithält. „‚Eins musst du wissen‘, hatte Willi noch zu ihm gesagt, ‚Weicheier und Hosenscheißer können wir bei uns nicht gebrauchen.‘“ (S. 53) Im fünften Kapitel beschreibt Hassenmüller in Einzelheiten ein Gruppentreffen der NDF, bei dem Willi als Redner auftritt und die Zuhörer abschließend seinen Vortrag mit Sieg-Heil-Rufen beklatschen. „Unsicher und oft deprimiert ging Udo zu Willi. Und nach jedem Gespräch kam er wie berauscht wieder an die frische Luft. Manchmal hätte er vor Freude in die Luft springen können, dass so ein toller Typ gerade ihn immer wieder ermutigte, zu ihm zu kommen.“ (S. 42) „Udo hatte die Rede nicht in Einzelheiten begriffen, aber er fühlte sich getragen von einer Welle der Kameradschaft. Er wollte einer guten Sache dienen. Er wollte sich über Deutschlands Zukunft Gedanken machen. Und er wollte dazugehören.“ (S. 59) Als Willi Udo anbietet, Josef und seinen Helfern eine Lektion zu erteilen, wird Udo zum ersten Mal auf die Probe gestellt – und obwohl er sich zunächst als „Sieger“ fühlt, macht er den ersten Schritt in die Abhängigkeit von der Gruppe Wöhlerts. Diese Textstelle markiert Udos Motivation und seine Wahrnehmung. Ohne zu moralisieren, beschreibt die Autorin die Glücksgefühle des Jugendlichen, der sich in dieser Situation von seinen Freunden und seiner Familie distanziert, die vermeintlich „kein Interesse oder Verständnis“ für ihn haben. Damit hat Udo kein Korrektiv mehr und nicht die Chance, sich mit anderen über seine neuen Erfahrungen auseinanderzu setzen, die ihn tief beeindrucken. „Schon bevor er Willi kennen gelernt hatte, hatte er Gewaltfantasien gehabt und oft davon geträumt, dass er immer und immer wieder auf Josef einschlagen würde. Damals hatte er sich bei 12 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot „Auf dem Nachhauseweg fühlte Udo sich, als hätte er Alkohol getrunken (...). Noch immer fühlte er sich wie im Rausch. Es war, als stünde er Hand in Hand mit all den Kameraden, die sich für Deutschland einsetzen wollten.“ (S. 60 f.) Udos Arbeit im Asylantenheim konfrontiert ihn mit der Realität, die mit Willis Parolen und Sprüchen nicht übereinstimmt. Das ihm dort entgegengebrachte Vertrauen, die Zusammenarbeit mit Nina, die ebenfalls im Heim arbeitet, machen ihm in seiner Doppelrolle zu schaffen. Im achten Kapitel erfährt Udo durch seine Klassenlehrerin vom Tod seines Mitschülers Mehmet Özmar. Der Besuch der Parteiveranstaltung ist Höhepunkt und gleichzeitig Ende der vorbehaltlosen Anhängerschaft. Die Autorin bedient hier die Schülern bekannten Klischees, mit denen Rechtsextremisten identifiziert werden: Springerstiefel, Uniformteile, Skinheads, Hakenkreuze und Rituale und politische Parolen bis zum Hitlergruß. Auch wenn er sich von seinen Schulfreunden zurückzieht, so bleibt Nina ihm nicht egal. Er beobachtet sie auf dem Nachhauseweg mit Mehmet, der im Flüchtlingslager wohnt. Verärgert berichtet er davon Willi, der sofort Mehmets Namen notiert. „‚Ein tragischer Unfall (...). Er ist am Bahngleis gestolpert und vor den heranfahrenden Zug gefallen.‘“ (S. 87) Anfangs verdrängt Udo noch seine Bedenken, dass Mehmets Tod kein Unfall war – obwohl er deutliche Zweifel spürt. Später muss er erfahren, dass die Zeugin, die den Unfall gesehen haben soll, die Hauswirtin von Willi Wöhlert ist, die Rentnerin Gertrude Rosskamp, Mitglied der NDF. Ebenso wie die Beschreibung seines Weges in die Gruppe sehr stark auf Udos Empfindungen und Motive eingeht, konzentriert sich die Autorin in den folgenden Kapiteln darauf, die Zweifel und Ängste des Charakters glaubwürdig zu entwickeln. Nach einem Anschlag auf das Asylantenheim gesteht sich Udo seinen Irrtum ein. „Ganz kurz kroch Unbehagen in Udo hoch. Warum schrieb Willi Mehmets Namen auf? Na ja, wahrscheinlich für eine Liste mit den Namen aller Ausländer.“ (S. 69) Als Udo etwas später von Willi seinen ersten Auftrag erhält, muss er schlucken. Vereinzelt kommen Udo Zweifel an der Vorgehensweise und den Ideen der Gruppe, die er aber anfangs zunächst noch beiseite– schiebt. Er soll sich mit einem Empfehlungsschreiben von Pastor Witte bei Kurt Pflüger melden, dem Leiter des Asylantenheims, und ehrenamtliche Hilfe anbieten. Dabei soll Udo einen Lageplan des Heims anfertigen und weitere Informationen besorgen. Und Willi begründet seinen Auftrag eindeutig: „Er hatte sich geirrt. Er wagte es kaum zu denken, aber es stimmte: Er hatte sich geirrt! (...) Nur, sein Irren war nicht mit einem Lächeln wiedergutzumachen. (...) Es waren schon vorher Zweifel da. Er war nur zu feige gewesen, diese Zweifel zuzulassen. Dabei war doch alles so klar, so erschreckend deutlich, dass ihn schauderte (...). Er war ein Nazischwein und ein Spitzel obendrein!“ (S. 124) „‚Du bist jetzt einer von uns. (...) Und mit deinem Gesicht wirkst du total harmlos.‘“ (S. 70) Die Eltern und der Großvater lernen erst allmählich die Zusammenhänge kennen, nachdem sie einen bebilderten Bericht in der Tageszeitung über ein Kinderfest der NDF gelesen haben, worin Udo auf einem Foto zu sehen ist. Udos einzige „Lösungsstrategie“ ist der Rückzug in sein Zimmer, wo er sich mit einer vorgeschobenen Grippe in sein Bett flüchtet. Insgeheim wünscht er sich, dass seine Eltern etwas mehr Zeit für ihn gehabt hätten und nachgefragt hätten. Udos erster Impuls, mit seinem Opa zu sprechen, scheitert daran, dass er es dann doch nicht wagt, das Verbot der Gruppe zu brechen. Bei seinem Aufnahmeschwur hatte er gelobt, mit niemandem über seine Kameraden zu sprechen. „‚Jede Aktion unterliegt absoluter Schweigepflicht. Verräter werde ich melden. Sie sind eine Schande für jeden ehrlichen Deutschen!‘“ (S. 75) 13 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot „Aber hinterher war man immer schlauer (...). Udo hatte absolut keine Ahnung, wie er aus der verfahrenen Situation wieder rauskommen sollte.“ (S. 153) klar, dass er kein Einzelfall ist und wie schwer es ist, rechtsextreme Gewalttäter zu überführen. Mit Udos Hilfe soll versucht werden, Wöhlert zu verurteilen – danach soll Udo sich in ein Zeugenschutzprogramm begeben und mit seiner Familie seinen Wohnort verlassen, um mit neuer Identität in einer anderen Stadt weiterzuleben. In den folgenden sechs Kapiteln erlebt der Leser Udos Schwierigkeiten, sich aus der Gruppe zurückzuziehen, die ihn beobachtet und zunehmend Repressalien aussetzt und den „Verräter“ bestrafen will. Nachdem der Leiter des Asylantenheims Udo besucht und ihm mitgeteilt hat, dass er von Udos Nähe zur NDF gewusst habe, und ihm rät, zur Polizei zu gehen, wird Udo allmählich bewusst, dass er handeln muss. Steine werden in die Fenster der elterlichen Wohnung geschleudert, Udo findet die Katze des Nachbarn an der Haustür erhängt, und in anonymen Telefonanrufen werden Drohungen mitgeteilt. Den Anstoß gibt Udos Großvater, der seinem Enkel eindringlich klarmacht, dass er sich nicht verkriechen kann – und in diesem Gespräch zeigt Udo endlich Gefühle und überwindet seine Angst. „In Udos Kopf drehte sich alles. Was hatte er nur angerichtet? Er wollte keine neue Identität. Er wollte der bleiben, der er war. Und Opa sollte nicht seinetwegen alles aufgeben müssen. Könnte er doch nur die Zeit zurückdrehen. Lieber würde er sich weiter von Josef Rosenberg triezen lassen.“ (S. 197) Konsequent rückt die Autorin auch am Schluss nicht die Handlung, sondern die Reaktion der Hauptfigur in den Mittelpunkt und schafft mit der darin deutlich werdenden Widersprüchlichkeit zugleich Anknüpfungspunkte, die zur Besprechung des Romans auffordern. „Obwohl er doch geschworen hatte, nie und niemandem etwas zu erzählen, erzählte er Opa unter Tränen von der Abreibung, die er Josef Rosenberg mithilfe zweier Skinheads verpasst hatte. Und dass er einen Lageplan des Asylantenheims gezeichnet hatte (...). ‚Aber du musst mir glauben‘, schluchzte Udo, ‚dass man Mehmet was antun würde, davon wusste ich nichts. Das glaubst du mir doch?‘, fügte er flehentlich hinzu.“ (S. 176) Methodische Tipps zur Besprechung des Romans im Unterricht Vor der Behandlung des Romans im Unterricht sollte sich der Lehrer bei seiner Planung immer fragen, welche konkreten Ziele in der jeweiligen Lerngruppe damit verfolgt werden sollen. Der Einsatz des Buchs lässt sich sowohl im Fach Deutsch wie auch im Fach Sozialkunde/Politik der Stufen 8 bis 10 denken; Koordination und fachübergreifende Zusammenarbeit – auch mit dem Fach Geschichte – wären hier optimal. Der literarische Wertungsprozess ist dabei sicherlich mehr auf die Handlung als auf sprachlich-ästhetische Kriterien zu konzentrieren. Obwohl der Opa sichtlich mitgenommen ist, hält er, wie auch Udos Eltern, zu seinem Enkel. „Schuld? Es dreht sich hier nicht um deine Schuld, Udo. Du bist da reingeraten. Jetzt müssen wir zusammen das tun, was nötig ist.“ (S. 200) Hassenmüllers Roman bezieht an vielen Stellen historische und aktuelle politische Ereignisse (Nationalsozialismus, PLO, 11.09.2001, Sozialreformen usw.) und authentische Informationen zur rechten Szene ein. Sollen diese (zeit-)geschichtlichen Hinweise vertieft werden, bietet sich die Erstellung eines Glossars an, das sich in der Gruppe auch arbeitsteilig oder insgesamt als Gruppenarbeit selbstständig anlegen lässt. Udo wird von Nina – mit der er schließlich auch redet – verständnisvoll angenommen und darin bestärkt, sich professionelle Hilfe zu holen, die ihm von der Polizei angeboten worden ist. Im Gespräch mit Lothar Müller, einem Aussteiger aus der rechten Szene, der „alternden und ausgebrannten Skinheads“ geholfen hat, aus der Szene auszusteigen, wird Udo 14 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot Wichtig sind die klare Verteilung der Arbeitsaufträge und Vereinbarungen über die Form der Verschriftlichung. Einzelne Schüler(innen) können in die Rolle des Experten schlüpfen und Kurzvorträge für die Klasse/den Kurs vorbereiten. Die Präsentation der Ergebnisse lässt sich dabei variieren – hier können Schüler(innen) auch aufgefordert werden, selbst Kreativität zu entwickeln. Im Sozialkundeunterricht bietet es sich an, Schüler(innen) in der Technik des Interviews zu trainieren oder Fragebögen gemeinsam vorzubereiten, um zum Beispiel die Gewaltbereitschaft an der eigenen Schule in den Blick zu rücken. Hier kann auch – falls im Schulprogramm verankert – Kontakt mit der internen Streitschlichtergruppe gesucht werden. Der/die Beratungslehrer/-in kann hier als weitere/r Kollege/Kollegin einbezogen werden, um die Schüler über Möglichkeiten der Schule zur Gewaltprävention zu orientieren bzw. auch außerschulische, kommunale Beratungsstellen zu informieren. Um bei der Romanbehandlung aktuelle Wirklichkeitserkundung einzubeziehen, bietet sich auch die Methode der Internetrecherche an, die je nach Schulausstattung gemeinsam oder auch als häusliche Aufgabe umgesetzt werden kann. Dazu sollte der Unterrichtende allerdings eine sorgfältige Vorauswahl treffen und die Aufträge sowohl arbeitsgleich als auch arbeitsteilig vergeben. Die Schüler(innen) sollten dazu ein „Surfbuch“ führen und ihre Ergebnisse auf einem vorstrukturierten Auftragsbogen notieren (vgl. Internetadressen). Im Rahmen des Deutschunterrichts lässt sich die Einübung der Form des Leserbriefs denken. Die Schüler werden aufgefordert, zu den Ereignissen im Roman Stellung zu beziehen, was sich z. B. in Kapitel 5: Treffen der NDF in der Fischerklause oder Kapitel 10/11: Hakenkreuze im Asylantenheim/Überfall im Asylantenheim oder Kapitel 15: Zeitungsbericht über Kinderfest der NDF anbietet. In Lerngruppen mit hohem Interesse kann durch eine gut vorbereitete Debatte erreicht werden, dass die verschiedenen Perspektiven der Personen der Handlung argumentativ konkretisiert und damit von den Schülern abschließend selbst beurteilt werden. Ein lohnenswerter Gegenstand für diese methodische Variante ist sicherlich die Entscheidung der Kommune, die neuen Sozialwohnungen an Asylanten (und nicht an Bewohner der Schrebergärten, wie Udos Opa) zu vergeben. Das Ergebnis der Debatte wird zu einem großen Teil auch von der Qualität der Vorbereitung abhängen. Für die Durchführung sollte sich auch ein/e Schüler/-in als Moderator/-in umfassend vorbereiten, dessen/deren Rolle für den Gesprächsverlauf zentral ist. Udos Beispielgeschichte bietet aber mehr als Warnungen vor rechtsextremen Gruppen. Sein familiäres und schulisches Milieu entsprechen der Erlebniswelt vieler Schüler(innen) der Sekundarstufe und haben aufgrund der gewählten Wirklichkeitsnähe für den Unterricht Aufforderungscharakter für die Analyse möglicher Ursachen des Geschehens. Udos Ausgangssituation entspricht nicht dem Klischee des sozial benachteiligten Jungen aus schwachem Milieu und lässt sich für Schüler(innen) nicht entsprechend distanziert interpretieren. Auch die im Roman skizzierte schulische Situation entspricht durchaus der Realität an vielen Schulen und bietet nicht genügend Potenzial für eine monokausale Begründungskette. Ein generelles pädagogisches Anliegen bei dem Einsatz literarischer Werke für die Behandlung von Rechtsextremismus und Gewalt ist sicher, eine präventive Wirkung zu erzielen, deren Erfolg allerdings nach empirischen Erkenntnissen nicht nachweisbar ist. Weiter sollte die mögliche Wirkung des Romans auf die Leser bedacht werden. Der Roman hat nicht primär das Ziel, über ein aktuelles gesellschaftliches Phänomen zu informieren, sondern möchte Einblicke in das Fühlen und Denken der Hauptperson geben. Es ist nicht auszuschließen, dass – wie die Geschichte über die drogensüchtige Christiane F. in dem Buch „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“gezeigt hat – jugendliche Leser mit Udo Lehnhoff sympathisieren bzw. seinen Anteil an seiner Situation eher gering einschätzen. Um die Rezeption der Geschichte für die Lernenden als Prozess festzuhalten, kann vereinbart werden, ein (eventuell gemeinsam vorzustrukturierendes) Lesetagebuch anzulegen, das bei der Lektüre kontinuierlich geführt wird. Die Mehrzahl der Schüler wird am Beispiel dieser Geschichte die Bedeutsamkeit eigenverantwortlichen Denkens und Handelns erkennen und sich mit dem 15 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot jugendlichen Protagonisten auseinandersetzen. Da die Autorin, wie oben ausführlich beschrieben, die Hauptfigur durch einen auktorialen Erzähler präsentiert, erfährt der Leser dessen spontane und unreflektierte Gemütsbewegungen, die direkt vermitteln, wie unüberlegt, aber auch zum Teil naiv er sich auf Willi Wöhlert und dessen Kameraden einlässt. Abhängig vom Vertrauen und Klima innerhalb der Gruppe, lassen sich in diesem Zusammenhang Interaktionsspiele durchführen, um den Teilnehmern Bausteine von Kommunikation und Selbstsicherheit bewusst (und erfahrbar) zu machen (Literaturhinweis s. u.). In Zusammenarbeit mit dem Fach Ethik kann der Roman auch Anstoß geben, in der Gruppe Empathieübungen durchzuführen und zu erklären, welche Bedeutung gegenseitiges Verständnis und Zuhören für den Einzelnen/das Miteinander in der Gruppe haben. Hier steht eine Fülle weiterer methodischer Varianten zur Verfügung (vgl. Literaturangaben). Am Beispiel der Entscheidungen der Hauptfigur kann thematisiert werden, dass „Maßstäbe des guten Handelns“ nicht von einer Gruppe gesetzt, sondern vor allem individuell gefühlt und verstanden werden sollten. Rigorose Lösungen und Parolen stehen selbstständigen Entscheidungen entgegen. Hier können Grundlagen der Gruppensoziologie einfließen (die in der Oberstufe häufig nicht über eine reine Wissensvermittlung hinaus thematisiert wird). In diesen Zusammenhang passt auch die Untersuchung der Figur des Außenseiters Leo. Leo wird zwar etwas überzeichnet vom Schwächling zum Skin – die Autorin produziert hier bewusst einen Kontrast zu Udo, der durchweg der Junge mit dem „harmlosen Gesicht“ und damit eher sympathisch bleibt. Die Frage, warum Udo sich von Willi Wöhlert so beeindrucken lässt, lässt sich jedenfalls nicht durch Außenseitertum oder defizitäre soziale Lebensumstände erklären; Udo ist ein „normaler“ Junge aus der Mittelschicht. Ohne Gefahr zu laufen, den Roman einseitig didaktisch zu instrumentalisieren, können die aufgezeigten verschiedenen methodischen Varianten und Lernkanäle im Unterricht eingesetzt werden, um Schüler(innen) vor allem dazu anzuregen, selbst nachzudenken und zu überlegen, über welche Fähigkeiten Jugendliche verfügen müssen, um für sich selbst „passende“ Entscheidungen zu treffen und „Angebote“ von Abenteuer, Erlebnis und/oder Kameradschaft auch unter dem Gesichtspunkt möglicher Konsequenzen zu betrachten, bevor sie sich blindlings darauf einlassen. ... zur Unterrichtsvorbereitung Die folgenden Titel können bei der Vorbereitung der Romanbesprechung nützlich sein und sind fast alle in gängigen Verlagen erschienen, also schnell erhältlich. Es handelt sich – angesichts der zur Verfügung stehenden brauchbaren Literatur zum Thema Rechtsextremismus im Unterricht – lediglich um eine kleine, persönliche Auswahl. Die meisten Titel enthalten im Anhang Angaben zu weiterführender Literatur (und den bekannteren „Standardtiteln“ von Benz, Heitmeyer, Hurrelmann u. a.). 1. Gansel, C., Moderne Kinder- und Jugendliteratur, Ein Praxishandbuch für den Unterricht, Berlin 2003 (5. Auflage). (Cornelsen Scriptor) Im 3. Kapitel dieses Handbuchs (S. 133 – 150) werden sehr übersichtlich Formen der Darstellung von Rechtsradikalismus und Gewalt in der Kinder- und Jugendliteratur seit 1980 behandelt. Der Autor gibt insbesondere für die Vorbereitung von Deutschstunden geeignete methodische Tipps und Vorschläge für den Unterricht. 2. Vogelsaenger W., Literaturkartei zum Jugendbuch „Damals war es Friedrich“ von Hans Peter Richter, Mülheim 1993 (1. Auflage). (Verlag an der Ruhr) Der kopierfähige Loseblatthefter im DIN-A4-Format enthält viele für die Planung der Unterrichtsreihe zum Roman „Schwarz, rot, tot“ übertragbare Anregungen. Vogelsaenger entwirft variantenreiche Arbeitsblätter, von denen einige auch für Klasse 8 – 10 entsprechend umgesetzt werden können. Für den Deutsch- und Sozialkundeunterricht sind seine Tipps zur Zusammenstellung einer Bücherkiste zur Reihe oder die Arbeit mit Lexika hilfreich. Weiter werden in dem Hefter Projekte zur Präsentation eines Romans als Theaterstück oder in Plakatform mit Hintergrundinformation angeregt und abschließend Infoblätter für die Hand der Schüler(innen) zum „Dritten Reich“ angefügt, die sich ebenfalls auch für Recherchen zu Hassenmüllers Buch eignen. 16 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 3. Breyvogel, W. (Hg.), Stadt, Jugendkulturen und Kriminalität, Bonn 1998. (Dietz Verlag/TB 81) jugendliche Neonazis sich meist als Opfer, die durch öffentlichen Druck in der Clique zusammengeschweißt werden. Ein Kapitel (S. 112 – 128) in diesem interdisziplinär angeleg- Der Verfasser begründet, warum Skinheads (S. 102 – 125) ten Band beschäftigt sich mit der Selbstinszenierung männ- sich nicht politisch definieren lassen, obwohl sie extreme po- licher Jugendlicher im städtischen Raum. Unter anderem litische Einstellungen vertreten und ihre Gewalttaten meist werden Werthaltungen in den verschiedenen Gruppierungen rechtsradikale Motive haben. Interessant sind auch die Hin- der Skinheadszene differenziert untersucht und Chancen der weise auf weibliche Mitglieder der Szene, worüber in der Li- Präventionsarbeit diskutiert. (Vgl. systematische Übersicht zu teratur generell recht wenig zu finden ist. (Vgl. auch: Farin, K., Jugendkultur bei http://de.wikipedia.org/wiki/Jugendkultur) u. a., Skinheads, München 1997, 4. Auflage) 4. „Hast Du Töne? Politisches und Musik“, in: Politisches Lernen, 2–3/01, Zeitschrift der deutschen Vereinigung für politische Bildung – NW e. V. (Bezugsanschrift: Politisches Lernen, Tannenweg 14, 37085 Göttingen) 7. Falter, J. W., Wer wählt rechts? Die Wähler und Anhänger rechtsextremistischer Parteien im vereinigten Deutschland, München 1994. (Beck/bar 1052) Hier sind insbesondere die Kapitel 6 und 7 relevant, in denen In seinem Beitrag zu diesem Heft (S. 20 – 30) untersucht Mar- Falter eine Psychografie der Rechtswähler entwickelt. Emp- tin Blässer unter der Überschrift „Wie klingt die neue Mitte? fehlenswert ist die – immer noch aktuelle – am Schluss aufge- Rechte Tendenzen in der Popmusik von den Anfängen bis zur führte Literaturliste. rechten Normalität“ die kommerzielle Instrumentalisierung pen wie „Rammstein“ oder den „Böhsen Onkelz“ und de- 8. Assheuer, T., Sarkowicz, H., Rechtsradikale in Deutschland. Die alte und die neue Rechte, München 1994. (Beck/bsr 428) ren faschistische Texte/Symbolik zu beschreiben. Der Text ist rechter Ideologie für die „Neue Deutsche Härte“. Hier wird der Versuch unternommen, die Bedeutung von Musikgrup- Die Autoren porträtieren die rechte Parteienlandschaft Mitte sprachlich/begrifflich nicht unbedingt lesefreundlich verfasst, der 90er. Insbesondere relevant im Kontext des Romans ist aber er ist inhaltlich sehr informativ. (Vgl. auch: www.lehrer- das Kapitel II (S. 109 – 138) zur Entwicklung in der DDR online.de/dyn/9.asp?url=227356.htm, Link: „Rechtsrock“) bzw. in den neuen Bundesländern. 5. Hundseder, F., Rechte machen Kasse. Gelder und Finanziers der braunen Szene, München 1995. (Knaur/FACTS 80047) Roman genannt werden) beschäftigt sich die Autorin im Ka- 9. Bergmann, W., Erb, R., Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in Deutschland, Ergebnisse der Einstellungsforschung Mitte der 90er-Jahre, in: Gessenharter, W., u. a. (Hg.), Rechtsextremismus und Neue Rechte in Deutschland, Opladen 1998, S. 211 – 224. (Leske + Budrich) pitel „Hitler lässt die Kassen klingeln“ (S. 266 – 299) mit Neben der Aufführung der bekanntesten rechtsextremen Gruppierungen und Stiftungen (die auch in Hassenmüllers In knapper und verständlicher Weise werden empirische Da- dem Geschäft mit Nazi-Originaltönen (Platten, Kassetten, ten über die Einstellung der Gesamtbevölkerung zu Auslän- CDs, Kalender, Videofilme, Bücher etc.), die allesamt prob- dern, Einstellungen zu Juden referiert und abschließend einige Jugendstudien 1994/95 ausgewertet. Zum Verständnis des lemlos im Versandhandel zu beziehen sind. verfassungsschützerischen Umgangs mit der Neuen Rechten 6. Farin, K., generation-kick.de, München 2001. (Beck/bsr 1407) Insgesamt ein äußerst lesenswerter und aktueller Reader über (Vgl. auch: www.uni-marburg.de/dir/welcome.html. jugendliche Subkulturen. In seinem Kapitel über Neonazis Übersichtliche Homepage mit brauchbaren Links und Be- bietet ein Beitrag von Wolfgang Cremer in diesem Band eine gute Einführung, vgl. S. 69 – 76, ebenda. (S. 195 – 204) geht der Autor zunächst der Frage nach, wa- zugsadressen für Literatur und Filme/Videos.) rum keine andere Jugendkultur in den letzten zwölf Jahren so viel öffentliches Aufsehen erregt hat. Laut Farin sehen 17 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot 10. Hurrelmann, K., Rixius, N., Schirp B., u. a., „Gegen Gewalt in der Schule – Ein Handbuch für Schule und Elternhaus“, 1996 Weinheim. (Beltz/Ratgeber) Hier ist besonders zu empfehlen das Kapitel von Norbert 13. „Deutschland von Rechts“, Sonderauflage der Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen. Wochenschau für politische Erziehung, Sozial- und Gemeinschaftskunde, Schwalbach 1994. Rixius „Mit rechten Sprüchen, Minderheitenfeindlichkeit Das Themenheft beleuchtet u. a. die Gewalttaten in Rostock, und Provokationen umgehen“ (S. 156 – 181). Das Buch bie- Mölln und Solingen Anfang der 90er-Jahre und erste Gegen- tet einen umfassenden und schulpraxisorientierten Anhang reaktionen (S. 256 ff.). mit Materialen und Adressen zum Thema Gewalt an Schu- 14. „Rechtsradikale Jugendliche. Aussichtslose Fälle?“, Interview mit Klaus Ottomeyer, Professor für Sozialpsychologie, mit Ulrich Sollmann, in: Psychologie Heute, 1/1999, S. 30 – 35. len. Weiter wird eine Liste über Ergebnisse und Analysen von Befragungen zu Gewalt und Rechtsextremismus angehängt (biografische Studien und Interviews mit Jugendlichen aus der rechten Szene). 11. Kliebisch, U., Kommunikation und Selbstsicherheit, Interaktionsspiele und Infos für Jugendliche, Mülheim 1995. (Verlag an der Ruhr) rechtsradikale Jugendliche und geht auf die Rolle verbaler und körperlicher Gewalt in rechtsextremen Milieus ein; besonders lesenswert sind seine Forschungsergebnisse zur „Opfermentalität“ dieser Gruppen. Der Autor stellt ein Arbeitsbuch (nicht nur) für die Schule 15. Großmann, C., Projekt: Soziales Lernen. Ein Praxisbuch für den Schulalltag, Mülheim 1996. (Verlag an der Ruhr) Zu empfehlen: S. 119 ff.: Exkurs über die Betreuung rechts- vor, mit den Themen Selbsterfahrung, Kommunikation und Selbstsicherheit. Die vorgeschlagenen Übungen werden mit verständlichen Anleitungen kommentiert und, falls notwendig, mit kopierfähigen Vorlagen angeboten. Der Band eignet extrem orientierter Kinder. sich auch für die Arbeit im Streitschlichterprogramm. 12. Hainmüller, H., Eine Persönlichkeit sein. Ethik für Jugendliche, Mülheim 1998. (Verlag an der Ruhr) Ottomeyer erläutert u. a. die Bedeutung des Internets für Die Autorin präsentiert in sieben Schritten ein Programm mit zentralen Lebensfragen für Jugendliche, das ab Klasse 9 eingesetzt werden kann. Die im Laufe der Romanlektüre von den Schüler(innen) aufgeworfenen Fragen können mit Teilen dieses Programms in der Lerngruppe (romanübergreifend/fächerübergreifend) vertieft werden, (wie z.B. Kapitel F: „Der dunklen Seite auf der Spur – wenn ich mich selbst nicht versteh“, S. 40 ff.). Der Einsatz im Unterricht setzt sehr gute Kenntnisse der Lerngruppe durch den/die Lehrer/-in (und Kompetenzen in der Umsetzung und Durchführung von Selbsterfahrungsübungen) voraus. 18 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot ... für die Schüler Parteien: Die Schulbuchverlage bieten in den Fächern Religion, Deutsch, Politik/Sozialkunde, Ethik reichhaltiges Material, das in Zusammenhang mit der Lektüre des Romans ausgewählt und hinzugezogen werden kann. Über die Landeszentralen und die Bundeszentrale für politische Bildung können Schüler(innen) und Lehrer(innen) entsprechend Broschüren, Lexika oder Ganzschriften (kostenlos bzw. kostengünstig) beziehen. Das e-mediale Angebot zum Thema Rechtextremismus sollte aber auf jeden Fall hinzugezogen werden, da rechtsextreme Gruppen sich in einem weit gespannten, globalen Netz im Internet präsentieren. Hier bieten Recherchen neben der inhaltlichen Bearbeitung des Themas zugleich auch eine weitere methodische Variante und die Chance zur Vertiefung der Medienkompetenz und -rezeption der Schüler(innen). 4. Internetseiten rechtsradikaler Parteien: 1. Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) Die BpB will mit ihrer Arbeit das Verständnis für politische 7. Neonazis hatten auch Moscheen und Schule im Visier Sachverhalte fördern und das demokratische Bewusstsein fes- www.npd.net: Volksunion www.rep.de: Republikaner 5. Übersichtliche Informationen über rechtsextreme Parteien in Europa auf einer Seite. Umfangreich und thematisch gut gegliedert: www.netz-gegen-nazis.de Beispiele für rechtsradikale Aktivitäten: (vgl. www.MDR.de) 6. Bewährungsstrafen für elf Angeklagte Auch im zweiten Prozess gegen Mitglieder der rechtsextremen Gruppe gab es Bewährungsstrafen. Die Angeklagten profitierten von Absprachen mit dem Gericht. 12. November 2003 Bei der Münchener Neonazi-Gruppe ist nach Pressemeldungen eine Liste mit potenziellen Anschlagszielen gefunden tigen sowie die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit stärken. Insbesondere Mittlern der politischen Arbeit (Lehrer etc.), worden. Derweil wurden weitere Verdächtige festgenommen. aber auch Schülern und Jugendlichen bietet sie vielfältige Pu- 14. September 2003 blikationen zu allen politischen Themen an. In dem Angebot „bpb-aktiv“ finden Sie weiterführende Informationen, Links 8. Skinhead-Gruppe „Landser“ vor Gericht und eine kommentierte Bibliografie zum Thema „Was tun ge- Eine Skinhead-Band, die im Untergrund rechtsextremistische Musik produziert und vertrieben hat, muss sich seit Dienstag gen Rechtsextremismus“. vor Gericht verantworten – als kriminelle Vereinigung. 2. basta – Nein zur Gewalt Für Schüler und Lehrer: 24. Juni 2003 „basta – Nein zur Gewalt“ ist eine Kampagne des Bundes- 9. Neonazi-Prozess endet mit Bewährungsstrafen innenministeriums in Zusammenarbeit mit der „Arbeitsge- Das Landgericht Dresden hat fünf Mitglieder der „Skinheads Sächsische Schweiz“ zu Bewährungsstrafen verurteilt. Das meinschaft Jugend und Bildung e. V.“. Sie wendet sich gegen Strafmaß liegt zwischen anderthalb und zwei Jahren. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit bei Jugendli chen. Diese Kampagne beinhaltet u. a. ein Informationsheft für Jugendliche und eine Vielzahl von Adressen und Lese tipps. Lehrer können zusätzlich eine pädagogische Handreichung für den Unterricht beziehen. www.basta-net.de 3. Innenministerium NRW — Verfassungsschutz www.im.nrw.de/sch/317.htm www.verfassungsschutz.de 19 23. Mai 2003 Heidi Hassenmüller: Schwarz, rot, tot Rechtsextreme Fußballfans Rechtsradikale vor Gericht 10. www.free.de/antifa/aktuell/broschuere/chronik.html 13. Quelle: Sächsische Zeitung, Lokales Pirna, Martin Busche, 24.01.2004 Veröffentlicht am 28.01.2004 – 21:44:46 www.saechsische-zeitung.de Chronologie von Neonazi-Aktivitäten in Dortmund. Im Mittelpunkt u. a. die sogenannte „Borussenfront“, eine rechtsextreme Gruppe, die sich zur Fangemeinde des Fußballvereins Borussia Dortmund zählt und sich selbst im Internet mit aggres- Nationalismus in die Schule tragen siven Parolen, vor allem gegen den FC Schalke 04, präsentiert. Aussteiger 14. www.idgr.de/texte/rechtsextremismus/fallstudien/ buxtehude.php In Buxtehude bei Hamburg fand im Januar eine von Gymna- 11. Drei Aussteiger berichten: www.sz-jugendseite.de/js-texte.php?showid=1411 siasten organisierte Veranstaltung zum Thema „Neofaschis- www.bpb.de/themen/1FJW5Z,o,linksundliteratur.html mus“ statt, die von Rechtsextremisten gezielt gestört wurde. Neonazis im Netz Jugendorganisationen 12. Schröder, B., Wie Rechtsradikale neue Kommunikationsformen nutzen, Reinbek 1995, Printausgabe vergriffen (Website des Autors: www.burks.de) Dieser Titel informiert ausführlich über den Aufbau des 15. „Wikingjugend“ http://lexikon.idgr.de/w/w_i/wikingjugend/wikingjugendflugblatt.php „Thule-Netzes“, eines viel genutzten Mailbox-Systems der Rechtsradikalen, das heute nicht mehr existiert. Das 1995 erschienene Buch ist heute nur noch online erhältlich und nach Aussage des Verfassers die einzige zugängliche historische Quelle über das Thule-System. Oetinger Taschenbuch GmbH, Hamburg August 2011 Alle Rechte dieser Ausgabe vorbehalten Materialien für den Unterricht Erarbeitet von Christine Hagemann nach dem Buch „Schwarz, rot, tot“ von Heidi Hassenmüller @ Originalausgabe: Erika Klopp Verlag, Hamburg 2004 www.oetinger-taschenbuch.de Oetinger Taschenbuch im Vertrieb bei 20