Umbruch in der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst

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Umbruch in der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst
Erschienen im Behördenspiegel 11/2002
Umbruch in der betrieblichen Altersvorsorge im öffentlichen Dienst
Bemühungen zur Umstellung auf kapitalgedeckte Basis
I. Ausgangssituation
Dem überwiegenden Teil der öffentlich bediensteten Arbeitnehmer ist über den Tarifvertrag über die
betriebliche Altersversorgung (ATV) eine betriebliche Zusatzversorgung zugesagt. Von Ausnahmen
abgesehen (z. Β. Hamburgische Ruhegeldgesetze) wird diese Altersvorsorge über die Mitgliedschaft
in der VBL (Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder) oder vergleichbare kommunale oder
kirchliche Versorgungskassen garantiert.
Dabei handelt es sich nicht um ein kapitalgedecktes, sondern um ein umlagefinanziertes
Altersversorgungssystem.
Die VBL hat rückwirkend zum 01.01.2002 eine neue Satzung beschlossen, die für die Versicherten
auch Leistungskürzungen mit sich bringt.
Ferner sind für das Jahr 2003 deutliche Erhöhungen des Beitragssatzes angekündigt. So soll der
Beitragssatz im Westen von 7,7 % auf 9,86 % (incl. Arbeitnehmeranteil und 2 % Sanierungszulage)
des Bruttoeinkommens und im Osten von derzeit 1 % auf neu 4 % des Bruttoeinkommens angehoben
werden. Einige Unternehmen, insbesondere im Bereich der Universitätskliniken und des
Gesundheitswesens, haben sich sehr frühzeitig mit dieser Problematik auseinandergesetzt. Es wurden
Möglichkeiten geprüft, ein adäquates Altersversorgungssystem auf kapitalgedeckter Basis zu
insgesamt niedrigeren Kosten einzugehen und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern.
II. Einzelbeispiele
1. Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg
Bereits im Jahr 2000 hat sich der Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (ca. 13.000
Beschäftigte) entschlossen, zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit durch Abschluß eines neuen
Tarifvertrages auch ein neues Altersversorgungssystem zu begründen. Der Landesbetrieb war
zuvor Mitglied der VBL (allerdings nur wenige Jahre) und hatte die Mitgliedschaft zum
31.12.2000 gekündigt.
Das neue Altersvorsorgesystem basiert für den früher über die VBL versicherten
Mitarbeiterstamm auf einer rückgedeckten Unterstützungskassenlösung sowie für die neuen
Mitarbeiter auf Direktversicherungen.
Die Versicherungsunternehmen wurden im Rahmen einer EU-weiten Ausschreibung ausgewählt.
Ein Unterschreiten der Beitragsbelastung der bisherigen Altersversorgung wurde durch die
Umstellung bereits für das Jahr 2005 erreicht. Für das Jahr 2014 wird auch eine Unterschreitung
der Vergleichskosten gleichartiger Unternehmen (Mitwettbewerber) erwartet.
2. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf war nicht Mitglied der VBL.
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Die Entwicklung der voraussichtlichen Kosten bei Eintritt in die VBL wurde jedoch in die
Erwägungen, die im Jahr 2001 stattfanden, einbezogen. Die Altersvorsorge des
Universitätsklinikums regelte sich nach dem 1. und 2. Hamburgischen Ruhegeldgesetz.
Betroffen von den Veränderungen des Altersvorsorgesystems waren ca. 6.000 Mitarbeiter.
Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf wählte eine ähnliche Versicherungslösung wie der
Landesbetrieb Krankenhäuser. Auch hier wurde der Besitzstand über eine rückgedeckte
Unterstützungskassenlösung kapitalgedeckt garantiert.
Neue Mitarbeiter erhalten eine Direktversicherung.
Der Arbeitgeberzuschuß zur Direktversicherung wurde mittels Tarifvertrag mit 1,4 % (zzgl.
Pauschalsteuer) ausgehandelt. Den Mitarbeitern, die bereits Anwartschaften besaßen, wurde der
volle Besitzstand zum 31.12.2001 garantiert.
Es wurde ebenfalls eine EU-weite Ausschreibung zur Auswahl der Versicherungspartner und der
zusätzlich benötigten Dienstleister (Pensionsverwaltung und Verwaltung der Unterstützungskasse)
durchgeführt.
Durch den Abschluß der neuen Lösung wurden vorübergehend höhere Belastungen für die
Altersvorsorge auf kapitalgedeckter Basis in Kauf genommen. Etwa ab dem Jahr 2010 wird der
Gesamtaufwand im neuen System den früheren Gesamtaufwand erstmals unterschreiten.
Bei Wechsel zur VBL wurde für ab dem Jahr 2031 sogar ein jährlicher Gesamtaufwand
prognostiziert, der den Aufwand bei Beibehaltung des alten Systems (Hamburgische
Ruhegeldgesetze) deutlich überstiege.
Trotz des zunächst höheren Aufwandes wurde auch beim UKE langfristig eine deutliche
Absenkung der Kosten für die Altersvorsorgeleistungen und damit ein Schritt zu mehr
Wettbewerbsfähigkeit erreicht.
Das neue System fand zudem bei den Mitarbeitern des UKE eine erfreulich positive Resonanz.
3.
Universitätsklinikum Leipzig und Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden
Diese Unternehmen waren seit 1997 Mitglied der VBL. Die Mitgliedschaft in der VBL wurde zum
31.12.2002 gekündigt.
Der Grund für die Kündigung waren einerseits die Leistungseinschnitte durch die
Satzungsänderung der VBL sowie auf der anderen Seite der zu erwartende deutliche Anstieg der
Umlage schon für das Jahr 2003. Darüber hinaus hatte sich bei den Unternehmensleitungen und
der Arbeitnehmervertretung die Erkenntnis durchgesetzt, daß wohl auch für die Zukunft noch mit
einer deutlichen Erhöhung der Beitragslast zu rechnen ist.
Zudem der ist Abfindungsbetrag, der an die VBL bei Kündigung der Mitgliedschaft zu leisten ist,
um so höher, je länger die Mitgliedschaft andauert.
Die Partner für das zukünftige Altersvorsorgesystem werden derzeit im Wege einer EU-weiten
Ausschreibung ermittelt. Hierbei werden folgende Anbieter gesucht:
-
eine Pensionskasse für neu eintretende Mitarbeiter sowie Mitarbeiter, die vom alten
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Altersvorsorgesystem in das neue Altersvorsorgesystem wechseln
-
eine rückgedeckte Unterstützungskasse zur Garantie des Besitzstandes der schon zum
31.12.2002 beschäftigten Mitarbeiter
Weiterhin kann über die Unterstützungskasse Gehaltsumwandlung über die Obergrenze bei
der Pensionskassenlösung hinaus betrieben werden.
-
Als zusätzliche Leistungen wurde noch ein Risikoabdeckungsvertrag für TodesfallVersicherungsschutz und Berufsunfähigkeits-Versicherungsschutz sowie ein Rahmenvertrag
für die Förderrente gemäß Altersvermögensgesetz ausgeschrieben.
III. Bisherige Erkenntnisse aus diesen Ausschreibungen
Die Erkenntnisse aus diesen, vom Verfasser begleiteten, Ausschreibungen sind vielfältig und würden
daher den Umfang dieses Beitrages sprengen.
Einige wesentliche Punkte seien aber erwähnt:
•
Generell sollte die Schaffung eines neuen Altersvorsorgesystems möglichst gut vorbereitet
werden. Hierzu gehören neben den tarifvertraglichen Verhandlungen auch die Erarbeitung von
klaren Prognosen, welche Auswirkungen mit dem Wechsel in ein anderes Altersvorsorgesystem
verbunden sind.
•
Verschiedene Durchführungswege der betrieblichen Altersversorgung sollten in ihren Vor- und
Nachteilen sowie Risiken und Gesamtkosten vor Ausschreibungsbeginn verglichen werden. Der
Vergleich der verschiedenen Durchführungswege miteinander im Rahmen einer Ausschreibung
erscheint eher schwierig. Davon ist also abzuraten.
•
Sofern Klarheit über die einzelnen Durchführungswege und in ihrer Ausgestaltung besteht, sollte
baldmöglichst daran gegangen werden, die Ausschreibung vorzubereiten und die
Verdingungsunterlagen zu konzipieren. Dies ist teilweise mit nicht unerheblichem Aufwand
verbunden. Zu beachten ist dabei, daß man von dem Zeitpunkt des Beginns der Vorbereitung an
bis zum Abschluß einer Ausschreibung den Zeitraum von 5 bis 6 Monaten einplanen sollte, um
nicht unter Zeitdruck zu geraten.
•
Um während der Ausschreibung nicht gebremst zu werden, sollte neben der fachlichen
Unterstützung im versicherungstechnischen und versicherungsmathematischen Bereich auch auf
das entsprechende Vorhandensein von vergaberechtlichen Kenntnissen geachtet werden.
Besonders ärgerlich wäre, wenn das Verfahren z. B. durch einen Nachprüfungsantrag (der mit
einem Zuschlagsverbot verbunden ist) unterbrochen wird und so der Zeitpunkt des möglichen
Vertragsabschlusses deutlich hinausgeschoben würde.
•
Die Auswertung der eingehenden Angebote verdient allein schon aus wirtschaftlichen Gründen
besonderes Augenmerk. Die jüngsten Entwicklungen an den Kapitalmärkten und die Folgen für
die Lebensversicherungsunternehmen haben gezeigt, daß die Angebote sehr genau auf Plausibilität
untersucht werden müssen. Bei der Plausibilitätsprüfung sind die Kennzahlen der
Lebensversicherer, die deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Kostensituation und die
Zusammensetzung der Kapitalanlagen widerspiegelt, zu berücksichtigen. Besonderes Augenmerk
ist auf die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen zu legen, da dies die wichtigste Kenngröße bei der
Plausibilitätsprüfung ist.
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In einer zum gegenwärtigen Zeitpunkt durchzuführenden Ausschreibung wird insbesondere darauf
zu achten sein, welcher der Anbieter die derzeitige Krise voraussichtlich am besten überstehen
wird.
IV. Fazit und Zusammenfassung
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes, die ihre betriebliche Altersvorsorge auf eine kapitalgedeckte
und damit hoffentlich auch effizientere und sicherere Basis stellen wollen, können sich an
Erfahrungen, die in diesem Bereich bereits vorliegen, orientieren.
Der Bedarf an Vorbereitung ist jedoch nicht zu unterschätzen.
In nahezu allen Fällen wird eine Umstellung mit der Durchführung eines EU-weiten
Ausschreibungsverfahrens verbunden sein.
Dieses erfordert einerseits eine eingehende Vorbereitung und andererseits, schon allein durch die
einzuhaltenden Fristen (die die VOL/A vorgibt), einen recht großen Zeitrahmen, der einkalkuliert
werden sollte.
Trotz dieser Erschwernisse wurden die bisher durchgeführten Verfahren mit einem durchweg
positiven und erfreulichen Ergebnis abgeschlossen.
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