Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada

Transcrição

Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada
Frühkindliche Bildung und Betreuung
in Kanada
Eine ökonomische Perspektive auf die aktuelle und
zukünftige Rolle gemeinnütziger Einrichtungen
Diskussionspapier
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 2
Frühkindliche Bildung und Betreuung in
Kanada
Eine ökonomische Perspektive auf die aktuelle und
zukünftige Rolle gemeinnütziger Einrichtungen
Autoren:
Gordon Cleveland
Barry Forer
Douglas Hyatt
Christa Japel
Michael Krashinsky
Dies ist die deutsche Übersetzung eines Ausschnitts aus folgendem Originalbericht:
„Final Report – An Economic Perspective on the Current and Future Role of Nonprofit Provision of
Early Learning and Child Care Services in Canada“.
Ein Download des Originaltextes ist möglich unter:
http://childcarepolicy.net/documents/final-report-FINAL-print.pdf
Kontakt:
Anette Stein
Programm-Managerin „Kinder früher fördern“
Themenfeld Bildung
Bertelsmann Stiftung
Telefon 05241 81-81583
Fax
05241 81-681583
E-Mail
[email protected]
www.bertelsmann-stiftung.de
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 3
Inhalt
1
Einleitung .......................................................................................................................... 4
2
Zusammenfassung des Forschungsprojektes und seiner Ergebnisse ............................... 6
3
4
2.1
Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung in gemeinnützigen
Einrichtungen: Ergebnisse der Studien ................................................................ 8
2.2
Welcher politische Ansatz ist in Bezug auf die unterschiedlichen
Formen frühkindlicher Bildung und Betreuung der Richtige? ............................. 12
2.3
Politische Schlussfolgerungen für Leitungen und Beschäftigte von
gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen ........................................................ 14
Literaturüberblick zum Thema Gemeinnützigkeitsstatus und frühkindliche
Bildung und Betreuung.................................................................................................... 15
3.1
Ökonomische Literatur zu gemeinnützigen Organisationen ............................... 17
3.2
Spezifische Literatur zu gemeinnützigen und gewinnorientierten
Einrichtungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung ............................... 23
Literatur........................................................................................................................... 28
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 4
1 Einleitung
Dies ist der Abschlussbericht eines Projekts, in dem Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen
gemeinnütziger und gewinnorientierter (oder kommerzieller) Kinderbetreuung in Kanada untersucht wurden. Das Projekt wurde vom Department of Management der Universität Toronto in
Scarborough unterstützt und vom Social Development Partnerships Program of Human Resources
and Skills Development Canada finanziert. Selbstverständlich ist keine dieser beiden Institutionen
für den Inhalt dieses Berichts verantwortlich.
Das Projekt startete am 21. Oktober 2003. Ursprünglich sollten die Forschungsarbeiten und insbesondere die Analyse der You Bet I Care!-Daten bis zum 31. Juli 2005 abgeschlossen sein. Die
anfänglichen Projektziele lauteten dabei wie folgt:
Projektstrategie:
Die derzeitige und zukünftige Rolle gemeinnütziger Organisationen im kanadischen System frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung ist Gegenstand der Untersuchungen in diesem
Projekt. Das Projekt umfasst einen Literaturüberblick zu diesem Thema, eine Sammlung der
themenrelevanten Informationen aus Kanada und anderen Ländern, die statistische Analyse der
YBIC!-Daten sowie Interviews mit Experten aus der Fachszene. Die veröffentlichten Ergebnisse
sollen Politikern und gemeinnützigen Einrichtungen als Informationsquelle dienen.
Zusammenfassung des Vorhabens:
In der Vergangenheit wurde im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung oft gemeinnützigen Einrichtungen von staatlicher Seite der Vorzug gegeben. Man ging dabei davon aus, dass
gemeinnützige Einrichtungen dem öffentlichen Interesse an qualitativ guter und verantwortlicher
frühkindlicher Bildung und Betreuung am besten nachkommen würden. Kanadische Untersuchungen konnten in dieser Hinsicht bisher jedoch keine eindeutigen Belege liefern – und zwar weder
auf die Frage, ob die Gemeinnützigkeit einer Einrichtung ein verlässlicher Indikator und ein Bestimmungsfaktor für die Qualität der angebotenen Leistungen ist, noch unter welchen Bedingungen
dies der Fall wäre. Darüber hinaus ist nach wie vor ungeklärt, ob der qualitätsverbessernde Effekt
des Gemeinnützigkeitsstatus nicht von den derzeitigen Akteuren abhängig ist und damit bei einem
deutlichen Ausbau des Systems frühkindlicher Bildung und Betreuung nicht erhalten bliebe.
In diesem Projekt werden die derzeitige und die zukünftige Rolle von gemeinnützigen Organisationen in der Bereitstellung von frühkindlicher Bildung und Betreuung untersucht. Dabei werden die
folgenden vier übergreifenden Ziele verfolgt:
Formulierung klarer Hypothesen hinsichtlich der kausalen Zusammenhänge und Prozesse, die
eine Sonderrolle gemeinnütziger Organisationen im Bereich frühkindlicher Bildung und Betreuung begründen;
Beschreibung und Auswertung der politischen Ansätze und der Erfahrungen der zuständigen
Stellen in Kanada sowie den OECD-Ländern mit gemeinnützigen und gewinnorientierten
Anbietern;
Auswertung der YBIC!-Daten in Bezug auf die Arbeitsweise gemeinnütziger Einrichtungen mittels einfacher und komplexer statistischer Auswertungsmethoden;
Sammlung wichtiger Kontextdaten zur Arbeitsweise gemeinnütziger Einrichtungen im kanadischen System frühkindlicher Bildung und Betreuung und Treffen einer Einschätzung, ob durch
den Ausbau des kanadischen Systems deutliche Veränderungen zu erwarten sind.
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 5
Als Ergebnis des Projekts sollen aufschlussreiche Analysen der derzeitigen und zukünftigen Rolle
gemeinnütziger Organisationen in einem ausgebauten System frühkindlicher Bildung und Betreuung vorgelegt werden. Letztlich soll hierdurch zum politischen Entscheidungsprozess im Hinblick
auf die zukünftige Ausgestaltung des Systems beigetragen werden.
Im Frühjahr 2005 beantragten wir eine Erweiterung des Projekts, um die bis dahin gewonnenen
Erkenntnisse zu überprüfen. Im Rahmen der Projekterweiterung wurden drei zusätzliche
Datensätze ausgewertet: die Grandir en Qualité-Daten, die Daten der Étude Longitudinale de
Développement des Enfants du Québec sowie administrative Daten aus Kindertageseinrichtungen
in Toronto, mit denen die Stadt Leistungsvereinbarungen abgeschlossen hat. Die Projekterweiterung wurde genehmigt und lief bis zum 21. Oktober 2006.
Das Konzept für die zweite Projektphase lautete wie folgt:
Im Rahmen dieses Projekts wurde bisher die Rolle gemeinnütziger Einrichtungen im kanadischen Kinderbetreuungssystem untersucht. Es wurden Datenanalysen durchgeführt (auf Basis
der Daten der You Bet I Care!-Studie), wichtige Experten aus der Fachszene befragt sowie ein
Überblick über die thematisch relevante Literatur aus Politik und Forschung gegeben. Die bisher gefundenen Ergebnisse sind allerdings nicht eindeutig: Danach wirkt sich der
Gemeinnützigkeitsstatus einer Einrichtung deutlich auf die Qualität aus, selbst wenn Unterschiede in Bezug auf finanzielle Ressourcen und die jeweilige Klientel konstant gehalten
werden. Aus diesem Grund erscheint es wichtig, die Validität der Ergebnisse weitergehend zu
überprüfen, damit diese tatsächlich als verlässliche Basis für politische Maßnahmen dienen
können. Es wird angeregt, die bisherigen Schlussfolgerungen der Studie anhand von drei weiteren Datensätzen zu verifizieren oder gegebenenfalls zu variieren. Zwei der Datensätze
konzentrieren sich dabei auf die Qualitätsfaktoren frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote in Québec. Der Dritte liefert Daten über die Qualität in Kindertageseinrichtungen in
Toronto. Diese verfügbaren Daten ermöglichen in jedem Fall eine allgemeine Untersuchung der
Rolle wesentlicher Schlüsselfaktoren für Qualität im Bereich der frühkindlichen Bildung und
Betreuung. Darüber hinaus können im Rahmen der Analyse insbesondere die Auswirkungen
des Gemeinnützigkeitsstatus auf die Qualität analysiert werden sowie in welcher Beziehung der
Status der Gemeinnützigkeit zu anderen Qualitätssfaktoren steht.
Zunächst ergeben sich aus der Untersuchung der Datensätze aber generell wertvolle Informationen im Hinblick auf die Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung. Erstens können aus den
Datensätzen Informationen über allgemeine und spezifische Bestimmungsfaktoren für Qualität in
der frühkindlichen Bildung und Betreuung gewonnen werden. Diese Faktoren können dann isoliert
hinsichtlich ihres Beitrags zur Qualität untersucht werden, so dass separat für einzelne politische
Maßnahmen oder Ressourcen (beispielsweise für den Fachkräfte-Kind-Schlüssel, die Ausbildung
der Fachkräfte, Ausbildung der Leitung der Einrichtung etc.) Aussagen hinsichtlich ihres jeweiligen
Einflusses auf die Qualität getroffen werden können. So kann mithilfe der Projekterweiterung ein
wichtiger Beitrag zur öffentlichen Diskussion darüber geleistet werden, wie und an welcher Stelle
knappe öffentliche Gelder am besten im Sinne einer besseren Qualität der frühkindlichen Bildung
und Betreuung in Kanada eingesetzt werden sollten. Zweitens können anhand dieser drei zusätzlichen Datensätze verschiedene statistische Indikatoren für die Bestimmung von Qualität untersucht
werden, so dass Aussagen darüber möglich sind, welche dieser Indikatoren sinnvollerweise in den
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 6
Berichten der Provinzen und Territorien zum Thema Qualitätskontrolle und Rechenschaftspflicht
verwendet werden sollten.
Jeder der drei Datensätze bietet einen speziellen Vorteil. So liefern die Daten der Grandir en
Qualité-Studie beispielsweise umfangreiche Informationen hinsichtlich des Personals und der Leitung von Kindertageseinrichtungen sowie aus den Qualitätsprüfungen einzelner Einrichtungen
(und zwar für kommerzielle und gemeinnützige Kindertageseinrichtungen sowie für Tagespflege).
Der Datensatz ermöglicht den Zugriff auf eine beträchtliche Menge an detaillierten Finanzdaten
einzelner Kindertageseinrichtungen, so dasss untersucht werden kann, welche Rolle die Finanzierung bei der Qualität frühkindlicher Bildungs- und Betreuungsangebote spielt.
Die Longitudinal Study of Child Development in Québec (ÉLDEQ), liefert Daten aus Qualitätskontrollen vor Ort und über den Gemeinnützigkeitsstatus der Einrichtungen. Darüber hinaus bietet sie
umfangreiches Material hinsichtlich der Charakteristika der Kinder und Familien, die die verschiedenen Formen frühkindlicher Bildung und Betreuung unterschiedlicher Qualität nutzen.
Die Daten aus den Kindertageseinrichtungen in Toronto sind sehr aufschlussreich, weil sie Antworten auf die Frage liefern, ob kommerzielle und gemeinnützige Kindertageseinrichtungen in
ähnlicher Weise auf Regulierung und Qualitätskontrollen reagieren. Die Stadt Toronto ist in ihrem
Zuständigkeitsbereich sehr aktiv, was die Kontrolle und Regulierung von Kindertageseinrichtungen
angeht; die Maßnahmen der Stadt gehen hier weit über die Aktivitäten in anderen Provinzen hinaus. Der Datensatz liefert konkret Informationen über die bei den Kontrollen festgestellte Qualität
in Tageseinrichtungen, den Gemeinnützigkeitsstatus sowie zahlreiche andere Variablen.
Im Rahmen der Projekterweiterung mussten zusätzliche Experten an Bord geholt werden. Am ursprünglichen Projekt waren Gordon Cleveland und Michael Krashinsky, Wirtschaftswissenschaftler
des Department of Management der Universität Toronto in Scarborough, beteiligt. Zum Zeitpunkt
der Projekterweiterung wurden drei weitere Wissenschaftler hinzugezogen, nämlich Douglas Hyatt
(vom Centre for Industrial Relations an der Universität Toronto und der Rotman School of Management), Barry Forer (Doktorand und Experte für psychologische Methodenlehre am Department
of Educational and Counselling Psychology and Special Education an der Faculty of Education der
U.B.C.) und Christa Japel (Entwicklungspsychologin am Département d’éducation et formation
spécialisées der Universität Québec in Montreal).
2 Zusammenfassung des Forschungsprojektes und seiner
Ergebnisse
Der kanadische nonprofit-Sektor gehört weltweit zu den größten und dynamischsten (Hall et al.,
2005). Zwölf Prozent der kanadischen Erwerbsbevölkerung sind bei gemeinnützigen Einrichtungen
und Freiwilligenorganisationen beschäftigt (nur in den Niederlanden ist dieser Anteil noch höher);
diese Einrichtungen erwirtschaften knapp sieben Prozent des kanadischen BIP. In Kanada sind
fast drei Viertel der bei gemeinnützigen Organisationen Beschäftigten mit der direkten Erbringung
von Dienstleistungen befasst, beispielsweise im Bereich Bildung, Gesundheit, Wohnungswesen,
Sozialdienste, Wirtschaftsförderung etc. Gemeinnützige Organisationen finanzieren sich nicht in
erster Linie durch Spenden, sondern ihre wichtigste Finanzierungsquelle sind staatliche Zuschüsse
und Vergütungen für die erbrachten Leistungen. Eine besonders wichtige Rolle spielt die staatliche
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 7
Förderung dabei im Gesundheits- und Bildungsbereich sowie bei den Sozialdiensten. Wenn man
die Krankenhäuser, Universitäten und Colleges aus der Betrachtung herausnimmt, so bilden bei
anderen gemeinnützigen Organisationen vor allem private Honorare und Nutzungsgebühren die
wichtigsten Einnahmequellen (Hall et al., 2005).
In ganz Kanada beziehen gemeinnützige Organisationen im Bereich der Sozialdienste zwei Drittel
ihrer Einnahmen aus staatlichen Zuschüssen. Die Situation der Kindertageseinrichtungen ist in
diesem Kontext untypisch, denn sie werden zwar finanziell stark vom Staat unterstützt, jedoch
machen die staatlichen Zuschüsse in der Regel weniger als die Hälfte der Gesamteinnahmen aus
(und zudem konzentrieren sich diese Zuschüsse außerhalb Québecs auf die Unterstützung für
einkommensschwache Familien). Tatsächlich kommt der größte Teil der Einnahmen in diesem
Bereich aus den von den Eltern gezahlten Gebühren. Diesem System der Mischfinanzierung entsprechend, ist das kanadische System frühkindlicher Bildung und Betreuung eine Kombination aus
nonprofit und for-profit Leistungserstellung.
Wie stets bei einer großen Gruppe von Personen oder Organisationen gilt auch in diesem Fall:
gemeinnützige Organisationen ähneln sich in bestimmten Punkten und unterscheiden sich in
anderen. Es ist schwierig bis unmöglich, Aussagen zu treffen, die für jede gemeinnützige Organisation gelten.
Trotz dieser Schwierigkeiten scheinen gemeinnützige und kommerzielle Einrichtungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung in der Regel einige wesentliche Unterschiede aufzuweisen.
Bisher wurde jedoch keine Einigung in der Frage erzielt, wie diese Unterschiede zu definieren und
zu untersuchen sind. Viele vertreten die Ansicht, dass gemeinnützige Einrichtungen ineffizient arbeiten, da ihnen das Motiv der Gewinnerzielung fehlt und somit kein Anreiz besteht, Kosten
einzusparen und harte unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Andere glauben hingegen,
dass gemeinnützige Einrichtungen ihre finanziellen Ressourcen klüger einsetzen und einer stärkeren Rechenschaftspflicht darüber unterliegen, dass die Gelder tatsächlich in soziale Dienste
investiert werden, da sie keinen Anreiz haben, Einnahmen abzuschöpfen, um den Gewinn des
Unternehmensinhabers zu maximieren. Manche sind der Meinung, dass gemeinnützige Einrichtungen zwangsläufig Dienstleistungen besserer Qualität für ihre Kunden erbringen, andere
hingegen glauben, dass man gerade bei kommerziellen Betreibern von höherer Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung ausgehen kann, da diese flexibler auf die Bedürfnisse ihrer
Kunden reagieren.
Ziel dieses Projekts war es, diese Stereotypen hinter sich zu lassen und zu untersuchen, unter
welchen Bedingungen und Umständen gemeinnützige Einrichtungen eine bessere Qualität der
frühkindlichen Bildung und Betreuung anbieten. Darüber hinaus sollte geprüft werden, inwieweit
diese Aussagen als eine verlässliche Grundlage bei dem Bestreben von Wirtschaftsvertretern,
Eltern, anderen Interessengruppen und Regierungsvertretern dienen können, die Qualität der
Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung zu verbessern.
Der Literaturüberblick im nächsten Kapitel zeigt, dass oftmals belegt werden konnte, dass gemeinnützige Kindertageseinrichtungen im Durchschnitt bessere Qualität als kommerzielle Anbieter
bereitstellen. Die Gründe hierfür sind jedoch ungeklärt. Zunächst einmal konnte gezeigt werden,
dass nicht jede gemeinnützige Einrichtung besser ist als jede kommerzielle Kindertageseinrichtung. Die Durchschnittsergebnisse weisen zwar auf Qualitätsunterschiede hin; bei der Verteilung
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 8
der Ergebnisse sind jedoch Überschneidungen zwischen den beiden Einrichtungsformen festzustellen. Darüber hinaus steht nicht zweifelsfrei fest, ob der direkte Qualitätsvergleich zwischen den
beiden Alternativen wirklich fair und angemessen ist. So ist denkbar, dass kommerzielle Einrichtungen keine besonders hohe Qualität anstreben, da es ihr Ziel ist, Bildung und Betreuung mittlerer
Qualität zu einem niedrigeren Preis anzubieten. Wenn diese Annahme stimmt, müssen die unterschiedlichen Gebühren der zwei Einrichtungstypen in den Qualitätsvergleich mit einbezogen
werden und die entsprechend angepassten durchschnittlichen Qualitätsstufen kommerzieller und
gemeinnütziger Einrichtungen auf dieser Basis miteinander verglichen werden.
Auch kann es (je nach politischer Zuständigkeit) der Fall sein, dass gemeinnützige Einrichtungen
höhere staatliche Zuschüsse bekommen als kommerzielle. Hier wäre die Differenz in der durchschnittlichen Qualität vielleicht ausschließlich auf die unterschiedliche Verfügbarkeit staatlicher
Zuschüsse zurückzuführen. Dies bedeutet, dass die vorliegenden Daten im Hinblick auf die Verfügbarkeit staatlicher Bezuschussung für die beiden Einrichtungsformen statistisch bereinigt
werden müssen. Erst dann kann festgestellt werden, ob auch unabhängig davon Qualitätsunterschiede zwischen den Einrichtungstypen bestehen.
Weitere Faktoren spielen hier eine Rolle. Gemeinnützige Einrichtungen erhalten möglicherweise
von Eltern oder einem Sponsor Zuwendungen, beispielsweise in Form von freiwillig geleisteter
Arbeit oder von Ressourcen (wie z.B. Wartungs- oder Reinigungsdiensten), kommerzielle Anbieter
erhalten diese Unterstützung hingegen nicht. Gemeinnützige und kommerzielle Anbieter haben
unter Umständen auch unterschiedliche Zielgruppen, was dazu führt, dass es für einen der beiden
Organisationstypen leichter (und weniger ressourcenintensiv) ist, frühkindliche Bildung und Betreuung in hoher Qualität zu bieten. Ziel der Untersuchung muss es daher sein, auch diese
Unterschiede statistisch zu kontrollieren1 und herauszufinden, ob auch nach der statistischen
Bereinigung Qualitätsunterschiede bestehen.
2.1 Qualität der frühkindlichen Bildung und Betreuung in gemeinnützigen
Einrichtungen: Ergebnisse der Studien
Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen dem Status einer Einrichtung und der angebotenen Qualität anhand von vier Datensätzen aus Kanada untersucht. Das vorherrschende Muster ist
dabei auffallend einheitlich. Die Qualität in gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen ist durchgängig besser – und dies gilt auch, wenn mit unterschiedlichen Qualitätsfeststellungsverfahren
gemessen wird; wie mit der Early Childhood Environments Rating Scale, der Infant Toddler Environments Rating Scale, einer Skala, die speziell für die Messung der Qualität frühkindlicher
Bildung und Betreuung in Québec erstellt wurde oder auch dem Meßverfahren, das von der Stadt
Toronto benutzt wurde. Selbstverständlich findet man in verschiedenen gemeinnützigen Einrichtungen gute, aber auch schlechte Qualität. Insgesamt ist aber festzustellen, dass gemeinnützige
Einrichtungen bei den höheren Qualitätsstufen über- und bei den niedrigeren Qualitätsstufen unterrepräsentiert sind. Auch wenn es Überschneidungen bei der Häufigkeit der Qualitätseinstufungen
1
Einige dieser statistischen Kontrollen führen zu Interpretationsschwierigkeiten. Was bedeutet es, die zusätzlichen Ressourcen, die gemeinnützige Einrichtungen in Form von Spenden erhalten, auf konstant
gleichem Niveau zu halten? Unserer Meinung nach gehört es zum Wesen einer gemeinnützigen Einrichtung, dass ihr die Nutzer und Spender in hohem Maße vertrauen, so dass die Einrichtung aufgrund des
Vertrauens Unterstützung in Form von Spenden und freiwilliger Arbeit genießt.
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 9
von gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen gibt, so tendiert die Verteilung der
gemeinnützigen Einrichtungen deutlich zu höheren Qualitätsstufen.
You Bet I Care!
Der You Bet I Care!-Datensatz ist der Datensatz, bei dem im Hinblick auf Ressourcenverfügbarkeit
oder andere Unterschiede in den Einrichtungen, die sich möglicherweise auf die durchschnittliche
Qualität auswirken, am besten statistisch kontrolliert werden kann. Der Brutto-Qualitätsunterschied
von 7,79 Prozentpunkten sinkt deutlich auf 4,2 Prozentpunkte, wenn verschiedene Kontrollfaktoren
berücksichtigt werden. So sind einige Unterschiede in den Qualitätsergebnissen gemeinnütziger
und kommerzieller Einrichtungen auf unterschiedlich hohe Einnahmen pro Kind zurückzuführen.
Aber auch andere Faktoren wirken sich auf die Qualität aus, wie beispielsweise die uneinheitlichen
Qualifikationsniveaus der Leitungen von Kindertageseinrichtungen, Unterschiede in der Qualifikation der pädagogischen Fachkräfte sowie variierende Fachkräfte-Kind-Schlüssel und
unterschiedliche Gruppengrößen. Die Analyse der Daten (aus 6 Provinzen und einem Territorium
in Kanada) kommt aber dennoch zu dem Ergebnis, dass zwischen den zwei Einrichtungsformen
ein kleiner, aber bedeutsamer Qualitätsunterschied besteht.
Die relativ geringen durchschnittlichen Qualitätsunterschiede sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass an manchen Orten höhere und an anderen Orten geringere Qualitätsunterschiede
festzustellen sind. Führt man eine Trennung der „Märkte“ frühkindlicher Bildung und Betreuung in
Kanada ein, in „kleine Märkte“ – sogenannte „thin markets“ (da dort nur eine relativ kleine Anzahl
von Kindern in der relevanten Altersgruppe lebt) und „große Märkte“ – sogenannte „thick markets“
(da dort eine relativ große Anzahl dieser Kinder lebt), zeigt sich, dass gemeinnützige Einrichtungen
auf den jeweiligen „Märkten“ eine unterschiedliche Rolle spielen. In „thin markets“ besteht kein
signifikanter Unterschied zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen, weder
vor noch nach der statistischen Kontrolle bezüglich unterschiedlicher Resourcenausstattungen. Die
Höhe der Einnahmen pro Kind wirkt sich stark auf die Qualität der Einrichtungen aus. Auch das
Qualifikationsniveau der Leitung sowie der pädagogischen Fachkräfte spielt für die Qualität der
Einrichtung eine große Rolle. Der Gemeinnützigkeitsstatus allein beeinflusst die Qualität hingegen
nicht.
Wir gehen von der Hypothese aus, dass gemeinnützige Einrichtungen in „thin markets“ keine Gelegenheit haben, unterscheidbare Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung bereit zu stellen
und zu verkaufen – wobei unterscheidbar meint, dass sich die Einrichtungen durch höhere Qualität
abgrenzen. Kindertageseinrichtungen müssen primär voll ausgelastet sein. Ihre Möglichkeit,
höhere Gebühren für ihr Angebot zu bekommen, hängt deshalb von dem durchschnittlichen Nutzer
(Grenznutzer) ihrer Einrichtung ab. In „thin markets“ gibt es nicht viele Eltern, die frühkindliche
Bildung und Betreuung höherer Qualität nachfragen und über das Einkommen verfügen, sie zu
finanzieren. Der durchschnittliche Nutzer bestimmt damit, welche Qualitätsstandards gemeinnützige Organisationen maximal anstreben können (es sei denn, die staatliche Unterstützung ist so
hoch, dass diese Logik durchbrochen ist).
In „thick markets“ ist hingegen in einer bestimmten Region eine ausreichende Anzahl an möglichen
Nutzern von qualitativ besseren frühkindlichen Bildungs- und Betreuungsangeboten konzentriert,
so dass gemeinnützige Einrichtungen sich hier ehrgeizigere Qualitätsziele setzen können (wohingegen die kommerziellen Einrichtungen sich auf den unteren Qualitätsbereich konzentrieren). In
„thick markets“ wird so ein positiver Kreislauf in Gang gesetzt. In dem Angebote mit höherer Quali-
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 10
tät von gemeinnützigen Einrichtungen angestrebt werden (und damit entsprechend qualifiziertes
Personal eingestellt, dessen kontinuierliche Weiterbildung gefördert sowie höhere Gehälter gezahlt
werden) stellen diese in „thick markets“ besonders effektiv qualitativ hohe Bildungs- und Betreuungsangebote bereit. Im Ergebnis führt dies dazu, dass selbst wenn man die Unterschiede im
Bereich des Ressourceneinsatzes zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Einrichtungen in
„thick markets“ konstant hält, gemeinnützige Einrichtungen beim Angebot qualitativ guter Bildung
und Betreuung einen Vorteil haben.
In „thick markets“ liegt der Qualitätsunterschied zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Einrichtungen brutto bei über zwölf Prozentpunkten. Dieser Abstand reduziert sich auf 9,1 Prozent,
wenn man für die Einnahmen pro Kind sowie andere Unterschiede statistisch kontrolliert. Angesichts der Tatsache, dass das durchschnittliche Qualitätsniveau über den gesamten Datensatz bei
60,1 Prozent liegt, ist ein „Vorteil der Gemeinnützigkeit“ von über neun Prozent netto sehr
beträchtlich.
Grandir En Qualité
Die Reformen der Kinderbetreuung und Familienpolitik in Québec begannen 1997. Im Jahr 2003
wurde ein Großteil der Kosten für frühkindliche Bildung und Betreuung vom Staat finanziert – obwohl frühkindliche Bildung und Betreuung nach wie vor eine kostenpflichtige Dienstleistung war.
Gemeinnützige Kindertageseinrichtungen scheinen sich auf das obere Segment des Qualitätsspektrums zu konzentrieren, wohingegen kommerzielle Anbieter ausgehandelt haben, dass das
Qualifikationsniveau der bei ihnen beschäftigten Fachkräfte niedriger ist und sie somit ein niedrigeres Qualitätsniveau anbieten. Die Daten der Grandir en Qualité-Studie ermöglichen eine Analyse,
wie sich der Gemeinnützigkeitsstatus vor diesem Hintergrund auswirkt.
Es besteht kein Zweifel, dass die Regierung in Québec bei ihren Reformen gemeinnützigen Einrichtungen den Vorrang gab. Um als Centre de la Petite Enfance, also als staatlich geförderte
Einrichtung für Kleinkinder, zertifiziert zu werden, muss die Einrichtung gemeinnützig sein und einen Vorstand haben, der mehrheitlich aus Eltern besteht. Aufgrund des knappen Platzangebots
sind jedoch auch zahlreiche kommerzielle Kindertageseinrichtungen (sogenannte „garderies“)
lizensiert worden. Diese Lizenz berechtigt die Einrichtungen, staatlich subventionierte Kinderbetreuung zu Tagessätzen von 5 Dollar anzubieten.
Die Ergebnisse der Analyse des Grandir-Datensatzes sind noch vorläufig. Bei Vorschulkindern
zeigen sie jedoch einen deutlichen Unterschied zwischen der durchschnittlichen Qualität des Angebots in kommerziellen und gemeinnützigen Einrichtungen. Durchschnittlich ist zwischen allen
Einrichtungen ein Qualitätsunterschied von knapp 12 Prozent zu beobachten – oder, um es anders
auszudrücken – im Durchschnitt ist die in einem (staatlich geförderten) Centre de la Petite Enfance
angebotene Qualität an Bildung und Betreuung für Kinder im Vorschulalter um 22 Prozent höher
als die Qualität in einer (kommerziellen) garderie.
Zwischen Centre de la Petite Enfance und garderie bestehen deutliche Unterschiede im Hinblick
auf die Ressourcenausstattung, und wir können zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit Bestimmtheit
davon ausgehen, dass wir all diese Unterschiede adäquat statistisch erfasst haben. So zahlen
Centre de la Petite Enfance einen deutlich höheren Anteil ihrer gesamten Personalkosten an qualifizierte Fachkräfte als kommerzielle garderies. Die Durchschnittsgehälter sind deutlich höher in
Centre de la Petite Enfance. Entsprechend ist bei ihnen auch die Wahrscheinlichkeit im Vergleich
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 11
zu kommerziellen Anbietern viel größer, dass die beschäftigten Fachkräfte über einen CollegeAbschluss verfügen, sie vor kurzem eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme besucht haben und
langjährige Berufserfahrung aufweisen können. Aber selbst wenn wir diese Parameter, einige weitere Inputfaktoren sowie regionale Unterschiede statistisch kontrollieren, ist die Qualität der
gemeinnützigen Centre de la Petite Enfance hinsichtlich der Bildung und Betreuung von Kindern
im Vorschulalter immer noch um mehr als 5% besser.
Stadt Toronto
Die Daten der Stadt Toronto liefern keine umfassenden Qualitätsmessungen, sondern lediglich
Einschätzungen der pädagogischen Interaktionen zwischen Fachkräften und Kindern in den Einrichtungen. Zudem wurden die Qualitätsmaßstäbe in den Jahren 2006 und 2007 überarbeitet.
Daher gilt auch für den Datensatz der Stadt Toronto, dass er lediglich einen ersten Eindruck der
Situation vermitteln kann, der bestenfalls – in Kombination mit anderen Daten und Studienergebnissen – als ein Mosaikstein im Gesamtbild dienen kann. Die Daten aus Toronto sind aber
besonders interessant, da sie Aufschluss darüber geben, wie schwierig es ist, die Qualitätsunterschiede zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Einrichtungen durch Regulierungen zu
verringern. Toronto hat in den vergangenen Jahren die Kindertageseinrichtungen, mit denen sie
Leistungsvereinbarungen abgeschlossen hat (nur auf diese Gruppe von Einrichtungen beziehen
sich die vorliegenden Daten), sehr aktiv kontrolliert und reguliert. Wenn es also möglich ist, Qualitätsunterschiede zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen durch
Regulierungen zu beseitigen, dann müsste man dies in Toronto beobachten können.
In den Kindertageseinrichtungen in Toronto lassen sich durchschnittlich Qualitätsunterschiede von
fünf Prozentpunkten zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen feststellen.
Auch bei statistischer Kontrolle der unterschiedlich hohen Anteile staatlicher Zuschüsse zu den
Personalkosten sowie der verschiedenen Charakteristika der Familien in den Einrichtungen, die
aufgrund ihres geringen Einkommens staatliche Unterstützung erhalten, ist der Qualitätsunterschied nur marginal geringer. Wenn jedoch darüber hinaus noch der prozentuale Anteil der von
qualifizierten Fachkräften in den Einrichtungen geleisteten Stunden sowie die Durchschnittsgehälter dieser Fachkräfte statistisch kontrolliert werden, haben gemeinnützige Einrichtungen keinen
Qualitätsvorsprung mehr.
Letztendlich ist eine bessere Datenbasis notwendig, um diese Ergebnisse eindeutig interpretieren
zu können. Anscheinend sind die Qualitätsunterschiede zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen in Toronto nicht vorwiegend auf Unterschiede in der
Ressourcenausstattung oder der Klientel zurückzuführen. Stattdessen sind die Qualitätsunterschiede auf eine andere Nutzung der verfügbaren Ressourcen zurückzuführen. Gemeinnützige
Einrichtungen investieren dabei deutlich häufiger in besser ausgebildete Fachkräfte und zahlen
diesen höhere Gehälter. Es ist also der unterschiedliche Einsatz der Ressourcen, der in gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen zu einem höheren Qualitätsniveau führt.
Die ELDEQ-Studie
Im Rahmen der Québec Longitudinal Study of Child Development wurden vor Ort in den Einrichtungen Beobachtungen durchgeführt und Daten erhoben, um die Qualität der unterschiedlichen
bestehenden Arrangements frühkindlicher Bildung und Betreuung zu untersuchen. Dabei wurden
Angebote für Kinder betrachtet, die älter als zweieinhalb Jahre sind. Gegenstand der Studie waren
somit kommerzielle Einrichtungen (garderies) und gemeinnützige Kindertageseinrichtungen (Cent-
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 12
re de la Petite Enfance), aber auch regulierte, lizensierte Tagespflegestellen (dies wird von den
Centre de la Petite Enfance koordiniert) sowie die informelle Tagespflege z.B. in nachbarschaftlichen Netzwerken. Der Datensatz enthält keine detaillierten Angaben zu Ressourcen und Mitteln,
die den verschiedenen Einrichtungen zur Verfügung standen. Daher können keine Aussagen darüber getroffen werden, in welchem Maße sich die unterschiedliche Ressourcenausstattung auf die
Qualität der verschiedenen Angebote frühkindlicher Bildung und Betreuung auswirkt. Der große
Vorteil dieses Datensatzes besteht jedoch darin, dass dieser ein breites Spektrum verschiedener
Formen der frühkindlichen Bildung und Betreuung abdeckt. Dies ermöglicht es uns, den Qualitätsunterschied zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Anbietern in einem größeren Kontext zu
betrachten.
Aus den Ergebnissen lassen sich mehrere Schlussfolgerungen ableiten. Zunächst einmal lässt
sich feststellen, dass viele der von Kindern in Québec genutzten Angebotsformen frühkindlicher
Bildung und Betreuung zum Zeitpunkt der Studie eine Qualität anboten, die für eine wünschenswerte Förderung der frühkindlichen Entwicklung zu niedrig war. Zweitens geht aus den Daten
hervor, dass die Qualität bei gemeinnützigen Centre de la Petite Enfance und bei regulierten Tagespflegestellen, die mit diesen Centre de la Petite Enfance zusammenarbeiten, im Durchschnitt
auf der Early Childhood Environment Rating Scale über dem Mittelwert lag. Die durchschnittliche
Qualität kommerzieller Kindertageseinrichtungen und informeller, nicht regulierter Tagespflege lag
auf dieser Skala hingegen unter dem Mittelwert. Wenn wir darüber hinaus berücksichtigen, dass
die Einrichtungen, die nicht an der Erhebung teilnehmen wollten, eher schlechte Qualität anboten,
wird sehr deutlich, dass es nur wenige informelle Tagespflegestellen gibt, bei denen man davon
ausgehen kann, dass Kinder dort förderliche Bedingungen für ihre Entwicklung finden. Auch viele
kommerzielle Kindertageseinrichtungen bieten Kindern keine stimulierenden Entwicklungsbedingungen, wobei hier immerhin 30% der Einrichtungen eine Qualität erreichten, die über dem
Mittelwert lag. In mehr als 45% der Fälle lagen die Qualitätsergebnisse der regulierten Tagespflege
auf der Skala über dem Mittelwert; bei gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen betrug dieser
Anteil circa 70%. Die Ergebnisse sind dramatisch; sie bestätigen das Muster der Grandir-Studie
und untermauern es mit weiteren Belegen. Die ELDEQ-Studie verdeutlicht, dass die Unterscheidung zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Kindertageseinrichtungen nur ein Aspekt ist,
der bei dem Kampf für eine bessere Qualität frühkindlicher Bildung und Betreuung beachtet werden muss.
2.2 Welcher politische Ansatz ist in Bezug auf die unterschiedlichen Formen
frühkindlicher Bildung und Betreuung der Richtige?
Es mag nicht die eine richtige Antwort auf die Frage geben, welchen politischen Ansatz man im
Umgang mit gemeinnützigen und kommerziellen Kindertagesstätten wählen sollte. Vieles hängt
vom Kontext, der spezifischen Situation, der Geschichte, den verfügbaren Ressourcen, dem politischen Willen und natürlich den Zielen ab, die man verfolgt. So kann das Thema der
Gemeinnützigkeit von Kindertageseinrichtungen in Dänemark oder Frankreich andere politische
Antworten und Gestaltungen erfordern als beispielsweise zum gleichen Zeitpunkt in Australien
oder Neuseeland.
Wenn wir uns jedoch in unseren Überlegungen allein auf Kanada konzentrieren, ist es leichter
möglich, Empfehlungen auszusprechen. Wir glauben, dass eine Verbesserung der pädagogischen
Qualität und der Entwicklungsförderung der Kinder im System frühkindlicher Bildung und Betreu-
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 13
ung in Kanada von entscheidender Bedeutung sind. Momentan ist das Qualitätsniveau zu niedrig,
um Kinder adäquat in ihrer Entwicklung zu fördern. Dies gilt besonders für die informelle Tagespflege, die viele kanadische Eltern nutzen.
Genau aus diesem Grund ist die staatliche Finanzierung eines regulierten Systems frühkindlicher
Bildung und Betreuung zu befürworten, das für möglichst viele Familien in Kanada zugänglich und
bezahlbar ist. Damit diese staatliche Förderung sinnvoll und effektiv ist, müssen die Einrichtungen
frühkindliche Bildung und Betreuung anbieten, die das frühkindliche Lernen und die Entwicklung
des Kindes angemessen fördert und gleichzeitig Eltern in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt.
Und genau in diesem Kontext wird der Vorrang gemeinnütziger Einrichtungen in der frühkindlichen
Bildung und Betreuung offensichtlich. Unter den richtigen Bedingungen scheint der Gemeinnützigkeitsstatus in besonderer Weise zur Qualität der angebotenen Dienstleistungen beizutragen; dies
ist das Ergebnis der Analyse der unterschiedlichen Datensätze im Rahmen dieser Studie. Die höhere Qualität ist zum Teil auf die Tatsache zurückzuführen, dass gemeinnützige Einrichtungen
andere Entscheidungen bezüglich ihres Ressourceneinsatzes treffen (und offensichtlich höhere
Qualitätsziele verfolgen) als kommerzielle Kindertageseinrichtungen. Gemeinnützige Einrichtungen
stellen durchgängig höher qualifizierte Mitarbeiter ein, fördern deren berufliche Weiterbildung und
zahlen höhere Löhne und Gehälter als gewinnorientierte Einrichtungen. Aber dies ist offenbar nicht
der einzige Grund, warum die Qualität gemeinnütziger Einrichtungen höher ist. Scheinbar entsteht
in gemeinnützigen Einrichtungen unter den richtigen Bedingungen eine regelrechte Qualitätskultur,
und dies führt zu einem Qualitätsniveau, welches mehr als die Summe seiner Teile ist. Dieses
Phänomen bezeichnen wir in unserer Analyse als den „Vorteil der Gemeinnützigkeit“.
Die Dinge sind jedoch nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick scheinen mögen. Man kann
nicht sagen, dass es ausreichend ist, kommerzielle Einrichtungen abzuschaffen und nur noch gemeinnützige Anbieter zuzulassen. Erstens haben wir in den „thin markets“ festgestellt, dass
gemeinnützige Einrichtungen dort keinen Qualitätsvorteil bieten. Der Gemeinnützigkeitsstatus ist
also kein Wundermittel, das automatisch zu besseren Qualitätsergebnissen führt.
Zweitens ist höhere Qualität nicht das einzige politische Ziel im Bereich der frühkindlichen Bildung
und Betreuung. Auch die mit der Qualität verbundenen Kosten spielen eine wesentliche Rolle. Gute frühkindliche Bildung und Betreuung ist nicht billig. Der Fachkräfte-Kind-Schlüssel sowie die
Höhe der Gehälter der Fachkräfte haben einen signifikanten Einfluss auf die jährlichen Kosten.
Wie Cleveland und Krashinsky (2004) gezeigt haben, können die Kosten pro Jahr zwischen 3.700
Dollar (wenn man einen Kind-Fachkraft-Schlüssel von 15:1 und aktuelle Gehaltsniveaus zugrunde
legt) und 20.700 Dollar liegen (bei einem Kind-Fachkraft-Schlüssel von 3:1 und höheren Gehaltsniveaus). Momentan sind qualitativ gute Kindertageseinrichtungen aus gesellschaftlicher Sicht
sinnvoll, da es teurer wäre, wenn die Eltern Zuhause blieben und somit ihr jeweiliges Jahreseinkommen verloren ginge. Dieser Vorteil ist jedoch gefährdet, wenn die Kosten für frühkindliche
Bildung und Betreuung zu stark ansteigen.
Daher muss das Ziel sein, frühkindliche Bildung und Betreuung hoher Qualität zu vertretbaren Kosten bereitzustellen (und zwar sowohl für Eltern als auch für Steuerzahler). Gemeinnützige
Kindertageseinrichtungen scheinen, unter den richtigen Bedingungen, einen wesentlichen Beitrag
zum Erreichen dieses Doppelziels leisten zu können. Gemeinnützige Anbieter setzen zwar in der
Regel mehr Ressourcen für das Erreichen einer höheren Qualität in der frühkindlichen Bildung und
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 14
Betreuung ein, jedoch bleibt ihr Qualitätsniveau auch dann höher als in kommerziellen Einrichtungen, wenn man die Ressourcen konstant hält. Politisches Ziel des Staates und von Leitungskräften
im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung muss es daher sein, die Bedingungen zu
schaffen bzw. zu erhalten, unter denen gemeinnützige Einrichtungen hohe Qualität möglichst kostengünstig anbieten können.
„Thin markets“ sind hier ein Beispiel. Unsere Analyse deutet darauf hin, dass gemeinnützige Einrichtungen in „thin markets“ nicht die richtige Kombination an Anreizen und Ressourcen haben, die
notwendig wäre, um ein qualitativ hochwertiges Angebot zu bieten und eine eigene „Qualitätskultur“ zu entwickeln. Politisches Ziel sollte es im Falle von „thin markets“ somit sein, die richtige
Kombination von Anreizen und Resourcen herauszufinden.
2.3 Politische Schlussfolgerungen für Leitungen und Beschäftigte von gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen
Sowohl politische Entscheidungsträger als auch die Leitungen von gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen können möglicherweise wichtige Erkenntnisse aus dieser Analyse gewinnen.
Leitungskräfte können aus den Ergebnissen mehrere Schlussfolgerungen für ihre praktische Arbeit
ableiten. Zunächst einmal bestätigt die Analyse erneut, dass der Gemeinnützigkeitsstatus einer
Einrichtung unter den richtigen Bedingungen ein guter und verlässlicher Hinweis auf Qualität ist;
Nachfrager können davon ausgehen, dass gemeinnützige Einrichtungen im Durchschnitt deutlich
höhere Qualität erbringen. Die Nachfrager von Kindertageseinrichtungen sind Eltern, denen die
Qualität und damit die Entwicklungsförderung ihrer Kinder sehr am Herzen liegen, die jedoch nicht
über genügend Zeit oder Wissen verfügen, diese Qualität wirklich beurteilen zu können. Daher ist
ein verlässlicher Qualitätsindikator ein beträchtlicher Vorteil, den sich gemeinnützige Einrichtungen
in „thick markets“ besser zunutze machen sollten. In „thin markets“ sollten gemeinnützige Anbieter
darauf hinwirken, die notwendigen Ressourcen zu erhalten und erfolgreiche Methoden nachzuahmen, um so Nachfragern, staatlichen Stellen sowie möglichen Spendern ein ähnliches
Qualitätsversprechen geben zu können.
Eine weitere Erkenntnis, die die Leitungen von gemeinnützigen Kindertageseinrichtungen und ihre
Mitarbeiter aus der Studie ziehen können, bezieht sich auf den Zusammenhang, der offensichtlich
zwischen dem Lohnniveau und dem Vorteil der Gemeinnützigkeit besteht. Gemeinnützige Einrichtungen zahlen höhere Gehälter als gewinnorientierte Unternehmen. Die Ergebnisse sowohl von
Studien über Kostenfunktionen als auch dieses Berichts zeigen, dass höhere Gehälter in der Regel
mit einer höheren Qualität verbunden sind. Wenn gemeinnützige Einrichtungen diesen Vorteil aufrechterhalten wollen, muss der Zusammenhang zwischen der Vergütung der Fachkräfte und dem
Qualitätsniveau erhalten bleiben. Dies bedeutet, dass höhere Gehälter und Unterstützungszahlungen mit höherer fachlicher Qualifikation, besserer beruflicher Weiterbildung sowie stärkerer
Motivation der Mitarbeiter einhergehen sollten, damit die Entwicklung aller Kinder adäquat gefördert wird. In besonderem Maße gilt dies für diejenigen gemeinnützigen Einrichtungen, deren
Qualität momentan noch nicht als gut oder sehr gut bezeichnet werden kann.
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 15
3 Literaturüberblick zum Thema Gemeinnützigkeitsstatus und
frühkindliche Bildung und Betreuung2
Seit Ende der 1960er Jahre sind immer mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt aktiv; besonders stark
ist die Anzahl berufstätiger Mütter mit kleinen Kindern angestiegen. Die Kinder dieser Mütter müssen betreut werden, während ihre Eltern arbeiten. Manche Länder (wie zum Beispiel Frankreich
und Schweden) haben auf den gestiegenen Betreuungsbedarf mit dem Ausbau staatlicher Kindertageseinrichtungen reagiert; zahlreiche andere Länder (wie auch die USA und Kanada) haben sich
bei der frühkindlichen Bildung und Betreuung vorrangig auf den privaten Sektor gestützt. In einer
Marktwirtschaft werden die meisten Produkte ausschließlich von gewinnorientierten Unternehmen
angeboten; frühkindliche Bildung und Betreuung wird hingegen im Allgemeinen sowohl von
gewinnorientierten als auch von gemeinnützigen Einrichtungen angeboten.
Diese Situation hat natürlich große Bedenken bei Interessengruppen im Bereich der frühkindlichen
Bildung und Betreuung über mögliche Unterschiede zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen ausgelöst. Schließlich ist das Wohl der Kinder von großem öffentlichem
Interesse. Können wir darauf vertrauen, dass auf der Basis von Gewinnbestrebungen qualitativ
hochwertige frühkindliche Bildung und Betreuung entstehen kann? Ist es nicht denkbar, dass gewinnorientierte Einrichtungen einen Teil der von den Eltern gezahlten Beiträge nicht in die Kinder
investieren, sondern sie zum Zweck der Gewinnmaximierung nutzen?
Mit diesen Fragen müssen sich auch Regierungen befassen. Da ein öffentliches Interesse am
Wohl des Kindes besteht, zahlen die Regierungen in den meisten Ländern unterschiedliche Arten
von Subventionen bzw. Zuschüssen an Einrichtungen, die frühkindliche Bildung und Betreuung
anbieten. In manchen Ländern (wie den USA und großen Teilen Kanadas), werden die staatlichen
Gelder vor allem für die Unterstützung ärmerer Kinder verwendet; in anderen Fällen werden pauschale Zuschüsse für alle Kinder gezahlt, die außerhalb ihrer Familie betreut werden. Aber in all
diesen Fällen stellt sich die Frage des Status des Anbieters: Können sich die staatlichen Stellen
darauf verlassen, dass gewinnorientierte Einrichtungen qualitativ hochwertige frühkindliche Bildung
und Betreuung anbieten, oder müssen sie befürchten, dass sie staatliche Gelder abzweigen, um
ihren Gewinn zu maximieren? Alternativ kann man auch fragen: Können sich die staatlichen Stellen darauf verlassen, dass gemeinnützige Organisationen die öffentlichen Gelder effizienter
einsetzen, oder führt bei gemeinnützigen Einrichtungen nicht gerade der mangelnde Druck des
Marktes dazu, dass sie ineffizient arbeiten oder staatliche Zuschüsse zu anderen als den vorgesehenen Zwecken einsetzen?
Diese Fragen haben überaus praktische Auswirkungen. Wenn kommerzielle Einrichtungen nicht
vertrauenswürdig sind, sollten staatliche Zuschüsse für die frühkindliche Bildung und Betreuung
nur an gemeinnützige oder sogar staatliche Einrichtungen fließen. Wenn gewinnorientierte Einrichtungen effizienter sind, dann könnte man das Wahlrecht der Eltern stärken, indem die Zuschüsse
direkt an die Eltern (als Nachfrager) gegeben werden. In der Folge wären die Angebote direkt auf
die Bedürfnisse von berufstätigen Eltern und ihren Kinder zugeschnitten.
2
Die Inhalte dieses und des nächsten Kapitels finden sich auch in einem zur Veröffentlichung eingereichten Artikel von Gordon Cleveland und Michael Krashinsky. Der Titel des Aufsatzes lautet “The Nonprofit
Advantage: Producing Quality In Thick And Thin Child Care Markets” (2006)
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 16
Diese Diskussion findet in einer Zeit statt, in der der gemeinnützige Sektor verstärkt Gegenstand
wissenschaftlicher Analysen und Forschungsarbeiten ist. Für Wissenschaftler, die sich mit der
Wahl von Organisationsformen (organizational choice) beschäftigen, ist die Tatsache, dass gemeinnützige Einrichtungen in einer klar marktwirtschaftlich orientierten Volkswirtschaft weiter
bestehen, ein Anzeichen dafür, dass sie unter bestimmten Bedingungen spezifische Vorteile besitzen müssen. Für diese Wissenschaftler ist das System frühkindlicher Bildung und Betreuung ein
höchst interessantes Forschungsgebiet, da es einer der wenigen Bereiche ist, in denen gemeinnützige und gewinnorientierte Einrichtungen offensichtlich nebeneinander bestehen. Verstärkte
Forschungsanstrengungen in diesem Gebiet können unter Umständen interessante Erkenntnisse
hinsichtlich der Frage liefern, wie und warum gemeinnützige Einrichtungen existieren.
Die öffentliche Finanzierung frühkindlicher Bildung und Betreuung hat in den letzten 40 Jahren in
Kanada eine eher chaotische Entwicklung durchlaufen. Dies ist auf die stark dezentral angelegte
Struktur des kanadischen Staates zurückzuführen (gemäß der kanadischen Verfassung sind die
Provinzen sowohl für Bildung als auch für Sozialleistungen zuständig, so dass man daraus schließen würde, dass frühkindliche Bildung und Betreuung Sache der Provinzen ist). Als Folge haben
sich in unterschiedlichen Jurisdiktionen auch unterschiedliche Finanzierungssysteme herausgebildet. Im Rahmen des Canada Assistance Plan wurden in den 1960er Jahren von der
zentralstaatlichen Ebene Finanzmittel an die Provinzen gezahlt, damit diese subventionierte frühkindliche Bildung und Betreuung für einkommensschwache und benachteiligte Familien zur
Verfügung stellen konnten (die Verfassung wurde dabei dahingehend ausgelegt, dass die Regierung den Provinzen zweckgebundene Finanzmittel auch in Bereichen zur Verfügung stellen kann,
für die die Zuständigkeit bei den Provinzen liegt). Zentralstaatlich vorgegebene Richtlinien sorgten
dabei dafür, dass bestimmte Aspekte der frühkindlichen Bildung und Betreuung einheitlich geregelt
wurden. In den 1970er und 1980er Jahren wurden die Finanzzuschüsse jedoch abgeschafft, was
dazu führte, dass jede Provinz ihre eigenen Programme im Bereich der frühkindlichen Bildung und
Betreuung entwickelte. Dies bedeutet im Extremfall, dass einige Provinzen nur einkommensschwache Eltern durch Zuschüsse unterstützen, wohingegen Québec einen Plan entwickelt hat,
der allen Eltern den Zugang zu kostengünstiger frühkindlicher Bildung und Betreuung ermöglicht
(dort steht allen Kindern ein Angebot zu einer Tagespauschale von 5 Dollar zur Verfügung). Manche Provinzen geben sowohl gemeinnützigen als auch gewinnorientierten Einrichtungen
Zuschüsse; andere finanzieren ausschließlich gemeinnützige Einrichtungen.
Bei der konzeptionellen Gestaltung eines Programms zur frühkindlichen Bildung und Betreuung gilt
es, einige grundlegende Fragen zu klären: Liefern gemeinnützige Einrichtungen höhere Qualität
als gewinnorientierte? Wenn dies der Fall ist, würde der Vorteil weiter bestehen, wenn beide Einrichtungsformen in gleichem Umfang staatliche Unterstützung erhielten? Und schließlich – wenn
nur gemeinnützige Einrichtungen finanziell vom Staat unterstützt würden, wie würde sich dies langfristig auf den gemeinnützigen Sektor auswirken? Selbst wenn gemeinnützige Einrichtungen mit
einem bestimmten, festgelegten Budget höhere Qualität erbringen, wäre dies weiterhin der Fall,
wenn die finanzielle Förderung allein auf gemeinnützige Einrichtungen beschränkt würde? Wäre es
nicht denkbar, dass kommerzielle Einrichtungen den gemeinnützigen Sektor unterwandern und
das Qualitätsniveau senken, indem sie so tun als wären sie gemeinnützige Einrichtungen?
Der Versuch, Antworten auf diese Fragen zu finden, führt zunächst zu einem Überblick über die
umfangreiche Literatur, die zum Thema „Qualität im gemeinnützigen Sektor“ vorliegt. Zunächst
wird dabei die allgemeine wirtschaftswissenschaftliche Literatur betrachtet, welche die Funktions-
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 17
weise gemeinnütziger Einrichtungen beschreibt. Danach wird auf Veröffentlichungen eingegangen,
die sich mit der Frage beschäftigen, wie sich die Organisationsform der Einrichtung (gemeinnützig
oder gewinnorientiert) im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung auf die Qualität auswirkt.
3.1 Ökonomische Literatur zu gemeinnützigen Organisationen
Mit einigen wenigen Ausnahmen (siehe Newhouse, 1970, und Nelson und Krashinsky, 1973) haben Wirtschaftswissenschaftler gemeinnützigen Organisationen vor 1980 nur wenig
Aufmerksamkeit geschenkt. In der neoklassischen Mikroökonomik werden die internen Abläufe in
einem Unternehmen auf einige relativ einfache Annahmen hinsichtlich der Verhaltensweise von
Unternehmen verkürzt (z.B. die Annahme der Gewinnmaximierung). In Modellen vollkommener
Konkurrenz streben zum Beispiel alle Unternehmen nach den gleichen Zielen und produzieren
identischen Output auf mehr oder weniger identischen Wegen. Selbst große Oligopolisten verfolgen im Wettbewerb ihre strategischen Ziele auf eine Art und Weise, die jegliche Konflikte innerhalb
des Unternehmens unbeachtet lässt.
In Wettbewerbsmärkten eliminiert die Konkurrenz jegliches opportunistische Verhalten der Produzenten. Produzenten würden natürlich gerne Abstriche bei der Qualität machen, um so ihre
Gewinne zu steigern (es kostet weniger, schlechte Qualität herzustellen). Aber die Verbraucher
können beurteilen, was ihnen angeboten wird, und kaufen keine Waren niedrigerer Qualität, wenn
andere Unternehmen bessere Qualität anbieten. Unternehmen können die Qualität ihrer Produkte
nicht ohne Umsatzeinbußen senken, und Unternehmen, die eine solche Strategie versuchen, werden durch den Wettbewerb ausgeschaltet. In dieser einfachen Welt liefern gewinnorientierte
Unternehmen den Verbrauchern beste Qualität, und es gibt keinerlei Notwendigkeit für gemeinnützige Einrichtungen.
Nach dieser Logik, so argumentiert Henry Hansmann (1980) in seinem bahnbrechenden Artikel,
entwickeln sich gemeinnützige Unternehmen nur dann, wenn „Vertragsversagen“ (unvollständige
Verträge) die marktliche Produktion unattraktiv machen. Darunter versteht Hansmann eine Situation, in der es für den Nachfrager einer bestimmten Ware aus verschiedenen Gründen schwierig ist,
das Verhalten der Produzenten über normale vertragliche Regelungen oder Markmechanismen zu
überwachen.
Andere Autoren haben versucht, den Ansatz von Hansmann weiterzuentwickeln. Staatliches Handeln ist zum Beispiel eine Alternative zu gemeinnützigen Einrichtungen, wenn solches
„Vertragsversagen“ vorliegt. Weisbrod (1975; überarbeitet 1988) führt einige Gründe dafür an,
dass der gemeinnützige Sektor durchaus eine Rolle bei der Bedürfnisbefriedigung von Personen
spielen kann, wenn diese Personen ein ganz besonderes Interesse an dem entsprechenden Gut
haben. Hansmann selbst konzentriert sich vollständig auf den einzelnen Verbraucher, lässt dabei
jedoch die Rolle des Staates sowie die Entscheidung, einige der staatlichen Aktivitäten an gemeinnützige Einrichtungen zu vergeben, außer Betracht (Krashinsky, 1990). Darüber hinaus liegen
zahlreiche Argumente für gemeinnützige Einrichtungen auch auf der Angebotsseite begründet.
Unternehmer, für die weniger die Erzielung von Gewinn Handlungsmotiv ist, sondern für die vielmehr andere Erwägungen im Vordergrund stehen, finden die Organisationsform einer
gemeinnützigen Einrichtung möglicherweise attraktiv (Young, 1981). In einigen Fällen führen auch
die religiösen Motive von Führungskräften einer Organisation zur Gemeinnützigkeit (James, 1987).
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 18
Das Problem besteht darin, dass – wenn wir diese Hypothesen akzeptieren – die einfachen Annahmen des ökonomischen Wettbewerbsmodells hinsichtlich einer Steigerung der Qualität nicht
mehr gelten. Gewinnorientierte Produzenten liefern nicht aus altruistischen Motiven hochwertige
Qualität, sondern nur weil der Wettbewerb sie dazu zwingt. Wenn nun davon auszugehen ist, dass
der Wettbewerb diese Funktion nicht mehr erfüllt, müssen wir uns erneut mit der Frage beschäftigen, ob die Produzenten – gleichgültig ob gemeinnützige oder gewinnorientierte – wirklich die
Qualität bereitstellen, die den Interessen der Nachfrager am besten entspricht.
Die Literatur zu dieser Frage spaltet sich in zwei Richtungen auf. Die eine Richtung ist dem gemeinnützigen Sektor zugeneigt und geht davon aus, dass gemeinnützige Einrichtungen immer
dann entstehen, wenn sie bei der Bereitstellung eines bestimmten Gutes oder einer speziellen
Dienstleistung erfolgreicher sind als andere institutionelle Arrangements. Die zweite Richtung steht
dem gemeinnützigen Sektor kritisch gegenüber und nimmt an, dass gemeinnützige Einrichtungen
eine gewisse Ineffizienz mit sich bringen können. Zum einen liegt diese Ineffizienz in dem fehlenden Anreiz der Gewinnerzielung und dem damit verbundenen mangelnden Druck zu
Kosteneinsparungen begründet. Zum anderen können Ineffizienzen dadurch entstehen, dass die
Einrichtung eigene Ziele verfolgt, die die Leistungserstellung auf eine Art und Weise beeinflusst,
die nicht den Wünschen und Bedürfnissen der Nachfrager entspricht. Aus dieser Perspektive haben gewinnorientierte Unternehmen, so wenig perfekt sie in der Welt von Hansmann auch sein
mögen, zumindest teilweise ihre Berechtigung.
Um diese Zusammenhänge besser zu verstehen, ist es nützlich, die Analyse von Hansmann noch
einmal genauer zu betrachten. Hansmann betont in seinen Ausführungen über den
gemeinnützigen Sektor die Bedeutung von „Vertragsversagen“ und von Informationsasymmetrien.
Er wiederholt seine frühere Theorie in einer Arbeit aus dem Jahr 1987 wie folgt (S. 29):
... gemeinnützige Unternehmen aller Arten entwickeln sich üblicherweise in Situationen, in
denen … sich die Verbraucher nicht in der Lage sehen, die Quantität oder die Qualität einer
Leistung, die ein Unternehmen für sie erbringt, genau zu bewerten. Unter diesen Umständen
hat ein gewinnorientiertes Unternehmen sowohl den Anreiz als auch die Möglichkeit, die Kunden dadurch zu übervorteilen, dass es ihnen minderwertigere Leistungen liefert als vereinbart
oder bezahlt. Ein gemeinnütziges Unternehmen dagegen bietet dem Kunden den Vorteil, dass
es dem Gewinnverteilungsverbot unterliegt. Diejenigen, die das Unternehmen führen sind in ihren Möglichkeiten beschränkt, persönlichen Nutzen aus der Bereitstellung von Dienstleistungen
minderwertiger Qualität zu ziehen und haben daher einen geringeren Anreiz, die Konsumenten
zu übervorteilen als die Geschäftsführer von gewinnorientierten Unternehmen.
Hansmann ist sich natürlich der Tatsache bewusst, dass gemeinnützige Unternehmen ihre eigenen spezifischen Probleme haben (zum Beispiel reagieren sie langsamer auf veränderte
Konsumentenpräferenzen, und es besteht die Gefahr, dass sie sich über das Gewinnverteilungsverbot hinwegsetzen). Er weist jedoch darauf hin, dass es Situationen geben kann, in denen
gemeinnützige Einrichtungen gegenüber anderen Alternativen den Vorrang haben.
Die von Hansmann angeführten Beispiele (1980) deuten darauf hin, dass für diese speziellen Situationen in der Regel mehr erforderlich ist, als nur einige Probleme der Qualitätsbeurteilung auf
Seiten der Konsumenten. Die Beispiele beziehen sich vor allem auf Situationen, in denen die Käufer nicht gleichzeitig Empfänger der Waren sind sowie auf öffentliche Güter. So haben Spender an
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 19
wohltätige Einrichtungen das Problem zu überwachen, ob alle Spenden tatsächlich für den Zweck
eingesetzt wurden, für den sie gedacht waren. Eine gewinnorientierte wohltätige Einrichtung hätte
einen Anreiz, die gewünschten Leistungen zu kürzen und dafür die eigenen Gewinne zu erhöhen;
aufgrund des Gewinnverteilungsverbots sind gemeinnützige Unternehmen hier vertrauenswürdiger. In ähnlicher Weise sind Familienmitglieder, welche frühkindliche Bildung und Betreuung oder
Pflegeleistungen für ältere Angehörige „einkaufen“, möglicherweise nicht in der Lage, zu kontrollieren, was in ihrer Abwesenheit in den Einrichtungen geschieht; gemeinnützige Schulen,
Kindertages- oder Pflegeeinrichtungen sind auch in diesem Fall vertrauenswürdiger und weniger
daran interessiert, die Qualität ihrer Leistung nur aufgrund der Möglichkeit eines höheren Gewinns
zu verringern. Hansmanns Überlegungen wurden auch von anderen Autoren aufgegriffen und weiterentwickelt, zum Beispiel von Easley und O’Hara (1986) sowie Krashinsky (1986).
Ein zweiter Forschungszweig zum Thema gemeinnütziger Sektor geht auf Weisbrod zurück (1975;
siehe auch seine späteren Arbeiten 1988). Seinem Ansatz folgend sind gemeinnützige Institutionen teilweise eine Reaktion auf die Unzulänglichkeiten staatlicher Bereitstellung. Regierungen
orientieren sich an dem Medianwähler; die Bürger, die eine höhere Versorgung mit öffentlichen
Gütern wünschen, müssen immer wieder feststellen, dass die staatlichen Stellen nicht so viele
öffentliche Güter bereitstellen, wie sie es gerne hätten (Weisbrod nennt diese Unterschiede in der
Nachfrage nach öffentlichen Gütern „heterogene Nachfrage”). Um ihren Nutzen zu erhöhen, unterstützen diese „anspruchsvolleren Verbraucher“ gemeinnützige Unternehmen, die ihre Bedürfnisse
befriedigen können.
Wie Hansmann spricht auch Weisbrod das Thema des „Marktversagens” an. Öffentliche Güter
sind eine Form des Marktversagens, welches in der klassischen ökonomischen Theorie durch eine
staatliche Bereitstellung dieser Güter überwunden wird. Doch eine solche staatliche Bereitstellung
kann teuer sein: sie erfordert politische Aushandlungsprozesse, die nicht unbedingt eine einfache
Lösung für die Befriedigung von Bedürfnissen darstellen. Für einige Kritiker ist der öffentliche Sektor von Natur aus teuer und unbeweglich, und einige Bürger sehen in einem starken Staat eine
Bedrohung ihrer Freiheit. Vor diesem Hintergrund können gemeinnützige Einrichtungen eine wertvolle Alternative darstellen.
Ein dritter Zweig der Theorien geht auf die Arbeiten von Ben-Ner zurück, der – gemeinsam mit
seinen Mitautoren – die Anstrengungen der Konsumenten beim Aufbau von gemeinnützigen Einrichtungen betont. Die Konsumenten unternehmen diese Anstrengungen, um trotz bestehender
Informationsasymmetrien eine maximale Kontrolle der erbrachten Leistungen zu erzielen (siehe
Ben-Ner und Van Hoomissen, 1992, Ben-Ner und Gui, 1993, sowie Ben-Ner, 1994). Ben-Ners
Darstellung des Problems stimmt völlig mit der Ansicht von Hansmann überein. So schreibt BenNer zum Beispiel:
Güter und Leistungen mit solchen schwer nachprüfbaren Eigenschaften werden „Vertrauensgüter” genannt. Gewinnorientierte Unternehmen sind der Versuchung ausgesetzt, die fehlenden
Informationen der Betroffenen auf der Nachfrageseite im Fall von Vertrauensgütern auszunutzen, indem sie eine Leistung minderer Qualität erbringen oder einen höheren Preis als
angemessen verlangen. . Wie bei Kollektivgütern besteht auch hier Marktversagen aufgrund einer unzureichenden Verteilung von Informationen auf dem Markt. In beiden Fällen ist das
Problem nicht lösbar, da die Betroffenen auf der Nachfrageseite den Motiven der gewinnorientierten Unternehmen nicht trauen (Ben-Ner, 1994, 751-2).
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 20
Ben-Ners Ansatz kommt besonders denjenigen im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung entgegen, die von Eltern dominierte Leitungsgremien in den Kindertageseinrichtungen
bevorzugen. Ben-Ner sieht gemeinnützige Einrichtungen als eine Art „rückwärts gerichtete Integration durch die Betroffenen auf der Nachfrageseite.” (Ben-Ner und Gui, 1993, 8) Er betrachtet
gemeinnützige Einrichtungen, die direkt der Kontrolle durch die Konsumenten unterliegen, als
„echte gemeinnützige Einrichtungen, zu unterscheiden von gemeinnützigen Einrichtungen, die von
anderen Stellen kontrolliert werden.” (Ben-Ner, 1994, 753)
Alle drei Forschungszweige betonen, dass gemeinnützige Organisationen die Bedürfnisse der privaten Individuen effizienter befriedigen können als alternative Organisationsformen. Bei den
Individuen kann es sich um Käufer handeln, die Leistungen für andere Familienmitglieder einkaufen, die die Qualität der von ihnen konsumierten Leistungen kaum beurteilen können und auch den
eigentlichen Käufern keine Qualitätsbeurteilung mitteilen können (Tagespflege, Pflegeeinrichtungen). Es kann sich um Spender handeln, die Bedürftigen auf schwer kontrollierbaren Wegen
Waren und Leistungen zur Verfügung stellen wollen (wohltätige Einrichtungen, ausländische Hilfsorganisationen). Oder es kann sich um die Konsumenten öffentlicher Güter handeln, deren
Nachfrage durch den Staat nicht angemessen gedeckt wird (Bildung, soziale Dienstleistungen).
Diese Individuen sind jedoch nicht die einzigen Käufer. Der Staat selbst kauft Güter und Leistungen von privaten Organisationen. Staaten erbringen häufig Leistungen, die von anderen genutzt
werden, sie sind in erster Linie im Bereich der öffentlichen Güter tätig, folglich sehen sich staatliche
Instanzen mit den gleichen Informationsproblemen konfrontiert, die oben beschrieben sind. Das
führt dazu, dass Regierungen sich aus den gleichen Gründen gemeinnützigen Einrichtungen zuwenden wie private Konsumenten, und dies ist auch einer der Gründe dafür, dass staatliche
Stellen oft eine wichtige Finanzierungsquelle für gemeinnützige Einrichtungen sind. Eine Diskussion dieser Form der Finanzierung und der damit verbundenen Implikationen ist bei Salamon (1987)
und Krashinsky (1990) nachzulesen.
Natürlich kann der Staat diese Güter auch selbst herstellen (eine Möglichkeit, die private Konsumenten für gewöhnlich nicht haben). Es sprechen jedoch häufig zwei Faktoren gegen eine
staatliche Produktion. Erstens ist hier das Fehlen des Wettbewerbs und klar definierter unternehmerischer Erfolgskennzahlen zu nennen, was dazu führen kann, dass die öffentliche
Leistungserstellung ineffizient ist. Zweitens stellen Regierungen häufig politisch sensible Dienstleistungen oder Güter bereit. Bieten gemeinnützige Einrichtungen diese Dienstleistungen an, so
hat das für Regierungen den Vorteil, dass die Einrichtungen im Falle politisch heikler Entscheidungen eine Art „Schutzschicht“ darstellen (z.B. wenn es um die Festlegung von Lehrinhalten oder die
Verfügbarkeit von Krankenhauspflege geht usw.).
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass Produzenten es möglicherweise selbst als nützlich erachten, mit gemeinnützigen Einrichtungen zu tun zu haben. In diesem Sinne werden diese
Produzenten dann selbst zu Interessenvertretern auf der Nachfrageseite. Viele Unternehmen unterstützen zum Beispiel eine ganze Reihe öffentlicher Vorhaben durch Spenden. Aus den gleichen
Gründen, die oben bereits diskutiert wurden, geben auch Unternehmen ihre Spenden eher an gemeinnützige Einrichtungen als einen Vertrag mit gewinnorientierten Unternehmen einzugehen.
Darüber hinaus haben auch gewinnorientierte Unternehmen durchaus ein Interesse daran, öffentliche Güter in Anspruch zu nehmen und ziehen es in diesen Fällen häufig vor, dies über
gemeinnützige Einrichtungen zu tun (Handelskammern, Wirtschaftsförderungseinrichtungen, usw.;
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 21
Krankenhäuser kann man in diesem Sinne als von Produzenten geführte, gemeinnützige Leistungserbringer für „Ärzteunternehmen“ ansehen).
Es ist auch wichtig, die Interessen derjenigen in Betracht zu ziehen, die die gemeinnützigen Einrichtungen leiten, da die Nachfrage nach gemeinnützigen Leistungen unerfüllt bliebe, wenn nicht
jemand dazu bereit wäre, gemeinnützige Einrichtungen zu entwickeln und zu leiten. Nach Ansicht
von Ben-Ner kommen die Personen, die gemeinnützige Einrichtungen führen und überwachen,
häufig aus der Reihe der Konsumenten, trotz des offensichtlichen Trittbrettfahrer-Problems; oder
sie kommen aus dem Verwaltungsbereich, erkennen die Nachfrage nach ihren Leistungen und
damit die Möglichkeit, eigene Ziele verfolgen zu können und gehen ein Bündnis mit den Interessenvertretern der Nachfrager ein (Ben-Ner und Gui, 1993, 8).
Eine weitere Möglichkeit ist, dass gemeinnützige Einrichtungen von Unternehmern gegründet werden, die ein komplexes System an Zielen verfolgen, aber gerade nicht das Ziel der
Gewinnmaximierung. Young (1981) führt eine ganze Reihe von Motiven von Managern an – Geld
verdienen, kreativ sein, eine Dienstleistung erbringen, eigenständig arbeiten usw. – und deutet an,
dass Unternehmer sich entsprechend ihrer jeweiligen Motivation auf verschiedene Felder und Sektoren der Wirtschaft aufteilen (so dass diejenigen, die in erster Linie am Geld interessiert sind, sich
nicht für den gemeinnützigen Bereich entscheiden). Im Gegensatz dazu stellt James (1987) fest,
dass religiöse Gruppen häufig gemeinnützige Einrichtungen gründen, um neue Zielgruppen zu
erreichen, nämlich die Nutzer der Einrichtungen. James und Rose-Ackerman (1986) stellen fest,
dass einige gemeinnützige Einrichtungen gegründet werden, um Möglichkeiten zur Quersubventionierung zu nutzen (so investieren Universitäten zum Beispiel Geld, das sie durch die Lehre
verdienen, in die Forschung und den wissenschaftlichen Nachwuchs).
In den vorangegangenen Abschnitten wurde bislang davon ausgegangen, dass die gemeinnützigen Einrichtungen „gut funktionieren”. Es wäre jedoch naiv anzunehmen, dass mit dem
gemeinnützigen Sektor keinerlei Probleme verbunden wären. So kann es durchaus vorkommen,
dass gemeinnützige Unternehmen nicht immer effizient produzieren und skrupellose Unternehmer
den Begriff gemeinnützig dazu benutzen, Konsumenten zu übervorteilen. Diese Probleme ergeben
sich gerade aus den Umständen, die zur Rechtfertigung gemeinnütziger Tätigkeit angeführt wurden.
Wie bereits beschrieben, produzieren gewinnorientierte Unternehmen unter perfekten Informations- und Wettbewerbsbedingungen genau das, was die Konsumenten zum niedrigstmöglichen
Preis nachfragen. Die Konsumenten wissen, was sie wollen und sind über das Angebot der Unternehmen vollständig informiert. Sie sehen sich auf dem Markt um und vergleichen Preise.
Unternehmen, die ineffizient arbeiten oder zu hohe Gewinne machen, werden aufgrund des Wettbewerbs aus dem Markt gedrängt. Es sind Probleme der Unsicherheit, die dazu führen, dass
dieser Mechanismus in Frage gestellt wird und genau diese Probleme sind der Grund, warum der
gemeinnützige Sektor überhaupt existiert. Allerdings gibt es keinen Automatismus, der dafür sorgt,
dass gemeinnützige Unternehmen nicht auch Fehlverhalten an den Tag legen.
Ein Teil der Literatur in diesem Themenfeld beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit dem Gewinnverteilungsverbot. Indem Eigentümer und Geschäftsführer sich verpflichten, sich keine Gewinne
selbst anzueignen, wird zumindest zum Teil der Anreiz beseitigt, Qualität zu verringern und Konsumenten auszubeuten. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diese Verpflichtung auch
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 22
eingehalten und durchgesetzt wird. Wenn die Kontrolle hier jedoch zu nachlässig ist, sind auch die
Vorteile einer gemeinnützigen Einrichtung hinfällig.
Steinberg und Gray (1992, 6) haben zum Beispiel den Begriff der „for-profits in disguise” (vorgetäuschte Gemeinnützigkeit) eingeführt und beschreiben damit den Fall, dass Manager
gemeinnütziger Einrichtungen das Gewinnverteilungsverbot umgehen, um Einnahmen des Unternehmens in ihre eigenen Taschen umzuleiten. Krashinsky (1995) weist darauf hin, dass dieses
Problem sich in genau den Situationen verschärfen kann, in denen die Betroffenen auf der Nachfrageseite sich stärker auf dieses Verbot verlassen. Wenn beispielsweise staatliche Stellen
gemeinnützigen Einrichtungen Zuschüsse und Fördergelder gewähren, verstärkt dies den Anreiz
für gewinnorientierte Unternehmen, sich als gemeinnützig auszugeben. Dieses Problem ist wahrscheinlich so alt wie der Sektor selbst. Hansmann (1980) warnt, dass „es gemeinnützigen
Einrichtungen trotz der für sie geltenden Einschränkungen gelingen kann, einen Teil ihrer Nettoeinnahmen durch überhöhte Gehälter, den Mitarbeitern gewährte unterschiedliche
Vergünstigungen und andere Formen der überhöhten Zahlungen zu verteilen.” Genau diese Sorge
führt Ben-Ner (1994, 757) dazu, Rechtsreformen vorzuschlagen, die Interessenvertretern der
Nachfrageseite mehr Befugnisse geben würden, indem sie rechtlich als „Mitglieder“ der Einrichtung
gelten könnten und „diese Mitgliedschaft mit einer Kontrollfunktion verbunden wäre.”
Das Problem dieses Vorschlags liegt in den speziellen Bedingungen begründet, die die Gemeinnützigkeit attraktiv machen. Wenn die Verbraucher angemessen beurteilen könnten, was
produziert wird, und wenn sie bei Wettbewerbsunternehmen Vergleiche anstellen könnten, würde
das Problem des opportunistischen Verhaltens verschwinden. In diesem Falle würde jedoch auch
die Existenzberechtigung des gemeinnützigen Sektors entfallen. Dies ist das entscheidende Problem in Bezug auf die von Ben-Ner vorgeschlagenen Reformen. Die Kontrolle hängt davon ab, ob
Mitglieder überhaupt die Informationen haben, die für eine wirksame Kontrolle nötig sind.
Selbst wenn man die Ansicht vertritt, dass alle Geschäftsführer von gemeinnützigen Einrichtungen
ehrenhaft sind und nicht versuchen, sich selbst durch eine unangemessene Umleitung der Einnahmen der Einrichtung zu bereichern, bleibt die Frage, ob gemeinnützige Einrichtungen effizient
arbeiten – das heißt, ob sie auf die Bedürfnisse der Nachfrage reagieren, Kosten minimieren und
optimale Qualität liefern. Die ökonomische Theorie sagt dazu, dass keine Anreize bestehen, effizient zu produzieren, wenn nicht klar definiert ist, wer einen Besitzanspruch auf die verbleibenden
Einnahmen (das heißt die Gewinne) hat (siehe Alchian und Demsetz, 1972). James und RoseAckerman (1986, 37-8) weisen darauf hin, dass fehlende Anreize in der Welt der gemeinnützigen
Einrichtungen zu „stärkeren bürokratischen Kontrollmechanismen, mehr Drückebergerei und höheren Kostenkurven” führen könnten. Steinberg (1986) sichtete die Literatur mit dem Ziel,
Ineffizienzen zu messen. Allerdings kritisiert er die Theorie der Eigentumsrechte mit dem Hinweis,
dass auch der kommerzielle Sektor aufgrund von Unsicherheit bzw. Unwissenheit auf Seiten der
Konsumenten aller Voraussicht nach nicht effizient ist.
Selbst wenn gemeinnützige Unternehmen effizient produzieren, produzieren sie vielleicht nicht
genau das, was der Verbraucher möchte. Da Gewinne nicht die Triebfeder sind, reagieren die Manager von gemeinnützigen Einrichtungen möglicherweise nur langsam auf Veränderungen der
Nachfrage, so dass eine erhöhte Nachfrage möglicherweise zu Wartelisten führt anstatt zu zusätzlicher Produktion (siehe Nelson und Krashinsky, 1973). Und wenn Manager von gemeinnützigen
Einrichtungen der Qualität ihrer Leistungen besonders hohe Bedeutung beimessen, produzieren
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 23
sie möglicherweise eine höhere Qualität als von den Konsumenten gewünscht (siehe Newhouse,
1970). Wie oben beschrieben generieren die Manager unter Umständen Gewinne in einigen Bereichen der Einrichtung, um andere Bereiche, die in ihrem eigenen Interesse liegen, quer zu
subventionieren. Das bedeutet, dass die gemeinnützige Einrichtung nicht das bereitstellt, was die
Konsumenten als optimale Mischung des Outputs sehen (aber: wenn es sich bei einigen der bereitsgestellten Leistungen um öffentliche Güter handelt, könnte sich natürlich die aus der
Quersubventionierung ergebende Mischung als gesellschaftlich gesehen optimal erweisen oder
zumindest als gesellschaftlich wünschenswert, im Vergleich zu einem Zustand ohne die Quersubventionierung).
Auch private Spender haben ein Interesse an der erstellten Leistung einer gemeinnützigen Einrichtung. Sie haben aber wahrscheinlich die gleichen Schwierigkeiten wie Konsumenten,
sicherzustellen, dass die Manager sich an ihren Wünschen orientieren. Und natürlich haben wir
alle ein kollektives Interesse daran, dass gemeinnützige Einrichtungen gut funktionieren, sowohl
aufgrund der direkten finanziellen Förderung durch den Staat als auch aufgrund der allgemeinen
Steuererleichterungen, durch die dem gemeinnützige Sektor weitere öffentliche Gelder zukommen.
All dies führt zu einer immer stärker werdenden Auseinandersetzung und Diskussion sowohl in
wissenschaftlichen Veröffentlichungen als auch in der allgemeinen Presse über die Rechenschaftspflichten des gemeinnützigen Sektors.
3.2 Spezifische Literatur zu gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen in der frühkindlichen Bildung und Betreuung
Die bisher dargestellte Literatur zum Thema gemeinnütziger Sektor beschäftigte sich vor allem
damit, die Existenz gemeinnütziger Einrichtungen zu rechtfertigen. Mit einigen wenigen Ausnahmen ist die spezifische Literatur zu verschiedenen Organisationsformen in der frühkindlichen
Bildung und Betreuung deutlich mehr empirisch ausgerichtet. In den meisten Fällen werden direkte
Vergleiche zwischen dem Verhalten bzw. dem Erfolg gewinnorientierter und gemeinnütziger Kindertageseinrichtungen angestellt.
Eine diesbezügliche Ausnahme ist eine frühe Arbeit von Nelson und Krashinsky (1973), in der der
Bereich frühkindlicher Bildung und Betreuung als ein interessantes Beispiel für die Wahl institutioneller Arrangements behandelt wird. Die Autoren führen darin aus, dass gemeinnützige
Einrichtungen zwar vertrauenswürdiger sind und möglicherweise eine höhere Qualität anbieten,
dass gewinnorientierte Einrichtungen sich im Gegensatz dazu aber schneller auf Veränderungen
der Bedürfnisse der Nachfrager einstellen. Sie stellen fest, dass öffentliche Regulierungen einen
wichtigen Beitrag dazu leisten können, dass Eltern dauerhaft über die Qualität der Leistungen informiert sind. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die Bereitstellung frühkindlicher Bildung
und Betreuung vielleicht am effizientesten ist, wenn mehrere Organisationsformen nebeneinander
existieren.
Neuere Arbeiten konnten zeigen, dass gemeinnützige Einrichtungen tatsächlich höhere Qualität
frühkindlicher Bildung und Betreuung anbieten als kommerzielle Einrichtungen. Es gibt zuverlässige Belege, dass gemeinnützige Kindertageseinrichtungen im Schnitt eine andere Gewichtung von
Inputfaktoren vornehmen als kommerzielle Einrichtungen. Besonders der Fachkräfte-KindSchlüssel, die pädagogische Qualifikation der Fachkräfte und die Bezahlung sowie weitere Versorgungsleistungen des Personals sind nach nahezu jeder Studie in gemeinnützigen Einrichtungen
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 24
besser. Wenn Unterschiede in Bezug auf die Gruppengröße, die formelle Ausbildung der Fachkräfte und die Qualifikation der Leitung festgestellt werden können, liegt der Vorteil hier bei
gemeinnützigen Einrichtungen, diese Unterschiede sind aber nicht immer statistisch signifikant.
Auch bei der Messung der Prozessqualität (Beobachtung der Qualität in den Gruppensituationen
und der Interaktionen zwischen den Fachkräften und den Kindern) weisen die gemeinnützigen
Einrichtungen durchschnittlich immer signifikant höhere Qualitätsniveaus auf oder es ist kein Unterschied erkennbar. Die einzige Ausnahme bei diesen Aussagen ergibt sich, wenn die
verschiedenen Organisationsformen gemeinnützig und kommerziell nochmal in Untergruppen eingeteilt werden; gemeinnützige, der Kirche nahestehende Kindertageseinrichtungen in den USA
haben bei Qualitätsbeurteilungen besonders niedrige Werte erreicht.
Da diese Unterschiede in der Gewichtung von Inputfaktoren mit unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten zu staatlicher Förderung und privaten Spenden einhergehen können, und da es nicht
immer signifikante Unterschiede in der Prozessqualität gegeben hat, ist aus einer empirischen
bzw. wissenschaftlichen Sicht immer noch umstritten, welche Rolle die Organisationsform einer
Kindertageseinrichtung auf die Erhöhung der Qualität in der frühkindlichen Bildung und Betreuung
hat.
In den USA wurden fünf Datensätze genutzt, um gemeinnützige und kommerzielle Kindertageseinrichtungen zu beurteilen. Das Interesse an diesem Thema begann mit der Keyserling-Studie
(1972), die vom Nationalrat jüdischer Frauen finanziert wurde. Es wurden Interviews und Besuche
in 77 Einrichtungen durchgeführt, in denen diese Organisation Einfluss hatte. Im Rahmen der Studie wurden die Einrichtungen in vier Kategorien eingeteilt, danach boten 38% der gemeinnützigen
und 16% der kommerziellen Einrichtungen gute oder herausragende Qualität, insgesamt gab es
erhebliche Unterschiede in der angebotenen Qualität.
Preston (1993) analysierte Daten aus der „National Day Care Center Supply Study“ aus den Jahren 1976-77. Sie kam zu dem Ergebnis, dass gemeinnützige Einrichtungen eine andere
Marktnische bedienen als kommerzielle Einrichtungen. Die gemeinnützigen Einrichtungen im staatlich regulierten Sektor stellen Leistungen höherer Qualität bereit (gemessen am Fachkräfte-KindSchlüssel, am Höchstgehalt der Fachkräfte, an der Mitarbeiterfluktuation und der Beteiligung der
Eltern) als die kommerziellen Einrichtungen des gleichen Sektors. Preston führte das auf ein höheres Streben nach Qualität bei den Leitungen gemeinnütziger Einrichtungen zurück. Gemeinnützige
Einrichtungen im nicht staatlich regulierten Sektor produzieren höhere soziale externe Effekte (gemessen am prozentualen Anteil der Kinder aus schwarzen Familien oder Minderheitenfamilien die
in den Einrichtungen sind, den Familien, die nicht den vollen Beitrag zahlen müssen sowie niedrigeren Höchstbeiträgen für die Eltern) als kommerzielle Einrichtungen im gleichen Sektor.
Kagan und Newton (1989) waren die Ersten, die ein explizites Verfahren zur Messung der Prozessqualität nutzten (eine modifizierte Version der Checkliste der Child Development Association
(CDA)), um Unterschiede zwischen gemeinnützigen und kommerziellen Kindertageseinrichtungen
zu ermitteln. Die Untersuchung war allerdings auf Einrichtungen in Connecticut beschränkt. Sie
stellten erhebliche Unterschiede bei qualitätsrelevanten Kriterien einschließlich zahlreicher Kriterien aus der CDA-Checkliste fest. Bei anderen Messungen ergaben sich jedoch keine
Unterschiede. Wenn Unterschiede messbar waren, so lag der Vorteil durchgängig bei gemeinnützigen Einrichtungen. Nach Kagan und Newton reichte die Größenordnung der Unterschiede
allerdings nicht aus, um zu dem Urteil zu gelangen, dass kommerzielle Einrichtungen inakzeptable
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 25
Qualität anbieten. Später fasste Kagan (1991) die Ergebnisse aus vier Studien zu gemeinnützigen
und kommerziellen Kindertageseinrichtungen zusammen (einschließlich Kagan und Newton, 1989)
und kommt dabei zu dem Schluss, dass „Anreize, die den Ausbau des privaten gemeinnützigen
Sektors unterstützen, gefördert werden sollten. Private gemeinnützige Einrichtungen umgehen die
Fehler vieler anderer Sektoren: ihre Kosten sind niedriger als die staatlicher Einrichtungen und ihre
durchschnittliche Qualität ist höher als die kommerzieller Einrichtungen.”
Whitebook, Howes und Phillips (1989) erhoben in der National Child Care Staffing Study Daten zur
Qualität in 227 Kindertageseinrichtungen in fünf Ballungsgebieten der Vereinigten Staaten. Sowohl
kirchliche gemeinnützige als auch unabhängige gemeinnützige Einrichtungen wiesen dabei erheblich bessere Werte im Bereich der „entwicklungsangemessenen Aktivitäten“ auf als unabhängige
kommerzielle Einrichtungen (aber nicht unbedingt besser als die Qualität in kommerziellen Einrichtungen, die zu einer Kette gehören). Die Fachkräfte in gemeinnützigen Einrichtungen widmeten
sich eher der „angemessenen Betreuung und Förderung“ der Kinder als Fachkräfte in kommerziellen Einrichtungen aller Art. Bei der Messung sowohl der Prozessqualität als auch der
Strukturqualität (einschließlich Mitarbeitervergütung) stellten die Autoren fest, dass gemeinnützige
Einrichtungen sowohl bei der Nutzung von F-Tests als auch bei Chi-Quadrat-Tests besser abschnitten als kommerzielle Einrichtungen. Bei keiner dieser Beziehungen wurde auf
unterschiedliche Ressourcen kontrolliert. Die größten Unterschiede wurden bei der Messung der
Prozessqualität festgestellt, wenn die Einrichtungen danach unterteilt wurden, ob sie staatliche
Zuschüsse erhalten oder nicht. Die Autoren stellten fest, dass gemeinnützige Einrichtungen bei
beiden Messungen erheblich höhere Werte erzielten als kommerzielle Einrichtungen, gleichgültig,
ob sie staatliche Zuschüsse bekamen oder nicht, und diese Feststellung traf sowohl im Bereich der
Kleinkinder auf als auch im Bereich der Vorschulkinder.
Daten der Cost, Quality and Child Outcomes Study (CQO) wurden in fünf separaten Studien ausgewertet. Die CQO-Studie erhob Daten in über 400 Gruppen in Kindertageseinrichtungen in 4
Bundesstaaten, jeweils zur Hälfte gemeinnützig und gewinnorientiert. Das zentrale Ergebnis im
ursprünglichen technischen Bericht (Helburn et al., 1995) ist, dass die zu beobachtende Überlegenheit der gemeinnützigen Gruppen hinsichtlich der Prozessqualität nahezu ausschließlich auf
die Unterschiede in North Carolina zurückzuführen sind, einem Bundesstaat mit eher lockeren
Qualitätsstandards. Ansonsten waren gemeinnützige den kommerziellen Einrichtungen nicht überlegen – selbst wenn Ressourcen und anderer Unterschiede nicht statistisch kontrolliert wurden.
Mocan (1997), Morris und Helburn (2000) und Blau und Mocan (2002) beziehen sich auf die gleichen Daten. Bei der Analyse der Kosten und des Angebotsverhaltens von
Kindertageseinrichtungen gelangen Mocan (1997) und Blau und Mocan (2002) zu der Erkenntnis,
wenn für Qualität statistisch kontrolliert wird, sind keine signifikanten Kostenunterschiede pro Outputeinheit zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen festzustellen, und dies
trotz der höheren Vergütung der Mitarbeiter in den gemeinnützigen Einrichtungen (d.h. es gibt keinen Nachweis der Ineffizienz der gemeinnützigen Einrichtungen).
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 26
Morris und Helburn (2000) versuchen das überraschende Ergebnis der Analyse der CQO-Daten zu
erklären, dass keine Qualitätsunterschiede zwischen gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen feststellbar sind. Sie stellen die Hypothese auf, dass kommerzielle Einrichtungen eine
gleichwertige Qualität erreichen, indem sie leicht zu beobachtende (und billigere) Aspekte der
Qualitätsbeurteilung betonen im Gegensatz zu den schwer zu beobachtenden (für die Entwicklung
der Kinder aber wichtigeren) Aspekten. Sie stellen fest, dass dies für einige aber nicht alle Typen
gemeinnütziger Einrichtungen gilt, mit Ausnahme von North Carolina. Morris und Helburn vermuten daraufhin, dass es möglicherweise Unterschiede in den Managementzielen oder -praktiken der
verschiedenen Typen von gemeinnützigen und kommerziellen Einrichtungen gibt, die zu unterschiedlichen Qualitätsstufen bei den verschiedenen Typen führen. Nach ihrer Studie bieten
Kindertageseinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft, unabhängige gemeinnützige und kirchennahe gemeinnützige Einrichtungen eine höhere Qualität, wobei die von Kirchen und Kommunen
geleiteten Einrichtungen gemeinsam mit allen Arten der kommerziellen Einrichtungen Leistungen
niedrigerer Qualität erbringen.
Ähnlich wie Cleveland und Krashinsky (2006) benutzt Blau (2000) die CQO-Daten, um Produktionsfunktionen für Qualität in Kindertageseinrichtungen zu schätzen. Wenn man die verschiedenen
Faktoren wie die Ausbildung der Fachkräfte, den Fachkräfte-Kind-Schlüssel, die Eltern und andere
Charakteristika gemeinsam mit zahlreichen Einrichtungsparametern konstant hält, ist festzustellen,
dass kommerzielle Einrichtungen erheblich schlechtere Qualität anbieten als unabhängige gemeinnützige Einrichtungen (d.h. gemeinnützige Einrichtungen ohne substantielle öffentliche
Zuschüsse oder staatliche Regulierung). Dieses Ergebnis findet sich in Modellen ohne „fixed effects“ und mit „zip code fixed effects“. Blaus bevorzugtes Modell ist eines mit „center fixed effects“,
in dem der positive Effekt des Gemeinnützigkeitsstatus auf die Erstellung von Qualität mit anderen
einrichtungsspezifischen Effekten vermischt ist und von diesen nicht isoliert werden kann.
Wissenschaftler aus Kanada und anderen Ländern haben hauptsächlich herausgefunden, dass
gemeinnützige Einrichtungen qualitativ hochwertigere frühkindliche Bildung und Betreuung bereitstellen (SPR Associates, 1986; Mitchell, 2002; Mill, Bartlett und White, 1997; Lyon und Canning,
1999; Prentice, 1997; Doherty, Friendly und Forer, 2002). Mitchell (2002) weist zum Beispiel darauf hin, dass gewinnorientierte Einrichtungen in Neuseeland Mitarbeiter mit niedrigeren
Qualifikationen einstellen. Mill, Bartlett und White (1997) berichten von einer Untersuchung von
Einrichtungen in Montreal, Québec, die zeigt, dass kommerzielle Einrichtungen höhere Gebühren
verlangen und allgemein eine niedrigere Qualität anbieten. Nach Meinung der Autoren ist der
Grund dafür, dass gewinnorientierte Einrichtungen ihre Ressourcen umlenken und als Gewinne
ausweisen. Lyon und Canning (1999) berichten über eine Stichprobe aus Einrichtungen in Kanadas vier Atlantikprovinzen, bei der sie unter gemeinnützigen Einrichtungen durchgängig eine
höhere Qualität feststellten (gemessen mit der ECERS). Prentice (1997) zitiert allgemeine Forschungsergebnisse aus Kanada, dass gemeinnützige Einrichtungen eine bessere Qualität
anbieten und häufiger die festgelegten Standards erfüllen. Sie weist darauf hin, dass die politische
Diskussion mehr als nur die reine Qualitätsfrage umfassen sollte, da gewinnorientierte Einrichtungen auch als Lobbyisten auftreten und niedrigere Regulierungsstandards fordern.
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 27
Doherty, Friendly und Forer (2002) untersuchen die Unterschiede zwischen gemeinnützigen und
kommerziellen Kindertageseinrichtungen anhand der gleichen Daten, die auch wir in diesem Bericht genutzt haben. Sie geben zwei allgemeine Erklärungen für die beobachteten
Qualitätsunterschiede: Gemeinnützige Einrichtungen haben einen besseren Zugang zu Zuschüssen von staatlichen Stellen und zu Spenden, und gemeinnützige und kommerzielle Einrichtungen
unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Ziele, Strukturen und Merkmale. Sie untersuchen nur Daten
aus Provinzen und Einrichtungen ohne unterschiedliche staatliche Förderung oder Unterschiede in
den Spendenaufkommen und stellen dennoch erhebliche Qualitätsunterschiede in Abhängigkeit
vom Gemeinnützigigkeitsstatus fest. Allerdings ist in einer Provinz mit geringem Durchschnittseinkommen und daher durchgängig niedrigen Gebühren für Kindertageseinrichtungen (New
Brunswick) das Qualitätsniveau von gemeinnützigen und gewinnorientierten Einrichtungen sehr
ähnlich.
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 28
4 Literatur
Alchian, A. & Demsetz, H. (1972). Production, Information, Costs, and Economic Organization.
American Economics Review, LXII, 777-795
Benedetti, S. (2006). Towards a Closer Working Relationship. Children in Europe Managing the
Mix: public and private sectors in early childhood services, Issue 11, Edinburgh
Ben-Ner, A. & Van Hoomissen, T. (1992). An Empirical Investigation of the Joint Determination of
the Size of the For-Profit, Nonprofit and Government Sectors. Annals of Public and Cooperative
Economics, 63, 469-494
Ben-Ner, A. & Gui, B. (1993). The Nonprofit Sector in the Mixed Economy. Ann Arbor, MI: The
University of Michigan Press.
Ben-Ner, A. (1994). Who Benefits from the Nonprofit Sector? Reforming Law and Public Policy
Towards Nonprofit Organizations. Yale Law Journal, 104(3), 731-62
Blau, D. (2000). The Production of Quality in Child-Care Centers: Another Look. Applied Developmental Science. 4(3): 136-148. Lawrence Erlbaum Associates Publishers. Mahwah, N.J.
Blau, D.M. & Mocan, H.N. (2002). The Supply of Quality in Child Care Centers. The Review of
Economics and Statistics, 84(3), 483-496
Bourgon, Lavallée, C. et collaborateurs (2003) Échelle d’observation de la qualité educative:
le service de garde préscolaire. Version utilisée dans l’enquête Grandir en qualité 2003. Québec:
Ministère de la Famille et de l’Enfance, Gouvernement du Québec
Cleveland, G. & Krashinsky, M. (2004). Financing Early Learning and Child Care in Canada. Discussion Paper prepared for the Canadian Council on Social Development´s National Conference
on Child Care in Canada, Winnipeg November 12-14, 2004
Cleveland, G. & Krashinsky, M. (2006). The Nonprofit Advantage: Producing Quality In Thick And
Thin Child Care Markets, Working paper
Cohen, B. (2006). Private Commodity or Public Good. Children in Europe, Issue 11 Damgaard, L.
(2006). Outsourcing Early Childhood Services. Children in Europe, Issue 11
Doherty, G., Friendly, M. & Forer, B. (2002). Child Care by Default oder Design? An Exploration of
Differences Between Non-profit and For-profit Canadian Child Care Centers Using the You Bet I
Care! Data Sets. Occasional Paper No. 18, Childcare Resource and Research Unit, University of
Toronto
Easley, D. & O´Hara, M. (1986). Optimal Nonprofit Firms. In: S. Rose-Ackermann, ed., The
Economics of Nonprofit Institutions: Studies in Structure and Policy. New York: Oxford University
Press
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 29
Goelmann H., Doherty, G., Lero, D.S., LaGrance, A. & Tougas, J. (2000). You Bet I Care!
Caring and Learning Environments: Quality in Child Care Centers Across Canada. Guelph:
Center for Families, Work and Well-being, University of Guelph
Hall, M.H., Barr, C., Easwaramoorthy, M., Wojciech-Sokolowski, S. & Salamon, L.M. (2005) The
Canadian Nonprofit and Voluntary Sector in Comparative Perspectiv. Ottawa: Imagine Canada
Hansmann, H. (1980). The Role of Nonprofit Enterprise. Yale Law Journal, 89, 835-898
Hansmann, H. (1987). Economic Theories of Nonprofit Organization. In: W.W. Powell, ed., The
Nonprofit Sector: A Research Handbook. New Haven, CT: Yale University press 27-42
Helburn, S.W. (ed.) (1995) Cost, Quality and Child Outcomes in Child Care Centers. Denver: Department of Economics, Center for Research and Social Policy, University of Colorado at Denver
Institut de la Statistique du Québec (2004). Enquête Québécoise Sur La Qualité des Services de
Garde Éducatifs. Québec: Gouvernement du Québec
James, E. (1987). The Nonprofit Sector In Comparative Perspective. In: W.W. Powell, ed., The
Nonprofit Sector: A Research Handbook, New Haven, CT: Yale University Press 397-415
James, E. & Rose-Ackermann, S. (1986). The Nonprofit Enterprise In Market Economies.
New York: Harwood Academic Publishers
Japel, C., Tremblay, R. & Cote, S. (2004). Child Care Quality: Results from the Longitudinal
Study of Child Development in Quebec (ELDEQ). IRPP “Choices” Series on Family Policy.
Kagan, S.L. & Newton, J.W. (1989). For Profit and Nonprofit Child Care. Similarities and Differences. Young Children, November 1989, 4-10
Kagan, S.L. (1991) Examining Profit and Nonprofit Child Care: An Odyssey of Quality and Auspices. Journal of Social Issues, 74(2), 87-104
Keyserling, Mary Dublin (1972). Windows On Daycare: A Report Based On The Findings Of Members Of The National Council Of Jewish Women On Day Care Needs And Services In Their
Communities. National Council Of Jewish Women: New York
Krashinsky, M. (1986). Transaction Costs and a Theory of the Nonprofit Organization. In: S. RoseAckermann, ed., The Economics of Nonprofit Institutions: Studies in Structure and Policy. New
York: Oxford University Press
Krashinsky, M. (1990). Management Implications of Government Funding of Nonprofit Organizations: Views from the United States and Canada. Nonprofit Management and Leadership, 1(1),
39- 53
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 30
Krashinsky, M. (1998). Does Auspice Matter? The Case of Day Care for Children in Canada.
In: W.W. Powell & E. Clemens, eds., Private Action and the Public Good. New Haven, CT: Yale
University Press
Lyon, M.E. & Canning, P.M. (1999). Auspice, Location, Provincial Location and Funding of Day
Care in Atlantic Canada: Relationships with Center Quality and Implications for Policy. Canadian
Journal of Research in Eary Childhood Education, 6(2), 139-152
Marangos, A. & Plantenga, J. (2006). Introducing Market Forces. Children in Europe, Issue 11
Martin, C. (2006). Public Nursery Schooling Dominant. Children in Europe, Issue 11
Mill, D., Bartlett, N. & White, D.R. (1997). Profit and nonprofit day care: A comparison of quality,
caregiver behaviour, and structural features. Canadian Journal of Research in Early Childhood
Education, 4 (2), 45-53
Mitchell, L. (2002). Differences Between Community Owned and Privately Owned Early Childhood
Education and Care Centers: A Review of Evidence. New Zealand Council for Educational Research Occasional Paper 2002/2, downloaded from http://www.nzcer.org.nz/pdfs/11743.pdf
Mocan, H.N. (1997). Cost Functions, Efficiency, and Quality in Day Care Centers. The Journal of
Human Resources, XXXII (4), 861-891
Morris, J.R. & Helburn, S.W. (2000). Child Care Center Quality Differences: The Role of Profit Status, Client Preferences, and Trust. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, 29 (3), 377-399.
Nelson, R.R. & Krashinsky, M. (1973). Public Control and Organization of Day Care for Young
Children. Public Policy, XXII (1), 53-75
Newhouse, J.P. (1970). Towards a Theory of Nonprofit Institutions: An Economic Model of a
Hospital. American Economic Review, LX, 64-74
Oloman, Mab (2006). Learnings from Down Under: Australian Child Care. Briefing Note for CCAAC
Prentice, S. (1997). The Deficiencies of Commercial Day Care. Policy Options. January-February,
42-46
Preston, A. E. (1993). Efficiency, Quality, and Social Externalities in the Provision of Day Care:
Comparisons of Nonprofit and For-Profit Firms. The Journal of Productivity Analysis, 4, 165-182
Ruopp, R., Travers, J., Glantz, F. & Coelen, C. (1979) Children at the Center: Summary Findings
and Their Implications. Cambridge, MA: Abt Books
S.P.R. Associates. (1986). An Exploratory Review of Selected Issues in For-Profit Versus Not-ForProfit Child Care. A Final Report prepared for the Canadian Special Parliamentary Committee on
Child Care
Frühkindliche Bildung und Betreuung in Kanada | Seite 31
Salamon, L.M. (1987). Partners in Public Service: The Scope and Theory of Government-Nonprofit
Relations. In: W.W. Powell, ed., The Nonprofit Sector: A Research Handbook. New Haven, CT:
Yale University Press. 99-117
Steinberg, R. (1986). Nonprofit Organizations and the Market. In: W.W. Powell, ed., The Nonprofit
Sector: A Research Handbook. New Haven, CT: Yale University Press. 118-138
Steinberg, R. and B.H. Gray 1992. The Role of Nonprofit Enterprise in 1992: Hansmann Revisited.
Paper presented at the 1992 Annual Conference of the Association for Research on Nonprofit
Organ izations and Voluntary Action
Weisbrod, B.A. 1975, “Toward a Theory of the Voluntary Sector in a Three-Sector Economy.” In:
E. Phelps, Altruism, Morality and Economic Theory, New York, Russell Sage Foundation, 171-95
Weisbrod, B. A. 1988. The Nonprofit Economy. Harvard University Press, Cambridge, Massachusetts
Whitebrook, M., Howes, C. & Phillips, D. (1989) Who Cares? Child Care Teachers and the Quality
of Care in America: Final Report – National Child Care Staffing Study. Child Care Employee
Project
Williamson, O.E. 1975. Markets and Hierarchies: Analysis and Antritrust Implications. The Free
Press, New York
Young, D.R. (1981). Entrepreneurship and the Behavior of Nonprofit Organizations: Elements of a
Theory. In: M. White, ed., Nonprofit Firms in a Three Sector Economy, Washington, DC: Urban
Institute

Documentos relacionados