Der Bau- sachverständige

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Der Bau- sachverständige
www.derbausv.de
10 Jahre Bauen mit Verstand
Der Bausachverständige
Zeitschrift für Bauschäden, Grundstückswert und gutachterliche Tätigkeit
Festschrift
Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen
Die Rechtsprechung aus
den Jahren 2002 – 2013 zur
Haftung des Gerichtssachver­ständigen nach § 839a BGB
www.bundesanzeiger-verlag.de
www.baufachinformation.de
Festschrift BauSV 1/2015
Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen
– Bedeutung, aktuelle Rechtsprechung
und taktische Hinweise –
Der Autor
Prof. Jürgen Ulrich
Vorsitzender Richter
am Landgericht a.D.
Schwerte
»… Da Gutachter aber ebenso wie Richter nur Menschen sind, besteht immer die Möglichkeit einer gewissen Fachblindheit, einer Einseitigkeit, einer Unvollkommenheit, die
Gefahr, dass wichtige Einzelheiten übersehen werden, dass aufgrund der Beschäftigung
mit sehr vielen gleichgelagerten (aber dann doch nicht wirklich identischen) Fällen sich
eine gewisse Routine einstellt, die zu Vorfestlegungen führen kann etc. Das Gesetz kann
und will diese ganzen Eventualitäten nicht eliminieren, ein gewisser Vorschuss an Vertrauen wird den Parteien bzw. Beteiligten sowohl Richtern wie auch Sachverständigen
gegenüber abgefordert. …«
Wäre dieses von dem Landessozialgericht Chemnitz in den Gründen seines Beschlusses vom
1. September 2010 – L 6 U 222/09 B, UV-Recht 2010, 1149 (zustimmend Leonhard RdLG 2011,
32; Francke jurisPK-MedizinR 11/2012 Anm. 5) beschworene »vernünftige Verständnis« betreffend die Betätigung des gerichtlichen Sachverständigen – und der Richter – in den gerichtlichen
Verfahren wirklich verbreitet, könnten Streitigkeiten über Befangenheit da keine nennenswerte
Rolle mehr spielen. Jedoch findet sich in der Praxis exakt das Gegenteil: Seit Jahren boomen Befangenheitsanträge insbesondere betreffend gerichtliche Sachverstän­dige, wie dies die stetig
steigenden Jahreszahlen der dazu veröffentlichten Entscheidungen belegen.
Es ist heute auch keineswegs mehr so, dass die Richter an den einmal von ihnen ausgesuchten
Sachverständigen durchweg beharrlich und unbedingt festkleben; spätestens die Beschwerdegerichte tarieren die Grenzen zum noch Zulässigen jetzt bedeutend filigraner – und auch kritischer – als früher.
Die hier nachfolgenden Ausführungen wollen die Grundzüge des Befangenheitsrechts betreffend Sachverständige und daran anschließend die diversen Befangenheitssituationen orientiert
an der dazu zusammengetragenen und entsprechend den jeweiligen Phasen der Betäti­gung des
gerichtlichen Sachverständigen sortierten jüngeren Rechtsprechung aufzeigen.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
Inhalt:
1. Bedeutung und Rolle des gerichtlichen Sachverständigen 1.1. »Heimlicher Richter« 1.2. sehr beschränkte Auswahlmöglichkeit der Parteien 1.3. Strategien des Ablehnungsantrags 2. Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen -– Definition
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3. Rechtsprechung 6
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3.1. Persönliche Gegebenheiten des Sachverständigen 3.1.1. Grundsätze 3.1.2. Befangenheit verneint 3.1.3. Befangenheit bejaht 6
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3.2. Umstände im Vorfeld des zu liefernden Gutachtens 3.2.1. Grundsätze 3.2.2. Befangenheit verneint 3.2.3. Befangenheit bejaht 15
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3.3. Umstände während der gutachterlichen Betätigung 3.3.1. Grundsätze 3.3.2. Befangenheit verneint 3.3.3. Befangenheit bejaht 3.3.4. Speziell: Ortstermin des Sachverständigen 15
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3.4. Inhalt der gutachterlichen Äußerung 3.4.1. Grundsätze 3.4.2. Befangenheit verneint 3.4.3. Befangenheit bejaht 23
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3.5. Reaktionen des Sachverständigen 3.5.1. Grundsätze 3.5.2. Befangenheit verneint 3.5.3. Befangenheit bejaht 31
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3.6. Sachverständiger Zeuge / Privatgutachter + Befangenheit 38
3.7. Ablehnungsverfahren 3.7.1. Prozessuale Gegebenheiten 3.7.2. Ablehnungsfrist 3.7.3. Streitwert / Rechtsanwaltsvergütung / Kosten der Beschwerde 38
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3.8. Befangenheit und Bezahlung des Sachverständigen 3.8.1. R
echtsprechung für die bis zum 31.7.2013
stattgefundenen Heranziehungen 3.8.2. Neues JVEG 3.8.3. Befangenheit und § 839a BGB 44
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4. Taktische Hinweise 48
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
1. Bedeutung und Rolle des
gerichtlichen Sachverständigen
Im Zivil-, Verwaltungs-, Arbeits-, Finanz- und Sozialrechtsstreit
richtet sich die Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen nach § 406 ZPO, im Strafprozess nach § 74 StPO. Der
entscheidende Abs. 1 S. 1 dieser Vorschriften bringt – gleichlautend – diese Formulierung: »Ein Sachverständiger kann
aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters
berechtigen, abgelehnt werden.« Beide Normen würdigen so
die auf der speziellen fachlichen Autorität fußende richterähnliche Stellung des Sachverständigen im Prozess. §
406 ZPO / § 74 StPO nehmen Bezug insbesondere auf § 42
Abs. 2 ZPO / § 24 Abs. 2 StPO, die – wieder gleichlautend
– diese Formulierung aufweisen: »Wegen Besorgnis findet
die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet
ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu
rechtfertigen.«
Bereits aus diesen gesetzlichen Texten folgt, dass Befangenheit nicht erst dann vorliegt, wenn bei dem Sachverständigen
auch tatsächlich Voreingenommenheit gegeben ist. Darauf,
ob der Sachverständige dies letztendlich wirklich ist, kann
es nicht ankommen; denn weil Befangenheit im tatsächlichen Sinne eine innere Gegebenheit ist und diese in einem
gerichtlichen Verfahren gar nicht sicher festgestellt werden
kann, genügen äußere Umstände, sofern sie bei vernünftiger
Bewertung die Veranlassung für eine Voreingenommenheit
und also dafür geben, konkret eine andere Person als Sachverständigen einzusetzen.
Nur der Sachverständige, also nicht der Zeuge, kann im
rechtlichen Sinne befangen sein. Bekanntlich ist der Sachverständige ein austauschbares Beweismittel, will heißen:
Es kommt nicht auf die nur bei diesem höchstpersönlich gegebenen Umstände, sondern auf das bei anderen Fachleuten
seines Gebietes in gleicher Weise vorhandene Expertenwissen an. Ein Zeuge ist in diesem Sinne nicht »vertretbar«. Dies
kann wie folgt verdeutlicht werden: Den Ablauf des Verkehrsunfalls haben nur bestimmte Personen (= Zeugen) miterlebt,
nur diese können zu dem von ihnen vor Ort zur Kenntnis
genommenen Geschehen befragt werden. Persönliche Beziehungen dieser Beweismittel sind erst bei der richterlichen Beweiswürdigung (= Verwertung der Bekundungen dieser Zeugen) bedeutsam: Dann ist zu prüfen, ob und inwieweit diesen geglaubt werden kann. Zeitlich nach dem Unfall kann ein
Sachverständiger anhand der vorhandenen Spuren auf der
Straße, der konkreten Beschädigungen der Fahrzeuge und
auch des letzten Standortes der Fahrzeuge etc. die Geschehnisse rekonstruieren. Erweist sich dieser Sachverständige als
voreingenommen, kann er problemlos ausgetauscht werden;
denn es finden sich ohne Weiteres andere Personen seiner
Fachrichtung, die dann die Fachfragen beantworten können.
ihm aufgrund seines Fachwissens sogleich festgestellten Verletzungsbild richterlich befragt – und von den Parteien nicht
als befangen abgelehnt – werden; er wird dann auch nur als
Zeuge entschädigt.
1.1. »Heimlicher Richter«
Der Richter zieht einen Sachverständigen – oder mehrere –
hinzu, wenn für die Entscheidung des Rechtsstreits technische Klärung erforderlich ist, die er selbst nicht liefern kann.
Das dann vorgelegte – in der Regel schriftliche, gelegentlich
auch nur mündliche – Gutachten muss der Richter betreffend
Sorgfalt, Vollständigkeit und Überzeugungskraft eigenständig prüfen und darf es erst verwerten, wenn er es nicht nur
inhaltlich begreift, sondern auch für richtig erkennt. Indes ist
der Richter durchweg zu solch einer Bewertung nicht in der
Lage; in der Praxis gelingt ihm allenfalls eine Art Schlüssigkeitsprüfung. Eine – wenn auch schon Jahre zurückliegende
– empirische Auswertung von Urteilsgründen hat ergeben,
dass in wohl 90% der mit Einschaltung von Sachverständigen geführten Rechtsstreitigkeiten die Gerichte den von ihnen eingeholten Gutachten folgen. Quack, ehemals Richter
im 7. Zivilsenat des BGH, hat bereits im Jahre 1993 (BauR
1993, 161) ebenso treffend wie pointiert formuliert: »Verlorene Gutachten sind … verlorene Prozesse.« Kniffka, nun
pensionierter Vorsitzender Richter des mit Baustreitigkeiten
speziell befassten 7. Zivilsenats des BGH, formuliert (Kniffka/
Koeble Kompendium des Baurechts, 3. A. 2008 18. Teil Rdn.
25): »An dieser Stelle ist erneut darauf hinzuweisen, dass
die Sachverständigen in den Bausachen häufig die wahren
Richter des Prozesses sind.«
Berücksichtigt man, dass in beinahe jedem Prozess, dem ein
Streit über technische Umstände – gegebenenfalls über die
Klärung der anerkannten Regeln der Technik – zugrunde
liegt, mindestens ein Sachverständiger gerichtlich hinzugezogen wird, kann nachvollzogen werden, dass einige Kritiker
die so in der Praxis eingeschalteten Sachverständigen als die
»wirklichen / heimlichen Richter«, die »Urteilsdiktierer«, die
»Beherrscher des Verfahrensergebnisses« oder die »Oberlehrer des Richters« bezeichnen. Beklagt wird die »Übermacht
des Sachverständigen« (so der Titel des von Meyer in DRiZ
1992, 125 veröffentlichten Aufsatzes) und auch die »Abhängigkeit des Richters vom Sachverständigen« (so der Titel des
von Erb in ZStW 121 (2009), 882 veröffentlichten Aufsatzes);
Franzki spricht in DRiZ 1991, 314 von der »übermächtigen
Position des Sachverständigen«. Unter diesem Aspekt ist der
Sachverständige durchweg mehr als bloß der Gehilfe,
der Helfer oder die Geh-Hilfe des Richters.
1.2. Sehr beschränkte Auswahlmöglichkeit der Parteien
Zur Vollständigkeit soll hier noch darauf hingewiesen werden, dass sachverständige Zeugen diejenigen Personen
sind, die vor Ort bestimmte tatsächliche Feststellungen getroffen haben, welche sich ihnen aufgrund ihrer speziellen
Fachkenntnis ergeben haben. Um bei dem Beispiel des Verkehrsunfalls zu bleiben: Befindet sich unter den an der Unfallstelle anwesenden Personen ein Arzt, der der verletzten
Person Hilfe leistet, kann dieser später als Zeuge zu dem von
Gemäß § 404 ZPO sucht der Richter den von ihm benötigten
Sachverständigen bezüglich der für erforderlich gehaltenen
fachlichen Kompetenz und auch bezüglich der Person konkret aus, wobei er – von dem seltenen Fall abgesehen, dass
sich die Parteien auf eine bestimmte Person einigen – autark
ist. Er muss noch nicht mal einen öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen auswählen; denn im Gesetz
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(§ 404 Abs. 2 ZPO: »Sind für gewisse Arten von Gutachten
Sachverständige öffentlich bestellt, so sollen andere Personen nur dann gewählt werden, wenn besondere Umstände
es erfordern.«) findet sich lediglich eine fakultative Privilegierung dieser Qualifikation. Die Auswahl muss aber ermessensfehlerfrei sein.
BayVGH 11.1.1996 - 24 C 95.3910, NVwZ-RR 1996, 328:
Die gerichtliche Bestellung eines Behördenbediensteten zum Sachverständigen, obwohl er von seiner Behörde
nicht generell mit Außenwirkung als Sachverständiger bestellt ist, ist nicht sachgerecht und damit ermessensfehlerhaft, weil so in das Organisationsrecht des Behördenleiters
eingegriffen wird, der den Einsatz seiner Mitarbeiter regelt,
für deren gleichmäßige Belastung zu sorgen und deren Tätigkeit zu überwachen hat.
Den Parteien, die ja am Ende aufgrund der dann immer
stattfindenden – i.d.R. gerichtlichen – Entscheidung über die
Kosten des Verfahrens auch die Vergütung des konkreten
gerichtlichen Sachverständigen bezahlen müssen, und ebenso ihren Rechtsanwälten gefällt diese Auswahlfreiheit des
Richters nicht. Aus diversen Gründen (meist: vermeintliche
Unfähigkeit des gerichtlich bestimmten Sachverständigen;
gelegentlich: seine befürchtete besondere Fachkenntnis)
misstrauen sie den ihnen gerichtlich »aufs Auge gedrückten« Sachverständigen. Der »Einsatz der Befangenheitskarte« eröffnet dann die einzig in Betracht kommende mittelbare Einflussnahme auf die richterliche Auswahl des
Sachverständigen.
verständigen gleichsam unter dem Druck des drohenden
Ansehens- und Vergütungsverlustes in Richtung bestimmter
Parteiinteressen wohlwollender zu stimmen. Andere meinen, dass solche prozesstaktischen Erwägungen durchweg
kontraproduktiv sind: Der so angegangene Sachverständige
sei geneigt, die ablehnende Partei gleichsam strenger zu behandeln. Betreffend Strafverfahren wird berichtet, dass nach
Stellung eines Befangenheitsantrags sich die Situation durchweg entschärfe und man von nun an gar Respekt erkennen
könne; selbst ein zurückgewiesener Antrag schade dem
Angeklagten in der Regel nicht. Leipold NJW-Spezial 2006,
471 sieht im Befangenheitsantrag »richtig eingesetzt – ein
scharfes Schwert, um dem Mandanten ein faires Verfahren
zu sichern«.
Gelegentlich erkennen Parteien und Parteienvertreter, dass
mit der durchweg im Schlussteil des Rechtsstreits erfolgenden Einschaltung des gerichtlichen Sachverständigen die
dann zu ihren Lasten gehende Entscheidung näher rückt. Bei
diversen Parteien – da überwiegend aus Gründen der Hinauszögerung einer gerichtlichen Sachentscheidung (»Justizkredit«) – und bei manchen Rechtsanwälten – da überwiegend auch aus bei diesen persönlich vorliegenden Gründen
(»Mein Mandant muss selbst dann wiederkommen, wenn
er mit mir diesen Rechtsstreit nicht gewinnt!«) – kann in
Betracht kommen, den Befangenheitsantrag sachwidrig,
nämlich aus Gründen einer bezweckten Verschiebung der
Entscheidung (Parteiinteresse) oder auch aus Gründen der
Darstellung eigener Kämpfertugenden (Anwaltsinteresse),
anzubringen.
1.3. Strategien des Ablehnungsantrags
Die betreffend den Richter in § 41 ZPO bzw. §§ 22 f. StPO
normierten gesetzlichen Ausschlussgründe gelten nicht
für den Sachverständigen; insoweit fehlt eine gesetzliche
Parallel-Schaltung. Insbesondere die Geltung des § 41 Nr.
5 ZPO (»Ein Richter ist von der Ausübung des Richteramtes
ausgeschlossen: … in Sachen, in denen er als Zeuge oder
Sachverständiger vernommen ist; …«) ist durch § 406 Abs. 1
S. 2 ZPO (»Ein Ablehnungsgrund kann nicht daraus entnommen werden, dass der Sachverständige als Zeuge vernommen worden ist.«) ausgeschlossen; der als Zeuge Vernommene kann also nicht wegen der vorherigen Zeugenstellung abgelehnt werden. Liegen die in diesen Regelungen ansonsten angesprochenen Umstände (z.B. verwandtschaftliche bzw. lebenspartnerschaftliche Beziehungen) vor,
müssen diese durch ein Ablehnungsgesuch geltend gemacht
werden. Anders als beim Richter, der gemäß § 31 Nr. 6 ZPO
bzw. § 23 Abs. 2 S. 3 StPO kraft Gesetzes ausgeschlossen ist,
wenn er an dem Erlass der Vorinstanz mitgewirkt hat, ergibt
sich beim gerichtlichen Sachverständigen keine Befangenheit daraus, dass dieser bereits in der Vorinstanz als gerichtlicher Sachverständiger eingesetzt war.
Nach ganz allgemeiner Meinung hat der gerichtliche Sachverständige kein Recht auf Selbstablehnung.
Gemäß Einschätzung einiger werden Ablehnungsanträge,
für die gemäß §§ 406 Abs. 2 S. 3, 78 Abs. 3 ZPO kein Anwaltszwang besteht, bisweilen eingesetzt, um den Sach| 5
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2. Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen –
Definition
3. Rechtsprechung
Eine spezielle gesetzliche Definition der Befangenheit des
gerichtlichen Sachverständigen findet sich nicht. Die jüngere
Rechtsprechung führt dies aus:
Für das Verständnis der nachfolgend mit knapp gefassten
Leitsätzen vorgestellten gerichtlichen Entscheidungen aus
der jüngeren Zeit muss unbedingt beachtet werden, dass jeweils spezielle und in der Regel mit anderen nicht vollständig
vergleichbare Einzelfall-Situationen zugrunde gelegen haben. Weil es immer auch auf die in diesen hier formulierten
Leitsätzen nicht umfassend darstellbaren, speziellen Details
ankommt, ist jedenfalls im Zweifel geboten, die gesamte
Entscheidung – durchweg wird nachfolgend eine gängige
Fundstelle des jeweiligen Volltextes mitgeliefert – nachzulesen. Sturmberg IBR 2014, 382 bemängelt, dass Richter jedenfalls in Fällen, in denen der gerichtliche Sachverständige den
Auftrag überschreitet, betreffend die Annahme der Befangenheit des Sachverständigen ein »kasuistisches Ermessen«
anwendeten; zumindest von der Dogmatik her erscheint
diese Auffassung zweifelhaft, denn die Entscheidung über
die Befangenheit des Sachverständigen darf gerade nicht
auf einem richterlichen Ermessen fußen; ob Befangenheit
vorliegt, ergibt sich aufgrund einer richterlichen Tatsachenbewertung.
Vertiefende – und weitere – Offenbarungen präsentieren
neben den diversen Gesetzeskommentierungen u.a. Kühl
»Die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der
Befangenheit im Sozialgerichtsprozess« NZS 2003, 579 ff.,
P. Bleutge »Abgelehnt wegen Befangenheit – Vermeidung
und Handlungsstrategien« 3. A. 2010, Lehmann »Rechtsprechung 2009/2010 zur Befangenheit des Sachverständigen«,
Der Bausachverständige 3∙2011, 62 ff., Der Bausachverständige 4∙2011, 62.ff., Der Bausachverständige 5∙2011, 72
ff., Morgenroth: »Die Ablehnung des gerichtlich bestellten
Sachverständigen wegen Befangenheit«, Der Sachverständige 2011, 26 ff., K. Bleutge »Die Unparteilichkeit von Sachverständigen – Nicht nur eine Frage der Ehre«, Der Sachverständige 2012, 338 f. sowie Volze »Die Befangenheit
des Sachverständigen und der Verlust seines Vergütungsanspruchs«, Der Sachverständige 2013, 12 f.
LG Aachen 22.6.2007 - 42 O 84/04, IfS Informationen
2/2008, 17:
Als Gründe für die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen kommen nur solche in Betracht, die vom Standpunkt des Ablehnenden bei vernünftiger Betrachtungsweise die Befürchtung erwecken können, der Sachverständige
stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht
unparteiisch gegenüber, wobei hierzu die Sicht einer ruhig
und vernünftig denkenden Partei zugrunde zu legen ist.
(ebenso LG Bochum 7.8.2009 - 10 S 15/08, DS 2010, 36; LG
Leipzig 9.9.2009 - 3 HK O 4523/06, BauR 2010, 123)
BayLSG 9.10.2012 - L 15 VJ 2/08, www.juris.de:
Ob Besorgnis der Befangenheit besteht, ist nach einem
gemischt-objektiven Maßstab zu bestimmen. Die bloße
Erwartung eines ungünstigen Gutachtenergebnisses
berechtigt nicht zur Ablehnung eines Sachverständigen; relevant sind vielmehr begründete Befürchtungen, die Begutachtung könnte den Boden der Sachlichkeit, Neutralität und
Unvoreingenommenheit verlassen.
OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG 2014, 51:
Für die Besorgnis der Befangenheit ist nicht erforderlich, dass
der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist
oder dass das Gericht Zweifel an seiner Unabhängigkeit hat.
Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei
erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen
Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf
Tatsachen oder Umstände gründen, die von Standpunkt des
Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache
nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Dabei sind die Ablehnungsgründe in ihrer Gesamtheit zu würdigen. In Zweifelsfällen ist im Sinne einer
Stattgabe des Befangenheitsgesuches zu entscheiden.
(ebenso BVerwG 3.6.2014 - 2 B 105.12, www.bverwg.de:
Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist
nicht erforderlich; es genügt schon der »böse Schein«, d.h.
der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität; entscheidend ist, ob der beanstandete Umstand für einen verständigen Verfahrensbeteiligten Anlass sein kann, an der persönlichen Unvoreingenommenheit des Sachverständigen zu
zweifeln.)
OLG München 31.3.2014 - 10 W 32/14, DAR 2014, 273:
Weil es auf die vernünftige Betrachtung der Verfahrensbeteiligten ankommt, ist ohne Bedeutung, ob der Sachverständige sich für befangen hält.
(Anmerkung des Verfassers: Deshalb ist für die richterliche
Entscheidung ohne Bedeutung, ob der Sachverständige sich
für befangen hält; die Entscheidung über die Befangenheit
betrifft nämlich eine vom Richter eigenständig zu beantwortende Rechtsfrage.)
3.1. Persönliche Gegebenheiten des Sachverständigen
3.1.1. Grundsätze
OLG Oldenburg 28.2.2005 - 5 U 170/05, ZMGR 2005, 119:
Das Ablehnungsrecht steht nur der Partei und nicht ihrem
Prozessbevollmächtigten zu, sodass es auf das Misstrauen des Rechtsanwaltes grundsätzlich nicht ankommt. Eine
Ausnahme ist aber zu machen, wenn sich zwischen dem
Sachverständigen und dem Rechtsanwalt bestehende
Spannungen zum Nachteil einer Partei auswirken können
und die Partei konkreten Anlass zu der Besorgnis hat, der
Sachverständige werde sein persönliches Verhältnis zu ihrem
Prozessbevollmächtigten nicht hinreichend von dem konkreten Rechtsstreit trennen können.
(ebenso OLG Brandenburg 7.7.2009 - 12 W 25/09, IfS Informationen 04/2010, 18)
OLG Düsseldorf 10.8.2006 - 2 U 120/02, DS 2007, 355:
Gehören der gerichtliche Sachverständige und der gesetzli-
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che Vertreter einer Prozesspartei einer größeren Anzahl von
Gremien an, die erwarten lassen, dass beide Personen häufig zusammentreffen, kann aus Sicht der anderen Partei
Befangenheit gegeben sein.
BayVGH 17.1.2008 - 21 B 06.1389, www.juris.de:
Die Ablehnung von Organen und einzelnen Mitgliedern öffentlich-rechtlicher Körperschaften, zu deren
gesetzlich bestimmten Aufgaben die Gutachtener­
stattung
gehört, ist unzulässig.
(ebenso OLG Oldenburg 9.12.1991 - 12 WF 138/91, FamRZ
1992, 451: Der Gutachterausschuss der §§ 192 f. BauGB als
neutrale Fachbehörde und seine einzelnen Mitglieder können
nicht als befangen abgelehnt werden; beruht das Gutachten
des Gutachterausschusses auf einseitigen Informationen, ist
es zu ergänzen, bei schweren Gesetzesverletzungen hat das
Gericht einen anderen Sachverständigen mit der Nachbegutachtung zu beauftragen.)
OVG Lüneburg 9.5.2008 - 1 OB 87/08, BauR 2008, 1441:
Soweit den Landwirtschaftskammern gesetzlich die Aufgabe zugewiesen ist, u.a. Gerichte in Fachfragen der Landwirtschaft durch Erstattung von Gutachten zu unterstützen
(§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 12 LwKG ND), kann sie nicht generell
für befangen erklärt werden, weil sie »verlängerter Arm der
Landwirtschaft« sei; eine Ablehnung darf nämlich nicht mit
einer gesetzgeberischen Aufgabenzuweisung konfligieren.
(Kraft spezieller gesetzlicher Bestimmungen können diverse Körperschaften und Ausschüsse – z.B. die Industrie- und
Handelskammern, Handwerkskammern und Landwirtschaftkammern, das Deutsche Patentamt, die Notarkammern, die
Vorstände der Rechtsanwaltskammern, die Bundesrechtsanwaltskammer, die Steuerberaterkammern, die Kammern für
Heilberufe, die Architektenkammern, die Gesundheitsämter,
das Landeskriminalamt und die Landeskriminalämter, die
Bundesbank, die Bundesanstalt für Materialforschung und
-prüfung sowie die Materialprüfungsämter der Länder, die
Staatsarchive und auch die Gutachterausschüsse nach dem
BauGB – zur Erstattung von gerichtlichen Gutachten he­
rangezogen werden (zu Details Ulrich Der gerichtliche Sachverständige 12. A. 2007 Rdn. 95 ff.). Nach ganz allgemeiner
Meinung können diese nicht als befangen abgelehnt werden
(PG/Katzenmaier ZPO 6. A. 2014 § 406 Rdn. 4 m.w.N.). Es
ist streitig, ob die die jeweiligen gutachterlichen Äußerungen
verfassenden Mitarbeiter dieser Körperschaften/Ausschüsse
als befangen abgelehnt werden können. Dies wird von einigen verneint u.a. mit der Argumentation, dass diese Verfasser eben nicht die ernannten gerichtlichen Sachverständigen
sind (OLG Köln 16.6.1980 - 7 W 16/80, BauR 1980, 588).
Indes sind die Umstände, welche die Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit rechtfertigen könnten,
jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des eingeschränk­
ten
Beweiswertes zu beachten, worauf die Partei und ihr Verfahrensbevollmächtigter das Gericht vorsorglich hinzuweisen
haben.)
OLG Koblenz 4.6.2008 - 1 Ws 276/08, RuP 2009, 57:
Sachverständige im Überprüfungsverfahren nach § 67e
StGB (Prüfung, ob die weitere Unterbringung zur Bewährung
ausgesetzt werden kann) sind nur die vom Gericht mit der
Erstellung des Gutachtens bestimmten Personen. Die im
Maßregelvollzug tätigen Ärzte sind in diesem Sinne keine
Sachverständigen; sie können deshalb auch dann nicht als
befangen abgelehnt werden, wenn sie für die Vollzugsanstalt fachliche Stellungnahmen abgegeben haben.
OLG Köln 4.12.2009 - 5 W 26/09, www.juris.de:
Die mangelnde Ortsferne des gerichtlichen Sachverständigen stellt für sich genommen keinen Ablehnungsgrund gemäß § 406 ZPO dar; ein solcher kann sich im Arzthaftungsprozess aus persönlichen, geschäftlichen oder fachlichen Kontakten zwischen dem Sachverständigen und dem
beklagten Arzt ergeben.
OLG Celle 25.5.2010 - 13 Verg 7/10, IBR 2010, 527:
Ob der Sachverständige tatsächlich befangen ist, ist ohne
Belang; allein entscheidend ist, ob die zur Begründetheit der
Befangenheit bekannt gegebenen Umstände vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger
Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und
damit nicht unparteiisch gegenüber.
OLG Celle 8.8.2011 - 6 W 172/11, nicht veröffentlicht:
Stand das Unternehmen, dessen geschäftsführender Gesellschafter der Sachverständige ist, in einer Geschäftsbeziehung auch zur Antragstellerin, kann dies die Befangenheit
nur begründen, wenn es sich um nicht lange zurückliegende Auftragsverhältnisse handelt. Dass das Unternehmen des
Sachverständigen im Auftrag eines Generalunternehmers
vor mehr als zehn Jahren Arbeiten bei einer Partei ausgeführt
hat, genügt nicht für die Annahme einer solchen Geschäftsbeziehung.
OLG München 12.1.2012 - 1 W 2183/11, www.juris.de:
Im Rahmen des Beruflichen bestehende Kontakte des Sachverständigen mit einer Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten können allein noch nicht bei einer vernünftigen
Partei die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen; vielmehr
müssen darüber hinausgehende persönliche oder enge fachliche Bindungen vorhanden sein.
BGH 3.4.2012 - X ZR 67/09, NJW 2012, 1517:
Ist einer Partei im Patentnichtigkeitsverfahren vor der Bestellung des gerichtlichen Sachverständigen Gelegenheit gegeben worden, zur fachlichen und persönlichen Eignung einer
von der Gegenpartei vorgeschlagenen Person Stellung zu
nehmen, und verfügt sie über keinerlei Informationen zur
Person des Sachverständigen handelt sie schuldhaft, wenn
sie, ohne zumindest einfache und ohne Weiteres mögliche
Erkundigungen eingeholt zu haben, die Erklärung abgibt,
gegen die als Sachverständigen vorgeschlagene Person
bestünden keine Einwände.
OLG Naumburg 2.5.2012 - 10 W 14/12, IBR 2012, 743:
Eigene wissenschaftliche Veröffentlichungen des Sachverständigen im Themenbereich des Gutachtens oder des
Verfahrens begründen für sich allein nicht die Besorgnis der
Befangenheit; vielmehr müssen zusätzliche Umstände hinzutreten, die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen aufkommen lassen können, etwa wenn diese
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wissenschaftliche Veröffentlichung die Unterstützung eines
am Verfahren Beteiligten bezweckte.
VGH München 22.8.2012 - 22 C 12.770, GuG 2013, 254:
Ein gerichtlich mit der Überprüfung des Nachweises der
besonderen Sachkunde eines Bewerbers um eine öffentliche Bestellung nach § 36 Abs. 1 S. 1 GewO beauftragter Sachverständiger kann nicht schon deshalb wegen
Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, weil er von
einer anderen als der beklagten Bestellungskörperschaft öffentlich bestellt oder in deren Fachkommission für dasselbe
Fachgebiet berufen worden ist.
OLG Karlsruhe 6.11.2012 - 8 W 62/12, www.ibr-online.de:
Stehen geschäftliche Beziehungen des Sachverständigen zu
einer Partei im inhaltlichen Zusammenhang mit dem Rechtsstreit der Parteien, stellt dies regelmäßig einen hinreichenden Grund für die Ablehnung des Sachverständigen wegen
Besorgnis der Befangenheit dar. Etwas anderes kann gelten,
wenn der Sachverständige für beide Seiten und in beiderseitiger Kenntnis eingeschaltet war, um – zumindest auch
– Grundlagen für eine einvernehmliche Regelung zu schaffen.
BGH 23.10.2012 - X ZR 137/09, BauR 13, 137:
Der Anschein nicht vollständiger Unvoreingenommenheit
kann begründet sein, wenn der Sachverständige in einer
wirtschaftlichen Verbindung zu einer der Parteien steht;
hatte der nun gerichtlich bestimmte Sachverständige früher
den Gutachtenauftrag eines Dritten erledigt, der damals
in einem Beratungsverhältnis zu einer der Parteien stand,
kommt Befangenheit nur unter engen Voraussetzungen in
Betracht.
OLG Naumburg 25.6.2013 - 10 W 6/13, BauR 2014, 324:
Wie ein Richter kann grundsätzlich ein Sachverständiger von
beiden Seiten wegen einer persönlichen oder geschäftlichen Nähe zu einer Partei abgelehnt werden.
OLG Hamm 8.11.2012 - 32 W 24/12, IBR 2013, 114:
Berufliche Kontakte zwischen einem gerichtlich beauftragten Sachverständigen und einer Person, die für eine Prozesspartei Leistungen, die in einem Zusammenhang mit dem im
Rechtsstreit zu entscheidenden Sachverhalt stehen, erbracht
hat oder nach wie vor erbringt, vermögen nicht ohne Weiteres die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen
zu begründen; dies ist regelmäßig erst dann der Fall, wenn
über derartige Kontakte hinausgehende enge fachliche und
persönliche Beziehungen zwischen dem Sachverständigen
und der Person bestehen, die für eine Prozesspartei derartige
Leistungen erbracht hat oder erbringt.
3.1.2. Befangenheit verneint
LSG Saarland 30.8.2004 - L 5 B 10/04 SB, www.juris.de:
Der Umstand, dass der Sachverständige in einem früheren
Rechtsstreit ein Gutachten, welches für eine der an dem
jetzigen Verfahren beteiligten Partei nachteilig war, erstattet hat, reicht nicht als berechtigter Ablehnungsgrund.
(ebenso LSG Berlin-Brandenburg 5.10.2011 - L 13 SF 359/11
B, www.ju­ris.de; BayLSG 4.11.2013 - L 2 SF 124/13 B, www.
juris.de)
OVG NRW 9.3.2005 - 6 E 58/05, IBR 2005, 434:
Der Umstand, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige
nicht öffentlich bestellt und vereidigt ist, rechtfertigt alleine keine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit.
OLG München 19.8.2005 - 1 W 2072/05, OLGR 2006, 135:
Ein Sachverständiger ist noch nicht deshalb befangen, weil
er früher einer Partei bei der Erstellung einer Monographie
behilflich war. Ebenfalls lässt die Vorbefasstheit eines früheren Mitarbeiters des Sachverständigen mit der Sache
nicht ohne Weiteres den Rückschluss auf Befangenheit zu.
OLG München 27.10.2006 - 1 W 2277/06, NJW 2007, 1540:
Kennt der Sachverständige eine Prozesspartei aus Begegnungen auf Fachkongressen, aus gemeinsamer Mitgliedschaft in Arbeitsgemeinschaften oder aus der Mitarbeit in
Forschungsprojekten, macht ihn allein diese Bekanntschaft
nicht befangen; denn nicht jeder geschäftliche oder persönliche Kontakt lässt bereits befürchten, dass ein Sachverständiger einen gerichtlichen Gutachtenauftrag nicht mehr
objektiv und unvoreingenommen bearbeiten wird.
OLG Düsseldorf 4.4.2007 - 5 W 1/07, GuG 2009, 188:
Der Sachverständige ist nicht befangen, wenn er bereits in
einer voraufgegangenen Instanz oder in einem anderen Verfahren ein Gutachten erstellt hat.
OLG München 23.8.2007 - 1 W 1717/07, BeckRS 2007,
14746:
Die in einer zahnärztlichen Berufsordnung niedergelegte
Pflicht eines Zahnarztes zu kollegialem Verhalten gegenüber einem Berufskollegen rechtfertigt noch keine
Ablehnung; denn eine standesrechtliche Berufsordnung kann
nicht die Pflichten eines Sachverständigen außer Kraft setzen.
BGH 18.9.2007 - X 81/06, DS 2008, 146:
Die Tätigkeit für einen nicht am Verfahren beteiligten und
auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen
Konkurrenten rechtfertigt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht die Besorgnis der Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen.
BGH 23.10.2007 - X ZR 100/05, GRUR 2008, 191:
Ein früheres Mandatsverhältnis des Sachverständigen
zur Rechtsanwaltskanzlei einer Partei kann die Besorgnis
der Befangenheit grundsätzlich nur dann begründen, wenn
es sich um eine gegenwärtige oder doch um eine nicht lange
zurückliegende Mandatierung handelt.
Der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige privat
für einen nicht an diesem konkreten Verfahren als Partei oder
Streithelfer beteiligten und auch nicht mit einem Verfahrensbeteiligten verflochtenen Konkurrenten arbeitet, rechtfertigt ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht seine Besorgnis der Befangenheit.
OLG Stuttgart 19.12.2007 - 1 W 60/07, Ges R 2008, 424:
Die Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen als befangen ist nicht allein deshalb gerechtfertigt, weil sowohl das
Krankenhaus, in dem der Sachverständige als Chefarzt tätig
ist, als auch das beklagte Klinikum akademische Lehrkrankenhäuser derselben Universität sind.
| 8
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
OLG Oldenburg 10.1.2008 - 5 W 134/07, DS 2008, 147:
Allein die Tatsache, dass der Sachverständige und der Beklagte jeder einen Lehrauftrag an derselben Hochschule
wahrnehmen, führt nicht zu der Befangenheit des Sachverständigen.
OLG Düsseldorf 18.8.2008 - 7 W 79/08, BauR 2009, 1636:
Erstellt ein Sachverständiger lediglich vereinzelt private
Gutachten für ein Tochterunternehmen einer Partei
und erzielt er aus diesen Aufträgen weniger als 10 % seines
Gesamtumsatzes, so genügt dies nicht zur Begründung seiner Befangenheit.
Wird der gerichtlich ausgewählte Sachverständige oft von
der Partei beauftragt, ergibt sich ausnahmsweise daraus
noch keine Befangenheit, wenn dieser Sachverständige einer von nur vier in der Bundesrepublik Deutschland für
dieses spezielle Sachgebiet (hier: Bergschäden) öffentlich
und bestellten Sachverständigen ist; aus diesen privaten
Beauftragungen kann insbesondere noch nicht geschlossen
werden, dass der Sachverständige von dieser Partei wirtschaftlich abhängig ist.
OLG Düsseldorf 17.10.2008 - 5 W 41/08, BauR 2011, 1206:
Hat sich der zunächst gerichtlich beauftragte Sachverständige in rechtlich zulässiger Weise bei der Erstellung des Gutachtens einer Hilfskraft bedient und bestellt das Gericht nach
Entpflichtung des ursprünglichen Sachverständigen diese
Hilfskraft zum neuen Sachverständigen, kann ein Befangenheitsgesuch gegen diesen neuen Sachverständigen nicht
erfolgreich auf den Vorwurf gestützt werden, er habe sich
zuvor eine Sachverständigenstellung angemaßt.
OLG Brandenburg 5.2.2009 - 12 U 33/07, IBR 2009, 744:
Der Umstand, dass der Sachverständige in einem außergerichtlichen Schlichtungsverfahren bereits in dieser Streitsache ein Gutachten erstellt hatte, vermag seine Ablehnung
wegen Befangenheit nicht zu begründen.
(ebenso OLG Frankfurt 2.7.2010 - 8 W 28/10, MDR 2011,
126)
OLG Schleswig 21.4.2009 - 16 W 40/09, IBR 2009, 613:
Es rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit des
Sachverständigen, wenn er bereits für die Partei in einem
anderen Rechtsstreit ein negatives Gutachten erstattet
hat.
BayVGH 15.6.2009 - 22 C 09.1146, BeckRS 2009, 36291:
Wissenschaftliche Äußerungen oder öffentlich gebrachte
Meinungen können für sich genommen kein Befangenheitsgrund sein. Das gilt auch für frühere gutachterliche Erklärungen, selbst wenn der Sachverständige darin die Lage in
einem gleichgelagerten Prozess ungünstig beurteilt hat, soweit nicht zusätzlich ein einseitiges Vorgehen ersichtlich ist.
OLG Brandenburg 7.7.2009 - 12 W 25/09, www.ibr-online.
de:
Allein daraus, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei in
einem anderen Verfahren gegen den Sachverständigen vorgegangen ist, indem er mit der Begründung vermeintlicher
Unfähigkeit des Sachverständigen bei der Bestellungskörperschaft angeregt hat, diesen von dort aus einer spe-
ziellen Prüfung zu unterziehen, ergibt sich keine Befangenheit.
LG Mannheim 24.7.2009 - 25 OH 1/09, IBR 2009, 745:
War der von einer Partei vorgeschlagene und dann gerichtlich
bestimmte Sachverständige zuvor in einem mit Beteiligung
dieser Partei durchgeführten anderen Schiedsverfahren als
Gutachter tätig, ist er auch dann nicht befangen, wenn er
diesen Umstand nicht sogleich bekannt gegeben hat.
LSG Baden-Württemberg 7.9.2009 - L 10 R 3976/09 B,
BeckRS 2009, 72737:
Ein zum gerichtlichen Sachverständigen ernannter Bediens­
teter eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung ist in Rechtsstreitigkeiten gegen einen anderen Träger
der gesetzlichen Rentenversicherung nicht allein wegen dieses Dienstverhältnisses befangen.
OLG Stuttgart 19.1.2010 - 1 W 5/10, VersR 2010, 499:
Der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige Ärztlicher Direktor eines Krankenhauses ist, dessen Träger
eng mit dem Krankenhaus zusammenarbeitet, an dem der
Beklagte als Arzt arbeitet, begründet noch keine die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden
Zweifel an seiner Unparteilichkeit.
OLG Schleswig 3.6.2010 - 16 W 52/10, www.ibr-online.de:
Ist der vorprozessual in der Sache von einer Partei eingeschaltete Sachverständige über eine bundesweite Sachverständigenorganisation nicht als Mitarbeiter, sondern bloß als
Kooperationspartner des gerichtlichen Sachverständigen
verbunden, ergibt dies noch keine Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen.
BayVGH 22.6.2010 - 3 C 10.1227, BayVerwBl 2011, 122:
Vertritt der Sachverständige in veröffentlichten Äußerungen deutlich eigene Standpunkte, kann daraus so lange kein
Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit abgeleitet werden,
wie er den Bereich der Sachlichkeit nicht verlässt.
LSG Chemnitz 1.9.2010 - L 6 U 222/09 B, UV-Recht Aktuell
2010, 1149:
Allein daraus, dass der gerichtlich hinzugezogene Sachverständige bisher ausschließlich Gutachten für Versicherungen erstellt hat, ergibt sich keine Befangenheit.
(a.A. LG Köln 15.1.2004 - 23 T 1/04, DS 2005, 278: »Die
Versicherungsgesellschaften beauftragen den Sachverständigen regelmäßig mit Gutachten, insbesondere dann, wenn
die Versicherungsnehmer Gutachten vorgelegt haben, die
ihren Anspruch stützen. Dabei gelangt der Sachverständige
regelmäßig zu anderen, der jeweiligen Versicherung günstigen Ergebnissen. Deshalb beauftragt das Gericht den Sachverständigen überhaupt nicht mit Gutachten. In Fällen vorgerichtlicher Gutachten des Sachverständigen verwertet das
Gericht diese auch nicht als Urkunden, sondern holt immer
ein neues Gutachten ein.«)
OLG München 9.9.2010 - 1 W 2022/10, www.ibr-online.de:
Dass der beklagte Arzt einen anderen vom gerichtlichen
Sachverständigen zunächst behandelten Patienten
weiterbehandelt hat, ergibt ebensowenig die Befangen-
| 9
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
heit des gerichtlichen Sachverständigen wie der Umstand,
dass der gerichtliche Sachverständige sich in einem anderen
Rechtsstreit ablehnend zu dem Behandlungsansatz dieses Beklagten geäußert hat.
OLG Nürnberg 4.11.2010 - 5 W 1771/10, BeckRS 2010,
29848:
Im Arzthaftungsprozess begründet es nicht die Besorgnis
der Befangenheit eines medizinischen Sachverständigen,
dass dieser als Arzt in einem – rechtlich selbstständigen – Universitätsklinikum tätig ist, wenn ein akademisches Lehrkrankenhaus der betreffenden Universität mit dem Krankenhaus,
in dem die streitgegenständliche Behandlung stattgefunden
hat, durch einen gemeinsamen Klinikträger verbunden ist.
Dies gilt auch für leitende Ärzte des Universitätsklinikums,
die zugleich Lehrstuhlinhaber an der betreffenden Universität sind.
BayLSG 18.11.2010 - L 2 SF 179/10 B, BeckRS 2011, 69756:
Eine Jahre zurückliegende Tätigkeit für eine berufsgenossenschaftliche Unfallklinik vermag ein Misstrauen gegen
die Unparteilichkeit des Sachverständigen in einem Verfahren aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung
nicht zu rechtfertigen.
LSG NRW 19.1.2011 - L 19 AS 1913/10 B, www.justiz.nrw.
de:
Das nach der Aktenlage deutliche Interesse einer Partei,
einen von ihr vorgeschlagenen Sachverständigen bestellen zu lassen, begründet nicht die Besorgnis der Befangenheit gegen den vom Gericht bestellten anderen Sachverständigen.
OLG Frankfurt 24.3.2011 - 3 W 69/10, www.ibr-online.de:
Die gerichtliche Auswahl eines von einer Partei vorgeschlagenen Sachverständigen begründet nicht die Befangenheit dieses Sachverständigen.
AG Geilenkirchen 14.4.2011 - 10 C 65/10, IfS Informationen
3/2012, 16:
Die Behauptung einer Partei, dass die von dem Sachverständigen in anderen Verfahren erstatteten Gutachten im
Ergebnis nicht zutreffend, seine Äußerungen zu knapp
und deshalb unverständlich gewesen seien, berechtigt nicht
Befangenheit dieses Sachverständigen.
OLG Köln 25.5.2011 - 5 W 18/11, VersR 2012, 738:
Der Einwand, ein medizinischer Sachverständiger sei allein
deshalb befangen, weil er einer Universität angehöre, für die
das beklagte Krankenhaus als akademisches Krankenhaus
diene, kann nicht mehr geltend gemacht werden, wenn ein
in dieser Sache früher bestellt gewesener gerichtlicher
Sachverständiger deshalb nicht abgelehnt wurde.
OLG Hamburg 9.6.2011 - 13 U 36/10, IBR 2011, 620:
Macht der klagende Arbeitnehmer mit der Behauptung, der
Generalunternehmer habe Sorgfaltspflichten missachtet und
ihm dadurch Schaden zugefügt, Schmerzensgeldanspruch
gegen den Generalunternehmer geltend, ist ein Mitarbeiter der für den Kläger zuständigen Unfallversicherung
selbst dann nicht als Sachverständiger befangen, wenn die-
ser Versicherung Regressansprüche gegen den Generalunternehmer zustehen können.
LSG Sachsen-Anhalt 14.6.2011 - L 6 U 22/11 B,
www.juris.de:
Bei einem ausschließlich gutachterlich tätigen Sachverständigen, der in dem sozialgerichtlichen Verfahren nun den
Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach Arbeitsunfall
feststellen soll, ergibt sich daraus, dass dieser vielfach von
Versicherungsgesellschaften und Berufsgenossenschaften
beauftragt wird noch keine Befangenheit; selbst das häufige Tätig­wer­den für den konkreten Prozessgegner des
Klägers reicht für die Besorgnis der Befangenheit nicht aus,
wenn insoweit eine wirtschaftliche Unabhängigkeit besteht.
BayLSG 13.7.2011 - L 2 KR 37/11 B, BeckRS 2011, 76501:
Für die Einstufung, ob Befangenheit des Sachverständigen
vorliegt, ist ohne Bedeutung, dass dieser im Kreise seiner
Berufskollegen mit der Form seiner Begutachtung nicht
unumstritten ist; denn das Gericht kann die Auswahl von
Sachverständigen nicht von der Akzeptanz als Gutachter im
Kollegenkreis abhängig machen.
BayLSG 20.7.2011 - L 2 SF 20/11 B, BeckRS 2011, 76502:
Richtet sich die Klage gegen eine Berufsgenossenschaft
(Anerkennung einer Berufskrankheit), ist der nicht in einem
Anstellungsverhältnis zu der beklagten Berufsgenossenschaft
stehende ärztliche Sachverständige nicht schon deshalb befangen, weil er in einem von einer anderen Berufsgenossenschaft getragenen Krankenhaus beruflich tätig ist. Anderes
gilt in einem Streit nach dem Bundesversorgungsgesetz
betreffend einen in der Versorgungsverwaltung tätigen Arzt,
denn die Ärzte der Versorgungsverwaltung sind durch Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Rundschreiben des
Bundesministers für Arbeit und Soziales auf eine einheitliche
Verwaltungspraxis in gewisser Weise festgelegt.
OLG München 11.8.2011 - 1 W 1385/11, www.juris.de:
Ein lange – hier: 12 Jahre – zurückliegendes Arbeitsverhältnis bei einem nicht in den Rechtsstreit involvierten
anderen Universitätsklinikum ist nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen.
OLG München 11.8.2011 - 31 Wx 294/11, IBR 2012, 54:
Die Veröffentlichung eines Beitrags in einer Fachzeitschrift stellt keinen Grund dar, an der Neutralität des Sachverständigen zu zweifeln. Mit der Veröffentlichung eines Beitrags in einer Fachzeitschrift ist regelmäßig die Bereitschaft
des Verfassers verbunden, sich einer auch kritischen Diskussion der von ihm dargestellten Thesen zu stellen.
OLG Hamm 17.8.2011 - 32 W 15/11, MDR 2012, 118:
Ist der Leiter einer medizinischen Fachabteilung des beklagten Klinikums erst mehrere Jahre nach der streitgegenständlichen ärztlichen Behandlung in seine Funktion gelangt und
damit persönlich unter keinem Gesichtspunkt dem Vorwurf
eines Behandlungsfehlers ausgesetzt, vermag auch seine auf
übliche Kontakte des Sachverständigen auf Fachkongressen begründete persönliche oder fachliche Beziehung
zu dem Sachverständigen keine Befangenheit zu rechtfertigen.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
LG Düsseldorf 22.11.2011 - 15 OH 11/09, BauR 2012, 988:
Die Tatsache, dass der gerichtliche Sachverständige in der
Vergangenheit mit dem Privatgutachter einer Partei
mehrfach bei Schadensfällen zusammengearbeitet hat,
rechtfertigt jedenfalls dann nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn auf diesem Spezialgebiet nur eine begrenzte
Anzahl von Sachverständigen zur Verfügung steht.
AG Neuss 6.12.2012 - 75 C 805/12, IfS Informationen
3/2013, 8:
Die bloße Bekanntschaft des Sachverständigen mit einem der beteiligten - oder beiden - Verfahrensbevollmächtigten reicht zur Annahme der Befangenheit nicht aus;
bei einem gerichtsbekannten Sachverständigen wäre äußerst
unwahrscheinlich, wenn er Rechtsanwälte nicht kennt.
OLG Stuttgart 11.4.2012 - 14 W 6/11, DS 2012, 319:
Bei dem Sachverständigen, der von im vorletzten Jahr insgesamt 1608 erledigten Gutachten sieben und von im nachfolgenden Jahre insgesamt 1779 erledigten zwölf Gutachtenaufträge von dem beklagten (Kfz-)Versicherer erhielt,
offenbart sich nicht eine derart enge wirtschaftliche Verflechtung, dass von Befangenheit betreffend einen Rechtsstreit ausgegangen werden kann, in dem dieser Versicherer
Beklagter ist. Der Sachverständige ist nicht von vorneherein
gehalten, eine solche geschäftliche Beziehung offenzulegen.
OLG Köln 14.1.2013 - 5 W 43/12, VersR 2014, 480:
Der medizinische Sachverständige, der im Prozess um die
Fehlerhaftigkeit einer schönheitschirurgischen Maßnahme
(hier: Nähte im Gesicht) ein Gutachten zu erstatten hat, erweckt nicht schon dadurch den Eindruck der Voreingenommenheit, dass er in seinem Internetauftritt darauf verweist,
eine Facharztausbildung als plastischer Chirurg, (die der
Beklagte nicht aufweist,) zu haben sowie mitteilt, denn dadurch stellt er nur heraus, dass eine langjährige praktische
Erfahrung der Qualität der medizinischen Behandlung zugutekommt.
OLG Köln 11.5.2012 - 7 W 10/12, IBR 2013, 1067:
Nicht jeder geschäftliche oder persönliche Kontakt des
Sachverständigen zu einer Partei lässt befürchten, dass ein
Sachverständiger den gerichtlichen Auftrag nicht objektiv
und unvoreingenommen bearbeitet; demgemäß ist eine
Sachverständiger, der wertvolle kunsthistorische Güter, die
im Zuge von Bauarbeiten beschädigt bzw. zerstört wurden,
nicht deshalb befangen, weil er ehemals Leiter eines anderen
Archivs war.
OLG Stuttgart 11.6.2012 - 7 W 48/12, BauR 2012, 1692:
Ein Befangenheitsgesuch gegen einen ursprünglich vom Gericht bestellten Sachverständigen, der aufgrund der Mitteilung seiner Arbeitsüberlastung entpflichtet und durch einen
anderen Sachverständigen ersetzt worden ist, ist unzulässig;
denn Befangenheit eines gerichtlich nicht mehr bestellten Sachverständigen ist nicht möglich.
BGH 23.10.2012 - X ZR 90/10, www.bundesgerichtshof.de:
Nimmt der Sachverständige einen Gutachtenauftrag von
einem Dritten an, der seinerseits in einem Beratungsverhältnis zu einer Partei steht, kommt Befangenheit des
Sachverständigen nur unter engen Voraussetzungen in Betracht; diese Voraussetzungen sind insbesondere nicht gegeben, wenn diese gutachterliche Beratung nur punktueller
Natur und nicht auf Dauer angelegt war und dem gerichtlichen Sachverständigen zur Zeit der Annahme des Privatauftrages der Streit der Parteien nicht bekannt war.
BayLSG 31.10.2012 - L 15 VJ 2/08, NZS 2013, 160:
Die Vorstellung einer Partei, dass der in das Verwaltungsverfahren eingeschaltet gewesene und nun gerichtlich
bestellte Sachverständige geneigt sein könnte, wider mittlerweile gewonnene bessere Überzeugung an dem Ergebnis
seiner im Verwaltungsverfahren abgegebenen gutachterlichen
Äußerung festzuhalten, nur um keinen Irrtum eingestehen zu
müssen, enthält im Allgemeinen sicherlich nicht jede Realitätsnähe; Befangenheit ergibt sich erst, wenn individuelle Gegebenheiten betreffend die Person oder die Arbeitsweise dieses
Sachverständigen hinzukommen, die Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit begründen können.
OLG Düsseldorf 5.2.2013 5.2.2013 - I-23 U 185/11, BauR
2013, 1283:
Dass ein Sachverständiger nach Abschluss eines mit seiner
gerichtlichen Einschaltung geführten selbstständigen Beweisverfahrens als Privatgutachter und Planer der Mängelbeseitigungsmaßnahmen für einen nur mittelbar Betroffenen (hier: den Bewohner der vom Werkmangel betroffenen
Wohnung) tätig wird, begründet jedenfalls dann nicht seine
Befangenheit, wenn er diesen Sachverhalt vorher offenlegt.
BayLSG 16.5.2013 - L 2 SF 174/12 B, www.juris.de:
Der Umstand, dass der gerichtliche Sachverständige private
Gutachten auch für Berufsgenossenschaften erstellt, ist
allein kein Befangenheitsgrund.
OLG Stuttgart 10.10.2013 - 3 W 48/13, www.ibr-online.de:
Die Zusammenarbeit des gerichtlichen Sachverständigen in anderen Angelegenheiten mit Verwandten einer Partei (hier: gelegentliche gegenseitige Beschaffung
von Ersatzteilen für Landmaschinen bestimmter Hersteller
betreffend den Vater einer Partei) begründet nicht ohne Weiteres seine Befangenheit.
OLG Brandenburg 18.11.2013 - 11 W 47/13, www.juris.de:
Daraus, dass der wirtschaftlich von dem gerichtlichen Sachverständigen beruflich unabhängige Sohn in derselben Sache ein Privatgutachten erstattet hat, ergibt sich keinen Befangenheit; auch daraus, dass der Sachverständige und sein
Sohn in fachlicher Zusammenarbeit eine Software entwickelt
haben und gemeinsam Forschungsthemen für ein Bundesministerium entwickeln ergibt sich keine Befangenheit.
BayLSG 19.11.2013 - L 2 SF 121/12 B, www.juris.de:
Der in einem Streit über Bezahlung von Behandlungskosten
durch den Sozialversicherer gerichtlich benannte sozialmedizinische Sachverständige ist nicht deshalb befangen, weil
er bis drei Jahre zuvor bei dem Medizinischen Dienst der
Krankenversicherung (MDK) beschäftigt war.
LG Saarbrücken 17.1.2014 - 12 O 233/08, www.juris.de:
Gehört das als Partei am Prozess beteiligte Unternehmen ei-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
ner Unternehmensgruppe an und hatte der Sachverständige in den zurückliegenden zwölf Jahren drei berufliche
Kontakte zu diesem anderen Unternehmen mit ein Gesamtlohnvolumen von nur wenigen 100 €, ergibt dies keine
Befangenheit.
BayLSG 24.1.2014 - L F 2 SF 249/13 AB, BeckRS 2014, 67994:
Ein Ablehnungsgrund betreffend den Sachverständigen
kann sich nicht aus der Häufigkeit seiner Hinzuziehung
durch dieses Gericht ergeben; eine wirtschaftliche Abhängigkeit des Sachverständigen kann nur in seinem Verhältnis
zu Privatpersonen nicht aber zu einem Rechtsprechungsorgan beachtlich sein.
OLG Düsseldorf 10.3.2014 - I-26 W 16/13 (AktE), NZG 2014,
791:
Die Mitwirkung des Sachverständigen in anderen Gerichtsverfahren gibt grundsätzlich selbst dann keinen Anlass zu
einer Besorgnis der Befangenheit, wenn dieser andere Verfahrenseinsatz für den Sachverständigen arbeits- und zeitaufwändig ist. Eine zurückliegende private Beauftragung
des Sachverständigen durch Verfahrensbeteiligte und /
oder ihre Bevollmächtigten rechtfertigt nicht die Besorgnis
der Befangenheit, solange nicht eine derartig enge geschäftliche Verbundenheit vorliegt, dass eine wirtschaftliche Abhängigkeit besteht. Die unterlassene Anzeige einer solchen
privatrechtlichen Tätigkeit kann daher auch nicht Misstrauen
gegen seine Unparteilichkeit begründen.
(Anmerkung des Verfassers: Es erscheint jedenfalls für den
gerichtlichen Sachverständigen riskant, diese in einem aktienrechtlichen Verfahren ergangene Entscheidung ohne Weiteres auch auf anderen Gebieten geführte Gerichtsverfahren
zu beziehen; insoweit ist nämlich insbesondere die Regelung
des für Beauftragungen ab dem 1.8.2013 geltenden § 8a
Abs. 1 JVEG zu beachten, wonach der Sachverständige seinen Anspruch auf Vergütung verliert, wenn er »es unterlässt,
der heranziehenden Stelle unverzüglich solche Umstände anzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen Beteiligten
berechtigen«, wofür bereits leichte Fahrlässigkeit des Sachverständigen genügt; jedem Sachverständigen ist unbedingt
anzuraten, frühere Kontakte mit Verfahrensbeteiligten dem
Gericht sogleich nach seiner Heranziehung umgehend und
unmissverständlich - schriftlich - mitzuteilen und mit seiner
Weiterarbeit auf die richterliche Antwort zu warten.)
LG Münster 28.3.2014 - 5 T 87/14, BeckRS 2014, 09714:
Wird in dem Rechtsstreit um die Abrechnung nach GOÄ gestritten und rechnet der eingeschaltete Sachverständige seine sonstige private ärztliche Betätigung nach GOÄ ab, kann
die nicht für eine Ablehnung als befangen reichen; denn es
ist praktisch unmöglich, einen geeigneten Sachverständigen
zu finden, der einerseits die notwendige Kompetenz hat und
mit der Abrechnung nach GOÄ vertraut ist, andererseits aber
selbst nicht nach GOÄ abrechnet.
SG Aachen 22.8.2014 - S 6 SF 61/14, www.jusitz.nrw.de:
Daraus, dass sich auf der Internethomepage des gerichtlichen Sachverständigen betreffend die von ihm geführte
Arztpraxis das DGUV-Logo (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. = gemeinsamer Spitzenverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften, der Unfallkassen und
Gemeindeversicherungsverbände) befindet, ergibt sich in
einem über die Folgen eines Arbeitsunfalls geführten sozialgerichtlichen Verfahren keine Befangenheit; diese Abbildung des Logos offenbart bloß, dass der Sachverständige
betreffend seine sonstige Betätigung durch Verwaltungsakt
des DGUV als Durchgangsarzt zugelassen wurde und damit
für die (Erst-)Behandlung von Arbeitsunfällen qualifiziert ist;
eine wie auch immer geartete Weisungsabhängigkeit oder
besondere Nähe dieses Sachverständigen zur DGVU ist mit
der Zulassung zum Durchgangsarzt nicht verbunden und mit
seiner Verwendung des Logos auch nicht impliziert.
3.1.3. Befangenheit bejaht
OLG München 21.6.2001 - 1 W 1161/01, MDR 2002, 291:
Besorgnis der Befangenheit ist berechtigt betreffend einen
Landesbeamten (hier: leitender Arzt einer Universitätsklinik), der in einem Zivilprozess, in dem es um die behauptete
Fehlerhaftigkeit der Arbeit eines anderen Landesbeamten
(hier: Arzt in einem anderen Landeskrankenhaus) desselben Bundeslandes geht, zum gerichtlichen Sachverständigen bestimmt wird; die gesetzliche Gewährleistung der
Weisungsfreiheit bei der Erstellung eines Gutachtens durch
einen Universitätsprofessor genügt nicht, um die Besorgnis
der Prozess­partei auszuräumen; denn die Problematik der
Beziehung zwischen Sachverständigem und Partei besteht in
sublimen Formen der Rücksichtnahme des Sachverständigen auf seinen Dienstherrn.
(ebenso OLG Nürnberg 29.9.2005 - 5 W 1834/05, MDR
2006, 469)
OLG München 24.3.2005 - 29 W 2908/04, Magazindienst
2005, 674:
Bei einer Person, die umfangreiche Beratungstätigkeiten auf den Gebieten von Marketing und Entwicklung bestimmter spezieller Produkte (hier: Medizinprodukte) ausübt,
kann Befangenheit angenommen werden, wenn diese als
gerichtlicher Sachverständiger in einem Wettbewerbsprozess
Angaben zu der Wirkungsweise eines zu derselben Branche
gehörigen Produktes machen soll (hier: Wirkungsweise eines
Magnetpflasters, das mittels Aufkleber zur Bekämpfung von
Krankheiten auf der Haut befestigt wird).
OLG Celle 22.5.2006 - 1 W 5/06, MedR 2007, 229:
Aus Sicht der verständigen Partei liegen begründete Zweifel an der Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen in einem Arzthaftungsprozess vor, wenn der
Sachverständige einräumt, mit dem beklagten Arzt nicht
nur im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen oft zusammengetroffen zu sein, sondern mit ihm auch sonst im Rahmen »kollegialer Zusammenarbeit« (mit Duzverhältnis)
verbunden zu sein; diese gilt insbesondere dann, wenn der
Sachverständige das Kollegialitätsverhältnis erst auf eingehende Nachfrage der Partei »scheibchenweise« offenbart.
(ebenso LG Münster 9.8.2006 - 11 O 1027/06, MedR 2007,
229)
LG Karlsruhe 30.10.2006 - 1 T 36/06, VersR 2007, 226:
Erteilt das Gericht den Sachverständigenauftrag einem Unternehmen und überlässt es diesem auch die Auswahl des
konkreten Bearbeiters, bewirkt der Umstand, dass dieses
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Unternehmen bei der Erhebung des Bundesverbandes
der Autovermieter mitgewirkt hat, welche der generellen Rechtfertigung sog. Unfallersatztarife dient und seitens
der Autovermieter regelmäßig den Gerichten vorgelegt wird,
wegen des Eindrucks der Zugehörigkeit zum Lager der Autovermieter die Befangenheit. Ohne Bedeutung ist, dass der
konkrete Bearbeiter an der Erhebung nicht persönlich mitgewirkt hat.
OLG München 18.12.2006 - 9 W 2732/06, IBR 2007, 110:
Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er Mitgeschäftsführer eines
Unternehmens ist, das mit demselben Rechtsanwalt zusammenarbeitet, der auch einen Prozessbeteiligten vertritt.
OLG Oldenburg 28.6.2007 - 5 W 77/07, MDR 2008, 44:
Besteht oder bestand zwischen dem im Haftungsprozess in
Anspruch genommenen Arzt und dem gerichtlichen Sachverständigen eine intensive ärztliche Zusammenarbeit
der Art, dass dieser Arzt über viele Jahre fortlaufend Patienten mit speziellen Erkrankungen zur Operation an den
Sachverständigen überwiesen hat, ist dieser Umstand aus
der Sicht des Patienten geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen zu rechtfertigen.
BGH 24.7.2007 - X ZR 1/06, BeckRS 2007, 384:
Ist in dem Rechtsstreit ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beteiligt, den der Sachverständige in einem eigenen Rechtsstreit aktuell selbst mandatiert hat, liegt
Befangenheit vor.
OLG Stuttgart 22.10.2007 - 1 W 51/07, GesR 2008, 424:
Auch wenn die Tätigkeit des Sachverständigen als Chefarzt
einer Klinik tatsächlich mit keiner über die üblichen beruflichen Kontakte hinausgehenden Zusammenarbeit mit den
Beklagten zu 2 bis zu 4 verbunden ist und sich die Beziehung
des Sachverständigen zum Beklagten zu 1 im Wesentlichen
auf die Ausbildung und Prüfung von Studenten beschränkt,
erweckt allein die Bezeichnung »akademisches Lehrkrankenhaus der Universität« objektiv den Anschein einer ständigen
und engen beruflichen Kooperation bzw. vertraglichen Beziehung und rechtfertigt ein Ablehnungsgesuch; denn für die
erfolgreiche Ablehnung genügt, dass aufgrund bestimmter
Tatsachen der objektive Anschein der Parteilichkeit besteht.
OLG Frankfurt 28.12.2007 - 10 W 63/07, GuG 2009, 189:
Ein über bloße Kollegialität hinausgehender Kontakt
des gerichtlichen Sachverständigen zu dem von einer
Prozesspartei in diesen Rechtsstreit eingeschalteten Privatsachverständigen (beide haben als Mitautoren in einem
Fachbuch dasselbe Kapitel bearbeitet und referieren alternierend für den Deutschen Anwaltverein über dasselbe Thema)
begründet Befangenheit.
(ebenso BGH 11.6.2008 - X ZR 124/06, IBR 2009, 53)
LG Kiel 24.2.2009 - 11 O 43/06, IBR 2009, 300:
Das Aufführen von nur zwei Rechtsanwaltskanzleien
auf der Webseite eines Sachverständigen enthält eine
positive Bewertung ihrer fachlichen Eignung im Vergleich zu
anderen Anwälten; deshalb kann eine Partei nachvollziehbar
die Befürchtung haben, dass der Prozessvortrag ihrer Rechts­
anwälte, die sich nicht derselben fachlichen Wertschätzung
durch den Sachverständigen erfreuen, nicht mit dem gleichen Gewicht von dem Sachverständigen zur Kenntnis genommen wird.
LG Traunstein 10.6.2009 - 3 T 1724/09, DS 2010, 326:
Hält der mit der Prüfung der Richtigkeit der Honorarrechnung gerichtlich beauftragte Sachverständige an derselben
Universität, der die Honorar einklagende Partei zugeordnet
ist, Studentenkurse und Vorlesungen ab, ist er befangen.
LG Bochum 7.8.2009 - 10 S 15/08, DS 2010, 36:
Verweist der in einem auf Beklagtenseite mit Beteiligung
eines Versicherers geführten Rechtsstreit eingesetzte
gerichtliche Sachverständige in seiner dem Gutachten als
Anlage beigefügten Korrespondenz auf seine Homepage, auf der er sich sehr kritisch mit dem Verhalten von
Versicherern auseinandersetzt (»Insbesondere das Schadensmanagement vieler Versicherer soll hier eingehend beleuchtet werden, das einzig und allein dem Ziel dient, diesen
Versicherungen mehr Profit zu ermöglichen; fast immer natürlich zu Lasten der Geschädigten.«), genügt dies für sein
Ausscheiden als befangen.
OLG Jena 3.9.2009 - 4 W 373/09, BauR 2010, 123:
Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen kann sich
aus einer besonderen beruflichen Nähe (mehrjährige
Mitarbeit) zu einer Partei ergeben; für das Vorliegen der Befangenheit spricht insbesondere, dass der von dieser Partei
vorgeschlagene Sachverständige seine berufliche Nähe nicht
sogleich offenbart hat.
OLG Naumburg 13.11.2009 - 10 W 64/09, GesR 2010, 203:
Im Arzthaftungsprozess kann Besorgnis der Befangenheit
des Sachverständigen aus seiner Funktion als Chefarzt eines akademischen Lehrkrankenhauses des beklagten
Universitätsklinikums abgeleitet werden.
OLG Stuttgart 1.12.2009 - 6 U 248/08, IBR 2010, 1213:
Kommt in Betracht, dass der streitige Mangel eines Kraftfahrzeugs auf dem Defekt eines elektronischen Bauteils beruht,
ist ein Mitarbeiter des Herstellers selbst dann befangen,
wenn aufgrund diverser Unternehmensverkäufe der Rechtsträger des Herstellers mehrfach gewechselt hat.
LG Stuttgart 22.12.2009 - 22 O 11/09, IBR 2010, 1055:
Eine Tatsache, die für sich genommen, die Besorgnis der Befangenheit nicht begründet (hier: Tätigkeit bei einer Partei vor über 40 Jahren), wird dann zu einem Ablehnungsgrund, wenn der Sachverständige auf diese Tatsache nicht
oder nicht rechtzeitig hinweist.
LG Dortmund 18.2.2010 - 4 O 307/07, nicht veröffentlicht (bestätigende Beschwerdeentscheidung: OLG Hamm
3.5.2010 - 1 W 40/10, nicht veröffentlicht):
Haben der im Jahre 2009 beauftragte gerichtliche Sachverständige und der auf Haftung in Anspruch genommene Arzt
in den Jahren 1991 bis 1995 an demselben Universitätsklinikum jeder als Oberarzt unter der Leitung eines nicht
an dem Rechtsstreit beteiligten Arztes zusammengearbeitet, ergibt sich Befangenheit auch nicht daraus, dass der
gerichtliche Sachverständige diesen Umstand nicht sogleich
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Festschrift BauSV 1/2015
nach der Beauftragung, sondern erst während seiner gutachterlichen Bearbeitung offenbart hat.
sen werden, dass ein vorheriger Privatgutachter dazu neigt,
die Erwartungen seines Auftraggebers zu bestätigen.
LG Wiesbaden 2.6.2010 - 14 OH 71/08, nicht veröffentlicht:
War in einem vorangegangenen Verfahren der gegen
den nun gerichtlich beauftragten Sachverständigen
gekommene Ablehnungs­antrag der Partei erfolgreich
und hat das nun mit Beteiligung derselben Partei lau­fende
Verfahren einen diesem früheren Verfahren sehr ähnlichen
Sach­verhalt, kann diese Partei in dem neuen Verfahren den
Sachverständigen erfolgreich ablehnen.
OLG Nürnberg 22.8.2012 - 13 W 764/12, IBR 2012, 617:
Zweifel an der Unparteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen sind gegeben, wenn die Gefahr besteht, dass ein
Gutachten die Richtigkeit der Tätigkeit eines Prüfingenieurs
in Frage stellt, der mit ihm als Mitgesellschafter ein Ingenieurbüro betreibt; darauf, ob dieser Prüfingenieur selbst
am Verfahren beteiligt ist oder ob ihm Schadensersatzansprüche drohen, kommt es nicht an.
OLG München 8.11.2010 - 1 W 2337/10, www.ibr-online.de:
Hat der gerichtliche Sachverständige bei einer Partei seine
Fach­arztaus­bildung absolviert und veröffentlichen der
Sachverständige und die Partei gemeinsame Texte, ist Befangenheit gegeben.
OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG 2014, 51:
Hebt ein medizinischer Sachverständiger auf seiner Homepage seine Patientennähe besonders hervor und betont er
massiv seine kritische Distanz zu Klinikbetreibern, kann dies
in Gerichtsverfahren mit Beteiligung von Klinikbetreibern seine Befangenheit begründen.
OLG Stuttgart 13.7.2011 - 5 W 21/11, DS 2012, 44:
Führt die auf Schadensersatz in Anspruch genommene Vermieterin in ihrer sonstigen Eigenschaft als Gemeinde zur Gewährleistung von Installationsarbeiten in ihrem Versorgungsgebiet ein »Installateur­verzeichnis«, in das der gerichtliche
Sachverständige eingetragen ist, besteht Veranlassung für
die Annahme von Befangenheit dieses Sachverständigen in
dem Mietrechtsstreit, wenn gemäß gesetzlicher Regelung
nur solche Personen in dieses »Installateurverzeichnis« eingetragen werden können, deren Qualifikation die Gemeinde
konkret geprüft hat.
OLG Naumburg 12.9.2011 -10 W 49/11, IBR 2012, 1099:
Ist streitig, ob die Bodenwertermittlungen eines Gutachterausschusses fehlerhaft sind, darf kein für diesen Gutachterausschuss tätiger Sach­verständiger als gerichtlicher
Sachverständiger bestellt werden, auch wenn dieser durch
seine Tätigkeit bereits Vorkenntnisse hat und in seiner Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei ist; geschieht dies dennoch, ist seine Ablehnung als befangen durch die Partei begründet.
OLG Karlsruhe 8.3.2012 - 13 W 13/12, GesR 2012, 422:
Geschäftliche Kontakte zwischen dem Labor, dessen technischer Leiter der gerichtlich bestellte Sachverständige ist,
und den Firmen aus dem Konzern der Beklagten sind in ihrer
Gesamtheit bei einer besonnenen Partei Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Sachverständigen in einem Rechtsstreit über die Fehlerhaftigkeit einer Hüftgelenkprothese zu
begründen.
OLG Karlsruhe 28.3.2012 - 4 W 14/12, GesR 2012, 476:
Hat der gerichtliche Sachverständige eine Partei in jüngerer
Zeit unentgeltlich beraten, erweckt dies den Anschein
nicht vollständiger Unvoreingenommenheit; Unentgeltlichkeit ist nämlich im Rahmen eines professionellen Kontaktes
durchaus ungewöhnlich und zeugt von einer besonderen
Nähe bzw. Verbindung.
OLG Oldenburg 12.7.2012 - 2 W 38/12, IBR 2012, 616:
Ein Sachverständiger kann als befangen abgelehnt werden,
wenn er bereits vorprozessual in derselben Sache für
eine Partei als Privatgutachter tätig war und dies nicht
offenbart; denn erfahrungsgemäß kann nicht ausgeschlos-
LG Kiel 7.2.2013 - 11 O 109/08, IBR 2013, 1185:
War der gerichtlich bestellte Sachverständige in anderer
Sache als Schiedsgutachter tätig und erstattete der Geschäftsführer der Klägerin in dieser anderen Sache ein Gegengutachten, welches dann zu der Nicht-Akzeptierung
des Schiedsgutachtens führte, steht aus Sicht der Klägerin zu
befürchten, dass der Sachverständige ihr und insbesondere
ihrem Geschäfts­führer nicht wohlgesonnen ist; das Ablehnungsgesuch der Klägerin ist damit begründet.
LG Wiesbaden 22.3.2013 - 4 T 49/13, www.juris.de:
Die Veröffentlichung von Beiträgen in einem Fachbuch
durch den gerichtlichen Sachverständigen, in dem auch
Vertreter des Prozess­
geg­
ners veröffentlicht haben,
kann die Besorgnis der Befangenheit begründen.
OLG Naumburg 25.6.2013 - 10 W 6/13, BauR 2014, 324:
Eine Nähe, die eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigt,
kann darin liegen, dass der Sachverständige zur Zeit der
Erbringung eines Teils seiner gutachterlichen Leistungen in
einer Klinik derselben Unternehmensgruppe abhängig
beschäftigt gewesen ist, zu der einer der Streitverkündeten
gehört und bei der andere Streitverkündete abhängig beschäftigt sind.
OLG Hamm 26.3.2014 - 32 W 6/14, www.justiz.nrw.de:
Ist der in der Sache involvierte Privatgutachter der Sohn
des geschäftsführenden Gesellschafter eines von Seiten des
Gerichts als Gesellschaft bürgerlichen Rechts beauftragten
Sachverständigenbüros und war oder ist er als angestellter
Sachverständiger für dieses gerichtlich beauftragte Sachverständigenbüro tätig, kann das die Besorgnis der Befangenheit anderer in dem Sachverständigenbüro tätiger Sachverständiger begründen. Zweifel an der Unparteilichkeit
der in dem Sachverständigenbüro tätigen Sachverständigen
können insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die für
das Büro handelnden Gesellschafter den diesen gerichtlichen
Gutachtenaufrag konkret bearbeitenden Sachverständigen
bestimmen, ohne den Parteien zuvor die geschäftlichen Verbindungen zwischen dem Privatgutachter und dem gerichtlich beauftragten Sachverständigenbüro zu offenbarem.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
3.2. Umstände im Vorfeld des zu liefernden Gutachtens
rens ohne Beteiligung des Gerichts und der Parteien gibt zur
Befürchtung der Parteilichkeit des Sachverständigen Anlass.
3.2.1. Grundsätze
OLG München 27.7.2005 - 1 W 1835/05, www.juris.de:
Haben die Partei oder ihr Rechtsanwalt den gerichtlichen
Sachverständigen zeitlich vor der gerichtlichen Hinzuziehung
bei seiner beruflichen Stan­desvertretung wegen eines
nicht mit dem Gegenstand des Rechtsstreits in konkretem
Zusammenhang stehenden Umstandes angezeigt und ergibt sich nicht, dass diese Anzeige vor dem Hintergrund
des dann geführten Rechtsstreits erfolgte, kann dies die Besorgnis der Befangenheit begründen. Kommt die Anzeige
der Partei indes erst nach der gerichtlichen Beauf­tragung,
ergibt sich Befangenheit erst bei Hinzutreten weiterer Befangenheitsumstände, denn andernfalls könnte die Partei die in
erster Linie nur dem Gericht obliegende Auswahl steuern.
LG Karlsruhe 27.7.2006 - 9 OH 7/03, DS 2008, 151:
Der eigenmächtige Versuch des Sachverständigen, auf
die klar über das konkrete Beweisthema hinausgehende Erweiterung des Beweis­
beschlusses hinzuwirken,
rechtfertigt Zweifel an seiner Unparteilichkeit.
OLG Düsseldorf 10.8.2006 - 2 U 120/02, DS 2007, 355:
Der gerichtliche Sachverständige ist verpflichtet, das Bestehen von Beziehungen zu einer Prozesspartei, die geeignet sind, Bedenken gegen seine Unvoreingenommenheit
zu wecken, auch dann mitzuteilen, wenn sie nach seiner
Ernennung durch das Gericht entstanden sind; ob das
Gericht ihn vorweg auf diese Mitteilungspflicht hingewiesen
hat, ist ohne Bedeutung.
(ebenso OLG Rostock 16.7.2008 - 2 W 31/08, IBR 2008, 695)
3.2.2. Befangenheit verneint
OLG Köln 11.1.2008 - 4 WF 228/07, www.justiz.nrw.de:
Behauptetes fehlendes Fachwissen des Sachverständigen
rechtfertigt allenfalls die Einholung eines weiteren Gutachtens gem. § 412 ZPO, begründet aber ohne Hinzutreten neuer Umstände noch nicht die Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen nach § 406 ZPO.
(ebenso BFH 20.8.2008 - II B 4/07, www.juris.de; BayLSG
1.9.2009 - L 2 SF 36/09 B, IBR 2010, 1243; BayLSG 20.5.2010
- L 2 R 62/10 B, BeckRS 2010, 72034)
OLG München 13.5.2008 - W (K) 1026/08, nicht veröffentlicht:
Daraus, dass der Sachverständige fünf Jahre vor seiner gerichtlichen Beauftragung einen Vortrag gehalten und darin
eine bestimmte, auch von an­de­ren Personen vertretene, in
einem Zusammenhang mit dem späteren Rechtsstreit stehende rechtliche Auffassung vertreten hat, die nicht die
der ihn nun als befangen ablehnenden Partei ist, ergibt sich
keine Befangenheit.
(ebenso LG München I 13.2.2008 - 1HK 19735/06, nicht veröffentlicht; OLG Frankfurt 11.8.2009 - 11 U 38/08 (Kart),
nicht veröffentlicht; LG Hannover 15.9.2011 - 21 O 10/11,
nicht veröffentlicht)
AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09, WuM
2010, 639:
Allein der Umstand, dass der vom Gericht bestimmte
Sachverständige von der Partei vorgeschlagen worden
ist, berechtigt nicht zu der von der gegnerischen Partei formulierten Annahme, dieser Sachverständige sei »von dem
Interesse geleitet, auch künftig von der Klägerin in zahllosen
Mietprozessen ergebnisorientiert als Sachverständiger benannt und beauftragt zu werden« und deshalb befangen.
3.2.3. Befangenheit bejaht
OLG Dresden 24.5.2006 - 7 W 690/06, VersR 2007, 86:
Eine inhaltliche Kommunikation zum Beweisthema zwischen dem Sachverständigen und dem Verfahrensbevollmächtigten einer Partei außerhalb des Gerichtsverfah-
OLG Celle 8.3.2007 - 6 W 1/07, BauR 2008, 134:
Unterlässt es der gerichtliche Sachverständige, seinen als
Helfer hinzugezogenen Mitarbeiter danach zu befragen, ob dieser geschäftliche Beziehungen zu den Parteien unterhält, ergibt sich die Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen jedenfalls dann, wenn solche geschäftlichen Beziehungen des Helfers gegeben sind.
OLG Naumburg 28.11.2013 - 10 W 66/13, IBR 2014, 313:
Es begründet die Besorgnis der Befangenheit, wenn der
Sachverständige anregt, Beweis über eine - bis dahin
vom Kläger nicht so behauptete - mögliche Pflichtverletzung des Beklagten zu erheben; ebenso wie ein Richter
darf der gerichtliche Sachverständige nicht darauf hinwirken,
dass eine Partei ihr Prozessziel auf einen anderen Tatsachenvortrag stützt.
3.3. Umstände während der gutachterlichen Betätigung
3.3.1. Grundsätze
OLG Köln 10.5.2002 - 5 W 47/02, www.juris.de:
Für Befangenheit ausreichende Voreingenommenheit des
ärztlichen Sachverständigen ist anzunehmen, wenn dieser
Sachverständiger, ohne sich einen eigenen Eindruck von
der zu untersuchenden Person und den Be­son­der­heiten des
konkreten Falles gemacht zu haben, in der Sache festlegt
und nicht mehr bereit ist, innerlich frei an die Beurteilung
heranzugehen. Diese Gegebenheiten liegen nicht vor, wenn
der Sachverständige gemäß den weiteren Angaben der ablehnenden Partei diese über eine Stunde lang eingehend
untersucht hat.
OLG München 20.6.2006 - 1 W 1727/06, DS 2007, 151:
Verfahrensfehler des Sachverständigen können nur dann
die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn sie nach
Art oder Häufung den Eindruck einer sachwidrigen Voreingenommenheit erwecken; bei dieser Beurteilung dürfen
nicht die engen Maßstäbe Anwendung finden, die für einen
prozessgewandten Anwalt oder für einen Richter angemessen sind.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG München 18.11.2011 - 1 W 1685/11, BeckRS 2011,
27039:
Lässt der (hier: ärztliche) gerichtliche Sachverständige Untersuchungen durch Helfer durchführen, ergibt sich aus
Äußerungen dieses Helfers gegenüber der untersuchten
Partei (hier: diese solle sich nicht mehr operieren lassen, bei
ihr seien keine Fehler passiert) keine Befangenheit des für die
Gutachtenerstellung allein verantwortlichen gerichtlichen
Sachverständigen.
OLG Hamm 30.1.2012 - I-9 WF 56/11, Praxis Report extra
2012, 178:
Der mit der Feststellung zu Fragen des Entzugs der elterlichen Sorge beauftragte gerichtliche Sachverständige, der
nach Abschluss seiner Untersuchungen das Vorliegen einer
akuten Kindeswohlgefährdung feststellt, welches einen
Aufschub von Maßnahmen zum Schutz des Kindes bis zur
schriftlichen Abfassung seines Gutachtens nicht gestattet,
setzt sich nicht alleine dadurch dem Vorwurf der fehlenden
Unvoreingenommenheit aus, dass er die zuständigen Behörden bereits vor Einreichung seines schriftlichen Gutachtens von der bestehenden Gefahrenlage in Kenntnis
setzt mit dem Ziel, dass Maßnahmen zum Schutz des Kindes
getroffen werden können; der Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit kann sich in einem solchen Fall aber da­
raus ergeben, dass der Sachverständige die von den zu treffenden Maßnahmen betroffenen Beteiligten des Verfahrens
nicht zeitnah von seinem Vorgehen in Kenntnis setzt
und dadurch verhindert, dass sie sich gegen die aufgrund der
Mitteilung des Sachverständigen zu treffenden Maßnahmen
angemessen zur Wehr setzen können.
LSG Baden-Württemberg 25.6.2012 - L 8 SB 1449/12 B, NZS
2012, 880:
Die Überschreitung des Gutachtenauftrags mit grober
Verletzung der Privatsphäre des Untersuchten rechtfertigt
grundsätzlich die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen (hier: behauptete Durchsuchung einer von der untersuchten Person mitgeführten Tasche). Dagegen begründet
ein Verfahrensfehler des Sachverständigen bei der Durchführung der Untersuchung noch nicht die Besorgnis der Befangenheit, wenn der Fehler auf einer spontanen Entschließung
des Sachverständigen beruht, die keine Rückschlüsse auf
ein planmäßiges, nur gegen den Untersuchten gerichtetes
Ermitteln zulässt (hier: Wiegen einer von der untersuchten
Per­son gefüllt mitgeführten Tasche ohne Zustimmung der
untersuchten Person im Zusammenhang der Erstattung eines
orthopädischen Gutachtens).
3.3.2. Befangenheit verneint
FG München 18.10.2002 - 6 K 3964/95, www.juris.de:
Der Parteivortrag, der Sachverständige habe das rechtliche
Gehör verletzt, berechtigt keine Ablehnung, wenn die Partei
von dem Sachverständigen mehrfach angebotene Besprechungstermine über die Ergebnisse seine Ermittlungen
nicht wahrgenommen hat; Befangenheit des Sachverständigen ergibt sich auch nicht daraus, dass dieser eine Auskunftsperson gehört hat.
OLG Brandenburg 8.1.2003 - 1 W 18/02, OLGR 2003, 194:
Die Ablehnung eines medizinischen Sachverständigen we-
gen der Besorgnis der Befangenheit ist nicht bereits deshalb
begründet, weil der Sachverständige den Prozessgegner
nicht von einem Termin zur ärztlichen Untersuchung
einer Partei unterrichtet und der Sachverständige eigene
Sachverhaltsermittlungen vorgenommen hat.
OLG Celle 25.2.2004 - 16 W16/04, BauR 2004, 1186:
Weil es allein Sache des gerichtlichen Sachverständigen ist,
wie er den vom Gericht erteilten Auftrag methodisch und
fachlich erledigt, kann eine nur ungeschickte Vorgehensweise des Sachverständigen einen Befangenheitsantrag
nicht begründen.
LSG Saarland 30.8.2004 - L 5 B 10/04 SB, www.juris.de:
Meint die Partei, dass der gerichtliche Sachverständige bei
der Erledigung der Untersuchung in einem übermäßigen
Umfang in ihren rechtlich geschützten Bereich eingreift
(»zu viele Röntgenaufnahmen«), rechtfertigt dies nicht die
Ablehnung als befangen; die Partei ist hinreichend dadurch
geschützt, dass sie ihre Beteiligung bei solcher Betätigung
des Sachverständigen ablehnt.
OLG Jena 14.12.2005 - 4 W 399/05, BauR 2006, 420:
Der Verstoß des gerichtlichen Sachverständigen gegen seine
sich aus § 407a Abs. 2 ZPO ergebende Pflicht, die Hinzuziehung Dritter bei der Erledigung seines Gutachtenauftrags zu offenbaren, rechtfertigt selbst dann nicht die
Ablehnung wegen Befangenheit, wenn dieser Mitarbeiter
wesentliche Teile des Gutachtens erarbeitet.
OLG Köln 26.7.2007 - 2 W 58/07, OLGR 2008, 361:
Eine besonders schnelle Erstattung des Gutachtens ist
kein Grund für die Annahme der Befangenheit.
(ebenso BayLSG 24.9.2013 - L 2 SF 98/13 B, www.juris.de:
Aus der zügigen Abfassung des Gutachtens bereits am Tage
nach der Untersuchung kann nicht auf eine Unparteilichkeit
geschlossen werden; insoweit handelt es sich um einen persönlichen Arbeitsstil des Sachverständigen mit dem offensichtlichen Vorteil, dass der noch frische Eindruck aus der
Untersuchung in das Gutachten einfließt.)
BGH 12.9.2007 - 1 StR 407/07, NStZ 2008, 229:
Es spricht nichts dafür, dass ein Sachverständiger zum Nachteil des Angeklagten voreingenommen ist, weil er beiläufig
einer Exploration des Angeklagten diesem und dem Verteidiger erläutert, dass und warum ein bestimmtes Verteidi­
ger­vor­brin­gen keinen Erfolg haben wird, und deshalb
die Abänderung empfiehlt; wegen eines solchen Verhaltens
kann er nicht erfolgreich vom Angeklagten als befangen abgelehnt werden.
OLG Saarbrücken 17.10.2007 - 5 W 255/07, IBR 2008, 55:
Bleibt der Sachverständige bei der Bearbeitung und der Beantwortung der Beweisfragen in den Grenzen des ihm erteilten Gerichtsauftrages und lässt er nachfolgende abweichende Anweisungen der Parteien außer Acht, liegt ein
Grund für die Besorgnis der Befangenheit nicht vor.
OLG Saarbrücken 30.1.2008 - 5 W 318/07, OLGR 2008, 435:
Stellt der gerichtliche Sachverständige eigene Ermittlungen an, die das Gericht bei entsprechender Sachkunde von
Amts wegen gemäß § 139 Abs. 1 ZPO (»materielle Prozess-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
leitung«) ebenfalls erörtert hätte, begibt sich dieser Sachverständige nicht außerhalb des unantastbaren Sachvortrages
der Parteien und macht sich dadurch auch nicht befangen.
LG Ansbach 11.7.2008 - 5 O 1578/00, nicht veröffentlicht
(bestätigende Beschwerdeentscheidung: OLG Nürnberg
29.10.2008 - 2 W 1845/08, nicht veröffentlicht):
Teilt der gerichtliche Sachverständige dem ihn beauftragenden Gericht sein Verständnis des Inhaltes der Beweisfragen
mit und erklärt das Gericht dann sein Einverständnis mit dieser Interpretation des Sachverständigen, ergibt sich kein
eigenmächtiges Überschreiten des gerichtlichen Auftrags
im Sinne einer erkennbaren Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen.
OLG Brandenburg 15.7.2008 - 11 W 24/08, DS 2008, 391:
Fordert der Sachverständige ohne Beteiligung der anderen
Partei, also auch ohne Vorweg-Mitteilung an diese, bei einer
Partei Fotos an, um diese zu Illustrationszwecken, also bloß
zur Darstellung des Parteivortrags, in das Gutachten aufzunehmen, ergibt sich daraus keine Befangenheit.
LG Duisburg 13.3.2009 - 36 Ns 295 Js 748/03 198/08, JR
2009, 343:
Ein Sachverständiger, der in einem Strafverfahren mit der
Erstellung eines aussagepsychologischen Gutachtens beauftragt ist, kann nicht deswegen als befangen abgelehnt werden, weil er einen weiteren Sachverständigen in das Verfahren eingebracht und mit der Durchführung von Teilen
der Begutachtung, insbesondere einer ersten Exploration,
betraut hat, wenn die Hinzuziehung der Hilfsperson in Absprache und mit Billigung des Gerichts erfolgt ist. Ein Ablehnungsgrund ist auch nicht darin zu sehen, dass der Sachverständige im Eröffnungsverfahren eines anderen Verfahrens
wegen unzulässiger Einvernahme von Zeugen und Kritik an
einem Zweitgutachter als befangen angesehen wurde, wenn
die Gründe, die zur Annahme der Befangenheit geführt haben, nicht mehr fortbestehen und für das gegenwärtige Verfahren nicht in gleicher Weise Geltung haben.
(dazu kritisch Eisenberg JR 2009, 345)
OLG Schleswig 30.6.2009 - 16 W 77/08, www.ibr-online.de:
Eine Besorgnis der Befangenheit ergibt sich nicht allein da­
raus, dass der Sachverständige im Ortstermin mündlich eine
vorläufige Einschätzung abgibt.
LSG Bremen 20.11.2009 - L 2 R 516/09 B, BeckRS 2010,
65984:
Die Befangenheit des Sachverständigen kann sich nicht da­
raus ergeben, dass er Angehörigen der von ihm zu untersuchenden Person nicht die Teilnahme an der ärztlichen
Untersuchung gestattet.
(ebenso LSG Berlin-Brandenburg 5.10.2011 - L 13 SF 359/11
B, www.ju­ris.de)
BayLSG 8.2.2010 - L 2 R 513/09 B, BeckRS 2010, 67976:
Empfindet der Kläger, dem es um Rente wegen Erwerbsminderung geht, die von dem Sachverständigen im Rahmen der
neurologischen Untersuchung durchgeführte etwa zweistündige Befragung als »Verhör in der Art einer Inquisition« und als »schulmeisterliches Verhalten«, ergibt sich allein
daraus keine Befangenheit. Bestreitet der Sachverständige,
erklärt zu haben, er sei »hier der Richter«, steht Aussage
gegen Aussage, sodass Befangenheit nicht festgestellt werden kann.
OLG Bremen 10.2.2010 - 2 W 3/10, IBR 2010, 302:
Eine fachkundige Person, die vom gerichtlich bestellten
Sachverständigen als Mitarbeiter nach § 407a Abs. 2 S.
2 ZPO herangezogen worden ist, ohne selbst vom Gericht
beauftragt worden zu sein, kann nicht wegen Befangenheit
abgelehnt werden.
LSG Berlin-Brandenburg 17.2.2010 - L 31 R 1292/09 B,
BeckRS 2010, 67412:
Daraus, dass der psychiatrische Sachverständige der Ehefrau
der von ihm zu untersuchenden Partei nicht gestattet,
während der Exploration im selben Raum anwesend zu sein,
ergibt sich kein Grund für eine Ablehnung; Befangenheit
kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass der Sachverständige dieses Vorgehen nicht in seinem Gutachtentext
vermerkt hat.
OLG Naumburg 17.2.2010 - 10 W 13/10, DS 2011, 40:
Ermittlungstätigkeit des gerichtlichen Sachverständigen begründet jedenfalls dann noch keine Befangenheit,
wenn der Sachverständige in seinem Gutachten alle herangezogenen Quellen und die dabei gewonnenen Informationen offenlegt. Dass der Sachverständige es unterlassen hat,
vor der Durchführung seiner Ermittlungen dieses weitere
Vorgehen mit dem Gericht zu besprechen, ist zwar verfahrensfehlerhaft, macht ihn aber noch nicht befangen.
VGH München 9.8.2010 - 3 C 10.1594, BeckRS 2011,
47829:
Hat der gerichtliche Sachverständige davon abgesehen, zu
der medizinischen Untersuchung einen Schriftdolmetscher beizuziehen, obwohl ihm medizinische Erklärungen
dahin vorliegen, dass die zu untersuchende Person für Gespräche mit gleichzeitig mehreren Personen einen solchen
Dolmetscher benötigt, ergibt sich auch dann keine Befangenheit, wenn die medizinische Untersuchung dieser Person
mehrere Stunden gedauert hat.
OLG Köln 23.2.2011 - 2 Ws 87/11, NStZ-RR 2011, 315:
Hat der von der Strafvollstreckungskammer mit der Erstattung eines Prognosegutachtens beauftragte Sachverständige mit dem Verurteilten in einem Gespräch erörtert, was
dieser im Falle einer Entlassung zu tun beabsichtige und aus
welchem Grund bisher keine Lockerungen gewährt worden
seien, und verwendet dieser Sachverständige dann im Gutachtentext die Formulierung »Einverstanden aufgrund
eigener Untersuchung und Urteilsbildung«, begründet
dies nicht die Besorgnis der Befangenheit dahin, dass der
Sachverständige nicht die nötige Objektivität und Sorgfalt
habe walten lassen.
OLG München 11.8.2011 - 1 W 1385/11, www.juris.de:
Die unmittelbare Beiziehung von Behandlungsunterlagen durch einen Sachverständigen ohne vorherige Einschaltung des Gerichts mag auch dann fragwürdig sein,
wenn es sich um einen Drittbehandler und nicht den ver-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
klagten Arzt handelt; weil der sachverständige Arzt aber kein
Jurist ist und an ihn nicht die Maßstäbe angelegt werden
können, die für einen prozessgewandten Rechtsanwalt oder
Richter angemessen wären, ist es hinnehmbar, wenn der
Sachverständige, was aus seiner Sicht vernünftig und effizient erscheint, sich ihm erforderlich erscheinende Unterlagen
unmittelbar verschafft.
LSG Berlin-Brandenburg 5.10.2011 - 13 SF 359/11 B, www.
juris.de:
Der ärztliche Sachverständige, der sein auf Tonband aufgenommenes Gespräch mit der untersuchten Person
wörtlich in Text überträgt und dabei die von der untersuchten Person gemachten sprachlichen Fehler nicht korrigiert,
setzt diese Person nicht in einer Befangenheit begründenden
Weise der Lächerlichkeit aus, sondern sichert sorgfältig die
Befundtatsachen seiner gutachterlichen Untersuchungen.
OLG München 16.11.2011 - 1 W 1720/11, BauR 2012, 547:
Die Benutzung des für die Durchführung der Begutachtung benötigten (hier: Trocknungs-) Gerätes einer Partei
durch den gerichtlichen Sachverständigen, der dieses Gerät
vor dem Einsatz auf Funktionsfähigkeit überprüft hat, bewirkt keine Befangenheit.
OLG München 26.3.2012 - 1 W 260/12, BeckRS 2012, 7281:
Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen ergibt sich
nicht daraus, dass der Sachverständige während eines laufenden Ablehnungsverfahrens intensiv an seinem Gutachten weiterarbeitet oder dies nicht tut; das in § 47 ZPO
für den Richter betreffend den Lauf des Ablehnungsverfahrens normierte »Enthaltungsgebot« findet auf den Sachverständigen keine Anwendung.
VG Köln 29.5.2012 - 7 K 3339/11, www.justiz.nrw.de:
Teilt der gerichtliche Sachverständige betreffend ein mit
dem Prozessbevollmächtigen zum Zwecke der Terminfindung geführtes Telefonat mit, er habe diesem Prozessbevollmächtigten seine beabsichtigte testpsychologische
Zusatzuntersuchung durch einen anderen Sachver­ständigen
angekündigt, woraufhin sich der Prozessbevollmächtigte
»nicht einverstanden« erklärt habe, ergibt sich keine unrichtige und Befangenheit begründende Wiedergabe des Inhalts
dieses Gesprächs daraus, dass dieser Prozessbevollmächtigte
mitteilt, er habe in dem Telefonat »auf der persönlichen Untersuchung durch diesen Sachverständigen bestanden«.
AG Krefeld 7.7.2012 - 12 C 172/11, IfS Informationen
5/2012, 8:
Geht es um die Höhe der Vergleichsmiete betreffend ein Gebäude, dessen Alter zwischen den Parteien streitig ist, ergibt
sich daraus, dass der Sachverständige von ihm namentlich
nicht bekannt gegebene Nachbarn zu dem Alter befragt,
jedenfalls dann nicht die Annahme einer Befan­genheit, wenn
der Sachverständige seine Vorgehensweise und das Ergebnis
seiner Befragung (»nach Auskunft von Nachbarn«) in seinem
Gutachtentext offenbart.
LSG NRW 5.11.2012 - L 2 SB 320/12 B, www.justiz.nrw.de:
Benutzt der Sachverständige betreffend die Arztauswahl der
Partei die For­mulierung »Arzthopping« und legt er zusätzlich
nachvollziehbar dar, dass häufige Arztwechsel ein charakte-
ristisches Merkmal einer Schmerzerkrankung ist, handelt es
sich um einen sachbezogenen und nicht herabwürdigenden
Begriff. Befangenheit ergibt sich auch nicht daraus, dass der
Sachverständige nach der ärztlichen Untersuchung der Partei
dieser gegenüber äußerte, es sei alles nicht so schlimm,
nach ihr kämen nunmehr ernsthaft erkrankte Menschen. Diese Äußerung ergibt bloß die Wiedergabe der eigenen Meinungsbildung betreffend den Vergleich der Krankheitsschwere im Verhältnis zu anderen Personen. Anderes
müsste gelten, wenn der Sachverständige diese Äußerung
zeitlich vor der Untersuchung gebracht hätte.
LSG Berlin-Brandenburg 22.11.2012 - L 13 SF 248/12 B AB,
www.juris.de:
In einem sozialgerichtlichen Verfahren sind die vom Sachverständigen vorzunehmende Eigenannamnese des Probanden und deren Dokumen­tierung zur Begutachtung
unerlässlich, sodass der Sachverständige sich hierdurch nicht
befangen machen kann.
LSG Berlin Brandenburg 15.4.2013 - L 2 SF 79/13 B AB,
www.juris.de:
Der Sachverständige kann nicht bereits deshalb als befangen
angesehen werden, weil er das Gericht um telefonische
Rücksprache ersucht hat, insoweit handelt es sich um eine
Ausgestaltung der üblichen Zusammenarbeit zwischen dem
Sachverständigen und dem ihn hinzuziehenden Gericht.
BayLSG 4.11.2013 - L 2 SF 124/13 B, www.juris.de:
Der Sachverständige, der in einem die Gewährung von Verletztenrente zum Gegenstand habenden Rechtsstreit gerichtlich eingesetzt ist, macht sich nicht dadurch befangen, dass
er die verletzte Klägerin unter Verwendung der Ausstattung desjenigen Krankenhauses untersucht, in dem sie
im Zusammenhang mit der Betätigung als Küchenhilfe den
Unfall erlitt.
OLG Düsseldorf 10.3.2014 - I-26 W 16/13 (AktE), NZG 2014,
791:
Die erklärte Absicht eines Sachverständigen, im Rahmen seiner Begutachtung auf die Unterstützung von Hilfskräften
zurückzugreifen, stellt seine Unparteilichkeit nicht infrage.
OLG Köln 19.3.2014 - 19 W 6/14, www.ibr-online.de:
Erhebt der gerichtliche Sachverständige, der den Verdichtungsgrad und den Hohlraumgehalt einer verbauten Asphaltschicht zu begutachten hat, von sich aus, also ohne
hierzu ausdrücklich richterlich beauftragt zu sein, bisher
nicht vorgetragene Witterungsdaten, weil er die Auffassung vertritt, dass für die Beantwortung der Beweisfrage
seine Kenntnis der Außentemperaturen zur Einbauzeit, also
einbaubedingter Randbedingungen, erforderlich ist, ergibt
sich daraus keine objektive Belastungstendenz einer Partei
sondern allenfalls ein für die Frage der Befangenheit nicht
relevanter Gutachtenfehler.
3.3.3. Befangenheit bejaht
OLG Nürnberg 13.3.2006 - 5 U 3543/04, www.ibr-online.de:
Die Ablehnung eines Sachverständigen ist begründet, wenn
dieser ohne Ermächtigung durch das Gericht informationsbereite Dritte befragt, um sich die erforderlichen Anknüp-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
fungstatsachen zu verschaffen, und er nicht spätestens im
Gutachten Umstände und Ergebnis der Befragung im
einzelnen offenlegt.
(ebenso OLG Koblenz 23.1.2012 - 4 W 13/12, nicht veröffentlicht: Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen
liegt vor, wenn dieser sich Informationen von einer Partei besorgt und dies verheimlicht.)
LG Wuppertal 22.6.2006 - 6 T 320/06, VersR 2007, 1675:
Wenn der gerichtliche Sachverständige für seine Antwort auf
die Frage nach dem Zustand eines bestimmten Gegenstandes nicht eine eigene Besichtigung vornimmt, sondern
sich allein darauf beschränkt, den vorprozessual von einer
Partei eingeschalteten Privatgutachter zu dem Zustand zu
befragen, offenbart er seine Befangenheit selbst dann, wenn
in dem Beweisbeschluss auf den Zeitpunkt der Begutachtung
durch den Sachverständigen abgestellt worden ist.
(zweifelnd Ulrich Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen, 2. A., 2008 Rdn. 115)
OLG München 12.2.2007 - 1 W 818/07, DS 2007, 197:
Allein wenn eine weitere Tätigkeit des Sachverständigen im
Rechtsstreit ausgeschlossen ist, sind Befangenheitsgründe, die erst nach Abschluss der Tätigkeit des Sachverständigen entstanden sind, von vorneherein unbeachtlich.
Äußert sich ein Sachverständiger vor Verfahrensbeendigung
– anlässlich einer Fachtagung – einseitig zu dem Begutachtungsgegenstand, kann dies seinen Ausschluss wegen Befangenheit auslösen; dass er seine Erklärungen in einer vollständig anonymisierten Fassung bringt, befreit ihn nur von
Konsequenzen wegen Verletzung der Verschwiegenheitspflicht, verhindert aber nicht etwaige Befangenheit.
(ebenso OLG Zweibrücken 14.1.2008 - 1 W 61/07, IBR 2008,
188)
OLG Celle 15.5.2007 - 13 W 46/07, IBR 2007, 456:
Der Sachverständige, der in einem von dem Bauherrn gegen
den Architekten geführten selbstständigen Beweisverfahren
gerichtlich eingesetzt worden ist, kann als befangen abgelehnt werden, wenn er den antragstellenden Bauherrn mehrfach auffordert, anstelle der begehrten Feststellung des
Vorhandenseins von Baumängeln doch sofortige Beseitigung der Baumängel durch das Bauunternehmen zu
veranlassen.
OLG Düsseldorf 11.6.2007 - 21 W 19/07, DS 2008, 187:
Die Ablehnung eines von dem gerichtlichen Sachverständigen hinzu­gezo­genen Untersachverständigen kommt ausnahmsweise in Betracht, wenn der gerichtliche Sachverständige die gutachterlichen Feststellungen dieses Untersachverständigen als seine gutachterliche Äußerung ohne erkennbare eigene Prüfung an das Gericht weiterleitet.
OLG Schleswig 3.9.2008 - 16 W 91/08, IBR 2009, 1131:
Zieht ein Sachverständiger bei der Vorbereitung seines Gutachtens lediglich eine der Parteien hinzu, gibt dies regelmäßig Anlass zur Besorgnis der Befangenheit.
(ebenso OLG Karlsruhe 23.2.2010 - 14 W 37/09, IBR 2010,
1332)
OLG Koblenz 8.12.2009 - 14 W 769/09, DS 2010, 157:
Verstößt der Sachverständige gegen das Gebot, das Gutachten in eigener Person (= höchstpersönlich) zu erstatten,
kann dies einen Grund zur Ablehnung des Sachverständigen
darstellen.
(a.A. OLG Jena 14.12.2005 - 4 W 399/05, IBR 2006, 1101;
OLG Köln 24.2.2010 - 20 W 3/10, IBR 2010, 478: Verstößt
der gerichtliche Sachverständige gegen das Gebot, das
Gutachten höchstpersönlich zu erstatten, stellt dies keinen
Grund zu seiner Ablehnung als befangen dar.)
OLG Frankfurt 15.2.2010 - 8 W 7/10, MDR 2010, 652:
Führt der ärztliche Sachverständige die ärztliche Untersuchung der Prozesspartei in Anwesenheit der gegnerischen Partei oder eines Dritten durch, ohne dazu vorher
die Einwilligung der untersuchten Person einzuholen, informiert er ferner nicht die Verfahrensbevollmächtigten der
untersuchten Person und auch nicht das Gericht von dem
Unter­suchungstermin, tauscht er sich zusätzlich während der
Untersuchung mit dem gegnerischen Arzt oder seinem ärztlichen Bevollmächtigten fachlich aus, begründet dies in der
Gesamtheit der Umstände seine Befangenheit.
OLG München 14.6.2010 - 9 W 1335/10, nicht veröffentlicht:
Der nachfolgend auf einen erfolgreich als befangen abgelehnten und aus dem Verfahren ausgeschiedenen Sachverständigen gerichtlich beauftragte neue Sachverstände macht
sich befangen, wenn er von dem abgelehnten Sachverständigen die nicht in der Akte befindlichen Handauf­zeichnun­
gen dieses abgelehnten Sachverständigen anfordert;
dies gilt auch dann, wenn sich in der diesem nachfolgenden
Sachverständigen übersandten Akte ein Schreiben des abgelehnten Sachverständigen befindet, aus dem sich ergibt, dass
diese Handakten überreicht worden sind.
OLG Stuttgart 4.8.2010 - 13 W 33/10, MDR 2011, 190:
Ein Sachverständiger kann wegen Befangenheit abgelehnt
werden, wenn er zur Vorbereitung seines Ortstermins mit
der Gegenseite telefoniert und Unterlagen anfordert
und dies nicht von sich aus, sondern auf Nachfrage des Gerichts erst im gerichtlichen Anhörungstermin offenlegt.
(ebenso OLG Saarbrücken 28.7.2004 - 5 W 88/04, MDR
2005, 233; OLG Koblenz 23.1.2012 - 4 W 13/12, nicht veröffentlicht)
OLG Hamm 2.9.2010 - 4 WF 111/10, FPR 2011, 50:
Äußert der in einer Familiensache mit der Erstellung eines Gutachtens über die Erziehungsfähigkeit der Eltern
beauftragte Sachverständige gegenüber dem Vater, dieser
müsse sich schämen, er, der Sachverständige, werde sich mit
aller Kraft dafür einsetzen, dass dieses Kind zu seiner Mutter
wechseln könne, er könne nur an den Kindesvater appellieren, den Wechsel zu unterstützen, seine Empfehlung an den
Kindesvater sei, das ganze Verfahren für erledigt zu erklären
und den Antrag zurückzunehmen – dann sei Gerichtsruhe
– und zu sagen: »Herr K, helfen Sie mir, mit meiner Ex-Frau
und Mutter unseres Kindes einen glücklichen Weg zu finden.«, offenbart er seine Befangenheit.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
LG Kleve 6.10.2010 - 3 O 262/09, GesR 2011, 32:
Bezeichnet der Sachverständige in einem Schreiben die
Parteien als »Prozesshansel« und führt er zusätzlich aus, er
erleide durch seine Betätigung in dieser Sache als gerichtlicher Sachverständiger einen den Prozessstreitwert übersteigenden finanziellen Verlust, offenbart er, dass er die Anliegen
der Parteien nicht ernst nimmt und seine Gutachtertätigkeit
nur als Belastung empfindet; das genügt für seine Ablehnung als befangen.
LG Frankfurt 9.11.2010 - 2/18 O 475/08, zfs 2012, 148:
Verschweigt der Sachverständige gegenüber einer Partei,
dass er sich die Kenntnis der für sein Gutachten erforderlichen Tatsachen bei der anderen Partei verschafft
hat, begründet dies die Besorgnis der Befangenheit.
LSG NRW 2.11.2010 - L 8 R 921/10 B, BeckRS 2010, 75510:
Der in einem Verfahren wegen Bewilligung einer Erwerbsrente bestellte Sachverständige verlässt den ihm durch die Beweisanordnung gesteckten Rahmen, wenn er mit dem Kläger in der Untersuchungssituation die Frage erörtert, ob
die Einleitung oder Fortführung des Rentenverfahrens
unter psychotherapeutischen Gesichtspunkten sinnvoll
erscheint, dann legt er die seine Ablehnung als befangen
begründende Besorgnis nahe, er werde seine Entscheidung
von fachfremden, nämlich therapeutischen, Gesichtspunkten abhängig machen.
OLG Köln 13.12.2010 - 11 W 83/10, IBR 2011, 1088:
Führt der Sachverständige ein Telefonat mit einer Partei
oder einer im Lager der Partei stehenden Person, kann
dies Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn diese
Gespräche nicht offengelegt werden oder in ihnen der Inhalt
des noch zu fertigenden Gutachtens erörtert wird.
BGH 14.4.2011 - 1 StR 458/10, wistra 2011, 335:
Teilt der gerichtliche Sachverständige dem vom Angeklagten
beauftragten Privatsachverständigen schriftlich mit: »In diesem Zusammenhang ist es vielleicht noch hilfreich zu wissen,
dass Herr S. [Verteidiger des Angeklagten H.] früher durch
Anlagebetrüger geschädigte Privatpersonen in Zivilverfahren vertreten hat, inzwischen jedoch die Seiten gewechselt
hat und seit einiger Zeit potenzielle, zum Teil bandenmäßige
Diamant-Anlagebetrüger verteidigt.«, ergibt sich aus diesen
Formulierungen seine Befangenheit.
OLG Naumburg 14.9.2011 - 4 WF 51/11, FamRZ 2012, 657:
In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, begründet
der Umstand, dass der Sachverständige, ohne hierzu durch
das Gericht gemäß § 163 Abs. 2 FamFG (Herstellung des Einvernehmens) beauftragt worden zu sein, die Begutachtung
auf der Grundlage eines lösungsorientierten Ansatzes
verfolgt, für diesen die Besorgnis der Befangenheit.
OLG Koblenz 24.5.2012 -2 U 1179/09, MDR 2012, 994:
Hat der Sachverständige von einer Partei ihm übergebene Unterlagen (Schriftverkehr, Arztberichte) verwertet und
zum Gegenstand des Gutachtens gemacht, ohne den Erhalt
dieser Unterlagen dem Gericht und der gegnerischen Partei
unverzüglich vorab zu offenbaren, und ihr damit die Möglichkeit genommen, sich vor Abschluss des Gutachtens mit
der umfangreichen Zusatzakte (hier: 316 Seiten) auseinan-
derzusetzen und bestehende Einwände vorzutragen, stellt
dies eine die Ablehnung als befangen rechtfertigende Verletzung des rechtlichen Gehörs der anderen Partei dar.
OLG Stuttgart 14.1.2014 - 10 W 43/13, IBR 2014, 312:
Ein Sachverständiger setzt sich der Besorgnis der Befangenheit aus, wenn er einer Partei nicht offenbart, dass er
bestimmte Unterlagen für die Erfüllung seines Gutachtenauftrags von der anderen Partei herangezogen und,
wenn auch nur zur Überprüfung der Prämissen seines Hauptgutachtens, verwertet hat.
3.3.4. Speziell: Ortstermin des Sachverständigen
OLG Hamburg 26.6.1998 - 2 W 48/98, OLGR 1998, 422:
Ein gerichtlicher Sachverständiger ist nicht ohne Weiteres
deshalb befangen, weil er die von ihm zu treffenden Feststellungen in der Weise vorbereitet hat, dass er sich die für die
Erstellung seines Gutachtens erforderlichen Kenntnisse ohne
Anwesenheit der Parteien, wenn auch im räumlichen Bereich
einer von ihnen, verschafft hat.
LG Göttingen 20.8.1999 - 10 T 410/98, NdsRpfl 2000, 107:
Holt ein gerichtlicher Sachverständiger die zu begutachtende
Sache bei einer Partei ab, ohne der anderen Partei Gelegenheit zu geben, bei der Abholung anwesend zu sein, begründet dies allein noch nicht seine Ablehnung als befangen.
LG Dessau 30.9.2003 - 4 O 401/03, WuM 2008, 304:
Lehnt der gerichtliche Sachverständige den Antrag auf
Verlegung des von ihm bestimmten Termins einer Ortsbesichtigung ab, weil er das Verfahren beschleunigen will,
liegt jedenfalls dann keine Befangenheit vor, wenn sich seine
Tätigkeit allein auf die Besichtigung der Örtlichkeit beschränken wird und insbesondere nicht erforderlich ist, die Parteien
vor Ort zu befragen.
(ebenso AG Rheinberg 31.8.2004 - 13 C 6/04, WuM 2004,
739)
OLG München 4.7.2005 - 1 W 1010/05, VersR 2006, 1709:
Die ärztliche Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen ist aus Gründen des gegenüber dem Teilnahmerecht höherwertigen Schutzes der Persönlichkeitsrechte
grundsätzlich nicht parteiöffentlich, sodass die Nicht-Mitteilung des Termins dieser Untersuchung an Prozessparteien nicht Befangenheit rechtfertigt.
(Gleiches gilt betreffend technische Untersuchungen durch
den Sachverständigen, die dieser nur in Abwesenheit von
Personen durchführen kann, oder betreffend die davon ausgegangen werden kann, dass bei der Partei kein Interesse an
der Teilnahme besteht.)
OLG Stuttgart 19.12.2005 - 3 U 28/05, MDR 2006, 889:
Ein Sachverständiger macht sich nicht dadurch befangen,
dass er mit der Partei, die den zu begutachtenden Gegenstand in ihrem Besitz hat, vereinbart, diesen Gegenstand zur
Durchführung der Begutachtung an einem bestimmten
Tag ihm anzuliefern, und diesen Termin nicht der anderen
Partei vorweg mitteilt.
OLG Naumburg 21.12.2005 - 10 W 71/05, BauR 2006, 1345:
Erlangt ein gerichtlicher Sachverständiger im Rahmen des
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Ortstermins Kenntnis von möglichen weiteren mangelhaften Bauleistungen einer Partei, die nicht Gegenstand
des Verfahrens sind, und teilt er diesen Verdacht zur Akte
mit, ergibt dies nicht Befangenheit.
(zweifelnd Ulrich Selbständiges Beweisverfahren mit Sachverständigen, 2. A. 2008, Rdn. 121)
OLG Koblenz 17.3.2006 - 4 W 128/0846, IBR 2006, 1498:
Anhaltspunkte für Bedenken an der Unbefangenheit des gerichtlichen Sachverständigen ergeben sich nicht daraus, dass
dieser während seiner unter widrigen Witterungsverhältnissen
im Freien durchgeführten Ortsbesichtigung eine gemeinsame
Aufwärmpause in einem nahen Bistro einlegt, zu der ihn
trotz seiner Aufforderung nicht alle Parteivertreter begleiten.
OLG Düsseldorf 20.3.2006 - 5 U 151/04, IBR 2006, 1499:
Besichtigt der Sachverständige vorweg ein Referenzobjekt,
stellt dies keinen Ortstermin des Sachverständigen dar, sodass den Parteien diese Besichtigung nicht vorweg mitgeteilt
zu werden braucht und die Nichtmitteilung auch nicht Befangenheit rechtfertigt.
OLG Nürnberg 4.7.2006 - 4 U 535/05, MDR 2007, 237:
Das Unterlassen der Benachrichtigung beider Parteien
von einer dann ohne die Parteien durchgeführten Ortsbesichtigung rechtfertigt nicht die Ablehnung des Sachverständigen, denn dadurch bevorzugt der Sachverständige keine
Partei gegenüber der anderen.
(ebenso OLG Karlsruhe 16.12.2008 - 8 W 57/08, BauR
2009, 551; OVG Mecklenburg-Vorpommern 22.4.2009 - 2
L 360/02, IBR 2010, 1060; OLG Frankfurt 7.12.2012 - 5 U
95/09, www.ibr-online.de)
OLG Brandenburg 19.12.2006 - 12 W 26/06, www.juris.de:
Aus Gründen der Missachtung der Waffengleichheit und
Verletzung des fairen Verfahrens kann Befangenheit des
Sachverständigen gegeben sein, wenn dieser einen mit allen
Parteien verabredeten Ortstermin auf den Antrag einer Partei
verschiebt und den Termin ungeachtet des Verlegungsantrags der anderen Partei durchzieht.
OLG Celle 22.1.2007 - 13 W 101/06, BauR 2007, 270:
Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ist berechtigt, wenn dieser, nachdem er eine Partei zu dem von
ihm durchgeführten Ortstermin nicht geladen hat, auf den
Hinweis des Gerichts, es sei zu erwägen, einen erneuten
Ortstermin mit den Parteien durchzuführen, erklärt, eine
Wiederholung des Ortstermins werde zu keinem anderen Ergebnis führen, es sei »abwegig«, das vorliegende
Gutachten infrage zu stellen und gänzlich zu verwerfen.
OLG Saarbrücken 27.4.2007 - 5 W 104/07, IBR 2007, 586:
Für die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit des
gerichtlichen Sachverständigen genügt, dass dieser den
Orts­termin ohne eine dem Antragsgegner ermöglichte
Mitwirkung durchführt; dies erweckt nämlich den Anschein
der Parteilichkeit. Dabei ist unerheblich, ob der Ausschluss
der Partei auf einer unterlassenen Ladung oder darauf beruht, dass der Sachverständige zu der Terminsstunde die Parteien nicht antrifft und er ohne angemessenes Zuwarten
oder Rückfrage den Ortstermin durchführt.
(a.A. OLG Celle 8.10.2003 - 2 W 106/03, www.ibr-online.
de: Ein gerichtlicher Sachverständiger kann nicht deshalb als
befangen abgelehnt werden, weil er zwar die Prozessbevollmächtigten der Klägerseite und eines Beklagten von dem
Ortstermin, versehentlich aber nicht die Prozessbevollmächtigten des zweiten Beklagten von seinem beabsichtigten Ortstermin informiert hat und dann ohne den
zweiten Beklagten oder seinen Prozessbevollmächtigten seine Besichtigung durchführt. OLG Hamburg 31.3.2004 - 14
W 19/04, IBR 2004, 443: Der gerichtliche Sachverständige ist
nicht allein durch die unterbliebene Ladung eines Beteiligten
als befangen zu betrachten; er ist nicht verpflichtet, während seines Ortstermins die ordnungsgemäße Ladung der
ausbleibenden Partei zu prüfen. OLG Hamburg 11.4.2013
- 6 W 73/12, IBR 2013, 779: Ein Sachverständiger kann befangen sein, wenn er zum Ortstermin nicht alle Parteien
einlädt; Befangenheit liegt aber nicht vor, wenn der Sachverständige die Einladung aller Parteien veranlasst hat, diese
Unterrichtung aber tatsächlich nicht angekommen ist.)
OLG Brandenburg 8.4.2008 - 12 W 9/08, DS 2008, 275:
In der Ablehnung eines mit Begründung versehenen
Antrags auf Verschiebung des von dem Sachverständigen bestimmten Ortstermins kann die willkürliche Benachteiligung einer Partei nur dann gesehen werden, wenn
keinerlei sachlicher Grund für das Beibehalten des Ortstermins ersichtlich ist; ergibt sich aber einige Gefahr im Verzuge
im Hinblick auf die unveränderte Verfügbarkeit des Beweisobjektes, bewirkt die damit begründete Verweigerung der
weiteren Terminverschiebung keine Befangenheit.
OLG Hamm 11.4.2008 - 32 W 8/08, IBR 2008, 1234:
Nimmt der bisherige gerichtliche Sachverständige auf Veranlassung einer Prozesspartei an einem von dem gerichtlich
gemäß § 412 Abs. 1 ZPO bestellten anderen Sachverständigen anberaumten Ortstermin teil, lässt allein dies
nicht auf Befangenheit des Erst-Sachverständigen schließen
LG Kiel 14.11.2008 - 9 OH 7/08, IBR 2009, 1067:
Besichtigt und fotografiert der gerichtliche Sachverständige in einem Ortstermin einen nicht von dem Beweisbeschluss erfassten Gegen­stand und äußert er auf die Frage
eines Rechtsanwaltes, warum er diese Fotos nehme, nur:
»Das ist mein Ortstermin, und ich entscheide, was ich
tue!«, begründet dies noch keine Befangenheit des Sachverständigen. Befangenheit ergibt sich auch nicht daraus,
dass der Sachverständige es ablehnt, einen im Ortstermin
dann gebrachten Befangenheitsantrag einschließlich
der Begründung zu protokollieren.
(bestätigende Beschwerdeentscheidung: OLG Schleswig
8.1.2009 - 16 W 150/08, IBR 2009, 1185)
OLG Karlsruhe 16.12.2008 - 8 W 57/08, BauR 2009, 551:
Eine Ortsbesichtigung des Sachverständigen ohne Einladung der Parteien und gemeinsam mit dem Verfasser einer
wissenschaftlichen Veröffentlichung, auf die eine Partei im
Rahmen eines Ergänzungsantrags Angriffe gegen das Gutachten des Sachverständigen gestützt hat, ist dem Bereich
der zulässigen wissenschaftlichen Recherche zuzuordnen;
ein solches Vorgehen rechtfertigt nicht die Annahme seiner
Befangenheit.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Frankfurt 19.1.2009 - 19 W 66/08, OLGR 2009, 573:
Führt ein Sachverständiger seine Ortsbesichtigung ohne
Benachrich­ti­gung der Parteien sowie deren Rechtsanwälte,
aber in Anwesenheit einer Prozesspartei durch, kann er
wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
(ebenso OLG Koblenz 27.2.2009 - 4 W 121/09, www.ibr-online.de; OLG Bremen 6.7.2009 - 3 U 6/07, BauR 2009, 1942;
LG Bad Kreuz­nach 8.10.2009 - 3 OH 7/08, www.ibr-online.
de; OLG Koblenz 8.12.2009 - 14 W 769/09, DS 2010, 157;
KG 3.9.2010 - 15 W 34/10, IBR 2011, 1158; OLG Saarbrü­
cken 18.12.2012 - 5 W 430/12, IBR 2013, 186)
OLG Celle 9.2.2009 - 16 W 5/09, BauR 2009, 1007:
Ein Sachverständiger, der glaubhaft darlegt, dass er Termin­
benach­richti­gun­gen an die beteiligten Rechtsanwälte betreffend seinen Ortstermin zur Post gegeben hat, kann nicht deshalb erfolgreich als befangen abgelehnt werden, weil bei den
Rechtsanwälten solche Ladungen nicht angekommen sind.
LG Stuttgart 20.3.2009 - 12 O 53/07/OLG Stuttgart 7.4.2009
- 6 W 21/09, IfS Informationen 5/2010, 12:
Spricht der Sachverständige den Termin zur Objektbesichtigung mit einer Partei ab und ergibt sich aus seiner
Korrespondenz mit der anderen Partei nichts dafür, dass er
an dem Termin festhalten wird, wenn diese andere Partei an
der Teilnahme verhindert ist, ergibt sich daraus keine Befangenheit.
OLG Dresden 29.6.2009 - 6 W 394/09, BauR 2010, 667:
Kann der Sachverständige die ihm aufgegebenen Messungen nur bei bestimmten Witterungsverhältnissen vornehmen, braucht er einen auf Bitten einer Partei bereits einmal
verlegten Termin nicht deshalb erneut zu verlegen, weil nun
der Verfahrensbevollmächtigte der anderen Partei vorträgt,
zu dieser jetzt bestimmten frühen Terminstunde seine Kinder zur Schule bringen zu müssen; die Verweigerung der
Terminverlegung genügt dann nicht für die Annahme der
Befangenheit.
OLG Hamm 10.11.2009 - 1 W 53/09, nicht veröffentlicht:
Führt der gerichtliche Sachverständige auf dem Betriebsgelände einer Partei einen von ihm dann in der Uhrzeit vorverlegten Ortstermin durch, ohne diese Vorverlegung
den Parteien bzw. ihren Verfahrensbevollmächtigten
rechtzeitig bekannt gegeben zu haben, belegt dies seine
Befangenheit.
OLG Rostock 27.5.2010 - 3 W 99/09, BeckRS 2010, 22988:
Verbindet der Sachverständige die Mitteilung des Ortstermins an die Prozessbevollmächtigten mit der Bitte, ihm diesen Termin zu bestätigen, und führt er dann den Termin in
Anwesenheit einer Partei und in Abwesenheit des Prozessbevollmächtigten der anderen Partei durch, von dem er keine
Terminbestätigung erhalten hat, kann dies die Annahme der
Befangenheit rechtfertigen; denn aufgrund des missverständlichen Inhaltes seiner konkreten Termin­
ladung
musste der Sachverständige berücksichtigen, dass der fehlende Prozessbevollmächtigte davon ausging, der Termin
werde nur im Falle der Terminbestätigung stattfinden. Es ist
nicht die Aufgabe des Sachverständigen, das Verfahren unter Beschneidung der Parteirechte hinsichtlich der Teilnahme
am Ortstermin zu beschleunigen.
KG 3.8.2010 - 15 W 34/10, BauR 2011, 1217:
Der Ortstermin des Sachverständigen ohne Benachrichtigung der Parteien und ohne deren Teilnahme kann die
Besorgnis der Befangenheit nicht begründen; etwas anderes
mag gelten, wenn eine Partei dem Sachverständigen nicht
nur den Zutritt gewährt, sondern am Ortstermin teilnimmt.
LG Dessau-Roßlau 17.3.2011 - 1 T 19/11, IBR 2012, 1282:
Unterzeichnet der Sachverständige seine Einladung zu der
Ortsbesichtigung (einer Immobilie in einer Zwangsversteigerungssache) nicht höchstpersönlich, belegt dies ebensowenig seine Befangenheit wie der Umstand, dass diese
Einladung den Parteien am 24. Dezember zugeht; denn ein
»Grundsatz des Weihnachtsfriedens« findet sich betreffend
forensische Verfahren nicht, im Übrigen darf der Sachverständige für die Durchführung seiner Einladungen zum Ortstermin Hilfskräfte heranziehen.
OLG Köln 23.2.2011 - 2 Ws 87/11, NStZ-RR 2011, 315:
Hat der in der Strafvollstreckungssache mit der Erstellung eines Prog­nose­gut­achtens gerichtlich beauftragte Sachverständige mit dem Verurteilten ein persönliches Gespräch geführt
und dann auf den von einem Mitarbeiter erstellten Gutachtentext den Vermerk »einverstanden aufgrund eigener
Untersuchung« gesetzt, ergibt dies keine Befangenheit.
AG Geilenkirchen 14.4.2011 - 10 C 83/10, IBR 2012, 1046:
Die Benutzung der Toilette im Hausmeisterbüro einer der
Verfahrensparteien und das dortige Aufwärmen rechtfertigen
keine Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen.
KG 25.7.2011 - 15 W 51711, BauR 2012, 536:
Der Sachverständige setzt sich grundsätzlich dem Vorwurf
der Parteilichkeit aus, wenn er zu einem Thema, das außerhalb des Gutachtenauftrags liegt, fachliche Feststellungen
trifft und damit das Beweisthema eigenmächtig ausweitet; diese Situation ist aber durchweg noch nicht gegeben,
wenn der Sachverständige nur mutmaßt, dass ein weiterer
Mangel gegeben sein könnte (»Es sieht so aus, als ob auch
die Versiegelung des Parketts mangelhaft ist.«).
OLG Karlsruhe 3.8.2011 - 14 W 18/11, www.ibr-online.de:
Äußert der gerichtliche Sachverständige im Verlaufe des von
ihm durchgeführten Ortstermins, in dem er Feststellungen zu
streitigen Bauschäden feststellen soll, gegenüber einer auch
noch während dieses Ortstermins das Vorhandensein von
Bauschäden vehement bestreitenden Partei wörtlich, diese
könne »nicht alles wegschwätzen« und außerdem »Was
glauben Sie eigentlich, warum hier zwei Verfahren
angestrengt werden?«, offenbart er seine Befangenheit;
denn diese Äußerungen können so verstanden werden, dass
er den Bestreitenseinwand ohne eigene Prüfung von vorneherein verwirft.
OLG Saarbrücken 16.8.2011 - 5 W 189/11, IBR 2011, 674:
Die Durchführung eines Ortstermins in Anwesenheit nur
einer der Parteien kann die Besorgnis der Befangenheit des
Sachverständigen begründen; das gilt allerdings nicht in dem
Sonderfall, dass der Sachverständige in einer Eilsituation
die Prozessbevollmächtigten kurzfristig vom Ortstermin unterrichtet hatte und davon ausgehen konnte, dass die nicht
anwesende Partei kein Interesse an der Teilnahme habe.
| 22
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
OLG München 16.11.2011 - 1 W 1720/11, BauR 2012, 547:
Es ist Sinn und Zweck eines Ortstermins, dass der Sachverständige an die Beteiligten die für die Erstellung seines Gutachtens und insbesondere zur Durchführung des Ortstermins erforderlichen Fragen stellt. Wenn er dann die eine
oder andere Antwort auf seine Fragen für zutreffend hält und
entsprechend den Auskünften den Ortstermin durchführt, ist
das nicht zu beanstanden; ohne Benennung konkreter Äußerungen und allein aufgrund des Gefühls, der Sachverständige sei nur den Angaben der Gegenseite gefolgt, ergibt sich
keine Befangenheit.
OLG Bremen 9.1.2012 - 3 W 28/11, DS 2012, 129:
Es liegt nur ein - grundsätzlich zur Unverwertbarkeit des
Gutachtens führender - Verfahrensfehler und kein Befangenheitsgrund vor, wenn der Sachverständige einen Ortstermin
in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten einer Partei
den Parteien und ihren Verfahrensbevollmäch­
tigten
nicht bekannt gibt und es auch sonst nicht zu einer Kontaktaufnahme während des Ortstermins gekommen ist.
OLG Stuttgart 12.6.2012 - 10 W 19/12, IBR 2012, 679:
Ein Verfahrensfehler des Sachverständigen rechtfertigt nicht
ohne Weiteres die Besorgnis seiner Befangenheit. Erforderlich ist vielmehr, dass sich durch die Art oder Häufung von
Verfahrensfehlern zum Nachteil einer Partei bei einer vernünftigen und besonnenen Partei der Eindruck unsachlicher
Einstellung oder willkürlichen Verhaltens des abgelehnten
Sachverständigen ergibt. Die Besorgnis der Befangenheit besteht deshalb nicht, wenn der Sachverständige einen Ortstermin in öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten einer
Partei den Parteien bzw. ihren Verfahrensbevollmächtigten nicht bekannt gibt und es auch insoweit nicht zu
einer Kontaktaufnahme während des Ortstermins gekommen ist.
(bestätigend BGH 11.4.2013 - VII ZB 32/12, IBR 2013, 381)
OLG Saarbrücken 18.12.2012 - 5 W 430/12, IBR 2013, 186:
Für die vom gerichtlichen Sachverständigen in entsprechender Anwendung des § 357 ZPO zu beachtende Parteiöffent­
lichkeit macht es keinen Unterschied, ob der Sachverständige einen offiziellen oder einen inoffiziellen Ortstermin
durchführt; auch vorbereitende Feststellungen des Sachverständigen zu seiner Information müssen entweder unter
Ausschluss oder unter Einbeziehung der Parteien stattfinden.
OLG Hamburg 11.4.2013 - 6 W 73/12, IBR 2013, 779:
Der Umstand, dass der Sachverständige den Ortstermin zunächst mit dem Kläger persönlich vereinbart hat, ist grundsätzlich nicht geeignet, Bedenken gegen die Unparteilichkeit
zu rechtfertigen; denn bei einem Ortstermin ist erforderlich,
den Zugang zu dem zu untersuchenden Objekt zu erhalten;
insoweit ist eine terminliche Abstimmung persönlich mit
demjenigen, der den Zugang gewährleisten kann, in jedem
Fall sinnvoll. Das entbindet nicht von der Pflicht, die gegnerische Partei von dem Ortstermin zu informieren; Befangenheit ergibt sich nicht daraus, dass diese Information bloß an
den Verfahrensbevollmächtigten gerichtet worden ist.
OLG Saarbrücken 8.7.2013 - 5 W 64/13, IBR 2013, 713:
Der Sachverständige, der einen Ortstermin durchführt, ob-
wohl eine Partei der Gegenseite den Zutritt zum Terminort
verweigert, kann mit Erfolg als befangen abgelehnt werden.
BayLSG 20.11.2013 - L 2 SF 155/12 B, www.gesetze-bayern.
de:
Die Entscheidung des medizinischen (hier: psychiatrischen)
Sachverständigen, dem Ehegatten der untersuchten Person die Anwesenheit während seiner Untersuchung
nicht zu gestatten, beruht auf einer in dem fachlichen Ermessen des Sachverständigen liegenden Entscheidung; diese
Entscheidung beinhaltet die Antwort auf eine medizinisch
fachliche Frage, die allein kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigt.
LG Krefeld 4.4.2014 - 3 O 358/12, IfS Informationen 2/2014,
10:
Äußert der Sachverständige im Verlaufe des Ortstermins,
es sei ihm überlassen, welche (Befund-)Tatsachen er in
seinem Gutachten berücksichtige, bringt er damit gerade
nicht zum Ausdruck, dass er maßgebliche Umstände nicht
berücksichtigen wird, sondern verweist er bei verständiger
Würdigung lediglich auf den Inhalt seines noch zu erstellendes Gutachtens.
3.4. Inhalt der gutachterlichen Äußerung
3.4.1. Grundsätze
LG Mühlhausen 11.1.2008 - 6 O 413/06, www.juris.de:
Unzulänglichkeiten und Fehler des Gutachtens rechtfertigen ebenso wie ein für eine Partei ungünstiges Ergebnis
nicht die Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis
der Befangenheit, es sei denn, es treten Umstände hinzu,
die darauf schließen lassen, dass diese Mängel auf Voreingenommenheit gegenüber einer Seite beruhen.
(ebenso OLG Schleswig 6.10.2008 - 16 W 112/08, IBR 2009,
1183; OLG München 18.11.2011 - 1 W 1768/11, BauR
2012, 547)
OLG Köln 4.12.2009 - 5 W 26/09, www.juris.de:
Behandelt ein Sachverständiger streitige Tatsachen als unstreitig oder erwiesen, rechtfertigt dies grundsätzlich seine
Befangenheit. Das gilt aber nicht betreffend den ärztlichen
Sachverständigen, der sich an dem Inhalt der Behandlungsunterlagen orientiert; denn insoweit ist für den Leser erkennbar, dass der Sachverständige sich betreffend diese Tatsachen
nicht endgültig festlegen will; hinzu kommt, dass in Arzthaftungsprozessen dem Inhalt der Behandlungsunterlagen
regelmäßig vertraut werden darf.
(ebenso OLG Hamm 18.8.2011 - 1 W 50/11, MedR 2012,
109)
OLG Dresden 14.1.2010 - 4 W 20/10, www.ibr-online.de:
Eine für eine Partei ungünstige Beurteilung durch den
Sachverständigen kann jedenfalls dann nicht als einseitig
zu ihren Lasten qualifiziert werden, wenn der Sachverständige hierdurch den Boden einer sachlichen Auseinandersetzung nicht verlässt.
| 23
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
BayLSG 5.4.2011 - L 2 SF 307/10 B, BeckRS 2011, 74086:
Voreingenommenheit eines Sachverständigen ergibt sich
nicht daraus, dass dieser eine von der Meinung anderer
in dieser Sache eingeschaltet gewesenen Sachverständigen abweichende Meinung vertritt; anderes gilt, wenn
der Sachverständige aus erkennbar unsachlichen Motiven eine Einzelmeinung vertritt.
(ebenso BayLSG 5.4.2011 - L 2 SF 307/10 B, www.juris.de)
OLG Hamm 2.12.2011 - 1 W 111/11, IfS Informationen
3/2012, 45:
Rechtsausführungen des gerichtlichen Sachverständigen, die erkennbar der Erläuterung der von ihm angewandten Methoden dienen sollen, sind nicht geeignet, die
Besorgnis seiner Befangenheit zu begründen. Allein wenn
der gerichtliche Sachverständige versucht, mit seinen Rechtsausführungen anstelle des Gerichts rechtliche Fragen zu beantworten, kann sich aus Rechtsausführungen des Sachverständigen Befangenheit ergeben.
(ebenso OLG Brandenburg 20.3.2013 - 12 W 1/13, IBR 2013,
499)
BGH 11.4.2013 - VII ZB 32/12, IBR 2013, 381:
Ob die Überschreitung des Gutachterauftrags geeignet
ist, bei einer Partei bei vernünftiger Betrachtung die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen,
ist einer schematischen Betrachtungsweise nicht zugänglich,
sondern kann nur aufgrund des jeweiligen Einzelfalls entschieden werden.
(ebenso OLG Bremen 11.8.2014 - 5 W 26/14, www.ibr-online.de: Das Ablehnungsgesuch ist nicht begründet, wenn
die Antworten des Sachverständigen mit einer zwar weiten,
aber noch zulässigen Interpretation der Fragestellungen des
Beweisbeschlusses vereinbar sind.
OLG Karlsruhe 4.9.2013 - 9 W 28/13, IBR 2014, 381:
Beruht die Überschreitung des Gutachtenauftrags da­
rauf, dass der Sachverständige die Beweisfragen erkennbar
missverstanden hat, ergibt dies keine Befangenheit; anderes
ist der Fall, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass
der Sachverständige aus eigenem »Gerechtigkeitsempfinden« heraus einer Partei »helfen« will und deshalb die Überschreitung vornimmt.
3.4.2. Befangenheit verneint
OLG Dresden 17.9.2003 - 11 W 1062/03, BauR 2004, 1337:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige eine objektiv
vorhandene Mängelerscheinung, deren Vorhandensein
ein verständiger Mensch nicht ernsthaft bestreiten kann als
»unstreitig«, stellt dies keinen Befangenheitsgrund dar.
OLG München 4.7.2005 - 1 W 1010/05, VersR 2006, 1709:
Daraus, dass der Sachverständige einige bestrittene Behauptungen nicht unter dem Gliederungspunkt »Klagen der Patientin«, sondern unter »Vorgeschichte« mitteilt, ergibt sich
noch keine Befangenheit, wenn in seinen weiteren Ausführungen klar wird, dass es sich um einseitiges Vorbringen handelt.
OLG Celle 12.10.2005 - 14 W 31/05, IBR 2006, 64:
Beschränken sich die rechtlichen Ausführungen des insoweit
gerichtlich nicht befragten Sachverständigen auf die Wiedergabe des Inhaltes einer VOB-Regelung sowie darauf, dass
seiner rechtlichen Ansicht nach die Leistungsbeschreibung
den in dieser VOB-Regelung genannten Anfor­
de­
run­
gen
nicht entspricht, begründet dies noch keine Befangenheit.
OLG Naumburg 10.10.2006 - 10 W 72/06, OLGR 2007, 376:
Vermeintliche Unzulänglichkeiten des Gutachtens, vermeintliche fehlende Fortbildung und/oder behauptete
fachliche Unkenntnis des Sachverständigen treffen beide
Parteien in gleicher Weise; sie können lediglich dazu führen,
dass die Ergänzung oder Erläuterung des Gutachtens erforderlich wird, eine Ablehnung des Sachverständigen als befangen rechtfertigen sie grundsätzlich nicht.
(ebenso OVG Berlin-Brandenburg 21.5.2007 - 4 L 17.05,
www.juris.de; OLG Köln 26.7.2007 - 2 W 58/07, OLGR
2008, 361; OLG Saarbrücken 17.10.2007 - 5 W 255/07,
IBR 2008, 55; OLG Celle 29.11.2007 - 5 W 103/07, BauR
2008, 1187; OLG Koblenz 27.2.2009 - 4 W 121/09, www.
ibr-online.de; OLG Schleswig 30.9.2009 - 16 W 109/09,
IBR 2010, 1038; BayLSG 6.4.2009 - L 2 B 385/08 V, BeckRS
2009, 66928; BayLSG 1.9.2009 - L 2 B 1015/08 U, IBR 2010,
365; LG Bielefeld 9.12.2009 - 3 O 557/04, IBR 2011, 1024;
BayLSG 1.2.2010 - L 2 R 663/09 B, BeckRS 2010, 67977;
BayLSG 8.2.2010 - L 2 U 201/09 B, BeckRS 2010, 67978;
LG Heidelberg 15.2.2010 - 7 OH 12/05, www.ibr-online.
de; LG München I 9.9.2010 - 13 T 8628/10, DWW 2011,
15; AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09, WuM
2010, 639; OLG Köln 8.11.2010 -19 W 33/10, BauR 2011,
1061; BayLSG 10.2.2011 - L 2 R 1025/10 B, www.juris.de;
OLG München 14.2.2011 - 1 W 211/11, MedR 2011, 281;
BayLSG 7.4.2011 - L 2 SF 43/11 B, www.juris.de; AG Geilenkirchen 14.4.2011 - 10 C 83/10, IBR 2012, 1046; BayLSG
10.5.2011 - L 2 SF 44/11 B, www.juris.de; BayLSG 13.7.2011
- L 2 KR 37/11 B. BeckRS 2011, 76501; BGH 27.9.2011 - X
ZR 142/08, NJW-RR 2011, 1555; BayLSG 2.11.2011 - L 2 U
226/11 B, www.juris.de; BayLSG 14.2.2012 - L 2 U 399/11 B,
www.juris.de; OLG Köln 25.7.2012 - 19 W 17/12, IBR 2012,
742; LSG Berlin-Brandenburg 23.8.2012 - L 27 P 42/12 B AB,
www.juris.de; AG Neuss 6.12.2012 - 75 C 805/12, IfS Informationen 3/2013, 8; LSG Berlin-Brandenburg 22.1.2013 - L
13 SF 248/12 B AB, www.juris.de; OLG Koblenz 24.1.2013
- 4 W 645/12, GuG 2014, 51; OLG Celle 23.3.2013 - 10 WF
372/10, GuG 2013, 383; LSG Berlin-Brandenburg 12.6.2013
- L 13 SF 51/13 B AB, www.juris.de; BayLSG 24.9.2013 - L 2
SF 98/13 B, www.juris.de; LSG NRW 11.10.2013 - L 11 KR
423/13 B, www justiz.nrw.de; OLG Brandenburg 18.11.2013
- 11 W 47/13, www.juris.de; OLG Düsseldorf 10.3.2014 I-26 16/13 (AktE), NZG 2014, 791; LG Krefeld 4.4.2014 - 3
O 358/12, IfS Informationen 2/2014, 10; BayLSG 29.4.2014
- L 15 SF 60/14 AB, www.gesetze-bayern.de; BayLSG
10.6.20114 - L 2 SF 50/14 AB, BeckRS 2014, 70238)
OLG München 13.4.2007 - 1 W 1194/07, BeckRS 2007,
06673:
Wie weitgehend ein Sachverhalt bestritten ist und wie ein juristischer Vortrag zu verstehen ist, ist häufig auch unter Juristen nicht eindeutig; diesbezügliche Missverständnisse oder
Fehler des Sachverständigen, der nicht Jurist ist, rechtfertigen nicht ohne Weiteres die Besorgnis seiner Befangenheit.
(ebenso AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09,
WuM 2010, 639)
| 24
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
OLG München 23.8.2007 - 1 W 1717/07, BeckRS 2007,
14746:
Die Tatsache, dass sich der gerichtliche Sachverständige nicht
der Be­urteilung der Partei anschließt, ist kein Hinweis auf
seine Unparteilichkeit, sondern liegt in der Natur der Sache;
der Partei ist unbenommen, sich mit der Begutachtung über
das Anbringen von Ergänzungsfragen oder im Rahmen der
persönlichen Anhörung des Sachverständigen auseinanderzusetzen.
(ebenso AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09,
WuM 2010, 639)
OLG Frankfurt 21.11.2007 - 19 W 74/07, www.ibr-online.
de:
Beantwortet der Sachverständige Fragen des Beweisbeschlusses, die nicht an ihn gerichtet sind, und beruht dieses Verhalten offensichtlich auf einem bei ihm vorhandenen
Irrtum, ergibt dies noch keine Befangenheit.
OLG Saarbrücken 6.12.2007 - 5 W 267/07, Der Bausachverständige 4∙2008, 78:
Wird der gerichtliche Sachverständige befragt, ob die Feuchtigkeitsschäden für einen Laien erkennbar waren, und teilt er
daraufhin in seinem Gutachten mit: »Ein durch Feuchtigkeit
belasteter Kellerraum ist nicht für jeden ein entscheidender
Hinderungsgrund für den Kauf. Es muss nur vorher darüber
aufgeklärt werden.«, bewegt er sich im Bereich der – auszulegenden – Be­weis­frage und ist allein deshalb noch
nicht befangen.
LG Ansbach 11.7.2008 - 5 O 1578/00, nicht veröffentlicht
(bestätigende Beschwerdeentscheidung: OLG Nürnberg
29.10.2008 - 2 W 1845/08, nicht veröffentlicht):
Spricht der gerichtliche Sachverständige, der Angaben zu der
technischen und rechnerischen Richtigkeit von Architektenhonorarberechnungen machen soll, Rechtsfragen an, die in
einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Bearbeitung
und Auslegung dieses Beweisthemas stehen, ergibt sich da­
raus keine Befangenheit.
OLG Schleswig 4.8.2008 - 16 W 85/08, IBR 2009, 1130:
Aus vereinzelten und nicht geglückten Formulierungen
im Gutachten (»spekulativ«, »Ausforschung«) sind Zweifel
an der Unparteilichkeit und an der Unvoreingenommenheit
noch nicht abzuleiten.
OLG Bamberg 12.8.2008 - 4 W 38/08, OLGR 2008, 851:
Der Umstand, dass ein in einer Arzthaftungssache tätiger
Sachverständiger erst in seinem schriftlichen Gutachten
offenbart, dass er bestimmte – in der gutachterlichen Ausarbeitung im Einzelnen erläuterte und ausgewertete – Behandlungsunterlagen unmittelbar bei dem beklagten Arzt
angefordert hat, begründet für sich genommen noch nicht
die Besorgnis der Befangenheit.
OLG Schleswig 3.9.2008 - 16 W 91/08, IBR 2009, 1131:
Es stellt keine im Sinne einer Befangenheit bedeutsame Miss­
achtung des Neutralitätsgebotes dar, wenn ein Sachverständiger Unterlagen, die ihm eine Partei zugeleitet hat, in dem
Gutachtentext nur referiert und diese nicht auch beifügt.
OVG Mecklenburg-Vorpommern 22.4.2009 - 2 L 360/02, IBR
2010, 1060:
Ein Ablehnungsgrund ergibt sich nicht daraus, dass der Sachverständige im Gutachtentext nicht aufführt, wer an den
Untersuchungen vor Ort neben dem Sachverständigen
teilgenommen hat; denn derartige Angaben sind nicht
notwendiger Bestandteil des Gutachtens.
OLG Schleswig 25.8.2009 - 16 W 95/09, IBR 2010, 1035:
Geht der Sachverständige bei einem offen formulierten Beweisbeschluss aufgrund des Vortrags der Parteien von falschen Anknüpfungstatsachen aus, scheidet eine darauf
gestützte Ablehnung wegen Befangenheit aus.
BayLSG 1.9.2009 - L 2 B 1115/08 R, BeckRS 2009, 74555:
Die Ablehnung des Sachverständigen ist unbegründet, wenn
bloß seine aus dem Gutachten vermeintlich ersichtliche
mangelnde Qualifikation geltend gemacht wird; denn
nicht ausreichender Sorgfalt bzw. beschränkter Kompetenz
eines Sachverständigen sehen sich die Parteien grundsätzlich in gleicher Weise ausgesetzt; eine Voreingenommenheit
zuungunsten einer Partei lässt sich daraus in der Regel nicht
ableiten.
(ebenso BayLSG 1.9.2009 - 2 SF 36/09 B, BeckRS 2009,
74564; BayLSG 8.2.2010 - L 2 U 201/09 B, BeckRS 2010,
67978)
OLG Schleswig 30.9.2009 - 16 W 109/09, IBR 2010, 1038:
Gibt das Gericht dem Sachverständigen auf, er solle bei seiner Begutachtung die Erklärungen und Aussagen aus einem
Verhandlungs­
termin berücksichtigen, so liegt kein Ablehnungsgrund vor, wenn der Sachverständige diese richterliche
Vorgabe befolgt und auch eine Bewertung vornimmt.
OLG Dresden 18.12.2009 - 4 W 1282/09, GesR 2010, 136:
Wird in einem Arzthaftungsprozess die Klage sowohl auf Behandlungsfehler als auch auf die Verletzung der Aufklärungspflicht gestützt, kann die Besorgnis der Befangenheit
eines Sachverständigen nicht daraus abgeleitet werden, dass
dieser sich zu der Aufklärung äußert, obwohl die an ihn gerichtete Beweisfrage sich allein auf Behandlungsfehler bezieht.
(OLG München 21.3.2011 - 1 W 110/11, BeckRS 2011,
06707. A.A. OLG Oldenburg 13.11.2007 - 5 W 133/07,
OLGR 2008, 262; OLG München 28.4.2008 - 24 W 122/08,
GesR 2008, 502; OLG Nürnberg 6.10.2008 - 5 W 790/08,
DS 2009, 74; LG Bielefeld 30.6.2009 - 5 O 526/05, nicht
veröffentlicht; LG Nürnberg-Fürth 3.2.2011 - 11 O 9707/09,
r + s 2011, 180)
OLG Hamm 28.1.2010 - 1 W 82/09, GesR 2010, 247:
Die Mitteilung des ärztlichen Sachverständigen im Gutachten, dass der Kläger sich die Ablehnung einer vielversprechenden ärztlichen Behandlung selbst zuzuschreiben habe,
und seine zusätzliche schriftliche Formu­lie­rung, dass es
»Spekulation« sei, die Ursache dafür zu benennen, ergibt
noch keine Befangenheit.
OLG Hamm 23.3.2010 - 3 WF 43/10, FamRZ 2010, 1265:
Teilt der in einem familiengerichtlichen Verfahren eingesetzte psychologische Sachverständige in dem Gutachten
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
betreffend einen Verfahrensbeteiligten mit: »Über die Ausschöpfung rechtlicher Mittel ist es ihm gelungen, sich in aggressiver Weise durchzusetzen.«, offenbart dies nicht eine
einseitige und vorgefasste innere Einstellung gegenüber
dieser so beschriebenen Partei; nach dem Kontext ist unter
»Aggressivität« die innere Bereitschaft zu einer aktiven He­
rangehensweise mit Einschaltung von Rechtsanwalt und Gericht zu verstehen.
OLG Rostock 27.5.2010 - 3 W 99/09, BeckRS 2010, 22988:
Der Umstand, dass der Sachverständige seine Begutachtung in knapper textlicher Form bringt, ist nicht geeignet,
seine Befangenheit zu belegen; Fragen, die das Gutachten
aus Sicht der Partei noch offenlässt, können durch die Wahrnehmung der Parteirechte gem. § 411 Abs. 4 ZPO (= Ergänzung und Erläuterung des Gutachtens) beantwortet werden.
LG München I 9.9.2010 - 13 T 8628/10, DWW 2011, 15:
Verweigert der mit der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete be­auftragte gerichtliche Sachverständige die
Nennung von Namen und Anschriften der Mieter der
ansonsten bezüglich Ausstattung und Lage genau beschriebenen Vergleichswohnungen, weil er die Zustimmung dieser
Mieter dazu nicht erreichen konnte, ergibt dies nicht seine
Befangenheit.
(Gleiches dürfte für den zu üblichen Preisen befragten Sachverständigen gelten, der die Namen der dazu von ihm befragten Unternehmen nicht preisgibt, weil er mit diesen Vertraulichkeit vereinbart hat.)
OLG München 16.9.2010 - 1 W 2046/10, www.ibr-online.de:
Allein daraus, dass das schriftliche Gutachten noch Fragen
offenlässt, ergibt sich keine Befangenheit des gerichtlichen
Sachverständigen. Mängel der Begutachtung können nur
dann Befangenheit rechtfertigen, wenn sie als gegeben unterstellt nach Art und Häufung den Eindruck einer Vorein­
ge­
nom­
menheit des gerichtlichen Sachverständigen erwe­
cken.
(ebenso OLG München 14.2.2011 - 1 W 211/11, MedR
2011, 281)
AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09, WuM
2010, 639:
Verweist der Sachverständige zu einer Beweisfrage ohne eigene Prüfung auf den Vortrag einer Partei, ergibt sich jedenfalls dann kein Anhaltspunkt für seine Voreingenommenheit,
wenn ein zeitlich nach der Fassung dieser Beweisfrage von
einer Partei eingehend und substantiiert gebrachter weiterer
Vortrag der anderen Partei nicht mehr bestritten worden
ist und die Auffassung rechtfertigen konnte, dieser Beweispunkt sei nun nicht mehr streitig.
BayLSG 22.11.2010 - L 2 SF 271/10 B, BeckRS 2010, 75950:
Wie das Gutachten bzw. Einzelheiten in dem Gutachten
zu bewerten sind, obliegt dem entscheidenden Gericht im
Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung und kann nicht
in ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit vorgezogen werden.
AG Neuss 14.12.2010 - 90 C 1384/10, IfS Informationen
3/2011, 15:
Die Verwendung des Wortes »angeblich« beinhaltet nicht
zwingend, dass der Sachverständige Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussage einer Partei hat; wollte der Sachverständige mit der Verwendung dieses Wortes nur zum Ausdruck
bringen, dass nach Angaben der Partei die entsprechenden
Unterlagen nicht vorgelegen haben, ist ein Ablehnungsantrag ohne Erfolg.
OLG Brandenburg 14.12.2010 - 12 W 54/10, BeckRS 2011,
00403:
Äußert der gerichtliche Sachverständige in der mündlichen
Anhörung, dass er das Zuwarten des beklagten Arztes mit
weiterer Behandlung »sogar für kriminell« halte, und bringt
er auf die Rüge dieser Formulierung sofort eine Entschuldigung, ergibt seine dann gebrachte Formulierung: »Ich selbst
finde den Umstand, dass hier … nicht reagiert wurde, unverständlich. … Man könnte nur spekulieren, ob es schlampig
war oder einfach nur nicht gemacht wurde, oder ob ein Arzt
mit Absicht gehandelt hat.« keine Befangenheit. Insbesondere in Arzthaftungssachen ist der Gerichtssach­verständige
nämlich gehalten, Fehler und Missstände beim Namen zu
nennen und insoweit auch hinsichtlich des Ausmaßes ohne
Rücksichtnahme klar und eindeutig Stellung zu beziehen.
LG Stuttgart 17.1.2011 - 1 T 1/11, BeckRS 2011, 02314:
Wird in einer Wohnungseigentumssache der medizinische
Sachverständige gerichtlich befragt, ob der klagende Wohnungseigentümer während der Eigentümerversammlungen
der Hilfe einer Begleitperson bedarf, ergibt sich daraus, dass
dieser Sachverständige auf den Inhalt des Schwerbehinderten­
gesetzes verweist, keine Befangenheit; denn es ist zu berücksichtigen, dass diese Beweisfrage rechtliche Implikationen
aufweist und eine Beantwortung auch rechtliche Überlegungen des Sachverständigen nahelegt.
BGH 6.4.2011 - 2 StR 73/11, StraFo 2011, 274:
Unterlässt der Sachverständige die Mitteilung, woraus
die von ihm dem Gutachten zugrunde gelegten Umstände sich ergeben, begeht er einen handwerklichen formalen Fehler, der ohne zusätzliche Umstände nicht die Besorgnis der Befangenheit begründet.
OVG Hamburg 27.4.2011 - 1 So 15/11, IfS Informationen
3/2011, 9:
Daraus, dass der psychiatrische Sachverständige nicht seine
Mitschrift über den Inhalt des mit der von ihm untersuchten Person geführten Explorationsgespräches vorlegt, ergibt sich kein Schluss auf Befangenheit dieses Sachverständigen.
OLG Köln 13.7.2011 5 U 91/09, www.justiz.nrw.de:
Erklärt der betreffend behauptete Arztfehler (Vorwurf ärztlicher Behandlungs­fehler und unzureichender Risikoaufklärung im Zusammenhang mit Tetanusimpfungen) gerichtlich
eingesetzte Sachverständige bei seiner münd­lichen gerichtlichen Anhörung: »Stellen Sie sich vor, wo es hinführen würde, wenn der Arzt hier verurteilt würde. Dann würde kein
Arzt mehr impfen.«, ergibt sich daraus jedenfalls dann keine
Befangenheit, wenn er zuvor seine Sorge um den Ausbruch
von Tetanusinfektionen eingehend zum Ausdruck gebracht
und auch dargelegt hat, dass Impfungen grundsätzlich nur
geringe Risiken beinhalten; seine Aussagen müssen insgesamt gewertet werden.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Celle 8.8.2011 - 6 W 172/11, nicht veröffentlicht:
Teilt der Sachverständige in dem Gutachtentext ungefragt
mit, dass die »Pla­nungsfunktion und die daraus abgeleiteten
Anforderungen« von einer der beteiligten Parteien zu erfüllen sei, liegt in dieser einmaligen Äußerung betreffend
eine ihm nicht zustehende rechtliche Feststellung noch
kein hinreichender Befangenheitsgrund.
KG 16.8.2011 - 5 U 23/04, Magazindienst 2011, 796:
Geht es in einem Rechtsstreit um den Inhalt von Publikationen
betreffend die Wirkung ärztlicher Präparate und äußert der
Sachverständige zum Abschluss einer nachvollziehbaren und
sachlichen Begründung, die in diesen Publikationen betreffend die Wirksamkeit für die Krank­heitssituationen gezogenen
Schlüsse seien »entweder wissenschaftlich naiv oder - wenn
wie im vorliegenden Fall daraus Schlussfolgerungen für den
kranken Menschen gezogen werden - verantwortungslos«,
handelt es sich um deutlich formulierte Kritik seitens des
Sachverständigen, die Teil eine sachlich begründeten Auseinandersetzung ist und noch keine Befangenheit begründet.
OLG Köln 12.9.2011 - 5 W 28/11, IBR 2012, 53:
Ist der gerichtliche Sachverständige sachlich der Auffassung des Privatgutachters, darf er seine Übereinstimmung
in einzelnen und allen maß­geblichen Punkten zum Ausdruck
bringen, ohne hierdurch den eine Befangenheit begründenden Eindruck zu erwecken, im Lager der den Privatgutachter
beauftragenden Partei zu stehen.
LSG Berlin-Brandenburg 5.10.2011 - L 13 SF 359/11 B, www.
juris.de:
Der von der Partei aus dem abgelieferten Gutachten abgeleitete angebliche Mangel an Sachkunde des Sachverständigen kann zwar sein Gutachten entwerten, genügt aber
für sich allein noch nicht für die berechtigte Annahme der
Befangenheit.
(ebenso OVG NRW 18.9.2007 - 19 E 826/06, BeckRS 2007,
26721; OLG Naumburg 25.5.2012 - 10 U 43/11, BeckRS
2012, 21441)
BayLSG 2.11.2011 - L 2 U 226/11 B, www.juris.de:
Hat der in einem sozialgerichtlichen Verfahren eingesetzte gerichtliche Sachverständige den Auftrag zur Klärung erhalten,
ob bei dem Kläger unfallunabhängige Gesundheitsstörungen
auf neurologisch-psy­chi­atri­schem Fachgebiet bestanden, hat
er auch die Pflicht, die Biografie des Klägers einzubeziehen, sodass sich daraus die Befangenheit nicht ergibt.
OLG Köln 23.11.2011 - 5 W 40/11, GesR 2012, 172:
Ein Sachverständiger, der lediglich irrtümlich das Beweisthema
unzutreffend erfasst und deshalb ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgeht, ver­
stößt aus der Sicht
einer vernünftigen Partei nicht gegen seine Neutralitätspflicht.
OLG Köln 9.1.2012 - 5 W 43/11, IBR 2012, 1284/5:
Fehlen hinreichende richterliche Weisungen i.S.d. § 404a
Abs. 3 ZPO betreffend die Behandlung streitigen Vorbringens, rechtfertigt die Würdigung von Zeugenaussagen
durch den Sachverständigen nicht zwangsläufig seine Ablehnung als befangen.
OLG Naumburg 2.5.2012 - 10 W 14/12, BeckRS 2012,
21444:
Sachliche Fehler des Sachverständigen vermögen einen
Ablehnungs­an­trag in aller Regel nicht zu stützen; der Vortrag
einer Partei, das Gutachten sei fehlerhaft, weil der Sachverständige der Lehre von Oswald folge, indem er einen Baumangel als »Unregelmäßigkeit« bezeichnet und damit eine
dem Gesetz nicht bekannte rechtliche Einordnung vornehme, ist für § 406 ZPO ohne Bedeutung.
OLG München 5.3.2012 - 1 W 2346/11, www.juris.de:
Äußert sich der zu einem ärztlichen Operationsfehler befragte gerichtliche Sachverständige ungefragt auch noch dazu,
dass sich in den ihm vorliegenden Unterlagen keine Einverständniserklärung für die Operation be­findet, ergibt
dies in der Regel noch keine Befangenheit; ein solcher Sachverständiger ist nämlich nicht mit allen juristischen Details
des Arzthaftungsrechts vertraut.
OLG Stuttgart 12.6.2012 - 10 W 19/12, IBR 2012, 679:
Die Überschreitung des Gutachtenauftrags durch den gerichtlichen Sachverständigen (hier: Überdehnung der Beweisfragen oder eigenmächtige Bearbeitung nicht gestellter Beweisfragen) beinhaltet nur die – gegebenenfalls zum Verlust
des Vergütungsanspruchs führende – Unzulänglichkeit der
Begutachtung; sie rechtfertigt nicht die Ablehnung dieses
Sachverständigen als befangen, weil davon alle Verfahrens­
beteiligten gleichermaßen betroffen sind.
(bestätigend BGH 11.4.2013 - VII ZB 32/12, IBR 2013, 381.
Ebenso OLG Köln 25.7.2012 - 19 W 17/12, IBR 2012, 743)
OLG Naumburg 14.8.2012 - 10 W 39/12, IBR 2013, 56:
Weil es bei der Begutachtung im Bereich »Leistungen und
Honorare von Architekten« nicht selten erforderlich ist,
dass ein Sachverständiger in Einzel­fragen rechtliche Bewertungen abgibt, begründet ein solches Tun durchweg nicht
die Besorgnis der Befangenheit.
OLG Karlsruhe 14.9.2012 - 13 W 93/12, IBR 2012, 678:
Ein Sachverständiger, dem im Beweisbeschluss nicht ausreichend deutlich gemacht wird, von welchen Feststellungen
er bei der Begutachtung ausgehen soll, ist nicht bereits deshalb befangen, weil er eine eigene Be­weiswürdigung vornimmt; dies gilt jedenfalls dann, wenn er an dem vorhergegangenen Teil der Beweisaufnahme teilgenommen hat.
(ebenso OLG München 27.2.2006 - 1 W 907/06, www.juris.
de: Stützt sich die Mitteilung des gerichtlichen Sachverständigen, dass im ärztlichen Aufklärungsgespräch bestimmte
präoperative Schädigungen angesprochen worden seien,
nicht nur auf die Behauptung des Beklagten, sondern auch
auf die Aussagen von Zeugen und des Klägers selbst, liegt
hierin keine eine Befangenheit rechtfertigende unzulässige
Beweiswürdigung und auch keine zur Befangenheit führende einseitige, in vorwerfbarer Weise zu Lasten des Klägers
erfolgte Wahrunterstellung durch den Sachverständigen.)
OLG Brandenburg 20.3.2013 - 12 W 1/13, IBR 2013, 499:
Ein Sachverständiger macht sich nicht dadurch befangen,
dass er Nachfragen zu seinem Gutachten nicht beantwortet,
sondern als »hypothetische Fragen« einstuft, deren Beantwortung in dem Verfahren nicht erforderlich sei.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
LSG Berlin-Brandenburg 27.3.2013 - L 27 SF 8/13 B AB,
BeckRS 2013, 68822:
Eine Weigerung des Sachverständigen, Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und dem Gutachtenauftrag entsprechend zu
bewerten, kann die Annahme der Befangenheit begründen;
diese Weigerung ergibt sich aber nicht bereits daraus, dass
der Sachverständige ausdrücklich in Aussicht stellt, er werde
weitere medizinische Befunde, die ihm aber bisher nicht
vorliegen, einer kritischen Würdigung unterziehen.
OLG Naumburg 11.6.2013 - 10 W 29/13, IBR 2014, 50:
Weil die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen darin
besteht, das Gericht aufgrund spezieller eigener Fachkunde
darin zu unterstützen, aus einem Sachverhalt zutreffende
Rückschlüsse zu ziehen, ergeben sich aus vom Sachverständigen vorgenommenen subjektiven Wertungen, Schluss­
fol­gerungen und Hypothesen keine Gründe für eine Befangenheit des Sachverständigen.
LSG Berlin-Brandenburg 16.12.2013 - L 1 SF 268/13 B AB,
BeckRS 2014, 66510:
Die Ausführungen in einem Gutachten, bestimmte Aussagen
der begutachteten Person seien »Schutzbehauptungen«,
rechtfertigen jedenfalls dann nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen, wenn dieser gemäß dem gerichtlichen Auftrag auch gehalten war, sich zu den Einwendungen dieser Person zu äußern. »Es ist Aufgabe des Sachverständigen, seine Auffassung ungeschminkt darzustellen.«
OLG Naumburg 12.12.2013 - 10 W 43/13, IBR 2014, 380 =
IMR 2014, 264:
Gelangt der mit der Bewertung einer Immobilie beauftragte Sachverständige zu der Auffassung, dass die ihm
gerichtlich vorgegebene Anwendung der Vergleichswertmethode aufgrund in seinem Gutachten dann konkret offengelegter Besonderheiten des Falls (hier: eine nicht ausreichende Menge an Vergleichsobjekten) zu keinem tragfähigen
Ergebnis führt, so begründet es nicht seine Befangenheit,
wenn er sogleich eigenständig die Ertragswertmethode
wählt und die Vergleichswertmethode nur zur Überprüfung
seine so gewonnenen Ergebnisses heranzieht; durch dieses
Vorgehen eröffnet er nämlich dem Gericht die Möglichkeit,
sich mit der von ihm bevorzugten anderen Bewertungsmethode auseinanderzusetzen und dann eine eigene Entscheidung zu treffen.
BayLSG 27.1.2014 - L 2 SF 89/13 B, BeckRS 2014, 70239:
Ein Befangenheitsgrund kann darin liegen, dass der Sachverständige substantiierten Vortrag einer Partei gänzlich unberücksichtigt lässt; hierfür genügen aber inhaltliche Ausführungen; der Sachverständige braucht den Vortrag der Partei
nicht wörtlich zu zitieren.
OLG Karlsruhe 13.2.2014 - 7 W 10/14, www.juris.de:
Wird der medizinische Sachverständige in dem Beweisbeschluss befragt, über welche Risikofaktoren der Kläger konkret aufzuklären war, und äußert sich der Sachverständige in
seinem Gutachten umfassend zusätzlich zu der zwischen den
Parteien streitigen Frage, ob der konkrete Patient tatsächlich aufgeklärt worden ist sowie ob dieser sich im Falle einer
ordnungsgemäßen Aufklärung in einem relevanten Entscheidungskonflikt befunden hätte, kann diese Überschreitung
des gerichtlichen Auftrags ausnahmsweise Befangenheit
dann nicht begründen, wenn ein rechtlich nicht geschulter
Sachverständiger aufgrund der Formulierung des Beweisbeschlusses, den Eindruck gewinnen konnte, er solle den gesamten streitigen Sachverhalt und damit sämtliche Umstände der Aufklärung prüfen.
OLG Köln 19.3.2014 - 19 W 6/14, www.ibr-online.de:
Verwendet der Sachverständige in seinem Gutachten die
Formulierung »nicht so extrem« und auch noch »!!!«, ergibt sich allein daraus noch keine Befangenheit.
BVerwG 3.6.2014 - 2 B 105.12, www.bverwg.de:
Bewertet der psychiatrische gerichtliche Sachverständige in
einem Verfahren, in dem es um die Klärung der Dienstunfähigkeit eines Gymnasiallehrers geht, die Einwendungen
dieser von ihm untersuchten Person als Ausdruck von Querulantentum und äußert er zusätzlich, diese Person habe
psychische Störungen bewusst »dissimuliert« und somit
Ärzte und Therapeuten getäuscht, bewegen sich diese
sachverständigen Äußerungen im zulässigen Rahmen des
Gutachtenauftrags und offenbaren insbesondere keine Voreingenommenheit.
3.4.3. Befangenheit bejaht
OLG Hamburg 5.3.2004 - 8 W 41/05, MDR 2004, 906:
Befangenheit liegt vor, wenn der gerichtliche Sachverständige eine rechtliche Würdigung einseitig zu Lasten einer
Partei vornimmt (hier: die Klägerin sei nicht beweisfällig und
die Klage deshalb begründet).
OLG München 4.7.2005 - 1 W 1010/05, VersR 2006, 1709:
Bringt der Sachverständige über seine gutachterlichen Angaben zu der von ihm als fachlich nicht ordnungsgemäß
eingestuften Werkleistung der Verfahrenspartei hinaus zusätzliche und für die Beantwortung der Beweisfrage unter
keinem Gesichtspunkt erforderliche nachteilige Wertungen,
(»Leidensweg der Patientin … vertröstet«), bezeichnet
er die ärztliche Dokumentationsweise als »verwunderlich«
und wirf er dem Arzt schließlich einen Verstoß gegen die
»ärztliche Ethik« vor, kann daraus Befangenheit abgeleitet
werden.
LG Hamburg 6.10.2005 - 325 OH 10/05, nicht veröffentlicht:
Formuliert der gerichtliche Sachverständige, der einen gelieferten und eingebauten Gegenstand auf Funktion untersuchen soll: »Da sich der Lieferant dieser Torsteuerung bisher
nicht sehr kooperativ verhalten hat, würde ich dringend
empfehlen, eine andere Fachfirma … zu beauftragen.«,
ergibt dies seine Befangenheit.
LG Mönchengladbach 9.12.2005 - 5 T 496/05, NZV 2006,
159:
Macht ein Sachverständiger, der ein Gutachten nur zur Schadenshöhe erstatten soll, bewusst Ausführungen, die nicht
die Schadenshöhe sondern den Haftungsgrund betreffen
(»Abschließend sei – auch wenn die aufgeworfene Beweisfrage konkret nur auf die Schadenshöhe abzielt
– darauf hingewiesen, dass aufgrund des Schadensbildes
an der Fahrertür des Klägerfahrzeugs davon auszugehen ist,
dass die Tür – wie bereits erwähnt – nach vorne überdehnt
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
wurde. Bei einem parallel zur Längsachse des Kraftfahrzeugs
gerichteten Anstoß von hinten nach vorne ist davon auszugehen, dass die Tür zum Anstoßzeitpunkt bereits zum überwiegenden Teil geöffnet war.«), kann er deshalb wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgreich abgelehnt werden.
von Tatsachen­befunden, stellt er ferner negative neue Behauptungen auf oder überschreitet er den gerichtlichen
Auftrag, führt dies jedenfalls dann zur Besorgnis der Befangenheit, wenn dies ausschließlich zu Lasten derselben Partei
geht.
LG Essen 1.3.2006 - 25 KLs 38/05, StV 2006, 52:
Befragt der in einem Strafverfahren mit der Erstellung eines Gutachtens zur Ermöglichung einer richterlichen Glaubwürdigkeitsbeurteilung beauftrag­te Sachverständige in
Betracht kommende Zeugen informatorisch und verwertet
er die Ergebnisse dieser Befragung in seinem vorbereitend
dem Gericht präsentierten Gutachten, rechtfertigt dies seine
Befangenheit.
OLG Oldenburg 13.11.2007 - 5 W 133/07, OLGR 2008, 262:
Äußert sich ein Sachverständiger zu Aufklärungspflichten,
obwohl das Verfahren nicht die Verletzung solcher Pflichten
betrifft und er auch nicht in dem Beweisthema nach Aufklärung gefragt worden ist, kann dies Befangenheit begründen.
(ebenso OLG München 28.4.2008 - 24 W 122/08, GesR
2008, 502; OLG Nürnberg 6.10.2008 - 5 W 790/08, DS
2009, 74; LG Bielefeld 30.6.2009 - 5 O 526/05, nicht veröffentlicht; LG Nürnberg-Fürth 3.2.2011 - 11 O 9707/09,
r + s 2011, 180; OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG
2014, 51; a.A. OLG Dresden 18.12.2009 - 4 W 1282/09,
GesR 2010, 136; OLG München 21.3.2011 - 1 W 110/11,
BeckRS 2011, 06707)
LG Nürnberg-Fürth 5.9.2006 - 6 OH 8403/02, IBR 2007,
1042:
Verwertet der Sachverständige in seinem Gutachten ihm seitens einer Partei unmittelbar überlassene Unterlagen, ohne
diese Herkunft spä­testens im Gutachtentext offenzulegen, ergibt sich seine Befangenheit.
(ebenso OLG Naumburg 17.2.2010 - 10 W 13/10, DS 2011,
40)
LG Düsseldorf 5.4.2007 - 11 O 331/04, nicht veröffentlicht:
Der Sachverständige überschreitet die Grenzen der Sachlichkeit und erweckt Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit,
wenn er im Gutachtentext formuliert: »Vielleicht findet
sich ja jemand im Gericht oder ein Gutachter, der dem
Patienten sagt, dass eine weitere Verfolgung seiner Interessen nur zu mehr Kosten führt und nicht zum gewünschten
Erfolg … die Versicherung verhält sich in ihrer Vertragstreue
leider völlig korrekt und dies ist selbst einem juristischen
Laien wie mir nach dem Studium der Akte klar.«
OLG Saarbrücken 18.4.2007 - 5 W 90/07-29, IBR 2007, 406:
Ein gerichtlicher Sachverständiger, der Beweisfragen als
»nicht relevant« einstuft und zusätzlich bezüglich vorgelegter Privatgutachten auf ein Anstellungsverhältnis dieser
Sachverständigen zu einem von einer Partei mit­finanzierten
Institut verweist, ist befangen.
LSG NRW 4.6.2007 - L 1 B 7/07 AL, BeckRS 2009, 59506:
Bringt der in einem gerichtlichen Verfahren betreffend Zahlung der Winterbauumlage an Trockenbauer gerichtlich eingesetzte Sachverständige in seinem Gutachtentext zum Ausdruck, ihm als dem Vorsitzenden des Deutschen Stuckgewerbebundes seien alle Trockenbauer grundsätzlich »ein Dorn
im Auge«, begründet diese für die gutachterliche Äußerung
unter keinem Gesichtspunkt erforderliche berufspolitische
Wertung seine Be­fangenheit.
OLG Jena 2.8.2007 - 1 WF 203/07, FamRZ 2008, 284:
Geht der gerichtliche Sachverständige mit seinen Feststellungen über den ihm erteilten Auftrag hinaus, rechtfertigt dies einen Ablehnungsantrag. Gleiches gilt, wenn er den
Parteien oder dem Richter den von ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.
LG Gera 12.9.2007 - 5 T 341/07, IBR 2007, 1361:
Unterlässt der Sachverständige systematisch die Erhebung
OLG Saarbrücken 11.3.2008 - 5 W 42/08, NJW-RR 2008,
1087:
Das Befangenheitsgesuch ist begründet, wenn der Sachverständige seinen Gutachterauftrag dadurch überschreitet,
dass er eine dem Gericht vorbehaltene Beweiswürdigung
vornimmt und dieser Beurteilung nicht die vorgegebenen
Anknüpfungstatsachen zugrunde legt.
(a.A. LG Erfurt 24.4.2009 - 1 T 155/09, www.juris.de)
OLG Koblenz 7.8.2008 - 4 W 467/08, MDR 2008, 1298:
Bezeichnet der Sachverständige den Antragsgegner des
selbstständigen Beweisverfahrens, in dem die Ursache eines
Schadens geklärt werden soll, als »Verursacher« sowie den
Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners als »PV Gegenseite« und führt er zusätzlich aus, dass nach dem »vehementen Bestreiten« der Verursachung »leider« weitere
Maßnahmen erforderlich sind, ist aufgrund dieser Formulierungen seine Ablehnung wegen Befangenheit begründet.
OLG Karlsruhe 15.8.2008 - 9 W 39/08, IBR 2008, 693:
Formuliert der Sachverständige betreffend eine seitens des
Klägers vorgelegte Liste der Unzulänglichkeiten des Begutachtungsgegenstandes, dass diese Aufzählung nur dazu diene, »den kleinen Mangel weiter unsinnig zu dramatisieren«, belegt dies seine Befangenheit.
OLG Nürnberg 24.11.2008 - 2 W 2246/08, BauR 2009, 1624:
Formuliert der Sachverständige in seinem Gutachten betreffend seitens einer Partei noch vorgelegte Unterlagen wie
folgt: » … der nachgeschobene Beweisversuch … ignoriert somit in unverständlicher Weise die Inhalte der vorgelegten Planung« und » … zusammenfassend muss somit das
Schreiben vom … aufgrund seiner inhaltlichen Fehler als
völlig untauglicher Beweisversuch bezeichnet werden«,
ergeben sich hinreichende Anhaltspunkte für seine Befangenheit.
OLG Schleswig 22.5.2009 - 16 W 57/09, IBR 2010, 1033:
Ein Sachverständiger ist befangen, wenn er bei seiner Gutachtenerstellung eigenmächtig über die ihm durch den
Beweisbeschluss und den Gutachtenauftrag gezogene
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Grenzen hinausgeht und den Prozessbeteiligten den von
ihm für richtig gehaltenen Weg zur Entscheidung des Rechtsstreits weist.
(ebenso OLG Celle 25.5.2010 - 13 Verg 7/10, IBR 2010, 527)
LG Leipzig 9.9.2009 - 3 HK O 4523/06, BauR 2010, 123:
Äußert der Sachverständige sich mehrfach mit negativer
Wertung zu Lasten derselben Partei, kann daraus der
Ausfluss einer unsachlichen Grundhaltung und mithin Befangenheit hergeleitet werden.
OLG Karlsruhe 9.11.2009 - 14 W 43/09, DS 2010, 194:
Die Besorgnis der Befangenheit eines Sachverständigen kann
sich daraus ergeben, dass ihm bei Aufnahme und Auswertung des Sachverhalts in für eine Partei auch bei objektiver
Sicht der Dinge wichtigen Punkten Fehler unterlaufen, die
in starkem Maße auf mangelnde Sorgfalt deuten.
OLG Celle 25.5.2010 - 13 Verg 7/10, IBR 2010, 527:
Geht der Sachverständige eigenmächtig über die ihm durch
den Beweisbeschluss gezogenen Grenzen hinaus und verweist er die Ver­fah­rensbe­teiligten in unzulässiger Weise auf
den von ihm für richtig gehaltenen Weg, ergibt sich daraus
eine unsachliche Grundhaltung und damit Befangenheit.
OLG Rostock 5.10.2010 - 3 W 153/10, IBR 2011, 179:
Nimmt der Sachverständige in seinem Gutachten ungefragt
rechtliche Würdigungen vor und lässt er insbesondere Äußerungen einfließen, die den Eindruck vermitteln können, er
wolle Aussagen über die streitige Rechts­frage zu Einstandspflichten und Verantwortlichkeiten treffen, überschreitet er
eigenmächtig die Grenzen seines Gutachtenauftrages und
offenbart Befangenheit.
LG Stuttgart 17.1.2011 - 1 T 1/11, BeckRS 2011, 02314:
Äußert der medizinische Sachverständige, dem gerichtlich
die zwischen den Parteien streitige Frage gestellt worden ist,
ob der klagende Wohnungseigentümer während der Wohnungseigentümerversammlungen eine Begleit­person benötigt, »dass die Eigentümerversammlung eigentlich auch
ohne gerichtliche Entscheidung imstande sein sollte,
einem in die Struktur der Versammlung nur wenig eingreifenden Wunsch eines der Eigentümer zu entsprechen«, kann
dieses aus Sicht der anderen Wohnungseigentümer nicht
mehr als pointierte Zusammenfassung des Beweisergebnisses betrachtet werden, sondern stellt eine Missbilligung
des Verhaltens der Beklagten sowohl in der Eigentümerversammlung als auch ihrer streitbaren Haltung in diesem
Rechtsstreit dar; mit dieser persönlichen Kritik bezieht der
Sachverständige eine seine Ablehnung als befangen begründende Position für den klagenden Wohnungseigentümer
und gegen die Beklagten.
OLG Rostock 8.4.2011 - 3 W 29/11, IBR 2012, 1286:
Als Ablehnungsgrund kommt ein unangemessenes Verhalten zu Lasten einer Partei in Betracht, das sich in allgemein
abfälligen oder ironischen Äußerungen oder abwertender Kritik des Sachverständigen gegenüber der Prozessführung einer Partei äußert.
KG 25.10.2011 - 13 WF 195/11, www.juris.de:
Bringt der in einem familienrechtlichen Verfahren zur Beant-
wortung der Frage, welche Umgangsregelung im Interesse des Kindes angezeigt erscheint, eingesetzte gerichtliche
Sachverständige in seinem Gutachten auch noch Therapieempfehlungen an die Kindesmutter betreffend ihre sexuelle Orientierung, rechtfertigt dies die Ablehnung wegen
Befangenheit.
OLG Naumburg 30.12.2011 - 10 W 69/11, IBR 2012, 368:
Ein Sachverständiger, der prüfen soll, ob eine bestimmte medizinische Operation unter Beachtung der fachmedizinischen
Leitlinien und nach den Regeln der ärztlichen Kunst durgeführt worden ist, sich dann in seinem schriftlichen Gutachten ungefragt aber auch noch damit auseinandersetzt, ob
der Patient hinreichend informiert worden ist, und insoweit
auf die Unvollständigkeit der Aufklärungsdokumentation hinweist sowie sich schließlich noch mit der Höhe des
geforderten Schmerzensgeldes befasst, offenbart seine
Befangenheit.
OLG Celle 11.9.2012 - 11 W 43/12, MDR 2012, 1309:
Die Wortwahl »unerheblich und ignorant« in einem Gutachten beinhaltet eine abfällige und abwertende Kritik des
Sachverständigen an der Verteidigung der Partei, die verständliche Zweifel an der Unparteilichkeit wecken kann.
LSG NRW 2.7.2012 - L 17 U 30/06, www.juris.de:
Misstrauen gegen die Unparteilichkeit ist gerechtfertigt,
wenn der Sachverständige ungefragt über die durch den
Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgeht und vom Auftrag klar nicht umfasste Fragen beantwortet; er verletzt so nämlich seine Neutralitätspflicht.
LG Schweinfurt 16.1.2013 - 23 O 1182/04, nicht veröffentlicht:
Bringt der Sachverständige in seiner gutachterlichen Äußerung mehrere Unterstellungen, die jede zu Lasten derselben Partei gehen, ohne auf den dazu in der Akte enthaltenen Vortrag dieser Partei einzugehen, ergibt sich aus dieser
Häufigkeit die berechtigte Besorgnis seiner Befangenheit.
BayLSG 20.3.2013 - L 2 SF 1/13 B, www.juris.de:
Im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung stellt die Bestimmung der Kausalität einen wesentlichen Teil des Gutachtens dar, sodass sich aus – von der Partei als fehlerhaft
eingestuften – Erklärungen des Sachverstän­
digen zur
Kausalität und insbesondere seiner Einschätzung einer »Gelegenheitsursache« keine Befangenheit ergeben kann.
OLG Düsseldorf 26.3.2013 - 21 W 57/12, IBR 2013, 382:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige das Prozessverhalten einer Partei als »irreführend«, »Störfaktor«, »Spekulation und nachträglich unbe­wiesene Behauptung«
sowie »unrichtige und irreführende Versicherung« und
äußert er ferner, die Partei möge doch bei der Wahrheit
bleiben und nicht falsche Fakten vortragen, offenbart er
seine Befangenheit.
OLG Brandenburg 20.6.2013 - 11 W 9/13, www.ibr-online.
de:
Überschreitet der Sachverständige seinen Gutachtenauftrag signifikant, ist dies als gewichtiger Hinweis auf
den berechtigten Verdacht fehlender Neutralität anzusehen;
| 30
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
dadurch entsteht nämlich der Eindruck, dass der Sachverständige sich bewusst von den Vorgaben der ihm gestellten
Aufgabe gelöst hat, weil er diese nicht als hinreichend umfassend betrachtet.
Angriffen gegen ihn (»fehlende fachliche Eignung … Unkenntnis … schlampige und oberflächliche Arbeit«) betreffend diesen Anwalt eine Strafanzeige wegen Beleidigung
ankündigt.
LG Augsburg 4.10.2013 - 6 O 4683/09, nicht veröffentlicht:
Wird der gerichtliche Sachverständige befragt, ob an bestimmten Gegenständen eingetretene Schäden mit den in
einem vorgelegten Privatgutachten angegebenen Geldbeträgen zu bemessen sind, hat er das Vorhandensein der
Schäden für sein Gutachten zu unterstellen; führt er auch
noch nach erneuter richterlicher Weisung, einen bestimmten
Zustand zu unterstellen, stattdessen aus, er könne nur das
beurteilen, was er bei seiner Ortsbesichtigung feststelle, der
Grad einer üblichen Abnutzung fließe in die Bewertung ein,
rechtfertigt dieses Verhalten die Befangenheit des Sachverständigen.
(Anmerkung des Verfassers: Es erscheint zweifelhaft, ob hier
Befangenheit angenommen werden kann. Diese könnte allenfalls gegeben sein, wenn der Verdacht offenbar worden
wäre, dass der Sachverständige hier einseitig zu Lasten einer
Partei vorging. Indes offenbart dieses hier ersichtliche Verhalten des Sachverständigen allenfalls die fehlerhafte Auffassung
betreffend die Erledigung seines Auftrags, die darin bestand,
er könne nur das bewerten, was er sehe; diese fehlerhafte
Auffassung kann allenfalls zu der Unverwertbarkeit und NichtVergütungsfähigkeit seiner gelieferten Leistung führen.)
OLG München 20.6.2006 - 1 W 1727/06, www.juris.de:
Formuliert der gerichtliche Sachverständige zu Erklärungen
seitens einer Partei in seiner Stellungnahme u.a.: »… und
wird auch durch Nachmessen nicht länger.«, ergibt sich
daraus noch keine seine Befangenheit begründende Voreingenommenheit.
OLG München 31.3.2014 - 10 W 32/14, DAR 2014, 273:
Wird ein Sachverständiger vom Gericht beauftragt, ein fachmedizinisches Gutachten zu erstellen und eventuell erforderliche Zusatzgutachten aus anderen medizinischen
Fachrichtungen von sich aus einzuholen, begründet es
die Besorgnis seiner Befangenheit, wenn er über sein medizinisches Fachgebiet hinaus eine Begutachtung nach Aktenlage vornimmt, anstelle andere Fachmediziner beizuziehen.
3.5. Reaktionen des Sachverständigen
3.5.1. Grundsätze
OLG Naumburg 10.10.2006 - 10 W 72/06, OLGR 2007, 376:
Ein gerichtlicher Sachverständiger hat auch bei harter und
penetranter Kritik an seiner Tätigkeit durch eine Partei seine Neutralität und Unabhängigkeit zu bewahren, andernfalls
kann sich Befangenheit ergeben.
(ebenso LG Düsseldorf 2.9.2010 - 9 OH 10/08, BauR 2011,
1535)
BayLSG 24.1.2012 - L 2 SF 385/11 B, NZS 2012, 519:
Kein Ablehnungsgrund ist die scharfe Reaktion eines Sachverständigen, welche durch massive Angriffe eines Beteiligten gegen Leistung und Person des gerichtlichen
Sachverständigen provoziert wurde.
3.5.2. Befangenheit verneint
LG Traunstein 3.6.2002 - 4 T 271/02, 4 T 335/02, NZV 2003, 241:
Ein Sachverständiger ist nicht wegen Befangenheit abzulehnen, wenn er nach schriftlich erhobenen ehrenrührigen
OLG München 20.2.2007 - 1 W 885/07, DS 2007, 151:
Bringt die Partei gegen ein Gutachten im Ton vollkommen
unangemessene und im Grenzbereich der Formalbeleidigung
und üblen Nachrede liegende Angriffe, ergibt eine darauf gebrachte scharfe Stellungnahme des gerichtlichen Sachverständigen keine Anhaltspunkte für seine Befangenheit.
Ein Sachverständiger ist nicht verpflichtet, sein Gutachten­
honorar gleichsam als Schmerzensgeld für im Prozess hinzunehmende Verunglimpfungen anzusehen, von ihm kann
nicht die Bedachtsamkeit eines unterkühlten Juristen erwartet werden.
OLG Schleswig 6.9.2007 - 16 W 80/07, BauR 2007, 1944:
Im Rahmen einer mündlichen Anhörung bei einem Streit
unter Sachver­
ständigen ist die Einstufung der Äußerung
eines Privatsachverständigen als »Quatsch« noch kein Anlass dafür, an der Unvoreingenommenheit des gerichtlichen
Sachverständigen zu zweifeln; dies gilt jedenfalls bei einer
einmaligen verbalen Entgleisung in der mündlichen
Anhörung.
OLG Schleswig 4.2.2008 - 16 W 13/08, IBR 2009, 1129:
Zwar wäre wünschenswert gewesen, wenn der gerichtliche
Sachverständige die schriftliche Mitteilung des Verfahrensbevollmächtigten einer Partei betreffend diesen Sachverständigen und sein Gutachten: »Jeder Sachverständige in Bausachen sollte im Stande sein, mithilfe eines Lineals bei Feststellung des Maßstabs für eine Grundrisszeichnung genau
nachzumessen, wie die Stufe in den Plan eingezeichnet ist.«
ohne Kommentar übergangen hätte; formuliert der Sachverständige stattdessen: »Ob die polemischen Ausführungen ... dienlich sind, möchte der Unterzeichner nicht
kommentieren.«, belegt dies noch keine Befangenheit.
OLG Frankfurt 12.3.2008 - 19 W 11/08, BauR 2008, 1499:
Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen ergibt
sich nicht schon daraus, dass der Sachverständige in seinem
schriftlichen Ergän­zungs­gutachten zu erkennen gibt, dass er
beleidigende Äußerungen einer Partei in Bezug auf sein
Ausgangsgutachten als beleidigend versteht.
OLG Koblenz 3.4.2009 - 6 U 858/04, IBR 2010, 1355:
Ist ausgeschlossen, dass der gerichtliche Sachverständige in
dem noch nicht beendeten Rechtsstreit mit der Ergänzung
seines Gutachtens beauf­tragt oder zur mündlichen Erläuterung geladen werden wird, ergibt sich aus der Annahme
eines Privatgutachterauftrages für eine Partei keine Befangenheit.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Schleswig 21.4.2009 - 16 W 40/09, www.ibr-online.de:
Es rechtfertigt nicht die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen, wenn dieser innerhalb der ihm gesetzten Frist
keine Stellungnahme zu dem ihm gerichtlich übersandten
Befangenheitsantrag abgibt.
OLG München 25.5.2009 - 1 W 1262/09, www.ibr-online.
de:
Teilt der Sachverständige in der ergänzenden Stellungnahme mit, dass sich nach seiner Meinung die anwaltlich ausdrücklich einer bestimmten Seite des Textes des Gutachtens
zugeschriebene Frage auf eine andere Seite des Textes des
Gutachtens bezieht, ergibt sich daraus kein Anzeichen für
Voreingenommenheit oder Gereiztheit des Sachverständigen
dergestalt, dass Befangenheit gegeben ist.
BayVGH 15.6.2009 - 22 C 09.1146, BeckRS 2009, 26291:
Verwendet der Sachverständige in seiner Stellungnahme zu
einem gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch die Formulierungen »willkürlich«, »ab­we­gig« und »oberflächlich und falsch recherchiert«, überschreitet er zwar das
Maß der gebotenen Zurückhaltung, die bei solchen Stellungnahmen wünschenswert und zweckmäßig ist; diese Mitteilungen sind aber noch nicht derart unsachlich und verletzend, dass sie eine Ablehnung begründen können.
LG Regensburg 13.8.2009 - 1 HKO 497/05, DS 2010, 36:
Daraus, dass der Sachverständige eine in dem Text seines
Gutachtens in Bezug genommene Excel-Tabelle einem Verfahrensbevollmächtigten nicht binnen der von diesem Verfahrensbevollmächtigten ihm gesetzten Frist per E-Mail übersendet, ergibt sich keine Befangenheit: Inwieweit Unterlagen
des Sachverständigen, die zur Ermittlung von im Gutachten
festgestellten Beträgen dienen, den Beteiligten herauszugeben sind, entscheidet das Gericht im Rahmen der in § 404a
ZPO normierten richterlichen Lei­tungs­funktion.
BayLSG 1.9.2009 - L 2 B 1015/08 U, IBR 2010, 365:
Teilt der Anwalt einer Partei auf das Gutachten des ärztlichen Sachverständigen sinngemäß dem Gericht mit: Der
Sachverständige könne offensichtlich nicht die vorhandenen
Röntgenbilder richtig beurteilen; er, der Anwalt, wolle diesen Sachverständigen zu seiner Ausbildung und Sachkunde
befragen; für den Fall, dass der Sachverständige dann wider
Erwarten die Bilder richtig interpretiere, sei erwiesen, dass
dieser zuvor ein falsches Gutachten erstellt habe; insgesamt
ergebe sich, dass dem Sach­
verständigen die notwendige
Qualifikation fehle oder dieser bewusst zum Nachteil der
Partei vorgegangen sei, so ergibt sich aus der Antwort des
Sachverständigen: Er wolle diese Fragen zu seiner Qualifikation als medizinischer Sachverständiger »gern«
beantworten, nachdem dieser Bevollmächtigte seine
Qualifikation als Anwalt dargelegt habe, noch keine Befangenheit. Insoweit handelt es sich um eine verständliche
Reaktion des gerichtlichen Sachverständigen auf die scharfen Angriffe durch diesen Verfahrensbevollmächtigten.
OLG Dresden 14.1.2010 - 4 W 20/10, www.ibr-online.de:
Äußert der medizinische Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten, das von der Beklagten vertretene Verständnis des Operationsberichts kennzeichne »entweder
eine völlig absurde und abenteuerliche Vorstellung
der Beklagten bezüglich offener Bauchchirurgie oder eine
bewusste Verleugnung besseren Wissens und entbehrt
dann jeder Sachargumentation«, bewegt sich diese Mitteilung an der Grenze desjenigen, was von einem unvoreingenommenen Sachverständigen erwartet werden kann;
indes sind diese Formulierungen nicht als persönliche Herabwürdigung zu werten, sondern bloß dahin, dass den Ärzten
ein grober Verhandlungsfehler unterlaufen wäre, wenn sie
tatsächlich in dem anwaltlich geschilderten Sinne vorgegangen wären.
BayLSG 23.2.2010 - L 2 KR 201/09 B, BeckRS 2010, 70348:
Bei der Wortwahl in der Stellungnahme des Sachverständigen
auf Einwände eines Beteiligten sind dem Sachverständigen in
gewissem Umfang emotionale Äußerungen zuzugestehen;
eine einzelne geringfügig neben einer sachlichen Äußerung gelegene Kritik seitens des Sachverständigen ist
gegenüber klar polemisch aufzufassenden Äuße­rungen des
Rechtsanwalts ausnahmsweise noch nicht beachtlich.
OLG Brandenburg 8.7.2010 - 12 W 17/10, BeckRS 2010,
17185:
Befangenheit des gerichtlichen Sachverständigen ergibt sich
noch nicht daraus, dass er gegen einen von einer Partei privat als Sachverständiger eingeschalteten Berufskollegen, der
in seiner Stellungnahme zu dem Gerichts­gutachten formuliert hat, dieses »basiert auf falschen Annahmen und Tatsachen, steht in unaufhebbarer Diskrepanz zu der Aktenlage
und verstößt gegen die ethischen und fachärztlichen Standards der Neurochirurgie«, bei dem Präsidenten der Ärztekammer betreffend diese Wortwahl eine Beschwerde
anbringt und um die Einleitung von Konsequenzen ersucht.
LG Düsseldorf 2.9.2010 - 9 OH 10/08, BauR 2011, 1535:
Beschäftigt sich der Sachverständige sowohl in dem Ergänzungsgutachten als auch in der Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch objektiv und sach­lich mit den an ihn gestellten Fragen, ergibt sich daraus, dass er stellenweise zum
Ausdruck bringt, sich durch die Ergänzungsfragen angegriffen zu fühlen, noch keine Befangenheit.
AG Duisburg-Hamborn 28.9.2010 - 23 C 232/09, WuM
2010, 639:
Der Sachverständige, der auch unter Berücksichtigung der
gegen sein Gutachten gebrachten Einwände an seinen
Feststellungen und Wertungen festhält, ist allein deshalb
nicht befangen.
OLG Köln 8.11.2010 - 19 W 33/10, BauR 2011, 1061:
Wurde der gerichtliche Sachverständige bei gleichzeitiger
Vorlage eines entgegenstehenden Privatgutachtens von
einer Partei (mit Vorwürfen wie: mangelnde Motivation zur
gründlichen Prüfung, spekulativ, fabulierend, Meinungsmache, beharrliche Verweigerungshaltung, Begutachtung ohne
die gebotene Ernsthaftigkeit und Sachkunde, fachliche Inkompetenz) heftig angegriffen, ergibt seine dann vorgenommene Einstufung dieser privatgutachterlichen Ausführungen
als fachlich dilettantisch verbunden mit der Erklärung, diesem Privatgutachter fehlten elementare Fachkenntnisse,
noch keine Befangenheit.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Hamm 24.1.2011 - 1 W 4/11, IBR 2011, 492:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige in einem
Ergänzungsgut­ach­ten die Methodik eines ihm zur Stellungnahme vorgelegten Privatgutachtens als »grober
Unfug«, begründet dies ohne weitere Umstände noch nicht
seine Besorgnis der Befangenheit.
OVG Hamburg 27.4.2011 - 1 So 15/11, IfS Informationen
3/2011, 9:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige einen anwaltlichen Einwand gegen seine gutachterliche Äußerung als
»wenig realitätsgerecht«, offenbart diese seine ungeschickte Interpretation und Wortwahl noch nicht die Abwertung des Prozessvertreters in dem Maße, dass Befangenheit
des Sachverständigen anzunehmen ist.
LG Würzburg 17.8.2011 - 92 O 928/09, www.ibr-online.de
Befangenheit liegt vor, wenn der Sachverständige unsachlich auf Einwendungen gegen sein Gutachten reagiert,
etwa indem er Einwände unbesehen abqualifiziert und sich
zu dem Gutachten ausschließlich wie folgt äußert: »Ich hatte
im Rahmen meines Gutachtens dem üblichen Standard zufolge versucht, die Arbeit nachvollziehbar zu erstellen bzw.
auszuarbeiten. Das Nachfassen diesbezüglich des privat beauftragten Gutachters … ist so nicht gerechtfertigt gewesen.
Ich sehe seine Arbeit eher als destruktiv an.«
OLG Koblenz 14.9.2011 - 4 W 396/11, IBR 2011, 673:
Verlangt der gerichtliche Sachverständige von einer
Partei Schadenser­satz mit der Begründung, er habe während der Bearbeitungszeit seiner Stellungnahme für das Ablehnungsgrund nicht gewinnbringend tätig sein kön­
nen,
ergibt sich daraus keine feindselige Einstellung des Sachverständigen.
(ebenso Vorinstanz LG Mainz 14.7.2011 - 2 O 133/08, www.
ibr-online.de)
OLG München 18.11.2011 - 1 W 1768/11, BauR 2012, 547:
Ein Sachverständiger darf auf provokante Angriffe oder
persönliche Vor­
würfe einer Partei angemessen reagieren; wirft die Partei dem ärztlichen Sachverständigen Desinteresse an dem Befinden der Patientinnen und mangelnde
Fachkompetenz vor, ergibt sich aus der darauf abgegebenen
Erklärung des Sachverständigen: »Der Gutachter ist erstaunt
über die Sicherheit, mit der der Anwalt der Klagepartei als
medizinischer Laie zu der Feststellung kommt, dass …. Diese
Behauptung zeugt von gravierender medizinischer Unkenntnis und steht im Widerspruch zu der persönlichen Erfahrung
des Gutachters.« keine Befangenheit; Gleiches gilt für die
Formulierung des Sachverständigen: »Auch die ständig vom
Anwalt in unterschiedlichster sprachlicher Variation wiederholten Behauptungen bzw. Fragen ändern nichts an den gutachterlichen Schlussfolgerungen im konkreten Fall.«
OLG München 12.1.2012 - 1 W 2183/11, www.juris.de:
Widerspricht sich ein Sachverständiger oder ändert er bei
seiner mündlichen Befragung rasch seine Meinung, ist
dies ausschließlich eine Sache der Bewertung seiner fachlichen Äußerung; aus einem solchen Verhalten ergibt sich
aber kein vernünftiger Anlass für Zweifel an seiner Unbefangenheit.
OLG München 26.3.2012 - 1 W 260/12, www.ibr-online.de:
Ein Befangenheitsgrund kann sich nicht daraus ergeben,
dass der Sachverständige nach Stellung eines ihm auch
bekannt gewordenen Befangenheitsgesuches und vor Erlass einer gerichtlichen Entscheidung an seinem Gutachten
weiterarbeitet - oder dies nicht tut; § 47 ZPO, wonach der
abgelehnte Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs
nur noch Handlungen vornehmen darf, die keinen Aufschub
gestatten, findet auf Sachverständige keine Anwendung.
OLG Naumburg 28.3.2012 - 10 W 10/12, BauR 2013, 137:
Bei der Auseinandersetzung des gerichtlichen Sachverständigen mit den Ausführungen eines Privatgutachters
ist entscheidend, ob sich die Äußerungen des gerichtlichen
Sachverständigen noch im Bereich der Sachlichkeit verhalten
oder bereits die Grenze zu einer persönlichen Herab­setzung
überschritten wird; verwendet der gerichtliche Sachverständige betreffend das gegen sein Gutachten vorgelegte Privatgutachten neben fachlichen Argumenten die Formulierungen »parteiliche Fokussierung« und »plakative Betrachtungen« sowie verweist er ferner auf die Emeritierung des
Privatgutachters, ergibt dies noch keine Befangenheit.
OLG Karlsruhe 11.4.2012 - 14 W 46/11, VersR 2013, 77:
Verwendet der Sachverständige, dem vorgeworfen worden
ist, er arbeite gemeinsam mit einer Partei gegen die andere,
die andere Partei werde so »regelrecht ausgespielt«, daraufhin Formulierungen wie »anwaltliche Fantasie«, »Spekulation« und »Mut- und Böswilligkeit«, ergibt dies insge­
samt noch nicht seine Befangenheit.
OLG Naumburg 14.8.2012 - 10 W 39/12, IBR 2013, 56:
Stuft der Sachverständige im Rahmen eines Streits um Vergütung für seine Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch dieses Gesuch als prozess­taktisch veranlasst ein,
führt dies noch nicht zu seiner Befangenheit; deshalb sind
diese Ausführungen des Sachverständigen noch hinzunehmen: »Der Klägeranwalt ist ausweislich seines Briefbogens
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Es kann daher
davon ausgegangen werden, dass er Kenntnis darüber hat,
dass die Bearbeitung der angegebenen Punkte zu dem unabdingbaren Leistungssoll eines Honorar-Sachverständigen gehört. Die Behauptung der Behandlung von Rechtsfragen ist
daher ausschließlich taktischer Natur. Umfangreiche – nicht
gerechtfertigte – Vorwürfe einer Partei legen die Arbeit des
Sachverständigen lahm, wenn sich dieser ohne Vergütung
mit umfangreichen Schriftsätzen auseinandersetzen muss,
statt seiner wirtschaftlich notwendigen und vergüteten
Sachverständigentätigkeit nachzugehen. Wenn Rechtsvertreter bei derartigen »Befangenheitsanträgen« nicht mehr
ökonomisch denken müssten, würde ihnen ein vortreffliches
Instrument an die Hand gegeben, um missliebige Sachverständige auf dem Umweg über einen Befangenheitsantrag
in ihrem Tun zu behindern.«
OLG Hamm 1.3.2013 - I-32 W 01/13, IBR 2013, 1069:
Ein Sachverständiger begründet nicht dadurch seine Befangenheit, dass er in seiner schriftlichen Stellungnahme zu
einem Befangenheitsgesuch überflüssige Ausführungen
bringt, sofern diese Ausführungen sachlich abgefasst sind.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Stuttgart 2.5.2013 - 7 W 24/13, VersR 2014, 521:
Reagiert der Sachverständige auf formal nicht zu beanstandende Formulierungen, die jedoch auf der beigelegten
Meta-Ebene nichts anderes transportieren als den Vorwurf
mangelnder Kompetenz, als die Nicht-Einhaltung scheinbar
selbstständigen Standards und/oder als den Gebrauch unzureichender Sorgfalt bei der Gutachtenerstellung (»wird den
geforderten … Anforderungen nicht gerecht«, »trifft keine
nachvollziehbaren Feststellungen«, »eine nachvollziehbare
Begründung hierfür lässt sich dem Gutachten … nicht entnehmen«, »Der Gutachter … lässt die Instrumente und Kriterien
der ICF außen vor.«, »Leitlinien, welche … in dem Ergänzungsgutachten keinen Anklang finden«, »Der Gutachter beharrt
darauf …«) enthalten, mit der Mitteilung, dass er die prozessual zweifelsfrei zulässigen und statthaften Zweifel dieser
Partei für unstatthaft halte, ergibt dies noch keine Befangenheit. Äußert der Sachverständige darüber hinaus in einem Abschnitt »grundsätzliche Gedanken zu Rechtsstreitigkeiten bei
Berufs­unfähigkeitssversicherungsan­sprü­chen«, dass beklagte
Versicherer insbesondere in Streitigkeiten um die Quantifizierung der Berufsunfähigkeit ein ihnen nicht passendes
Gutachten in jüngerer Zeit vermehrt mit dem Vorwurf unzureichender Begründung angreifen, obwohl ihnen doch bekannt
sei, dass die gelieferte gutachterliche Einschätzung nicht auf
Parteilichkeit oder Voreingenommenheit zurückgehe, sondern
ein Ausfluss des in langjähriger Berufs- und Gutachtererfahrung gewonnenen Erfahrungswissens sei, ergibt auch diese
– nach der Einschätzung des Gerichts inhaltlich zutreffende –
Mitteilung keine Veranlassung für die Annahme einer beachtlichen Voreingenommenheit dieses Sachverständigen.
OLG Karlsruhe 10.7.2013 - 12 W 32/13, MDR 2013, 930:
Reagiert der ärztliche Sachverständige auf die Äußerung
einer Partei, er sei Lobbyist der Tabakindustrie, mit der Erklärung, er werde sich gegen diese Behauptung auch
außerhalb des Gerichtssaals zur Wehr setzen, begründet
dies noch nicht die Besorgnis seiner Befangenheit.
OLG Zweibrücken 2.8.2013 - 4 W 53/13, IBR 2013, 712:
Beantwortet der Sachverständige die im Anschluss an eine
verbale Auseinandersetzung über seine etwaigen Beziehungen zu den Parteien die Frage des Prozessbevollmächtigten,
ob er diese Fragen nach den Beziehungen als »anmaßend«
empfinde, mit »ja«, so ergibt sich aus dieser Antwort keine
Befangenheit. In dieser »ja«-Antwort kann keine unangemessene Reaktion gesehen werden, weil das Wort »anmaßend« von dem Prozessbevollmächtigten stammte und der
Sachverständige die Fragen nach seinen Beziehungen zu den
Parteien bereits beantwortet hatte.
OLG Stuttgart 10.10.2013 - 3 W 48/13, www.ibr-online.de:
Die aus einer Aktennotiz des Sachverständigen erkennbare und auf eventuelle Beleidigungen seitens einer
Partei zurückgehende persönliche Verärgerung des
Sachverständigen lässt jedenfalls dann nicht zwingend auf
seine Befangenheit schließen, wenn die Partei in unzulässiger Weise direkten Kontakt zu dem Sachverständigen aufgenommen hat. Denn der Sachverständige als professionell
tätiger Gutachter ist ohne Weiteres in der Lage, eine persönliche Verärgerung aufgrund eventueller Beleidigung der
Prozessparteien von der fachlichen Beantwortung der Beweisfrage zu trennen.
OLG Brandenburg 18.11.2013 - 11 W 47/13, IBR 2014, 242:
Teilt der gerichtliche Sachverständige einleitend in der bei
ihm aufgrund von Einwänden gegen sein Gutachten angeforderten ergänzenden Stellungnahme mit, er beantworte diese Zusatzfragen »als Hilfe zur Überwindung der Verständnisschwierigkeiten des Mitarbeiters der … Kanzlei« des
Prozessbevollmächtigten einer Partei und gebe dabei Fakten
an, die »hätten bekannt sein müssen«, handelt es sich jedenfalls dann um noch hinnehmbare Äußerungen, wenn diese
Partei das bisherige Gutachten insgesamt als unbrauchbar,
falsch unvollständig und nicht nachvollziehbar bezeichnet
hat.
OLG Schleswig 26.11.2013 - 16 W 116/13, IBR 2014, 512:
Ergibt sich dem gerichtlichen Sachverständigen aus den in
der mündlichen Anhörung ihm seitens eines Prozessbevollmächtigten gestellte und wiederholenden Fragen, dass dieser Prozessbevollmächtigte mit den Antworten nicht vollständig einverstanden ist, und ist der Sachverständige der
Auffassung, diese Frage bereits in dem schriftlichen Gutachten beantwortet zu haben, ergibt seine nun in der mündlichen Anhörung gebrachte Mitteilung: »Man sollte meine
Gutachten durchlesen!« keine Befangenheit.
LG Saarbrücken 17.1.2014 - 12 O 233/08, www.ibr-online.de:
Wird der gerichtliche Sachverständige mit einem zweiten seitens derselben Partei gegen ihn gerichteten Befangenheitsgesuch konfrontiert, in dem ihm erneut vorgeworfen wird,
dass seine Ergebnisse »in diametralem Widerspruch zu
allen anderen von den Klägerinnen eingeholten Privatgutachten … stehen«, das »zweifellos falsche« Ergebnis seines Gutachtens sei nur mit seiner Parteilichkeit zu
begründen, ergibt sich daraus, dass dieser Sachverständige
in seiner nun folgenden schriftlichen Erklärung per »Vorbemerkung« mitteilt, es erscheine ihm »wesentlich, darauf
hinzuweisen«, dass die Klägerin im zugrunde liegenden Fallgeschehen ein gravierendes Fehlverhalten eingeräumt habe
und auch deshalb sein Gutachtenergebnis nachvollziehbar
ist, keine Befangenheit. Dass der gerichtliche Sachverständige sich angesichts eines solchen Angriffs in der Sache wehrt,
ist eine dem Gericht verständliche und nicht zu beanstandende Reaktion.
OLG Düsseldorf 10.3.2014 - I-26 W 16/13 (AktE), NZG 2014,
791:
Teilt der gerichtlich Sachverständige mit, für die Erstellung
des bei ihm erbetenen Ergänzungsgutachtens sei das »Aufarbeiten« der Ausführungen in der gegen sein Gutachten
von einem anderen gebrachten Studie, die »Darlegung der
methodischen und materiellen Mängel der Studie«,
insbesondere die Gegenüberstellung der Ergebnisse mit anderen Studien, »die die … Argumente widerlegen«, die
»Fehlerbehebung« und dieser vorgelegten Studie und die
Darlegung, dass das von ihm vorgestellte Vorgehen »bei
konsequenter Durchführung« seine Argumentation stützte, die »Widerlegung« der Kritikpunkte in den Ausführungen, das »Aufarbeiten« der Kritikpunkte und die »Widerlegung falscher Behauptungen« notwendig, kann dem
nicht im Sinne der berechtigten Annahme einer begründeten
Befangenheit entnommen werden, dass dieser gerichtliche
Sachverständige bereits einseitig festgelegt ist oder in jedem
Fall an dem Ergebnis seines Erstgutachtens festhalten und
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
sich mit den Einwendungen nicht ausschließlich sachbezogen auseinandersetzen wird.
BayLSG 24.1.2014 - L 2 SF 249/13 AB, BeckRS 2014, 67994:
Ein Erfordernis für die im Rahmen der Stellungnahme zu einem gegen ihn gerichteten Ablehnungsgesuch gebrachte
Mitteilung des gerichtlichen Sachverständigen: »Grundsätzlich ist es wenig zielführend, auf die hypothetischen
medizinischen Angaben im Schreiben des Klägers einzugehen. Der Kläger ist als medizinischer Laie zu betrachten, seine Argumentation ist geprägt von medizinischem Halbwissen.« dürfte unter keinem Gesichtspunkt
gegeben sein; diese Mitteilung begründet aber auch nicht
die Befangenheit.
3.5.3. Befangenheit bejaht
LG Berlin 23.5.2002 - (518) 70 Js 1087/97 Ls Ns 10/02, StV
2002, 476:
Weist der in einem Strafverfahren im Rahmen der Glaubwürdigkeitsbegutachtung eingesetzte gerichtliche Sachverständige ihm in der Hauptverhandlung gemachte Vorhalte
der methodisch nicht korrekten Arbeitsweise als nicht berechtigt zurück und teilt er dem Verteidiger in einem nachfolgend mit diesem geführten Telefonat mit, dass er die Kritik im
Rahmen einer Supervision mit Dritten thematisiert habe, er
halte die gebrachten Einwände jetzt doch für begründet
und werde seine Arbeit in Zukunft anders gestalten, rechtfertigt dies die Ablehnung der Befangenheit des Sachverständigen in diesem noch nicht abgeschlossenen Strafverfahren.
OLG Celle 5.5.2003 - 1 W 9/03, GesR 2003, 354:
Ist in einem Arzthaftungsprozess die Frage streitig, ob eine
ärztliche Risikoaufklärung erfolgt ist, und äußert der gerichtliche Sachverständige in seinem Gutachtentext, die Aufklärung sei erfolgt, weil sie dokumentiert sei, und erklärt er
diese Äußerung in seiner Stellungnahme zu dem Befangenheitsgesuch damit, dass er alles andere als völlig abwegig
ansehe, rechtfertigt sich dann aus der Sicht des Patienten die
Besorgnis der Befangenheit.
OLG Hamm 11.5.2006 - 32 W 30/05, IBR 2007, 50:
Beurteilt der gerichtliche Sachverständige das betreffend
sein dem Gericht vorgelegtes Gutachten dann angebrachte Privatgutachten als »wissentlich falsch« und »Fakten
verdreht, um Gericht zu täuschen«, führt dies zur erfolgreichen Ablehnung des Sachverständigen.
KG 6.9.2007 - 12 W 52/07, MDR 2008, 528:
Der Sachverständige, der in seiner Stellungnahme zu dem
auf sein Gutachten gebrachten Vortrag des Prozessbevollmächtigten einer Partei die Formulierung »Unverschämtheit« verwendet und zusätzlich schreibt, dass »der Brief
des Prozessbevollmächtigten … als völlig absurd und
inkompetent zu bewerten« sei, ist befangen; solche Formulierungen lassen sich auch nicht damit rechtfertigen, dass
der Prozessbevollmächtigte zuvor betreffend die Arbeit des
Sachverständigen mitgeteilt hatte: »Soweit der Sachverständige außerhalb seines Fachgebiets Unfallfolgen annimmt, ist
das Gutachten wertlos und ohne jeden Beweiswert.«.
OLG Saarbrücken 11.3.2008 - 5 W 42/08, NJW-RR 2008,
1087:
Führt der gerichtliche Sachverständige in seiner schriftlichen
Stellungnahme zu einem Befangenheitsgesuch betreffend
das zwischenzeitlich eingeholte Gutachten eines privaten
Sachverständigen aus, dass dieser private Sachverständige
»leidlicher Kfz-Ingenieur« sein möge, von Kunststoffen
aber »nicht die geringste Ahnung« habe, behandelt er die
Partei-Einwendungen nicht mit der gebotenen Sachlichkeit
und offenbart Befangenheit.
OLG Karlsruhe 15.8.2008 - 9 W 39/08, IBR 2008, 693:
Äußert der gerichtliche Sachverständige, dass das auf das
gerichtliche Gutachten vorgelegte Privatgutachten nur
dazu diene, den vorhandenen kleinen Mangel »unsinnig zu
dramatisieren«, offenbart er mit dieser überzogenen Äußerung seine Befangenheit.
OLG Brandenburg 5.11.2008 - 12 W 41/08, MDR 2009, 288:
Ein Sachverständiger, der in seiner Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch den im Kern zutreffenden Einwand, er habe bereits zuvor im Auftrag der Antragsgegnerin mehrere Gutachten erstellt, als »abstrakte Lüge« und
»Verleumdung« bezeichnet, sich also unwahr äußert, kann
deshalb erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnt werden.
OLG Köln 21.12.2008 - 5 W 58/08, VersR 2009, 1287:
Selbst eine aus fachlicher Sicht offensichtlich unzutreffende
Auffassung einer Partei ist durch den Sachverständigen sachlich zu beurteilen; bezeichnet der Sachverständige den Vortrag der Partei als »frech«, ist Befangenheit gegeben.
OLG Frankfurt 12.1.2009 - 8 W 78/08, GesR 2009, 502:
Ein gerichtlicher Sachverständiger darf sich gegen Angriffe
einer Partei in Bezug auf seine Feststellungen grundsätzlich auch in akzentuierter Form verteidigen; äußert sich der
Sachverständige aber mit diesen Formulierungen: »Offenbar
kommt es der Antragstellerin bei fehlender medizinischer
Begründbarkeit ihres Anliegens nun auch darauf an,
die juristischen, mir im Einzelnen natürlich nicht geläufigen Möglichkeiten auszuloten. … Mir zu unterstellen,
ich wolle in die Prozessführung eingreifen und mich damit
auf fachfremdes Gebiet begeben, ist schlichtweg hanebüchen, aber offenbar für die Replik … wichtig.«, liegt Befangenheit vor.
OLG Koblenz 19.5.2009 - 4 W 150/09, www.ibr-online.de:
Der Sachverständige, der eine Partei ohne hinreichende Begründung einer vorsätzlichen Täuschungshandlung bezichtigt, offenbart Befangenheit.
LG Flensburg 12.8.2009 - 6 OH 13/08, www.ibr-online.de:
Ein Sachverständiger, der streitige Tatsachen ohne Untersuchung als wahr unterstellt und in seiner Stellungnahme
zu einem Befangen­heitsge­such sein Vorgehen als zum Vorteil einer Partei wertet, kann deshalb wegen Besorgnis der
Befangenheit abgelehnt werden.
LG Bielefeld 9.12.2009 - 3 O 557/04, IBR 2011, 1024:
Die berechtigte Besorgnis, der Sachverständige werde sich
künftig Vorga­ben des Gerichts betreffend Ergänzung oder
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Nachbesserung seines Gutachtens widersetzen, kann seine
Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen.
OLG Hamm 20.1.2010 - 1 W 85/09, DS 2010, 156:
Verbalagressive Formulierungen des Sachverständigen
wie »… stellt einen interessanten Cocktail aus subtiler
Faktenverfälschung auf der Basis nachlässiger Lektüre
und Verständnisunfähigkeit, geradezu vorsätzlicher
Verständnislosigkeit für ausführlich erläuterte … Zusammenhänge, nicht substantiierte Behauptungen
zu … Unterlagen und einer Argumentation unter der
nicht statthaften Anwendung des ex post Wissens dar«,
»… Strategie der Falschbehauptung durch Faktenverdrehung«, »… ob hinter der sinnentstellenden Vermengung der drei Befundregionen Ignoranz, Inkompetenz oder Vorsatz steht«, »… völliger Unsinn« und »…
stellt in der persönlichen, über 20-jährigen Erfahrung
des Gutachters … in seiner mangelnden Faktenorientierung und analytischer Flachheit, seinem dröhnenden Wortgestus und des alles Sachliche erstickenden
logorrhoischen Wortschwalls ein Unikat anwaltlicher
Tätigkeit dar« überschreiten in der Gesamtheit die Grenze
der noch angemessenen deutlichen Reaktion auf wiederholt
vorgebrachtes schar­fes Vorbringen dieses Verfahrensbevollmächtigten.
OLG Dresden 25.1.2010 - 9 U 2258/05, IBR 2010, 1283:
Mehrere sprachliche und unsachliche Herabwürdigungen enthaltende Entgleisungen des Sachverständigen
(»irrelevant«, »ignoriert bestimmte Umstände«, »einem aufmerksamen Leser wäre das nicht entgangen«,
»Berechnungen des Rechtsanwalts … wieder einmal
unbrauchbar«, »rhetorische Doubletten« und »höchst
selektive Auswahl von Teilargumenten aus den verschiedenen Gutachten … subjektiv und voreingenommen«) begründen die Befangenheit; sie können unter keinem Gesichtspunkt als noch adäquate Reaktion auf provokante Fragestellungen gerechtfertigt sein.
LG Hamburg 21.6.2010 - 317 OH 23/07, IBR 2011, 1021:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige die Bitte einer
Partei, den von ihm nachgeforderten weiteren Vorschuss
auf seine Vergütung näher darzulegen, als »Bestandteil
eines Verfahrensstils, welchen der Sachverständige an
dieser Stelle mit Entschiedenheit missbilligt,«, äußert
der Sachverständige darüber hinaus: »Die Einbeziehung
des Sachverständigen in Verfahrensfragen und Verfahrensabläufe bedeutet nicht nur eine Verzögerung des
Prozesses, sondern ist möglicherweise auch juristisch
bedenklich.«, er sei auch der Auffassung, »dass die Antragstellerin durch permanente verfahrenshemmende
Interventionen den Sachverständigen zur Wiedereinarbeitung in die Gerichtsakte bewegt und in Verfahrensfragen involviert«, belegt er seine Befangenheit.
LG Kleve 24.8.2010 - 6 T 71/09, MDR 2010, 1419:
Geht der Sachverständige, nachdem ein gegen ihn gerichtetes Befangenheitsgesuch der einen Partei bereits zurückgewiesen worden ist, in seiner gerichtlich in Auftrag gegebenen nachfolgenden ergänzenden Stellungnahme mit keinem Wort auf die konkreten Fachfragen und Einwände
derselben Partei ein, sondern äußert er mit Hinweis auf
seine langjährige Tätigkeit als Handwerksmeister und als vereidigter Sachverständiger allein, dass er diese wiederholten
Fragen und Einwände als persönlichen Angriff gegen seine
Person ansieht, ergibt sich jetzt seine Befangenheit.
OLG Düsseldorf 15.12.2010 - 12 W 55/10, BauR 2011, 2009:
Verbalagressive Reaktionen des Sachverständigen in
seinem Ergän­zungs­­gut­achten auf Kritik seitens eines Rechtsanwalts können die Besorgnis der Befangenheit begründen.
Teilt der Rechtsanwalt in seiner Stellungnahme zum Gutachten mit, dieses sei »nicht verwertbar«, da der Sachverständige die gestellten Fragen »nicht im Ansatz« beantworte,
der Sachverständige habe »seine eigene Feststellungspflicht
nicht beachtet«, sind die Mitteilungen des Sachverständigen, dieser anwaltliche Vortrag stelle »in offensichtlicher
Unkenntnis, wie sich Schätzkosten im vorliegenden Fall substantiiert ermitteln lassen, den untauglichen Versuch« dar,
»die Arbeit des Sachverständigen in Misskredit zu bringen«,
verbunden mit der von dem Sachverständigen verwendeten
Formulierung: »Der Sachverständige empfiehlt der anwaltlichen Vertretung der Antragstellerin, sich mit den rechtlichen
Folgen der Kostenproblematik rechtzeitig, intensiver und klar
verständlich auseinanderzusetzen.«, kann darauf Befangenheit abgeleitet werden.
LG München 26.10.2011 - 13 T 18596/11, WuM 2012, 153:
Ein Sachverständiger kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn er sich ohne Anlass unsachlich
über eine Partei des Verfahrens äußert, die von ihren prozessualen Rechten Gebrauch macht; dies gilt auch dann, wenn
diese Äußerung des Sachverständigen (»Die Beantragung
meiner Anhörung ist nichts anderes als ein persönlicher
Racheakt gegen meine Person, da dem Kläger meine Gutachten – so auch in anderen Prozessen – nicht ins Konzept
passen.«) in einem anderen Verfahren mit denselben Beteiligten gefallen ist.
OLG Frankfurt 23.2.2012 - 15 W 35/11, BeckRS 2012, 5586:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige die von der
Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten zu einer medizinischen Frage vorgetragene Meinung als »schlichtweg lachhaft«, bezeichnet er die zu seinem Gutachten geäußerte
Kritik als »schlichtweg rufschädigend«, teilt er ferner mit:
»Mir ist leider bekannt, dass in einem Gerichtsverfahren ein
Rechtsanwalt so ziemlich alles schreiben darf, sonst hätte
ich andere Konsequenzen ziehen müssen.« Und äußert er
weiter, sich »durch viele Aussagen des Herrn Rechtsanwaltes
verunglimpft« zu fühlen, überschreitet er die Grenzen des
Gebots der Sachlichkeit sowie der Distanz und belegt seine
Befangenheit.
OLG Stuttgart 28.2.2012 - 10 W 4/12, IBR 2012, 298:
Der zu Planungs- und Überwachungsfehlern eines Architekten gerichtlich befragte Sachverständige, der ohne Vornahme einer Bodenöffnung allein aufgrund einer vorgelegten
Rechnung des Estrichlegers zu dem Ergebnis gelangt, es liege kein Mangel vor, offenbart jedenfalls dadurch seine Befangenheit, dass er in seiner Stellungnahme zu der Beanstandung dieses Vorgehens nur mitteilt, der Partei stehe jederzeit
frei, die Öffnung der Fußböden nachträglich durchzuführen;
diese Antwort des Sachverständigen vermittelt einer vernünftig denkenden Partei nämlich den Eindruck, dass dieser
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Festschrift BauSV 1/2015
Sachverständige zu einer eigenen objektiven Klärung nicht
bereit ist.
AG Düsseldorf 19.4.2012 - 34 C 11852/10, nicht veröffentlicht:
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige das in einem
Privatgutachten, welches auf sein gerichtliches Gutachten
vorgelegt worden ist, dargestellte Vorgehen dieses Privatgutachters als »willkürlich« und »wahrscheinlich, um sein
Ziel zu erreichen,« ohne diese Einstufung nachvollziehbar
und sachlich zu belegen, offenbart er seine Befangenheit.
LSG NRW 6.8.2012 - L 17 U 645/11, www.justiz.nrw.de:
Bringt der Sachverständige, der von dem Rechtsanwalt einer Partei, der zusätzlich ausgebildeter Arzt ist, als »Kollege«
bezeichnet wurde, Ausführungen im Umfang beinahe einer
Schreibseite dazu, warum sich dieser Prozessbevollmächtigte
nicht als Kollege bezeichnen könne und führt er zusätzlich
aus, dieser Verfahrensbevollmächtigte wische die Befunde
nach dem Motto: »Es kann nicht sein, was nicht sein
darf.« vom Tisch und ersetze die erhobenen Befunde durch
seine Behauptungen, sind die Grenzen einer sachlichen Auseinandersetzung überschritten mit der Folge des Vorliegens
von Befangenheit.
OLG Oldenburg 4.9.2012 - 12 W 203 und 203/12, nicht veröffentlicht:
Formuliert der zu Bodengegebenheiten nach stattgefundenem Moorabbau befragte Sachverständige die Beweisthemen um, indem er nicht erfragte Hinweise zur Sanierung
bringt, und benutzt er zusätzlich bertreffend Einwände gegen seine gutachterlichen Feststellungen Formulierungen
wie »unsinnig«, »nicht akzeptabel«, »nicht hilfreich«,
»jeder, der sich wirklich mit solchen Fragen beschäftigt
hat«, werde ihm zustimmen, und bringt er auch noch die
Mitteilung, dass er »auf die Befindlichkeiten des Herrn
RA … nicht eingehe, da diese zur fachlichen Bewertung
nicht zielführend sind«, ergibt sich insgesamt seine Befangenheit.
LSG NRW 27.11.2012 - L 17 U 30/06, www.juris.de:
Liefert der Sachverständige im Anschluss an den Termin seiner mündlichen Anhörung, in dem nach ihm auch ein anderer Sachverständiger gehört worden ist und sich dann
gegensätzlich zu seinen Auffassungen geäußert hat, dem
Gericht ungefragt eine schriftliche Stellungnahme, in der
er betreffend die Ausführungen des anderen Sachverständigen die Formulierungen »medizinisch in keiner Weise nachzuvollziehen … um es vorsichtig zu formulieren … absurd …
einfach medizinisch in keiner Weise begründbar«, begründet
dies seine Befangenheit.
OLG Köln 3.12.2012 - 17 W 141/12, IBR 2013, 115:
Abwertende Äußerungen des Sachverständigen gegen
den Prozessbevollmächtigten einer Partei (»Ich kann nicht
beurteilen, wie häufig Frau Rechtsanwältin … Mandanten
in Bauprozessen vertreten hat, was Grundkenntnisse in der
Baupraxis voraussetzen würde. … Richtig ist vielmehr, dass
Frau Rechtsanwältin … die Abläufe, Gegebenheiten und
Zwänge des realen Baugeschehens, u.a. bei Großbaustellen,
aufgrund unzureichender berufsbedingter Erfahrung nicht
bewerten und zuordnen kann. … Es hat den Anschein, dass
verschiedene logische und materialtechnische Gegebenheiten, die auf einfachster Grundlage erklärt wurden, anscheinend nicht verstanden worden sind.«) können einen Befangenheitsantrag begründen.
LG Schweinfurt 16.1.2013 - 23 O 1182/04, nicht veröffentlicht:
Trifft der Sachverständige in seiner ergänzenden schriftlichen
Stellungnahme mehrere Äußerungen, die eine vernünftig
denkende Partei als einseitige Unterstellungen zu ihren
Lasten verstehen kann, ergibt dies jedenfalls dann die Befangenheit des Sachverständigen, wenn dadurch der Eindruck
entsteht, dieser Sachverständige sei von vorneherein nicht
bereit, seine Ausführungen im Ausgangsgutachten auf die
von dieser Partei dagegen gebrachten Einwände hin zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
LG Cottbus 14.2.2013 - 6 OH 13/09, nicht veröffentlicht:
Beklagt sich der Sachverständige in einem Schreiben
an das Gericht ohne Erkennbarkeit einer konkreten Behinderung über das Verhalten einer Partei, kann daraus
eine zur Besorgnis der Befangenheit führende Aversion des
Sachverständigen gegen diese Partei herausgelesen werden.
OLG Nürnberg 11.4.2013 - 13 W 616/13, IBR 2013, 498:
Der Sachverständige darf auf heftige Angriffe seitens einer
Partei durchaus mit Schärfe reagieren. Beantwortet der gerichtliche Sachverständige im Termin seiner mündlichen Anhörung die Frage des Prozessbevollmächtigten, (ob es technisch möglich sei, einen 30 cm breiten Streifen aus den Paneelen herauszuschneiden), und teilt er, nachdem ihm dieselbe Frage von demselben Antragsteller noch mehrfach gestellt
wird, schließlich wörtlich mit: »Ihre wiederholte Fragerei
geht mir auf die Nerven. Ich kann auch gehen.« (anstelle
darauf hinzuweisen, dass er diese Frage bereits beantwortet
habe, oder zurückzufragen, welche Unklarheiten noch bestehen), und beklatscht er zusätzlich einen dann gestellten
Befangenheitsantrag mit lächelndem Gesicht, überschreitet
er die Grenzen der ihm noch zu tolerierenden angemessenen
Reaktion mit der Folge des Begründetseins dieses Befangenheitsantrages.
LSG NRW 28.1.2014 - L 8 R 1000/13 B, www.justiz.nrw.de:
Äußert sich der gerichtliche Sachverständige auf die Befangenheitsablehnung mit: »völlig falsch«, »Hätte die Klagevertretung mein Gutachten gelesen bzw. auch verstanden«,
»Ferner moniert die Klagevertretung meine gutachterliche
Bewertung der durchgeführten Röntgenaufnahmen der
HWS und LWS. Aus dem Briefkopf der Klagevertretung ist
nicht zu entnehmen, dass die Klagevertretung über eine
abgeschlossene Ausbildung als Arzt verfügt, speziell auch
mit Kenntnissen in der Röntgendiagnostik. Ferner lagen der
Klagevertretung die Röntgenbilder im Original nicht vor. Somit ist der erhobene Vorwurf gutachterlich als vollständig
unqualifiziert zurückzuweisen.« und »Ein verständiger Blick
in das Gutachten des Kollegen … durch den Klägervertreter
hätte helfen können, dieser ist Facharzt für Nervenheilkunde, also ein voll ausgebildeter Neurologe mit weiterer Zusatzausbildung. Der Einwand der Klagevertretung zeugt von
vollständiger Unkenntnis.« geht über eine noch hinnehmba-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
re und vertretbare Reaktion hinaus; die Gesamtheit dieser
Äußerungen und insbesondere der Vorwurf, der Klägervertreter habe das Gutachten nicht gelesen und die Bezeichnungen »vollständig unqualifiziert« und »vollständige
Unkenntnis« berechtigen zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit.
OLG Stuttgart 30.7.2014 - 8 W 388/13, IBR 2014, 581:
Tippt sich der gerichtliche Sachverständige im Verlauf seiner
durch den Prozessbevollmächtigten druckvoll vorgenommenen Befragung mit dem Zeigefinger an die Schläfe (= VogelZeigen), belegt dies seine Befangenheit
3.7. Ablehnungsverfahren
3.7.1. Prozessuale Gegebenheiten
OLG Köln 10.5.2002 - 5 W 47/02, www.juris.de:
Die ablehnende Partei macht die Umstände der Befangenheit nicht hinreichend glaubhaft, wenn sie ihre Behauptung,
der Sachverständige habe sich in einer näher dargelegten
Weise unangemessen und unsachlich verhalten, allein mit
der eigenen eidesstattlichen Versicherung belegt und
der abgelehnte Sachverständige in seiner daraufhin gebrachten Stellungnahme angibt, dieses gerügte Verhalten sei nicht
vorgefallen, und mit einer eigenen eidesstattlichen Versicherung stützt.
3.6. Sachverständiger Zeuge/Privatgutachter + Befangenheit
BGH 13.2.1962 - VI ZR 110/61 und VI ZR 141/61, VersR
1962, 450:
Der Umstand, dass ein Sachverständiger ein privates Gutachten für eine Partei erstattet hat, stellt nicht notwendig
und in jedem Fall einen Ablehnungsgrund dar.
OLG Jena 28.11.2007 - 5 W 573/07, MDR 2008, 587:
Ein als sachverständiger Zeuge geladener, vorgerichtlich als
Privat­gut­achter tätig gewesener Sachverständiger kann
wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, soweit er jetzt als Sachverständiger bei der Beantwortung der
Beweisfragen tätig werden soll.
OLG Celle 11.6.2009 - 6 U 10/09, www.ibr-online.de:
Ein erfolgreich als befangen abgelehnter Sachverständiger
kann als sachverständiger Zeuge nur noch zu seinen tatsächlichen Beobachtungen – hier an der zur Zeit seiner
Besichtigung noch vorhandenen Anlage – gehört werden;
seine fachlichen Folgerungen aus diesen Beobachtungen
dürfen nicht berücksichtigt werden, denn diese beruhen
nicht auf seiner Wahrnehmung sondern auf seiner Bewertung die aufgrund der erfolgreichen Ablehnung außen vor
zu bleiben hat.
BGH 18.3.2010 - 3 StR 426/09, NStZ-RR 2010, 210:
Ein erfolgreich wegen Befangenheit abgelehnter Sachverständiger darf über die von ihm im Rahmen seines Auftrags
(hier: Erstellung eines aussage­psy­cholo­gischen Gutachtens)
ermittelten Tatsachen als Zeuge vernommen werden; damit ist auch die ergänzende Inaugenscheinnahme der auf
Tonband aufgezeichneten Explorationsgespräche, die der
abgelehnte Sachverständige mit dem kindlichen Opfer geführt hat, zulässig.
OLG Hamburg 9.6.2011 - 13 U 36/10, IBR 2011, 620:
Wird ein sachverständiger Zeuge ad hoc zum Sachverständigen er­nannt und zur mündlichen Gutachtenerstattung aufgefordert, ist ein Ablehnungsgesuch vor seiner Vernehmung zu stellen.
OLG Celle 21.1.2005 - 3 W 6/05, IBR 2005, 296:
Ergibt sich einer Partei Veranlassung für die Annahme, dass
bei dem gerichtlich bestimmten Sachverständigen Umstände
vorliegen könnten, die eine Befangenheit rechtfertigen, hat
sie Erkundigungen anzustellen, ob der Ablehnungsgrund
tatsächlich besteht; unterlässt sie eine ihr zumutbare Prüfung, verliert sie ihr auf solche Umstände stützbares Ablehnungsrecht.
BGH 23.5.2006 - VI ZB 29/05, IBR 2006, 525:
Ist der Streithelfer aufgrund des Widerspruchs der unterstützten Partei im selbstständigen Beweisverfahren an
der Geltendmachung eines eigenen Befangenheitsgesuchs
gehindert, kann er sein Ablehnungsgesuch noch im Hauptsacheverfahren bringen, sofern er darin Partei ist.
OLG Düsseldorf 10.8.2006 - 2 U 120/02, DS 2007, 355:
Jedenfalls eine Gewerbetreibende Partei hat im Internet
nach mögli­chen Verbindungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen zur gegnerischen Partei zu forschen. Kommt sie mit von vorneherein erkennbaren Umständen nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 406 Abs.
2 S. 1 ZPO, ist ein auf solche Gegebenheiten gestützter Befangenheitsantrag verfristet (= verspätet).
(ebenso KG 16.8.2011 - 5 U 23/04, Magazindienst 2011,
796 betreffend einen in der Forschung an der Hochschule
tätigen ärztlichen Sachverständigen und seine Publikationen)
OLG Brandenburg 6.9.2006 - 11 W 36/06, BeckRS 2006,
12569:
Äußert sich die Hauptpartei weder zu dem Gutachten noch
zu dem Ablehnungsgesuch des Streithelfers, ist dies als konkludente Billigung des Gutachtens zu werten; das Ablehnungsgesuch des Streithelfers steht damit im Widerspruch
zu dem erkennbaren Willen der Hauptpartei und ist deshalb
unzulässig.
OLG Köln 15.12.2006 - 22 U 93/06, BauR 2007, 1786:
Über ein Ablehnungsgesuch gegen einen gerichtlichen Sachverständigen, der bereits im selbstständigen Beweisverfahren
ernannt worden ist, hat das Gericht zu entscheiden, das ihn
ernannt hat. Ist das selbstständige Beweisverfahren beendet,
geht die Zuständigkeit der Entscheidung über ein danach
gestelltes Ablehnungsgesuch auf das Gericht der Hauptsache über.
(ebenso OLG Brandenburg 19.12.2006 - 12 W 26/06, www.
juris.de)
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
KG 22.1.2007 - 12 W 4/07, IfS Informationen 2/2008, 15:
Weist das Landgericht als Berufungsgericht den Befangenheitsantrag gegen den Sachverständigen zurück, ist eine
hiergegen gerichtete Beschwerde unzulässig.
(ebenso BVerwG 22.7.2010 - 2 B 128/09, BeckRS 2010,
52448)
OLG Hamm 5.2.2007 - 6 W 5/07, IBR 2007, 1103:
Neben einem Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen
ist der Antragsteller auch im selbstständigen Beweisverfahren nicht gehalten, gleichzeitig mit dem Befangenheitsantrag seine weiteren Ergänzungsfragen zu stellen.
OLG Düsseldorf 11.6.2007 - 21 W 19/07, IBR 2007, 455:
Fachliche Äußerungen die ein vom gerichtlichen Sachverständigen hinzugezogener Untersachverständiger bringt
und die der gerichtliche Sachverständige mangels eigenen
Fachwissens sich nicht zu eigen machen kann, sind, sofern
bei diesem Untersachverständigen die Besorgnis der Befangenheit gegeben ist, in entsprechender Anwendung des
Rechtsgedankens des § 406 ZPO nicht verwertbar.
OLG Naumburg 7.8.2007 - 9 U 53/07, DS 2008, 112:
Hat das Gericht entgegen § 406 Abs. 4 ZPO über das Ablehnungsgesuch gegen den gerichtlichen Sachverständigen
nicht durch Beschluss, sondern erst in den Gründen seines Urteils entschieden, ist das Berufungsgericht an der
Verwendung dieses Beweisergebnisses jedenfalls dann nicht
gehindert, wenn die sofortige Beschwerde gegen einen das
Befangenheitsgesuch zurückweisenden Beschluss keinen Erfolg gehabt hätte.
OVG Münster 18.9.2007 - 19 E 826/06, BeckRS 2007,
26721:
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts über die
Ablehnung des Sachverständigen ist die Beschwerde
grundsätzlich statthaft. § 146 Abs. 1 VwGO findet nämlich
keine Anwendung auf die Ablehnung von Sachverständigen.
(ebenso OVG Hamburg 27.4.2011 - 1 So 15/11, IfS Informationen 3/2011, 9)
BAG 22.7.2008 - 3 AZB 26/08, BAGE 127, 173:
Gegen eine Entscheidung des Arbeits- oder Landesarbeitsgerichts über ein gegen den Sachverständigen gerichtetes Ablehnungsgesuch ist in entsprechender Anwendung
der für die Entscheidung über Richter geltenden Regelung
des § 49 Abs. 3 ArbGG kein Rechtsmittel gegeben.
OLG Naumburg 12.8.2008 - 10 W 46/08, nicht veröffentlicht:
Raum für eine Befangenheitsentscheidung besteht erst, wenn
das Gericht den Sachverständigen konkret ausgewählt hat; allein die richterliche Ankündigung, einen bestimmten Sachverständigen aussuchen zu wollen, genügt noch nicht.
OLG Köln 19.8.2008 - 5 W 39/08, www.justiz.nrw.de:
Zur Glaubhaftmachung eines behaupteten Befangenheitumstandes ist das Beweisangebot »Vernehmung des bei der
Untersuchung anwesenden Ehemannes« ungeeignet,
weil eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann,
unstatthaft ist.
BGH 23.9.2008 - X ZR 135/04, MDR 2009, 217:
Ist der das Ablehnungsgesuch anbringenden Partei bekannt,
dass die Gewinnung des Sachverständigen wegen der Besonderheit des Falles außergewöhnliche Schwierigkeiten
bereitet, kann es die Prozessförderungspflicht ausnahmsweise gebieten, frühzeitig zumutbare Nachforschungen
darüber anzustellen, ob ein Ablehnungsgrund in Betracht
kommt.
LSG Schleswig-Holstein 14.1.2010 - L 8 B 227/09 SF, NZS
2010, 352:
Nach Instanz-beendender Entscheidung in der Hauptsache
kann das Sozialgericht den Verfahrensfehler, der in der unterbliebenen Entscheidung über das Ablehnungsgesuch gegen
den Sachverständigen liegt, nicht mehr heilen. In diesem Fall
ist aufgrund eingelegter Beschwerde das Landessozialgericht
zuständig für die Entscheidung über ein weiterhin zulässiges
Ablehnungsgesuch.
BayLSG 24.2.2010 - L 2 U 356/08, BeckRS 2010, 70311:
Die Behauptung einer Partei, der gerichtliche Sachverständige stehe in einem Beratungsverhältnis zur anderen Partei,
reicht zur Glaubhaftmachung eines Ablehnungsgrundes
nicht aus, wenn der Sachverständige und diese andere Partei
ein solches Beratungsverhältnis verneinen.
BGH 21.10.2010 - V ZB 210/09, www.ibr-online.de:
Die erforderliche Glaubhaftmachung des Ablehnungsgrundes ist bereits gegeben, wenn bei der gebotenen richterlichen Würdigung mehr für das Vorliegen der von dem
Ablehnenden behaupteten und eidesstattlich versicherten
Umstände spricht als dagegen. Sieht sich der Tatrichter bei
seiner anschließend vorzunehmenden Würdigung weder zur
Bejahung noch zur Verneinung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Ablehnungsgrundes in der Lage (non liquet), führt dies nicht dazu, dass von der Besorgnis der Befangenheit auszugehen ist.
(entschieden für ein gegen einen Rechtspfleger gerichtetes
Befangenheitsgesuch)
OLG Brandenburg 15.11.2010 - 11 W 3/10, BeckRS 2010,
29951:
Bei der richterlichen Klärung der für die Ablehnung des Sachverständigen gebrachten Gründe ist ohne Bedeutung, ob die
dazu vorgetragenen Umstände vom Gegner bestritten
werden; vielmehr hat das mit dem Ablehnungsantrag befasste
Gericht eine eigenständige Würdigung der Gegebenheiten
vorzunehmen. Es ist undenkbar, dass durch Nichtbestreiten
ein in Wahrheit nicht gegebener Umstand »unstreitig« und
damit ein Ablehnungsgrund geschaffen wird.
OLG Köln 15.11.2010 - 2 Ws 738 + 739/10, BeckRS 2011,
0125:
Eine Beschwerde gegen die gerichtliche Entscheidung, mit
der in einem Strafverfahren ein den gerichtlichen Sachverständigen betreffendes Befangenheitsgesuch zurückgewiesen wird, ist unzulässig.
(ebenso KG 3.9.2001 - 5 Ws 518/01, www.juris.de)
BayLSG 19.11.2010 - L 2 SF 164/10 B, www.juris.de:
Ein erneuter Befangenheitsantrag, der lediglich Vortrag
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
enthält, über den bereits entschieden worden ist, ist unzulässig; zulässig bleibt nur ein auf eine neue Sach- und Rechtslage gestützter Antrag.
OLG Köln 23.2.2011 - 2 Ws 87/11, NStZ-RR 2011, 315:
Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren kann ein Befangenheitsgesuch gegen einen Sachverständigen bis zum
Schluss der Hauptverhandlung gestellt werden; der Antragsteller ist nicht verpflichtet, das Ablehnungsgesuch unverzüglich nach Kenntnisnahme des Gutachtens anzubringen.
Das gilt auch für das Vollstreckungsverfahren.
BGH 6.4.2011 - 2 StR 73/11, BGHR StPO § 74 Befangenheitsantrag 1:
Anders als bei einer Richterablehnung prüft das Revisionsgericht in Strafsachen nicht nach Beschwerdegrundsätzen,
sondern nach revisionsrechtlichen Grundsätzen, ob dem Ablehnungsgrund ohne Verfahrensfehler und mit zureichender
Begründung stattgegeben worden ist; hierbei ist das Revisionsgericht an die vom Tatrichter festgestellten Tatsachen gebunden und kann keine eigenen Feststellungen
treffen.
BGH 3.5.2011 - 1 StR 699/10, BGHR StPO § 74 Befangenheitsantrag 1:
Der Antrag auf Ablehnung eines gerichtlichen Sachverständigen wegen Befangenheit ist generell bedingungsfeindlich.
KG 25.7.2011 - 15 W 51/11, BauR 2012, 536:
Die Glaubhaftmachung eines Befangenheitsgrundes ist entgegen § 406 Abs. 3 1. Halbsatz ZPO dann nicht erforderlich,
wenn es sich um ausdrücklich von der Gegenpartei bestätigten und damit um unstreitigen Sachverhalt handelt; diese
Bestätigung ersetzt im Parteienprozess quasi die Glaubhaftmachung.
BVerwG 22.12.2011 - 2 B 87/11, www.juris.de:
Nach § 557 Abs. 2 ZPO, der über § 173 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entsprechend anzuwenden ist,
unterliegen die dem Endurteil vorausgehenden Entscheidungen nicht der Beurteilung des Revisionsgerichts, wenn
sie unanfechtbar sind; ein solcher Vorentscheid, der nicht
mit der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht
angefochten werden kann, ist gegeben, wenn ein Oberverwaltungsgericht nach § 98 VwGO i.V.m. § 406 ZPO die
Ablehnung des Sachverständigen für unbegründet erklärt.
OLG München 6.2.2012 - 31 Wx 31/12, FGPrax 2012, 92:
Für die sofortige Beschwerde nach erfolgloser Ablehnung
des Sachverständigen im FamFG-Verfahren ist der Einzelrichter zuständig.
OLG Naumburg 25.5.2012 - 10 U 43/11, BeckRS 2012,
21441:
Wird über die Ablehnung eines Sachverständigen unrichtig
nicht mit Beschluss, sondern im die Instanz abschließenden Urteil entschieden, ist dieses wegen des Verfahrensfehlers nur dann anfechtbar, wenn eine sofortige Beschwerde nach § 406 Abs. 5 ZPO gegen einen ablehnenden
Beschluss gemäß § 406 Abs. 4 ZPO Erfolg gehabt hätte. Eine
entsprechende Prüfung kann das Berufungsgericht selbst
vornehmen.
BayLSG 9.10.2012 - L 15 VJ 2/08, www.juris.de:
Die Anhörung eines Sachverständigen zu dem gegen
ihn gerichteten Befangenheitsgesuch ist grundsätzlich
nicht erforderlich; § 44 Abs. 3 ZPO, wonach der abgelehnte Richter sich über den Ablehnungsgrund zu äußern hat, gilt
nicht entsprechend.
(Anmerkung des Verfassers: Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, dass der abgelehnte Sachverständige anzuhören sei, weil der Verlust seines Vergütungsanspruchs im
Raum steht.)
OLG Karlsruhe 14.11.2012 - 8 W 62/12, www.ibr-online.de:
Hat der frühere Beklagte sich in der Sache eingelassen
und keinen Befangenheitsantrag gestellt, muss der Rechtsnachfolger sich dies zurechnen lassen.
OLG Düsseldorf 5.2.2013 - I-23 U 185/11, BauR 2013, 1283:
Das Berufungsgericht ist zur Entscheidung über eine in
erster Instanz nicht beschiedene Ablehnung des Sachverständigen zuständig.
OLG Saarbrücken 23.7.2013 - 6 UF 126/13, IBR 2013, 1329:
Das Gericht darf in seiner Endentscheidung ein Gutachten
eines mit substantiierten, also nicht klar rechtsmissbräuchlich angebrachten, Gründen ab­ge­lehnten Sachverständigen
nicht verwerten, ohne zuvor die Befangenheitsablehnung beschieden zu haben.
OLG München 25.7.2013 - 1 U 615/13, IBR 2014, 187:
Wird der im Zusammenhang der Anhörung des gerichtlichen Sachverständigen gestellte Befangenheitsantrag noch
in diesem Anhörungstermin zurückgewiesen und dann die
persönliche Anhörung des Sachverständigen sogleich fortgesetzt, kann die Partei, die bloß noch sofortige Beschwerde
gegen die Zurückweisung anbringt, sich aber nicht mehr an
der mündlichen Anhörung weiter beteiligt, diesen Sachverständigen nachfolgend nicht mehr wegen behaupteter
Unrichtigkeit des Gutachtens in Regress nehmen.
LSG Berlin Brandenburg 16.12.2013 - L 1 SF 268/13 B AB,
www.juris.de:
Entscheidungen der Sozialgerichte über die Ablehnung des
Sachverständigen sind jedenfalls seit der Neufassung des §
172 Abs. 2 SGG (»… Beschlüsse … über die Ablehnung von
… Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.«) nicht mehr anfechtbar. Die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Antrags auf Ablehnung eines Sachverständigen wegen Befangenheit, die vor der zum
23.10.2013 in Kraft getretenen Änderung des § 172 Abs.
2 SGG eingereicht wurde, bleibt ausnahmsweise auch nach
der erfolgten Rechtsänderung statthaft und ist in der Sache
zu entscheiden.
OLG Brandenburg 14.2.2014 - 11 W 47/13, www.juris.de:
Gegen einen Beschluss, mit dem eine sofortige Beschwerde
gegen die Ablehnung eines Befangenheitsgesuches betreffend einen gerichtlichen Sachverständigen in einem selbstständigen Beweisverfahren zurückgewiesen wird, ist eine
Anhörungsrüge statthaft.
OLG München 31.3.2014 - 10 W 32/14, DAR 2014, 273:
Enthält der über das Ablehnungsgesuch entscheidende Be-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
schluss keine echte Begründung, sondern nur die Mitteilung, dass es die vorgetragenen Gründe nicht rechtfertigen,
den Sachverständigen als befangen anzusehen und Zweifel
an seiner Unparteilichkeit anzunehmen, und den zusätzlichen Hinweis, dass der Sachverständige in seiner Stellungnahme zum Befangenheitsgesuch erklärt habe, nicht befangen zu sein, kann dieser Beschluss bei seiner Anfechtung
keinen Bestand haben; dieser Beschluss wird nämlich dem
Anspruch der ablehnenden Partei auf rechtliches Gehör
nicht ansatzweise gerecht.
OLG Karlsruhe 7.4.2014 - 9 W 28/13, www.juris.de:
Ist in dem die Beschwerde gegen die Zurückweisung des Ablehnungsantrag zurückweisenden Beschluss des Beschwerdegerichts versehentlich die zu Lasten des Beschwerdeführers gehende Kostenentscheidung unterblieben, kann
dies in entsprechender Anwendung des § 321 ZPO ergänzt
werden. Wurde der zu ergänzende Beschluss nicht förmlich
zugestellt, sondern den Parteien nur formlos mitgeteilt, wird
keine Frist für den Ergänzungsantrag in Gang gesetzt; die
zweiwöchige Frist des § 321 Abs. 2 ZPO gilt in diesem Fall
nicht.
BayLSG 29.4.2014 - L 15 SF 60/14 A 13, BeckRS 2014,
69324:
Hat der in erster Instanz beauftragte Sachverständige den in
der zweiten Instanz ihm erteilten weitergehenden gerichtlichen Gutachtenauftrag zurückgegeben, weil er seine Gutachtertätigkeit zwischenzeitlich beendet hat und nun auch
nicht mehr über die Infrastruktur für die Erledigung der Arbeiten verfügt und ist diese Rückgabe gerichtlich akzeptiert worden, fehlt einem dann gebrachten Befangenheitsgesuch das Rechtsschutzbedürfnis.
3.7.2. Ablehnungsfrist
BGH 15.3.2005 - VI ZB 74/04, IBR 2005, 350:
Ergibt sich der Grund zur Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Inhalt des
schriftlichen Gutachtens, läuft im allgemeinen die Frist zur
Ablehnung des Sachverständigen gleichzeitig mit der vom
Gericht gesetzten Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs.
4 ZPO ab, wenn sich die Partei zur Begründung des Antrags
mit dem Inhalt des Gutachtens auseinandersetzen muss.
(ebenso LSG NRW 4.6.2007 - L 1 B 7/07 AL, www.justiz.nrw.
de; OLG Saarbrücken 8.11.2007 - 5 W 287/07-100, OLGR
2008, 269; LG Mühlhausen 11.1.2008 - 6 O 413/06, www.
juris.de; OLG Saarbrücken 11.3.2008 - 5 W 42/08, NJW-RR
2008, 1087; OLG Köln 19.8.2008 - 4 W 10/08, JMinBl NRW
2009, 17; OLG Nürnberg 6.10.2008 - 5 W 790/08, DS 2009,
74; LG Leipzig 9.9.2009 - 3 HK O 4523/06, BauR 2010,
123; OLG Bremen 17.9.2009 - 3 W 19/09, MDR 2010, 48;
OLG Dresden 14.1.2010 - 4 W 20/10, www.ibr-online.de;
OLG Köln 24.2.2010 - 20 W 3/10, IBR 2010, 478; BayLSG
5.4.2011 - L 2 SF 307/10 B, www.juris.de; BayLSG 7.4.2011 L 2 SF 43/11 B, www.juris.de; BGH 15.9.2011 - X ZR 142/08,
NJW-RR 2011, 1555; BayLSG 11.10.2011 - L 2 SF 234/11 B,
NZS 2012, 160; BayLSG 2.11.2011 - L 2 U 226/11 B, www.
juris.de; BayLSG 2.11.2011 - L 2 U 226/11 B, www.juris.de;
OLG München 16.11.2011 - 1 W 1720/11, BauR 2012, 547;
OLG Koblenz 23.1.2012 - 4 W 13/12, nicht veröffentlicht;
OLG Naumburg 2.5.2012 - 10 W 14/12, IBR 2012, 743;
OLG Naumburg 4.9.2012 - 25 W 200/12, BauR 2013, 137;
OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG 2014, 51; OLG
Düsseldorf 26.3.2013 - 21 W 57/12, IBR 2013, 382. A.A.
LG Saarbrücken 27.9.2007 - 2 O 32/05, zfs 2008, 86; OLG
Stuttgart 11.6.2012 - 7 W 48/12, BauR 2012, 1692; OLG
Köln 3.12.2012 - 17 W 141/12, IBR 2013, 115)
OLG Saarbrücken 9.10.2007 - 5 W 253/07, IBR 2008, 1000:
Finden sich Gründe für die Befangenheit des Sachverständigen schon im Verlaufe des selbstständigen Beweisverfahrens, muss bereits in diesem Verfahren die Ablehnung
angebracht werden; unterlässt die Partei die Ablehnung, ist
die später im Hauptsacheverfahren gebrachte und nur auf
diese Umstände gestützte Ablehnung verspätet.
BGH 5.2.2008 - VIII ZB 56/07, NJW-RR 2008, 800:
Tritt der Ablehnungsgrund, auf den sich eine Partei beruft,
in der mündlichen Verhandlung zu Tage, muss das Ablehnungsgesuch spätestens bis zum Schluss der mündlichen
Verhandlung gestellt werden; will der Prozessbevollmächtigte darüber erst nachdenken oder sich mit der Partei besprechen, ob die Umstände hinreichend schwergewichtig sind,
muss er zu diesem Zweck eine Unterbrechung der mündlichen Verhandlung beantragen.
(so entschieden für die Ablehnung des Richters; ebenso LSG
Rheinland-Pfalz 5.10.2009 - L 1 SF 21/09, BeckRS 2010,
65360)
KG 12.6.2008 - 22 U 64/07, NZV 2009. 142:
Bei Verwertung eines schriftlichen Gutachtens aus einem anderen Verfahren gemäß § 411a ZPO (= »geborgtes Gutachten«) startet die Ablehnungsfrist erst mit der Beschlussfassung betreffend diese Verwertung. Fehlt ein förmlicher Beschluss, beginnt die Frist ab dem Erkennbar-Werden
der beabsichtigten Verwertung.
OLG Köln 19.8.2013 - 5 W 39/08, www.justiz.nrw.de:
Ergeben sich die vermeintlichen Gründe für die Befangenheit
bereits bei der persönlichen Untersuchung, müssen die
Gründe binnen angemessener Prüfungs- und Überlegungsfrist - hier vier bis sechs Wochen - angebracht werden. Daran
ändert auch nichts, dass die vom Sachverständigen untersuchte Partei rechtsunkundig ist; sie muss sich um Klärung
bemühen.
(Anmerkung des Verfassers: Gleiches gilt für Umstände, die
sich während des vom Sachverständigen durchgeführten
Ortstermins ergeben.)
OLG Bamberg 12.8.2008 - 4 W 38/08, VersR 2009, 1427:
Ergibt sich der Grund zur Ablehnung eines Sachverständigen aus dem Inhalt seines schriftlichen Gutachtens, darf die
(verlängerte) Frist zur Stellungnahme nach § 411 Abs. 4 ZPO
gleichwohl nicht ausgeschöpft werden, wenn es zur Begründung des Ablehnungsgesuchs, etwa weil es um die Umstände einer erst im Gutachten mitgeteilten Kontaktaufnahme
mit dem Prozessgegner geht, keines Rückgriffs auf den
sonstigen – fachbezogenen – Inhalt des Gutachtens bedarf.
Dies gilt insbesondere, wenn die betroffene Partei schon wenige Tage nach der Übersendung des Gutachtens auf das
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Vorliegen eines möglichen Befangenheitsgrundes hingewiesen hat sowie ferner der ablehnungswilligen Partei die von
ihr verlangte »Auskunft« des Sachverständigen bereits mehrere Wochen vor Ablauf der verlängerten Frist nach § 411
Abs. 4 ZPO zugegangen ist.
OLG Köln 19.8.2008 - 4 W 10/08, JMinBl NRW 2009, 17:
Ein nach der vom Sachverständigen betreffend die Einwände gegen sein Gutachten abgegebenen Stellungnahme
gebrachter Befangenheitsantrag ist regelmäßig verspätet,
wenn die tragenden Gesichtspunkte für diesen Befangenheitsantrag schon zeitlich vor der Stellungnahme erkennbar
waren.
OLG Brandenburg 18.12.2008 - 12 W 59/08, DS 2009, 77:
Wird das Befangenheitsgesuch auf Umstände gestützt, die
ihre Ursache nicht in einer Auseinandersetzung mit dem
Inhalt des Gutachtens haben, ist der Sachverständige unverzüglich abzulehnen und nicht binnen der gesetzten Frist
zur Stellungnahme zum Gutachten.
(ebenso BayLSG 1.2.2010 - L 2 R 663/09 B, BeckRS 2010,
67977)
OLG Köln 21.12.2008 - 5 W 58/08, VersR 2009, 1287:
Eine Partei kann einen Sachverständigen nicht mehr ablehnen, wenn sie sich, ohne den ihr bekannten Befangenheitsgrund (Äußerung des Sachverständigen in seiner mündlichen
Anhörung: »… so kann ich dies nur als frech bezeichnen«)
geltend zu machen, in eine Verhandlung eingelassen
oder Sachanträge gestellt hat.
VGH München 23.2.2009 - 11 B 07.30511, www.juris.de:
Fühlte sich die Partei aufgrund des Verhaltens des gerichtlichen Sachver­
ständigen gemäß ihren Angaben »verängs­
tigt und gedemütigt«, weshalb sie zur Verarbeitung der
mit dem gerichtlichen Sachverständigen behaup­tete­r­maßen
gemachten Negativerfahrungen noch am selben Tag einen
Psychiater aufsuchen musste, hat eine darauf gestützte Befangenheitsablehnung unverzüglich zu erfolgen; eine nach
anwaltlicher Beratung in einem späteren Verfahrensstadium
angebrachte Ablehnung mit dieser Begründung ist verspätet, weil bei unterstellter Richtigkeit des Eindrucks der Partei
sich bereits im Rahmen einer Parallelwertung in der Laiensphäre sofort der Eindruck der Voreingenommenheit aufdrängen musste.
OLG Brandenburg 7.7.2009 - 12 W 25/09, www.ibr-online.
de:
Ist weder ersichtlich, noch von der Partei geltend gemacht,
dass ihr eine längere Prüfungs- und Überlegungszeit hätte zugebilligt werden müssen, ist ein später als zwei Wochen
nach Kenntnis vom Ablehnungsgrund gebrachter Ablehnungsantrag nicht mehr unverzüglich eingegangen.
OLG Celle 13.10.2009 - 1 W 20/09, nicht veröffentlicht:
Ergeben sich die zur Begründung des Befangenheitsgesuches vorgetragenen Tatsachen auch einem Laien ohne Weiteres bei der Lektüre des Gutachtens und bedarf es keiner
inhaltlichen Auseinandersetzung mit der sach­verständigen
Äußerung, muss das darauf gestützte Ablehnungsgesuch
unverzüglich gebracht werden; in diesem Fall ist die Ablehnungsfrist nicht mit der des § 411 Abs. 4 ZPO identisch, in-
nerhalb der eine Partei sachliche Einwendungen gegen das
Gutachten erheben kann.
OLG Karlsruhe 9.11.2009 - 14 W 43/09, DS 2010, 194:
Der Lauf der Frist zur Ablehnung eines Sachverständigen
wegen Besorgnis der Befangenheit beginnt frühestens mit
seiner Ernennung, weil zuvor eine Ablehnung nicht möglich ist.
LG Heidelberg 15.2.2010 - 7 OH 12/05, www.ibr-online.de:
Ein Befangenheitsgesuch, das sich auf einen Sachverhalt
stützt, zu dem diese Partei bereits Stellung genommen
hat, kommt zu spät.
BayLSG 10.3.2010 - L 2 VS 14/09 B, BeckRS 2010, 70312:
Wird das Befangenheitsgesuch auf Umstände der von dem
Sachver­stän­digen durchgeführten Untersuchungssituation
gestützt, aber erst nach Bekanntgabe des Gutachtens angebracht, kommt es nicht mehr rechtzeitig.
(ebenso OLG Naumburg 11.6.2013 - 10 W 29/13, IBR 2014, 50)
LG München I 9.9.2010 - 13 T 8628/10, DWW 2011, 15:
Hat der mit der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete gerichtlich beauftragte Sachverständige vor Erstattung
des Gutachtens auch zur Kenntnis der Parteien angekündigt,
die Vergleichsobjekte nicht mit der genauen Anschrift zu benennen, kann eine erst nach Eingang des Gutachtens gebrachte Ablehnung nicht auf diese unterbliebene Identifizierung der Vergleichsobjekte gestützt werden.
BayLSG 22.11.2010 - L 2 SF 271/10 B, BeckRS 2010, 70312:
Wird der Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit auf ein Verhalten gestützt,
welches der Sachverständige anlässlich einer ärztlichen
Untersuchung der ihn dann ablehnenden Partei gezeigt haben soll, muss der Antrag innerhalb von zwei Wochen nach dem Untersuchungstag angebracht werden.
(a.A. OLG Köln 19.8.2008 - 5 W 39/08, www.justiz.nrw.de:
vier bis sechs Wochen)
OLG Hamm 17.8.2011 - 32 W 15/11, MDR 2011, 118:
Ein Verschulden i.S.d. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ist nicht anzunehmen, wenn die Partei noch innerhalb der Zwei-WochenFrist konkrete Bedenken hinsichtlich der Unparteilichkeit des
vom Gericht bestimmten Sachverständigen anmeldet und
sich hieraus innerhalb vom Gericht dazu bestimmter Fristen
eine Korrespondenz entwickelt; die dann innerhalb dieser
Frist gebrachten weiteren Einwände sind insbesondere nicht
verspätet.
BayLSG 2.11.2011 - L 2 U 226/11 B, www.juris.de:
Gemäß § 118 Abs. 1 SGG sind im sozialgerichtlichen Verfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen die Vorschriften der ZPO anzuwenden; das gilt insbesondere für die
Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO.
OLG Frankfurt 23.2.2012 - 15 W 35/11, BeckRS 2012, 5586:
Der ablehnenden Partei ist nach dem Bekanntwerden der die
Befangenheit etwa begründenden Tatsachen eine den Umständen des jeweiligen Einzelfalles angepasste angemessene, die Einholung rechtlichen Rats einschließende Prüfungsund Überlegungsfrist zuzubilligen.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
OLG Stuttgart 11.6.2012 - 7 W 48/12, BauR 2012, 1692:
»Unverzüglich« bedeutet, dass bei einem einfach gelagerten
Sachverhalt (hier: behauptete Äußerung des Sachverständigen bei ärztlicher Untersuchung der Partei) ein behaupteter
Befangenheitsgrund gegen den Sachverständigen binnen
fünf Tagen geltend zu machen ist.
OLG Frankfurt 3.9.2012 - 3 W 44/12, www.ibr-online.de:
Der Rechtsgedanke des § 43 ZPO (Verlust des Rechtes zur
Befangenheitsablehnung des Richters, sobald sich die Partei, ohne den Ablehnungsgrund geltend zu machen, in eine
Verhandlung eingelassen oder sonstige Anträge gestellt hat,)
gilt auch im Rahne der Befangenheitsablehnung bezüglich
des gerichtlichen Sachverständigen; dabei ist ohne Bedeutung, dass § 406 ZPO nicht ausdrücklich auf § 43 ZPO verweist. Geht es um Geschehnisse während einer mündlichen
Verhandlung kommt es auf die Kenntniserlangung der nicht
anwesenden Partei selbst nicht an; die Kenntnis des anwesenden Prozessbevollmächtigten von Befangenheitsgründen wirkt gegen die Partei.
(ebenso betreffend den Verlust eines gegen den Richter anbringbaren Befangenheitsgrundes OLG Düsseldorf
17.2.2010 - 11 W 89/09, MDR 2010, 517: Das Einreichen eines die mündliche Verhandlung vorbereitenden Schriftsatzes
kann als Einlassen in eine Verhandlung zur Sache im Sinne
des § 43 ZPO zu werten sein und zum Verlust des Ablehnungsrechts führen; inhaltlich erforderlich sind Ausführungen in der Streitsache selbst, durch die auf die Sachbehandlung durch den Richter oder dessen Entscheidungsfindung in
der Sache Einfluss genommen werden soll.)
OLG Düsseldorf 5.2.2013 - I-23 U 185/11, BauR 2013, 1283:
Ein Ablehnungsantrag erst 25 Tage nach Kenntnis des behaupteten Ablehnungssachverhalts kommt nicht unverzüglich und ist deshalb unzulässig.
OLG Hamm 28.2.2013 - I-32 W 01/13, IBR 2013, 383:
Zur Einhaltung der Frist des § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO sind die
Ablehnungsgründe nicht binnen einer kalendermäßigen
Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 S.
1 BGB) nach ihrem Bekanntwerden geltend zu machen; diese Frist ist schuldhaft versäumt, wenn eine Partei in Kenntnis
möglicher Ablehnungsgründe ihr Ablehnungs­gesuch mehrere Wochen zurückstellt, um die Stellungnahme der Gegenseite zu einem unterbreiteten Vergleichsangebot abzuwarten.
OLG Brandenburg 20.3.2013 - 12 W 1/13, IBR 2013, 499:
Wird der Befangenheitsantrag mit dem Vorwurf begründet,
der Sachverstän­dige wolle beharrlich Fragen nicht beantworten, und wird der Sachverständige daraufhin zunächst
gerichtlich zur Nachbesserung, also zur Beantwortung der
gestellten Fragen, aufgefordert, ist ein erst nach erfolgloser
Nachbesserung gestellter neuer Antrag nicht verspätet.
OLG Düsseldorf 26.3.2013 - 21 W 57/12, IBR 2013, 382:
Längere Zeit zurückliegende - und damit verfristete - Umstände, ebenso solche Gegebenheiten, die für sich gesehen
die Annahme der Befangenheit nicht begründen können,
können verbunden mit einem später hinzutretenden Geschehen in der Gesamtschau die Befangenheit des Sachverständigen begründen.
VG Düsseldorf 5.11.2013 - 13 K 8014/11, www.justiz.nrw.
de:
Die die Ablehnung des Sachverständigen als befangen aussprechende Partei muss konkret darlegen und glaubhaft
machen, wann sie von dem Umstand, aus dem sie die Befangenheit ableitet, Kenntnis erlangt hat. Hatte sich der
Prozessbevollmächtigte des Klägers auch schon in anderen
Verfahren darauf berufen, dass dieser gerichtliche Gutachter
häufig von dem Beklagten privat als Sachverständiger beauftragt werde, ist dieses bereits länger vorhandene Wissen
seines Verfahrensbevollmächtigten dem Kläger bei der
Prüfung der Unverzüglichkeit zuzurechnen.
LG Saarbrücken 17.1.2014 - 12 O 233/08, www.juris.de:
Ist der mögliche Befangenheitsgrund (hier: geschäftliche und
private Kontakte des Sachverständigen zu einer am Verfahren beteiligten Person) in tatsächlicher Hinsicht einfach zu
erfassen und ohne Weiteres zu erkennen, ist ein Zuwarten
von 12 Tagen bis zur Stellung des Befangenheitsgesuches
nicht mehr eine unverzügliche Reaktion.
3.7.3. Streitwert/Rechtsanwaltsvergütung/Kosten der Beschwerde
OLG München 28.5.2010 - 5 W 1403/10, MDR 2010:
Der Beschwerdewert betreffend die Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen ist gemäß § 3 ZPO mit einem
Drittel des Hauptsachestreitwer­tes anzusetzen.
(ebenso BGH 15.12.2003 - II ZB 32/03, AGS 2004, 159;
OLG Düsseldorf 8.9.2004 - 5 W 36/04, MDR 2005, 474;
OLG Saarbrücken 9.1.2007 - 5 W 298/06, OLGR 2007,
160; OLG Brandenburg 15.7.2008 - 11 W 24/08, IBR 2009,
54; OLG Düsseldorf 17.10.2008 - 5 W 41/08, OLGR 2009,
334; OLG Dresden 14.1.2010 - 4 W 20/10, www.ibr-online.de; OLG Köln 25.7.2011 - 15 W 51/11, BauR 2012,
536OLG München 11.8.2011 - 1 W 1385/11, www.juris.
de; OLG München 17.8.2011 - 32 W 15/11, www.juris.
de; OLG Koblenz 14.9.2011 - 4 W 396/11, IBR 2011, 673;
LG München I 26.10.2011 - 13 T 18596/11, BeckRS 2011,
25616; OLG Naumburg 26.10.2011 - 10 W 21/11, BauR
2012, 843; OLG Hamm 2.12.2011 - 1 W 111/11, IfS Informationen 3/2012, 12; OLG Naumburg 30.12.2011 - 10 W
69/11, IBR 2011, 368; OLG Bremen 9.1.2012 - 3 W 28/11,
GuG 2013, 59; OLG Naumburg 28.3.2012 - 10 W 10/12,
BauR 2013, 137; OLG Naumburg 2.5.2012 - 10 W 14/12,
IBR 2012, 743; OLG Köln 25.7.2012 - 19 W 17/12, www.
ibr-online.de; OLG Nürnberg 22.8.2012 - 13 W 764/12, IBR
2012, 617; OLG Hamm 8.11.2012 - 32 W 24/12, IBR 2013,
114; OLG Saarbrücken 18.12.2012 - 5 W 430/12, IBR 2013,
186; OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG 2014, 51;
OLG Brandenburg 20.3.2013 - 12 W 1/13, IBR 2013, 499;
OLG Naumburg 11.6.2013 - 10 W 29/13, IBR 2014, 50; OLG
Zweibrücken 2.8.2013 - 4 W 53/13, IBR 2013, 712: »etwa
1/3 des Hauptsache­streit­wertes«; OLG Stuttgart 10.10.2013
- 3 W 48/13, www.ibr-online.de; BayLSG 19.11.2013 - L 2
SF 121/13 B, www.juris.de; OLG Schleswig 26.11.2013 - 16
W 116/13, IBR 2014, 512; OLG Stuttgart 14.1.2014 - 10 W
43/13, IBR 2014, 312; OLG Karlsruhe 13.2.2014 - 7 W 10/14,
www.juris.de; OLG Hamm 26.3.2014 - 32 W 6/14, www.jus­
tiz.nrw.de; LG Münster 28.3.2014 – 5 T 87/14, BeckRS 2014,
09714; OLG Karlsruhe 7.4.2014 - 9 W 28/13, www.juris.de.
| 43
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
A.A. OLG Frankfurt 12.1.2009 - 8 W 78/08, OLGR 2009,
574: voller Wert der Hauptsache; OLG Düsseldorf 6.10.2005
- 5 W 25/05, BauR 2005, 1972: beim selbstständigen Beweisverfahren wegen der besonderen Bedeutung der Sachverständigenstellung in diesem Verfahren voller Streitwert;
OLG Bremen 11.8.2014 - 5 W 26/14, www.ibr-online.de:
voller Streitwert.
OLG Köln 10.5.2002 - 5 W 47/02, www.juris.de; OLG Köln
4.12.2009 - 5 W 26/09, www.juris.de: OLG Köln 23.11.2011
- 5 W 40/11, GesR 2012, 172: 50 % des Streitwertes der
Hauptsache; ebenso OLG Karlsruhe 14.9.2012 - 13 U 93/12,
BeckRS 2012, 19296; OLG Karlsruhe 8.3.2012 - 13 W 13/12,
GesR 2012, 422: mindestens die Hälfte.
OLG Celle 8.8.2011 - 6 W 172/11, nicht veröffentlicht: beim
selbstständigen Beweisverfahren 10 % des Streitwertes der
Hauptsache.)
OLG Celle 7.6.2010 - 2 W 147/10, zfs 2010, 641:
Die Ablehnung von Sachverständigen gehört gem. § 19 Abs.
1 S. 2 Nr. 3 RVG zu den Neben- oder Abwicklungstätigkeiten
eines Rechtszuges oder des Verfahrens, sodass ein gesonderter Gebührenanspruch des Rechtsanwalts nicht besteht;
dies gilt aber nicht für das Beschwerdeverfahren, dem vertretenden Rechtsanwalt erwächst da ein Anspruch auf Erstattung einer 0,5-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3500 VV-RVG.
OVG Hamburg 27.4.2011 - 1 So 15/11, IfS Informationen
3/2011, 9:
Der Beschluss, mit dem die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts betreffend die Befangenheit des Sachverständigen zurückgewiesen wird,
bedarf keiner Streitwertfestsetzung, weil sich die Gerichtsgebühr unmittelbar aus Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses
(Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) ergibt.
OLG Jena 14.3.2012 - 4 W 132/12, BauR 2012, 1150:
Das Zwischenverfahren über die Ablehnung eines Sachverständigen wirkt sich auf die die Festsetzung des Gebührenstreitwertes des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens nicht aus.
OLG Nürnberg 22.8.2012 - 13 W 764/12, IBR 2012, 617:
Weil die Frage der Befangenheit eines Sachverständigen
nicht das Verhältnis zwischen den Parteien betrifft, sind die
Kosten, welche aus der erfolgreichen Ablehnung eines
Sachverständigen erwachsen, einschließlich der Kosten
des Beschwerdeverfahrens Bestandteil der Kosten des
Rechtsstreits, über die in der den Rechtsstreit beendenden
Entscheidung zu befinden ist.
3.8. Befangenheit und Bezahlung des Sachverständigen
3.8.1. Rechtsprechung für die bis zum 31.7.2013 stattgefundenen Heranziehungen
OLG Hamburg 5.3.2004 - 8 W 41/04, MDR 2004, 906:
Äußert der Sachverständige im Gutachten, die Klägerin sei
keinesfalls beweisfällig und die Klage sei berechtigt, bewirkt
er seine auf diese Erklärung gestützte und erfolgreiche Befangenheitsablehnung grob fahrlässig mit der Folge, dass
er für seine Tätigkeit keine Bezahlung erhält.
LG Wuppertal 21.11.2006 - 6 T 650/06, VersR 2007, 1675:
Grobes und zu dem Verlust des Vergütungsanspruchs führendes Verschulden betreffend das Ausscheiden als befangen liegt vor, wenn der Sachverständige ohne vorherige
Offenlegung und Beteiligung der Parteien eine Besprechung
mit dem von einer Partei vorprozessual beauftragten Sachverständigen durchführt, um Feststellungen hinsichtlich der
ihm unterbreiteten Beweisfrage zu treffen; insoweit handelt es sich nämlich um ein Außer-Acht-Lassen elementarer
Grundsätze der Berufsausbildung eines Sachverständigen
und damit um einen gravierenden Regelverstoß.
OLG Nürnberg 6.2.2007 - 2 W 192/07, BauR 2007, 766:
Ein als befangen ausgeschiedener Sachverständiger hat einen Anspruch auf Vergütung, wenn sein Gutachten im weiteren Verlauf des Verfahrens verwertet wird; wird nur ein
Teil des Gutachtens des befangenen Sachverständigen verwertet oder wird das neue Gutachten wegen der verwendeten Teile seines Gutachtens preiswerter, hat der befangene
Sachverständige einen Anspruch auf einen dann zu schätzenden Teil seiner JVEG-Vergütung.
OLG Celle 5.9.2007 - 6 W 82/07, IBR 2007, 655:
Unterlässt es ein Sachverständiger, einen Mitarbeiter, den
er nicht nur für untergeordnete Tätigkeiten einsetzen will,
nach geschäftlichen Beziehungen zu den Parteien zu befragen, und stellt sich später heraus, dass der Mitarbeiter enge
Beziehungen zu einer Partei unterhält, ist das Gutachten
unverwertbar; dem Sachverständigen steht dafür Vergütung
nicht zu, weil er die Unverwertbarkeit grob fahrlässig herbeigeführt hat.
OLG Stuttgart 11.9.2007 - 10 W 23/07, MDR 2007, 1456:
Der im Rahmen des Ablehnungsverfahrens angehörte Sachverständige erhält JVEG-Entschädigung als Zeuge, wenn
seine Anhörung für eine sachgerechte Entscheidung über
die Ablehnungsbeschwerde zwingend erforderlich gewesen und er wie ein Zeuge zu eigenen Wahrnehmungen gehört worden ist.
KG 21.9.2007 - 4 W 35/07, DS 2008, 75:
Verheimlicht der Sachverständige, dass er nachträglich technische Informationen von der einen Partei erhalten hat und
erweckt er durch Verwendung dieser Informationen in einem
Gutachten den Eindruck der eigenen gutachterlichen Ermittlung und Prüfung, bewirkt er seine darauf gestützte erfolgreiche Befangenheitsablehnung in grob fahrlässiger Weise
mit der Folge des Verlustes seines Vergütungsanspruchs.
OLG Jena 2.6.2008 - 4 W 198/08, IBR 2008, 696:
Äußert sich der zu behaupteten Fehlern einer ärztlichen Behandlung befragte Sachverständige ungefragt über ärztliche
Aufklärung und wird er deshalb erfolgreich als befangen
abgelehnt, liegt noch keine den Anspruch auf Vergütung
ausschließende grobe Fahrlässigkeit vor, denn in Arzthaftungsprozessen sind die Bereiche Behandlungsfehler und
Aufklärungspflichtverletzung nicht scharf abgrenzbar.
(a.A. LG Nürnberg-Fürth 3.2.2011 - 11 O 9707/09, r + s
2011, 180; OLG Koblenz 24.1.2013 - 4 W 645/12, GuG
2014, 51)
| 44
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
BGH 24.6.2008 - X ZR 100/05, IBR 2008, 697:
Der Gerichtssachverständige erhält mangels gesetzlicher
Grundlage für Stellungnahmen zu Ablehnungsgesuchen
keine Vergütung.
(ebenso KG 26.1.2010 - 19 AR 2/09, IBR 2010, 1288; OLG
Celle 28.6.2012 - 2 W 171/12, IBR 2012, 485. OLG Naumburg 14.8.2012 - 10 W 39/12, IBR 2013, 56; LG Bad Kreuznach 4.1.2013 - 1 T 1/13, IfS Informationen 3/2013, 25: Das
gilt auch, wenn der Sachverständige richterlich zu einer
Stellungnahme aufgefordert wurde.)
OLG München 3.7.2008 - 11 W 2846/06, www.ibr-online.
de:
Wird der Sachverständige wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt, verliert er seinen Vergütungsanspruch
nur, wenn er die dadurch verursachte Unverwertbarkeit seines Gutachtens grob fahrlässig bewirkt hat; möglicherweise missverständliche Äußerungen des Sachverständigen
beinhalten noch keine grobe Fahrlässigkeit.
(ebenso KG 26.1.2010 - 19 AR 2/09, IBR 2010, 1288; OLG
Dresden 29.3.2010 - 3 W 319/10, DS 2011, 34)
OLG Rostock 16.7.2008 - 2 W 31/08, BauR 2008, 1941:
Bei der Entgegennahme des gerichtlichen Auftrags hat der
Sachverständige auf möglicherweise bei ihm vorliegende Befangenheitsgründe hinzuweisen; versäumt er dies und wird
er deshalb wegen Befangenheit abgelehnt mit der Folge der
Unverwertbarkeit seines Gutachtens, verwirkt er seinen Vergütungsanspruch selbst dann, wenn ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
(ebenso LG Karlsruhe 29.7.2008 - 3 OH 15/05, IfS Informationen 1/2009, 19)
OLG Düsseldorf 18.11.2008 - 10 W 196/07, BauR 2009, 703:
Bricht der Sachverständige die Vorarbeiten am Gutachten ab, weil er befürch­tet, wegen Befangenheit abgelehnt
zu werden, und verweigert er nach Zurückweisung eines
Befangenheitsgesuches die Fortführung seiner Sach­
verständigenleistung, wird er für seine nicht verwertbaren
Teilleistungen nicht vergütet.
OLG Nürnberg 24.11.2008 - 2 W 2246/08, BauR 2009, 1624:
Grob fahrlässig verursachte und damit die Vergütung ausschließende Umstände der Befangenheit sind gegeben, wenn
das Verhalten des Sachverständigen als eine ungewöhnlich
große Sorgfaltspflichtverletzung zu werten ist, mithin er
dasjenige nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten
müssen; diese Voraussetzungen liegen noch nicht vor, wenn
die Befangenheit des Sachverständigen sich daraus ergibt,
dass dieser unbe­rechtigt eine Beweiswürdigung ihm vorgelegter Unterlagen durchgeführt hat.
OLG Schleswig 12.1.2009 - 1 Ws 8/09, BauR 2009, 1190:
Soll der Sachverständige auf Anforderung des Gerichts eine
dienstliche Äußerung zu einem Ablehnungsgesuch abgeben,
erhält er eine Entschädi­gung, die in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Bezahlung von Zeugen
gemäß § 19 JVEG seinem Zeitaufwand entspricht.
OLG Köln 5.2.2009 - 17 W 260/08, IBR 2009, 1333:
Wird in einem Befangenheitsgesuch fachliche Kritik geäu-
ßert, mit der sich der Sachverständige dann zwingend auseinandersetzt, erhält er für diese Leistung, die einem Ergänzungsgutachten entspricht, eine Vergütung als Sachverständiger.
OLG Naumburg 25.6.2009 - 12 W 50/09, BauR 2009, 1636:
Ergibt sich die Befangenheit des Sachverständigen und damit die Unver­
wert­
barkeit seines Gutachtens daraus, dass
dieser sich an mehreren Stellen seines Gutachtens eine ihm
nicht zustehende Beurteilung der Glaubhaftigkeit streitigen Parteivortrags anmaßt und streitiges Vorbringen
zugunsten einer Partei als bewiesen erachtet, liegt zum
Verlust des Vergütungsanspruchs führende grobe Fahrlässigkeit vor.
OLG Bremen 6.7.2009 - 3 U 6/07, BauR 2009, 1942:
Den Verlust des Vergütungsanspruchs auslösende grobe
Fahrlässigkeit ist anzunehmen, wenn die erfolgreiche Befangenheitsablehnung sich daraus ergibt, dass der Sachverständige den Ortstermin in Anwesenheit nur einer Partei
und ohne Einladung der anderen durchgeführt hat.
(ebenso LG Bad Kreuznach 8.10.2009 - 3 OH 7/08, www.
ibr-online.de; OLG Koblenz 8.12.2009 - 14 W 769/09, DS
2010, 157)
OLG Stuttgart 8.7.2009 - 8 W 279/09, BauR 2010, 1111:
Die den Verlust des Vergütungsanspruchs begründende grobe Fahrlässigkeit hinsichtlich eines begründeten Ablehnungsgesuchs trifft den Sachverständigen, der die erforderliche
Sorgfalt bei der Gutachtenerstattung in ungewöhnlich
großem Maße verletzt und nicht dasjenige beachtet
hat, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste.
OLG Koblenz 1.12.2009 - 14 W 788/09, JurBüro 2010, 96:
Hat der Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen Erfolg, steht der Partei kein eigenes Antragsrecht auf
Rückforderung der dem Sachverständigen bereits ausgezahlten Vergütung zu; dieses Recht hat allein die Staatskasse. Die Stellungnahme des Vertreters der Staatkasse zu einem solchen Parteibegehren kann als Antrag auf gerichtliche
Festsetzung nach § 4 JVEG gewertet werden.
OLG Koblenz 8.12.2009 - 14 W 769/09, DS 2010, 157:
Gutachterliche Leistungen eines als befangen ausgeschiedenen Sachver­ständigen werden honorierbar, wenn ein anderer gerichtlicher Sachverständiger sie in Kosten einsparender Weise verwertet oder wenn sie von den Parteien zur
Basis eines Vergleichs gemacht worden sind.
OLG Naumburg 7.1.2010 - 5 W 1/10, IBR 2011, 1074:
Der gerichtliche Sachverständige, der wegen der im Gutachten ungefragt gelieferten Darstellung eigener rechtliche
Bewertungen oder seines per­sönlichen Gerechtigkeitsempfindens als befangen aus dem Rechtsstreit ausscheidet,
verliert aufgrund so offenbarter grober Fahrlässigkeit seinen
Vergütungsanspruch.
OLG Dresden 29.3.2010 - 3 W 319/10, DS 2011, 34:
Erhält der Sachverständige vom Gericht »Gelegenheit zur
Äußerung« zum Befangenheitsgesuch einer Partei, die
ihn wegen fachlicher Gut­
ach­
ten­
mängel und »wissentlich
| 45
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
falscher Darstellung selbst einfachster Sachverhalte« abgelehnt hat, verdient er für seine daraufhin eingereichte gutachterliche Stellungnahme keine Bezahlung; denn diesem
Sachverständigen geht es in erster Linie darum, die im Raum
stehende Frage einer Befangenheit auszuräumen und sich
dadurch die bisher verdiente Vergütung möglichst zuverlässig zu erhalten.
OLG Dresden 10.5./23.8.2010 - 9 U 2258/05, www.ibr-online.de:
Verbale Angriffe seitens des Sachverständigen, die wegen
ihres Ausmaßes und ihrer Heftigkeit das Ausscheiden dieses
Sachverständigen als befangen und damit die Unverwertbarkeit seines Gutachtens verursachen, indizieren in der Regel
das Vorliegen eines grob fahrlässigen und den Wegfall der
Vergütung bewirkenden Verhaltens.
OLG Dresden 15.6.2010 - 3 W 549/10, IBR 2010, 1301:
Ergibt sich dem mit der Entscheidung über den Wegfall des
Vergütungsanspruchs befassten Gericht, dass die Stattgabe
des Ablehnungsantrags nicht vertretbar war, kommt der
Wegfall des Vergütungsanspruchs nicht in Betracht; denn
das zur Entscheidung über den Verlust der Vergütung berufene Gericht ist nicht an die Einschätzung des über die Befangenheit entscheidenden Gerichts gebunden.
LG Kleve 6.10.2010 - 3 O 262/09, GesR 2011, 32:
Beruht die erfolgreiche Ablehnung des gerichtlichen Sachverständigen darauf, dass dieser die Parteien als »Prozesshansel« bezeichnet und zusätzlich ausgeführt hat, seine infolge
der Betätigung als gerichtlicher Sachverständiger entstehenden finanziellen Verluste überstiegen den Prozessstreitwert,
hat er den Befangenheitsgrund grob fahrlässig mit der Folge
bewirkt, dass sein Vergütungsanspruch entfällt.
OLG Schleswig 12.5.2011 - 9 W 132/10, www.ibr-online:
Im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege zur inneren
Unabhängigkeit des Sachverständigen erscheint notwendig,
dem Sachverständigen grundsätzlich den Vergütungsanspruch zu erhalten. Der gerichtliche Sachverständige verwirkt deshalb seinen JVEG-Vergütungsan­spruch nur, wenn
die von ihm erbrachte Leistung unverwertbar ist und er diese
Unverwertbarkeit vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit
verschuldet hat. Allein die Nichtbeantwortung einer Beweisfrage beinhaltet keine derart ungewöhnlich schwerwiegende Pflichtverletzung des Sachverständigen.
LG München 8.6.2011 - 8 O 15689/01, nicht veröffentlicht:
Der gerichtliche Sachverständige, der Handaufzeichnungen von dem in derselben Sache zuvor abgelehnten
Sachverständigen anfordert in der Annahme, diese Handaufzeichnungen seien allein aufgrund eines technischen Versehens dieses früheren Sachverständigen oder des Gerichts
nicht zur Akte gelangt, handelt nicht grob fahrlässig, sodass
er bei auf dieses Verhalten gestützter erfolgreicher Ablehnung seinen Anspruch auf Zahlung der Vergütung nicht verliert.
OLG Karlsruhe 3.8.2011 - 14 W 18/11, www.ibr-online.de:
Der Sachverständige, der erfolgreich abgelehnt worden ist,
weil er in seinem Ortstermin gegenüber der die von ihm zu
untersuchenden Bauschäden weiterhin bestreitenden Partei
geäußert hat, diese könne »nicht alles wegschwätzen«
und »Was glauben Sie eigentlich, warum hier zwei Verfahren angestrengt werden?«, handelt grob fahrlässig mit
der Folge des Verlustes seines Vergütungsanspruchs.
OLG Köln 8.9.2011 - 5 W 34/11, JurBüro 2012, 36:
Bei der gebotenen Beurteilung der Wertigkeit des Pflichtenverstoßes eines Sachverständigen als grob fahrlässig oder
vorsätzlich ist entsprechend der Regelung des § 839a
BGB ein hoher Maßstab anzulegen, um die gebotene
innere Unabhängigkeit des Sachverständigen zu bewahren.
Bezeichnet der gerichtliche Sachverständige, der zu seinem
Fachgebiet der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde befragt
worden ist, die Einwände des Beklagten, der Facharzt für
Anästhesie ist, als der »populärwissenschaftlichen Laienphantasie« entstammend, als »abstruse Behauptungen oder
Darlegungen ohne jeden medizinischen Realitätsbezug« und
»Scheinargumente«, führt er zusätzlich aus, dass »keines der
angeführten Argumente in irgendeiner Weise nachvollzogen« werden könnte, und moniert er gleichzeitig, dass dieser Fall ein Verfahren sei, in dem die Klägerin Prozesskostenhilfe erhalte und der Beklagte daran erinnert werden sollte,
dass »im Interesse der deutschen Steuerzahler … die Kosten
nicht in unendliche Höhen« getrieben werden sollten, offenbaren diese verbalen Entgleisungen seine Befangenheit;
weil seine fachlichen Ausführungen im Übrigen aber nicht
fehlerhaft waren und außerdem nicht anzunehmen ist, dass
sich die in Arzthaftungssachen und deren rechtlichen Grundlagen erfahrene Kammer davon beeinflussen lässt, reichen
diese Ausführungen nicht für den zusätzlichen Verlust des
Vergütungsanspruchs.
(a.A. OLG Rostock 3.9.2013 - 7 W 6/13, JurBüro 2013, 651)
OLG Nürnberg 8.9.2011 - 8 U 2204/08, zfs 2012, 206:
Ein grob fahrlässiges, zum Entfallen des Vergütungsanspruchs führendes Verhalten des erfolgreich abgelehnten
medizinischen Sachverständigen kann darin liegen, dass er
das mit der inhaltlichen Klärung der Beweisfrage in keinem
Zusammenhang stehende Verhalten des Prozessbevollmächtigten einer Partei unsachlich würdigt oder sich
vorwurfsvoll zur Lebensführung einer Prozesspartei äußert, ohne hierzu Feststellungen getroffen zu haben.
OLG Köln 12.9.2011 - 5 W 28/11, IBR 2012, 53, 234:
Die Äußerung des gerichtlichen Sachverständigen betreffend
Einwände des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, dass
dieser »durch Wortklaubereien im Stile eines Winkeladvokaten von der Kernproblematik abzulenken versuche«, genügt
jedenfalls dann nicht für die Annahme der den Verlust des
Vergütungsanspruchs auslösenden groben Fahrlässigkeit
oder des Vor­satzes, wenn es sich insoweit um eine Reaktion
auf fachliche und teils persönliche Angriffe gegen die
Begutachtung und den Sachverständigen handelte und
der Sachverständige seine vorausgegangenen Stellungnahmen stets sachlich abgefasst hatte.
OLG Naumburg 30.12.2011 - 10 W 69/11, MDR 2012, 802:
Aus der Begründetheit eines Ablehnungsgesuches folgt
nicht zugleich, dass dem Sachverständigen die Vergütung für
seine Tätigkeit zu versagen ist; die für Verlust der Vergütung
vorausgesetzten Umstände von Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit sind nicht anzunehmen, wenn ein medizinischer
| 46
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Sachverständiger den Gutachtenauftrag missversteht und
sich ungefragt auch zur Dokumentation und zu Fragen des
Schmerzensgeldes äußert.
OLG Köln 9.1.2012 - 5 W 43/11, IBR 2012, 1284/5:
Legt der medizinische Sachverständige streitiges Vorbringen seiner Begutachtung zugrunde und würdigt er zusätzlich angebotene Zeugenaussagen, ergibt dies jedenfalls
dann nicht zwingend die für den Wegfall seines Vergütungsanspruchs erforderliche grobe Fahrlässigkeit, wenn dieses
Verhalten des Sachverständigen darauf gründet, dass dieser
Sachverständige richterlich nicht hinreichend gemäß § 404a
Abs. 3 ZPO auf die von ihm zugrunde zu legenden Tatsachen
hingewiesen worden ist.
OLG Hamburg 4.4.2012 - 4 W 25/12, DS 2013, 150:
Der Vergütungsanspruch des gerichtlichen Sachverständigen
ist nur dann verwirkt, wenn ausreichende Feststellungen für
einen vorsätzlichen oder mindestens grob fahrlässigen
Pflichtenverstoß des Sachverständigen getroffen werden.
AG Düsseldorf 19.4.2012 - 34 C 11852/10, nicht veröffentlicht:
Bewirkt der Sachverständige seine Befangenheit dadurch,
dass er dem Verfasser eines gegen sein gerichtliches Gutachten erstelltes und vorgelegtes Gutachten ohne nähere Belege
Willkür und unsachliche Arbeitsweise vorwirft, verletzt er
seine gutachterlichen Pflichten grob fahrlässig mit der Folge
der Versagung einer Vergütung.
OLG Koblenz 20.11.2012 - 14 W 622/12, IBR 2013, 1071
Lässt die Staatskasse ihren Rückforderungsanspruch gegen den die Befangenheit grob fahrlässig herbei geführt
habenden, deshalb erfolgreich abgelehnten und dennoch
bezahlten Sachverständigen anschließend verjähren, liegt
darin ein grobes gerichtliches Versäumnis i.S.d. §§ 21 GKG,
66 KostO, das im Verhältnis zu den Parteien die Nichterhebung dieser verauslagten Kosten zur Folge hat; es ist nicht
die Aufgabe der Parteien oder ihrer Bevollmächtigten, die
Beachtung gerichtlicher Pflichten zu überwachen oder gar
die Staatskasse auf die drohende Verjährung des Rückforderungsanspruchs hinzuweisen.
LG Köln 26.4.2013 - 5 OH 14/08, BauR 2013, 1906:
Mit den Belangen der geordneten Rechtspflege ist nicht
vereinbar, dass der Sachverständige in jedem Fall seiner erfolgreichen Ablehnung als befangen auch den Vergütungsanspruch verliert; jedenfalls betreffend im Verlauf der Sachverständigenbetätigung auftretender Umstände ergibt sich
diese Rechts­folge erst bei Vorliegen einer ungewöhnlich
groben Pflichtverletzung durch den Sachverständigen.
Wird das erstellte schriftliche Gutachten des Sachverständigen umfänglich und aus seiner Sicht unberechtigt sowie
inhaltlich unzutreffend kritisiert und äußert dieser Sachverständige sich dann zwar mit nicht sachlicher, aber jedenfalls
noch auf den Fall bezogener Formulierung, überschreitet er
die Grenze zur groben Fahrlässigkeit noch nicht.
OLG Koblenz 8.7.2013 - 14 W 372/13, MDR 2013, 1064:
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob Befangenheit des graphologischen Sachverständigen daraus abgeleitet werden kann,
dass dieser zur Vorbereitung seines Ergänzungsgutachtens
vor ihm gefertigte Schriftproben einer Partei und ihrer Angehörigen einholt, ohne dazu die gegnerische Partei zu laden;
in diesem Verhalten liegt aber allenfalls ein ungeschicktes
Vorgehen und kein zum Wegfall des Vergütungsanspruch
führendes grobes Fehlverhalten des Sachverständigen.
OLG Rostock 3.9.2013 - 7 W 6/13, JurBüro 2013, 651:
Versieht der gerichtliche Sachverständige die Akte mit kommentierenden Randbemerkungen wie »NEIN«, »stimmt
nicht«, »Blödsinn«, »völliger Blödsinn« auf den klägerischen
Schriftsätzen und »Gut« auf einem Schriftsatz der Beklagtenseite und sind nicht irgendwelche Angriffe gegen ihn vorhergegangen, liegt grob fahrlässiges Verhalten des insoweit
als befangen ausgeschiedenen Sachverständigen vor.
OLG Köln 30.9.2013 - 17 W 71/13, nicht veröffentlicht:
Will eine Partei von der Belastung mit Kosten für das Gutachten eines mit Erfolg abgelehnten Sachverständigen befreit werden, kann sie dies nur mit der Kostenerinnerung
nach § 66 GKG und nicht schon in dem allein zwischen der
Landeskasse und dem Sachverständigen ablaufenden JVEGVergütungsverfahren verfolgen.
OLG Stuttgart 30.7.2014 - 8 W 388/13, IBR 2014, 581:
Zeigt der gerichtliche Sachverständige während seiner mündlichen Befragung durch den Rechtsanwalt diesem den Vogel
(durch Tippen mit dem Zeigefinger an die Stirn), bewirkt
er seine dann kommende Ablehnung als befangen grob
fahrlässig mit der Folge des Verlustes seines Vergütungsanspruchs; das ist selbst dann nicht anders zu sehen, wenn der
Rechtsanwalt den Sachverständigen vehement in der Weise
befragt hat, dass er dieselbe Frage mehrfach stellte.
3.8.2. Neues JVEG
Für die ab dem 1.8.2013 erteilten gerichtlichen Gutachtenaufträge ist in § 8a Abs. 1 JVEG dies geregelt:
»Der Anspruch auf Vergütung entfällt, wenn der Berechtigte
es unterlässt, der heranziehenden Stelle unverzüglich solche
Umstände anzuzeigen, die zu seiner Ablehnung durch einen
Beteiligten berechtigen, es sei denn, er hat die Unterlassung
nicht zu vertreten.«
Im Hinblick auf diese gesetzliche Neuregelung lässt sich nachfolgende und noch zu der Zeit der Geltung des Vorgängerrechts ergangene Entscheidung künftig nicht mehr halten:
OLG Karlsruhe 21.8.2013 - 19 W 45/12, IfS Informationen
5/2013, 23:
Der Sachverständige, der nicht darauf hinweist, dass er
in den Jahren 1991 bis 1996 bei der Klägerin und in den
Jahren 1996 bis 1999 bei Tochterunternehmen der Klägerin
beschäftigt war, handelt insoweit jedenfalls dann nicht grob
fahrlässig, wenn er nachfolgend für mehrere unmittelbare
Mitbewerber der Klägerin tätig war.
(Anmerkung des Verfassers: Hier offenbart sich die Unrichtigkeit der Ausführungen der Gesetzesbegründung, diese Neuregelung enthalte keine Verschlechterungen, sondern bloß
die gesetzliche Neuregelung der von der Rechtsprechung
herausgearbeiteten Auffassung.)
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Dies ist in § 8a Abs. 2 JVEG geregelt:
»Der Berechtigte erhält eine Vergütung nur insoweit, als seine Leistung bestimmungsgemäß verwertbar ist, wenn er …
3. im Rahmen der Leistungserbringung grob fahrlässig oder
vorsätzlich Gründe geschaffen hat, die einen Beteiligten zur
Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit berechtigen; … . Soweit das Gericht die Leistung berücksichtigt, gilt
sie als verwertbar.«
(Anmerkung des Verfassers: Diese gesetzliche Neuregelung
verlangt jedenfalls nach ihrem Wortlaut - anders als die einhellige bisherige Rechtsprechung - kein Ablehnungsgesuch
und auch kein Ablehnungsverfahren; das Vorliegen eines
vorsätzlich oder grob fahrlässig vom Sachverständigen verursachten Ablehnungsgrundes genügt; auch insoweit ergibt
sich nun eine Schlechterstellung gegenüber dem Vorgängergesetz.)
3.8.3. Befangenheit und § 839a BGB
OLG Hamm 14.1.2014 - 9 U 231/13, BauR 2014, 1330:
Ein wegen Befangenheit des Sachverständigen unverwertbares Gutachten ist kein unrichtiges Gutachten im Sinne
des § 839a BGB, kann also nicht zu einer Haftung dieses
Sachverständigen führen.
4. Taktische Hinweise
Die Praxis zeigt, dass bisweilen – von den professionellen
Verfahrensbeteiligten auch so erkannt – klar unsachliche,
also von vornherein unbegründete, aber mit annähernd ehrenrührigen Inhalten gespickte Befangenheitsanträge angebracht werden. Diese bezwecken über die im Abschnitt 1.3.
dieses Textes bereits vorgestellte Arbeitsstrategie des voraussichtlichen »2. Siegers« hinaus, durch eine so »herausgekitzelte« überzogene Reaktion des dazu Stellung nehmenden
Sachverständigen jedenfalls nachfolgend einen klaren Befangenheitsgrund hinzukriegen. Der erfahrene Richter, zu
dessen Aufgaben auch gehört, für den Ehrenschutz seines
von ihm hinzugezogenen Sachverständigen zu sorgen (Ulrich Der gerichtliche Sachverständige 12. A. 2007 Rdn. 254),
holt in der Regel in solchen Fällen schon keine Stellungnahme des Sachverständigen ein, sondern trifft sogleich die
das nicht schlüssige Gesuch zurückweisende Entscheidung.
Die bisweilen vertretene Auffassung, dass dem Sachverständigen von vorneherein rechtliches Gehör zu gewähren sei
(Musielak/Huber ZPO, 11. A. 2014 § 406 Rdn. 17), ist allein für schlüssige Ablehnungsanträge richtig, denn nur bei
solchen läuft der Sachverständige das Risiko des zukünftigen Verlustes seines Vergütungsanspruchs; vielmehr ist der
Sachverständige nur anzuhören, soweit dies für die Prüfung
der Begründetheit des Gesuches erforderlich ist (SG Halle
13.2.2014 - S 4 SF 10/14 AB, www. juris.de: In einem Ablehnungsverfahren gegen einen Sachverständigen ist es nicht
verfahrensfehlerhaft, wenn zu unsubstantiierten Vorwürfen
gegen diesen Sachverständigen von diesem keine Äußerung
eingeholt wird. Kühl NZS 2003, 579, 580). Obwohl es im
Rechtsstreit grundsätzlich nicht um die Befindlichkeiten des
Sachverständigen geht, dürfte ferner eine Anhörung wegen
der Rechtsbetroffenheit des Sachverständigen geboten sein,
wenn das Persönlichkeitsrecht oder die berufliche Betätigung
dieses Sachverständigen berührt sind (PG/Katzenmeier ZPO
6. A. 2014 § 406 Rdn. 22) oder sein Vergütungsanspruch
ernsthaft gefährdet ist. Wird der Sachverständige um eine
– ihm nach der überwiegenden Auffassung nicht zu bezahlende – Stellungnahme zum Befangenheitsantrag ersucht,
sollte er auf solche »Tretminen-Anträge« nicht hereinfallen
und also nüchtern, sachlich, gelassen und knapp antworten.
Eine Erklärung des Sachverständigen darüber, ob er sich für
befangen hält, verbietet sich; denn die Entscheidung über
seine Befangenheit ist allein eine rechtliche, die dem Richter obliegt (OLG München 31.3.2014 - 10 W 32/14, DAR
2014, 273: Für die Antwort auf die Frage, ob Befangenheit
des Sachverständigen besteht, ist völlig ohne Bedeutung, ob
dieser sich für befangen hält oder nicht).
Ergeben sich Zweifel an der Unvoreingenommenheit des gerichtlichen Sachverständigen, ohne dass ein Ablehnungsgesuch gestellt worden ist, oder ist der Befangenheitsantrag
allein aufgrund Fristversäumung unzulässig, kann Befangenheit gleichsam mittelbar bedeutsam in dem Sinne bleiben,
dass das bisherige Gutachten wegen dieser Umstände von
seinem Gehalt her nur eingeschränkt oder gar nicht verwendbar ist. Ein unmittelbar über Befangenheit nicht mehr
anzubringender Umstand kann, sofern er hinreichend gesichert ist, zur Beeinträchtigung – gegebenenfalls zum Ausschluss – des Beweiswertes eingeführt werden und so bei der
Beweiswürdigung Beachtung finden (BGH 12.3.1981 - IVa
ZR 108/80, NJW 1981, 2010; Kühl NZS 2003, 579, 581). In
einem solchen Fall kann sich dem Gericht Veranlassung zur
Einholung eines neuen Gutachtens gemäß § 412 Abs. 1 ZPO
ergeben (OVG Münster 6.2.2012 - 1 A 1337/10, NVwZ-RR
2012, 575). Unter diesem Gesichtspunkt kann dann trotz eines zurückgewiesenen Befangenheitsantrags der Verlust des
Vergütungsanspruchs in Betracht kommen. Dies wird in der
Praxis von Richtern bisweilen übersehen, weshalb die Verfahrensbevollmächtigten hierauf hinweisen müssen.
Ferner scheidet der befangene Sachverständige nur als Beweismittel »Sachverständiger« aus. Er kann zu seinen tatsächlichen technischen Erkenntnissen – aber nur sofern diese
noch streitig sind – als sachverständiger Zeuge, der dann
als Zeuge zu entschädigen ist, gehört werden. Die Verwertung der von dem abgelehnten Sachverständigen ermittelten
Befundtatsachen ist auch in einem Strafverfahren zulässig.
Kontakt/Information
Professor Ulrich war mehr als zwei Jahrzehnte lang Vorsitzender Richter am
Landgericht in Dortmund. Er ist Honorarprofessor für das Fach »Zivi­les Baurecht« an
der Hochschule Bo­chum; von ihm stammen u.a. das 2007 in der 12. Auflage
erschienene Handbuch »Der gerichtliche Sachver­ständige« und das 2008
veröffentlich­te Werk »Selbstständiges Beweis­verfahren mit Sachverständi­gen«. Im
ZPO-Kommentar Prütting/Gehrlein bearbeitet er die Vorschriften zum selbstständigen Beweisverfahren.
Vors. RiLG a.D.
Professor Jürgen Ulrich
Am Elsebad 28, 58239 Schwerte;
Tel.: 02304/7 88 11
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Die Rechtsprechung aus den
Jahren 2002–2013 zur Haftung
des Gerichtssachverständigen
nach § 839a BGB
Der Autor
Dr. Felix Lehmann
Vorsitzender Richter
am Landgericht
Kiel
Inhalt
1. Anwendungsbereich des § 839a BGB
1.1. Persönlicher Anwendungsbereich
1.1.1. Aktivlegitimation
1.1.1.1. LG Köln (Urteil vom 27. Oktober 2004, Az.: 28 O 157/04): Zwangsversteigerungsverfahren:
Keine Haftung aus § 839a BGB!
1.1.1.2. BGH (Urteil vom 9. März 2006, Az.: III ZR 143/05):
Ersteigerer als Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 839a Abs. 1 BGB!
1.1.1.3. LG Köln (Urteil vom 11. Dezember 2009, Az.: 32 O 263/06):
Ersteigerer ist Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 839a Abs. 1 BGB!
1.1.2. Passivlegitimation
1.1.2.1. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U 26/09): Beweisaufnahme ist Voraussetzung
für Inanspruchnahme eines Sachverständigen nach § 839a BGB!
1.1.2.2. OLG Hamm (Urteil vom 7. Juni 2010, Az.: 6 U 213/10): Anspruch nach § 839a BGB
setzt gerichtliche Bestellung des Sachverständigen voraus!
1.2. Zeitlicher Anwendungsbereich
1.2.1. L G Köln (Urteil vom 7. Januar 2004, Az.: 28 O 330/03): Keine Anwendbarkeit des
§ 839a BGB bei Gutachtenerstellung vor dem 1. August 2002
1.2.2. L G Heilbronn (Urteil vom 24. Juni 2005, Az.: 1 O 92/05) – Kein Anspruch nach § 839a BGB
bei Eintritt des schädigenden Ereignisses vor dem 31. Juli 2002!
1.2.3. O
LG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U 26/09): Anwendbarkeit des § 839a BGB
in einem über zwei Instanzen geführten Zivilrechtsstreit!
1.2.4. O
LG Hamm (Urteil vom 17. Oktober 2011, Az.: 17 U 39/11) – Kein Anwendbarkeit des § 839a BGB
bei schädigendem Ereignis vor dem 1. August 2002!
1.2.5. OLG Koblenz (Beschluss vom 6. August 2012, Az.: 5 W 420/12) – Vor dem
2. Schuldrechtsmodernisier­ungsgesetz nur Haftung des Gerichtssachverständigen nach § 826 BGB
1.3. Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen
1.3.1. OLG Koblenz (Beschluss vom 6. Juni 2005, Az.: 5 U 687/05): Keine persönliche Haftung
des von einer Berufsgenossenschaft mit einer Untersuchung beauftragten Arztes nach § 839a BGB!
1.3.2. OLG Koblenz (Beschluss vom 14. Juli 2006, Az.: 10 U 1685/05):
Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Sachverständigen
1.3.3. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U 26/09): Gerichtsgutachter haftet nur
noch nach § 839a BGB!
1.3.4. OLG Stuttgart (Urteil vom 20. Dezember 2011, Az.: 6 U 107/11): Kein Anspruch eines Dritten
gegen Schiedsgutachter wegen eines falschen Gutachtens!
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2. Anspruchsvoraussetzungen des § 839a BGB
2.1. Unrichtigkeit des Gutachtens
2.1.1. OLG Rostock (Beschluss vom 21. März 2006, Az.: 8 U 113/05): Sachverständigenhaftung
nur bei grob falschem oder offenkundig unrichtigem Gutachten!
2.1.2. KG Berlin (Urteil vom 3. Dezember 2007, Az.: 24 U 71/07): Gutachterhaftung wegen Richtigkeit
bzw. Unrichtigkeit eines Wertgutachtens im Zusammenhang mit einem Zwangsversteigerungsverfahren!
2.1.3. OLG München (Beschluss vom 18. Juni 2008, Az.: 1 U 2044/08): Keine Haftung nach § 839a BGB
bei medizinisch wissenschaftlich vertretbarer Einschätzung des Gerichtssachverständigen!
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
2.1.4. O
LG Rostock (Urteil vom 27. Juni 2008, Az.: 5 U 50/08): Haftung des im
Zwangsversteigerungsverfahren zur Grundstücksbewertung bestellten Sachverständigen!
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2.1.5. L G Bochum (Urteil vom 9. Juli 2008, Az.: 6 O 33/08): Anforderungen an den Sachvortrag
zur Behauptung der Erstellung eines unrichtigen Gutachtens!
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2.1.6. O
LG Saarbrücken (Urteil vom 23. Oktober 2008, Az.: 8 U 487/07): Kein Schadensersatzund Schmerzensgeldanspruch trotz Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus
auf Grund einer falschen Diagnose!
64
2.1.7. L G Karlsruhe (Urteil vom 18. Februar 2009, Az.: 6 O 48/06): Haftung eines Sachverständigen
für Immobilienbewertungen für Fehler in einem vom Zwangsversteigerungsgericht eingeholten
Gutachten und Fehlbeurteilung des Umfangs von Feuchtigkeitsschäden in einem verwahrlosten
Keller eines Einfamilienreihenhauses!
65
2.1.8. A
G München (Urteil vom 24. September 2010, Az.: 22 C 817/09): Kein Anspruch nach
§ 839a BGB bei angeblicher Persönlichkeitsrechtsverletzung durch Gutachter!
65
2.1.9. O
LG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: 2 U 8/10): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer im Zwangsversteigerungsverfahren!
65
2.1.10. L G Oldenburg (Urteil vom 23. März 2011, Az.: 13 O 3477/07): Kein unrichtiges Gutachten
trotz Nichtberücksichtigung von Baumängeln durch Verkehrswertgutachter!
65
2.1.11. L G Berlin (Urteil vom 13. Juli 2011, Az.: 23 O 350/10): Voraussetzungen für ein unrichtiges
Verkehrswertgutachten65
2.1.12. O
LG Jena (Urteil vom 7. November 2012, Az.: 2 U 135/12) : Unrichtiges Gutachten wegen
Nichtberücksichtigung einer DIN und Anwendung falscher Messmethodik
66
2.1.13. O
LG Hamm (Hinweisbeschluss vom 12. August 2013, Az.: 9 U 235/12): Keine hinreichende
Darlegung eines unrichtigen Gutachtens!
66
2.1.14. BGH (Urteil vom 10. Oktober 2013, Az.: III ZR 345/12): Haftung des gerichtlichen Sachverständigen:
Unrichtiges Verkehrswertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren
67
2.1.15. O
LG Hamm (Beschluss vom 22. Oktober 2013, Az.: 9 U 235/12): Darlegungslast der klagenden Partei
69
2.2. Verschulden
69
2.2.1. Grobe Fahrlässigkeit
69
2.2.1.1. Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung
69
2.2.1.1.1. AG Kandel (Urteil vom 9. Oktober 2009, Az.: 2 C 20/09): Haftungsbeschränkung
soll Tätigkeit der gerichtlich bestellten Sachverständigen erleichtern!
69
2.2.1.1.2. OLG Köln (Urteil vom 8. September 2011, Az.: 5 W 34/11): § 839a BGB soll
innere Unabhängigkeit des Gerichtssachverständigen bewahren
70
2.2.1.2. Abweichung von anderen Gutachten
70
2.2.1.2.1. LG Kiel (Urteil vom 14. Dezember 2006, Az.: 5 O 232/05): Keine grobe
Fahrlässigkeit bei unterschiedlichen fachlichen Auffassungen.
70
2.2.1.2.2. LG Bochum (Urteil vom 9. Juli 2008, Az.: 6 O 33/08): Abweichen von anderen
Gutachten ist nicht ausreichend für grobe Fahrlässigkeit!
71
2.2.1.2.3. LG Koblenz (Urteil vom 10. Dezember 2009, Az.: 1 O 356/09) - Sachverständige:
Keine Haftung ohne hinreichenden Vortrag zum Verschulden!
71
2.2.1.2.4. OLG Köln (Urteil vom 30. Januar 2012, Az.: 5 U 222/11) – Keine grobe Fahrlässigkeit
trotz Abweichens von anderen Gutachten!
72
2.2.1.2.5. LG Wiesbaden (Urteil vom 27. September 2013, Az.: 2 O 12/12):
Keine grobe Fahrlässigkeit bei Uneinigkeit verschiedener Sachverständiger!
72
2.2.1.3. Sonstige Fälle
74
2.2.1.3.1. OLG Celle (Beschluss vom 6. Mai 2004, Az.: 4 U 30/04): Keine grobe
Fahrlässigkeit trotz unterbliebener Besichtigung bei Wertgutachten
74
2.2.1.3.2. OLG Koblenz (Beschluss vom 14. Juli 2006, Az.: 10 U 1685/05):
Voraussetzungen der zivilrechtlichen Haftung des Sachverständigen
75
2.2.1.3.3. KG Berlin (Beschluss vom 10. Januar 2007, Az.: 12 W 61/06):
Keine grobe Fahrlässigkeit trotz unterlassener Fahrzeugbesichtigung!
76
2.2.1.3.4. OLG Schleswig (Urteil vom 5. Juli 2007, Az.: 14 U 61/06): Feststellung von
Baumängeln keine Sachverständigenpflicht bei Verkehrswertgutachten!
77
2.2.1.3.5. OLG Frankfurt am Main (Urteil vom 2. Oktober 2007, Az.: 19 U 8/07):
Sachverständigenhaftung wegen eines grob fehlerhaften anthropologischen
Vergleichsgutachtens zur Täteridentifizierung nach einem Bankraub
78
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
2.2.1.3.6. OLG Saarbrücken (Urteil vom 23. Oktober 2008, Az.: 8 U 487/07):
Kein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch trotz Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus auf Grund einer falschen Diagnose!
80
2.2.1.3.7. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U 26/09): Darlegungslast des Klägers
hinsichtlich eines grob fahrlässig fehlerhaften Gutachtens!
80
2.2.1.3.8. OLG Hamm (Urteil vom 16. Juni 2009, Az.: 9 U 239/08): Keine Herabsetzung der
Substantiierungslast des Anspruchstellers bei Haftungsanspruch gegen gerichtlich
bestellten Sachverständigen!
80
2.2.1.3.9. LG Ulm (Urteil vom 6. November 2009, Az.: 3 O 261/09): Haftung des gerichtlich
bestellten Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer im Zwangsversteigerungs­verfahren bei Billigung des Sachverständigenvorgehens durch das Gericht!
81
2.2.1.3.10. LG Köln (Urteil vom 11. Dezember 2009, Az.: 32 O 263/06): Grobe Fahrlässigkeit
des Verkehrswertgutachters bei falscher Angabe des Baujahres und drohender
Rückbauverpflichtung!81
2.2.1.3.11. OLG Brandenburg (Urteil vom 11. März 2010, Az.: 5 U 204/08): Keine Haftung
des Gerichtssachverständigen trotz falscher Angaben im Verkehrswertgutachten!
82
2.2.1.3.12. OLG München (Urteil vom 21. Mai 2010, Az.: 1 U 3611/09): Grob fahrlässiges
Handeln bei Gutachtenerstattung über Heizungsbauleistungen durch unzutreffende
Anwendung einer DIN-Vorschrift!
82
2.2.1.3.13. LG Kiel (Beschluss vom 8. Juni 2010, Az.: 17 O 79/10): Schadensersatz gegen
Gerichtssachverständigen: Nur bei grober Fahrlässigkeit!
83
2.2.1.3.14. OLG München (Urteil vom 29. Juli 2010, Az.: 1 U 5314/09): Haftung eines gerichtlich
bestellten Sachverständigen wegen der angeblich fehlerhaften Erstellung eines
Gutachtens im Arzthaftungsprozess nach Komplikationen in Folge einer
Blinddarmentzündung!83
2.2.1.3.15. OLG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: 2 U 8/10): Haftung des
gerichtlich bestellten Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer!
83
2.2.1.3.16. LG Berlin (Urteil vom 13. Juli 2011, Az.: 23 O 350/10): Keine grobe
Fahrlässigkeit trotz fehlender Untersuchungen des Verkehrswertgutachters!
84
2.2.1.3.17. LG Frankenthal (Urteil vom 6. Oktober 2011, Az.: 8 O 79/10:
Ungeprüfte Übernahme der Empfehlung eines Wirtschaftsverbandes!
84
2.2.1.3.18. OLG Jena (Urteil vom 7. November 2012, Az.: 2 U 135/12) – Unzutreffende
Angaben in der Sachverständigenanhörung!
84
2.2.1.3.19. OLG Celle (Urteil vom 31. Juli 2013, Az.: 4 U 15/13): Grobe Fahrlässigkeit des
Sachverständigen wegen nicht bedachter Möglichkeit der Bodenkontamination
84
2.2.2. Vorsatz
85
2.3. Ergehen einer unrichtigen Entscheidung
85
2.3.1. OLG Nürnberg (Beschluss vom 7. März 2011, Az.: 12 W 456/11): Nach Prozessvergleich keine
Inanspruchnahme des Gerichtssachverständigen nach § 839a BGB möglich!
85
2.3.2. OLG Köln (Hinweisbeschluss vom 29. August 2012, Az.: 5 U 104/12): Keine direkte Haftung auf
Grund eines falschen Gutachtens gemäß § 839a BGB!
85
2.4. Kausalität Gutachten / Entscheidung
86
2.4.1. L G Bonn (Beschluss vom 19. September 2006, Az.: 10 O 77/06): Erfolgsaussicht eines Anspruchs auf
Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Falschbegutachtung
in einem Sorgerechts- bzw. Umgangsverfahren
86
2.4.2. O
LG München (Beschluss vom 19. Juli 2011, Az.: 1 W 999/11): Keine Kausalität der gutachterlichen
Stellungnahme für die Entscheidung!
86
2.4.3. O
LG Jena (Urteil vom 7. November 2012, Az.: 2 U 135/12) – Unrichtiges Gutachten war kausal
für die falsche Gerichtsentscheidung!
87
2.5. Schaden
87
2.5.1. O
LG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2006, Az.: 20 U 133/04): Schadensersatz wegen Fehler im
Wertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren
87
2.5.2. O
LG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010, Az.: 2 U 8/10): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer!
88
2.5.3. O
LG Jena (Urteil vom 7. November 2012, Az.: 2 U 135/12) – Schadensersatzanspruch gegen
Gerichtsgutachter umfasst auch Verfahrens- und Gutachterkosten!
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
2.6. Kausalität Entscheidung / Schaden
OLG Schleswig (Urteil vom 10. April 2012, Az: 11 U 18/10): Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast
zur haftungsausfüllenden Kausalität bei Inanspruchnahme eines Gerichtssachverständigen durch einen
Grundstücksersteigerer wegen eines fehlerhaften Verkehrswertgutachtens
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3. § 839a Abs. 2 BGB
3.1. Unterlassenes Rechtsmittel
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24. Juni 2013, Az.: 8 U 45/13): Keine Haftung des gerichtlichen
Sachverständigen bei unterlassener Einlegung von Rechtsmitteln im Ausgangsprozess!
3.2. Unterlassener Befangenheitsantrag gegen Gerichtssachverständigen
LG Regensburg (Urteil vom 29. August 2012, Az. 1 O 2552/11): Kein Haftungsanspruch gegen
Gerichtssachverständigen bei unterlassenem Befangenheitsantrag!
3.3. Anträge nach §§ 411 Abs. 3, 4, 412 ZPO
3.3.1. O
LG Brandenburg (Urteil vom 20. Juli 2006, Az.: 5 U 168/05): Haftungsausschluss wegen
eines unrichtigen Gutachtens bei unterbliebenem Antrag auf Ladung zur mündlichen Anhörung!
3.3.2. B
GH (Beschluss vom 5. Juli 2007, Az.: III ZR 240/06): Antrag auf mündliche Erläuterung
des gerichtlichen Sachverständigengutachtens als »Rechtsmittel«!
3.3.3. A
G München (Urteil vom 19. November 2009, Az.: 281 C 34656/08): Haftung des
Gerichtssachverständigen nur nach erfolglosen Rechtsmitteln im Vorprozess!
3.3.4. L G Koblenz (Urteil vom 10. Dezember 2009, Az.: 1 O 356/09): Kein Anspruch gegen
Gerichtsgutachter bei unterlassener Rechtsmitteleinlegung!
3.3.5. O
LG Hamm (Beschluss vom 2. November 2010, Az.: 6 U 131/10): Unterlassene Rechtsmitteleinlegung
bei Unterbleiben des Antrags auf mündliche Anhörung des Sachverständigen vor Gericht!
3.3.6. O
LG Köln (Urteil vom 27. März 2012, Az.: 4 U 11/11: Kein Haftungsanspruch bei
unterlassenem Antrag auf Anhörung des Sachverständigen!
3.3.7. O
LG München (Beschluss vom 29. Juni 2012, Az.: 1 U 943/12): Kein Haftungsanspruch bei
fehlendem Antrag auf Gutachtenerläuterung bzw. Einholung eines »Obergutachtens«!
3.3.8. O
LG München (Urteil vom 25. Juli 2013, Az.: 1 U 615/13): Unterlassene Befragung
des Sachverständigen bei dessen mündlicher Anhörung als unterlassene Rechtsmitteleinlegung
3.4. Einholung eines Privatgutachtens
OLG Celle (Urteil vom 10. November 2011,
Az.: 13 U 84/11): Einholung eines Privatgutachtens erforderlich zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit des
Gerichtsgutachtens als Rechtsmittel bei der Schadensabwendungspflicht!
3.5. Gänzliche Verhinderung des Schadens
BVerfG (Beschluss vom 22. Februar 2011, Az.: 1 BvR 409/09): Gänzliche Verhinderung des Schadens durch
Rechtsmittel erforderlich bei § 839 Abs. 3 BGB!
89
89
4. § 254 BGB
LG Karlsruhe (Urteil vom 18. Februar 2009, Az.: 6 O 48/06): Mitverschulden des Ersteigerers bei Vertrauen
auf ein länger zurückliegendes Gutachten und Verzicht auf eine eigene Besichtigung des Versteigerungsobjekts!
96
5. Strafrechtliche Konsequenzen unrichtiger Gutachten
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 31. März 2008, Az.: 1 Ws 167/07): Beihilfe zum versuchten Prozessbetrug durch
falsches Gutachten?
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6. Verfahrensfragen
97
6.1. O
LG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 17. Februar 2003, Az.: 2 W 49/02): Selbstständiges Beweisverfahren gegen
den gerichtlich bestellten Sachverständigen: Zulässigkeit der Einholung eines Gutachtens
zu demselben Beweisthema
97
6.2. O
LG Schleswig (Beschluss vom 13. April 2004, Az.: 16 W 7/04): Selbstständiges Beweisverfahren unzulässig bei
fehlender Kausalität zwischen Gutachten und Entscheidung
98
6.3. O
LG Frankfurt a.M. (Urteil vom 15. Juli 2004, Az.: 1 U 78/01): Ausschluss des Sachverständigen nach
Streitverkündung98
6.4. B
GH (Beschluss vom 16. September 2004, Az.: III ZB 33/04): Rechtliches Interesse an
Feststellung im selbstständigen Beweisverfahren
99
6.5. O
LG Celle (Beschluss vom 24. August 2005, Az.: 7 W 86/05): Unzulässige Streitverkündung
gegen den bestellten Gerichtssachverständigen
99
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
6.6. O
LG Koblenz (Beschluss vom 28. September 2005, Az.: 12 U 251/05): Streitverkündung und Zustellung an
den Gutachter sind unzulässig!
6.7. O
LG Celle (Beschluss vom 14. November 2005, Az.: 7 W 117/05): Zustellung ungeprüfter
Streitverkündung an gerichtlich bestellten Sachverständigen
6.8. O
LG Bamberg (Beschluss vom 28. Dezember 2005, Az.: 8 W 37/05): Kein selbstständiges Beweisverfahren
parallel zum Hauptsacheverfahren
6.9. O
LG Bamberg (Beschluss vom 9. Januar 2006, Az.: 4 U 186/05): Unzulässigkeit der Streitverkündung
an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen!
6.10. B
GH (Urteil vom 12. Januar 2006, Az.: VII ZR 207/04): Beitritt des Sachverständigen nach Streitverkündung
kein gesetzlicher Ausschließungsgrund!
6.11. O
LG Stuttgart (Beschluss vom 22. März 2006, Az.: 6 W 7/06): Streitverkündung an den gerichtlich
bestellten Sachverständigen unzulässig!
6.12. L G Stuttgart (Beschluss vom 10. Juli 2006, Az.: 10 T 126/06): Unzulässigkeit der Streitverkündung
an den gerichtlich bestellten Sachverständigen!
6.13. L G München (Beschluss vom 21. Juli 2006, Az.: 1 U 3851/06): Streitverkündung gegenüber
dem gerichtlich bestellten Sachverständigen
6.14. B
GH (Beschluss vom 27. Juli 2006, Az.: VII ZB 16/06): Streitverkündung gegenüber dem im
selben Rechtsstreit bestellten gerichtlichen Sachverständigen
6.15. B
GH (Beschluss vom 28. Juli 2006, Az.: III ZB 14/06): Rechtliches Interesse für Beweisantrag im
selbstständigen Beweisverfahren zur Vorbereitung eines Sachverständigenhaftpflichtprozesses?
6.16. O
LG Brandenburg (Beschluss vom 6. September 2006, Az.: 11 W 36/06): Zulässigkeit der Streitverkündung
gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in einem selbstständigen Beweisverfahren
6.17. B
GH (Beschluss vom 19. Dezember 2006, Az.: VIII ZB 49/06): Mietrechtsstreit: Zulässigkeit
der Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen
6.18. A
G Hagen/Westfalen (Urteil vom 5. Juli 2007, Az.: 10 C 84/07): Unzulässigkeit der Zustellung einer
auf Änderung gutachterlicher Äußerungen in einem rechtshängigen Verfahren gerichteten Klage
6.19. O
VG Münster (Beschluss vom 26. Mai 2006, Az.: 4 B 310/06): Widerruf der öffentlichen Bestellung
eines Sachverständigen wegen mangelhaften Gutachten
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Festschrift BauSV 1/2015
Die nachfolgende Beitragsreihe enthält einen umfassenden Überblick über die in den Jahren 2002 bis 2013 ergangene Rechtsprechung zur Haftung des Gerichtssachverständigen nach § 839a BGB. Bei allen Entscheidungen werden zunächst nach der Überschrift
der Leitsatz bzw. die Leitsätze wiedergegeben. Danach werden die entscheidenden, interessantesten Passagen der Entscheidungen
zitiert.
1. Anwendungsbereich des § 839a BGB
1.1. Persönlicher Anwendungsbereich
1.1.1. Aktivlegitimation
1.1.1.1. LG Köln (Urteil vom 27. Oktober 2004, Az.:
28 O 157/04): Zwangsversteigerungsverfahren: Keine
Haftung aus § 839a BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Der sachliche Anwendungsbereich des § 839a BGB ist bei
einer auf § 74a Abs. 5 ZVG gestützten Verkehrswertermittlung im Zwangsversteigerungsverfahren nicht eröffnet.
Aus den Gründen:
»2. Die durch Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 mit § 839a BGB
geschaffene eigenständige Anspruchsgrundlage findet auf die
Haftung des Beklagten in mehrfacher Hinsicht keine Anwendung.
a. Der sachliche Anwendungsbereich der eigenständigen Anspruchsgrundlage für die Haftung des gerichtlichen Sachverständigen ist bei einer auf § 74a Abs. 5 ZVG gestützten Verkehrswertermittlung im Zwangsversteigerungsverfahren nicht
eröffnet.
Dabei mag es im Ausgangspunkt durchaus zutreffen, dass
der gerichtliche Sachverständige, wenn er denn ausnahmsweise
als Amtsträger tätig wird, unbeschadet der Zwecksetzung der
gerichtlichen Wertermittlung im Zwangsversteigerungsverfahren prinzipiell auch drittgerichtete Pflichten wahrnimmt, die es
rechtfertigen mögen, den Ersteigerer in den Schutzbereich seiner Amtspflichten (BGH BauR 2003, 860, 861) einzubeziehen.
Die bestehenden konstruktiven Unterschiede rechtfertigen es jedoch nicht, diese Grundsätze auf die Haftung aus § 839a BGB
zu übertragen. Während § 839 BGB auf die Verletzung von hoheitlichen Pflichten und deren Schutzrichtung abstellt und den
Sachverständigen in die Haftung nimmt, wenn und soweit er
(ausnahmsweise) als Amtsträger tätig wird, knüpft § 839a BGB
daran an, dass einem Verfahrensbeteiligten Schaden durch eine
gerichtliche Entscheidung entsteht, die ihrerseits auf einem unrichtigen Gutachten beruht. Der verletzten drittgerichteten
Amtspflicht im Rahmen des § 839 BGB entspricht in § 839a BGB
nicht die Gutachtenerstattung, sondern die (durch ein objektiv
unrichtiges Gutachten fehlgesteuerte) gerichtliche Entscheidung. Für deren nachteilige Auswirkungen hat der Sachverständige als eigentlicher Veranlasser der Fehlentscheidung einzustehen, wenn und soweit der Schaden im Wege der Einlegung von
Rechtsmitteln nicht abgewandt werden kann. Eine Fehlsteuerung der gerichtlichen Entscheidung in diesem Sinne setzt aber
zwingend voraus, dass die gerichtliche Entscheidung sich mit
dem Gutachten auseinandersetzt und ihm zumindest teilweise
folgt und dass außerdem die Möglichkeit nicht auszuschließen
ist, dass die Entscheidung ohne das Gutachten oder bei anderem Inhalt und Ergebnis weniger ungünstig für den betreffenden Verfahrensbeteiligten ausgefallen wäre (Palandt-Tho-
mas, BGB, 62. Auflage, § 839a Rn. 4). Es geht also, wie im Übrigen auch die Bezugnahme auf § 839 Abs. 3 BGB belegt,
darum, dass demjenigen, der von einer objektiv fehlerhaften, in
der Regel aber dem Richterprivileg des § 839 Abs. 2 BGB unterfallenden gerichtlichen Entscheidung betroffen ist, die Möglichkeit eingeräumt wird, sich mit seinen Ansprüchen an denjenigen
zu halten, der durch die Erstattung eines fehlerhaften Gutachtens die Ursache der Fehlentscheidung gesetzt hat und deshalb
als deren mittelbarer Veranlasser angesehen wenden kann. Daraus folgt aber zugleich, dass der Sachverständige nur haftet,
wenn und soweit ein Verfahrensbeteiligter durch eine gerichtliche Entscheidung betroffen wird. Diese Voraussetzungen wären hier auch dann nicht gegeben, wenn man – entgegen den
nachstehend erörterten weiteren Bedenken – den zeitlichen Anwendungsbereich der Norm als eröffnet ansehen wollte. Eine
Kausalität der fehlerhaften Begutachtung für die gerichtliche
Entscheidung ist nicht ersichtlich.
Soweit es um die Festsetzung des Verkehrswerts durch das
Vollstreckungsgericht geht (§ 74a Bs. 3 ZVG), mag eine eigenständige Wertung des Gerichts anhand des Sachverständigengutachtens stattfinden. In Bezug auf diese Entscheidung ist der
Kläger als Ersteigerer allerdings nicht als Verfahrensbeteiligter im
Zwangsversteigerungsverfahren anzusehen (Zeller/Stöben, ZVG,
14. Aufl. § 9 Anm. 3.8). Hinsichtlich der Erteilung des Zuschlags
fehlt es nicht nur an einer Verfahrensbeteiligung i.S.d. § 9 ZVG,
sondern darüber hinaus auch an einer Entscheidung, welche
sich mit dem Gutachten auseinandersetzt, die durch das Gutachten fehlgeleitet worden sein kann und die bei anderem Inhalt
oder anderem Ergebnis anders ausgefallen wäre. Denn der gerichtliche Zuschlag richtet sich ausschließlich nach dem Meistgebot, § 81 Abs. 1 ZVG; eine Würdigung der Wertfeststellung
durch den Sachverständigen findet dabei nicht statt.
Das Gericht hält darüber hinaus allerdings auch an der mit
Verfügung vom 21.09.2004 zum Ausdruck gebrachten Auffassung fest, wonach in zeitlicher Hinsicht kein Raum für die Anwendung der Haftungsnorm auf den hier zu beurteilenden
Sachverhalt gegeben ist, weil der Beklagte das streitgegenständliche Gutachten vor Inkrafttreten des § 839a BGB abgegeben
hatte. Die bei Inkrafttreten der Norm erlassenen Überleitungsvorschriften rechtfertigen eine Anwendung des Haftungstatbestandes entgegen der Annahme des Klägers nicht.
»Schädigendes Ereignis« im Sinn der – eine Vielzahl von Einzeltatbeständen betreffenden – Überleitungsvorschrift des Art.
229 § 8 Abs. 1 EGBGB kann im Falle des § 839a BGB nicht der
Zeitpunkt der Ersteigerung bzw. der Erlass des Zuschlagsbeschlusses sein, sondern nur das Verhalten, an das die Haftung
anknüpft. Sieht man dieses haftungsbegründende Verhalten
vorliegend darin, dass, wie oben ausgeführt worden ist, durch
die Erstellung eines fehlerhaften Gutachtens das Risiko einer gerichtlichen Fehlentscheidung gesetzt wird, so kann es nur auf
den Zeitpunkt ankommen, in dem sich der Haftende des unrichtigen Gutachtens in dem Sinne begeben hatte, dass eine solche
Fehlentscheidung drohte. Nach allgemein geltenden Grundsätzen, die letztlich Ausprägungen des aus dem Rechtsstaatsprinzip
(Art. 2 GG) folgenden Gesichtspunkts des Vertrauensschutzes
sind, ist es nämlich unzulässig, eine Schadensersatzpflicht an ein
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Verhalten oder Unterlassen zu knüpfen, dessen haftungsrechtliche Relevanz dem Betroffenen noch gar nicht bewusst sein
konnte. Dies gilt insbesondere dann, wenn es – wie hier – gerade um eine rechtliche Konstruktion geht, die eine »Fernwirkung« beinhaltet, indem sie den für eine gerichtliche Fehlentscheidung nur mittelbar Verantwortlichen mit einer Haftung für
die Auswirkungen belegt, die seine fehlerhafte Einschätzung
auf das Handeln Dritter in der Zukunft hat. Gerade in einem solchen Fall muss sichergestellt sein, dass dem Betroffenen die haftungsrechtliche Relevanz seines Fehlverhaltens bewusst oder
doch jedenfalls erkennbar ist. Das wäre aber nicht mehr der Fall,
wenn eine Haftung allein daran geknüpft würde, dass sich die
Rechtsgutverletzung nach einer Verschärfung der gesetzlichen
Haftungstatbestände in Gestalt einer gerichtlichen Fehlentscheidung realisiert.«
1.1.1.2. BGH (Urteil vom 9. März 2006, Az.: III ZR
143/05): Ersteigerer als Verfahrensbeteiligter i.S.d.
§ 839a Abs. 1 BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Zur Sachverständigenhaftung des Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer im Zwangsversteigerungsverfahren.
Aus den Gründen:
»2. Mit Recht ist das Berufungsgericht weiter davon ausgegangen, dass die Kläger als Meistbietende hier »Verfahrensbeteiligte«
im Sinne des § 839a BGB gewesen sind (vgl. in diesem Sinne
auch BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - VI ZR 312/03 = VersR
2003, 1049, 1050). Zwar zählten sie nicht zu den nach § 9 ZVG
am Verfahren förmlich Beteiligten; indessen ist es zulässig und
geboten, den Beteiligtenbegriff im Sinne des § 839a BGB über
eine formalisierte, streng prozessrechtliche Betrachtung hinaus
zu erweitern (Staudinger/Wurm a.a.O. Rn. 24).
a) Für das hier in Rede stehende Verfahren der Zwangsversteigerung kann insoweit auf die Grundsätze zurückgegriffen
werden, die von der Rechtsprechung zu der Frage entwickelt
worden sind, wie im Rahmen der bei der gerichtlichen Wertfestsetzung wahrzunehmenden Amtspflichten der Kreis der geschützten »Dritten« im Sinne der Amtshaftung (§ 839 BGB
i.V.m. Art. 34 GG) zu bestimmen ist. Insoweit hat der Senat insbesondere bereits entschieden, dass diese Amtspflichten zugunsten des Ersteigerers drittgerichtet sein können. Es mag zwar
zutreffen, dass die gerichtliche Wertermittlung und -festsetzung
in erster Linie einer Verschleuderung des Grundbesitzes entgegenwirken und die Einhaltung der Untergrenze von 7/10 des
Grundstückswerts gewährleisten soll. Dies schließt es jedoch
nicht aus, dass auch die Interessen des Ersteigerers geschützt
werden, und zwar nicht nur im Wege eines bloßen Reflexes,
sondern durch Einbeziehung in die insoweit bestehenden drittgerichteten Amtspflichten. Der Ersteigerer darf, selbst wenn ihm
keine Mängelgewährleistungsansprüche zustehen, in schutzwürdiger Weise darauf vertrauen, dass das Gericht bei der Festsetzung des Grundstückswerts, die die Grundlage für die Höhe
des Gebots bildet, mit der erforderlichen Sorgfalt verfahren ist
(Senatsurteil vom 6. Februar 2003 - III ZR 44/02 = VersR 2003,
1535, 1536 m.w.N.).
b) Diese Grundsätze hat der Senat auf die Haftung des vom
Gericht mit der Wertermittlung beauftragten Gutachterausschusses übertragen, die sich – anders als hier, wo es um die
Haftung eines privaten Grundstückssachverständigen geht –
nicht nach § 839a BGB, sondern nach Amtshaftungsgrundsät-
zen richtet. Der Senat hat dazu entschieden, dass in dem gleichen Umfang wie die vom Gericht selbst bei der Wertfestsetzung wahrzunehmenden Amtspflichten auch diejenigen des mit
der Wertermittlung beauftragten Gutachterausschusses drittgerichtet sind (Senatsurteil vom 6. Februar 2003 a.a.O). Der Senat
sieht keine durchgreifenden Bedenken dagegen, die Gesichtspunkte, die für die Einbeziehung des Ersteigerers in den Kreis
der amtshaftungsrechtlich geschützten Dritten maßgeblich sind,
für die hier zu beurteilende Frage heranzuziehen, ob der Ersteigerer Verfahrensbeteiligter im Sinne der Sachverständigenhaftung nach § 839a BGB ist (a.A. Wagner/Thole a.a.O. S. 277
f). Insbesondere begründet die hier in Rede stehende Wertermittlung durch einen privaten Sachverständigen in gleicher Weise ein schutzwürdiges Vertrauen des Ersteigerers zumindest dahin, dass bei der Ermittlung ihrer Grundlagen sachgemäß und
korrekt verfahren ist.«
1.1.1.3. LG Köln (Urteil vom 11. Dezember 2009, Az.:
32 O 263/06): Ersteigerer ist Verfahrensbeteiligter i.S.d.
§ 839a Abs. 1 BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Der Ersteigerer in einem Zwangsversteigerungsverfahren
ist Verfahrensbeteiligter i.S.d. § 839a Abs. 1 BGB.
Aus den Gründen:
»1. Das Gericht schließt sich der Auffassung des Bundesgerichtshofes an, wonach der Kläger als Meistbietender Verfahrensbeteiligter im Sinne des § 839a BGB ist. Der Begriff des Verfahrensbeteiligten ist in Anlehnung an § 839 BGB ähnlich dem
des Dritten zu bestimmen. Die Pflichten des Sachverständigen
sind auf den Erwerber gerichtete Amtspflichten, da dieser in
schutzwürdiger Weise darauf vertrauen darf, dass die Festsetzung des Grundstückswertes als Grundlage des Gebots pflichtgemäß ermittelt worden ist (vgl. BGH Urteil vom 09.03.06, Az.:
III ZR 143/05).«
1.1.2. Passivlegitimation
1.1.2.1. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.:
4 U 26/09): Beweisaufnahme ist Voraussetzung für
Inanspruchnahme eines Sachverständigen nach
§ 839a BGB!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Die Inanspruchnahme eines Sachverständigen nach §
839a BGB setzt in jedem Fall voraus, dass eine Beweisaufnahme stattgefunden hat.
2. Hierfür ist im Verwaltungsgerichtsverfahren nicht ausreichend, dass das Verwaltungsgericht die Klage mit der
Begründung abweist, der Kläger habe sich zu dem von
der beklagten Partei in Bezug genommenen Gutachten
nicht hinreichend erklärt, weil es sich dabei um Parteivortrag und keine Beweisaufnahme handelt.
Aus den Gründen:
»4. Ein Schadensersatzanspruch des Klägers wegen der im Verwaltungsgerichtsverfahren entstandenen, streitgegenständlichen Kosten besteht nicht. Denn eine Beweisaufnahme hat
nicht stattgefunden.
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass er das seinerzeit in diesem Verfahren erörterte Gutachten des Beklagten vom 14. Juli
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
2000, das er in dem Zivilverfahren gegen den Eigentümer B. erstattet hat, nicht eingebracht hat, sondern dieses vielmehr Gegenstand des streitgegenständlichen Widerspruchsbescheides
der Stadt Neustadt vom 2. Oktober 2003 war und auch der Eigentümer B. sich in seinem handschriftlichen Schreiben vom 5.
November 2003 auf das Gutachten berufen hat. Dies hilft jedoch nicht weiter. Auch im Verwaltungsgerichtsverfahren erfolgt die Beweisaufnahme dadurch, dass das Verwaltungsgericht den Sachverständigen entweder ernennt oder aber sein
Gutachten im Wege des Urkundsbeweises verwertet (vgl. Kopp/
Schenke, VwGO, 15. Aufl., § 96 Rdnrn. 3 und 10, § 98 Rdnr. 15
a). Erforderlich ist aber auf jeden Fall, dass das Verwaltungsgericht deutlich gemacht hat, dass eine Beweisaufnahme erfolgen
soll (Kopp/Schenke, a.a.O., § 98 Rdnr. 6). Eine derartige Vorgehensweise ergibt sich weder aus dem Protokoll der mündlichen
Verhandlung vom 14. Dezember 2005 noch aus dem am selben
Tag verkündeten Urteil. Dort hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, der Kläger habe unter Berücksichtigung des Gutachtens
des hiesigen Beklagten vom 14. Juli 2000 wiederum nicht substantiiert darlegen können, dass seinem Grundstück Gefahren
durch Vernässung oder Überschwemmung drohen, die ein
grundrechtsverträgliches Maß überschreiten können. Hieraus
ergibt sich, dass das Verwaltungsgericht das Gutachten des Beklagten vom 14. Juli 2000 keineswegs die Inbezugnahme des
Gutachtens als Beweisaufnahme gewertet hat, sondern offensichtlich als Parteivortrag, zu dem sich der Kläger nicht genügend erklärt hat. Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der Beklagte als gerichtlich bestellter Sachverständiger tätig geworden
ist oder das Gericht das Gutachten im Wege des Urkundsbeweises verwertet hat.«
1.1.2.2. OLG Hamm (Urteil vom 7. Juni 2010, Az.: 6 U
213/10): Anspruch nach § 839a BGB setzt gerichtliche
Bestellung des Sachverständigen voraus!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Ein Anspruch nach § 839a BGB kann nur gegen einen
gerichtlich bestellten Sachverständigen geltend gemacht
werden.
2. Nach den Regelungen der Zivilprozessordnung kann
nur eine natürliche Person zum Sachverständigen bestellt
werden.
3. Die dienst- oder arbeitsrechtliche bzw. gesellschaftsrechtliche Stellung des Sachverständigen hat nichts mit
seiner zivilprozessualen Stellung zu tun.
4. Die Verwendung eines Firmenbriefkopfs durch den
Sachverständigen ist nicht geeignet, das bezeichnete Unternehmen – gesetzeswidrig – zum Sachverständigen zu
erheben.
Aus den Gründen:
Ȥ 839a BGB setzt voraus, dass (1) ein gerichtlich bestellter
Sachverständiger, (2) vorsätzlich oder grob fahrlässig, (3) ein unrichtiges Gutachten erstattet hat.
Zweifelhaft ist schon, ob die Beklagten überhaupt gerichtlich
bestellte Sachverständige waren. Zwar hat das Landgericht Osnabrück im Berufungsverfahren des Vorprozesses (2 S 362/05;
Az. des AG Bersenbrück: 14 C 315/04) mit Beweisbeschluss vom
12.12.2005 (Bl. 157 der Beiakten Bd. I) zum Sachverständigen
»das Diplom-Ingenieurbüro T und C, N« bestimmt. Zum Sachverständigen kann allerdings grundsätzlich nur eine natürliche
Person bestimmt werden, nicht ein Institut (Zöller-Greger ZPO
28. Aufl. § 402 Rdn. 6). Das ergibt sich aus dem grundsätzlichen
Verweis in § 402 ZPO auf die Anwendbarkeit der Vorschriften
über den Zeugenbeweis. Zeugen können auch nur natürliche
Personen sein.
Das kann aber letztlich dahinstehen. Selbst wenn man den
landgerichtlichen Beweisbeschluss dahingehend auslegen
wollte, dass die Herren T und C beide als Sachverständige bestellt worden wären (was eher fern liegt), würde sich daraus für
ihre Haftung nichts ergeben, denn diese haben im Vorprozess
kein Gutachten – weder ein richtiges noch ein unrichtiges – erstattet. Vielmehr ist nach Erlass des oben genannten landgerichtlichen Beweisbeschlusses der im Sachverständigenbüro der
Beklagten beschäftigte Sachverständige Dipl.-Ing. H2 mit Wissen und Billigung, bzw. im weiteren Verlauf des Vorprozesses
auch auf ausdrückliche Veranlassung, des Gerichts tätig geworden. Er hat mit zwei Schreiben an das Landgericht vom
25.01.2006 den Eingang der Akten bestätigt und einen Antrag
auf Erhöhung des Stundensatzes gestellt (Bl. 163 und 165 Bd. I
der Beiakten). Diesem Begehren hat die damalige Beklagte und
jetzige Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.02.2006
zugestimmt (Bl. 169 Bd. I der Beiakten). Das schriftliche Gutachten hat der Sachverständige H2 am 26.07.2006 erstattet und
allein und persönlich gezeichnet. Er wurde auch vom Landgericht namentlich mit der Erstattung eines Ergänzungsgutachtens
am 02.10.2006 beauftragt (Bl. 18 Bd. II der Beiakten). Dieses
hat er – allein und persönlich unterzeichnend – unter dem
09.02.2007 vorgelegt. Schließlich wurde er mit Verfügung vom
18.07.2007 (Bl. 38 Bd. II der Beiakten) zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht Osnabrück geladen und hat dort am
12.09.2007 sein mündliches Gutachten erstattet (Bl. 59 Bd. II
der Beiakten). Eine Mitwirkung der Beklagten an der Begutachtung im Vorprozess hat somit in keiner Weise stattgefunden. Es
ist noch nicht einmal bekannt, wie der Begutachtungsauftrag
bürointern an Dipl.-Ing. H2 gelangt ist. Als Sachverständiger ist
jedenfalls allein dieser tätig geworden.
b) Dass der Sachverständige H2 seine Schreiben unter dem
Briefkopf »T & C« vorgelegt hat, ändert an dieser Bewertung
nichts. Die dienst- oder arbeitsrechtliche bzw. gesellschaftrechtliche Stellung des Sachverständigen hat nichts mit seiner zivilprozessualen Stellung zu tun. Ein Sachverständiger mag Dienste
oder Arbeitsleistungen für einen Dienstherrn oder Arbeitgeber
erbringen oder selbst Gesellschafter einer Gesellschaft sein. Das
ändert aber nichts daran, dass die Regelungen der Zivilprozessordnung nur seine Bestellung zum Sachverständigen als natürliche Person gestatten. Er hat auch seine Gutachten persönlich
erstattet und gezeichnet. Die Verwendung eines Firmenbriefkopfs durch den Sachverständigen ist nicht geeignet, das Institut, eine Gesellschaft etc. – gesetzeswidrig – zum Sachverständigen zu erheben.
c) Die von der Klägerin beantragte »Rubrumsberichtigung«
(statt »T und C« sollte der »Dipl.-Ing. H« als Beklagte geführt
werden) schied aus, denn es liegt hier keine offensichtliche Fehlbezeichnung vor, die auf diesem Wege korrigiert werden
könnte. Es ist nicht offensichtlich, dass wer »T & C« schreibt,
»H« meint. Da die Beklagten und auch Dipl.- Ing. H2 einem Parteiwechsel auf Beklagtenseite nicht zugestimmt haben, schied
auch dies (wenn man den Antrag auf Rubrumsberichtigung dahingehend auslegen wollte) aus.
d) Die Beklagten sind auch nicht etwa insoweit als Sachverständige im Vorprozess tätig geworden, als sie zur Begutachtung, wer aus ihrem Büro als Sachverständiger in Frage käme,
bestellt worden wären. Zum einen ist das keine Frage einer Begutachtung, sondern der bloßen Sachverständigenauswahl im
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
Sinne von § 404 ZPO, welche im Vorfeld der eigentlichen Gutachtenerstattung liegt. Zum anderen steht einer solchen Annahme auch die Formulierung der Beweisfragen im Beweisbeschluss
des Landgerichts Osnabrück entgegen.«
1.2. Zeitlicher Anwendungsbereich
1.2.1. LG Köln (Urteil vom 7. Januar 2004, Az.: 28 O
330/03): Keine Anwendbarkeit des § 839a BGB bei
Gutachtenerstellung vor dem 1. August 2002
Leitsätze der Entscheidung:
1. § 839a BGB ist auf Gutachten, die vor dem 1. August
2002 abgegeben worden sind, nicht anwendbar.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Anwendbarkeit des §
839a BGB im Sinne der Übergangsvorschrift des Artikel
229 § 8 EGBGB ist hinsichtlich des schädigenden Ereignisses nicht die Entscheidung des Gerichts, sondern die Erstellung und Abgabe des Gutachtens.
Aus den Gründen:
»Der Kl. steht kein Anspruch aus § 839a BGB gegen die Bekl. zu,
da diese Vorschrift erst zum 01.08.2002 in Kraft getreten ist.
Nach der Übergangsvorschrift des Artikel 229 § 8 EGBGB ist sie
anwendbar, wenn das schädigende Ereignis nach dem
31.07.2002 eingetreten ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht der
Fall.
Es ist allerdings zweifelhaft, wie der Begriff des »schädigenden Ereignisses” in der Vorschrift des Artikel 229 § 8 EGBGB zu
verstehen ist. Die Kl. ist der Ansicht, zum schädigenden Ereignis
gehöre auch die gerichtliche Entscheidung, die hier in dem Zuschlagsbeschluss vom 12.12.2002 zu sehen sei. Dieser Ansicht
kann allerdings nicht gefolgt werden. Artikel 229 § 8 EGBGB ist
keine Übergangsvorschrift, die speziell auf die Vorschrift des §
839a BGB zugeschnitten ist; sie ist vielmehr die allgemeine
Überleitungsvorschrift, die aus Anlass des zweiten Gesetzes zur
Änderung schadensatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002
in das EGBGB eingeführt worden ist. Der Begriff des schädigenden Ereignisses muss daher für jede der geänderten Vorschriften
konkret bestimmt werden.
Für die Vorschrift des § 839a BGB bedeutet dies, dass die gerichtliche Entscheidung, die allerdings für die Haftung des Sachverständigen konstitutiv ist, nicht zum schädigenden Ereignis im
Sinne dieser Vorschrift gehört. Zunächst ist festzuhalten, dass
sich das Verschulden des Sachverständigen nur auf die fehlerhafte Erstattung des Gutachtens, jedoch nicht auf die gerichtliche Entscheidung erstreckt. Die gerichtliche Entscheidung gehört damit nicht zum Haftungstatbestand im engeren Sinne,
sondern stellt eine weitere, objektive Bedingung der Haftung
dar. Es liegt nahe, unter dem schädigenden Ereignis nur die
schädigende Handlung des verantwortlichen Sachverständigen
zu sehen, die jedenfalls dann abgeschlossen ist, wenn der Sachverständige das Gutachten erstellt hat und aus seinen Händen
gibt. Dies war im vorliegenden Fall jedenfalls vor dem 01.08.2002
der Fall, da das Gutachten erst an diesem Tag bei Gericht eingegangen ist. Ob unter Umständen auf einen noch früheren Zeitpunkt, zum Beispiel auf die Erstellung des Gutachtens, abzustellen wäre, bedarf daher im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Ausschlaggebend für diese Bewertung ist die Motivation
des Gesetzgebers, der mit der Übergangsvorschrift des Artikel
229 § 8 EGBGB bewusst eine Regelung schaffen wollte, die es
den betroffenen Kreisen ermöglicht, sich auf die neue Haftungs-
lage einzustellen (BT-Drucksache 14/7552, Seite 80; Kilian, VersR 2003, VERSR Jahr 2003 Seite 683 ff.). Träfe die von der Kl.
vertretene Ansicht zu, so wäre es möglich, dass auch Gutachten, die Jahre vor dem In-Kraft-Treten der Regelung des § 839a
BGB erstattet worden sind, noch zu einer Haftung des Sachverständigen führen würden. Zu denken wäre beispielsweise an die
erstinstanzliche Erstattung eines Gutachtens, wenn der Rechtsstreit erst nach mehreren Instanzen rechtskräftig entschieden
wird. Im Übrigen wäre es auch sehr zweifelhaft, ob eine derartige Rückwirkung der Regelung längst abgeschlossener Sachverhalte verfassungsrechtlich zulässig wäre. Im Ergebnis ist daher
unter der schädigenden Handlung nur das Verhalten des Sachverständigen, nicht aber der Schadenseintritt bei dem Geschädigten zu verstehen.
§ 839a BGB ist daher im vorliegenden Fall aus zeitlichen
Gründen nicht anzuwenden, es bedarf daher keiner abschließenden Entscheidung, ob die Vorschrift auf Fälle wie den vorliegenden überhaupt einschlägig ist. Sie ist für Fälle geschaffen
worden, in denen einem Beteiligten durch eine rechtskräftige
Entscheidung, die ihrerseits auf einem fehlerhaften Gutachten
beruht, ein materieller Schaden entsteht, den er wegen der
Rechtskraft der Entscheidung nicht anders beseitigen kann. Der
vorliegende Fall ist anders gelagert, da hier zwischen der Entscheidung (Zuschlag an die Kl.) und dem Gutachten der Sachverständigen noch eine weitere Zwischenstufe lag, nämlich die
freie Entscheidung der Kl., für das fragliche Grundstück zu bieten. Sie war daher nicht in der Situation einer Prozesspartei, die
sich ohne materielle Verluste – wenn überhaupt – dem gerichtlichen Verfahren nicht entziehen kann und daher keine Möglichkeit hat, ein durch ein fehlerhaftes Gutachten entstandenen
Schaden von sich abzuwenden.
Da § 839a BGGB nicht anwendbar ist, ist der Fall nach dem
vor In-Kraft-Treten dieser Vorschrift geltenden Recht zu beurteilen. Die Bekl. ist nicht vereidigt worden, sodass eine Haftung nur
nach § 826 BGB wegen sittenwidriger Schädigung in Frage
käme. Hierfür hat die Kl. jedoch nichts vorgetragen.«
1.2.2. LG Heilbronn (Urteil vom 24. Juni 2005, Az.: 1 O
92/05) – Kein Anspruch nach § 839a BGB bei Eintritt
des schädigenden Ereignisses vor dem 31. Juli 2002!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Gegen den im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens vom Gericht bestellten Wertgutachter bestehen
Ansprüche weder auf vertraglicher Basis noch auf Grundlage der §§ 839, 823 BGB.
2. Eine »Vereidigung« i.S. der Falschaussage-Delikte (§§
153 ff. StGB) liegt erst dann vor, wenn dies durch Gerichtsbeschluss angeordnet wird; die Berufung auf den allgemein geleisteten Eid reicht hierfür nicht aus.
Aus den Gründen:
»Schadensersatzansprüche des Kl. aus dem Gesichtspunkt der
Amtshaftung scheiden ebenfalls aus. Gerichtliche Sachverständige werden, auch wenn sie öffentlich bestellt sind, durch die
gerichtliche Beauftragung nicht Beamte im haftungsrechtlichen
Sinne und haften daher, wenn sie schuldhaft ein unrichtiges
Gutachten erstatten nicht gem. § 839 BGB (BGH a.a.O.).
Die für die Haftung gerichtlicher Sachverständiger mit dem
Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften eingeführte eigenständige Anspruchsgrundlage des
§ 839a BGB, ist im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da das
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
schädigende Ereignis vor dem 31.07.2002 eingetreten ist (Artikel 229 § 8 EGBGB Artikel 229 § 8 Absatz I EGBGB). Der Kl. hat
das Grundstück bereits am 21.05.2002 ersteigert.«
1.2.3. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U
26/09): Anwendbarkeit des § 839a BGB in einem über
zwei Instanzen geführten Zivilrechtsstreit!
Leitsatz der Entscheidung:
Für die Anwendbarkeit des § 839a BGB ist bei einem über
zwei Instanzen geführten Rechtsstreit auf die zeitlich zuletzt ergangene, verfahrensabschließende gerichtliche
Entscheidung abzustellen.
Aus den Gründen:
»Anwendung findet § 839a BGB gem. Art. 229 § 8 Abs. 1
EGBGB, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31. Juli 2002
eingetreten ist. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ist als
schädigendes Ereignis die gerichtliche Entscheidung anzusehen,
jedenfalls nicht das Sachverständigengutachten (BGH NJW
2003, 2825, 2826 und NJW 2004, 3488, 3489, wo auf den
Zeitpunkt der Ersteigerung abgestellt wird; in NJW 2006, 1733,
1734 spricht der BGH von der »schadensstiftenden« gerichtlichen Entscheidung). Hiervon offenbar abweichend wird als
schädigendes Ereignis die Vornahme der zum Schadensersatz
verpflichtenden Handlung angesehen (Palandt-Heinrichs, BGB,
68. Aufl., Art. 229 § 8 EGBGB Rdnr. 2 m.w.N.).
bb) Der Senat ist mit dem Bundesgerichtshof der Ansicht,
dass Anknüpfungspunkt für die Entscheidung über die Anwendbarkeit des § 839a BGB die gerichtliche Entscheidung ist.
Diese ist letztlich das – vermeintlich – schädigende Ereignis, weil
nur dann die Kausalität für die eine Vollstreckung ermöglichende Entscheidung gegeben ist, wodurch dem Verletzten
Nachteile entstehen können (und nicht aus dem Gutachten!).
Stützt sich die gerichtliche Entscheidung hingegen nicht auf das
Gutachten, gibt es schon mangels Kausalität keine Anspruchsgrundlage und es bedarf keiner auf das schädigende Ereignis
bezugnehmenden Überleitungsvorschrift. Die o.a. gegenteilige
Ansicht, die sich zur Begründung auf andere Änderungen im
Schadensersatzrecht stützt, vermag jedenfalls für die Anwendung des § 839a BGB keine Argumente beizubringen, weshalb
es anders sein sollte.
Bei einem über zwei Instanzen geführten Rechtsstreit kommt
als schadensstiftendes Ereignis nur die zeitlich zuletzt ergangene, verfahrensabschließende gerichtliche Entscheidung in
Betracht. Erst ab diesem Zeitpunkt steht fest, ob eine sich auf
das vermeintlich unrichtige Gutachten stützende Entscheidung
ergangen, ein schädigendes Ereignis also eingetreten ist. Abgesehen davon korrespondiert diese Anknüpfung mit dem dem
Verletzten gem. § 839a Abs. 2 BGB drohenden Haftungsausschluss, wenn er nicht gem. § 839 BGB analog von einem
Rechtsmittel Gebrauch macht.«
1.2.4. OLG Hamm (Urteil vom 17. Oktober 2011, Az.:
17 U 39/11) – Kein Anwendbarkeit des § 839a BGB bei
schädigendem Ereignis vor dem 1. August 2002!
Leitsatz der Entscheidung:
§ 839a BGB ist nicht anwendbar, wenn das schädigende
Ereignis vor dem 1. August 2002 eingetreten ist.
Aus den Gründen:
»1. Den Klägern steht nach den zutreffenden Ausführungen des
Landgerichts kein Anspruch auf Zahlung von 120.000,00 € aus
§ 839a BGB zu. Wie die Kläger mit der Berufung nicht mehr in
Abrede stellen, findet die Vorschrift keine Anwendung, weil sie
zu dem maßgeblichen Zeitpunkt der Gutachteneinreichung bei
Gericht noch nicht existierte. Gem. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB
ist die Vorschrift nur dann anzuwenden, wenn das schädigende
Ereignis nach dem 31. Juli 2002 eingetreten ist. Das ist hier nicht
der Fall.
Eine analoge Anwendung der Norm ist mangels planwidriger
Regelungslücke nicht möglich.«
1.2.5. OLG Koblenz (Beschluss vom 6. August 2012,
Az.: 5 W 420/12) – Vor dem 2. Schuldrechtsmodernisier­
ungsgesetz nur Haftung des Gerichtssachverständigen
nach § 826 BGB
Leitsatz der Entscheidung:
Für eine Falschbegutachtung vor Inkrafttreten des
Schuldrechtmodernisierungsgesetzes haftet ein gerichtlicher Sachverständiger nur unter den Voraussetzungen
des § 826 BGB.
Aus den Gründen:
»Es steht außer Streit, dass die von der Antragstellerin erhobenen Vorwürfe an ein Verhalten des Antragsgegners anknüpfen,
das vor dem – am 01.08.2002 (vgl. Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB)
beginnenden – Geltungszeitraum des § 839a BGB liegt. Damit
können die geltend gemachten Ansprüche allein auf der Grundlage des § 826 BGB durchgesetzt werden. Dessen Voraussetzungen hat die angefochtene Entscheidung zutreffend verneint.«
1.3. Verhältnis zu anderen Anspruchsgrundlagen
1.3.1. OLG Koblenz (Beschluss vom 6. Juni 2005,
Az.: 5 U 687/05): Keine persönliche Haftung des von
einer Berufsgenossenschaft mit einer Untersuchung
beauftragten Arztes nach § 839a BGB!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Ein Arzt, der von der Berufsgenossenschaft zur Klärung
eines sozialrechtlichen Anspruchs mit der Begutachtung
eines Mitglieds beauftragt wurde, haftet dem Patienten
weder deliktisch noch vertraglich auf Schadensersatz,
weil es sich bei derartigen Untersuchungen um eine hoheitliche Tätigkeit handelt.
2. Insofern ist im Verhältnis der Parteien untereinander
weder für § 839 BGB noch für die Vorschrift des § 839a
BGB Raum.
3.Eine analoge Anwendung von § 839a BGB scheidet
mangels einer Regelungslücke aus.
Aus den Gründen:
»Das führt, was mögliche deliktische Ansprüche des Klägers betrifft, zur Anwendung von § 839 BGB, Art. 34 GG und damit zu
einer persönlichen Haftungsbefreiung zu Lasten der Bau-Berufsgenossenschaft (BGHZ 49, 108, 113; BGH BauR 2003, 860,
861; Sprau in Palandt, BGB, 64. Aufl., § 839 Rn. 135; vgl. auch
BGHZ 121, 161, 167). Insofern ist im Verhältnis der Parteien untereinander weder für § 823 BGB noch für die Vorschrift des §
839a BGB Raum (BGH BauR 2003, 860, 862), deren analoge
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Heranziehung des Landgericht erwogen hat.
Daneben scheidet aber auch eine Einstandspflicht der Beklagten auf vertraglicher Grundlage aus. Im Hinblick darauf
kann dahinstehen, ob deren Beauftragung durch die Bau-Berufsgenossenschaft – wie die Berufung in Auseinandersetzung
mit der gegenläufigen Ansicht des Landgerichts meint – Schutzwirkungen zu Gunsten des Klägers entfaltete und ob derartige
Schutzwirkungen auch insoweit gegeben sein können, als die
Verletzung am Zeigefinger des Klägers berührt war, auf die es
für die Bau-Berufsgenossenschaft gar nicht ankam. Die Überleitungsnorm des Art. 34 GG bewirkt nämlich, dass jedwede – und
nicht etwa nur eine deliktische – Eigenhaftung des im behördlichen Auftrag handelnden Sachwalters entfällt (Sprau a.a.O.
§ 839 Rn. 16).«
1.3.2. OLG Koblenz (Beschluss vom 14. Juli 2006, Az.:
10 U 1685/05): Voraussetzungen der zivilrechtlichen
Haftung des Sachverständigen
Leitsatz der Entscheidung:
Zur Sachverständigenhaftung nach § 839a oder – daneben – § 826 BGB.
Aus den Gründen:
»Ein Anspruch der Kläger ergibt sich jedoch auch nicht nach
dem – im Falle der Unanwendbarkeit des § 839a BGB dann einzig als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden – § 826
BGB. Danach setzt eine Haftung eines Sachverständigen voraus,
dass nachgewiesen werden kann, dass dieser sein Gutachten
vorsätzlich falsch erstellt und damit einer Partei vorsätzlich sittenwidrig einen Schaden zugefügt hat. Dabei ist erforderlich,
dass der Sachverständige bei der Erstellung des Gutachtens
leichtfertig und gewissenlos und mindestens mit bedingtem
Vorsatz gehandelt hat. Die Erstattung eines fehlerhaften Gutachtens reicht dafür nicht aus. Hinzutreten muss vielmehr, dass
sich der Sachverständige etwa durch nachlässige Ermittlungen
zu den Grundlagen seines Auftrags oder gar durch »ins Blaue«
gemachte Angaben der Gutachtenaufgabe leichtfertig entledigt
und damit eine Rücksichtslosigkeit gegenüber dem Adressaten
des Gutachtens und den in seinem Informationsbereich stehenden Dritten an den Tag gelegt hat, die angesichts der Bedeutung, die das Gutachten für deren Entschließungen hatte, und
der von ihm in Anspruch genommenen Kompetenz als gewissenlos bezeichnet werden muss (BGH NJW 2003, 2825 m.w.N.).
Nach dem festgestellten Sachverhalt sind solche besonderen
Umstände, die die Erledigung des Gutachtenauftrags durch die
Beklagte als sittenwidrig erscheinen lassen könnten, nicht gegeben. Die Beklagte hat in ihrem Gutachten ausdrücklich darauf
hingewiesen, was Grundlage ihrer Wohnflächenberechnung
war und damit die nicht durch eigene Ermittlungen gesicherte
Wohnflächenangabe hinreichend kenntlich gemacht. Die fehlerhafte Angabe eines tatsächlich nicht vorhandenen Kanalanschlusses kann aufgrund der bereits dargestellten Umstände
nicht als leichtfertig, gewissenlos oder rücksichtslos im vorgenannten Sinne angesehen werden.
Eine Haftung der Beklagten aus § 823 Abs. 1 BGB scheitert
schon daran, dass sie mit einem unrichtigen Verkehrswertgutachten keines der in dieser Norm genannten Rechtsgüter, sondern lediglich das Vermögen verletzt haben kann.
Da kein Zahlungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte begründet ist, steht ihnen auch kein Anspruch auf Ersatz eines wegen Zahlungsverzugs entstandenen Schadens zu.«
1.3.3. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4 U
26/09): Gerichtsgutachter haftet nur noch nach § 839a
BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Nach Inkrafttreten des § 839a BGB kommt nach dem Willen des Gesetzgebers eine Haftung des Sachverständigen
aus anderen Gründen, etwa gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m.
den §§ 154, 163 StGB, nicht mehr in Betracht (vgl. BT-Drs.
14/7752, S. 28).
1.3.4. OLG Stuttgart (Urteil vom 20. Dezember 2011,
Az.: 6 U 107/11): Kein Anspruch eines Dritten gegen
Schiedsgutachter wegen eines falschen Gutachtens!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Im Rahmen der Grundsätze des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter fehlt es an der Schutzbedürftigkeit des Dritten, wenn diesem eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – mit einem zumindest gleichwertigen Inhalt zustehen.
2. Derartige inhaltsgleiche Ansprüche sind auch solche
auf Anpassung der von einem Sachverständigen als
Schiedsgutachter im Sinne der §§ 317, 319 BGB bestimmten Leistung.
3. Neben diesem – vom Dritten gegen den eigenen Vertragspartner zu richtenden – Anpassungsverlangen ist für
eine Haftung des Sachverständigen nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter
kein Raum.
4. Der Sachverständige haftet dem Dritten für ein von ihm
erstattetes (unterstellt) unrichtiges Gutachten daneben
auch nicht aufgrund von § 311 Abs. 3 BGB.
5. Die Grundsätze einer Störung der Geschäftsgrundlage
im Hinblick auf einen gemeinsamen offenen Kalkulationsirrtum (BGB § 313 Abs. 2) führen zu keinem anderen Ergebnis.
Aus den Gründen:
»bb) Nach dem weiteren eigenen Sachvortrag der Klägerin fehlt
es indes an der für eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter erforderlichen Schutzbedürftigkeit der Klägerin.
Eine Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich eines
Vertrages ist nach der Rechtsprechung des BGH abzulehnen,
wenn ein Schutzbedürfnis des Dritten nicht besteht. Ein Drittschutz ist danach im Allgemeinen ausgeschlossen, wenn dem
Dritten eigene vertragliche Ansprüche – gleich gegen wen – zustehen, die denselben oder zumindest einen gleichwertigen Inhalt haben wie diejenigen Ansprüche, die ihm über eine Einbeziehung in den Schutzbereich eines Vertrages zukämen (BGH v.
15.02.1978 - VIII ZR 47/77 = BGHZ 70, 327; BGH v. 02.07.1996
- X ZR 104/94 = BGHZ 133, 168 = NJW 1996, 2927; BGH v.
08.06.2004 - X ZR 283/02 = NJW 2004, 3420; BGH v. 22.07.2004
- IX ZR 132/03 = NJW 2004, 3630).
Unter Zugrundelegung dessen ist vorliegend festzustellen,
dass die Klägerin eigene gleichwertige vertragliche Ansprüche
gegenüber der B. Leasing GmbH hat, welche auf die Anpassung
der jeweiligen Kaufverträge in Bezug auf die Höhe der einzelnen
Kaufpreise gerichtet sind.«
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2. Anspruchsvoraussetzungen des § 839a BGB
2.1. Unrichtigkeit des Gutachtens
2.1.1. OLG Rostock (Beschluss vom 21. März 2006, Az.:
8 U 113/05): Sachverständigenhaftung nur bei grob
falschem oder offenkundig unrichtigem Gutachten!
Leitsatz der Entscheidung:
Eine Haftung des gerichtlich bestellten Sachverständigen
gem. § 839a BGB kommt nur in Betracht, wenn sein Gutachten grob falsch oder offenkundig unrichtig ist.
Aus den Gründen:
»1. Zunächst einmal ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger –
auch in der Berufungsbegründung und den folgenden Schriftsätzen – nichts zum Verschulden des Beklagten vorgetragen
hat. Gem. § 839a BGB haftet der Sachverständige nur für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit und dieser schwerwiegende Vorwurf – Vorsatz dürfte von vornherein ausscheiden – versteht
sich nicht von selbst. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der
Beklagte die bei der Erstellung seines Gutachtens erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet hat, was im vorliegenden Fall jedem einleuchten musste.
Bei grober Fahrlässigkeit müssen zudem subjektive Momente
hinzukommen, die eine gesteigerte Vorwerfbarkeit begründen
(Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Aufl. § 277 Rdnr. 5). Alleine daraus,
dass der Beklagte zwei Sachverständigengutachten erstellt hat,
wobei das zweite in einigen wenigen Fragen von den Feststellungen eines Privatgutachters abweicht, während der Kläger
den ihm günstigen Teil der Gutachten akzeptiert, ergibt sich der
Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens des Beklagten nicht ohne
Weiteres. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen
Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen Praxis
nicht ungewöhnlich und geben keinen Grund zu der Annahme,
der Sachverständige habe grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet. Hinzu kommt, worauf bereits der Beklagte zutreffend hingewiesen hat, dass das Landgericht und das Oberlandesgericht in der Ursprungssache keinen Grund gesehen haben, die Gutachten des Beklagten in Zweifel zu ziehen, sodass
der Kläger näher hätte erläutern müssen, warum auch die Gerichte nicht nur übersehen haben sollen, dass sie ihrer Entscheidung in Teilen unrichtige Gutachten zu Grunde legen, sondern
dass dies auch jedem, also auch den entscheidenden Richtern,
aufgrund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten müssen.
2. Abgesehen davon aber hat das Landgericht zu Recht festgestellt, dass die Begutachtung des Beklagten nicht »grob
falsch« bzw. »falsch« gewesen ist. Zwar hat das Landgericht in
dem angefochtenen Urteil eine unzutreffende Terminologie verwendet, weil § 839a BGB ein »unrichtiges« Gutachten voraussetzt, es ist indes nicht zu besorgen, dass es damit die Anforderungen an die Fehlerhaftigkeit zu Lasten des Klägers zu hoch
angesetzt hat. Die Unrichtigkeit des Gutachtens kann sich –
ähnlich wie bei § 412 ZPO – zum einen daraus ergeben, dass der
Sachverständige von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht oder dass er aus den Befundtatsachen unvertretbar falsche
Schlüsse zieht (Palandt/Sprau BGB, 65. Aufl. § 839a, Rdnr. 3).
Beide Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht verneint.
2.1 Der Kläger rügt zum einen, dass sich der Beklagte nicht
mit der Frage auseinandergesetzt habe, welche Statik für sein
Bauvorhaben maßgeblich gewesen ist und er lediglich auf eine
später aus Gefälligkeit gefertigte ungeprüfte Statik vom
16.11.1998 abgestellt habe. Dieser Vorwurf trifft nicht zu, vielmehr hat der Beklagte in dem vom Kläger kritisierten zweiten
Gutachten vom 19.12.2002 unstreitig darauf hingewiesen, dass
die Parteien darüber im Streit liegen, welche Statik letztendlich
gelten sollte. Diesen Streit oder darüber zu entscheiden, welche
Bedeutung die nachträgliche ergänzende Statik hatte, war nicht
Aufgabe des Beklagten, sondern oblag der Bewertung durch
das Gericht.
2.2 Der Beklagte hat darüber hinaus den Sachverhalt auch
insoweit aufgeklärt, als er unstreitig ausgeführt hat, dass die Beklagte des Ursprungsverfahrens eine Stahlarmierung nicht eingebaut hatte (S. 14 des Gutachtens vom 19.12.2002).
2.3 Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes meint der Kläger, allein das Fehlen der Stahlarmierung entgegen der von ihm, dem Kläger, für maßgeblich gehaltenen Statik hätte der Beklagte als Sachverständiger als Baumangel kennzeichnen müssen. Mit dieser Rüge verkennt der
Kläger die Aufgabe des Beklagten im Ursprungsverfahren, der
als Sachverständiger nur zur Klärung von Tatsachen, nicht aber
zur Klärung von Rechtsfragen aufgerufen ist (Zöller/Greger,
ZPO, 25. Aufl. § 402, Rdnr. 1), sodass auch hierauf die Berufung
nicht erfolgreich gestützt werden kann.
2.4 Auch die Ausführungen des Beklagten unter 5.4.3 des
Gutachtens vom 19.12.2002 sind nicht unrichtig i.S.v. § 839a
BGB gewesen. Die – festgestellte – fehlende statische Bewehrung und die daraus zu ziehende Folgerung für die Standfestigkeit des Gebäudes hat der Beklagte vielmehr in Übereinstimmung mit den schriftlichen und mündlichen Ausführungen des
Sachverständigen ... entschieden. Dieser Sachverständige, ein
Architekt, hat ausführlich und nachvollziehbar dargestellt, warum es bei dem Bauvorhaben des Klägers einer statischen Bewehrung nicht bedurfte, mithin das Gutachten des Beklagten
richtig war. Die Ausführungen des Privatsachverständigen ...,
auf dessen Gutachten sich der Kläger stützt, und der ohne nähere Begründung festgestellt hat, die Abweichung der Bauausführung von der Gebäudestatik stelle einen erheblichen Mangel
dar, da das Fundament so nicht die erforderlichen Lasten aufnehmen könne, hat der Sachverständige ... hingegen nicht bestätigt.
2.5 Es macht das Gutachten des Beklagten auch nicht »offenkundig unrichtig, weil unvollständig«, dass der Beklagte auf die
jetzt im Verfahren vom Kläger aufgrund der Ausführungen des
Sachverständigen ... problematisierte Unterscheidung zwischen
der konstruktiven und der statischen Bewehrung nicht eingegangen ist. Zwar war ausweislich des Beweisbeschlusses vom
27.06.2002 in der Ursprungssache dem Beklagten auferlegt
worden, unter Berücksichtigung des Sachverständigengutachtens ... festzustellen, ob das Fundament gemäß Planung hergestellt worden ist und der Privatsachverständige hatte u.a. festgestellt, dass weder eine Korbbewehrung noch eine Einzelstabbewehrung – also die vermisste konstruktive Bewehrung – vorhanden war. Deswegen ist das Gutachten des Beklagten aber nicht
unrichtig gewesen, denn es hat zu der Frage der konstruktiven
Bewehrung gar nicht Stellung bezogen. Die jetzt diskutierte Unterscheidung hat im Ausgangsverfahren weder für den sachverständig beratenen Kläger noch für das Gericht eine Rolle gespielt
und auch der Beklagte hat hierzu keine Feststellungen getroffen.
Er hat lediglich – richtig – festgestellt, dass eine Stahlarmierung
nicht vorhanden ist. Zur fehlenden konstruktiven Bewehrung
brauchte der Beklagte ohne besondere Aufforderung nicht Stellung zu beziehen, zumal das an dem Ergebnis nicht einmal etwas
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geändert hätte. Zutreffend ist das Landgericht nämlich mit dem
Sachverständigen ... davon ausgegangen ist, dass auch eine konstruktive Bewehrung als zusätzliche Sicherung nicht erforderlich
gewesen ist.
2.6 Schließlich macht es auch das Gutachten des Beklagten
nicht unrichtig, dass der Sachverständige ... in der mündlichen
Verhandlung vom 03.05.2005 die Auffassung vertreten hat, der
Beklagte hätte sich zur Frage der konstruktiven Bewehrung äußern müssen, wenn ihm die Statik des Statikers ... vom
23.10.1998 bei der Abfassung des Gutachtens vorgelegen hätte. Auch hierbei handelt es sich um die Beantwortung einer allein vom Gericht zu beurteilenden Rechtsfrage, wohingegen die
Auffassung des Sachverständigen lediglich eine eigene Meinungsäußerung des Sachverständigen zu einer Rechtsfrage (ist
das Gutachten unrichtig i.S.v. § 839a BGB ?) darstellt. Der Sachverständige hatte ausschließlich zu den in sein Wissen gestellten
fachlichen Fragen des Beweisbeschlusses vom 19.05.2004 Stellung zu nehmen, nämlich ob die Aussagen des Beklagten im
Ursprungsverfahren, das Streifenfundament bedürfe keiner Bewehrung, die ungleichmäßige Lagerfuge ermögliche nicht das
Eindringen von Feuchtigkeit und die Bodenplatte sei praktisch
wasserdicht, nach dem Stand der Wissenschaft und Technik vertretbar oder auch nicht vertretbar waren. Die Frage, wie sich der
Beklagte unter bestimmten Voraussetzungen hätte äußern müssen, fiel nicht in das Beweisthema des Sachverständigen ... .
Soweit man diesem Berufungsvorbringen des Klägers inzidenter entnehmen wollte, er habe auch rügen wollen, dass
der Beklagte den Sachverhalt unvollständig dargestellt hat, indem er auf die fehlende konstruktive Bewehrung nicht hingewiesen hat, die sich für einen Fachmann aus der Statik vom
23.10.1998 ergab, musste das Landgericht auch insoweit nicht
von einem unrichtigen Gutachten ausgehen. Wie oben unter
2.5 bereits dargestellt war der Beklagte nach der Problematik
einer fehlenden konstruktiven Bewehrung in dem Beweisbeschluss nicht gefragt worden und in Anbetracht dessen, dass
auch der Sachverständige ... das Fehlen einer solchen Bewehrung für nicht mangelhaft gehalten hat, musste der Beklagte nicht von sich aus auf diese Frage eingehen.«
2.1.2. KG Berlin (Urteil vom 3. Dezember 2007, Az.: 24
U 71/07): Gutachterhaftung wegen Richtigkeit bzw.
Unrichtigkeit eines Wertgutachtens im Zusammenhang
mit einem Zwangsversteigerungsverfahren!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Wohnungseigentum und Teileigentum unterscheiden
sich nur durch die vom teilenden Eigentümer in der Teilungserklärung bzw. der dieser angeschlossenen Gemeinschaftsordnung oder von den Miteigentümern durch Vereinbarung getroffene Zweckbestimmung und durch die
bauliche Ausgestaltung der betroffenen Räume.
2. Um verschiedene – möglichst weitgehende – Nutzungsmöglichkeiten zuzulassen, ohne dass es der im Falle nachträglicher Umwandlung von Wohnungs- in Teileigentum
und umgekehrt erforderlichen Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, ist es möglich, eine Bestimmung der Nutzungsart in der Teilungserklärung bzw. der
Gemeinschaftsordnung zu unterlassen. Es besteht ebenfalls die Möglichkeit, eine Sondereigentumseinheit (ausdrücklich) zur gemischten oder alternativen Nutzung,
nämlich zur Nutzung zu Wohnzwecken und/oder nicht zu
Wohnzwecken, zu bestimmen.
3. Die Auslegung der Zweckbestimmung einer Sondereigentumseinheit als »Gewerbewohnung« kann ergeben,
dass sowohl eine gewerbliche Nutzung als auch eine Nutzung als Wohnung zulässig ist.
Aus den Gründen:
»A. Zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin
gegenüber dem Beklagten auf Schadensersatz nach § 839a
Abs. 1 BGB als allein in Betracht kommender Anspruchsgrundlage verneint. Nach dieser Norm ist ein vom Gericht ernannter
Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
Vorliegend hat der Beklagte, welcher im Auftrag des Amtsgerichts Potsdam im Zwangsversteigerungsverfahren nach einem
früheren Wertgutachten die weiteren Wertgutachten Nr. 11722003 vom 27.01.2004 (Anlage K 3) und Nr. 0373-2004 vom
15.04.2004 (Anlage K 4) betreffend Räumlichkeiten in der Gemarkung K., welche mit Beschluss des Amtsgerichts Potsdam
vom 04.07.2005 – 2 K 452/03 – im Zwangsversteigerungstermin vom selben Tag der Klägerin aufgrund eines Höchstgebots
von 92.500,- € zugeschlagen worden sind (Anlage K 2), jedenfalls nicht grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten – auf dem
der Zuschlagbeschluss beruht – erstattet.
Unrichtig ist ein Gutachten insbesondere dann wenn es –
etwa aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Befunderhebung – von einem unzutreffendem Sachverhalt ausgeht, soweit
dieser nicht durch das Gericht vorgegeben ist (Sprau in Palandt,
BGB, 66. Aufl., 2007, § 839a Rdnr. 3).
Unter grober Fahrlässigkeit ist nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung zu verstehen, welche dann vorliegt, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn also ganz naheliegende Überlegungen nicht
angestellt oder beiseite geschoben wurden und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um
eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung,
die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1
BGB erheblich übersteigt (BGH NJW 1992, 3236, Rdnr. 12 nach
juris) wobei auch subjektive, in der Person des Handelnden begründete Umstände zu berücksichtigen sind (BGH NJW 2005,
981, Rdnr. 16 nach juris).
B. Hiernach fällt dem Beklagten jedenfalls keine grob fahrlässige Erstattung eines unrichtigen Gutachtens zur Last.
1. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass der Beklagte bei Erstattung seiner zur Akte gereichten Gutachten –
und insbesondere bei Erstattung des zu einem Verkehrswert der
sodann der Klägerin zugeschlagenen Räumlichkeiten von
145.000,- € kommenden Gutachtens Nr. 0373-2004 vom
15.04.2004, welches gegenüber dem Gutachten Nr. 1172-2003
vom 27.01.2004 berichtigte Größenangaben enthielt und der
Zwangsversteigerung zugrunde lag (vgl. den Zuschlagbeschluss
vom 04.07.2005 sowie das Protokoll des Zwangsversteigerungstermins vom 04.07.2005 – Anlage K 2 –) – von einer Nutzung der Räumlichkeiten als Wohnung ausgehen durfte.
Die von der Klägerin erworbenen Räumlichkeiten gehören einer Eigentumsanlage an, hinsichtlich derer mit Teilungserklärung vom 12.11.1996 zur UR-Nr. ... der Notarin ... (Anlage K 5)
Wohnungs- und Teileigentum begründet worden ist, wobei es
sich bei diesen Räumlichkeiten der Klägerin um die mit Nr. 4
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
(bzw. Nr. IV gemäß der Nachtragsverhandlung vom 20.05.1997
zur UR-Nr. ... der Notarin ... – Anlage K 6 –) bezeichnete Sondereigentumseinheit handelt. Diese Einheit Nr. 4. war vom Amtsgericht Potsdam im ursprünglichen Gutachtenauftrag als »Wohnungseigentum« bezeichnet worden. In der Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 17.10.1996 des Landkreises P. ist sie als
»nicht zu Wohnzwecken dienende(n) Räume – Gewerberäume(n)« benannt; im Aufteilungsplan sind drei der – mit Flur –
sieben Räumlichkeiten der Einheit Nr. 4 mit dem handschriftlichen Vermerk »Gewerbe« versehen (beides der Teilungserklärung vom 12.11.1996 zur UR-Nr. ... der Notarin ... – Anlage K 5
– beigeschlossen). In der Teilungserklärung und in der Nachtragsverhandlung wird – jeweils in § 2 – die Einheit Nr. 4 (bzw.
IV) als »Gewerbewohnung« bestimmt, während andere Einheiten als »Wohnung und Kellerraum« oder »Laden und Nebenraum« bestimmt werden.
Hiernach handelt es sich bei der Einheit Nr. 4 – auch – um
eine Wohnung. Wohnungseigentum nach § 1 Abs. 2 WEG und
Teileigentum nach § 1 Abs. 3 WEG unterscheiden sich nur dadurch, dass sie unterschiedliche Gegenstände haben; ihre
Rechtsqualität ist dieselbe (Pick in Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9.
Aufl., 2003, § 1 Rdnr. 15). Während Wohnungseigentum aus
einem Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum in
Verbindung mit Sondereigentum an einer Wohnung besteht, ist
Teileigentum ein Miteigentumsanteil am gemeinschaftlichen Eigentum in Verbindung mit Sondereigentum an nicht zu
Wohnzwecken dienenden Räumen. Wohnungseigentum und
Teileigentum unterscheiden sich daher nur durch die vom teilenden Eigentümer in der Teilungserklärung (§ 8 WEG) bzw. der
dieser angeschlossenen Gemeinschaftsordnung oder von den
Miteigentümern durch Vereinbarung (§ 3 WEG) getroffene
Zweckbestimmung und die bauliche Ausgestaltung der betroffenen Räume (Pick, a.a.O., Rdnr. 26; Briesemeister in Weitnauer,
WEG, 9. Aufl., 2005, § 1 Rdnr. 39; Förth in Riecke/Schmid,
WEG, 2005, § 1 Rdnr. 16). Auch die Verbindung von Wohnungseigentum und Teileigentum zu einem gemischten Wohnungseigentum und Teileigentum in der Hand eines Berechtigten ist möglich (Pick, a.a.O., Rdnr. 24; LG Koblenz NZM 1998,
676 m.w.N.; BayObLG NJW 1960, 2100; Vandenhouten in Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., 2007, § 1 Rdnr.
19 hinsichtlich einer Verbindung einer Praxis mit einer Wohnung
oder einer Werkstatt bzw. eines Ladens mit einer Wohnung; so
wohl auch Briesemeister, a.a.O.). Da eine Umwandlung von
Wohnungs- in Teileigentum und umgekehrt eine Änderung des
durch die Gemeinschaftsordnung festgelegten Gebrauchs und
folglich eine Inhaltsänderung im Sinne von § 5 Abs. 4 WEG darstellt und damit jeweils der Zustimmung aller Eigentümer bedarf, es den Miteigentümern bzw. dem teilenden Eigentümer
aber zuzubilligen ist, dem jeweiligen Sondereigentümer eine
möglichst große Flexibilität hinsichtlich der Nutzung seines Sondereigentums zu verschaffen, kann eine Bestimmung der Nutzungsart in der Teilungserklärung bzw. der Gemeinschaftsordnung auch gänzlich unterbleiben (LG Koblenz, a.a.O.). Um verschiedene – möglichst weitgehende – Nutzungsmöglichkeiten
zuzulassen, ohne dass es der Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedarf, muss es daher auch möglich sein, eine Sondereigentumseinheit (ausdrücklich) zur gemischten oder alternativen Nutzung, nämlich zur Nutzung zu Wohnzwecken und/
oder nicht zu Wohnzwecken, zu bestimmen. Aus dem von der
Klägerin in Bezug genommenen Beschluss des Bayerischen
Obersten Landesgerichts (NJW-RR 1993, 149), dem ein Sachverhalt zugrunde lag, in welchem eine Sondereigentumseinheit in
der Teilungserklärung ausdrücklich als Wohnung bezeichnet
worden war, die Wohnungseigentümer indes einen Eigentümerbeschluss des Inhalts getroffen hatten, dass sie mit einer Nutzung der Wohnung als Blumenladen einverstanden sind, ergibt
sich nichts Gegenteiliges. Das in diesem Zusammenhang weiter
erfolgte Zitat (»BayObLG in RPfleger 1982/15«) ist unergiebig.
Unter der angegebenen Stelle finden sich lediglich mehrere Leitsätze des Bayerischen Obersten Landesgerichts, welche keinen
Bezug zur vorliegenden Fallgestaltung erkennen lassen.
Im Falle einer gemischten Nutzung muss das Grundbuchamt
– entsprechend der überwiegenden Nutzung – grundsätzlich
entscheiden, ob es ein Wohnungseigentums-Grundbuch anlegt
oder ein Teileigentums-Grundbuch (Pick, a.a.O., Rdnr. 29).
Ob eine Zweckbestimmung – und wenn ja welche – hinsichtlich einer bestimmten Sondereigentumseinheit getroffen worden ist, ist durch Auslegung der Grundbucheintragung zu ermitteln. Dabei ist vorrangig auf den Wortlaut und den Sinn der
Eintragung sowie der darin in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie sie sich für einen unbefangenen
Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergeben. Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen zur Ermittlung von Inhalt und Umfang eines Grundstücksrechts nur insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen
Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne Weiteres erkennbar sind (vgl. hierzu Senat, Wohnungseigentümer 2007,
71, Rdnr. 6 m.w.N.). Vorliegend ist die Einheit Nr. 4 in der Teilungserklärung und in der Nachtragsverhandlung als »Gewerbewohnung« bestimmt. In Anbetracht des Umstandes, dass andere Sondereigentumseinheiten in der Teilungserklärung ausdrücklich als »Wohnung und Kellerraum« oder »Laden und Nebenraum« bestimmt worden sind, entspricht es der
nächstliegenden Bedeutung des im Grundbuch Eingetragenen
nicht, dass es sich dabei nur um ein zufällig gewähltes Wort
ohne Inhalt und ohne rechtliche Bedeutung handelt (vgl. OLG
Hamm NJW-RR 93, 186, Rdnr. 21 nach juris für den Fall der Bezeichnung einer Sondereigentumseinheit in einer Teilungserklärung als »Einfamilienhaus«). Es ist vielmehr eine Zweckbestimmung dahingehend anzunehmen, dass für die »Gewerbewohnung« sowohl eine gewerbliche Nutzung als auch eine Nutzung
als Wohnung zulässig ist. Eine Nutzung auch als Wohnung steht
auch in Übereinstimmung mit der baulichen Ausgestaltung der
Einheit Nr. 4, welche über Küche und Bad verfügt. Dem steht
nicht entscheidend entgegen, dass im Aufteilungsplan drei der
– mit Flur – sieben Räumlichkeiten mit dem handschriftlichen
Vermerk »Gewerbe« versehen sind. Zum einen sind andere Räume dieser Einheit mit dem handschriftlichen Vermerk »Küche«
bzw. »Bad« versehen, was auf eine Wohnnutzung hindeutet;
zum anderen hat die notariell beurkundete ausdrückliche Erklärung der Miteigentümer in den jeweiligen § 2 der genannten
Urkunden Vorrang gegenüber einem bloßen handschriftlichen
Schlagwort im Aufteilungsplan. Nicht von durchschlagender Bedeutung ist auch die Angabe in der Abgeschlossenheitsbescheinigung vom 17.10.1996 des Landkreises P., bei der Einheit Nr. 4
handele es sich um nicht zu Wohnzwecken dienende Räume –
Gewerberäume. Die nach § 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WEG der Eintragungsbewilligung beizufügende Abgeschlossenheitsbescheinigung hat die Funktion, dem Grundbuchgericht die Beachtung
des in § 3 Abs. 2 Satz 1 WEG normierten Abgeschlossenheitserfordernisses urkundlich zu belegen und dem Grundbuchgericht
die Prüfung bautechnischer und baurechtlicher Fragen zu ersparen; sie trifft indes keine Aussage über die baurechtlich zulässige
Nutzung (Schneider in Riecke/Schmid, a.a.O., § 7 Rdnr. 99
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
m.w.N.). Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch das
Grundbuchgericht von einer Nutzung der Einheit Nr. 4 sowohl
zu Wohnzwecken als auch zu sonstigen Zwecken ausgegangen
ist, da es – ohne sich für das eine oder das andere zu entscheiden – ein »Wohnungs- und Teileigentumsgrundbuch« für die
Einheit Nr. 4 angelegt hat (vgl. Anlage K 7).
Dass eine hiernach zulässige Wohnnutzung der Einheit Nr. 4
– welche von der Klägerin ja auch tatsächlich praktiziert wird –
aus anderen, insbesondere öffentlich-rechtlichen Gründen nicht
möglich wäre, ist nicht zu ersehen. So hat der Landkreis P. – Amt
für Recht und Bauaufsicht mit Schreiben vom 11.12.2003 (Anlage K 9 = Bl. 57 d. A.) die Gemeinde K. im Gegenteil darauf
hingewiesen, dass allein eine fehlende Bezahlung einer vertraglich vereinbarten Stellplatz-Ablösesumme den Erlass einer Nutzungsuntersagung nicht rechtfertigt. Die Nichterwähnung einer
zusätzlich möglichen – allenfalls werterhöhend wirkenden – gewerblichen Nutzung stellt keinen der Klägerin nachteiligen Fehler dar.«
2.1.3. OLG München (Beschluss vom 18. Juni 2008,
Az.: 1 U 2044/08): Keine Haftung nach § 839a BGB bei
medizinisch wissenschaftlich vertretbarer Einschätzung
des Gerichtssachverständigen!
der stattgehabten Operationsmethode bei zu tiefer Schnittführung zu einer Asymmetrie des Afters kommen kann, hat der
Sachverständige an dieser Stelle allerdings auch, womit sich der
Kläger nicht auseinandersetzt, klargestellt, dass ein derartiger
Befund beim Kläger bei den Nachuntersuchungen nicht festgestellt wurde. Im Übrigen wäre auch nicht ersichtlich, worin die
Entscheidungserheblichkeit dieses Gesichtspunktes bestehen
könnte.
Die vom Kläger vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom
07.04.2008 ist gegenüber der gerichtlichen Begutachtung
durch Prof. Dr. J. ohne prozessuale Relevanz. Sie fällt zudem,
abgesehen davon, dass offen bleibt, ob die Fragestellung, unter
der die Bescheinigung erstellt wurde, der hier relevanten entspricht, in Relation zur gerichtlichen Begutachtung knapp,
nichtssagend und begründungslos aus.«
2.1.4. OLG Rostock (Urteil vom 27. Juni 2008, Az.: 5 U
50/08): Haftung des im Zwangsversteigerungsverfahren zur Grundstücksbewertung bestellten Sachverständigen!
Leitsatz der Entscheidung:
Medizinisch wissenschaftlich vertretbare Einschätzungen
des Gutachters sind auch richtig im Sinne von § 839a BGB.
Leitsatz der Entscheidung:
Bei der Erstellung eines Verkehrswertgutachtens im
Zwangsversteigerungsverfahren haben Baumängel nur
Bedeutung für die Festsetzung des Verkehrswertes selbst;
der Ersteigerer kann insoweit nicht auf die Vollständigkeit des Gutachtens vertrauen.
Aus den Gründen:
»Der Senat weist nochmals darauf hin, dass es im Haftungsprozess gegen den Sachverständigen nicht darauf ankommt, ob
dem behandelnden Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
Die Berufung beschäftigt sich weiterhin in nicht unerheblichem
Umfang mit der Frage, ob der Kläger im Krankenhaus B. kunstgerecht behandelt wurde. Einer Haftung des Beklagten aus §
839a BGB steht jedoch entgegen, dass der hiesige Sachverständige Prof. Dr. J. alle Aussagen der streitgegenständlichen Begutachtung durch den Beklagten als medizinisch vertretbar eingestuft hat. Medizinisch wissenschaftlich vertretbare Einschätzungen des Gutachters sind auch richtig im Sinne von § 839a
BGB.
Dies gilt auch für die Frage, ob eine körperliche Untersuchung des Klägers durch den Beklagten veranlasst war. Der
Sachverständige Prof. Dr. J. hat überzeugend dargelegt, dass
eine körperliche Untersuchung des Klägers keinen nennenswerten Erkenntnisgewinn erbracht hätte. Der Senat hält im Anschluss an den Sachverständigen Prof. Dr. J. auch daran fest,
dass das von diesem in Bezug genommene histologisch-pathologische Untersuchungsergebnis des Instituts für Pathologie von
hohem objektivierbarem Beweiswert ist. Der Kläger vermag der
Feststellung des Pathologen, dass im Resektat keine Anteile
quergestreifter Skelettmuskulatur vorhanden sind, nichts entgegenzuhalten. Der Senat weist in diesem Zusammenhang auch
nochmals darauf hin, dass der Sachverständige Prof. Dr. J. dargelegt hat, dass es keinen Anhaltspunkt dafür gibt, dass ein
Schnitt geführt wurde, der zwar einerseits nicht kunstgerecht
war, andererseits aber – vgl. das pathologische Untersuchungsergebnis – nicht zu einer irregulären Gewebeentfernung geführt
hat. Lediglich theoretisch mögliche völlig unwahrscheinliche
Umstände bedürfen keines Ausschlusses.
Soweit der Kläger darauf hinweist, dass der Sachverständige
bei der Anhörung vom 04.12.2007 ausgeführt hat, dass es bei
Aus den Gründen:
»Da es sich bei Verkehrswertgutachten letztlich um gutachterliche Schätzungen des Marktverhaltens handelt, kann zudem
eine exakte Feststellung eines bestimmten Betrages »X« als Verkehrswert nicht gefordert werden. Soweit die Klägerin meint,
der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung vom
09.03.2006 - Az.: III ZR 143/05 - im anderslautenden Sinne entschieden, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Der Bundesgerichtshof stellt in der Entscheidung vielmehr fest, dass geringere
Abweichungen im Verkehrswert jedenfalls keine Auswirkungen
auf die Höhe der Gebote haben dürften. Nach der Rechtsprechung sind Abweichungen innerhalb eines gewissen Toleranzrahmens hinzunehmen und führen nicht per se zur Unrichtigkeit
der Wertermittlung (Schleswig-Holstein. OLG, MDR 2008, 25;
dort: Abweichung von 12,5 % innerhalb der Toleranz).
Auch ist zu beachten, dass die Feststellung von Baumängeln
als solche nicht zur Sachverständigenpflicht gehört. Denn durch
ein Verkehrswertgutachten im Rahmen der Zwangsversteigerung soll der Verkehrswert zu einem bestimmten Stichtag festgestellt werden. Nur hierauf bezieht sich die Pflicht des Sachverständigen, denn aufgrund seiner Feststellungen wird der Verkehrswert vom Gericht im Beschlusswege festgesetzt. Es kommt
deshalb allein darauf an, ob dieser Verkehrswert richtig ist. Baumängel haben nur Bedeutung für die Feststellung des Verkehrswertes, als diese gemäß § 23 Abs. 3 der WertV zu berücksichtigen sind; die Feststellungen im Gutachten haben hingegen keine eigenständige Außenwirkung dergestalt, dass sich ein Ersteigerer auf die Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten
Baumängel und Bauschäden und deren kostenmäßige Bewertung berufen oder verlassen kann (Schleswig-Holstein. OLG, Urteil vom 06.07.2007, MDR 2008, 25).
Dabei ist wiederum zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Verkehrswertermittlung um eine Schätzung handelt und auch
die Baumängel und Bauschäden danach bewertet werden, wel-
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Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
chen Einfluss sie auf den Kreis potenzieller Erwerber haben; so
wirken sich geringfügige Mängel zum einen gar nicht auf den
Verkehrswert aus, zugleich sind Mängel auch in der allgemeinen
Einschätzung des Objekts stillschweigend enthalten (Schleswig-Holstein. OLG, a.a.O.). Auch können bei der Berechnung
des Verkehrswertes die tatsächlichen Kosten einer Mängelbeseitigung nicht schlicht vollständig im Wege des Abzugs in Ansatz
gebracht werden. Denn das Verkehrswertgutachten spiegelt lediglich den Immobilienmarkt wider; dieser nimmt bei Mängeln
und Bauschäden aber regelmäßig Abschläge vor, die mit den
Beseitigungskosten nicht regelmäßig oder gar zwingend übereinstimmen (vgl. Schleswig-Holstein. OLG, a.a.O.).
2. Es kann dahinstehen, ob die Beklagte grob fahrlässig die
von der Klägerin gerügten Mängel, soweit deren Existenz durch
die Beweisaufnahme bestätigt wurde, nicht festgestellt und in
ihre Bewertung eingestellt hat. Denn der Senat hat nach Einholung des Sachverständigengutachtens nicht feststellen können,
dass das Gutachten hierdurch unrichtig im o.g. Sinne ist. Nach
der Einschätzung des Sachverständigen wirken sich die von der
Klägerin gerügten Mängel, soweit sie durch sein Gutachten bestätigt wurden, nur geringfügig auf den Verkehrswert aus. Nach
seinen Berechnungsmethoden, die er in der mündlichen Verhandlung noch einmal ausführlich erörtert hat, sind Abzüge in
Höhe von ca. 6.000,– € gerechtfertigt. Im Verhältnis zum von
der Beklagten ermittelten Verkehrswert von 146.000,– € ergibt
dies eine Differenz von unter 5 %.«
2.1.5. LG Bochum (Urteil vom 9. Juli 2008, Az.:
6 O 33/08): Anforderungen an den Sachvortrag
zur Behauptung der Erstellung eines unrichtigen
Gutachtens!
Leitsatz der Entscheidung:
Die Geltendmachung von Schadensersatz gegen einen
Sachverständigen wegen Erstellung eines unrichtigen
Gutachtens gemäß § 839a BGB erfordert eine detaillierte
Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens und
einen substantiierten Vortrag zu einem vorsätzlichen
bzw. grob fahrlässigen Handeln des Sachverständigen.
Aus den Gründen:
»Demnach erscheint es der Kammer zweifelhaft, ob allein die
pauschale Wiederholung des Vortrags aus dem Vorprozess und
die Bezugnahme auf die Ausführungen seines Privatgutachters
ohne neue Einwände, ohne neue Aspekte und ohne Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Berufungsgerichts ausreicht, einen schlüssigen Vortrag zur Begründung der Unrichtigkeit des Gutachtens des Beklagten annehmen zu können, wenn
dessen Ausführungen von dem OLG voll bestätigt und die entgegenstehenden Ausführungen des Privatgutachters nur als
Vermutung, Spekulation oder unzulässige Umkehrschlüsse bezeichnet worden sind. Dies gilt erst Recht, wenn das OLG einen
Antrag gemäß § 412 ZPO aus diesem Grunde zurückgewiesen
hat.
Letztlich muss diese Frage hier nicht abschließend entschieden werden, sodass sich in diesem Rahmen die Frage der Einräumung der im Termin beantragten Stellungnahmefrist zu dieser ersten Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch
noch nicht stellt.
2. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass die Voraussetzung eines erstellten unrichtigen Gutachtens des Beklagten
durch die pauschale Bezugnahme des Klägers auf die Ausfüh-
rungen in den drei entgegenstehenden Privatgutachten von Dr.
S zumindest schlüssig dargelegt sein würden, fehlt es dann in
jedem Fall an dem notwendigen Vortrag zu der weiteren Voraussetzung einer denkbaren Haftung des Beklagten. Gemäß §
839a BGB setzt eine Haftung für ein unrichtiges Gutachten
nämlich weiter voraus, dass der Beklagte dann auch vorsätzlich
oder zumindest grob fahrlässig gehandelt hätte. Die diesbezüglichen Voraussetzungen können nach dem Vortrag des Klägers
nicht festgestellt werden, denn dazu fehlt jeglicher und erst
Recht hinreichend konkreter Sachvortrag des Klägers.«
2.1.6. OLG Saarbrücken (Urteil vom 23. Oktober
2008, Az.: 8 U 487/07): Kein Schadensersatz- und
Schmerzensgeldanspruch trotz Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus auf Grund einer
falschen Diagnose!
Leitsatz der Entscheidung:
Unterlässt ein gerichtlich bestellter Sachverständiger die
Abklärung der von ihm gestellten Diagnose durch den
Einsatz einer apparativen Diagnostik zu erhärten, so liegt
gleichwohl kein fehlerhaftes Gutachten vor, wenn der
Sachverständige ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich
bei seiner gutachterlichen Einschätzung lediglich um eine
Verdachtsdiagnose handele, und die apparative Diag­­
nostik nicht geeignet war, die Verdachtsdiagnose zweifelsfrei zu widerlegen.
Aus den Gründen:
»cc. Ausgehend von diesen Ausführungen des Beklagten im
Rahmen seiner mündlichen Gutachtenerstattung kann entgegen der Auffassung des Landgerichtes nicht von einem unrichtig erstellten Gutachten ausgegangen werden.
(a) Zwar hat der Beklagte die von dem Sachverständigen Prof.
Dr. N. zur Abklärung der Diagnose einer hirnorganischen Störung mit Anfallsäquivalent für erforderlich gehaltene apparative
Diagnostik nicht durchgeführt. Ein fehlerhaftes Gutachten liegt
aber deshalb nicht vor, weil der Beklagte ausdrücklich darauf
hingewiesen hat, dass es sich lediglich um eine Verdachtsdiag­
nose handele. Dies ergibt sich aus seinen Ausführungen im Rahmen der Anhörung durch den Senat und insbesondere im
Schriftsatz vom 09.07.2007 (dort S. 3 ff., Bl. 324 ff.), denen der
Kläger nicht entgegengetreten ist. Bestätigt wird dies auch
durch die Ausführungen der Strafkammer in ihrem Urteil vom
08.04.2003 (Bl. 112 ff.). Dort heißt es auf S. 16 (Bl. 119 R), dass
nach Auffassung des Sachverständigen die von den Zeuginnen
angegebenen Serien von Wiederholungen der Verhaltensweisen des Angeklagten im Sinne von anfallartigen Kontrollverlusten im Sinne von Anfallsäquivalenten »mit hoher Wahrscheinlichkeit« auf eine organische Grundlage zurückzuführen
seien. Es liege eine krankhafte seelische Störung im Sinne des §
20 StGB vor, die sich »wahrscheinlich« als Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung in Anfallsäquivalenten äußere. Diese
»Schlussfolgerung« des Sachverständigen, dass es sich bei der
Symptomatik des Angeklagten »am ehesten« um eine krankhafte seelische Störung, gekennzeichnet durch anfallartige Kontrollverluste, auf organischer Grundlage handele, sei nachvollziehbar und angesichts der Angaben der Zeuginnen plausibel.
Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass der Beklagte
eine apparative Diagnostik nicht durchgeführt hat und dies der
Strafkammer gegenüber auch nicht so dargestellt hat.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
(b) Insoweit stehen seine Erläuterungen im Einklang mit der
Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. N., der bei seiner Anhörung bestätigt hat (S. 3 des Protokolls vom 12.06.2007, Bl.
334), dass der Gedanke an eine hirnorganische Ursache mit Anfallsäquivalent nachvollziehbar sei. Die weitergehenden Ausführungen des Sachverständigen, wonach im Jahre 2002 an die
Diagnose von Anfallsäquivalenten aber andere Anforderungen
gestellt worden seien, als es der Beklagte getan habe, dass insbesondere eine apparative Abklärung habe erfolgen müssen,
führt im Streitfall nicht zu der Feststellung einer Unrichtigkeit
des mündlichen Gutachtens des Beklagten.«
2.1.7. LG Karlsruhe (Urteil vom 18. Februar 2009,
Az.: 6 O 48/06): Haftung eines Sachverständigen
für Immobilienbewertungen für Fehler in einem
vom Zwangsversteigerungsgericht eingeholten
Gutachten und Fehlbeurteilung des Umfangs von
Feuchtigkeitsschäden in einem verwahrlosten Keller
eines Einfamilienreihenhauses!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Nur wenn der Verkehrswertsachverständige im Verlauf
seiner Tätigkeit auf Baumängel hindeutende Indizien
stößt, muss er das auftraggebende Zwangsversteigerungsgericht – etwa durch einen textlichen Hinweis im
Gutachten – hierauf aufmerksam machen. Ob dies auch
dann gilt, wenn der Verkehrswert richtig festgestellt wurde, kann dahinstehen.
2. Behelfsmaßnahmen der Bewohner zur Trockenlegung
des Kellers muss der Verkehrswertsachverständige nur
dann in seinem Gutachten erwähnen, wenn sie ihm bekannt waren oder – trotz vorhandener Unordnung – hätten auffallen können und müssen.
3. Es ist nicht Aufgabe eines Sachverständigen für Immobilienbewertungen, aus der vorgefundenen und im Gutachten hinreichend dokumentierten Situation Schlüsse
für die Zukunft zu ziehen. Denn die jeweilige Bausituation ist stichtagsbezogen zu sehen und nicht auf die Zukunft ausgerichtet.
2.1.8. AG München (Urteil vom 24. September 2010,
Az.: 22 C 817/09): Kein Anspruch nach § 839a BGB bei
angeblicher Persönlichkeitsrechtsverletzung durch
Gutachter!
Leitzsatz der Entscheidung:
Ein Anspruch nach § 839a BGB scheidet aus, wenn der Anspruchssteller lediglich eine Persönlichkeitsrechtsverletzung durch den Gutachter rügt, nicht aber die Unrichtigkeit des Gutachtens darlegt.
Aus den Gründen:
»2. Auch ein Anspruch gemäß § 839a BGB kommt vorliegend
nicht in Betracht.
Bereits die Klägerin stellte wiederholt klar, dass das vom Beklagten erstellte Gutachten inhaltlich nicht in Frage gestellt
wird. Das Gericht hat auch keinerlei Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des vom Beklagten erstatteten Gutachtens.«
2.1.9. OLG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010,
Az.: 2 U 8/10): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer im
Zwangsversteigerungsverfahren!
Leitsatz der Entscheidung:
Ein von einem Sachverständigen erstattetes Gutachten ist
unrichtig im Sinne von § 839a BGB sowohl wenn der Sachverständige von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, als auch wenn er aus dem Sachverhalt falsche Schlüsse zieht.
Aus den Gründen:
»Ein von einem Sachverständigen erstattetes Gutachten ist unrichtig, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht
(MünchKomm/Wagner, BGB, 5. Aufl. 2009, § 839a Rdn. 17).
Dies ist sowohl der Fall, wenn der Sachverständige von einem
unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, als auch dann, wenn er
aus dem Sachverhalt falsche Schlüsse zieht (Palandt/Sprau, BGB,
69. Aufl. 2010, § 839a Rdnr. 3; Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 4. Aufl. 2008, § 34 Rdnr. 15).«
2.1.10. LG Oldenburg (Urteil vom 23. März 2011,
Az.: 13 O 3477/07): Kein unrichtiges Gutachten
trotz Nichtberücksichtigung von Baumängeln durch
Verkehrswertgutachter!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Bei einem Verkehrswertgutachten handelt es sich um
eine Schätzung, die das Marktverhalten wiedergeben
soll. Eine exakte Feststellung eines bestimmten Betrages
als Verkehrswert kann daher nicht gefordert werden.
2. Bei der Marktwertermittlung soll der Wert ermittelt
werden, der im üblichen Geschäftsverkehr ohne Berücksichtigung besonderer Umstände erzielt wird. Es sind nur
solche Punkte zu berücksichtigen, die bei einer Besichtigung augenfällig sind und mindestens einen gravierenden Anfangsverdacht begründeten.
3. Die Feststellung von Baumängeln und -schäden gehört
nicht zu den eigentlichen Pflichten eines Sachverständigen bei Verkehrswertgutachten. Deren Nichtberücksichtigung führt dann zu einem unrichtigen Gutachten, wenn
eine tolerierbare Abweichung des festgestellten vom tatsächlichen Verkehrswert nicht mehr gegeben ist.
2.1.11. LG Berlin (Urteil vom 13. Juli 2011, Az.: 23
O 350/10): Voraussetzungen für ein unrichtiges
Verkehrswertgutachten
Leitsatz der Entscheidung:
Ein im Sinne von § 839a BGB unrichtiges Verkehrswertgutachten liegt vor, wenn das Gutachten, etwa aufgrund fehlerhafter oder unvollständiger Befunderhebung, von
einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht und wenn
dieser unzutreffende Sachverhalt (zu Lasten des Erwerbers) Eingang in die Wertermittlung gefunden hat.
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2.1.12. OLG Jena (Urteil vom 7. November 2012,
Az.: 2 U 135/12) : Unrichtiges Gutachten wegen
Nichtberücksichtigung einer DIN und Anwendung
falscher Messmethodik
Leitsatz der Entscheidung:
Ein unrichtiges Gutachten liegt vor, wenn der Gerichtssachverständige eine maßgebliche DIN unberücksichtigt
lässt und eine falsche Messmethodik anwendet.
Aus den Gründen:
»2. Der Beklagte hat in dem selbstständigen Beweisverfahren
unrichtige Gutachten erstattet und in dem Hauptsacheverfahren 1 O 1187/04 unzutreffende Angaben bei seiner Anhörung
am 12.04.2005 getätigt.
a) Seinerzeit hat er ausgeführt, die DIN 18201 habe er für
sein Gutachten nicht berücksichtigt, weil sie im vorliegenden
Fall nicht maßgeblich sei. Dies trifft jedoch nach den Ausführungen des Gutachters Prof. … nicht zu (vgl. Seite 4 f. und 9 f.
seines Gutachtens vom 12.02.2008). In der DIN 18201 ist u.a. in
Abschnitt 4.3 festgeschrieben, dass bei den Passungsberechnungen »zeit- und lastabhängige Verformungen einbezogen
werden« müssen. Insoweit kritisiert der Gutachter, dass im Gutachten des Beklagten vom 26.11.2002 keine »bewusste Beurteilung der baulichen oder baustofflichen Ausgangssituation«
erfolgt sei. Allerdings könne es aufgrund »einer möglicherweise
nur als unmaßgeblich oder geringfügig eingeschätzten Größenordnung von nachträglich eingetretenen Verformungen [...]
noch nachvollziehbar sein, dass die gemäß DIN 18201 ausgesprochene Nichteinbeziehung dieser Verformungsanteile unberücksichtigt bleibt« (Seite 10 des Gutachtens vom 12.02.2008).
Damit bringt Prof. … zum Ausdruck, dass der Beklagte entgegen der DIN 18201 nicht geprüft habe, ob und in welchem Umfang es fünf Jahre nach der Fertigstellung zu nutzungsbedingten
Verformungen gekommen sei, es aber nicht auszuschließen sei,
dass diese Verformungen so geringfügig seien, dass sie für die
Pfützenbildung keine Relevanz hätten.
b) Einen klaren Mangel sieht Prof. … in der Messmethodik
des Beklagten. So habe der Beklagte die Höhenmessung falsch
durchgeführt. Diese sei »ohne das erforderliche ‚Stichmaß-Verständnis’ sowohl in den Flächen als auch an den Rändern erfolgt« (S. 10). Der Beklagte habe in seinem Gutachten vom
26.11.2002 die gemäß DIN 18202 heranzuziehenden Ebenheitstoleranzen »falsch« ausgelegt (S. 6). Richtigerweise müssten
die Bewertungen des aufgenommenen Nivellement-Rasters auf
der Festlegung von »Stichmaßen als Grenzwerte in Millimeter
bei unterschiedlichen Messpunktabständen basieren«(S. 6).«
2.1.13. OLG Hamm (Hinweisbeschluss vom 12. August
2013, Az.: 9 U 235/12): Keine hinreichende Darlegung
eines unrichtigen Gutachtens!
Leitsatz der Entscheidung:
Zu den Voraussetzungen der Inanspruchnahme eines gerichtlichen medizinischen Sachverständigen nach § 839a BGB.
Aus den Gründen:
»Die Berufung der Klägerin ist nach einstimmiger Überzeugung
des Senats unbegründet.
Der Klägerin steht ein auf § 839a BGB – der einzig in Betracht
kommenden Anspruchsgrundlage – gestützter Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten nicht zu.
Die mit Wirkung zum 01.08.2002 eingefügte Vorschrift des §
839a BGB ist vorliegend anwendbar. Gemäß § 8 Absatz 1
EGBGB ist die Vorschrift einschlägig, wenn das schädigende Ereignis nach dem 31.07.2002 eingetreten ist. Schädigendes Ereignis in diesem Sinne ist die Einreichung des schriftlichen bzw.
die Erstattung des mündlichen gerichtlichen Gutachtens. Zwar
hat der Beklagte sein erstes schriftliches Gutachten bereits unter
dem 31.10.1996 erstellt und dieses unter dem 17.04.1998
schriftlich ergänzt. Der Beklagte hat aber nach dem Stichtag
31.07.2002 unter dem 12.05.2003 dem Landgericht ein weiteres schriftliches Ergänzungsgutachtens vorgelegt, dass sich
eingehend mit der Problematik der Sicherheitsabstände nach
Tumorexzisionen und damit mit Blick auf die geltend gemachte
Aufklärungspflichtverletzung mit der Frage des Vorliegens einer
echten Behandlungsalternative neben der gewählten Operationsmethode befasst. Mit der Erstattung eines weiteren mündlichen Ergänzungsgutachtens ist der Beklagte im Zuge des Berufungsverfahrens durch das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht beauftragt worden. Dieses Ergänzungsgutachten hat
der Beklagte am 29.11.2008 erstattet.
Gemäß § 839a Absatz 1 BGB ist ein gerichtlich bestellter
Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, demjenigen Verfahrensbeteiligten
zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der diesem durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Das von dem Sachverständigen erstellte Gutachten ist unrichtig, wenn es nicht der objektiven Sachlage entspricht. Das ist
z.B. dann der Fall, wenn der Sachverständige unrichtige Tatsachenfeststellungen trifft oder fehlerhafte Schlussfolgerungen
zieht oder eine Sicherheit vorspiegelt, obwohl nur ein Wahrscheinlichkeitsurteil möglich ist (vgl. Staudinger-Wöstmann,
BGB, Stand 2012, § 839a, Rn. 9f; MünchKomm-Wagner, BGB,
5. Aufl. 2009, § 839a Rn. 17).
Die Klägerin hat bereits nicht schlüssig dargelegt, dass das
von dem Beklagten erstattete Gutachten hinsichtlich der Frage,
ob Tatsachen vorgelegen haben, die eine Aufklärungspflichtverletzung begründen konnten, unrichtig gewesen ist.
Nach der Rechtsprechung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache
des Arztes. Gibt es indessen mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden, die wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen aufweisen, besteht mithin eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten,
dann muss diesem nach entsprechend vollständiger ärztlicher
Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem
Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er
sich einlassen will (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1987 - BGH Aktenzeichen VI ZR 65/87 -, BGHZ 102, Seite 17, 22 und Urteil
vom 15.03.2005 - VI ZR 313/03 -, NJW 2005, Seite 1718; OLG
Naumburg, Urteil vom 15.03.2012 - Aktenzeichen 1 U 83/11 -,
juris). Insoweit steht nicht die therapeutische Aufklärung des Patienten (Sicherungsaufklärung), sondern die dem Patienten als
Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag geschuldete Selbstbestimmungsaufklärung (Risikoaufklärung) im Mittelpunkt.
Hieran anknüpfend hätte es seitens der Klägerin der Darlegung bedurft, dass im Zeitpunkt der Operation Anfang Februar
1990 neben der von den Behandlern durchgeführten Exzision
mit größerem Sicherheitsabstand mit der Schmalexzision eine
ebenso medizinisch indizierte und übliche Behandlungsmethode zur Entfernung eines malignen Melanoms zur Verfügung
stand, und dies von dem Beklagten in seinem Gutachten verkannt oder unzutreffend dargestellt worden ist. Nur in diesem
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Fall hätte die Klägerin von den Behandlern auf die Möglichkeit
einer Schmalexzision und über die damit verbundenen Risiken
aufgeklärt werden müssen. Dahingehende Tatsachen hat die
Klägerin nicht vorgetragen.«
2.1.14. BGH (Urteil vom 10. Oktober 2013, Az.: III ZR
345/12): Haftung des gerichtlichen Sachverständigen:
Unrichtiges Verkehrswertgutachten im
Zwangsversteigerungsverfahren
Leitsätze der Entscheidung:
1. Bei der Haftung des Sachverständigen für ein unrichtiges Verkehrswertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren ist zu berücksichtigen, dass dieses der Feststellung des Verkehrswerts des Versteigerungsobjekts dient
und gerade auch in dieser Hinsicht, also bezüglich des
festgestellten Verkehrswerts, »unrichtig« sein muss.
2. Baumängel und Bauschäden haben in diesem Zusammenhang insoweit Bedeutung, als sie sich auf den Verkehrswert auswirken. Anders als der speziell mit der Feststellung von Baumängeln beauftragte – und diesbezüglich besonders sachkundige – Gutachter darf sich der
Verkehrswertgutachter im Allgemeinen mit der Inaugenscheinnahme des Versteigerungsobjekts begnügen und
muss erst dann weitere Ermittlungen zu etwaigen Mängeln anstellen oder entsprechende Hinweise geben, wenn
hierzu nach den Umständen des konkreten Falls Anlass
besteht.
3. Bei der Ermittlung des Verkehrswerts eines (bebauten)
Grundstücks sind kleinere Diskrepanzen zwischen dem
vom Regressgericht festgestellten und dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert unvermeidbar; sie
dürfen nicht ohne Weiteres zu Lasten des Sachverständigen gehen.
4. Grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass der Gutachter unbeachtet gelassen hat, was jedem Sachkundigen einleuchten
muss, und dass seine Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar ist. Maßgebend ist hierbei nicht der Sorgfaltsmaßstab eines Bauschadensachverständigen, sondern der
Sorgfaltsmaßstab eines Verkehrswertgutachters.
Aus den Gründen:
»a) Unrichtig ist ein Sachverständigengutachten, wenn es nicht
der objektiven Sachlage entspricht; dies ist insbesondere der
Fall, wenn es von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht
oder aus dem festgestellten Sachverhalt falsche Schlüsse zieht
(s. OLG Rostock, OLGR 2006, 803; OLG Saarbrücken, OLGR
2009, 196, 197; OLG Köln, Urteil vom 8. Dezember 2010 - 2 U
8/10, BeckRS 2011, 25253; vgl. auch Palandt/Sprau, BGB, 72.
Aufl., § 839a Rn. 3; MünchKommBGB/Wagner, 6. Aufl., § 839a
Rn. 17; Bamberger/Roth/Reinert, BGB, 3. Aufl., § 839a Rn. 5;
Staudinger/Wöstmann, BGB [2013], § 839a Rn. 9; Erman/Hecker, BGB, 13. Aufl., Rn. 4).
Für das Verkehrswertgutachten nach § 74a Abs. 5 Satz 1 ZVG
ist zu berücksichtigen, dass es der Feststellung des Verkehrswerts des Versteigerungsobjekts dient und gerade auch in dieser Hinsicht, also bezüglich des festgestellten Verkehrswerts,
»unrichtig« sein muss (OLG Schleswig, DS 2008, 32 f; OLG Ros­
tock, DS 2008, 386, 387; Hintzen in Hintzen/Engels/Rellermeyer,
ZVG, 14. Aufl., § 74a Rn. 71).
Mit der Wertermittlung und -festsetzung soll vornehmlich
der »Verschleuderung« des Grundbesitzes entgegengewirkt
werden (s. dazu Senatsurteil vom 6. Februar 2003 a.a.O.; BGH,
Beschluss vom 18. Mai 2006 a.a.O.; OLG Rostock DS 2008, 386,
387; Hintzen a.a.O. § 74a Rn. 32). Baumängel und Bauschäden
haben in diesem Zusammenhang insoweit Bedeutung, als sie
sich auf den Verkehrswert auswirken (vgl. § 194 BauGB, § 3
Abs. 2, § 5 Abs. 5 Satz 2, § 24 WertV 98; s. auch OLG Schleswig
a.a.O. S. 33; OLG Rostock, DS 2008, 386, 387 f; Hintzen a.a.O.
§ 74a Rn. 71). Anders als der speziell mit der Feststellung von
Baumängeln beauftragte – und diesbezüglich besonders sachkundige – Gutachter darf sich der Verkehrswertgutachter im Allgemeinen mit der Inaugenscheinnahme des Versteigerungsobjekts begnügen und muss erst dann weitere Ermittlungen zu
etwaigen Mängeln anstellen oder entsprechende Hinweise geben, wenn hierzu nach den Umständen des konkreten Falls Anlass besteht (s. dazu eingehend OLG Naumburg, Urteil vom 3.
August 2005 - 11 U 100/04, juris Rn. 30, 34; vgl. auch OLG
Schleswig a.a.O. S. 32 f; OLG Rostock, DS 2008, 386, 387). Da
der Zutritt zum Versteigerungsobjekt nicht erzwungen werden
kann, ist es nicht immer vermeidbar, dass das Gutachten auf der
Grundlage unvollständiger oder ungesicherter Tatsachen oder
aufgrund von Unterstellungen erstattet werden muss, wobei
dies im Gutachten freilich kenntlich zu machen ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 2003 - VI ZR 312/02, NJW 2003, 2825, 2827;
OLG Rostock, DS 2008, 386, 387; Hintzen a.a.O. § 74a Rn. 51,
71; Stöber, ZVG, 20. Aufl., § 74a Anm. 10.5 und 10.6).
Weiterhin zu beachten ist, dass der Verkehrswert eines (bebauten) Grundstücks regelmäßig nur annäherungsweise und
nicht exakt im Sinne einer mathematischen Genauigkeit ermittelt werden kann. Sowohl die Wahl der Wertermittlungsmethode als auch die Ermittlung selbst unterliegen notwendig wertenden Einschätzungen, die nicht geeignet sind, die Gewissheit
zu vermitteln, das Objekt werde bei einer Veräußerung genau
den ermittelten Wert erzielen (BGH, Beschluss vom 19. Juni
2008 - V ZB 129/07, NJW-RR 2008, 1741, 1742 Rn. 11). Dementsprechend sind mehr oder weniger unterschiedliche Ergebnisse – in gewissen Toleranzen – unvermeidbar (BGH, Urteil vom
2. Juli 2004 - V ZR 213/03, BGHZ 160, 8, 14; s. auch OLG Schleswig a.a.O. S. 34; OLG Rostock, DS 2008, 386, 387), sodass kleinere Diskrepanzen zwischen dem vom Regressgericht festgestellten und dem vom Sachverständigen ermittelten Verkehrswert nicht – jedenfalls nicht ohne Weiteres – zu dessen Lasten
gehen (vgl. dazu OLG Schleswig a.a.O.; OLG Rostock, DS 2008,
386, 387 ff; OLG Köln a.a.O.; MünchKommBGB/Wagner a.a.O.
§ 839a Rn. 17; Hintzen a.a.O. § 74a Rn. 71). Die Erheblichkeit
oder Unerheblichkeit einer Schätzungsabweichung darf dabei
allerdings nicht schematisch nach einem bestimmten Prozentsatz beurteilt werden, sondern ist nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil vom
1. April 1987 - IVa ZR 139/85, NJW-RR 1987, 917).
b) Diese Maßgaben hat das Berufungsgericht verkannt. Es
hat seine Würdigung allein auf das Gutachten eines Bauschadenssachverständigen ohne Fachkunde eines Verkehrswertgutachters gestützt, sich dementsprechend nur mit der Frage der
zutreffenden Darstellung der vorhandenen oder zu vermutenden Baumängel befasst und hierbei den – maßgeblichen –
Punkt der (Un-)Richtigkeit des Verkehrswerts und seiner Ermittlung durch den Beklagten aus dem Blick verloren.
aa) Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keine Feststellungen zur Unrichtigkeit des vom Beklagten ermittelten Verkehrswerts des Objekts – zum maßgeblichen Stichtag
(11. Februar 2003) – getroffen hat.
Soweit es um die vom Sachverständigen H. beschriebenen
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Festschrift BauSV 1/2015
Feuchtigkeits- und Fäulnisschäden geht, ist deren Auswirkung
auf den Verkehrswert (zum Ermittlungsstichtag) ungeklärt. Aus
den mutmaßlichen Sanierungskosten (s. dazu Gutachten SV H.
vom 5. Juli 2005, S. 52, 53, 54, 64-65, 73-74, 76) ergibt sich
kein zwingender Schluss auf eine entsprechende Minderung
des Verkehrswerts (vgl. § 24 WertV 98; s. dazu auch OLG Schleswig a.a.O. S. 33; OLG Rostock, DS 2008, 386, 387 f). Der Sachverständige H. hat von sich aus wiederholt darauf hingewiesen,
dass er als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden keine
Fachkunde für Fragen der Verkehrswertermittlung besitze
(Schreiben vom 21. Juli 2009, S. 2; Gutachten vom 7. Juli 2010,
S. 5), was der Beklagte im Verfahren auch gerügt hat. Der Sachverständige E. hat sich lediglich zu dem Verkehrswert des
Grundstücks zum Stichtag am 19. Juli 2011, als vom Wohnhaus
nur noch Teile der Grundmauer und der Bodenplatte vorhanden
waren (Gutachten vom 24. August 2011, S. 4, 15, 21), beziehungsweise zu dem reinen Bodenwert am 11. Februar 2003 (Ergänzungsgutachten vom 27. Februar 2012, S. 11) geäußert,
nicht aber zum Verkehrswert des (bebauten) Grundstücks am
11. Februar 2003.
bb) Hinsichtlich der Richtigkeit der Beschreibung von Baumängeln im Gutachten des Beklagten hat sich das Berufungsgericht – anders als das Landgericht – nicht damit auseinandergesetzt, dass der Beklagte in seinem Gutachten ausdrücklich auf
das Vorhandensein von »Feuchtigkeitsschäden, Putzschäden,
Unterhaltungsstau« (S. 12, 13) sowie darauf hingewiesen hatte,
dass Baumängel nur insoweit aufgenommen worden seien,
»wie sie zerstörungsfrei, das heißt offensichtlich erkennbar waren« (S. 5), und dass er für Bauschäden, Unterhaltungsstau und
Modernisierungserfordernisse immerhin eine Verkehrswertminderung um 20.500 € vorgenommen hatte (S. 20). Ob der vom
Sachverständigen H. vermisste weitergehende Hinweis auf einen Verdacht auf Fäulnis- und weitergehende Feuchtigkeitsschäden (s. Gutachten vom 5. Juli 2005, S. 48 ff., 74; Ergänzungsgutachten vom 7. September 2005, S. 5 ff.) auch im Rahmen eines Verkehrswertgutachtens nach § 74a Abs. 5 Satz 1
ZVG hätte erteilt werden müssen und sein Fehlen die Unrichtigkeit der hierin enthaltenen Angaben zu begründen vermag, ist
nicht ausreichend dargelegt. Der Sachverständige H. ist – dies
gilt auch hier – Sachverständiger für Bauschäden, nicht für Verkehrswertermittlung. Er hat darauf hingewiesen, dass die Feststellung von Baumängeln in einem noch bewohnten Haus
Schwierigkeiten bereiten kann (Gutachten vom 5. Juli 2005, S.
54-55) und dass die Fäulnisschäden und die Schäden am Fachwerk nicht ohne Bauteilöffnung beziehungsweise »nicht direkt
und nicht offensichtlich« zu erkennen gewesen seien (Ergänzungsgutachten vom 7. September 2005, S. 5, 6).
3. Auch die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte
habe grob fahrlässig gehandelt, ist von Rechtsfehlern beeinflusst. Das Berufungsgericht hat seine Würdigung allein auf das
Gutachten eines Bauschadensachverständigen ohne Fachkunde
eines Verkehrswertgutachters gestützt und wesentliche Umstände nicht berücksichtigt.
a) Grobe Fahrlässigkeit erfordert einen in objektiver Hinsicht
schweren und in subjektiver Hinsicht nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maße
verletzt und es muss dasjenige unbeachtet geblieben sein, was
im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Es muss
eine auch subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung vorliegen, die das in § 276 Abs. 2 BGB bestimmte Maß
erheblich überschreitet (s. etwa BGH, Urteile vom 8. Juli 1992 -
IV ZR 223/91, BGHZ 119, 147, 149; vom 29. Januar 2003 - IV ZR
173/01, NJW 2003, 1118, 1119; vom 12. Juli 2005 - VI ZR
83/04, NJW 2006, 1271, insoweit in BGHZ 163, 351 nicht abgedruckt; vom 11. Juli 2007 - XII ZR 197/05, NJW 2007, 2988,
2989 Rn. 15 und vom 17. Februar 2009 - VI ZR 86/08, NJW-RR
2009, 812, 813 Rn. 10, jeweils m.w.N.).
Dieser Maßstab gilt gleichermaßen für die Haftung des Sachverständigen nach § 839a BGB; der Gutachter muss unbeachtet
gelassen haben, was jedem Sachkundigen hätte einleuchten
müssen, und seine Pflichtverletzung schlechthin unentschuldbar
sein (s. OLG Schleswig, DS 2008, 32, 33; OLG Saarbrücken,
OLGR 2009, 196, 198; OLG Köln, BeckRS 2011, 25253; vgl.
auch OLG Celle, DS 2010, 32, 33 und OLG Rostock, OLGR 2006,
803, die allerdings – entgegen der Ansicht des erkennenden Senats – darauf abstellen wollen, dass die Unrichtigkeit des Gutachtens jedermann, also auch den entscheidenden Richtern, auf
Grund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten müssen).
Die Beschränkung der Haftung des vom Gericht beauftragten
Gutachters dient der inneren Freiheit, derer er bedarf, um sein
Gutachten unabhängig und ohne Druck eines möglichen Rückgriffs erstatten zu können (s. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/7752 S. 28; Bamberger/Roth/Reinert a.a.O.
§ 839a Rn. 8; Palandt/Sprau a.a.O. § 839a Rn. 3).
Freilich kann es im Einzelfall gerechtfertigt sein, von einem
bestimmten äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des
damit einhergehenden objektiven Pflichtverstoßes auf innere
Vorgänge und eine gesteigerte subjektive Vorwerfbarkeit zu
schließen (s. dazu allgemein BGH, Urteile vom 8. Juli 1992 a.a.O.
S. 151 und vom 29. Januar 2003 a.a.O.; zu § 839a BGB: OLG
Celle a.a.O.; MünchKommBGB/Wagner a.a.O. § 839a Rn. 35,
zu sehr auf objektive Umstände abstellend freilich Rn. 18).
Allgemein unterliegt die Beurteilung des (Nicht-)Vorliegens
grober Fahrlässigkeit der tatrichterlichen Würdigung, die mit der
Revision nur beschränkt angreifbar und vom Revisionsgericht
nur dahin zu überprüfen ist, ob der Tatrichter den Begriff der
groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Verschuldensgrades wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (s. etwa BGH, Urteile vom 29. Januar 2003 a.a.O.; vom
12. Juli 2005 - VI ZR 83/04, BGHZ 163, 351, 353; vom 11. Juli
2007 a.a.O. Rn. 16 und vom 17. Februar 2009 a.a.O. Rn. 9
m.w.N.). Die Darlegung und der Nachweis eines (mindestens)
grob fahrlässigen Verschuldens des gerichtlichen Sachverständigen obliegen dem Geschädigten (OLG Saarbrücken a.a.O. S.
197; Erman/Hecker a.a.O.; Staudinger/Wöstmann a.a.O. § 839a
Rn. 28; MünchKommBGB/Wagner a.a.O. § 839a Rn. 35).
b) Nach diesen Maßstäben erweist sich die Würdigung des
Berufungsgerichts als fehlerhaft. Das Berufungsgericht hat bei
der Beurteilung des Verschuldens des Beklagten den erforderlichen Bezug auf die Unrichtigkeit der Verkehrswertermittlung
außer Acht gelassen, wesentliche Umstände nicht berücksichtigt
und von der gebotenen Hinzuziehung eines geeigneten, nämlich einschlägig fachkundigen, Sachverständigen abgesehen.
aa) Für die Beurteilung, ob der Beklagte im konkreten Fall
grob fahrlässig gehandelt hat, hat das Berufungsgericht darauf
abgestellt, dass auch von außen massive Feuchtigkeitsschäden
zu erkennen und geradezu »mit Händen zu greifen« gewesen
seien, dass der Beklagte auf die Möglichkeit (das ernste Risiko)
von Fäulnisschäden und weitergehenden Feuchtigkeitsschäden
habe schließen müssen und dass die Feststellung eines »befriedigenden« Gebäudezustands grob verharmlosend gewesen sei.
bb) Dabei hat es nicht beachtet, dass nicht der Sorgfaltsmaßstab eines Bauschadenssachverständigen – wie hier etwa derje-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
nige des Sachverständigen H. – zugrunde zu legen ist, sondern
der Sorgfaltsmaßstab eines Verkehrswertgutachters. Denn im
vorliegenden Fall geht es um die Frage der grob fahrlässigen Erstellung eines unrichtigen Verkehrswertgutachtens. Bezüglich
der Verkehrswertermittlung fehlte es dem Sachverständigen H.
indes nach eigener Angabe an der nötigen Fachkunde, wie es
der Beklagte im Verfahren auch gerügt hat. Dass das Berufungsgericht insoweit über eigene Sachkunde verfügt hätte, ist weder
im Berufungsurteil dargetan noch sonst erkennbar. Um den
Grad des Verschuldens eines Sachverständigen zuverlässig beurteilen zu können, bedarf es vielfach – und so auch hier – der
Hinzuziehung eines Sachverständigen für das betroffene Fachgebiet; dessen Einschätzung ist für den Tatrichter zwar nicht
bindend, doch muss er sich hiermit nachvollziehbar auseinandersetzen (vgl. zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers als
»grob«: BGH, Urteil vom 25. Oktober 2011 - VI ZR 139/10, NJW
2012, 227, 228 Rn. 9 m.w.N.). Daran fehlt es hier, weil das Berufungsgericht in Bezug auf die Frage, ob der Beklagte (mindestens) grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat,
überhaupt keinen Verkehrswertsachverständigen hinzugezogen
hat.«
2.1.15. OLG Hamm (Beschluss vom 22. Oktober 2013,
Az.: 9 U 235/12): Darlegungslast der klagenden Partei
Leitsatz der Entscheidung:
Die klagende Partei muss die Umstände, die die Unrichtigkeit des gerichtlichen Gutachtens und die grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und
unter Beweis stellen.
Aus den Gründen:
»Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der Klägerin in deren Schriftsatz vom
25.09.2013 fest. Die ergänzende Stellungnahme der Klägerin
gibt lediglich Anlass zu den nachstehenden Ausführungen.
Die Entscheidung der Frage, ob eine Behandlungsmethode
als eine übliche anzusehen ist und daher hierüber von dem behandelnden Arzt aufzuklären ist, obliegt nicht dem medizinischen Sachverständigen, sondern dem erkennenden Gericht,
das diese Frage auf der Grundlage der von dem medizinischen
Sachverständigen vermittelten Tatsachen zu entscheiden hat.
Auch mit ihrer ergänzenden Stellungnahme zeigt die Klägerin
nicht auf, welche von dem Beklagten in seiner Eigenschaft als
gerichtlicher Gutachter dem damaligen Prozessgericht unterbreiteten Tatsachen und Feststellungen unzutreffend gewesen
sind, bzw. welche Tatsachen der Beklagte unberücksichtigt gelassen hat, die zu einer der Klägerin günstigeren Betrachtung
geführt hätten. Beweiserleichterungen kommen der Klägerin
vorliegend nicht zugute. Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als
Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des
Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839a BGB anders als im
Arzthaftungsprozess nicht herabgesetzt. Die Klägerin muss also
die Umstände, die die Unrichtigkeit des gerichtlichen Gutachtens und die grobe Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen und unter Beweis stellen (vgl. Senat, U. v.
16.06.2009 - 9 U239/08 -, OLGR Hamm 2009, 827).
Den Vortrag der Klägerin in deren Schriftsatz vom 25.09.2013
zugrunde gelegt, sind die seitens der Klägerin gegenüber dem
Beklagten erhobenen Vorwürfe offensichtlich unbegründet.
Mehrfach betont die Klägerin, der Beklagte habe in seinen Gutachten ausgeführt, dass im Operationszeitpunkt Anfang 1990
keine belastbaren Erkenntnisse dafür existierten, dass die weite
Exzision das Risiko von Rezidiven oder Satellitenmetastasen gegenüber der Schmalexzision minderte. Wenn der Beklagte vor
diesem Hintergrund erläutert, die Entscheidung für den bisherigen Standard der großen Exzision in weiten Teilen der klinischen Praxis sei neben der gleichzeitig in diversen Universitätskliniken praktizierten Schmalexzision eine Glaubenssache gewesen, hat der Beklagte dem erkennenden Gericht einen zutreffenden Überblick über die klinische Praxis vermittelt. Es oblag
auf dieser Grundlage dem erkennenden Gericht im Patientenprozess darüber zu entscheiden, ob über die Schmalexzision als
eine übliche Behandlungsmethode seitens des behandelnden
Arztes aufzuklären war.
Ohne Erfolg macht die Klägerin geltend, der Bundesgerichtshof habe ihre Nichtzulassungsbeschwerde zu Unrecht zurückgewiesen. Die Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde
beruht darauf, dass die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin keine Tatsachen aufzeigt, wonach die Schmalexzision im
Zeitpunkt des Eingriffs bereits üblich war. Zu einem solchen ergänzenden Vortrag war die Klägerin auch im Arzthaftungsprozess angehalten, nachdem die Feststellungen des Sachverständigen zur Überzeugung der Tatsachengerichte ergeben hatten,
dass die Schmalexzision Anfang 1990 keine übliche Behandlungsmethode gewesen ist.
Angesichts dessen besteht kein Bedürfnis zur Durchführung
einer mündlichen Verhandlung.«
2.2. Verschulden
2.2.1. Grobe Fahrlässigkeit
2.2.1.1. Sinn und Zweck der Haftungsbeschränkung
2.2.1.1.1. AG Kandel (Urteil vom 9. Oktober 2009, Az.:
2 C 20/09): Haftungsbeschränkung soll Tätigkeit der
gerichtlich bestellten Sachverständigen erleichtern!
Leitsatz der Entscheidung:
Durch die Beschränkung der Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz soll der Gerichtsgutachter seine Tätigkeit ohne den Druck eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben können.
Aus den Gründen:
»Eine Übertragung der Grundsätze des JVEG für die Vergütung
gerichtlicher Sachverständiger auf Privatgutachter ist gerade
nicht angebracht. Der Anwendungsbereich des JVEG ist auf den
§ 1 JVEG genannten Verfahren beschränkt. Eine Übertragung
auf Privatgutachter steht schon der Umstand entgegen, dass für
Privatgutachter im Unterschied zum gerichtlichen Sachverständigen, die zu den Parteien nicht im Vertragsverhältnis stehen,
dem Auftraggeber nach allgemeinen Regeln als auch vertragsrechtlich haftet, während eine Haftung des gerichtlichen Sachverständigen der Sonderregelung des § 839a BGB unterliegt,
die die Haftung auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt
hat, damit der Sachverständige, der nach der Verfahrensordnung (§ 407 ZPO, § 570 StPO) regelmäßig zur Übernahme der
Begutachtung verpflichtet ist, eine Tätigkeit ohne den Druck
eines möglichen Rückgriffs der Parteien ausüben kann.«
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2.2.1.1.2. OLG Köln (Urteil vom 8. September 2011, Az.:
5 W 34/11): § 839a BGB soll innere Unabhängigkeit des
Gerichtssachverständigen bewahren
Leitsatz der Entscheidung:
Bei der Haftung eines Gerichtssachverständigen ist nach §
839a BGB ein hoher Maßstab anzulegen, um die gebotene innere Unabhängigkeit des Sachverständigen zu bewahren.
Aus den Gründen:
»Bei der Beurteilung der Wertigkeit des Pflichtenverstoßes eines
Sachverständigen als grob fahrlässig oder vorsätzlich ist allerdings entsprechend der Regelung des § 839a BGB ein hoher
Maßstab anzulegen, um die gebotene innere Unabhängigkeit
des Sachverständigen zu bewahren. Dies würde hier freilich voraussetzen, dass die Äußerungen des Sachverständigen nicht
nur verbale Entgleisungen darstellen, sondern auch in der Sache
gegenüber den Einwänden des Beklagten nicht haltbar sind.
Nur dann könnte angenommen werden, dass der Sachverständige sich mit seinen Äußerungen grob pflichtwidrig oder vorsätzlich einem – erfolgreichen – Befangenheitsgesuch ausgesetzt hätte und damit seinen Vergütungsanspruch verwirkt hätte. Allerdings fehlt dem Senat – und wohl auch dem Landgericht
– die erforderliche medizinische Sachkunde, um zu beurteilen,
ob die Äußerungen des Sachverständigen nicht möglicherweise
im Kern zutreffen, was seine Ausführungen durchaus in einem
anderen, milderen Licht erscheinen lassen würde. Das scheint
auch nicht ausgeschlossen, da der Beklagte als Facharzt für Anästhesie gegen das Gutachten des Sachverständigen Einwände
erhoben hat, die nicht seinen Fachbereich betreffen, sondern
den des Gutachters als Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde. Treffen die Ausführungen des Sachverständigen in
der Sache indes zu, kann eine grobe oder gar vorsätzliche
Pflichtwidrigkeit nicht festgestellt werden.«
2.2.1.2. Abweichung von anderen Gutachten
2.2.1.2.1. LG Kiel (Urteil vom 14. Dezember 2006,
Az.: 5 O 232/05): Keine grobe Fahrlässigkeit bei
unterschiedlichen fachlichen Auffassungen.
Leitsätze der Entscheidung:
1. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen
Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen
Praxis nicht ungewöhnlich und geben keinen Grund zu
der Annahme, ein Sachverständiger habe grob fahrlässig
ein unrichtiges Gutachten erstattet.
2. Der Vorwurf, das Landgericht habe eine falsche Beweiswürdigung vorgenommen, kann zum einen eine grobe
Fahrlässigkeit des Sachverständigen nicht begründen und
ist zum anderen eine im vorgesehenen Instanzenzug und
nicht im Rahmen des § 839a BGB zu klärende Frage.
Aus den Gründen:
»Vorsätzliches Handeln des Sachverständigen scheidet aus. Grobe Fahrlässigkeit kann nach dem klägerischen Vortrag nicht bejaht werden. Grobe Fahrlässigkeit setzt voraus, dass der Beklagte die bei der Erstellung seines Gutachtens erforderliche Sorgfalt
in besonders schwerem Maße verletzt hat, ganz naheliegende
Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet
hat, was im vorliegenden Fall jedem einleuchten musste. Zudem
müssen subjektive Momente hinzukommen, die eine gesteigerte Vorwerfbarkeit begründen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom
21.03.2006, IBR 2006, S. 406 unter Hinweis auf Palandt-Heinrichs, BGB-Kommentar, 65. Aufl., § 277, Rdnr. 5). Allein aus der
Tatsache, dass der Beklagte zum Teil von den Feststellungen des
Privatgutachters abweicht, ergibt sich der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens nicht ohne Weiteres. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen Praxis nicht ungewöhnlich und geben keinen Grund zu der Annahme, der Sachverständige habe
grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet (vgl. OLG
Ros­tock, a.a.O.). Hinzu kommt, dass das Landgericht und das
Oberlandesgericht in der Ursprungssache keinen Grund gesehen haben, die Gutachten des Beklagten in Zweifel zu ziehen,
sodass der Kläger näher hätte erläutern müssen, warum auch die
Gerichte nicht nur übersehen haben sollen, dass sie ihrer Entscheidung in Teilen unrichtige Gutachten zugrunde legen, sondern dass dies auch jedem, also auch den entscheidenden Richtern, aufgrund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten
müssen (vgl. hierzu ebenfalls OLG Rostock, a.a.O.). Unerheblich
ist hierbei der Vorwurf der falschen Beweiswürdigung durch das
Landgericht, denn diese ist allein im vorgesehen Instanzenzug zu
überprüfen und nicht im Rahmen des § 839a BGB.
Der Beklagte hat sich in seinem Ergänzungsgutachten ausführlich mit dem Gutachten des Sachverständigen auseinandergesetzt und ist auf die Einwände des Klägervertreters in seinem
Gutachten eingegangen. Er hat den Reparaturweg zum Ersetzen des Endstückes des Rahmenlängsträgers beschrieben, hat
ausdrücklich erklärt, es handele sich hierbei um den fachgerechten und auch wirtschaftlich vernünftigen Reparaturweg
und auf Seite 9 seines Ergänzungsgutachtens differenziert, welche Bauteile der selbsttragenden Karosserie beschädigt wurden.
Außerdem hat er sich mit der Frage der Wiederherstellung des
vom Hersteller gefertigten Zustandes auseinandergesetzt. Der
Hinweis des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung
vom 12.05.2004, dass der Schaden anders einzustufen wäre,
wenn der Rahmenlängsträger beschädigt wäre, zeigt eindeutig,
dass der Sachverständige sich intensiv mit dieser Frage beschäftigt hat. Der Sachverständige hat in seiner mündlichen Erörterung ausdrücklich erklärt, dass weitergehende Beschädigungen
des Rahmenlängsträgers auf den ihm vorgelegten Fotos nicht zu
erkennen seien, sodass er eine weitergehende Beschädigung
des Rahmenlängsträgers nicht feststellen könne.
Bei dieser intensiven Auseinandersetzung des Beklagten insbesondere mit der Frage der Beschädigung des Rahmenlängsträgers kann nicht festgestellt werden, dass der Sachverständige
schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat. Hierfür spricht auch der nochmals erfolgte ausdrückliche Hinweis des Sachverständigen am Ende seines Ergänzungsgutachtens darauf, dass das Gutachten bezüglich der Beurteilung des Schadensumfanges und des fachgerechten Reparaturweges falsch sei.
Die Auseinandersetzung im letzten Absatz des Ergänzungsgutachtens mit der Frage, ob es für eine Neupreisabrechnung
erheblich sei, ob der reparierte Bereich mit dem Fertigungszustand zu vergleichen sei, ist eine Rechtsfrage. Weder die Tatsache, ob der Sachverständige noch, wie er diese beantwortet
hat, kann als grob fahrlässig angesehen werden. Denn die Beantwortung von Rechtsfragen ist in jedem Fall Aufgabe des Gerichts.
Der Vorwurf der Klägerin, das Landgericht habe eine falsche
Beweiswürdigung vorgenommen, kann eine grobe Fahrlässig-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
keit des Sachverständigen nicht begründen. Mit dieser Frage
hatte sich das Oberlandesgericht auseinanderzusetzen. Dieses hat
dargelegt, dass es keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der im ersten Rechtszug festgestellten Tatsachen habe
und eine erneute Tatsachenfeststellung nicht notwendig sei.
Der Vorwurf der Klägerin, der Beklagte habe es grob fahrlässig unterlassen, die Anknüpfungstatsachen ordnungsgemäß
aufzunehmen, er hätte insbesondere das Fahrzeug nachbesichtigen müssen, führt ebenfalls nicht zu einer groben Fahrlässigkeit. Weder aus dem Gutachten des Beklagten noch aus seiner ergänzenden Stellungnahme, noch aus seinen mündlichen
Erörterungen ergibt sich, dass ihm die Besichtigung des Fahrzeugs gefehlt habe. Das Gutachten ist in sich schlüssig und
nachvollziehbar und setzt sich sowohl mit sämtlichen Einwendungen der Klägerseite auseinander, als auch mit dem Gutachten. Zu berücksichtigen ist weiter, dass sich aus dem Beweisbeschluss weder ergibt, dass das Fahrzeug besichtigt werden kann,
noch, dass es besichtigt werden sollte. Die Frage der Nachbesichtigung ist weder in der ersten noch in der zweiten Instanz
erörtert worden. Bereits aus diesem Grunde scheidet grobe
Fahrlässigkeit aus, da sie voraussetzt, dass der Sachverständige
das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Weder die in der ersten und zweiten Instanz
beteiligten Richter noch die in diesen Instanzen tätig gewesenen
Prozessbevollmächtigten haben auf die Möglichkeit der Besichtigung hingewiesen. Es kann also nicht davon ausgegangen
werden, dass die Notwendigkeit einer Nachbesichtigung jedem
hätte einleuchten müssen.
Nach alledem kann eine grobe Fahrlässigkeit des Beklagten
nicht festgestellt werden. Die Klage ist abzuweisen.«
2.2.1.2.2. LG Bochum (Urteil vom 9. Juli 2008, Az.: 6 O
33/08): Abweichen von anderen Gutachten ist nicht
ausreichend für grobe Fahrlässigkeit!
Leitsatz der Entscheidung:
1. Allein aus der Tatsache, dass der Sachverständige mit
seinen Ausführungen von den Feststellungen des Privatgutachters abgewichen ist, ergibt sich der Vorwurf grob
fahrlässigen Verhaltens nicht ohne Weiteres.
2. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen
Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen
Praxis durchaus häufig und nicht ungewöhnlich; sie geben
keinen Grund zu der Annahme, der Sachverständige habe
objektiv grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet.
Aus den Gründen:
»Selbst wenn man unterstellen würde, dass das Gutachten unrichtig ist, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Allein aus der
Tatsache, dass der Beklagte mit seinen Ausführungen von den
Feststellungen des Privatgutachters des Klägers abgewichen ist,
ergibt sich der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens nicht ohne
Weiteres. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen
Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen Praxis
durchaus häufig und nicht ungewöhnlich; sie geben keinen
Grund zu der Annahme, der Sachverständige habe objektiv
grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet (vgl. dazu :
OLG Rostock OLG-Rep. 2006, 803 ff.; LG Kiel - Urteil vom
14.12.2006 - Az. 5 O 232/05 (juris Rdnr. 22)).
Zudem hat sich der Beklagte mit den entgegenstehenden
Ausführungen des Privatgutachters S sowohl in seinem schriftlichen Gutachten als auch bei beiden Anhörungen eingehend
auseinandergesetzt und seine Ausführungen nachvollziehbar
begründet. Angesichts dieser intensiven Auseinandersetzung
des Beklagten mit den entgegenstehenden Ausführungen des
Privatgutachters S kann nicht festgestellt werden, dass der Beklagte schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht
angestellt hat und seine Ausführungen objektiv in besonders
schwerwiegender Weise fehlerhaft sind. Jedenfalls hätte es
dazu entsprechenden Vortrages bedurft.
Hinzu kommt, dass sowohl das Landgericht als auch insbesondere das Oberlandesgericht in dem Vorprozess keinen Grund
gesehen haben, die Gutachten des Beklagten in Zweifel zu ziehen, sodass der Kläger schon hätte näher erläutern müssen, warum auch die Gerichte nicht nur übersehen haben sollen, dass
sie ihrer Entscheidung in Teilen unrichtige Ausführungen des Beklagten zugrunde legen, sondern dass dies auch jedem, also
auch den entscheidenden Richtern, aufgrund naheliegender
Überlegungen hätte einleuchten müssen (vgl dazu: OLG Rostock OLG-Rep. 2006, 803 ff.; LG Kiel - Urteil vom 14.12.2006
- Az. 5 O 232/05 (juris Rdnr. 22)). Dies gilt in diesem Fall um so
mehr, als das OLG Hamm in der Entscheidung vom 17.02.2006
eingehend begründet hat, warum es gerade die Ausführungen
des Beklagten für überzeugend angesehen hat, während es in
den entgegenstehenden Ausführungen des bei der 2. Anhörung sogar anwesenden Privatgutachters S keinen Grund gesehen hat, die Ausführungen des Beklagten in Zweifel zu ziehen,
weil diesen lediglich Vermutungen oder Spekulationen zugrunde liegen oder diese auf unzulässigen Umkehrschlüssen beruhen würden. Demnach hat das OLG Hamm trotz der abweichenden gutachterlichen Ausführungen des Beklagten und des
Privatgutachters nicht einmal Veranlassung gesehen, das beantragte weitere Gutachten einzuholen. Dies wäre jedoch zwingende Voraussetzung gewesen, wenn diese Ausführungen des
Beklagten objektiv so grob fehlerhaft gewesen wären, wie der
Kläger (pauschal ohne nähere Begründung) meint und sich dies
jedem – und damit zwangsläufig erst Recht den Mitgliedern
eines Fachsenates für Arzthaftungsfragen – hätte aufdrängen
müssen. Aus welchem Grunde sich dies deshalb bei diesen Ausführungen des OLG Hamm in dem Berufungsurteil jedem hätte
aufdrängen müssen, dass sie in grober Weise falsch sein sollen,
ist weder ersichtlich noch ansatzweise konkret begründet worden.«
2.2.1.2.3. LG Koblenz (Urteil vom 10. Dezember 2009,
Az.: 1 O 356/09) - Sachverständige: Keine Haftung
ohne hinreichenden Vortrag zum Verschulden!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Der Kläger muss Tatsachen vortragen, aus denen sich
ergibt, dass der Sachverständige vorsätzlich oder grob
fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat.
2. Allein aus der Tatsache, dass der Gerichtsgutachter mit
seinen Ausführungen teilweise zu einem anderen Ergebnis als der von einer Partei eingeschaltete Privatgutachter
gelangt, ergibt sich der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens nicht.
Aus den Gründen:
»Weiter hat die Klägerin ein hinreichendes Verschulden des Beklagten nicht substantiiert dargetan. Gemäß § 839a Abs. 1 BGB
setzt eine Haftung für ein unrichtiges Gutachten nämlich voraus, dass der Beklagte vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig gehandelt hat.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Vorsätzliches Handeln des Beklagten ist weder vorgetragen
noch sonst ersichtlich. Aber auch grobe Fahrlässigkeit lässt sich
dem Vortrag der Klägerin nicht entnehmen. Grobe Fahrlässigkeit setzt zunächst in objektiver Hinsicht voraus, dass der Beklagte die bei der Erstellung seines Gutachtens erforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet hat, was im vorliegenden Fall jedem habe einleuchten
müssen. Hinzukommen müssen außerdem subjektive Momente,
die eine gesteigerte Vorwerfbarkeit begründen (OLG Rostock,
OLGR Rostock 2006, 803; OLG Koblenz, OLGR Koblenz 2007,
198; Palandt-Grüneberg, BGB, 69. Auflage 2010, § 277 Rn. 5).
Diese Voraussetzungen können dem Vortrag der Klägerin
nicht entnommen werden. Die Klägerin hat insoweit lediglich
vorgetragen, dass der Einsatz des Mitarbeiters ebenso wie die
nicht erfolgte Offenlegung seiner Fachkompetenz durch den
Beklagten »unentschuldbar« sei. Dies ist in dieser pauschalen
Form nicht aussagekräftig; es ist nicht dargetan, warum das beanstandete Verhalten des Beklagten unentschuldbar sein soll
bzw. warum hier die aus objektiven und insbesondere auch subjektiven Elementen bestehende grobe Fahrlässigkeit bei der Erstellung des – vermeintlich – unrichtigen Gutachtens vorliegen.
Wenn das Gesetz aber für eine Haftung eines Gutachters derart
verschärfte Anforderungen an den subjektiven Tatbestand stellt,
muss der Kläger dazu entsprechend Tatsachen vortragen, aus
denen sich diese Voraussetzungen ergeben sollen (LG Bochum,
MedR 2009, 95). Daran fehlt es hier.
Selbst wenn man unterstellen würde, dass das Gutachten
unrichtig ist, führt dies zu keiner anderen Beurteilung der
Verschuldensvoraussetzungen des § 839a Abs. 1 BGB. Allein
aus der Tatsache, dass der Beklagte mit seinen Ausführungen
teilweise zu einem anderen Ergebnis als der von der Klägerin
nunmehr eingeschaltete Privatgutachter Prof. Dr. Dipl.-Ing. ...
gelangt ist, ergibt sich der Vorwurf grob fahrlässigen Verhaltens nicht. Unterschiedliche fachliche Auffassungen zu einzelnen Punkten unter Sachverständigen sind in der gerichtlichen Praxis nämlich durchaus häufig und nicht ungewöhnlich; sie geben keinen Grund zu der Annahme, der Sachverständige habe objektiv grob fahrlässig ein unrichtiges
Gutachten erstattet (OLG Ros­tock, OLGR Rostock 2006, 803).
Hinzu kommt, dass sowohl das Amtsgericht Andernach als
auch insbesondere das Landgericht Koblenz in dem Vorprozess keinen Grund gesehen haben, die Gutachten des Beklagten in Zweifel zu ziehen, sodass die Klägerin schon hätte
näher erläutern müssen, warum auch die Gerichte nicht nur
übersehen haben sollen, dass sie ihrer Entscheidung in Teilen
unrichtige Ausführungen des Beklagten zugrunde legen,
sondern dass dies auch jedem, also auch den entscheidenden
Richtern, aufgrund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten müssen (OLG Rostock, OLGR Rostock 2006, 803 ff.).
2.2.1.2.4. OLG Köln (Urteil vom 30. Januar 2012,
Az.: 5 U 222/11) – Keine grobe Fahrlässigkeit trotz
Abweichens von anderen Gutachten!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Die Abweichung eines medizinischen Sachverständigengutachtens von den Bewertungen anderer Sachverständiger ist für sich genommen kein ausreichender Hinweis auf eine Fehlerhaftigkeit oder ein grob fahrlässiges
Vorgehen.
2. Letzteres kann nicht angenommen werden, wenn der
Sachverständige die Abweichung schlüssig und nachvollziehbar begründet hat.
Aus den Gründen:
»Dass ein medizinisches Sachverständigengutachten von den
Bewertungen anderer Sachverständiger – hier denjenigen von
Prof. Dr. H., Dr. K. und Prof. Dr. G. – abweicht, ist für sich genommen kein ausreichender Hinweis auf eine Fehlerhaftigkeit
des Gutachtens oder gar ein grob fahrlässiges Vorgehen. Letzteres kann nicht angenommen werden, wenn der Sachverständige die Abweichung schlüssig und nachvollziehbar begründet
hat. So liegt es hier. Der Beklagte hat dargelegt, welche klinischen und labor-chemischen Befunde grundsätzlich auf eine
Endokarditis hinweisen, welche dieser Befunde hiervon im Behandlungsfall des Ehemanns der Klägerin fehlten (vgl. Bl. 223,
225, 226 der Beiakte 9 O 90/08 LG Aachen) und dass die vorhandenen Befunde demzufolge bei einer Betrachtung ex ante
unspezifisch und nicht richtungsweisend für eine Endokarditis
waren. Er hat ferner nachvollziehbar darauf aufmerksam gemacht, dass die Symptome Fieber, Durchfälle und Beschwerden
im Mittel- und Oberbauch – auch noch nach der unauffälligen
Stuhluntersuchung bei den anschließenden Vorstellungen des
Ehemanns der Klägerin am 22.9.2003 und 26.9.2003 – auf eine
Krankheitsursache im Bauchraum hinwiesen, während die kurze
Zeit zuvor, nämlich im Juli 2003, erfolgte kardiologische Kontrolluntersuchung keinen auffälligen Befund ergeben hatte (vgl.
Bl. 312 der Beiakte).«
2.2.1.2.5. LG Wiesbaden (Urteil vom 27. September
2013, Az.: 2 O 12/12): Keine grobe Fahrlässigkeit bei
Uneinigkeit verschiedener Sachverständiger!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 839a Absatz I BGB liegt
nicht vor, wenn verschiedene Sachverständige und Fachleute desselben Fachgebietes keine Einigkeit über die zu
beurteilende Frage erzielen können.
2. Der Geschädigte hat auch dann ein Rechtsmittel i.S.d.
§ 839a BGB i.V.m. § 839 Absatz III BGB unterlassen, wenn
er es im Vorprozess versäumt hat, Einwendungen gegen
das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten
hinreichend zu konkretisieren und deshalb einen Antrag
auf Einholung eines Obergutachtens nicht nachgekommen wird.
3. Hierfür ist es gegebenenfalls auch zumutbar, dass der
Geschädigte einen Privatgutachter beauftragt.
Aus den Gründen:
»Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.974,50 € weder aus § 280 BGB i.V. m. den
Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter
noch aus § 839a Absatz 1 BGB zu. Auch andere deliktsrechtliche Ansprüche bestehen nicht.
Der Klägerin steht kein Anspruch auf Zahlung von 5.974,50 €
aus § 280 Absatz I BGB i.V.m. den Grundsätzen des Vertrags mit
Schutzwirkung zugunsten Dritter zu, da bereits kein vertragliches Rechtsverhältnis zwischen dem Gericht und dem gerichtlich bestellten Sachverständigen besteht (vgl. Palandt/Sprau, §
839a, Randnummer 2), in dessen Schutzbereich die Klägerin
einbezogen sein könnte. Der Beklagte ist vielmehr kraft hoheit-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
lichem Auftrag mit der Erstellung eines Gutachtens betraut worden.
Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Zahlung von
5.974,50 € aus § 839a BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann ein
Verfahrensbeteiligter Ersatz des Schadens verlangen, der ihm
durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf einem
unrichtigen Gutachten beruht, das ein vom Gericht ernannter
Sachverständiger vorsätzlich oder grob fahrlässig erstattet hat.
Insoweit kann letztlich dahinstehen, ob das vom Beklagten
im Rahmen des amtsgerichtlichen Verfahrens erstellte Gutachten inhaltlich unrichtig ist. Jedenfalls fehlt es an der erforderlichen groben Fahrlässigkeit. Darüber hinaus scheitert der Anspruch auch an dem Haftungsausschluss des § 839a Abs. 2
i.V.m. § 839 Absatz 3 BGB.
Grobe Fahrlässigkeit i.S.d. Vorschrift liegt vor, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt als Sachverständiger in besonders
schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste
(BGH, NJW-RR 2011, NJW-RR Jahr 2011 Seite 1055). Maßstab
ist das für einen ordentlichen Sachverständigen im jeweiligen
Fachgebiet maßgebende Pflichtenprogramm (Thüringer OLG,
Urteil vom 07.11.2012 - OLG Jena Aktenzeichen 2U13512 2 U
135/12 - Rz. 42 zit. nach juris).
Dies ist jedoch vorliegend nicht feststellbar.
Hinsichtlich der Beweisfragen 2 und 6 streiten die Parteien
um die Frage, welche DIN zur Beurteilung der Beweisfragen anzuwenden ist. Dabei ist der Beklagte von der DIN 18202 ausgegangen, die Klägerin meint, die DIN 18065 sei als speziellere
Norm anzuwenden und der Verstoß gegen die Prüfung der spezielleren DIN stelle einen Kardinalfehler dar.
Nach den Ausführungen des Sachverständigen C ist für die
Beurteilung der Beweisfrage 2 sowohl DIN 18202 als auch DIN
18065 heranzuziehen, wobei er anlässlich der mündlichen Anhörung ausgeführt hat, in beiden Regelwerken seien verschiedene Sachverhalte nicht erfasst, sodass es sich insgesamt um ein
sehr schwieriges Feld handele. Insbesondere die zulässige Neigung der Podestplatte sei nirgends vorgeschrieben, sondern es
gebe nur eine Vorschrift zu Neigungen von Stufen. Die DIN
18065 sei aus seiner Sicht zwar spezieller, gebe aber keine Maximalneigung vor. Die DIN 18202 sei ebenfalls zu berücksichtigen, wobei zusätzlich zu beachten sei, dass das Podest im Außenbereich geneigt sein müsse. Danach sind für den Untergurt
und die Podestplatte zwei getrennte Sollwerte zu ermitteln. Für
die Sollwertermittlung des Untergurts gelte, dass dieser waagerecht zur Podestplatte verlaufen muss. Der Sollwert der Podestplatte wird nach den Ausführungen des Sachverständigen nach
DIN 18065 ermittelt. Dabei sei DIN 18065 als speziellere Norm
vor DIN 18202 anwendbar, da in Abschnitt 8 der DIN die Toleranzen bei Treppen geregelt seien für das Steigungsmaß und für
den Neigungswinkel zwischen den einzelnen Stufen. Der Sachverständige addiert beide Toleranzwerte und kommt auf eine
Gesamttoleranzdifferenz von 25,5 mm.
Nach der vorliegenden Stellungnahme des Bundesverbands
Metall – Vereinigung Deutscher Metallhandwerke – durch den
Geschäftsführer Technik, Herrn E (Bl. 140 d.A.) ist die DIN 18065
dagegen überhaupt nicht anwendbar auf Podeste, die auf einen
Treppenlauf folgen. Der Sachverständige C hat auf Vorhalt dessen anlässlich der mündlichen Anhörung angegeben, auch er
habe für seine Betrachtung die DIN 18202 herangezogen. Auch
er gibt zu, dass die DIN 18065 kein Maß enthält, wie eine Neigung des Podestes zu gestalten ist.
Schließlich liegt dem Gericht die Stellungnahme des vom Kläger beauftragten Privatsachverständigen D vor, der der Auffassung ist, zur Beurteilung einer Treppenkonstruktion hätte der
Beklagte unbedingt auf die DIN 18065 für Gebäudetreppen verweisen müssen.
Insgesamt liegt damit eine Situation vor, in der selbst verschiedene Sachverständige und Fachleute für das Metallhandwerk keine Einigkeit darüber erzielen können, welche DIN-Normen Anwendung finden. Aus dem Gutachten des gerichtlichen
Sachverständigen, das insoweit vom Geschäftsführer Technik
der Vereinigung Deutscher Metallhandwerke gestützt wird,
lässt sich zumindest schließen, dass die DIN 18202 für die Beurteilung der Podestplatte grundsätzlich zu beachten war, d. h. die
Einschätzung des Privatsachverständigen D, dass allein die DIN
18065 heranzuziehen sei, nicht zutrifft. Insoweit teilt das Gericht im Übrigen die Bedenken des Beklagten an der Qualifikation des Privatsachverständigen insofern, als dieser als Sachverständiger für das Tischlerhandwerk tätig ist. Darüber ist der gerichtliche Sachverständige offenbar davon ausgegangen, die
DIN 18065, die Vorschriften für die Neigung von Treppenstufen
enthält, sei entsprechend auf Podeste anzuwenden. Die Podest­
platte ist allerdings formal keine Stufe, was auch aus dem auszugsweise vorliegenden Inhaltsverzeichnis der DIN 18065, erkennbar wird (Bl. 136 d.A.). Die DIN 18065 unterscheidet zwischen Stufen, Austrittstufe und Podesten. Abschnitt 8.6 der DIN
18065 regelt allein die Neigung der Stufen. Die Podeste sind
damit selbst nicht Gegenstand der DIN 18065, sodass aus Sicht
des Gerichts diese DIN-Norm zum einen nicht als speziellere
Norm zwingend heranzuziehen war und zum anderen die Nichtbeachtung keinen Kardinalfehler des Sachverständigen darstellen kann. Die Spezialität einer DIN kann sich gegenüber einer
anderen DIN nur ergeben, wenn in ihr konkurrierende Inhalte
geregelt werden, was vorliegend offenbar nicht der Fall war.
Ein grob fahrlässiges Verhalten ist auch nicht im Hinblick auf
die Beweisfrage 3 des ursprünglichen Beweisbeschlusses festzustellen.
Der Sachverständige C ist in seinem Gutachten zu der Feststellung gekommen, dass die Oberfläche der Handlaufteile den
betreffenden Kriterien zur visuellen Beurteilung entspricht und
die Einschätzung des Beklagten in seinem Gutachten insoweit
nicht zutrifft.
Er bezieht sich insoweit auf das Fachregelwerk Metall, Fachblatt Fenster und Fassaden und sieht die am Handlauf vorhandenen Spuren als halbzeugbedingte Unebenheiten an, die durch
Walzen verursacht wurden (vgl. S. 5 der mündlichen Anhörung).
Als Betrachtungsabstand sei im Rahmen des genannten Regelwerks für außenliegende Bauteile eine Entfernung von 5 m anzunehmen.
Selbst wenn dies zutrifft, erscheint die Bewertung des Beklagten anhand des Fachregelwerks Metall, Ziff. 1.194.2, nämlich die Beurteilung anhand der gebrauchsüblichen Bedingungen (vgl. S. 5 unten der mündlichen Anhörung) zumindest
ebenso plausibel. Zum einen stellt der Handlauf einer Treppe
weder ein Fenster- noch ein Fassadenelement dar. Auch der Betrachtungsabstand von 5 m überzeugt für ein Teil, das in der
vereinbarten Verwendung täglich unter einem Abstand von weniger als 1 m betrachtet zu werden pflegt, nicht. Insoweit ist
ohnehin zu beachten, dass der Abstand lediglich in der Regel
Anwendung findet, d.h. Ausnahmen für besonders sichtbare
Teile durchaus zulässt. Auch hier vermag das Gericht letztlich
nicht zu erkennen, dass der Beklagte eine eindeutig speziellere
Regelung nicht herangezogen hat, da schon nicht erkennbar ist,
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
warum die Normen für Fenster und Fassaden Anwendung finden sollen.
Hinsichtlich der Beweisfrage 6 geht der gerichtlich bestellte
Sachverständige C mit dem Beklagten im Ergebnis von einem
Mangel aus, sodass sich die Prüfung der groben Fahrlässigkeit
ohnehin erübrigt.
Bezüglich der Rostbildung (Beweisfrage 8) war eine sachverständige Bewertung eines Fehlverhaltens des Beklagten nicht
angezeigt. Zum einen fehlt es insoweit an schlüssigem Vortrag.
Zum anderen ist dieser verspätet. In der Klageschrift hat die Klägerin ein Fehlverhalten des Beklagten hinsichtlich dieses Punktes
nicht ausdrücklich behauptet. Eine solche Behauptung ergab
sich auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang der Klageschrift. Zwar ist auf S. 2 und 3 der Klageschrift auch der Punkt 8
des Beweisbeschlusses des Amtsgerichts erwähnt. Auf S. 2 finden sich jedoch lediglich Ausführungen zum Inhalt des Gutachtens des Beklagten ohne eine Bewertung vorzunehmen. Auf S.
3 der Klageschrift ist lediglich die Beschreibung des Urteils erster
Instanz enthalten. Auch das zur Substantiierung der Klage herangezogene Privatgutachten des Sachverständigen D enthält
keine Stellungnahme zur Ziff. 8. Weitere Darlegungen zu einem
behaupteten Fehlverhalten des Beklagten im Hinblick auf Ziff. 8
des Beweisbeschlusses finden sich nicht, sodass dieser Aspekt
auch nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses im hiesigen Verfahren sowie Gegenstand der Beurteilung durch den Sachverständigen geworden ist. Von der Klägerin wurden anlässlich der
mündlichen Anhörung diesbezüglich auch keine Fragen an den
Sachverständigen gestellt. Erstmals im Schriftsatz vom
05.06.2013 stellte die Klägerin fest, dass es bislang an Feststellungen zur sachverständigen Bewertung des Beklagten zur Ziff.
8 des Beweisbeschlusses des Amtsgerichts ermangele. Dieser
Vortrag ist jedoch zum einen unsubstantiiert und unschlüssig,
da weder ersichtlich ist, welcher Verstoß dem Beklagten konkret
vorgeworfen wird noch warum dem eine grobe Fahrlässigkeit
zugrunde liegen soll. Der Vortrag ist im Übrigen verspätet gemäß § 296 Absatz 2 ZPO und damit zurückzuweisen. Denn die
Klägerin war gehalten, sämtliche Angriffe gegen das vom Beklagten erstellte Sachverständigengutachten im Rahmen der
Klage bzw. der dem Beweisbeschluss vorangegangenen Schriftsätze vorzubringen. Nachdem sich in der Klageschrift überhaupt
keine Anhaltspunkte für die Behauptung eines diesbezüglichen
Fehlverhaltens finden, war kein Hinweis des Gerichts nach § 139
ZPO angezeigt, da die Hinweispflicht nicht dazu dient, den Prozessstoff, über den die Parteien disponieren können, inhaltlich
zu erweitern. Der neue Vortrag nach Anhörung des Sachverständigen im Juni 2013 stellt einen Verstoß gegen die Prozessförderungspflicht des § 282 ZPO dar. Dieser Verstoß beruht
auch auf grober Nachlässigkeit, da für die Klägerin spätestens
mit Erlass des Beweisbeschlusses im hiesigen Verfahren erkennbar war, dass das Gericht keinen Vortrag zu Ziff. 8 des ursprünglichen Beweisbeschlusses erkennen vermochte. Spätestens in
diesem Verfahrensstadium hätte sich aufdrängen müssen, dass
dieser Aspekt noch nicht vorgetragen worden war und eine Erweiterung des Beweisbeschlusses wäre noch ohne zeitliche Verzögerung möglich gewesen. Dagegen würde die Zulassung des
verspäteten Vortrags im jetzigen Stadium den Rechtsstreit verzögern, da aufgrund des Bestreitens des Beklagten eine erneute
Beweisaufnahme erforderlich wäre, der Rechtsstreit aber ansonsten entscheidungsreif ist.
Darüber hinaus scheitert ein Anspruch der Klägerin gegen
den Beklagten auch an der Vorschrift des § 839a Abs. 2 i.V.m.
§ 839 Abs. 3 BGB. Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschrift sind
die von der ZPO vorgesehenen Rechtsbehelfe, die es einer Partei
ermöglichen, gegen das ihrem Dafürhalten nach fehlerhafte
Gutachten vorzugehen und dessen Abänderung zu bewirken
(OLG München, Urteil vom 25.07.2013 - Aktenzeichen 1U61513
1 U 615/13, Rz. 26 - zit. nach juris). Die Partei muss daher sämtliche zur Korrektur des als unrichtig angesehenen Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen
Rechtsbehelfe ausschöpfen (OLG München, a.a.O.). Der Bundesgerichtshof hat in seinen Entscheidungen vom 28.07.2006
und 05.07.2007 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § ZPO § 411 Abs. ZPO § 411 Absatz
4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, und an formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens (§ 412
ZPO) zu denken ist (BGH, NJW-RR 2006, Seite 1454; BauR 2007,
Seite 1852). Vorliegend ist schon nicht erkennbar, dass die Klägerin im Vorprozess bereits erstinstanzlich einen Antrag auf Einholung eines Obergutachtens gestellt hätte. Darüber hinaus
fehlt es insgesamt an einer Substantiierung der Einwendungen,
beispielsweise durch Vorlage der Regelwerke und ggf. der Einholung eines Privatgutachtens. Aus dem Urteil des Landgerichts
Wiesbaden als Berufungsgericht ist erkennbar, dass die Klägerin
ihre bereits damals geäußerten Einwände gegen die Anwendung der DIN 18202 nicht ausreichend substantiiert hat, sodass
das Berufungsgericht in seinem Urteil (UA Bl. 6) entscheidend
darauf abgestellt hat, dass z.B. Vorgaben nach der Fachliteratur
nicht näher konkretisiert und dem Sachverständigen bei der Anhörung kein entsprechender Vorhalt gemacht wurden. Aus diesem Grund wurde auch der im Rahmen der Berufung gestellte
Antrag auf Einholung eines Obergutachtens zurückgewiesen.
Letztlich kann eine Partei, die einem unrichtigen Gutachten begegnen will, es nicht mit formalen Anträgen belassen, sondern
muss diese auch inhaltlich so fassen, dass die geäußerten Einwendungen für den Sachverständigen und das Gericht erkennbar sind, bei einer Anhörung zur Sprache kommen (OLG München, a.a.O., Rz. 27) und so ggf. die Voraussetzungen für die
Einholung eines Obergutachtens geschaffen werden. Soweit die
Partei hierzu nicht selbst in der Lage ist, mag es im Einzelfall erforderlich sein, einen Privatsachverständigen zu beauftragen um
so fachlich qualifizierte Einwendungen gegen ein Gutachten
vorzutragen. Dies hat die Klägerin vorliegend unterlassen, sodass es im Erstprozess aus diesen Gründen nicht zur weiteren
Aufklärung der Frage der Mangelhaftigkeit des Werkes gekommen ist. Der darin liegende Verstoß gegen § 839 Absatz 3 BGB
erfolgte auch schuldhaft, da der anwaltlich beratenen Klägerin
die hohen Anforderungen an die Einholung eines Obergutachtens nach § 412 ZPO bekannt gewesen sein mussten.«
2.2.1.3. Sonstige Fälle
2.2.1.3.1. OLG Celle (Beschluss vom 6. Mai 2004,
Az.: 4 U 30/04): Keine grobe Fahrlässigkeit trotz
unterbliebener Besichtigung bei Wertgutachten
Leitsätze der Entscheidung:
1. Auch nach der Einführung von § 839a BGB verbleibt es
dabei, dass gegen den mit einem Wertgutachten im
Zwangsversteigerungsverfahren beauftragten Sachverständigen vertragliche oder vertragsähnliche Ansprüche
der Verfahrensbeteiligten nicht bestehen.
2. Sieht der Sachverständige von einer Besichtigung des
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Versteigerungsobjekts ab, weil ihm z.B. der Zutritt nicht
gestattet wird, und weist er im Gutachten ausdrücklich
darauf hin, können Ansprüche nach § 839a BGB nicht auf
die unterbliebene Besichtigung gestützt werden.
Aus den Gründen:
»2. Mit Recht hat das LG einen Anspruch nach dem hier allein in
Betracht kommenden § 839a BGB verneint. Dabei hat das LG
die Frage offen gelassen und bereits zu Gunsten der Kl. positiv
unterstellt, ob der Zuschlagsbeschluss zu Gunsten der Kl. als
Meistbietende überhaupt eine gerichtliche Entscheidung i.S.
von § 839a BGB darstellt, die auf dem Gutachten des Bekl. als
Wertgutachter beruht. Das kann theoretisch zweifelhaft sein,
weil jedenfalls unmittelbar die gerichtliche Entscheidung, deren
Vorbereitung das Wertgutachten dient, die gerichtliche Festsetzung des Verkehrswerts und die darauf beruhende Bestimmung
des Mindestgebots ist und nicht der Zuschlag, der sich bei die
Versteigerungsbedingungen erfüllenden Geboten nach dem
Meistgebot richtet und dann unabhängig von der Wertfestsetzung ist. Der Senat lässt auch dahingestellt, ob das LG konsequent argumentiert, wenn es einerseits zu Gunsten der Kl. unterstellen will, dass der Zuschlagsbeschluss doch eine gerichtliche Entscheidung sei, die auf dem Wertgutachten i.S. des §
839a BGB beruht, dann aber andererseits die Kausalität der
Wertfestsetzung für den Zuschlag verneint, weil das Gebot der
Kl. i.H. von 197.000 € 60,04 % des vom Bekl. festgestellten Verkehrswertes betrug und damit das 5/10 Mindestgebot von
164.050 € deutlich überstieg. Der Senat neigt zwar auch dieser
Auffassung zu, sieht aber andererseits, dass die Bieter im
Zwangsversteigerungsverfahren sich bei der Abgabe von Geboten zumindest bei der Höhe auch am sachverständig ermittelten
Verkehrswert orientieren, es könnte deshalb problematisch sein,
einerseits ein »Beruhen« des Zuschlagsbeschlusses auf dem
Wertgutachten zu bejahen, dann aber andererseits die Kausalität zwischen Wertgutachten und Zuschlagsbeschluss jedenfalls
dann zu verneinen, wenn der Zuschlag auf Grund von Geboten
erfolgt, die das Mindestgebot übersteigen. Denn dann hinge die
Haftung des Wertgutachters für unrichtige Gutachten in der
Praxis von der Höhe der späteren Gebote ab, auf deren Grundlage der Zuschlag erteilt wird. Ob das eine sachgerechte Differenzierung wäre, würde der Senat nicht im Verfahren nach §
522 Absatz II ZPO entscheiden, weil diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung sein könnte. Der Senat unterstellt deshalb im
Gegensatz zum LG zu Gunsten der Kl. auch, dass die Klage nicht
an einer fehlenden Kausalität zwischen dem Gutachten des
Bekl. und dem Zuschlagsbeschluss scheitert.
Entscheidend ist vielmehr, dass das LG mit Recht Vorsatz oder
grobe Fahrlässigkeit des Bekl. in seinen Ausführungen auf Seite
7/8 des Urteils auch auf der Grundlage des von den Kl. vorgetragenen Sachverhalts verneint hat. Dabei lässt der Senat wiederum offen, ob die Kl. überhaupt hinreichend vorgetragen haben, dass das Gutachten des Bekl. objektiv in dem Sinne unrichtig war, dass der Verkehrswert zu hoch angesetzt worden sei.
Immerhin haben die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten
der Kl. in ihrer damaligen Eigenschaft als Bevollmächtigte der
Versteigerungsschuldnerin das Gutachten des Bekl. im Beschwerdeverfahren mit der Begründung angegriffen, er habe im
Gegenteil den Wert zu niedrig bemessen. Jedenfalls fehlt es an
einem die Haftungsvoraussetzungen des § 839a BGB erfüllenden Grad des Verschuldens. Ein vorsätzlich unrichtiges Gutachten behaupten auch die Kl. nicht; dafür wäre auch nichts
ersichtlich. Ob der Bekl. einfach fahrlässig gehandelt hat, kann
dahingestellt bleiben, weil einfache Fahrlässigkeit für eine Haftung nach § 839a BGB nicht genügt. Dass der Bekl. aber die ihm
obliegende Sorgfalt in grober Weise vernachlässigt hätte, haben
die Kl. nicht dargetan.
Ohne Erfolg machen sie geltend, eine grobe Fahrlässigkeit
liege darin, dass der Bekl. die Lagerhalle auch bei der Erstattung
des Ergänzungsgutachtens nicht besichtigt habe. Der BGH hat
bereits in seiner Entscheidung (BGH, NJW 2003, Seite 2825 =
NZM 2003, Seite 728 = NZBau 2003, NZBAU Jahr 2003 Seite
564) zu dieser Frage auf die Problematik hingewiesen, die für
Wertgutachter im Zwangsversteigerungsverfahren bei der Besichtigung des Objekts besteht. Er hat deshalb für geboten erachtet, dass der Sachverständige dann, wenn er ohne Besichtigung Anknüpfungstatsachen für sein Gutachten unterstellt,
dies im Gutachten auch kenntlich machen muss (BGH, NJW
2003, Seite 2825, 2827, linke Spalte). Dem hat aber der Bekl. in
seinem Gutachten entsprochen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er die Lagerhalle von innen nicht besichtigt habe.
So heißt es im Gutachten vom 24.06.2002 zur Erläuterung der
Ortsbesichtigung vom 17.06.2002: »Trotz des Schreibens vom
03.06.2002 mit der Ankündigung und der Bitte um Teilnahme
an der Ortsbesichtigung öffnete auch nach mehrmaligem Läuten niemand. Die Ortsbesichtigung fand ohne Teilnehmer statt,
die Gebäude konnten nicht betreten werden.«
Die Bewertung der Lagerhalle beruhte daher – wie aus dem
Gutachten erkenntlich war – auf den dem Sachverständigen
vorliegenden schriftlichen Unterlagen (Baubeschreibung pp.)
und dem äußeren Eindruck. In seinem Nachtrag vom 17.09.2002
zum Gutachten hat der Bekl. lediglich das Wohngebäude, was
ihm nunmehr im Beschwerdeverfahren von der beschwerdeführenden Vollstreckungsschuldnerin gestattet wurde, nicht aber
die Lagerhalle besichtigt. Die Nichtbesichtigung der Halle können die Kl. dem Bekl. aber schon deswegen nicht als grobe
Nachlässigkeit anlasten, weil es seinerzeit allein darum ging, ob
der Sachverständige den Wert zu niedrig angesetzt hatte. Sein
Hinweis, das Merkmal »Thermohalle” habe er bereits in seiner
abstrakten Bewertung zu Grunde gelegt, war deshalb geeignet,
jedenfalls die Entscheidungsgrundlage für die bisherige Bewertung der Lagerhalle beizubehalten. Dass der Bekl. bei dieser damals bestehenden Entscheidungssituation etwa grob fahrlässig
bezüglich der Halle von einer Besichtigung Abstand genommen
hätte, erscheint daher abwegig. Im Übrigen konnten die Kl. den
Wertgutachten des Bekl. entnehmen, dass die Bewertung der
Lagerhalle ohne Besichtigung von innen erfolgt ist und mussten
deshalb mit den Unwägbarkeiten, die sie jetzt zur Grundlage ihrer Schadensersatzforderung machen, von vornherein rechnen.«
2.2.1.3.2. OLG Koblenz (Beschluss vom 14. Juli
2006, Az.: 10 U 1685/05): Voraussetzungen der
zivilrechtlichen Haftung des Sachverständigen
Leitsatz der Entscheidung:
Maßstäbe für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im Rahmen des § 839a BGB.
Aus den Gründen:
»Der Beklagten kann ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges
Handeln nicht vorgeworfen werden. Vorsatz ist dabei das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolges; der Handelnde
muss den rechtswidrigen Erfolg vorausgesehen und in seinen
Willen aufgenommen haben, ohne ihn jedoch gewünscht oder
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beabsichtigt haben zu müssen. Davon kann vorliegend nicht
ausgegangen werden. Es sind keine Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Handeln der Beklagten dargetan oder sonst ersichtlich.
Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die verkehrserforderliche
Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem
einleuchten musste. Den Handelnden muss dabei auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen. Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann die teilweise unrichtige
Gutachtenerstattung der Beklagten nicht als grob fahrlässig angesehen werden.
Hinsichtlich der Wohnflächenangabe ergibt sich aus dem
Gutachten deutlich, dass die Beklagte die Wohnfläche nicht
selbst vollständig nachgemessen hatte, sondern auf der Grundlage von Plänen errechnet hatte, die von ihr stichprobenartig
überprüft worden waren. Indem die Beklagte diese Umstände
explizit in ihrem Gutachten erwähnte, erfüllte sie die verkehrserforderliche Sorgfalt. Diese erfordert nicht, dass der Sachverständige alle Angaben in seinem Gutachten selbst ermittelt oder
überprüft hat, da ihm dies oftmals mangels Einverständnis des
Grundstückseigentümers oder wegen der örtlichen Gegebenheiten nicht möglich ist und er deshalb auf schriftliche Unterlagen oder mündliche Angaben anderer Personen vertrauen
muss; dem Sachverständigen obliegt in derartigen Fällen jedoch
der ausdrückliche Hinweis darauf, dass sich seine Wertermittlung nicht auf selbst gewonnene Erkenntnisse stützt. Der von
der Beklagten in das Gutachten aufgenommene Hinweis ist insoweit als ausreichend anzusehen.
Die unrichtige Angabe eines Kanalanschlusses beruht auch
nicht auf einem grob fahrlässigen Handeln der Beklagten. Diese
hat dargelegt, dass es sich dabei um einen von ihr nicht bemerkten Druckfehler gehandelt habe; ein Kanalanschluss sei bei der
späteren Wertfestsetzung auch nicht berücksichtigt worden, da
sie die Versorgungs- und Entwässerungsanlagen mit nur 6.000
DM bewertet habe. Die Kläger, die für sämtliche Voraussetzungen des § 839a BGB darlegungs- und beweispflichtig sind,
vermochten diese Darstellung der Beklagten nicht hinreichend
zu entkräften. Der Umstand, dass »Kanalanschluss« auf Seite 5
des Gutachtens angegeben ist, rechtfertigt nicht den Rückschluss, diese falsche Angabe beruhe auf grober Fahrlässigkeit.
Das Gutachten zeigt von seinem übrigen Inhalt her, dass die Beklagte nicht vorhandene, Wert bildende Faktoren mit dem Zusatz »kein« aufnahm (z.B. Seite 5 »keine Grenzbebauung«,
»keine Gehwege«). Ihre Behauptung, die Angabe »Kanalanschluss« sei ein Druckfehler, ist mithin nachvollziehbar, als es
hätte richtig heißen müssen »kein Kanalanschluss«. Dieses Versehen kann nicht als so schwerwiegend angesehen werden,
dass es die dargestellten Anforderungen der groben Fahrlässigkeit erfüllt. Insbesondere ist erklärlich, dass der Beklagten als
Fachkraft die unterlassene Angabe eines fehlenden Kanalanschlusses auf Seite 5 des Gutachtens nicht auffiel, da sie auf Seite 26 bei der Wertermittlung – jedenfalls nach ihrem unwiderlegten Verständnis – einen Kanalanschluss nicht berücksichtigt
hatte. Der Beklagten kann daher nur einfache Fahrlässigkeit bei
der Erstattung ihres teilweise unrichtigen Gutachtens vorgeworfen werden, was indes für eine Haftung gemäß § 839a BGB
nicht ausreicht. Andere Anspruchsgrundlagen kämen wegen
der Spezialität des § 839a BGB im Falle seiner Anwendbarkeit
nicht in Betracht.«
2.2.1.3.3. KG Berlin (Beschluss vom 10. Januar 2007,
Az.: 12 W 61/06): Keine grobe Fahrlässigkeit trotz
unterlassener Fahrzeugbesichtigung!
Leitsatz der Entscheidung:
Gelangt der Sachverständige allein aufgrund des Schadensbildes der ihm vorliegenden Fotos – ohne mögliche
Gegenüberstellung der unfallbeteiligten Fahrzeuge – zu
dem Ergebnis, es lasse sich nicht feststellen, welches Fahrzeug den Fahrstreifen gewechselt habe, und billigt das
auftraggebende Gericht diese Vorgehensweise, so handelt er nicht grob fahrlässig im Sinne des § 839a BGB,
wenn er eine Gegenüberstellung der Fahrzeuge unterlässt.
Aus den Gründen:
»Der Antragsgegner hat in seinem Gerichtsgutachten vom 4.
April 2003 die Behauptung eines unfallursächlichen Fahrstreifenwechsels des seinerzeitigen Beklagten nicht bestätigt, sondern ist auf Grundlage der ihm vorgelegten Fotos zu dem Ergebnis gelangt, aufgrund der Beschädigungen an den Fahrzeugen
lasse sich nicht feststellen, welches Fahrzeug den Fahrstreifen
gewechselt habe.
Dass dieses Ergebnis auf Grundlage des vorliegenden Materials, also vornehmlich der zunächst vorliegenden Fotos, unzutreffend war, behauptet auch der Anspruchsteller nicht.
Es ist aber auch nicht ersichtlich, dass eine Rekonstruktion
des Unfalls durch Gegenüberstellung des noch vorhandenen
Klägerfahrzeuges, auf die sich nunmehr der Sachverständige
Prof. R. bezogen hat, seinerzeit in einer Weise geboten war,
dass dem Antragsgegner ein grob fahrlässiges Unterlassen vorzuwerfen ist.
Nach § 404a Abs. 1 ZPO obliegt es dem Gericht, die Tätigkeit
des Sachverständigen zu leiten und ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen zu erteilen. Dies folgt daraus, dass der
Sachverständige nur Gehilfe des Gerichts bei der Auswertung
ihm vorgegebener Tatsachen durch die aus seinem Fachwissen
hergeleiteten Bewertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen ist, die das Gericht sodann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu würdigen hat (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 26. Auflage
2007, § 404a ZPO, Rn. 1 m.w.N.).
Im Rahmen dieser Leitung des Sachverständigen ist vor dem
Landgericht seinerzeit die Frage einer möglichen Gegenüberstellung der Fahrzeuge erörtert worden, wie sich aus den Entscheidungsgründen ergibt. Dabei hat die auf Verkehrsunfallsachen spezialisierte Berufungskammer des Landgerichts ausdrücklich zur Kenntnis genommen, dass der Sachverständige D.
seine gutachterlichen Feststellungen ohne Gegenüberstellung
der Fahrzeuge getroffen hat und hat dies ebenso ausdrücklich
gebilligt. Nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung der
Ausführungen des Antragstellers in den Anwaltsschriftsätzen
vom 14. Mai und 21. August 2003 hat das Landgericht seinerzeit keine Veranlassung gesehen, eine weitergehende Begutachtung und Gegenüberstellung zu veranlassen.
Damit hat das Landgericht die Vorgehensweise des Antragsgegners bei der Gutachtenerstellung ausdrücklich gebilligt. Dies
schließt es aus, dem an die Anordnungen des Landgerichts gebundenen Antragsgegner den haftungsbegründenden Vorwurf
grober Fahrlässigkeit durch unzureichenden Aufwand bei der
Begutachtung zu machen: Er hat sich im Rahmen dessen gehalten, was das Landgericht von ihm verlangt hat.«
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Festschrift BauSV 1/2015
2.2.1.3.4. OLG Schleswig (Urteil vom 5. Juli 2007,
Az.: 14 U 61/06): Feststellung von Baumängeln keine
Sachverständigenpflicht bei Verkehrswertgutachten!
Leitsätze der Entscheidung:
1.) Für die sachliche Richtigkeit eines Verkehrswertgutachtens im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens
kommt es nur darauf an, ob der Verkehrswert richtig geschätzt worden ist, wobei Abweichungen von 12,5 % sich
noch im tolerablen Rahmen halten.
2.) Die Feststellung von Baumängeln gehört nicht zur
Sachverständigenpflicht, sie haben im Rahmen eines solchen Gutachtens nur Bedeutung für die Feststellung des
Verkehrswertes, weshalb sich ein Ersteigerer insoweit
nicht auf die Richtigkeit und Vollständigkeit des Gutachtens berufen oder verlassen kann.
Aus den Gründen:
»§ 839a BGB ist die zutreffende Anspruchsgrundlage auch für
Schadensersatzansprüche des Ersteigerers im Verfahren der
Zwangsversteigerung, wenn der Zuschlagsbeschluss auf einem
unrichtigen Wertgutachten beruht. Dabei muss der entstandene
Vermögensschaden in den Schutzbereich der verletzten Sachverständigenpflicht fallen (vgl. BGH WuM 2006, S. 262/263).
Soweit der Kläger meint, dass die Sachverständige an dem ersteigerten Objekt vorhandene (Bau-) Mängel nicht festgestellt
bzw. nicht richtig bewertet habe, vermag dies der Berufung
nicht zum Erfolg zu verhelfen. Durch ein Verkehrswertgutachten im Rahmen der Zwangsversteigerung soll der Verkehrswert
zu einem bestimmten Stichtag festgestellt werden. Nur hierauf
bezieht sich die Pflicht des Sachverständigen. Denn aufgrund
der Feststellungen des Sachverständigen wird der Verkehrswert
vom Gericht im Wege des Beschlusses festgesetzt. Es kommt
deshalb allein darauf an, ob dieser Verkehrswert richtig ist. Dagegen gehört die Feststellung von Baumängeln und Bauschäden nicht zu der Sachverständigenpflicht. Diese sind zwar gemäß § 21 Abs. 3 der WertV zu berücksichtigen. Bedeutung haben sie jedoch lediglich für die Feststellung des Verkehrswertes.
Sie haben keine eigenständige Außenwirkung dergestalt, dass
sich der Ersteigerer im Rahmen einer Zwangsversteigerung auf
die Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Baumängel
und Bauschäden und deren kostenmäßige Bewertung berufen
kann. Dabei ist zudem zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Verkehrswertermittlung um eine Schätzung handelt und auch
die Baumängel und Bauschäden danach bewertet werden, welchen Einfluss sie auf den Kreis potenzieller Erwerber haben. So
wirken sich geringfügige Mängel zum einen gar nicht auf den
Verkehrswert aus, zum anderen sind Mängel auch in der allgemeinen Einschätzung des Objektes stillschweigend enthalten.
Falls das Gutachten und damit der Verkehrswert unrichtig
sind, kommt eine Haftung des Sachverständigen nur dann in
Betracht, wenn die fehlerhafte Feststellung auf grober Fahrlässigkeit beruht. Grob fahrlässig handelt jemand, der die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ihm also
nachgewiesen wird, dass er ganz naheliegende Überlegungen
nicht angestellt oder nicht beachtet hat, die ihm in der konkreten Situation hätten einleuchten müssen. Bei einem Sachverständigen kommt es dabei darauf an, was einem Sachkundigen
sofort in den Sinn kommt (vgl. Münchner Kommentar - Grundmann, BGB, 5. Aufl., § 276 Rnr. 94 m.w.N.).
1. a.) Nach den überzeugenden schriftlichen Ausführungen
des gerichtlichen Sachverständigen können der Beklagten hin-
sichtlich der Feststellung und Bewertung der einzelnen von dem
Kläger gerügten Baumängel keine Fehler nachgewiesen werden.
Danach war es zwar für die Beklagte erkennbar, dass die
Treppe zum Spitzboden zu kurz war. Im Rahmen der Wertermittlung handelt es sich jedoch dabei nur um einen kleineren Schönheitsfehler, der sich nicht auf den Verkehrswert auswirkt.
Bei den zu kurz geratenen und unfachmännisch verlegten
Dielen im Obergeschoss handelt es sich ebenfalls um einen kleineren Schönheitsfehler, der sich nicht auf den Verkehrswert auswirkt. Ein Großteil möglicher Erwerber würde die Dielen mit
Auslegwaren abdecken, sodass dieser Mangel nicht augenscheinlich wird.
Die beanstandete Abdeckung des Abluftrohres im Obergeschoss wird auch von dem gerichtlichen Sachverständigen weder als laienhaft noch als undekorativ bewertet. Diese Einschätzung wird durch die Lichtbilder Anlage F zum Gutachten bestätigt.
Der Sachverständige hat zwar festgestellt, dass die Trennwand zwischen Kinder- und Elternschlafzimmer einen Versprung
aufweist, der von einem Sachverständigen auch bemerkt worden wäre. Ein ausdrücklicher Hinweis auf diesen Versprung wird
von dem Sachverständigen allerdings nicht als erforderlich angesehen. Seiner Meinung nach würde lediglich allgemein ausgeführt werden, dass zwischen Planbestand (Bauakten der Bauordnungsbehörde) und den örtlichen Gegebenheiten im Detail
Abweichungen bestehen. Im Übrigen hat die Trennwandgestaltung zwischen den Zimmern keinerlei Auswirkungen auf den
Verkehrswert, zumindest keine wesentliche wertrelevante oder
messbare Auswirkung.
Zu den weiteren von dem Kläger gerügten Mängeln unter
Ziff. II. 5) - 12) des Beweisbeschlusses vom 1. September 2006
(Bl. 196 ff. d.A.) weist der Sachverständige nach, dass in dem
beanstandeten Gutachten die normalen Herstellungskosten mit
einem niedrigeren Basiswert gerechnet worden waren. Zudem
sei eine Wertminderung wegen Alters berücksichtigt worden.
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen
ist es daher nicht sachgerecht, bezüglich der Fragen II 5) - 8) und
10) - 12) einen zusätzlichen höheren Abschlag vorzunehmen.
Die Vorgehensweise der Beklagten ist insoweit nicht zu beanstanden.
Die Position 9) wird von dem Sachverständigen als gegenstandslos angesehen, da die Außenanlagen sehr maßvoll mit lediglich 8.018,00 € im Gutachten berücksichtigt wurden.
Hinsichtlich der von der Beklagten vorgenommenen Wertminderung unter anderem wegen der Risse im Erkerbereich (Ziffer III. des Beweisbeschlusses) kommt der Sachverständige zu
dem überzeugenden Ergebnis, dass die von der Beklagten gewählte Vorgehensweise und Schätzung des Abschlags in Höhe
von pauschal 4.000,00 € angemessen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bereits eine Wertminderung wegen Alters vorgenommen wurde und die normalen Herstellungskosten maßvoll
in Ansatz gebracht worden sind. Der Sachverständige weist darauf hin, dass es nicht korrekt wäre, die Höhe der tatsächlichen
Kosten zur Baumängel- und Bauschädenbeseitigung voll in Ansatz zu bringen. Denn das Verkehrswertgutachten soll lediglich
den Immobilienmarkt widerspiegeln, also aus dem Marktverhalten Rückschlüsse auch bezüglich der Beurteilung von Baumängeln und Bauschäden ziehen. In der Regel würden Abschläge
gebildet, die sich nicht auf die Höhe der Kosten, die tatsächlich
entstanden seien, belaufen würden.«
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
2.2.1.3.5. OLG Frankfurt am Main (Urteil
vom 2. Oktober 2007, Az.: 19 U 8/07):
Sachverständigenhaftung wegen eines grob
fehlerhaften anthropologischen Vergleichsgutachtens
zur Täteridentifizierung nach einem Bankraub
Leitsatz der Entscheidung:
Zu den Voraussetzungen der Haftung eines Gerichtssachverständigen wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und Freiheitsentziehung auf Schmerzensgeld wegen Erstattung eines objektiv falschen anthropologischen Vergleichsgutachtens, das in einem Strafprozess
zur Verurteilung des (unschuldigen) Angeklagten zu einer
mehrjährigen Freiheitsstrafe führte.
Aus den Gründen:
»1. In der Rechtssprechung ist anerkannt, dass ein in einem gerichtlichen Verfahren tätiger Gutachter für eine Verletzung der
in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter dann – und nur
dann – haftet, wenn die Verletzung auf einer Falschbegutachtung beruht und das Gutachten in grob fahrlässiger Weise oder
vorsätzlich falsch erstellt wurde (BVerfG NJW 1979, 305; BGH
NJW 1974, 312; OLG Schleswig NJW 1995, 791). Grobe Fahrlässigkeit ist etwa dann gegeben, wenn der Gutachter naheliegende Überlegungen nicht beachtet und/oder bei der Begutachtung Umstände bei der Befunderhebung und -auswertung
nicht berücksichtigt, deren Beachtung nach den wissenschaftlichen Regeln der Begutachtung erwartet werden konnten, dies
insbesondere im Hinblick auf die weitreichende Bedeutung und
die schwerwiegenden Folgen seines Gutachtens in einem Strafprozess für den Angeklagten.
Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil den Beurteilungsmaßstab des groben Verschuldens zutreffend herausgearbeitet und konkrete Umstände der Gutachtenerstattung des
Beklagten diesem Maßstab zugeordnet. Die Feststellung dieser
Umstände hat es rechtsfehlerfrei aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Rahmen der Beweiswürdigung abgeleitet. Der Senat schließt sich im Wesentlichen den tragenden Gründen der
Entscheidung an und macht sich diese zu Eigen.
2. Der Senat sieht dabei allerdings eine grob fahrlässig verursachte Fehlerhaftigkeit der Gutachtenerstattung nicht bereits in
dem schriftlichen Gutachten des Beklagten vom 12.11.1992 begründet. Insbesondere liegt eine Fehlerhaftigkeit dieses Gutachtens nicht bereits in dem von dem Beklagten verwendeten methodischen Ansatz, den der Beklagte bei seiner Gutachtenerstattung zu Grunde gelegt hat. Insoweit lässt sich auch nach
dem Gutachten des Sachverständigen C feststellen, dass es zum
Zeitpunkt der Gutachtenerstattung durch den Beklagten noch
keine schriftlich fixierten Empfehlungen der Gesellschaft für Anthropologie oder anderer forensischer Wissenschaften gab, gegen die der Beklagte verstoßen haben könnte. Vielmehr wird
dem Beklagten vom Sachverständigen C attestiert, dass sich der
Beklagte prinzipiell an die Grundsätze und formalen und strukturellen Verfahrensweisen einer Identitätsbegutachtung gehalten hat und sich keine hinreichenden Hinweise dafür finden,
dass das unzutreffende Ergebnis seiner Begutachtung auf
grundlegende Methodenverstöße der Befunderhebung zurückzuführen ist (Gutachten S. 47). Daher kann auch offenbleiben,
ob die von dem Sachverständigen D anhand des ihm zur Verfügung stehenden Lichtbildmaterials herausgearbeiteten Ausschlusskriterien gegen eine Täterschaft des Klägers zutreffen
und diese dementsprechend von dem Beklagten verkannt wur-
den. Eine Fehlerhaftigkeit des schriftlichen Gutachtens ist den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen C folgend,
jedoch darin zu sehen, dass der Beklagte das als Ergebnis seiner
anthropologischen Vergleichsbegutachtung verwendete Prädikat der Übereinstimmung der Tätermerkmale mit denen des
Klägers als »mit sehr großer Wahrscheinlichkeit … ein und dieselbe Person« nicht näher erläutert hat, insbesondere die in dem
Prädikat nach den wissenschaftlichen Standards enthaltenen
Unsicherheitsintervalle nicht kenntlich gemacht hat, sondern
eine gleichsam mathematische Sicherheit der Beurteilung vorgeben hat. Ferner ist das schriftliche Gutachten auch deshalb fehlerhaft, weil der Beklagte den auch zum Zeitpunkt der Gutachtenserstellung bestehenden wissenschaftlichen Standard in der
Anthropologie insofern nicht beachtet hat, als er – den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen D zufolge – im
vorliegenden Falle einer sog. Vorselektion, nämlich einer Auswahl des vermeintlichen Täters allein auf Grund seiner auffallenden optischen Ähnlichkeit, wie dies im Falle des Klägers auf
Grund seiner außergewöhnlichen körperlichen Statur der Fall
war, nicht die Frage der möglichen Ausschlusskriterien in den
Vordergrund der anthropologischen Vergleichsbegutachtung
gestellt, sondern sein Augenmerk auf die Ähnlichkeitsmerkmale
gelegt und dass er vor allem auch nicht auf die aus dieser besonderen Situation resultierenden Unsicherheitsfaktoren für eine
positive Ähnlichkeitsfeststellung hingewiesen hat. In seinem
schriftlichen Gutachten vom 12.11.1992 hat der Beklagte ausgeführt, dass »sich bei gegebener Personenverschiedenheit erfahrungsgemäß der Täter und der Tatverdächtige nicht nur in
einigen wenigen Kriterien, sondern grundsätzlich in der überwiegenden Mehrzahl der erfassbaren Merkmale eindeutig unterscheiden. Das heißt aber auch gleichsam, dass einige wenige
Merkmalsverschiedenheiten kein Argument gegen eine Personenverschiedenheit sind, zumal solche Diskrepanzen erfahrungsgemäß externen Faktoren unterliegen«. Ohne nähere Begründung wird dann nach einer Feststellung der diversen Merkmalsübereinstimmungen festgestellt, »dass keine Merkmalsverschiedenheiten … festzustellen sind. Das heißt, vornehmlich die
Tatsache, dass sich beide (Tatverdächtiger und Täter) in keinem
einzigen diagnostisch bedeutsamen Merkmal unterscheiden,
weist schon mehr als deutlich darauf hin, dass es sich bei dem
Täter und dem Beschuldigten sehr wahrscheinlich um ein und
dieselbe Person handelt.«
Er durfte sich jedoch unter Beachtung der wissenschaftlichen
Standards, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht
mit der Feststellung begnügen, dass nicht übereinstimmende
Merkmale keine Ausschlusskriterien darstellten, weil diese durch
mimische oder haltungstechnische Unterschiede bedingt sein
könnten. Immerhin hat der Sachverständige D auf der Grundlage dieses methodischen Ansatzes vier Ausschlusskriterien erkannt. Die damit gegebene Fehlerhaftigkeit des schriftlichen
Gutachtens ist nach Auffassung des Senats allerdings noch nicht
so schwerwiegend, dass sie eine grob fahrlässige Falschbegutachtung zu begründen vermögen.
3. Die grob fahrlässige Fehlerhaftigkeit der anthropologischen Vergleichsbegutachtung des Beklagten folgt jedoch daraus, dass er in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer des
Landgerichts Nürnberg/Fürth – abweichend von seiner vorsichtigeren Bewertung in seinem schriftlichen Gutachten und
zusätzlich zu den bereits aufgezeigten Fehlern – nicht mehr nur
eine »sehr hohe Wahrscheinlichkeit« der Täterschaft des Klägers
angenommen hat, sondern – wenn auch unter Beibehaltung
der im schriftlichen Gutachten gewählten Formulierung des
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Ähnlichkeitsprädikats – der Strafkammer das Bild einer von Restzweifeln befreiten Sicherheit vermittelte, indem er eine quasi
100 %-ige Sicherheit für eine Täterschaft des Klägers bejahte..
Davon, dass der Beklagte sich in dieser Weise im Rahmen seiner
mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung vor
der Strafkammer geäußert hat, ist der Senat überzeugt. Dies
folgt zum einen bereits aus der – vom Beklagten auch nicht als
fehlerhafte Darstellung gerügten – Begründung des Strafurteils
durch die erkennende Strafkammer und zum anderen aus den
Aussagen der Zeugen Z1 und Z2.
a) Die Ausführungen in der Urteilsbegründung lassen zunächst deutlich erkennen, dass der Beklagte in seiner mündlichen Gutachtenerstattung das zur Identitätsbeurteilung verwendete Prädikat »mit sehr großer Wahrscheinlichkeit« mit
nicht näher erläuterten Prozentzahlen verknüpft hat, ohne deren Stellenwert deutlich zu machen, insbesondere deutlich zu
machen, dass es sich dabei nicht um mathematische Wahrscheinlichkeiten handelt. Der Senat folgt insoweit den Ausführungen des Sachverständigen C, der überzeugend ausgeführt
hat, dass die Wahrscheinlichkeitsprädikate in einem anthropologischen Vergleichsgutachten keine mathematische Wahrscheinlichkeit begründen können und dass dieser für die Überzeugungsbildung eines Strafrichters wesentliche Umstand offengelegt und auf die unabänderlichen Grenzen der angewendeten
Methode hingewiesen werden muss. Der Beklagte hat dabei
nicht nur die Wahrscheinlichkeit im Bereich von über 98 % angesiedelt, sondern darüber hinaus eine quasi 100 %i-ge Sicherheit angenommen und lediglich aus rein formalen Gründen von
der Vergabe dieses Prädikats abgesehen. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte expressis verbis das ursprüngliche Wahrscheinlichkeitsprädikat nicht aufgegeben hat, wie dies auch die
Formulierung der Strafkammer auf Seite 35 des Strafurteils
zeigt. Entsprechend ist darüber, dass der Beklagte ausdrücklich
das Prädikat »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit«
nicht vergeben hat, kein Beweis zu erheben. Grob fehlerhaft
bleibt jedoch die aus den Urteilsgründen und den Zeugenaussagen sich ergebende Darstellung des Gutachtens, dass dieses
Prädikat nur aus rein formalen Gründen nicht vergeben werden
könne. Die von dem Sachverständigen D eingehend erläuterten
Unsicherheitsfaktoren, die gerade im Falle einer Vorselektion zu
beachten sind, finden bei dieser Darstellung keine Beachtung,
obwohl dem Beklagten klar sein musste, dass bei der Darstellung einer rein formalen geringfügigen Unsicherheit ein entscheidender Einfluss auf die richterliche Würdigung des Beweis­
ergebnisses nicht auszuschließen ist, ein solcher vielmehr eher
naheliegt. Die Aufgabe der im schriftlichen Gutachten noch erkennbaren vorsichtigeren Beurteilung der Identitätswahrscheinlichkeit durch den Beklagten spiegelt sich vielmehr gerade auch
darin wider, dass er der Kammer gegenüber geäußert hat, dass
für ihn an der Täterschaft des Klägers keinerlei Zweifel bestünden, obwohl ihm bewusst gewesen sein musste, dass Identitätsgutachten immer nur eine Schätzung zur Frage der Identität einer Person darstellen, die auf einer sehr subjektiven Interpretation und damit auf einem schwer bestimmbaren Maß an Subjektivität gründen, wie dies der Sachverständige C in seinem
Gutachten überzeugend ausgeführt hat. Zudem hat er der
Strafkammer auch mit seiner weiteren Formulierung, es sei nach
seiner Berufserfahrung unvorstellbar, dass eine andere Person in
Betracht kommen könne, eine objektiv nicht vorhandene Täte­r­
identität suggeriert, ohne vorhandene Zweifel, die einer morphologischen Vergleichsbegutachtung stets und insbesondere
in Fällen einer Vorselektion innewohnen, deutlich zu machen.
Dazu gehört auch, dass der Beklagte bekundete, keinerlei Merkmalsabweichungen zwischen dem Täter und dem Kläger feststellen zu können, ohne sich auch insoweit auf eine nähere Erläuterung einzulassen.
Die Darstellung seines Identifikationsergebnisses in der
Hauptverhandlung lässt mithin die von den beiden Gutachtern
C und D für erforderlich gehaltene Differenzierung und Erläuterung der Wahrscheinlichkeitsprädikate ebenso vermissen, wie
die Darstellung gegebener Zweifel zu Merkmalen, die der Sachverständige D als Ausschlussmerkmale herausgearbeitet hat.
Auch wenn offenbleiben kann, ob die positive Feststellung von
Ausschlusskriterien durch den Sachverständigen D im Ergebnis
zutreffend ist, so handelt es sich doch jedenfalls um Merkmale,
hinsichtlich derer es bei der Erstattung eines anthropologischen
Vergleichsgutachtens einer sehr differenzierten Darstellung bedurft hätte. Um eine fehlerhafte Gutachtenerstattung handelt
es sich – auch und gerade weil es sich bei der anthropologischen
Vergleichsbegutachtung um eine Wissenschaft handelt, die vornehmlich auf die Erfahrungen des Gutachters abstellt –, wenn
ein Gutachter zu diesen von einem anderen Sachverständigen
festgestellten eindeutigen Ausschlussmerkmalen keine – eventuell überwindbaren – Zweifel aufkommen lässt oder offenbart.
Wenn aber durchaus Zweifel angezeigt sind, muss der Gutachter diese Zweifel auch deutlich machen, dies auch dann, wenn
er letztlich kein Ausschlussmerkmal erkennt oder annimmt. Darin, dass er solche Zweifel nicht hatte oder diese jedenfalls bei
seiner mündlichen Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung nicht dargelegt und nicht näher erläutert hat, ist ebenfalls
eine Fehlerhaftigkeit des Gutachtens des Beklagten zu sehen.
Dies ist vor allem begründet in der Abhängigkeit des Gerichts
von dem eingeholten Sachverständigengutachten. Das Gericht
kann auf die Plausibilität und Nachvollziehbarkeit des Gutachtens nur dann als Entscheidungsgrundlage abstellen, wenn dieses auch die im Prozess der Findung des Ergebnisses des Gutachtens aufgetretenen Erwägungen sowie die Grenzen der wissenschaftlichen Erkenntnismöglichkeiten deutlich macht. Stattdessen hat der Beklagte nach den Darlegungen im Urteil der
Strafkammer offenbar jegliche Zurückhaltung aufgegeben und
eine nahezu 100 %-ige Wahrscheinlichkeit der Täteridentität attestiert, die entsprechend auch, wie das Gutachten des Sachverständigen D hinsichtlich der Ausschlusskriterien nahelegt, Unsicherheiten hinsichtlich einzelner Merkmale unterdrückt. Dabei
dürfte die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens auch bereits in dem
Ansatz des Beklagten liegen, dass eine Vielzahl von Übereinstimmungen bereits hinreichend sei zur Bestimmung der Identität. Das Hauptaugenmerk des Beklagten lag ersichtlich nicht in
der Prüfung von Ausschlussmerkmalen, wie sie der Sachverständige D gerade im Hinblick auf die stattgefundene Vorselektion,
die ihre Ursache in der außergewöhnlichen körperlichen Statur
des Klägers hatte, vorgenommen hat. Für eine über das Prädikat
»sehr wahrscheinlich identisch« hinausgehende Vergleichsbegutachtung, wie sie der Beklagte faktisch in der Hauptverhandlung dargestellt hat, wäre im Übrigen das vorliegende Bildmaterial, wie der Sachverständige D ausgeführt hat (Bl. 355 d.A.),
nicht geeignet gewesen.«
| 79
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
2.2.1.3.6. OLG Saarbrücken (Urteil vom 23. Oktober
2008, Az.: 8 U 487/07): Kein Schadensersatz- und
Schmerzensgeldanspruch trotz Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus auf Grund einer
falschen Diagnose!
Leitsatz der Entscheidung:
Hat ein Sachverständiger deutlich gemacht, dass es sich
bei seiner Diagnose einer krankhaften seelischen Störung
um eine Verdachtsdiagnose handelt, dass es sich allerdings bei der bei dem Begutachteten auftretenden Symp­
tomatik jedenfalls um eine die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigende Störung der Impulskontrolle handele, die als
schwere seelische Abartigkeit eingestuft werden könne
und hat er das Strafgericht damit in die Lage versetzt, die
Frage der Erheblichkeit i.S.d. § 21 StGB in eigener Verantwortung zu beantworten, ist nicht von grober Pflichtwidrigkeit auszugehen.
Aus den Gründen:
»Diese Stellungnahme lässt eine grobe Pflichtwidrigkeit nicht erkennen, denn der Beklagte hat deutlich gemacht, dass es sich bei
seiner Diagnose einer krankhaften seelischen Störung, die sich
wahrscheinlich als Folge einer frühkindlichen Hirnschädigung in
Anfallsäquivalenten äußere, um eine Verdachtsdiagnose handelt, dass es sich allerdings bei der bei dem Kläger auftretenden
Symptomatik bei fehlender hirnorganischer Verursachung jedenfalls um eine die Steuerungsfähigkeit beeinträchtigende Störung
der Impulskontrolle handele, die das Leben des Klägers mit ähnlichen Folgen wie die von ihm für wahrscheinlich gehaltene hirnorganische Störung belaste, weshalb sie als schwere andere seelische Abartigkeit eingestuft werden könne. Dabei hat der Beklagte nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, aufgrund
welcher Anknüpfungstatsachen er zu den von ihm gezogenen
Schlussfolgerungen gelangt ist, und damit das Strafgericht in die
Lage versetzt, die Frage der Erheblichkeit im Sinne des § 21 StGB
in eigener Verantwortung zu beantworten.
Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte subjektiv vorwerfbar ein unrichtiges Gutachten erstattet haben sollte.
Er hat dem Strafgericht die von ihm erhobenen Anknüpfungstatsachen dargelegt und die von ihm hieraus gezogenen Schlussfolgerungen plausibel und nachvollziehbar erklärt. Dabei hat er
auch auf das Erfordernis weiterer Untersuchungen hingewiesen. Ein grob pflichtwidriges, subjektiv vorwerfbares Verhalten
ist dabei nicht erkennbar.«
2.2.1.3.7. OLG Celle (Beschluss vom 5. Mai 2009, Az.: 4
U 26/09): Darlegungslast des Klägers hinsichtlich eines
grob fahrlässig fehlerhaften Gutachtens!
Leitsatz der Entscheidung:
Sind Gerichte in zwei Instanzen dem – angeblich fehlerhaften – Sachverständigengutachten gefolgt, bedarf es
einer eingehenden Darlegung der grob fahrlässigen Fehlerhaftigkeit des Gutachtens; dazu gehört, dass der Kläger erläutern muss, warum auch die Gerichte nicht nur
übersehen haben sollen, dass sie ihrer Entscheidung in
Teilen unrichtige Gutachten zugrunde legen, sondern
dass dies auch jedem, also auch den entscheidenden Richtern, aufgrund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten müssen.
Aus den Gründen:
»b) Die Haftung eines Sachverständigen nach § 839a BGB erfordert nicht nur die Erstattung eines unrichtigen Gutachtens. Voraussetzung ist ferner, dass die Erstattung des Gutachtens vorsätzlich oder grob fahrlässig erfolgte. Grobe Fahrlässigkeit setzt
einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren
Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt voraus. Eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung liegt nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vor, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben
worden sind und dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im
gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben
Fahrlässigkeit handelt es sich um eine auch subjektiv schlechthin
unentschuldbare Pflichtverletzung, die das gewöhnliche Maß
der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1 BGB erheblich übersteigt
(Staudinger-Wurm, BGB, Bearbeitungsstand: Februar 2007, §
839a, Rdnr. 12 m.w.N.). Der Nachweis grober Fahrlässigkeit
wird dadurch erleichtert, dass der Bundesgerichtshof es dem Tatrichter erlaubt, »vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes auf innere Vorgänge und
gesteigerte Vorwerfbarkeit [zu schließen]« (BGHZ 119, 147,
151; BGH VersR 1989, 582, 584). In geeigneten Fällen soll sich
deswegen aus dem objektiv schwerwiegenden Fehler des Gutachtens eine gravierende Pflichtverletzung des Gutachters ableiten lassen (MüKo-Wagner, BGB, 5. Aufl., § 839a, Rdnr. 35). Sind
allerdings die Gerichte in zwei Instanzen dem Sachverständigengutachten gefolgt, bedarf es einer eingehenden Darlegung der
grob fahrlässigen, also jedem einleuchtenden Fehlerhaftigkeit
des Gutachtens. Der Kläger muss also erläutern, warum auch
die Gerichte nicht nur übersehen haben sollen, dass sie ihrer
Entscheidung in Teilen unrichtige Gutachten zugrundelegen,
sondern dass dies auch jedem, also auch den entscheidenden
Richtern, aufgrund naheliegender Überlegungen hätte einleuchten müssen (OLG Rostock, Baurecht 2006, 1337, 1338).
Bei dieser Argumentation darf natürlich die Gefahr eines Zirkelschlusses nicht außer Acht bleiben, da ansonsten eine Haftung
des Sachverständigen nach § 839a BGB überhaupt nicht in Betracht kommt.«
2.2.1.3.8. OLG Hamm (Urteil vom 16. Juni
2009, Az.: 9 U 239/08): Keine Herabsetzung der
Substantiierungslast des Anspruchstellers bei
Haftungsanspruch gegen gerichtlich bestellten
Sachverständigen!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Bei der Inanspruchnahme eines gerichtlichen Sachverständigen, der im vorausgegangenen Arzthaftungsprozess des Klägers gegen den behandelnden Arzt als Gutachter tätig gewesen war, ist die Substantiierungslast des
Klägers im Schadensersatzprozess aus § 839a BGB anders
als im Arzthaftungsprozess nicht herabgesetzt.
2. Der Kläger muss also die Umstände, die eine grobe
Fahrlässigkeit des Gutachters begründen sollen, darlegen
und unter Beweis stellen.
Aus den Gründen:
»c) Das Landgericht hat die Klage zu Recht wegen jedenfalls unzureichender Darlegung einer dem Beklagten vorzuwerfenden
groben Fahrlässigkeit bei der Bewertung der Operationsmetho-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
de oder dem »Übersehen« der Querfortsatzfraktur abgewiesen.
Deren abstrakten Voraussetzungen sind in dem angefochtenen Urteil zutreffend umschrieben: Der Beklagte müsste bei
der Erstellung seines Gutachtens die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und dasjenige nicht beachtet haben,
was im vorliegenden Fall jedem einleuchten musste. Dabei muss
ihn auch in subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen. Nicht diese rechtliche Wertung, sondern die sie ausfüllenden Tatsachen musste der Kläger für die Schlüssigkeit seiner
Klage substantiiert vortragen. Mit dem Gutachten I hat er jedoch nur vermeintliche Fehler des Gutachtens des Beklagten
dargelegt, nicht, dass sie jenem unterlaufen seien, weil er bestimmte, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellte, und
auch nicht, wodurch er seine Sorgfaltspflicht in besonders
schwerem Maß verletzte. Die vom Kläger reklamierte Herabsetzung der Substantiierungspflicht insoweit entsprechend den
Rechtsprechungsgrundsätzen für Arzthaftungsprozesse, ist
nicht veranlasst. Die Rechtfertigung für eine maßvolle Herabsetzung im Arzthaftungsprozess besteht darin, dass vom Patienten
regelmäßig keine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge
erwartet und gefordert werden kann; BGH MDR 2004,
1184/1185. Soweit es aber nicht mehr um detaillierte Kenntnis
von medizinischen Vorgängen geht, sondern um anzuwendende Untersuchungsmethoden und Begutachtungskriterien,
kann von einem Kläger erwartet werden, dass er die vermeintlichen Nachlässigkeiten oder Unterlassungen des Sachverständigen benennt und nicht nur auf bloße Abweichungen des Ergebnisses zu einem anderen Gutachten hinweist. Dass Sachverständigengutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen gelangen, ist
nicht ungewöhnlich und rechtfertigt allein nicht den Schluss auf
eine auch subjektiv grobe Sorgfaltslosigkeit eines Gutachters. Zu
bezeichnen, was an dem Vorgehen des angegriffenen Gutachters als das was jedem einleuchtet entgegenstehend beanstandet oder welche ganz naheliegende Überlegung vermisst wird,
überfordert die Partei selbst dann nicht, wenn es um medizinische Begutachtungen geht. Zu Recht weist die Berufungserwiderung darauf hin, dass die Herabsetzung der Substantiierungslast im Arzthaftungsprozess die Fragen des objektiven Behandlungsfehlers betrifft, während es hier um die Ausfüllung von
Verschuldensmaßstäben geht. Anders als bei einem Behandlungsfehler ist dazu keine Kenntnis von medizinischen Vorgängen im Detail gefordert.«
nicht, da jedenfalls ein grob fahrlässiges Handeln des Beklagten
bei der Erstattung seines Gutachtens nicht erkennbar ist.
Der Sachverständige wird, auch wenn § 74a ZVG dies nicht
ausdrücklich erwähnt, durch das Vollstreckungsgericht entsprechend den Beweiserhebungsvorschriften der §§ 402 ff. ZPO herangezogen (BGH MDR 2003, 1180). Nach § 404a Abs. 1 ZPO
obliegt es dem Gericht, die Tätigkeit des Sachverständigen zu
leiten und ihm für Art und Umfang seiner Tätigkeit Weisungen
zu erteilen. Dies folgt daraus, dass der Sachverständige nur Gehilfe des Gerichts bei der Auswertung ihm vorgegebener Tatsachen durch die aus seinem Fachwissen hergeleiteten Bewertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen ist, die das Gericht
sodann im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zu würdigen hat,
ohne an die Feststellungen des Sachverständigen gebunden zu
sein (KG vom 10.01.2007, 12 W 61/06, NZV 2007, 462 und
Stöber, Zwangsversteigerungsgesetz, 18. Auflage, § 74a Rdnr.
7.8). Das Gericht entscheidet daher in eigener Verantwortung,
ob es die von einem Sachverständigen getroffenen Feststellungen für ausreichend erachtet oder ergänzende Ermittlungen
verlangt.
Vor diesem Hintergrund kann einem Sachverständigen nicht
der Vorwurf grober Fahrlässigkeit durch unzureichenden Aufwand bei der Begutachtung gemacht werden, wenn das Gericht die vom Sachverständigen offengelegte Vorgehensweise
als ausreichend erachtet und damit billigt. Dann hat sich der
Sachverständige im Rahmen dessen gehalten, was das Gericht
von ihm verlangt hat (KG, a.a.O.). Darüber hinausgehende
Pflichten obliegen ihm nicht.
Vorliegend hat der Beklagte auf Seite 12 seines schriftlichen
Gutachtens – wie auch die Kläger einräumen – offensichtlich erkennbar darauf hingewiesen, dass die in die Baubeschreibung
aufgenommene Dachbedeckung wegen einer vorhandenen
Schneedecke aus dem Baugesuch entnommen wurde. Auf dieser Grundlage wäre es dem Amtsgericht ohne Weiteres möglich
gewesen, den Sachverständigen anzuweisen, die tatsächlich
vorhandene Dachbedeckung zu ermitteln. Dass es davon abgesehen hat, kann sich nicht zu Lasten des Beklagten auswirken.
Aus welchen Gründen der Beklagte bei der Dachbedeckung
auf das Baugesuch zurückgegriffen hat und ob die tatsächliche
Dachbedeckung beim Besichtigungstermin erkennbar gewesen
wäre, ist nicht relevant, da sich damit in Zusammenhang stehende mögliche Versäumnisse aus den vorgenannten Gründen
nicht auf die gerichtliche Entscheidung ausgewirkt haben.«
2.2.1.3.9. LG Ulm (Urteil vom 6. November 2009,
Az.: 3 O 261/09): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer im
Zwangsversteigerungsverfahren bei Billigung des
Sachverständigenvorgehens durch das Gericht!
2.2.1.3.10. LG Köln (Urteil vom 11. Dezember
2009, Az.: 32 O 263/06): Grobe Fahrlässigkeit des
Verkehrswertgutachters bei falscher Angabe des
Baujahres und drohender Rückbauverpflichtung!
Leitsatz der Entscheidung:
Einem Sachverständigen kann bei der Erstellung eines
Gutachtens für die Festsetzung des Verkehrswerts nach §
74a Abs. 5 ZVG nicht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit
gemacht werden, wenn das Gericht die vom Sachverständigen offengelegte Vorgehensweise (hier: Bestimmung
der Art des Dachbelags eines Hauses allein nach den Angaben im Baugesuch) billigt.
Aus den Gründen:
»(2) Einer weiteren Klärung der Auswirkungen des vorhandenen Dachbelags auf den Verkehrswert bedurfte es indes
Leitsatz der Entscheidung:
Ein Verkehrswertgutachter handelt grob fahrlässig, wenn
er das falsches Baujahr angibt und sein Gutachten keinerlei Hinweise auf den teilweise bauordnungsrechtswidrigen Zustand des Gebäudes enthält.
Aus den Gründen:
»2. Grob fahrlässig verursachte Fehler des Gutachtens
Das Gutachten des Beklagten ist fehlerhaft, soweit das Baujahr mit 1966 angegeben wird. Tatsächlich wurde das Gebäude
1957 errichtet, wobei 1966 ein Umbau und 1973 ein kleinerer
und 1992/93 ein weiterer Umbau und der Anbau des Wintergartens erfolgten. Dies ist aus dem Gutachten so nicht ersicht-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
lich. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, ein fiktives Baujahr
angesetzt zu haben, kann ihm nicht gefolgt werden. Denn nach
den Ausführungen des Sachverständigen S setzt der Ansatz
eines fiktiven Baujahres eine Modernisierung oder Teilmodernisierung des Gebäudes voraus. Dass das angesetzte Baujahr fiktiv
ist, ist dem Gutachten bereits nicht zu entnehmen. Darüber hinaus, so der Sachverständige S, fehle es an einer (teilweisen) Erneuerung der Haustechnik, die als Modernisierung anzusehen
und zum Ansatz eines fiktiven Baujahres hätte führen können.
Dieser Fehler ist von dem Beklagten grob fahrlässig verursacht
worden. Denn wie der Sachverständige S ausführt, lässt sich das
tatsächliche Alter durch die obligatorische Bauakteneinsicht
ohne Weiteres ermitteln. Im Rahmen seiner Anhörung hat der
Sachverständige S den Blick in die Bauakte unmissverständlich
als Kardinalspflicht bezeichnet, wobei diese im vorliegenden Fall
zwar primär durch einen bauordnungsrechtswidrigen Zustand
veranlasst, aber auch ohne einen solchen, so der Sachverständige S, von jedem Sachverständigen zu erwarten gewesen wäre.
Weiterhin fehlerhaft ist das Gutachten insoweit, als es keinerlei Hinweis zu der Tatsache enthält, das Teile der Garage und des
Wintergartens bauordnungsrechtswidrig, namentlich ohne Baugenehmigung und ohne Baulast im Bauwich errichtet worden
sind, und auch nicht baugenehmigungsfähig sind. Auch dies
hat die Beweisaufnahme zu Gunsten des Klägers ergeben. Diesen bauordnungsrechtswidrigen Zustand hat der Sachverständige S nach Einsichtnahme in die Bauakte festgestellt. Angesichts der drohenden Möglichkeit einer Rückbauverpflichtung
hätte der Beklagte diesen wertbildenden Faktor aber in seinem
Gutachten erwähnen und berücksichtigen müssen.
Diesen Fehler hat der Beklagte ebenfalls grob fahrlässig verursacht. Der Beklagte hätte zur Gutachtenerstellung Einsicht in
die Bauakte müssen. Dass dies grundsätzlich zu erwarten gewesen wäre, wurde bereits im Zusammenhang mit dem Baujahr
dargestellt und gilt sinngemäß auch hier. Erschwerend kommt
hinzu, dass insbesondere, so der Sachverständige S, aufgrund
einer Ortsbesichtigung, die der Beklagte nach eigenen Angaben
durchgeführt haben will, für ihn hätte erkennbar sein müssen,
dass die Bebauung sich teilweise im Bauwich befindet. Wäre er
nicht ohnehin schon zur Einsichtnahme in die Bauakte verpflichtet gewesen, hätte er spätestens aufgrund der erkennbar im
Bauwich errichteten Bebauung die Bauakten einsehen müssen,
um sich von der Rechtmäßigkeit der Bebauung zu überzeugen.«
2.2.1.3.11. OLG Brandenburg (Urteil vom 11.
März 2010, Az.: 5 U 204/08): Keine Haftung des
Gerichtssachverständigen trotz falscher Angaben im
Verkehrswertgutachten!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Der Sachverständige, der im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens ein Verkehrswertgutachten nach §
194 BauGB für ein Grundstück mit Einfamilienhaus erstellt,
ist nicht verpflichtet, Bauteilöffnungen vorzunehmen, um
die Beschaffenheit der Wandkonstruktion zu ermitteln.
Eine visuelle Überprüfung der Immobilie ist ausreichend.
2. Es liegt keine grobe Fahrlässigkeit nach § 839a BGB vor,
wenn der Sachverständige im Wertgutachten die Bauweise der Wände mit »konventionelles Ziegelmauerwerk«
angibt, obwohl es sich tatsächlich um eine Holzständerkonstruktion handelt, die lediglich mit einer massiven
Vorsatzschale versehen wurde, was für den Sachverständigen jedoch nicht erkennbar war.
3. Der Sachverständige ist nicht verpflichtet, für die Wertbestimmung der Immobilie die Bauakte beim Bauamt einzusehen.
2.2.1.3.12. OLG München (Urteil vom 21. Mai 2010,
Az.: 1 U 3611/09): Grob fahrlässiges Handeln bei
Gutachtenerstattung über Heizungsbauleistungen
durch unzutreffende Anwendung einer DIN-Vorschrift!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Eine grobe Fahrlässigkeit nach § 839a BGB setzt einen
objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren
Verstoß gegen die Anforderung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus.
2. Wird einem gerichtlich bestellten Sachverständigen
vorgeworfen, bei der Begutachtung einer Heizungsanlage eine DIN-Vorschrift unzutreffend angewendet zu haben, eine bestimmte Vorlauftemperatur als Regel der
Technik dargestellt zu haben, sowie die Funktionsfähigkeit der eingebauten Handtuchtrockner allein aufgrund
theoretischer Überlegungen verneint zu haben, so vermag dies keinen groben Pflichtenverstoß zu begründen.
Aus den Gründen:
»I. Eine grobe Fahrlässigkeit nach § 839a BGB setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen
die Anforderung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus.
Eine besonders schwere Sorgfaltsverpflichtung liegt nach den in
der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen vor, wenn die im
Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße verletzt wurde, wenn ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder beiseite geschoben worden sind und dasjenige ungeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedem aufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt es sich um
eine subjektiv schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung,
die das gewöhnliche Maß der Fahrlässigkeit des § 276 Abs. 1
BGB erheblich übersteigt. Der Nachweis grober Fahrlässigkeit
wird allerdings dadurch erleichtert, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dem Tatrichter erlaubt ist, vom
äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven
Pflichtenverstoß auf innere Vorgänge und gesteigerte Vorwerfbarkeit zu schließen. In geeigneten Fällen kann sich deswegen
aus den objektiv schwerwiegenden Fehlern des Gutachtens eine
gravierende Pflichtverletzung des Gutachters ableiten lassen
(vgl. dazu OLG Celle, Beck RS 2009 86279).
II. Unter Anwendung dieser Grundsätze war ein grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten nicht festzustellen.
Dem Beklagten ist vorzuwerfen, eine DIN-Vorschrift unzutreffend angewendet zu haben, eine bestimmte Vorlauftemperatur
als Regel der Technik dargestellt zu haben, sowie die Funktionsfähigkeit der eingebauten Handtuchtrockner allein aufgrund
theoretischer Überlegungen verneint zu haben.
1. Es ist zunächst einmal zu bemerken, dass der Sachverständige sich auf eine DIN-Vorschrift bezogen hat und seine Auslegung der DIN-Vorschrift unter Bezugnahme auf die Wörter »für
sich« anscheinend auch das Gericht erster Instanz und wohl
auch das Oberlandesgericht im Bezugsverfahren überzeugt hat,
obgleich die weiteren DIN-Vorschriften, dass für Zusatzheizkörper nicht notwendigerweise ein zweiter Heizkreis geschaltet
werden muss, Gegenstand der mündlichen Verhandlung und
Erörterung vor dem Landgericht und auch Akteninhalt war.
Auch wenn der Senat der Auslegung der DIN-Vorschrift des Be-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
klagten nicht zu folgen vermag, kann allein die fehlerhafte Auslegung der DIN-Vorschrift noch nicht den Vorwurf eines groben
Pflichtverstoßes rechtfertigen. Es handelt sich insoweit um einen
Auslegungsfehler bzw. Interpretationsfehler des Sachverständigen, der zuviel in diese DIN-Vorschrift hineininterpretiert hat. Es
ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung von Rechtsvorschriften bzw. Industrienormen nicht das primäre Tätigkeitsfeld eines
Sachverständigen ist, sondern Auslegungen von Normen und
Vorschriften gewisse Schwierigkeiten aufweisen. Alleine die
fehlerhafte Interpretation einer Norm durch ein unzutreffendes
Verständnis des Bezugs der Wörter »für sich«, vermag nach Auffassung des Senats noch keinen groben Pflichtenverstoß zu begründen. Dabei war zu beachten, dass die Auslegung der Vorschrift sowohl dem erkennenden Landgericht als offensichtlich
auch dem Berufungsgericht eingeleuchtet haben.«
2.2.1.3.13. LG Kiel (Beschluss vom 8. Juni
2010, Az.: 17 O 79/10): Schadensersatz gegen
Gerichtssachverständigen: Nur bei grober
Fahrlässigkeit!
1. Nach § 839a BGB ist ein gerichtlicher Sachverständiger,
der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet,
der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche
Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht.
2. Sind die Gerichte in zwei Instanzen dem Gutachten des
Sachverständigen gefolgt, bedarf es einer eingehenden
Darlegung der grob fahrlässigen, also jedem einleuchtenden Fehlerhaftigkeit des Gutachtens.
2.2.1.3.14. OLG München (Urteil vom 29. Juli
2010, Az.: 1 U 5314/09): Haftung eines gerichtlich
bestellten Sachverständigen wegen der angeblich
fehlerhaften Erstellung eines Gutachtens im
Arzthaftungsprozess nach Komplikationen in Folge
einer Blinddarmentzündung!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Ein Gerichtssachverständiger, der in einem Arzthaftungsprozess ein falsches Gutachten erstattet, handelt
grob fahrlässig, wenn er die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht anstellt
und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss.
2. Den Handelnden muss außerdem auch in subjektiver
Hinsicht ein schweres Verschulden treffen.
3. Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt (hier: Komplikationen nach einer Blinddarmoperation) ein Computertomogramm hätte erstellt werden müssen, also ab wann
das weitere Abwarten der Ärzte ein mit dem Facharztstandard nicht mehr vereinbares, pflichtwidriges Unterlassen darstellt, spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle.
Von Bedeutung sind der klinische Befund, der konkrete
Verlauf, der genaue Zeitpunkt der Revisionsoperation
und die Beurteilung der sonstigen Parameter (Temperatur, Leukozyten, konkrete Beschwerden).
4. Besteht nur eine geringe zeitliche Differenz (hier: ein
Tag) zwischen der Meinung des Gerichtssachverständigen
und der Beurteilung des Sachverständigen in dem folgenden Schadensersatzprozess nach § 839a BGB, so kann
diese Fehleinschätzung nicht als grob fehlerhaft angesehen werden.
Aus den Gründen:
»Dass die Begutachtung des Beklagten in diesem Punkt grob
fehlerhaft gewesen wäre, kann der Senat jedoch nicht feststellen. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird,
schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und das nicht beachtet wird, was im gegebenen
Fall jedem einleuchten muss. Den Handelnden muss auch in
subjektiver Hinsicht ein schweres Verschulden treffen (vgl. Palandt, BGB, 69. Aufl., Rn. 5 zu § 277 BGB m.w.N.). Die Voraussetzungen für die Annahme einer groben Fahrlässigkeit sind
vorliegend nicht gegeben. Für die Frage, ab welchem Zeitpunkt
ein CT hätte erstellt werden müssen, also ab wann das weitere
Abwarten der Ärzte ein mit dem Facharztstandard nicht mehr
vereinbares, pflichtwidriges Unterlassen darstellt, spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Von Bedeutung sind der klinische Befund, der konkrete Verlauf, der genaue Zeitpunkt der Revisionsoperation und die Beurteilung der sonstigen Parameter (Temperatur, Leukozyten, konkrete Beschwerden). Im Zentrum der
Begutachtung stehen damit wertende Einschätzungen, die einer gewissen Bandbreite unterliegen. Die Beurteilung des Beklagten, erst am Morgen des 20.03.1998 sei die Schwelle zum
Behandlungsfehler überschritten worden und nicht bereits im
Laufe des 19.03.1998 lässt sich nicht als derart falsch und fernliegend qualifizieren, wie dies für den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nötig wäre. Die zeitliche Differenz zwischen der Meinung des Beklagten und des Sachverständigen Prof. Dr. R. liegt
in einer Größenordnung von maximal einem Tag. Der Sachverständige Prof. Dr. R. hat hierzu erklärt, dass er aus fachlicher
Sicht die Einschätzung des Beklagten nicht als abwegig oder
grob falsch ansehen würde. Dementsprechend kann auch der
Senat die Einschätzung des Beklagten, es sei vertretbar gewesen, den 19.03.1998 noch abzuwarten, aber am Morgen des
20.03.1998 hätte ein CT gemacht werden müssen, nicht als
grob fehlerhaft werten.«
2.2.1.3.15. OLG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010,
Az.: 2 U 8/10): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer!
Leitsatz der Entscheidung:
Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt
nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem
Maße verletzt und, bezogen auf die Sachverständigentätigkeit, das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen
Fall jedem Sachverständigen des entsprechenden Sachgebiets hätte einleuchten müssen.
Aus den Gründen:
»Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt nach
den gesamten Umständen in ungewöhnlich großem Maße verletzt und das unbeachtet gelassen hat, was im gegebenen Fall
jedem hätte einleuchten müssen (BGH NJW 1994, 2023; KG
WuM 2008, 165); unter »jeder« ist in diesem Zusammenhang
nicht jede beliebige Person, sondern ein Sachverständiger des
entsprechenden Sachgebiets zu verstehen (Bayerlein a.a.O. Rdn.
35).«
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
2.2.1.3.16. LG Berlin (Urteil vom 13. Juli 2011, Az.: 23
O 350/10): Keine grobe Fahrlässigkeit trotz fehlender
Untersuchungen des Verkehrswertgutachters!
2.2.1.3.18. OLG Jena (Urteil vom 7. November 2012,
Az.: 2 U 135/12) – Unzutreffende Angaben in der
Sachverständigenanhörung!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Es ist nicht grob fahrlässig, wenn ein Gutachter aufgrund eines vorliegenden Anschlusszwangs ohne weitere
Untersuchungen davon ausgeht, dass auch das begutachtete Grundstück an die Kanalisation angeschlossen ist.
2. Anders kann dies nur liegen, wenn der Anspruchsteller
Tatsachen vorträgt, nach denen es sich aufdrängt, dass
dem Anschlusszwang nicht Folge geleistet wurde.
Leitsatz der Entscheidung:
Der gerichtliche Sachverständige, der im selbstständigen
Beweisverfahren nach § 485 ZPO ein unrichtiges Gutachten erstattet und im anschließenden Hauptsacheverfahren bei seiner Anhörung unzutreffende Angaben macht,
handelt grob fahrlässig im Sinne von § 839a BGB.
2.2.1.3.17. LG Frankenthal (Urteil vom 6. Oktober
2011, Az.: 8 O 79/10: Ungeprüfte Übernahme der
Empfehlung eines Wirtschaftsverbandes!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Wenn der Bausachverständige vor dem Gericht eine völlig unnötige Maßnahme der Mängelbeseitigung als erforderlich bezeichnet, überschreitet er die Grenzen einer nur
einfach fahrlässigen fehlerhaften Gutachtenserstattung.
2. Er kann nicht damit gehört werden, sich auf die Empfehlungen eines Wirtschaftsverbandes verlassen zu haben, denn es hätte zu seinen elementaren Pflichten als
Sachverständiger gehört, diese Empfehlungen zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit und Aussagekraft für den
von ihm zu beurteilenden Sachverhalt zu überprüfen.
3. Wenn er dies nicht getan hat, dann hat er auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig gehandelt, denn er hat
sich damit letztlich seines Gutachtenauftrages entledigt,
indem er Empfehlungen eines Wirtschaftsverbandes
übernommen hat, anstatt eine eigene gutachterliche
Aussage zu finden und zu treffen.
Aus den Gründen:
»Nach den Ausführungen des Sachverständigen ... ist beim Beklagten nach diesen Grundsätzen von grober Fahrlässigkeit auszugehen. Der Sachverständige hat auf die Frage des Gerichts,
ob es zur Mängelbeseitigung betreffend die Risse erforderlich
war, die Stuttgarter Mauerscheiben zu kürzen, geantwortet:
»Um Gottes Willen, nein«. Er hat es auf weitere Frage als »auf
keinen Fall vertretbar« bezeichnet, in Hinblick auf die aufgetretenen Risse eine nachträgliche Kürzung der Mauerscheiben zu
fordern. Damit ist aus Sicht des Gerichts der Klägerin der ihr obliegende Nachweis grober Fahrlässigkeit beim Beklagten gelungen, denn dieser hat vor dem PfOLG Zweibrücken in »auf keinen Fall vertretbarer« Weise eine völlig unnötige Maßnahme der
Mängelbeseitigung für erforderlich bezeichnet und damit die
Grenzen einer nur einfach fahrlässigen fehlerhaften Gutachtenserstattung überschritten. Der Beklagte kann insoweit, wie
ausgeführt, auch nicht damit gehört werden, sich auf die Empfehlungen der »GALA-Bau« verlassen zu haben, denn es hätte
zu seinen elementaren Pflichten als Sachverständiger gehört,
diese Empfehlungen zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit
und Aussagekraft für den von ihm zu beurteilenden Sachverhalt
zu überprüfen. Wenn der Beklagte dies nicht getan hat, dann
hat er auch in subjektiver Hinsicht grob fahrlässig gehandelt,
denn er hat sich damit letztlich seines Gutachtensauftrages entledigt, indem er Empfehlungen eines Wirtschaftsverbandes
übernommen hat, anstatt eine eigene gutachterliche Aussage
zu finden und zu treffen.«
Aus den Gründen:
»4. Der Beklagte hat auch grob fahrlässig gehandelt. Hierfür erforderlich ist eine Pflichtverletzung, die nicht nur in objektiver,
sondern auch in subjektiver Hinsicht besonders schwer wiegt.
Maßstab ist das für einen ordentlichen Sachverständigen im jeweiligen Fachgebiet maßgebende Pflichtenprogramm (Wagner/
Thole, FPR 2003, 521, 522).
a) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, er habe nicht grob
fahrlässig gehandelt, weil der Sachverständige Prof. … als Fachhochschullehrer gegenüber einem »normalen« Gutachter zu
strenge Maßstäbe anlege, geht sein Berufungsangriff ins Leere.
Es muss von jedem Gerichtssachverständigen, der von einem
Gericht mit der Prüfung beauftragt wird, ob ein Estrich ordnungsgemäß verlegt worden ist, erwartet werden, dass er die
einschlägigen DIN-Vorgaben kennt und die erforderlichen Messungen fehlerfrei vornimmt. Dass der Sachverständige … hier
ein Sonderwissen hätte, lässt sich seinen Ausführungen nicht
entnehmen.
b) Die korrekte Vornahme von Toleranzmessungen stellt das
Grundhandwerkszeug eines Sachverständigen dar. Vorliegend
hat der Beklagte nicht aufgrund eines Versehens einen Messfehler vorgenommen, sondern methodisch falsch gearbeitet. Dass
der Beklagte dasjenige außer Acht gelassen hat, was jedem
Sachverständigen in der betreffenden Situation hätte einleuchten müssen, wird auch dadurch dokumentiert, dass der Beklagte unberücksichtigt ließ, dass zwischen der Fertigstellung des
Estrichs und der Begutachtung bereits einige Jahre vergangen
waren, von daher die Frage im Raum stand, ob Verformungen
nicht nutzungsbedingt waren. Es ist auch nicht nachvollziehbar,
weshalb der Beklagte weder im selbstständigen Beweisverfahren noch bei seiner Anhörung im Termin vom 12.04.2005 von
sich aus darauf hingewiesen hat, dass die Pfützenbildungen
auch dann verbleiben würden, wenn die Unebenheiten im
Estrich beseitigt wären, weil der Unterbau des Fußbodens – vom
Kläger nicht zu verantworten – waagerecht ausgeführt war.«
2.2.1.3.19. OLG Celle (Urteil vom 31. Juli 2013, Az.: 4
U 15/13): Grobe Fahrlässigkeit des Sachverständigen
wegen nicht bedachter Möglichkeit der
Bodenkontamination
Leitsatz der Entscheidung:
Beachtet ein Sachverständiger bei der Bewertung des Verkehrswerts eines Grundstücks nicht, dass der Boden wegen einer in unmittelbarer Nachbarschaft betriebenen
Chemiefabrik kontaminiert sein könnte, ist die Bewertung falsch und der Sachverständige handelt grob fahrlässig.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
2.2.2. Vorsatz
Zur vorsätzlichen Erstattung eines unrichtigen Sachverständigengutachtens liegen dem Verfasser keine Entscheidungen vor.
2.3. Ergehen einer unrichtigen Entscheidung
2.3.1. OLG Nürnberg (Beschluss vom 7. März 2011,
Az.: 12 W 456/11): Nach Prozessvergleich keine
Inanspruchnahme des Gerichtssachverständigen nach
§ 839a BGB möglich!
Leitsätze der Entscheidung:
1. § 839a BGB statuiert eine Haftung des gerichtlichen
Sachverständigen für Schäden, die einem Verfahrensbeteiligten auf Grundlage eines unrichtigen Gutachtens des
Sachverständigen durch eine gerichtliche Entscheidung
entstehen.
2. Eine solche gerichtliche Entscheidung liegt nicht vor,
wenn die Parteien unter dem Eindruck eines unrichtigen
Gutachtens des Sachverständigen das gerichtliche Verfahren durch Prozessvergleich beenden.
3. Die Motivation für den Vergleichsschluss spielt insoweit
keine Rolle.
Aus den Gründen:
»a) Aufgrund dieser Bestimmung ist ein vom Gericht ernannter
Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch die gerichtliche
Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. §
839a BGB erfordert somit einen zweiaktigen Geschehensablauf,
nämlich zum einen ein unrichtiges Gutachten, das Eingang in
eine unrichtige gerichtliche Entscheidung gefunden hat, zum
anderen diese unrichtige gerichtliche Entscheidung, die ihrerseits den Schaden herbeiführt (BGH, Beschluss vom 28.07.2006
- III ZB 14/06, MDR 2007, 290; Urteil vom 09.03.2006 - III ZR
143/05, BGHZ 166, 313).
b) Soweit die Beschwerde thematisiert, die Antragstellerin sei
– im Hinblick auf die im Vorprozess ihr gegenüber erfolgte
Streitverkündung und ihren daraufhin erfolgten Streitbeitritt –
als »Verfahrensbeteiligte« im Sinne des § 839a BGB anzusehen,
kann dies dahinstehen.
c) Jedenfalls ist der von der Antragstellerin behauptete Schaden (die Verpflichtung der Antragstellerin zur Rückzahlung des
an O. K. gezahlten Kaufpreises und zur Rücknahme des Motorrads) nicht durch eine unrichtige gerichtliche Entscheidung herbeigeführt worden, sondern durch den von der Antragstellerin
mit ihrem damaligen Prozessgegner O. K. vor dem Oberlandesgericht Celle geschlossenen Prozessvergleich (Anlage A7).
Ein derartiger Vergleich stellt, wie das Landgericht zutreffend
dargelegt hat, keine gerichtliche Entscheidung im Sinne des §
839a BGB dar. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien eindeutig
ergibt (Bundestags-Drucksache 14/7752, Seite 28), sollten nach
dem Willen des Gesetzgebers von der Ersatzpflicht des § 839a
BGB Fälle anderweitiger, nicht durch gerichtliche Entscheidung
erfolgter Erledigung ausgeschlossen sein, namentlich die Fallkonstellation, »dass sich die Parteien unter dem Eindruck eines
unrichtigen Gutachtens vergleichen«. Dazu wird ausgeführt, im
Falle eines solchen Vergleichs »wäre der Nachweis, dass dieses
Gutachten auf die Motivation der Parteien eingewirkt hat, nur
schwer zu erbringen« (Bundestags-Drucksache 14/7752, Seite
28). In diesem Fall nehmen die betroffenen Parteien von ihrem
bisherigen Rechtsschutzbegehren Abstand und verzichten auf
eine streitige Gerichtsentscheidung. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, einen derartigen Vergleich als gerichtliche Streitentscheidung zu betrachten (BGH, Urteil vom 09.03.2006 - III ZR
143/05, BGHZ 166, 313; Wagner in: MünchKomm-BGB, 5.
Aufl. § 839a Rn. 20 m.w.N.; Palandt/Sprau, BGB 70. Aufl. §
839a Rn. 4; Staudinger/Wurm, BGB Neubearb. 2007 § 839a Rn.
19; Wagner, NJW 2002, 2049, 2062 f.).
Keine Rolle spielt insoweit, aus welchen Motiven es zum Vergleichsschluss gekommen ist. Selbst wenn, wie die Beschwerde
vorträgt, das Oberlandesgericht Celle infolge der Bindungswirkung der gegenüber der Antragstellerin erfolgten Streitverkündung (§§ 74 Abs. 3, 68 ZPO) von einer Haftung der Antragstellerin als seinerzeitiger Beklagter ausgegangen wäre und eine
entsprechende Rechtsauffassung geäußert hätte, würde dies
keine andere Beurteilung rechtfertigen. Zudem ist die Motivation der Prozessparteien für den Vergleichsschluss wie auch die
Ursächlichkeit des Gutachtens hierfür regelmäßig nur schwer
nachzuweisen. Auf die diesbezüglichen, vom Senat geteilten
Ausführungen des Landgerichts wird verwiesen.«
2.3.2. OLG Köln (Hinweisbeschluss vom 29. August
2012, Az.: 5 U 104/12): Keine direkte Haftung auf
Grund eines falschen Gutachtens gemäß § 839a BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Unmittelbare Folgen eines unrichtigen Gutachtens werden von der Vorschrift des § 839a BGB grundsätzlich nicht
erfasst.
Aus den Gründen:
»1. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen immateriellen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte
gemäß § 839a BGB verneint.
Nach dieser Vorschrift ist der Sachverständige nämlich nur
zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf
diesem Gutachten beruht. Einen solchen Schaden macht die
Klägerin offensichtlich jedoch nicht geltend. Sie behauptet vielmehr, zu den von ihr nunmehr beklagten Beeinträchtigungen,
für die sie das Schmerzensgeld fordert, sei es schon allein aufgrund des unrichtigen Gutachtens der Beklagten gekommen.
Eine solche unmittelbare Folge eines unrichtigen Gutachtens
wird von der Vorschrift des § 839a BGB grundsätzlich nicht erfasst.
Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, ob die Vorschrift
des § 839a BGB auf Gutachten anzuwenden ist, die in einem
staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholt werden, die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Frankenthal vom 10.12.2008 (Blatt 94 ff. GA) auf dem Gutachten
der Beklagten »beruht« und ob die Ersatzpflicht gemäß § 839a
Abs. 2 und 3 BGB hier schon deshalb ausscheidet, weil die Klägerin nicht in der zulässigen Form ein Klageerzwingungsverfahren gegen die Einstellungsverfügung gemäß § 172 StPO durchgeführt hat. Letzteres wäre freilich der Fall, wenn die Klägerin
ihr Klagebegehren auch darauf gestützt hätte, dass die auf dem
Gutachten beruhende Einstellungsverfügung bei ihr zu den geltend gemachten Beeinträchtigungen geführt hätte. Zwar hätte
ein Klageerzwingungsverfahren gemäß 172 ZPO nicht einen
Schadensersatzanspruch zum Gegenstand gehabt. Jedoch hätte, was Sinn und Zweck der Vorschriften des § 839a Abs. 2 und
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
3 BGB ist, ein Schaden, der der Klägerin durch eine auf einem
unrichtigen Gutachten beruhende Einstellungsverfügung der
Staatsanwaltschaft entstanden sein könnte, vermieden werden
können.«
2.4. Kausalität Gutachten / Entscheidung
2.4.1. LG Bonn (Beschluss vom 19. September 2006,
Az.: 10 O 77/06): Erfolgsaussicht eines Anspruchs
auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen
Falschbegutachtung in einem Sorgerechts- bzw.
Umgangsverfahren
Leitsatz der Entscheidung:
Folgt ein Gericht den Empfehlungen eines Gutachters
nicht, besteht kein Schadensersatzanspruch aus § 839a
BGB, da in dessen Rahmen nur der Schaden zu ersetzen
ist, der einem Verfahrensbeteiligten durch eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten
beruht.
Aus den Gründen:
»1. Soweit die Antragsteller einen Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld von nicht unter 2.000,00 € bzw. 5.000,00
€ begehren, haben die entsprechenden Klageanträge zu 1. und
2. aus keinem rechtlichen Gesichtspunkt hinreichende Aussicht
auf Erfolg. Ein Anspruch aus § 839a BGB scheitert bereits an der
Kausalität des behaupteten immateriellen Schadens. Selbst
wenn man mit den Antragstellern davon ausgeht, dass der
Sachverständige C hier grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet hat, so ist im Rahmen des § 839a BGB nur der
Schaden zu ersetzen, der einem Verfahrensbeteiligten durch
eine gerichtliche Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. Grundsätzlich werden von § 839a BGB auch immaterielle Schäden erfasst (Palandt, 64. Aufl. zu § 839a BGB Rdnr.
4 und 5). Ausweislich der beiden Beschlüsse des Amtsgerichts in
den Verfahren 45 F ... /99 und 45 F ... /00 folgte das Amtsgericht den Empfehlungen des Gutachters C nicht, auch nicht teilweise. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass
die Entscheidung ohne das Gutachten oder bei einem anderen
Inhalt oder Ergebnis weniger ungünstig für die Antragsteller
ausgefallen wäre. Bezüglich der Sorgerechtsentscheidung wurde das gemeinsame Sorgerecht aufgehoben und das alleinige
Sorgerecht der Antragstellerin übertragen mit der Begründung,
dass diese Regelung derzeit dem Wohl des Kindes am meisten
entspreche. Ferner heißt es dazu im Beschluss (Bl. 359 d.A. 45 F
... /99):
»Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu der von dem
Sachverständigen abgegebenen Empfehlung, das elterliche Sorgerecht auf einen Amtspfleger zu übertragen, der sich aber
auch dafür ausgesprochen hat, das Kind weiter bei der Mutter
zu lassen. Auch wenn das Gericht von der Sachverständigenempfehlung abweicht, bestand keine Veranlassung, die Unverwertbarkeit des Gutachtens festzustellen und ein neues weiteres Gutachten einzuholen. Der Sachverständige mag nicht
über die wissenschaftlich fundierten Kenntnisse verfügen wie
der Direktor einer Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, erscheint dies aber auch in diesem Verfahren nicht erforderlich.
Die von dem Sachverständigen getroffenen Feststellungen decken sich mit den von dem Gericht anlässlich der verschiedenen
Termine gewonnenen Erkenntnissen, und dies wird als eine ausreichende Grundlage für eine Entscheidung gesehen. Das Ge-
richt teilt die von dem Sachverständigen C geäußerten Zweifel
an der Erziehungsgeeignetheit der Kindesmutter, ohne dass es
notwendig erscheint, eine medizinische Wertung hinsichtlich
der Persönlichkeitsstruktur der Kindesmutter vorzunehmen.
Trotz der Bedenken hinsichtlich der Erziehungsgeeignetheit der
Kindesmutter kann aber der von dem Sachverständigen insoweit aufgezeichneten Lösungsmöglichkeit, die sowohl von der
Kindesmutter als auch von dem Kindesvater abgelehnt wird,
nämlich die Übertragung des Sorgerechts auf einen Pfleger bzw.
Vormund, nicht gefolgt werden. ...«
Daraus folgt eindeutig, dass das Gericht weder dem Lösungsvorschlag des Gutachters gefolgt ist, noch das die von der Antragstellerin gerügten Feststellungen zur Persönlichkeitsstruktur
und Erziehungseignung der Mutter Eingang in diese Entscheidung gefunden haben. Insoweit lässt sich ein Anspruch auf §
839a BGB mangels Kausalität jedenfalls nicht begründen.
Auch bezüglich des Beschlusses zum Umgangsrecht des Vaters mit dem gemeinsamen Sohn F beruht die Entscheidung
nicht auf den Empfehlungen des Sachverständigen C , der zunächst ca. fünf begleitete Umgangskontakte stattfinden lassen
wollte, sondern das Gericht bildete sich selbst ein Urteil aufgrund richterlicher Anhörung der Verfahrensbeteiligten (s. S. 6
und 7 des Umgangsrechtsbeschlusses vom 24.11.2003; Az.: 45
F ... /00). Das Gericht kommt darin zu dem Ergebnis, dass eine
Auseinandersetzung mit den von der Antragstellerin behaupteten Unrichtigkeiten und fachlichen Angriffen auf das Gutachten
nicht erforderlich sei, da diese für die Entscheidung unerheblich
seien. Der Beschluss beruht im Folgenden auf den Erkenntnissen
des Gerichts zum bisherigen Verlauf der Umgangsregelung und
den persönlichen Eindrücken, die sich jedoch zum Teil mit den
gutachterlichen Feststellungen decken. Auch insoweit fehlt daher die Kausalität zwischen den behaupteten immateriellen
Schäden und der gerichtlichen Entscheidung. Die von den Antragstellerin im Gutachten C gerügten Feststellungen waren für
das Gericht ausweislich des Beschlusses nicht in der Form erheblich, dass die getroffene Umgangsregelung von gerade diesen
Feststellungen abhängig gemacht wurde.«
2.4.2. OLG München (Beschluss vom 19. Juli 2011,
Az.: 1 W 999/11): Keine Kausalität der gutachterlichen
Stellungnahme für die Entscheidung!
Leitsatz der Entscheidung:
Eine Haftung des gerichtlichen Sachverständigen gemäß
§ 839a BGB kommt nicht in Betracht, wenn die behauptete fehlerhafte gutachterliche Stellungnahme nicht entscheidungserheblich war, die Klage vielmehr wegen fehlender objektiver Beweismittel abgewiesen wurde.
Aus den Gründen:
»4. Soweit die Antragstellerin die beabsichtigte Klage auf §
839a BGB stützt, teilt der Senat die Beurteilung des Landgerichts, wonach die Klageabweisung nicht auf der behaupteten
fehlerhaften gutachterlichen Stellungnahme der Antragsgegner
zu 3) oder 4) beruht. Die Klage wurde deshalb abgewiesen, weil
die Klägerin gegenüber der Versorgungsverwaltung und dem
Gericht nicht mit ausreichender Sicherheit beweisen konnte,
dass sie im Jahr 1992 Opfer einer Gewalttat geworden ist. Maßgeblich waren dabei für die Sozialgerichte die stark abweichenden Schilderungen der Klägerin vom 15.12.1992 und
16.12.1992, die lange Zeitdauer zwischen der behaupteten
Straftat und dem Antrag auf Entschädigung, die Auswertung
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Festschrift BauSV 1/2015
der Ermittlungs- bzw. Strafakten und die ernsthafte Möglichkeit
anderer Ursachen für aktuelle Gesundheitsstörungen (vgl. Urteil
des Bayerischen Landessozialgerichts vom 30.06.2009, S. 1012). Eine wie auch immer geartete ärztliche Begutachtung war
nicht geeignet, dieser Beweisproblematik auf Seiten der Klägerin, die sich auf keinerlei objektive Beweismittel stützen konnte,
zu überwinden, da – wie bereits das Sozialgericht München auf
S. 13 zutreffend ausgeführt hat – ärztliche Gutachten nur über
medizinische Fragen Auskunft geben können, nicht darüber, ob
sich ein Ereignis im Jahr 1992 in der behaupteten Weise zugetragen hat oder nicht. Diese Frage war im Übrigen auch nicht
Gegenstand der Begutachtung seitens der Antragsgegner zu 3)
und 4).
Soweit die Antragstellerin meint, sie hätte mit ihrer Klage Erfolg gehabt, wenn sich die Antragsgegner zu 3) und 4) nicht
geweigert hätten, ein Glaubwürdigkeitsgutachten zu erstatten,
kann dem ebenfalls nicht gefolgt werden. Die Erholung des beantragten Glaubwürdigkeitsgutachtens hat das Landessozialgericht mit der Begründung abgelehnt, dass es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag handele und der Antragstellerin nach dem Gesetz weitere Beweiserleichterungen nicht zukommen würden. Auch dies macht deutlich, dass für das Gericht
die fachlichen Stellungnahmen der Antragsgegner zu 3) und 4)
nicht entscheidungserheblich waren.«
2.4.3. OLG Jena (Urteil vom 7. November 2012,
Az.: 2 U 135/12) – Unrichtiges Gutachten war kausal
für die falsche Gerichtsentscheidung!
Leitsatz der Entscheidung:
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 839a BGB ist,
dass das unrichtige Gutachten eines Gerichtssachverständigen kausal für eine falsche Gerichtsentscheidung war.
Aus den Gründen:
»3. Es bestand auch der erforderliche Kausalzusammenhang
zwischen den gutachterlichen Feststellungen des Beklagten und
dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 28.06.2005.
a) Die Kammer hat aufgrund der Messungen des Beklagten
angenommen, dass die »Toleranzbereiche an mehreren Messpunkten in allen drei Garagen überschritten [seien], sodass das
Werk [des Klägers] insoweit mangelhaft« sei. Sie ist auch – ohne
allerdings § 13 Nr. 6 VOB/B a.F. namentlich zu benennen – davon ausgegangen, dass dem Kläger kein Recht zustand, die
Nachbesserung wegen Unverhältnismäßigkeit zu verweigern.
Hierbei hat sie die vom Beklagten veranschlagten voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 11.000,– € ins
Verhältnis zur voraussichtlichen Pauschalvergütung gesetzt (Seite 7 des Urteils, Bl. 139 des Verfahrens 1 O 1187/04). Es ist davon auszugehen, dass das Landgericht zu einer anderen Bewertung gekommen wäre, wenn ihm aufgrund einer zutreffenden
gutachterlichen Stellungnahme bekannt gewesen wäre, dass in
den Garagen nur ganz wenige DIN-widrige und zudem lediglich
geringfügige Toleranzabweichungen vorhanden waren, die mit
einem Kostenaufwand von 450,– bis 500,– € netto – so die
Schätzung des Sachverständigen Prof. … auf Seite 7 seines Ergänzungsgutachtens vom 31.10.2008 – zu beseitigen gewesen
wären.
b) Allerdings hat die Kammer in ihrem Urteil vom 28.06.2005
auch erläutert, »dass nach den Feststellungen des [Beklagten],
die vom [Kläger] nicht angegriffen worden [seien], in der linken
Garage ein Gegengefälle zur Wand hin ausgeführt worden« sei,
das »unabhängig von der Frage, ob ein – nicht vom Beklagten zu
vertretender – Ausschreibungsfehler darin lieg[e], dass kein Gefälleanstrich ausgeschrieben [worden sei], als handwerklicher
Fehler des Beklagten anzusehen« sei. Entgegen der Ansicht des
Beklagten berühren diese Darlegungen in den Urteilsgründen die
Ursächlichkeit zwischen den fehlerhaften gutachterlichen Ausführungen des Klägers und dem Urteil des Landgerichts Mühlhausen jedoch nicht. Die Kammer hat bei der Zuerkennung des
Kostenvorschusses nicht danach unterschieden, welcher Betrag
voraussichtlich für die Beseitigung der streitgegenständlichen
Unebenheiten in allen drei Garagen erforderlich ist und welche
Kosten voraussichtlich anfallen werden, um das fehlerhaft ausgeführte Gegengefälle in Ordnung zu bringen. Vielmehr hat sich
das Landgericht in seinem Urteil vom 28.06.2005 an den
11.000,– € orientiert, die der Beklagte auf Seite 12 seines Gutachtens vom 26.11.2002 (Anlage K O9 im Verfahren 1 O
1187/04, dort Bl. 24 R) angesetzt hat. Dort wurden Kosten für
sämtliche Unebenheiten und damit auch für das nicht gesondert
erwähnte Gegengefälle ausgewiesen. Dies wird durch die Kos­
tenaufstellung belegt (Gutachten S. 10 bis 12). Dementsprechend hat der Sachverständige Prof. … in seinem Gutachten
auch die gesamten Mangelbeseitigungskosten auf der Basis der
vom Beklagten vorgenommenen Messungen ermittelt. Von daher hat das Landgericht auch sämtliche Mangelbeseitigungskos­
ten in Ansatz gebracht, ohne dass für das »Gegengefälle« noch
ein weiterer Betrag anzusetzen wäre. Somit war das Gutachten
des Beklagten in vollem Umfang ursächlich für den Schaden, den
der Kläger durch das Vorverfahren erlitten hat.
c) Zutreffend ist das Landgericht auch davon ausgegangen,
dass der Kläger im Vorprozess auch nicht unter einem anderen
Gesichtspunkt zur Vorschusszahlung verurteilt worden wäre,
wenn der Kammer seinerzeit ein fehlerfreies Sachverständigengutachten vorgelegen hätte. Denn nur dann wäre die Kausalität
ausgeschlossen, wenn sich das unzutreffende Gutachten hinwegdenken ließe, ohne dass die Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt anders ausgesehen hätte, d.h. wenn das Gericht
den jetzigen Kläger im Vorprozess auch auf Grund eines richtigen Gutachtens verurteilt hätte (Wagner/Thole, FPR 2003,
521, 523). Dem Kläger hat es – obgleich Fachmann – nicht oblegen, die Werkbestellerin darauf hinzuweisen, dass es aufgrund der ebenen Unterkonstruktion zu Pfützenbildungen kommen könnte. Es bedurfte keines solchen Hinweises, da die Ausschreibung der Bauleistung durch ein Planungsbüro erfolgte,
lediglich für 44 qm ein Gefälleestrich vorgesehen war und im
Übrigen dem Kläger für die übrigen 210 qm die Wahl gelassen
wurde, ob er den schwimmenden Estrich »waagerecht oder in
leichtem Gefälle verlegt« (siehe im Einzelnen Anlage K 7, Bl.
93).«
2.5. Schaden
2.5.1. OLG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2006,
Az.: 20 U 133/04): Schadensersatz wegen Fehler im
Wertgutachten im Zwangsversteigerungsverfahren
Leitsatz der Entscheidung:
Die Rückrechnung eines Mitbieters ist zur Bestimmung eines
entstandenen Schadens nicht geeignet, wenn sich nicht feststellen lässt, dass diese Berechnung auch dem konkreten Bieterverhalten im Versteigerungstermin zu Grunde lag.
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Aus den Gründen:
»Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch aus § 839a
BGB, der einzigen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage, wegen der behaupteten Fehler des vom Beklagten im
Zwangsversteigerungsverfahren erstatteten Wertgutachtens
nicht zu. Die Beweisaufnahme hat nicht mit der erforderlichen
Sicherheit ergeben, ob überhaupt und wenn ja in welcher Höhe
den Klägern durch die behaupteten Fehler des Gutachtens ein
Schaden entstanden ist.
Die Kläger machen als Schaden geltend, dass sie das Grundstück bei richtiger Begutachtung zu einem niedrigeren Preis hätten ersteigern können, weil in diesem Fall auch die anderen Mitbieter nur bis zu einem entsprechend niedrigeren Betrag geboten hätten. Diese Behauptung hat sich in der Beweisaufnahme
nicht bestätigt. Die Zeugin T und der Zeuge M konnten letztlich
keine zuverlässigen Angaben dazu machen, bis zu welchem Betrag sie geboten hätten, wenn in dem Gutachten ein niedrigerer
Wert festgesetzt und der Überbau sowie die – aus Sicht der Kläger – zutreffende Zahl der Stellplätze genannt worden wäre. Es
lässt sich insbesondere nicht feststellen, dass ein um etwa
10.000,00 € niedrigerer Verkehrswert sich auf das Bieterverhalten überhaupt ausgewirkt hätte.
Der Aussage des Zeugen M kann nicht entnommen werden,
dass er in diesem Fall nur einen niedrigeren Betrag geboten hätte. Der Zeuge hat bekundet, dass er das Gutachten gar nicht
eingesehen habe. Seiner Aussage lässt sich auch nicht entnehmen, von welchen objektiven Kriterien sein Bieterverhalten abhängig war. Seine allgemeine Einschätzung, bei einem niedrigeren Verkehrswert und Kenntnis von einer »Überbauproblematik« hätte er weniger geboten, reicht zur Feststellung auch
nur eines Mindestschadens nicht aus.
Das Gleiche gilt letztlich auch für die Aussage der Zeugin T.
Diese hat sich zwar bemüht, den Wert der zwei Stellplätze, die
nach dem Vortrag der Kläger zu Unrecht in dem Gutachten angegeben sind, entsprechend zu bewerten. Dabei handelte es
sich aber erkennbar um eine Rückrechnung, die keine hinreichenden Rückschlüsse auf ihr tatsächliches Bieterverhalten zulässt.
Die Vernehmung der Zeugin T hat ergeben, dass die Kläger
sich vor ihrer Aussage mit ihr in Verbindung gesetzt haben. Sie
haben ihr mit Schreiben vom 16.09.2006 (GA 159) Auszüge aus
dem Gutachten des Beklagten überlassen und ihr mitgeteilt,
dass nach ihrer Auffassung das Gutachten deshalb falsch sei,
weil dort 8 statt vorhandener 6 Stellplätze ausgewiesen seien
und auf eine Überbauproblematik nicht hingewiesen sei. Auf
dieser Grundlage hat sich die Zeugin bemüht, nachträglich die
Stellplätze zu bewerten, indem sie errechnet hat, welche Kosten
bei einer Finanzierung des auf die beiden Stellplätze entfallenden Ertragswertes angefallen wären. Dabei ist sie von folgendem Gedankengang ausgegangen: Der Betrag von
554.000,00 €, bis zu dem die Eheleute T geboten haben, wird
zu 100 % finanziert, wobei der jährliche Reinertrag – also die
Mieteinnahmen – ausreichen muss, um Zins und Tilgung aufzubringen. Der Reinertrag belief sich laut Gutachten auf 35.562,00
€. Dies entspricht einer Rate von ca. 6,42 % (35.562,00 :
554.000 x 100). Die Stellplatzmiete beläuft sich auf monatlich
20,00 €, jährlich mithin 480,00 €. Eine Verringerung der jährlichen Darlehensraten um 480,00 € führe bei dem Zinssatz von
6,42 % zu einer Darlehenssumme von 547.508,85 €. Wegen
der Einzelheiten wird auf die von der Zeugin zur Akte gereichte
Berechnung Bezug genommen (GA 161).
Diese Rückrechnung ist zur Bestimmung des entstandenen
Schadens nicht geeignet. Denn es lässt sich nicht feststellen,
dass diese Berechnung auch dem konkreten Bieterverhalten der
Zeugen T im Versteigerungstermin zu Grunde lag. Die Zeugin
hat zunächst nämlich ausgesagt, dass sie grundsätzlich immer
einen Prozentsatz von 70 % bis 80 % des Ertragswertes bieten,
das wären im vorliegenden Fall bis 523.200,00 € gewesen (80
% von 654.000,00 €), sie seien allerdings höher gegangen, weil
ihnen das Objekt besonders gefallen habe. Ob und in welcher
Höhe die Zeugen T sich seinerzeit ein Limit gesetzt haben, konnte die Zeugin nicht mehr angeben.
Damit ist aber der von der Zeugin nachträglich erstellten Berechnung die Basis entzogen. Ihre Berechnung erweist sich darüber hinaus auch deshalb als zum Nachweis des Schadens ungeeignet, weil der Zinssatz von 6,42 % nicht den damaligen
Bedingungen entspricht, zu denen sie ein Darlehen bekommen
hätten. Vielmehr errechnet sich dieser Zinssatz allein aus der Relation zwischen dem Gebot und dem jährlichen Reinertrag und
stellt damit lediglich einen theoretischen Rechnungsposten dar.
Die Aussage der Zeugin beruht daher auf einer rein hypothetischen Rückrechnung.
Zu ihrem tatsächlichen Bietverhalten konnte die Zeugin keine
verlässlichen Angaben mehr machen, sodass sich nicht feststellen lässt, wie sich eine andere Begutachtung auf ihr Gebot ausgewirkt hätte. Vielmehr zeigt ihre Aussage, dass sie dieses Objekt gerne haben wollte und daher eine Wirtschaftlichkeitsberechnung für ihr Bieterverhalten in diesem Fall letztlich nicht
ausschlaggebend war, sondern sie ohnehin höher geboten haben, als es ihrer Grundregel (70 – 80 % des Verkehrswertes)
entspricht.
Auf dieser Grundlage lässt sich ein Schaden daher nicht verlässlich feststellen. Auch für die Schätzung eines Mindestschadens fehlen konkrete Anhaltspunkte.«
2.5.2. OLG Köln (Urteil vom 8. Dezember 2010,
Az.: 2 U 8/10): Haftung des gerichtlich bestellten
Wertgutachters gegenüber dem Ersteigerer!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Zum ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 839a BGB
gehört jeder durch das unrichtige Gutachten und die darauf beruhende gerichtliche Entscheidung adäquat verursachte und in den Schutzbereich der verletzten Sachverständigenpflicht fallende Vermögensschaden.
2. Der Schadensersatz soll die Vermögenslage herstellen,
die eingetreten wäre, wenn der Grundstückswert korrekt
ermittelt worden wäre.
3. Der Geschädigte hat nicht nur einen Anspruch darauf,
so gestellt zu werden, als wenn er das begutachtete Objekt nicht ersteigert hätte.
4. Dem Geschädigten bleibt es weiter vom Ansatz her unbenommen, geltend zu machen, dass er bei korrekter
Wertfestsetzung das Grundstück zu einem niedrigeren
Meistgebot hätte ersteigern können.
5. Den Differenzbetrag kann er als Schadensersatz beanspruchen.
6. Dies gilt auch dann, wenn das zum Zuge gekommene Meistgebot unter dem Verkehrswert liegt (vgl.
BGH, 9. März 2006, III ZR 143/05 = BGHZ 166, 313).
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
2.5.3. OLG Jena (Urteil vom 7. November 2012,
Az.: 2 U 135/12) – Schadensersatzanspruch gegen
Gerichtsgutachter umfasst auch Verfahrens- und
Gutachterkosten!
Leitsatz der Entscheidung:
Der Anspruch nach § 839a BGB umfasst neben dem Streitgegenstand des Primärverfahrens ebenfalls die dort entstandenen Verfahrens- und Gutachterkosten.
Aus den Gründen:
»6. Dem Kläger ist auch ein Schaden in Höhe von 23.209,63 €
entstanden, wie er vom Landgericht im angefochtenen Urteil
festgestellt wurde. Er resultiert aus den klageweise geltend gemachten 23.804,63 €, abzüglich der 595,– € brutto an Mangelbeseitigungskosten, die der Sachverständige Prof. … auf Seite 7 seiner ergänzenden Stellungnahme vom 31.10.2008 im
Schätzungswege ermittelt hat.
a) Der Kläger ist vom Landgericht Mühlhausen im Verfahren 1
O 1187/04 verurteilt worden, an den Werkbesteller 11.000,– €
nebst Zinsen zu zahlen. Hieraus resultieren die 12.410,15 €, die
der Kläger in seiner Schadensaufstellung (Bl. 15) als »Zahlung des
Urteilsbetrags d. d. Kläger« aufgelistet und durch Kontoauszug
vom 06.12.2005, Bl. 318, belegt hat. Bei den 11.000,– € handelt
es sich um Vorschusskosten im Sinne des § 637 Abs. 3 BGB. Ein
solcher Vorschuss ist zweckgebunden. Kann oder will der Werkbesteller nicht nachbessern, ist er gehalten, den Vorschuss alsbald
zurückzuzahlen (Palandt-Sprau, BGB, 70. Aufl., § 637 Rn. 10 und
11). Die Klägervertreterin hat dazu im Termin vom 10.10.2012 zu
Protokoll erklärt, dass ihr eine Rechnung des … vorliege, wonach
die Sanierungsarbeiten durchgeführt und gegenüber dem … mit
einem Betrag in Höhe von 17.316,77 € abgerechnet worden
seien. Dies zugrunde gelegt, kommt kein Rückzahlungsanspruch
des Klägers gegen den … e.V. in Betracht, der Einfluss auf den
streitgegenständlichen Schaden haben könnte.
b) Soweit der Kläger auf Seite 15 der Klageschrift weitere
11.394,48 € als zusätzliche Schäden wegen Verfahrens- und
Gutachterkosten geltend gemacht hat, hat der Beklagte diese
Positionen nicht in Abrede gestellt.«
2.6. Kausalität Entscheidung / Schaden
OLG Schleswig (Urteil vom 10. April 2012, Az: 11
U 18/10): Anforderungen an die Darlegungs- und
Beweislast zur haftungsausfüllenden Kausalität bei
Inanspruchnahme eines Gerichtssachverständigen
durch einen Grundstücksersteigerer wegen eines
fehlerhaften Verkehrswertgutachtens
Leitsätze der Entscheidung:
1. Nimmt ein Grundstücksersteigerer den Sachverständigen wegen eines grob fahrlässig erstatteten fehlerhaften
Verkehrswertgutachtens in Anspruch, ist im Rahmen der
haftungsausfüllenden Kausalität zu prüfen, ob der Ersteigerer bei korrekter Verkehrswertermittlung tatsächlich
von der Immobilienersteigerung Abstand genommen
hätte.
2. Hierzu muss der Anspruchsteller im Rahmen der ihm
obliegenden Darlegungs- und Beweislast jedenfalls seine
Kalkulation offenlegen aus der sich ergibt, dass der Erwerb – ausgehend vom tatsächlichen Grundstückswert –
wirtschaftlich uninteressant gewesen sein könnte.
Aus den Gründen:
»Im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität ist anhand
des Maßstabs des § 287 ZPO zu beurteilen, ob die Klägerin tatsächlich von der Ersteigerung der Immobilie Abstand genommen hätte. Eine entsprechende Feststellung kann der Senat auf
Grundlage des Vortrags der Klägerin nicht treffen. Die Klägerin
hat lediglich vorgetragen, dass ihre Motivation für die Abgabe
des Meistgebots von 153.000 € der Umstand gewesen sei, dass
ein Verkehrswert von 260.000 € festgesetzt worden sei, sie eine
Immobilie folglich für rund 59 % des festgesetzten Verkehrswertes habe erwerben können. Diese Erwägung genügt auch
unter Zugrundelegung des Beurteilungsmaßstabs des § 287
ZPO nicht aus, um feststellen zu können, dass die Klägerin bei
korrekter Verkehrswertermittlung durch den Beklagten von der
Abgabe eines Gebotes im Zwangsversteigerungsverfahren Abstand genommen hätte.
[…]
Die Klägerin hätte jedenfalls ihre Kalkulation offenlegen müssen, wie der Senat in der mündlichen Verhandlung vom
20.03.2012 ausdrücklich hervorgehoben hat. Aus dieser hätte
sich u.U. ergeben können, dass der Erwerb der Immobilie – ausgehend von einem tatsächlichen Verkehrswert von 189.000,00
€ – gut 19 % unter diesem Verkehrswert für sie wirtschaftlich
uninteressant gewesen sein könnte. Auch hat sie zu weiteren
Kriterien für ihre Erwerbsentscheidung keinerlei Ausführungen
gemacht. Im Gegenteil erklärte die Klägerin in der mündlichen
Verhandlung, dass sie entsprechenden Vortrag trotz der Hinweise des Landgerichts und des Senats im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 09.03.2006 (NJW 2006,
1733) nicht für erforderlich halte.«
3. § 839a Abs. 2 BGB
3.1. Unterlassenes Rechtsmittel
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 24. Juni 2013,
Az.: 8 U 45/13): Keine Haftung des gerichtlichen
Sachverständigen bei unterlassener Einlegung von
Rechtsmitteln im Ausgangsprozess!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Ein medizinischer Sachverständiger kann gemäß § 839a
BGB erst dann wegen vorsätzlicher oder grob fahrlässiger
Erstellung eines unrichtigen Gutachtens in Anspruch genommen werden, wenn im Rahmen des ursprünglich geführten Arzthaftungsprozesses sämtliche Einwendungen
gegen die Richtigkeit seines Gutachtens vorgetragen worden sind.
2. Dazu gehört auch die Einlegung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel.
Aus den Gründen:
»Nach § 839a BGB kann sich ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger ersatzpflichtig machen, wenn er vorsätzlich oder
grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet und dadurch
einen Schaden herbeiführt; die Geltendmachung eines solchen
Anspruchs ist allerdings nach der Gesetzessystematik nicht zulässig, wenn es der Geschädigte schuldhaft versäumt, die vermeintlich fehlerhafte gutachterliche Stellungnahme in dem Ausgangsprozess durch Einlegung eines Rechtsmittels korrigieren zu lassen.
Mit Recht und aus zutreffenden Erwägungen ist das Landgericht
in der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt,
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Festschrift BauSV 1/2015
dass diese Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind :
1) Die Klägerin hat zwar in dem ursprünglichen Rechtsstreit
in zulässiger Weise den Versuch unternommen, die aus ihrer
Sicht unrichtigen Schlussfolgerungen des Sachverständigen
durch Einlegung der Berufung gerichtlich überprüfen zu lassen;
ihr ist aber das Fehlverhalten ihres damaligen Prozessbevollmächtigten, der es unterlassen hat, gegen ein seine Partei belas­
tendes Versäumnisurteil fristgerecht Einspruch einzulegen, zuzurechnen. Auf diese Weise wurde die vorrangige Korrektur der
angeblich fehlerhaften Stellungnahme in dem Ausgangsprozess
vereitelt. Den in der Berufungsbegründung vertretenen Standpunkt, es sei einer Partei nicht zuzumuten, die Unrichtigkeit der
Begutachtung durch ein voraussichtlich erfolgloses Rechtsmittel
weiterzuverfolgen, teilt der Senat nicht. Tatsächlich besteht in
der zweiten Instanz häufig Veranlassung dazu, eine gutachterliche Wertung durch eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen zu prüfen. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, ihr Anwalt sei krankheitsbedingt und deshalb unverschuldet an der Wahrnehmung ihrer
prozessualen Rechte gehindert gewesen. Der Senat hat bereits
in dem Ausgangsprozess durch Beschluss vom 07.10.2010 im
Einzelnen begründet, dass die bescheinigte mittelgradige bis
schwere Depression des seinerzeit beauftragten Rechtsanwalts
Dr. Verhasselt diesen nicht daran gehindert hat, seine anwaltlichen Pflichten zu erfüllen.
2) Mit Recht hat die erstinstanzliche Zivilkammer in der angefochtenen Entscheidung zudem darauf hingewiesen, dass die
Klägerin ein zumindest grob fahrlässiges Fehlverhalten des Beklagten bei Erfüllung seines Gutachterauftrages nicht schlüssig
dargelegt hat; diesbezügliche Gesichtspunkte werden auch in
der Berufungsbegründung nicht vorgetragen.«
3.2. Unterlassener Befangenheitsantrag gegen
Gerichtssachverständigen
LG Regensburg (Urteil vom 29. August 2012,
Az. 1 O 2552/11): Kein Haftungsanspruch gegen
Gerichtssachverständigen bei unterlassenem
Befangenheitsantrag!
Leitsatz der Entscheidung:
Ein Haftungsanspruch nach § 839a Abs. 1 BGB scheidet
aus, wenn es der Kläger im Ausgangsverfahren versäumt
hat, einen Befangenheitsantrag gegen den Gerichtssachverständigen zu stellen.
Aus den Gründen:
»2. Nach Auffassung des Gerichtes ist nämlich ein Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten im Hinblick auf
§ 839a Absatz 2 BGB deshalb ausgeschlossen, weil es der Kläger im Vorprozess unterlassen hatte, den Beklagten (erfolgreich)
wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 406 ZPO abzulehnen:
a) Legt man den Sachvortrag des Klägers als richtig zugrunde, hätte sich der Beklagte in seiner mündlichen Anhörung am
26.02.2008 selber zum Richter gemacht, weil er geäußert hatte,
dass dem Kläger keine Entschädigung zustehe. Nach eigenem
Vortrag des Klägers sei diese negative Einstellung des Sachverständigen gegenüber ihm wesentlich ausschlaggebendes Motiv
für die Fehlerhaftigkeit des Gutachtens gewesen, daraus will der
Kläger gröbste Fahrlässigkeit mit der Tendenz zum Vorsatz herleiten.
b) Macht sich ein Sachverständiger aber selber zum Richter,
ist dies ein Ablehnungsgrund im Sinne des § 406 Absatz 1 Satz
1 ZPO (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 30.12.2011, MDR
2012, 802, 803 links unten). Es kann daher davon ausgegangen
werden, dass ein Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen aufgrund dieser Äußerung erfolgreich gewesen wäre, weshalb das Gericht sodann ein erneutes Sachverständigengutachten eines anderen Sachverständigen hätte einholen müssen.
c) Unterstellt man weiter den Klägervortrag als richtig, dass
das Sachverständigengutachten des Beklagten grob falsch gewesen wäre, ist davon auszugehen, dass dieses Ergebnis im
neuen Sachverständigengutachten eines anderen Sachverständigen korrigiert worden wäre.«
3.3. Anträge nach §§ 411 Abs. 3, 4, 412 ZPO
3.3.1. OLG Brandenburg (Urteil vom 20. Juli 2006,
Az.: 5 U 168/05): Haftungsausschluss wegen eines
unrichtigen Gutachtens bei unterbliebenem Antrag
auf Ladung zur mündlichen Anhörung!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Erstattet ein vom Gericht ernannter Sachverständiger
vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten, dann ist eine Haftung aus § 839a Abs. 1 BGB ausgeschlossen, wenn ein Prozessbeteiligter es versäumt, im
laufenden Verfahren einen Antrag auf Ladung des Sachverständigen gem. §§ 397 Abs. 1, 402, 411 Abs. 4 S. 1 ZPO
zur mündlichen Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung zu stellen, nachdem
das Gericht mitgeteilt hatte, für eine Anhörung von Amts
wegen keine Veranlassung zu sehen.
2. Der Verfahrensbeteiligte hat dadurch seine Möglichkeit
zur Befragung des Sachverständigen und damit zur Vermeidung eines Urteils auf der Grundlage einer Falschbegutachtung nicht ausgeschöpft und deswegen i.S.d. §§
839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB ein Rechtsmittel nicht gebraucht.
Aus den Gründen:
»Die Berufung der Klägerin hat dagegen allein deswegen keinen Erfolg, weil sie es durch fehlenden Gebrauch eines Rechtsmittels schuldhaft versäumt hat, den durch eine mögliche
Falschbegutachtung entstandenen Schaden abzuwenden (§§
839a Abs. 2, 893 Abs. 3 BGB).
1. Bei dem Einwand aus § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs.
3 BGB handelt es sich um eine schon von Amts wegen zu berücksichtigende Ausprägung des Mitverschuldenseinwandes.
Sinn und Zweck der Regelung ist die Absicherung des Vorrangs
des Primär- vor dem Sekundärrechtsschutz entgegen dem Motto des »Dulde und Liquidiere«. Durch die uneingeschränkte Bezugnahme in § 839a Abs. 2 BGB auf die Regelung in § 839 Abs.
3 BGB ist grundsätzlich im Anwendungsbereich des § 839a BGB
von dem zu § 839 Abs. 3 ZPO im Amtshaftungsrecht entwickelten Rechtsmittelbegriff auszugehen.
Entgegen von der Klägerin zitierten vereinzelten Stimmen in
der Literatur, die den Rechtsmittelbegriff auf die förmlichen
Rechtsbehelfe beschränken wollen (Soergel/Vinke, § 839 BGB
Rn. 218) ist der Begriff des Rechtsmittels nicht technisch in der
Weise, dass er nur die in Verfahrensvorschriften vorgesehenen
und den prozesstechnischen Begriff eines Rechtsmittels unterfallenden Behelfes, wie etwa Berufung, Revision oder Beschwer-
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Festschrift BauSV 1/2015
de, erfasst, sondern weit zu verstehen. Darunter fallen demnach
alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende
Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichtigung bezwecken und ermöglichen (BGHZ 123, 1, 7; 137, 11, 23). Im Anwendungsbereich des § 839a Abs. 1 BGB ist allerdings die Besonderheit zu berücksichtigen, dass dessen Verletzungstatbestand zweiaktig ausgestaltet ist. Der Schaden tritt nicht schon
durch das unrichtige Gutachten ein, sondern erst durch die daraufhin ergehende, materiell-rechtlich falsche Entscheidung des
Gerichts (MünchKomm/Wagner, 4. Aufl., § 839a BGB Rn. 30).
Gerade wegen dieser zweiaktigen Ausgestaltung des Verletzungstatbestandes ist aber der Geschädigte gehalten, bereits im
laufenden Verfahren die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, die die jeweiligen Verfahrensordnungen bereitstellen, um
von vornherein zu verhindern, dass das falsche Gutachten von
dem Gericht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht wird
(MünchKomm/Wagner, a.a.O.; Staudinger/Wurm, 13. Bearb.
2002, § 839a BGB Rn. 6, Jaeger/Luckey MDR 2002, 1168, 1172;
Thole, MEDSACH 2006, 93, 97; Kilian VersR 2003, 683, 687).
Dem Geschädigten obliegt es danach im Zivilprozess, von seinen
in § 411 Abs. 4 ZPO verankerten Rechten Gebrauch zu machen
(MünchKomm/Wagner, a.a.O.).«
3.3.2. BGH (Beschluss vom 5. Juli 2007, Az.: III ZR
240/06): Antrag auf mündliche Erläuterung des
gerichtlichen Sachverständigengutachtens als
»Rechtsmittel«!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Ein Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen zur
mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ist
ein »Rechtsmittel« im Sinne des § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839
Abs. 3 BGB.
2. Zur Ursächlichkeit zwischen der Unterlassung eines solchen Antrags und dem Schadenseintritt.
Aus den Gründen:
»b) Zu Recht hat das Berufungsgericht die Klägerin für verpflichtet gehalten, aufgrund des auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des Primärrechtsschutzes (§ 839a
Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB) durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des ihrer Meinung nach unrichtigen
Sachverständigengutachtens hinzuwirken. Wie der Senat bereits entschieden hat, kommen als »Rechtsmittel« insbesondere
auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das
fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Der Senat hat
ausdrücklich darauf hingewiesen, dass insoweit etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), an Anträge, den Sachverständigen
zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, und an
formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)Gutachtens (§ 412 ZPO) zu denken ist (Senatsbeschluss vom 28. Juli
2006 - III ZB 14/06 = NJW-RR 2006, 1454 f Rn. 11 m.w.N.). In
ähnlichem Sinne hat der Senat bereits früher entschieden, dass
als Rechtsmittel im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB, die einem betroffenen Ehegatten gegen eine fehlerhafte Auskunft zu Gebote stehen, die ein Rentenversicherungsträger – einem gerichtlichen Sachverständigen vergleichbar – im familiengerichtlichen
Verfahren zum Versorgungsausgleich erteilt hat, auch Einwen-
dungen in Betracht kommen, die im Rahmen des familiengerichtlichen Verfahrens gegen die Richtigkeit der Auskunft erhoben werden (Senatsurteil BGHZ 137, 11, 22 ff).
c) Hieran hält der Senat auch bei voller Würdigung der von
der Revision vertretenen gegenteiligen Auffassung fest. Gerade
der vorliegende Fall, in welchem die Klägerin darauf verzichtet
hatte, die im Vorprozess ergangene Hauptsacheentscheidung
des Kammergerichts mit dem Rechtsmittel der Nichtzulassungsbeschwerde anzugreifen – anscheinend deshalb, weil sie keine
hinreichend Erfolg versprechenden Revisionszulassungsgründe
nach neuem Revisionsrecht aufzeigen konnte –, zeigt, dass es
um so dringlicher geboten ist, sämtliche zur Korrektur des unrichtigen Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen Behelfe schon vor Abschluss der jeweiligen Instanz auszuschöpfen.
d) Der Revision kann ferner nicht darin gefolgt werden, dass
ein derartiger Antrag von vornherein aussichtslos gewesen
wäre. Das Gericht ist auf Antrag einer Partei unabhängig von §
411 Abs. 3 ZPO gemäß §§ 402, 397 Abs. 1 ZPO zur Vorladung
des Sachverständigen verpflichtet (BGHZ 6, 398, 400 f.; BGH,
Urteil vom 7. Oktober 1997 - VI ZR 252/96 = NJW 1998, 162,
163). Die mündliche Befragung und Erläuterung wäre ein taugliches Mittel gewesen, entweder die Mängel des Gutachtens in
befriedigender Weise zu beheben oder diese Mängel so deutlich
hervortreten zu lassen, dass dem Gericht die Überzeugung von
der Unbrauchbarkeit des Gutachtens vermittelt wurde. Dies gilt
auch bei voller Würdigung des Umstandes, dass die Klägerin,
unterstützt durch einen Privatgutachter, bereits schriftsätzlich
ausführliche Gegenvorstellungen zu dem Gutachten erhoben
und der Sachverständige schriftlich darauf erwidert hatte. Die
unmittelbare persönliche Konfrontation im Austausch von Rede
und Gegenrede in Anwesenheit des Gerichts stellte gleichwohl
ein effektives zusätzliches Instrument der Wahrheitsfindung dar.
e) Auch ein Ursachenzusammenhang zwischen der unterbliebenen Anhörung des Sachverständigen und dem Schaden lässt
sich hier nicht verneinen. Zwar hat der Senat bereits entschieden, dass bei der Frage, welchen Verlauf die Sache genommen
hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, nicht
ohne Weiteres – wie bei der Prüfung der Ursächlichkeit einer
Amtspflichtverletzung – zugrunde zu legen ist, wie über den
Rechtsbehelf richtigerweise hätte entschieden werden müssen.
Auch bei einem Antrag, der zu einer gerichtlichen Entscheidung
führen soll, muss die Rechtspraxis in der in Rede stehenden Frage zu dem Zeitpunkt in Betracht gezogen werden, in dem der
Rechtsbehelf hätte angebracht werden müssen, wenn er den
Eintritt des Schadens hätte verhindern sollen (Senatsurteil BGHZ
156, 294, 299 f. m.w.N.). Gleichwohl wird bei einer gerichtlichen Entscheidung die wirkliche Rechtslage grundsätzlich eine
größere Rolle spielen. Dementsprechend ist mangels entgegengesetzter Anhaltspunkte hier davon auszugehen, dass bei
pflichtgemäßem Vorgehen des Kammergerichts die Verwertbarkeit des fehlerhaften Gutachtens als Grundlage für die der Klägerin ungünstige klageabweisende Entscheidung im Vorprozess
beseitigt worden wäre.
Dies reicht für den Nachweis einer Ursächlichkeit der Rechtsmittelversäumung für den Schaden aus. Eine weitergehende
Prognose darüber, wie der Vorprozess mutmaßlich im Ergebnis
ausgefallen wäre, ist – anders als bei einer dem Schadensersatz­
anspruch gegen den Sachverständigen stattgebenden Entscheidung – nicht erforderlich.
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3.3.3. AG München (Urteil vom 19. November
2009, Az.: 281 C 34656/08): Haftung des
Gerichtssachverständigen nur nach erfolglosen
Rechtsmitteln im Vorprozess!
Leitsatz der Entscheidung:
1. Ein Sachverständiger kann nur dann auf Schadensersatz
wegen eines im Prozess erstellten unrichtigen Gutachtens
verklagt werden, wenn im Prozess mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln versucht wurde, gegen das für
falsch gehaltene Gutachten vorzugehen.
2. Der Antrag auf Einholung eines »Obergutachtens«
nach § 412 ZPO ist ein »Rechtsmittel« im Sinne des § 839a
Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB.
Aus den Gründen:
»Ein Sachverständiger kann im Rahmen eines Folgeverfahrens
nur in Anspruch genommen werden, wenn im Rahmen des
Ausgangsverfahrens mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln
versucht wurde, gegen das für falsch gehaltene Gutachten vorzugehen. Es gilt ebenso wie bei § 839 III BGB der Grundsatz des
Vorrangs des Primärrechtsschutzes. Der Geschädigte ist gehalten, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmitteln gegen die von ihm für falsch gehaltene Entscheidung vorzugehen.
Wer sich nicht gegen eine falsche Entscheidung im Ausgangsverfahren wehrt, ist mit einem Schadensersatzanspruch im Folgeprozess ausgeschlossen. Zweck der Bestimmung ist, dass verschiedene Ansichten am besten im Ausgangsprozess geklärt
werden sollen und dass verhindert werden soll, dass im Ausgangsverfahren die falsche Partei gewinnt mit der Folge, dass
die Streitfragen im Folgeverfahren erneut aufgerollt werden
müssen und dann im zweiten Durchgang aufgrund der Rechtskraftwirkung des Ausgangsverfahrens statt zu Lasten einer Partei zu Lasten der Staatskasse. Diese für die Amtspflichtverletzung entwickelten Grundsätze gelten über § 839a II BGB genauso für den gerichtlichen Sachverständigen.
Im vorliegenden Fall hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Anhörung Ergänzungsfragen gestellt, aber keinen Antrag
nach § 412 ZPO auf Begutachtung durch einen weiteren Sachverständigen gestellt.
Der BGH hat in den Entscheidungen vom 05.07.08, BGHZ
1173, 98 ff. und vom 28.07.2006, NJW-RR 2006, 1932 ff., ausgeführt, dass als Rechtsmittel u.a. in Betracht kommt ein formeller Beweisantrag auf Einholung eines neuen (Ober-) Gutachtens nach § 412 ZPO. Der Kläger argumentiert dahingehend, er
habe durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des
seiner Meinung nach unrichtigen Sachverständigengutachtens
hingewirkt. Er habe beantragt, den Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens zu laden und er habe dem Gutachter die
Möglichkeit zur Korrektur in der Einvernahme gegeben und ihm
mit einem Privatgutachten konfrontiert. Bei diesem Vorgehen
handelt es sich zwar auch um ein Rechtsmittel, aber dies reicht
nicht aus. Der BGH benennt mehrere Rechtsmittel, aber lässt offen, ob alle versucht werden müssen. Selbst wenn man nicht
der Meinung sein sollte, dass alle Rechtsmittel versucht werden
müssen, obwohl hierfür der Zweck des § 839 III BGB spricht, ist
zumindest zu verlangen, dass die erfolgsversprechendsten
Rechtsmittel versucht werden müssen. Gegen ein für in fachlicher Hinsicht für falsch gehaltenes Gutachten ist der Antrag
auf Erholung eines weiteren Gutachtens eines weiteren Sachverständigen das Mittel erster Wahl. Gerade in der vorliegenden
Konstellation, in der dem Kläger bereits damals ein Privatgut-
achten vorlag, von dem er meint, hiermit die Unrichtigkeit des
Gerichtsgutachtens belegen zu können, wäre es geradezu klassisch, ein Obergutachten zu beantragen. Der Kläger kann nicht
erwarten, dass das Gericht ohne Obergutachten das Privatgutachten für überzeugender hält als das Gutachten des gerichtlich
ausgewählten Sachverständigen. Ein Antrag auf Obergutachten
wäre das effektivste und das einzige Rechtsmittel mit Erfolgsaussichten gewesen. Dagegen war nicht zu erwarten, dass die
eingelegte Berufung etwas am Ergebnis ändern wird, da der
eingeschränkte Prüfungsumfang nach § 529 I ZPO gilt.
Die Nichtbeantragung eines Obergutachtens unterblieb fahrlässig, da dieser Antrag einer sorgfältigen Prozessführung entsprochen hätte. Insbesondere entschuldigt den Kläger dessen
Vorbringen zu einem Überraschungsurteil nicht. Nach § 311 IV
ZPO ist es der gesetzlich vorgesehene Regelfall, dass das Urteil in
dem Termin verkündet wird, in dem die mündliche Verhandlung
geschlossen wird. Selbst wenn das Amtsgericht einen Verkündungstermin festgesetzt hätte statt gleich ein Urteil zu verkünden, wäre ein Vorbringen nach § 296a ZPO nicht mehr möglich
gewesen. Es ist ein selbst unter Anwälten verbreiteter Irrtum,
man könne den Zeitraum nach Schluss der mündlichen Verhandlung bis zum Verkündungstermin noch für Schriftsätze
nutzen. Dem ist nicht so. Vielmehr gilt gemäß § 282 I ZPO, dass
jede Partei in der mündlichen Verhandlung ihre Angriffs- und
Verteidigungsmittel so zeitig vorzubringen hat, wie es nach der
Prozesslage einer sorgfältigen und auf Förderung des Verfahrens bedachten Prozessführung entspricht. Der Kläger hätte den
Antrag auf ein Obergutachten bereits nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens stellen können, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung stellen müssen.«
3.3.4. LG Koblenz (Urteil vom 10. Dezember 2009, Az.:
1 O 356/09): Kein Anspruch gegen Gerichtsgutachter
bei unterlassener Rechtsmitteleinlegung!
Leitsatz der Entscheidung:
Gemäß § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht des Sachverständigen dann nicht ein, wenn es
der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat,
den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Aus den Gründen:
»Im Übrigen hat es die Klägerin insoweit aber auch schuldhaft
versäumt, sich mittels Rechtsbehelfen, die sich unmittelbar gegen den beanstandeten Gutachtenfehler richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte gerichtliche Entscheidung zu verhindern, zur Wehr zu setzen. Gemäß §§ 839a Abs. 2 i.V.m. 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht
des Sachverständigen aber dann nicht ein, wenn es der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden
durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Im vorliegenden Fall war der Klägerin aber spätestens seit der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 17.05.2006 bekannt, dass
die Arbeiten wie das Messen des Überstandes, das Ausbauen
und Abdrehen bzw. Reinigen des Sitzes der Wirbelkammern
und schließlich das Einbauen der Wirbelkammern nicht durch
den Beklagten persönlich, sondern durch dessen Mitarbeiter ...
ausgeführt worden sind. Es hätte dem Kläger daraufhin oblegen, sich etwa durch Gegenvorstellungen oder formelle Beweisanträge auf Einholung eines Obergutachtens (Staudinger-Wurm,
BGB, Neubearbeitung 2007, § 839a Rn. 27) gegen die Verwer-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
tung des in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom
17.05.2006 oder in dem Verhandlungstermin vor dem Berufungsgericht vom 22.05.2007 von dem Beklagten mündlich erstatteten Sachverständigengutachtens in einem Urteil zur Wehr
zu setzen. Soweit sich die Klägerin auf einen Verstoß des Beklagten gegen die ihm aufgrund § 407a Abs. 2 ZPO obliegenden
Pflichten erstmals im vorliegenden Haftungsprozess beruft,
muss sie sich insoweit gemäß § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3
BGB ein mitwirkendes Verschulden, welches ohne Abwägung
gemäß § 254 BGB zum völligen Haftungsausschluss des Beklagten führt (Palandt-Sprau, BGB, 69. Auflage 2010, § 839 Rn. 68),
entgegenhalten lassen.«
3.3.5. OLG Hamm (Beschluss vom 2. November 2010,
Az.: 6 U 131/10): Unterlassene Rechtsmitteleinlegung
bei Unterbleiben des Antrags auf mündliche
Anhörung des Sachverständigen vor Gericht!
Leitsatz der Entscheidung:
Zu den Rechtsmitteln i.S.v. § 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB
gehören nicht nur die gegen die gerichtliche Entscheidung statthaften Rechtsbehelfe, sondern auch alle in der
jeweiligen Instanz gegebenen Behelfe, die sich unmittelbar gegen ein für fehlerhaft gehaltenes Gutachten selbst
richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf dieses Gutachten gestützte instanzbeendende Entscheidung
zu verhindern. Hierzu zählt auch ein Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen vor Gericht nach §
411 Abs. 4 ZPO.
Aus den Gründen:
»3. Schließlich ist auch eine Ersatzpflicht der Beklagten nach §§
839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen.
Die Klägerin hat es unterlassen, einen etwaigen Schaden
durch Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschriften abzuwenden.
Zu den Rechtsmitteln gehören nicht nur die gegen die gerichtliche Entscheidung statthaften Rechtsbehelfe, sondern auch alle
in der jeweiligen Instanz gegebenen Behelfe, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende Entscheidung zu verhindern. Hierzu zählt auch
ein Antrag auf mündliche Anhörung des Sachverständigen vor
Gericht nach § 411 Abs. 4 ZPO. Das Gericht ist auf Antrag einer
Partei unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO gem. §§ 402, 397 Abs.
1 ZPO zur Vorladung des Sachverständigen verpflichtet. Die
mündliche Befragung und Erläuterung wäre ein taugliches Mittel gewesen, entweder die Mängel des Gutachtens in befriedigender Weise zu beheben oder diese Mängel so deutlich hervortreten zu lassen, dass dem Gericht die Überzeugung von der
Unbrauchbarkeit des Gutachtens vermittelt wurde (vgl. BGH DS
2007, 306 f.; BGH NJW-RR 2006, 1454; MünchKomm-BGBWagner 5. Aufl. Rdn. 31). Das ist hier nicht geschehen, worauf
sich auch die Beklagten im vorliegenden Verfahren zu Recht berufen haben. Das schriftliche Gutachten der Beklagten aus dem
Verfahren LG Bielefeld 4 O 32/06 ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 25.09.2006 zugegangen (Bl.
100 d. BA). Innerhalb der vom Gericht verlängerten Stellungnahmefrist nahm die jetzige und damalige Klägerin zu dem Gutachten Stellung. Darin wird kritisiert, dass die Beklagten von einer hinreichenden Aufklärung der Klägerin ausgegangen seien,
dass das alternative TVT-Verfahren nicht nur weniger invasiv anmute, sondern weniger invasiv sei und die von den Beklagten
angeführte Gefahr wegen des »blinden« Vorgehens, nicht
rechtfertige, einfach von diesem Verfahren abzurücken. Die
zweite Operation sei nicht indiziert gewesen, sodass es unerheblich sei, ob das Bauchdeckenhämatom als Folge auch bei ihrer ordnungsgemäßen Durchführung aufgetreten wäre. Beweis
wurde jeweils angetreten durch Einholung eines »Obergutachtens« bzw. hinsichtlich der Aufklärungsfrage durch Vernehmung einer Zeugin. Weder aus diesem Schriftsatz noch sonst bis
zum Erlass des erstinstanzlichen Urteils ist ein Antrag nach § 411
Abs. 4 ZPO erkennbar. Der Beweisantritt durch Einholung eines
»Obergutachtens« ersetzt dies nicht. Ein weiteres Gutachten
kann nach § 412 ZPO eingeholt werden, wenn das Gericht das
Gutachten für ungenügend erachtet oder wenn ein Sachverständiger nach Erstattung des Gutachtens mit Erfolg abgelehnt
ist. Letzteres lag nicht vor. Das Gericht des Vorprozesses hat das
Gutachten nicht für ungenügend erachtet, was sich eben an der
Nichteinholung eines weiteren Gutachtens zeigt. Um dem Gericht ggf. den Eindruck des (behaupteten) Ungenügens des eingeholten Gutachtens zu vermitteln, wäre ein Antrag nach § 411
Abs. 4 ZPO der angemessene Weg gewesen, der aber hier gerade nicht beschritten wurde.«
3.3.6. OLG Köln (Urteil vom 27. März 2012, Az.: 4
U 11/11: Kein Haftungsanspruch bei unterlassenem
Antrag auf Anhörung des Sachverständigen!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Wegen des auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des Primärschutzes (§ 839a Abs. 2 i.V. mit
§ 839 Abs. 3 BGB) setzt die Inanspruchnahme voraus, dass
durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des
vermeintlich unrichtigen Sachverständigengutachtens im
Hauptprozess (hier in einem Umgangsverfahren) hinzuwirken ist.
2. Als »Rechtsmittel« im Sinne der Norm ist auch der »Antrag auf Anhörung des Sachverständigen« zu verstehen.
Aus den Gründen:
»Schließlich scheitert ein Schadensersatzanspruch der Kläger
auch an §§ 839a Abs. 2, 839 Abs. 3 BGB. Die Kläger beantragten weder in erster noch in zweiter Instanz die Anhörung der
Sachverständigen (Beklagten), um so mögliche Widersprüche
aufzuklären. Die Kläger waren jedoch gehalten, aufgrund des
auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des
Primärschutzes (§ 839a Abs. 2 in Verbindung mit § 839 Abs. 3
BGB) durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des
ihrer Meinung nach unrichtigen Sachverständigengutachtens
hinzuwirken. Als »Rechtsmittel« im Sinne der Norm ist auch der
»Antrag auf Anhörung des Sachverständigen« zu verstehen.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 05.07.2007 - III ZR
240/06 - (FamRZ 2007, 1632 bis 1634) entschieden, dass ein
Antrag, den gerichtlichen Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ein »Rechtsmittel« im
Sinne des § 839a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 839 Abs. 3
BGB sei. Dieser Meinung ist gerade im Hinblick auf den Vorrang
des Primärschutzes zu folgen. So können sich die Kläger auch
nicht darauf berufen, dass davon auszugehen sei, dass die
mündliche Befragung und Erläuterung des Gutachtens kein
taugliches Mittel sei, entweder die Mängel des Gutachtens in
befriedigender Weise zu beheben oder diese Mängel so deutlich
hervortreten zu lassen, dass dem Gericht die Überzeugung von
der Unbrauchbarkeit des Gutachtens vermittelt würde. Dies gilt
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
auch bei voller Würdigung des Umstandes, dass die Kläger, unterstützt durch einen Privatgutachter, bereits schriftsätzlich ausführliche Gegenvorstellungen zu dem Gutachten erhoben und
ein Obergutachten beantragt hatten. Die unmittelbare persönliche Konfrontation im Austausch von Rede und Gegenrede in
Anwesenheit des Gerichts stellt nämlich ein effektives zusätzliches Instrument der Wahrheitsfindung dar (vgl. BGH a.a.O.).
So wäre das OLG gehalten gewesen, auf Antrag die Sachverständige (Beklagte) zur mündlichen Erläuterung ihres Gutachtens zu laden. Der Klägerin zu 1 ist der Vorwurf in zweifacher
Hinsicht zu machen, da sie auch im Berufungsverfahren – aus
welchen Gründen auch immer – nicht die Erläuterung des Gutachtens beantragte.«
3.3.7. OLG München (Beschluss vom 29. Juni 2012, Az.:
1 U 943/12): Kein Haftungsanspruch bei fehlendem
Antrag auf Gutachtenerläuterung bzw. Einholung
eines »Obergutachtens«!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Bei dem gemäß § 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB
auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrang des Primärrechtsschutzes kommen als Rechtsmittel
auch solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu
verhindern. Dazu zählen insbesondere Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit des Gutachtens, Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden und formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen Gutachtens.
2. Macht der Kläger von den ihm zur Verfügung stehenden
Rechtsbehelfen keinen Gebrauch, obwohl es ihm ohne Weiteres
möglich war, sondern verlässt er sich ungeachtet der Tatsache,
dass die Rechtsbehelfe auch ohne einen Hinweis des Gerichts
erhoben hätten werden können, darauf, dass das Gericht einen
entsprechenden Hinweis erteilen werde, muss er sich vorhalten
lassen, nicht den sichersten Weg zur Durchsetzung seiner Bedenken gegen das Sachverständigengutachten gewählt zu haben und erfüllt somit die Voraussetzung eines vorwerfbaren
Nichtgebrauchs der zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe.
Aus den Gründen:
»Es konnte dahingestellt bleiben, ob die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung des Beklagten erfüllt sind, da der
Kläger nicht den auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrang des Primärrechtsschutzes (§ 839a Abs. 2 i.V.m.
§ 839 Abs. 3 BGB) beachtet hat. Es entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass als Rechtsmittel insbesondere auch solche Behelfe in Betracht kommen, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet sind, eine auf das Gutachten gestützte
instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern.
Dazu sind insbesondere Gegenvorstellungen und Hinweise auf
die Unrichtigkeit des Gutachtens, Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung des Gutachtens zu laden und
formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen Gutachtens
zu zählen (vgl. dazu BGH BauR 2007, 1774; BGH NJW-RR 2006,
1454).
Der Kläger hat nicht dargelegt und belegt, dass er entsprechende Rechtsbehelfe gegen das nach seiner Auffassung unzu-
treffende Gutachten eingelegt hat. Auch in der Berufungsschrift
hat der Kläger keine geeigneten Schriftsätze vorgelegt.
Soweit der Kläger eine Berufungsbegründung vom
14.02.2008 vorgelegt hat, betrifft diese nicht das Bezugsverfahren (Landgericht München I 10 O 7574/08), sondern einen weiteren zwischen dem Kläger und dem Zahnarzt Dr. M. geführten
Rechtsstreit, der von dem Amtsgericht erstinstanzlich entschieden worden war. Wie aus der Berufungsschrift hervorgeht, hatte das Amtsgericht kein Sachverständigengutachten eingeholt.
Der Beschluss des Landgerichts München I in dem Bezugsverfahren vom 19.08.2009 belegt lediglich, dass ein schriftliches
Ergänzungsgutachten in Auftrag gegeben wurde. Damit hat der
Kläger jedoch nicht den Nachweis geführt, dass er nach Erhalt
des Ergänzungsgutachtens die oben aufgeführten Rechtsbehelfe gegen das Gutachten ergriffen hat. Dem als Anlage K 13 vorgelegten Beschluss des Oberlandesgerichts München vom
14.12.2010 kann entnommen werden, dass der Kläger die
mündliche Anhörung des Sachverständigen nach Erhalt des Ergänzungsgutachtens nicht beantragt und auch sonst keine weiteren Einwendungen gegen das Gutachten erhoben hat. In dem
Beschluss heißt es, dass nicht nachvollziehbar ist, warum die
vom Kläger gegen das vom Erstgericht erholte Sachverständigengutachten des Dr. W. erhobenen Einwendungen nicht in ers­
ter Instanz vorgebracht wurden, obwohl das Erstgericht hierzu
ausdrücklich Gelegenheit gegeben hatte.«
3.3.8. OLG München (Urteil vom 25. Juli 2013, Az.: 1 U
615/13): Unterlassene Befragung des Sachverständigen
bei dessen mündlicher Anhörung als unterlassene
Rechtsmitteleinlegung
Leitsätze der Entscheidung:
1. Der Antrag, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ist ein Rechtsmittel
im Sinne von § 839 Abs. 3 BGB.
2. Die Partei darf es aber nicht mit der Vorladung des
Sachverständigen bewenden lassen, sondern sie muss die
Möglichkeiten, die dieser ihr eröffnet, auch durch Ausübung ihres Fragerechts nutzen.
3. Wenn die Partei bei der Anhörung des Sachverständigen völlig passiv bleibt, lässt sie den von ihr gegen das inkriminierte Gutachten erhobenen Rechtsbehelf faktisch
ins Leere laufen.
4. Die Partei ist jedoch verpflichtet, sämtliche zur Korrektur des Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen Rechtsbehelfe in der jeweiligen Instanz auszuschöpfen.
Aus den Gründen:
»3. Mit diesem Verhalten hat der Kläger einen Rechtsbehelf im
Sinne von § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB versäumt.
Rechtsmittel im Sinne dieser Vorschriften sind die von der Zivilprozessordnung vorgesehenen Rechtsbehelfe, die es der Partei
ermöglichen, gegen das ihrem Dafürhalten nach fehlerhafte
Gutachten vorzugehen und dessen Abänderung zu bewirken
(Palandt-Sprau, 72. Auflage, Rdnr. 5 zu § 839a BGB m.w.N.;
Staudinger-Wurm, Rdnr. 27 zu § 839a). Die Partei muss deshalb
sämtliche zur Korrektur des als unrichtig angesehenen Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen Rechtsbehelfe ausschöpfen. Es soll im Sinne des Primärrechtschutzes verhindert werden, dass rechtskräftig abgeschlossene Verfahren als Sachverständigenhaftungsprozesses neu
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
aufgerollt werden (OLG Celle, Urteil vom 10.11.2011, 13 U
84/11, Rdnr. 16). Insbesondere ist die Partei auch gehalten, dem
Sachverständigen, wenn dieser vom Gericht zur Anhörung geladen ist, bei der Anhörung die Fragen und Einwendungen, die
die Partei gegen die Richtigkeit der bisherigen Begutachtung erhebt, vorzulegen (so ausdrücklich OLG Celle, a.a.O., Rdnr. 30).
Diese Verpflichtung gilt unabhängig davon, ob dem Sachverständigen die Einwände der Partei gegen das Gutachten schon
anderweitig, insbesondere aus vorangegangenem innerprozessualem Schriftverkehr, bekannt waren (BGH, Urteil vom
05.07.2007, III ZR 240/06, Rdnr. 10).
Wenn auch der Bundesgerichtshof bisher nur entschieden
hat, dass der Antrag, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, ein Rechtsmittel im Sinne
von § 839 Abs. 3 BGB ist, kann, wie vom OLG Celle bereits ausdrücklich entschieden, kein Zweifel daran bestehen, dass es die
Partei nicht mit der Vorladung des Sachverständigen bewenden
lassen darf, sondern sie die Möglichkeiten, die dieser ihr eröffnet, auch durch Ausübung ihres Fragerechts nutzen muss. Die
Partei selbst ist vor allen anderen Prozessbeteiligten dazu prädes­
tiniert, ihre gegen die bisherige Begutachtung gefassten Bedenken dem Sachverständigen selbst in Frageform vorzutragen, zu
erläutern und vorzuhalten. Wenn die Partei bei der Anhörung
des Sachverständigen völlig passiv bleibt, lässt sie den von ihr
gegen das inkriminierte Gutachten erhobenen Rechtsbehelf faktisch ins Leere laufen. Der Kläger war jedoch verpflichtet, sämtliche zur Korrektur des Sachverständigengutachtens zur Verfügung stehenden innerprozessualen Rechtsbehelfe in der jeweiligen Instanz auszuschöpfen (BGH, a.a.O., Rdnr. 9).
4. Das vorgenannte Versäumnis erfolgte schuldhaft im Sinne
von § 839 Abs. 3 BGB. Der Klägervertreter hatte keinerlei prozessuale Handhabe oder Berechtigung dafür, die Befragung der
Sachverständigen im Termin vom 31.07.2008 zu verweigern.
Das Landgericht hatte den unzulässigen und unbegründeten
(vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts München vom
10.10.2008) Befangenheitsantrag gegen die Sachverständige
noch im Termin vom 31.07.2008 zurückgewiesen und durfte
deshalb auch in Anbetracht der vom Kläger zu Protokoll erhobenen Beschwerde ohne Weiteres anschließend die Anhörung der
Sachverständigen durchführen. Entgegen der Einschätzung des
Klägers war das Landgericht nicht gehalten, zuvor die Entscheidung des Oberlandesgerichts über die Beschwerde herbeizuführen (vgl. §§ 406 Abs. 1, 47 Abs. 2 ZPO). Der Standpunkt der
Berufung liefe auf das prozessual offenkundig kontraproduktive
Ergebnis hinaus, dass der Kläger die ihm unliebsame Anhörung
der Sachverständigen mittels eines unzulässigen und unbegründeten Befangenheitsantrags gegen die Sachverständige hätte
verhindern können. Darüber hinaus hätte eine Vertagung auch
erhebliche (überflüssige) zusätzliche Verfahrenskosten verursa­cht.
Wenn der Klägervertreter angesichts dieser eindeutigen Rechtslage dennoch keine Fragen an die Sachverständige gestellt hat,
handelte er schuldhaft, was sich der Kläger gemäß § 85 Abs. 2
ZPO zurechnen lassen muss.
5. Die Beklagte muss beweisen, dass das Versäumnis des Klägers schadensursächlich geworden ist (Palandt-Sprau, 72. Auflage, Rdnr. 73 zu § 839 BGB, Rdnr. 6 zu § 839a BGB). Indes ist
der Senat davon überzeugt, dass das Versäumnis des Klägervertreters, unterstellt, dass das Sachverständigengutachten tatsächlich grob fahrlässig fehlerhaft war, ursächlich dafür geworden ist, dass es zu keiner Abänderung des Gutachtens (und
einem für den Kläger günstigeren Urteil) gekommen ist.
Der Sachverständige ist verpflichtet, sein Gutachten unpartei-
isch nach bestem Wissen und Gewissen zu erstellen. Er vermittelt dem Gericht die diesem fehlende spezifische Fachkunde.
Der Sachverständige steht als Vermittler von Fachwissen neutral
zwischen den Parteien.
Der Senat ist davon überzeugt, zumal der Sachverständige
auch ein fundamentales Eigeninteresse daran haben muss, sich
nicht der Gefahr der Haftung gemäß § 839a Abs. 1 BGB auszusetzen, dass die Beklagte, wenn ihr vom Klägervertreter am
31.07.2008 Vorhalte gemacht worden wären, die eine grob
fahrlässige Fehlerhaftigkeit der bisherigen Begutachtung belegt
hätten, also hätten erkennen lassen, dass die Sachverständige
bei der bisherigen Begutachtung die verkehrsübliche Sorgfalt in
besonders schwerem Maß dadurch verletzt hat, dass sie schon
einfachste und naheliegende fachliche Überlegungen nicht angestellt und das nicht beachtet hatte, was jedem eingeleuchtet
hätte, sich solchen ohne Weiteres einleuchtenden Erwägungen
und Einwendungen gegen das Gutachten nicht verschlossen
und ihr Gutachten entsprechend geändert hätte.
Zudem ist der Senat davon überzeugt, dass entsprechende
Fragen und Vorhaltungen auch dem Landgericht Augsburg, unabhängig von einer Korrektur des Gutachtens durch die Sachverständige selbst, die Überzeugung vermittelt hätten, dass die
bisherige Begutachtung keine ausreichende Entscheidungsgrundlage abgibt.
Folglich kann dem Einwand der Berufung, dass eine Befragung der Sachverständigen durch die Klagepartei nichts erbracht hätte, nicht gefolgt werden (vgl. auch BGH, Urteil vom
05.07.2007, III ZR 240/06, Rdnr. 10–12).«
3.4. Einholung eines Privatgutachtens
OLG Celle (Urteil vom 10. November 2011,
Az.: 13 U 84/11): Einholung eines Privatgutachtens
erforderlich zum Nachweis der Fehlerhaftigkeit
des Gerichtsgutachtens als Rechtsmittel bei der
Schadensabwendungspflicht!
Leitsatz der Entscheidung:
Als Rechtsmittel im Sinne von § 839a Abs. 2 BGB i.V.m. §
839 Abs. 3 BGB ist auch die Einholung eines Privatgutachtens zu dem Zwecke anzusehen, die angebliche Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens gegenüber dem erkennenden Gericht aufzuzeigen.
Aus den Gründen:
»Nach dieser Maßgabe hat es der Kläger versäumt, durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des angeblich unrichtigen Sachverständigengutachtens des Beklagten im Vorverfahren hinzuwirken.
aa) Das beruht bereits darauf, dass der Kläger kein Privatgutachten zur Widerlegung des Gutachtens des Beklagten eingeholt hat. Die Einholung eines Privatgutachtens zu dem Zwecke,
die angebliche Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens aufzuzeigen, ist als Rechtsmittel im Sinne des § 839a Abs. 2 BGB
i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB anzusehen (vgl. in diesem Zusammenhang MünchKommBGB/ Wagner, 5. Aufl., § 839a Rn. 33, wonach im Rahmen der Frage der Erkennbarkeit der Fehlerhaftigkeit des Gerichtsgutachtens keine Obliegenheit bestehen soll,
die Expertise des gerichtlichen Sachverständigen durch einen
Privatgutachter überprüfen zu lassen).
(1) Der Bundesgerichtshof hat in den vorgenannten Entscheidungen zu den Rechtsmitteln im Sinne der genannten Vorschrif-
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
ten ausdrücklich auch einen formellen Beweisantrag auf Einholung eines neuen Gutachtens im Sinne von § 412 Abs. 1 ZPO
genannt. Ein derartiger Antrag hat nach der Erfahrung des Senats allerdings in aller Regel nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn
eine Partei einem ihr ungünstigen gerichtlichen Sachverständigengutachten ein Privatgutachten entgegenhält, das Fehler des
Gerichtsgutachtens aufzeigt.
Ohne ein derartiges Privatgutachten stellt sich die diesbezügliche Situation in der Praxis nach der Erfahrung des Senats in aller Regel wie folgt dar: Das Gericht, das regelmäßig von den
dem Gutachten zu Grunde liegenden (technischen) Fragen keine (vertieften) Kenntnisse hat, kann das Gerichtsgutachten allenfalls daraufhin überprüfen, ob es in sich schlüssig und widerspruchsfrei ist. Sind diese Voraussetzungen gegeben, wird das
Gericht in der Praxis in aller Regel auch dann keinen Anlass zur
Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO
sehen, wenn die (anwaltlich vertretene) Partei, die durch das
Gerichtsgutachten beschwert ist, dem Sachverständigen im
Rahmen seiner Anhörung – ohne eigene gutachterliche Unterstützung notwendigerweise ebenfalls eher laienhafte – Vorhalte
macht und der Sachverständige hiernach an seinen schriftlichen
Ausführungen festhält.
Anders stellt sich die Situation dagegen dar, wenn die durch
das gerichtliche Gutachten beschwerte Partei sich gegen dieses
mit einem Privatgutachten zur Wehr setzt. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist nämlich vom Tat­
richter besondere Sorgfalt gefordert, wenn eine Partei ein Privatgutachten vorlegt, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen
des gerichtlich bestellten Sachverständigen steht. Er darf in diesem Fall – wie auch im Fall sich widersprechender Gutachten
zweier gerichtlich bestellter Sachverständiger – den Streit der
Sachverständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne einleuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung einem
von ihnen den Vorzug gibt. Einwände, die sich aus einem Privatgutachten gegen das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen ergeben, muss das Gericht ernst nehmen. Es muss ihnen
nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären. Wenn der gerichtlich bestellte Sachverständige weder durch schriftliche Ergänzung seines Gutachtens noch im Rahmen seiner Anhörung
die sich aus dem Privatgutachten ergebenden Einwendungen
auszuräumen vermag, muss der Tatrichter im Rahmen seiner
Verpflichtung zur Sachaufklärung gem. § 412 ZPO ein weiteres
Gutachten einholen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 12. Januar
2011 - IV ZR 190/08, zitiert nach juris, Tz. 5; BGH, Beschluss
vom 18. Mai 2009 - IV ZR 57/08, zitiert nach juris, Tz. 7; ähnlich:
BGH, Beschluss vom 27. Januar 2010 - VII ZR 97/08, zitiert nach
juris, Tz. 9).«
3.5. Gänzliche Verhinderung des Schadens
BVerfG (Beschluss vom 22. Februar 2011, Az.: 1 BvR
409/09): Gänzliche Verhinderung des Schadens durch
Rechtsmittel erforderlich bei § 839 Abs. 3 BGB!
Leitsatz der Entscheidung:
Die Schadensersatzpflicht darf gemäß § 839 Abs. 3 BGB
nur dann vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Eintritt des
Schadens gänzlich verhindert.
Aus den Gründen:
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die
Schadensersatzpflicht gemäß § 839 Abs. 3 BGB nur dann
vollumfänglich verneint werden, wenn die Einlegung eines gebotenen Rechtsbehelfs den Eintritt des Schadens gänzlich verhindert hätte. Wenn die Einlegung eines Rechtsbehelfs erst von
einem bestimmten Zeitpunkt an weitere Schäden verhindert
hätte, entfällt der Schadensersatzanspruch nur für diese späteren Schäden, bleibt jedoch für die bereits vorher entstandenen
bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Januar 1986 - III ZR 77/84 -,
NJW 1986, S. 1924; speziell für eine Amtshaftungsklage wegen
menschenunwürdiger Haftbedingungen: OLG München, Beschluss vom 10. August 2006 - 1 W 1314/06 -, NJW 2007, S.
1986). Für die Kausalität zwischen der Nichteinlegung des
Rechtsbehelfs und dem Schadenseintritt ist der Schädiger beweispflichtig (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR
342/02 -, NJW 2004, S. 1241 <1242>; Urteil vom 11. März
2010 - III ZR 124/09 -, NJW-RR 2010, S. 1465). Bei der Frage,
welchen Verlauf die Sache genommen hätte, wenn der Rechtsbehelf eingelegt worden wäre, ist grundsätzlich auch zu berücksichtigen, wie nach der wirklichen Rechtspraxis entschieden
worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 - III ZR
342/02 -, NJW 2004, S. 1241 <1242>).
4. § 254 BGB
LG Karlsruhe (Urteil vom 18. Februar 2009,
Az.: 6 O 48/06): Mitverschulden des Ersteigerers bei
Vertrauen auf ein länger zurückliegendes Gutachten
und Verzicht auf eine eigene Besichtigung des
Versteigerungsobjekts!
Leitsätze der Entscheidung:
Zum Mitverschulden der Ersteigerer einer Immobilie
könnte das Vertrauen auf das zum Zeitpunkt der Ersteigerung schon zwei Jahre alte Gutachten über ein leerstehendes Gebäude und der Verzicht auf eine Besichtigung
von innen, sofern diese möglich war, führen.
Aus den Gründen:
»4. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei Bejahung
einer Haftung des Beklagten im Grunde nach ein Mitverschulden der Klägerin gemäß § 254 BGB anzunehmen gewesen
wäre, das die Haftung bis auf Null hätte reduzieren können.
Das Mitverschulden der Klägerin könnte dabei auf folgende
Umstände gestützt werden. Die Klägerin hätte mehr in Betracht
ziehen müssen, dass zum Zeitpunkt der Ersteigerung die Begutachtung schon zwei Jahre zurücklag und dass das Haus infolge
des zwischenzeitlichen Leerstandes gelitten haben könnte. Die
Klägerin hat das Haus, obwohl dies möglich war (Zeugenaussage E., Protokoll vom 30.05.2008, Seite 9) vor Ersteigerung auch
nicht von innen besichtigt.
Die im Gutachten des Beklagten zumindest ansatzweise vorhandenen Hinweise auf Feuchteschäden im Kellerbereich hat
die Klägerin offensichtlich nicht ausreichend beachtet. Schon
aus dem Gutachten selbst ergibt sich, dass die dortigen Feststellungen für Bauschäden keinen abschließenden Charakter haben
(vgl. dortige Seite 15, ganz unten, AH 917).«
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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5. Strafrechtliche Konsequenzen unrichtiger
Gutachten
6. Verfahrensfragen
OLG Düsseldorf (Beschluss vom 31. März 2008, Az.: 1
Ws 167/07): Beihilfe zum versuchten Prozessbetrug
durch falsches Gutachten?
Leitsätze der Entscheidung:
1. Voraussetzung für einen (versuchten) Betrug zum Nachteil des Auftraggebers durch eine Handwerkerrechnung
ist, dass entweder nicht erbrachte Leistungen aufgeführt
werden oder eine »krasse Überhöhung« insgesamt oder
in einzelnen Positionen vorliegt.
2. Die Schwelle zur Strafbarkeit wird erst bei einem auffälligen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung
überschritten.
3. Ein auffälliges Missverhältnis liegt vor, wenn mindes­
tens das Doppelte der üblichen Vergütung gemäß § 632
Abs. 2 BGB berechnet wird.
4. Bestätigt ein Sachverständiger eine »krass überhöhte«
Handwerkerrechnung als übliche Vergütung, kommt eine
Verurteilung wegen Beihilfe zum (versuchten) Prozessbetrug in Betracht.
Aus den Gründen:
»3. Das tatsächliche Vorbringen in der Antragsschrift rechtfertigt auch nicht den Vorwurf, der Beschuldigte habe ein Aussagedelikt begangen.
a) Konkrete und überprüfbare Anhaltspunkte für vorsätzliches
Handeln (§§ 153 bis 155, 15 StGB) sind weder vorgetragen noch
ersichtlich. Der offensichtliche Fehler im schriftlichen Gutachten
zur Angemessenheit der Materialpreise zeugt von nachlässiger
Arbeit, besagt aber nichts zur Frage des Vorsatzes. Der Blick auf
den ebenfalls offensichtlichen Fehler im eigenen Vorbringen des
Antragstellers verdeutlicht das. In seiner Nachkalkulation (Seiten
38 f. und 83 der Antragsschrift) hat er zu seinen Gunsten die
Mehrwertsteuer »vergessen«. Bei sonst gleichem Rechenwerk
standen dem Kläger in jedem Fall 112,80 € (16 % von 705 €)
mehr zu, als der Antragsteller einräumt. Den Vorwurf, damit
habe er vorsätzlich falsch vorgetragen, würde der Antragsteller
aber entschieden und im Zweifel zu Recht zurückweisen.
b) Bei einem etwaigen fahrlässigen Falscheid (§§ 163 Abs. 1,
154 Abs. 1, 155 Nr. 2 StGB) war gemäß § 163 Abs. 2 Satz 1
StGB Straflosigkeit eingetreten. Die Frage, ob das schriftliche
Gutachten eines Sachverständigen überhaupt eine Aussage im
Sinne der §§ 153 f. StGB darstellt (so Lenckner, in: Schönke/
Schröder, StGB, 27. Aufl. [2006], vor § 153 Rdnr. 22; anderer
Ansicht Fischer, StGB, 55. Aufl. [2008], Rdnr. 3; LK-Ruß, 12.
Aufl. [1999], Rdnr. 4; SK-Rudolphi [Stand 1999], Rdnr. 2;
MK-Müller [2005], Rdnr. 8; alle zu § 153 und mwN; unter haftungsrechtlichem Gesichtspunkt vgl. OLG Düsseldorf NJW 1986,
2891 und OLGR 2005, 533; OLG Rostock OLGR 2001, 194;
OLG Hamburg OLGR 2001, 57; OLG Stuttgart BauR 2006, 712),
braucht nicht vertieft zu werden. Jedenfalls hat der Beschuldigte
bei seiner mündlichen Anhörung (unter Berufung auf seinen allgemein geleisteten Eid) am 9. Oktober 2006 die unklaren, missverständlichen oder falschen Angaben in seinem schriftlichen
Gutachten klargestellt oder berichtigt. Die Berichtigung war
rechtzeitig, §§ 163 Abs. 2 Satz 1, 158 Abs. 2 StGB, denn das
Amtsgericht hat in seinem anschließenden Urteil den üblichen
(s.o. unter 2.) Restwerklohn zugesprochen, und Anzeige hat der
Antragsteller erst im November 2006 erstattet.«
6.1. OLG Frankfurt a.M. (Beschluss vom 17.
Februar 2003, Az.: 2 W 49/02): Selbstständiges
Beweisverfahren gegen den gerichtlich bestellten
Sachverständigen: Zulässigkeit der Einholung
eines Gutachtens zu demselben Beweisthema
Leitsätze der Entscheidung:
1. Beabsichtigt die unterlegene Partei eines Rechtsstreits,
einen Regressprozess gegen den gerichtlichen Sachverständigen zu führen, fehlt ihrem Antrag, ein gerichtliches
Gutachten im selbstständigen Beweisverfahren durch einen anderen Sachverständigen zu demselben Beweisthema einzuholen, nicht das Rechtsschutzbedürfnis.
2. Denn zwischen den Parteien des nachfolgenden Regressprozesses gegen den ersten Sachverständigen und
den Parteien des Ausgangsrechtsstreits besteht keine Parteiidentität.
Aus den Gründen:
»Die zulässige Beschwerde ( § 567 Abs. 1 Satz 2 ZPO) ist in der
Sache auch begründet.
Der Antragsteller begehrt die Begutachtung über den Zustand einer Sache. Er will von einem neuen Sachverständigen
festgestellt wissen, dass das Grundstück ..........2 a durch Abgrabungen eine Gefahr für sein Grundstück darstelle, da zu befürchten sei, dass Boden abwandern werde, und dass eine vorhandene Florsteinwand ihre Stütze verlieren könnte. Dieses Begehren betrifft den Zustand einer Sache (§ 485 Abs. 2 Satz 1
ZPO). Vorliegend hat der Antragsteller auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung, da durch das Abgraben eines tiefergelegenen Grundstücks durchaus Boden von einem höhergelegenen Grundstück abwandern oder abbrechen kann. Im Übrigen ist die Voraussetzung des rechtlichen Interesses im Rahmen des § 485 ZPO weit auszulegen (s. Hartmann bei Baumbach,
61. Aufl. 2003, Anm. 8 zu § 485 m.w.N.).
Der Antragsteller begehrt die Beweissicherung, um einen
sonst erforderlichen Rechtsstreit gegen den Antragsgegner zu
vermeiden.
Zwar liegt ein Sachverständigengutachten im Verfahren vor
dem Amtsgericht Schlüchtern - Az.: C 764/96 - vor. Es betrifft
dieselben Beweisfragen wie das vorliegend beantragte Sachverständigengutachten. Doch betraf das dortige Verfahren andere
Parteien als im vorliegenden Beweissicherungsverfahren. Dort
war zwar auch der jetzige Antragsteller Partei, jedoch richtete
sich sein Begehr gegen seinen Nachbarn, der nunmehr nicht
mehr Partei ist.
§ 412 ZPO findet auf diesen Fall keine Anwendung, da nicht
in ein und demselben Verfahren mit denselben Parteien über
denselben Streitgegenstand ein weiteres Gutachten erstattet
werden soll (anders in den Entscheidungen OLG Düsseldorf,
Baurecht 1997, S. 515 – 517; OLG Report Düsseldorf 1998, S.
160; OLG Hamm, Baurecht 2000, S. 1372; BayObLG in NJW-RR
2608). Die Beantragung des Beweissicherungsverfahrens ist vorliegend deshalb auch keine Umgehung des § 412 ZPO durch
Beantragung des Verfahrens nach § 585 ZPO. Denn dem Antragsteller ist es unbenommen, gegen den Antragsgegner in
einem ordentlichen Verfahren Schadensersatz gemäß § 839a
BGB zu begehren. Wenn aber ein ordentliches Verfahren nicht
ausgeschlossen ist, dann muss auch ein Beweissicherungsverfahren zuvor gemäß § 485 ZPO zulässig sein. Die Entscheidung
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Festschrift BauSV 1/2015
in dem Rechtsstreit vor dem Amtsgericht in Schlüchtern bindet
das Landgericht Hanau im vorliegenden Verfahren nicht, da dort
andere Parteien betroffen waren.
Sinn und Zweck des § 485 ZPO ist es unter anderem neben
einer Beweissicherung auch einen Prozess zu vermeiden. Somit
gebietet die Intension des § 485 ZPO seine weite Auslegung aus
prozessökonomischen Gründen (s. dazu auch Hartmann a.a.O.,
Anm. 2 vor § 485).
Da soweit erkennbar die Frage, ob der Antrag auf ein Beweissicherungsverfahren gegen einen Sachverständigen eines früheren Rechtsstreits mit anderen Beteiligten über die bereits dort
begutachtete Beweisfrage (identische Beweisfrage) wegen der
§§ 412 und 355 ZPO verbietet, dem Antrag gemäß § 485 ZPO
im zweiten Verfahren stattzugeben, höchstrichterlich noch nicht
entschieden worden ist, wird vorliegend wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und der Fortbildung des Rechts (§
574 Abs. 2 Ziff. 1 + 2 ZPO) die Rechtsbeschwerde zugelassen.«
6.2. OLG Schleswig (Beschluss vom 13. April 2004,
Az.: 16 W 7/04): Selbstständiges Beweisverfahren
unzulässig bei fehlender Kausalität zwischen
Gutachten und Entscheidung
Leitsatz der Entscheidung:
Ein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO an
der Durchführung des beantragten selbständigen Beweisverfahrens ist zu verneinen, wenn eine Anspruchsgrundlage für einen behaupteten Schadensersatzanspruch
zwar theoretisch denkbar ist, aber nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers ganz offensichtlich nicht gegeben
sein kann.
Aus den Gründen:
»b) Entgegen der Ansicht der Antragsteller kommt auch eine
Haftung des Antragsgegners nach § 839a BGB nicht in Betracht,
weil der geltend gemachte Schaden nicht vom Schutzbereich
dieser Norm erfasst wird.
Zwar ist den Antragstellern einzuräumen, dass eine Anwendbarkeit dieser Norm nach Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB nicht aus
Gründen ihrer zeitlichen Geltung ausgeschlossen ist. Der Schaden der Antragsteller war in der Tat erst mit dem Zuschlag vom
30. August 2002 eingetreten, also nach dem für das schädigende Ereignis maßgeblichen Stichtag vom 1. August 2002 im
Sinne der Übergangsregelung in Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB.
Auch trifft zu, dass die vorgelegte Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 20. Mai 2003 (abgedruckt: VersR 2003, 1049)
so verstanden werden könnte, als hielte der Bundesgerichtshof §
839a BGB für Fälle der vorliegenden Art für einschlägig. Indes ist
§ 839a BGB nicht einschlägig, womit sich der Bundesgerichtshof
nicht befassen musste und auch nicht befasst hat.
Eine Haftung der Antragsgegner wegen des behaupteten
Fehlers nach § 839a BGB scheidet nämlich nach richtiger Ansicht schon deshalb aus, weil die gerichtliche Entscheidung,
nämlich der Zuschlag vom 30. August 2002, nicht auf dem angeblich falschen Wertgutachten des Antragsgegners beruht.
Das Wertfestsetzungsverfahren nach dem ZVG ist als selbstständiges Nebenverfahren ausgestaltet. Der Zuschlagsbeschluss
wird nicht dadurch materiell unrichtig, dass zuvor der Wert des
Grundstücks falsch festgesetzt worden ist. § 74a Abs. 5 Satz 4
ZVG schließt eine Anfechtung des Zuschlags wegen einer unrichtigen, aber rechtskräftigen Wertfestsetzung ausdrücklich
aus. Folglich beruht lediglich der rechtskräftige Wertfestset-
zungsbeschluss, nicht aber der Zuschlagsbeschluss auf dem angeblich falschen Wertgutachten des Antragsgegners. Erst der
Zuschlagsbeschluss kann aber zu einem Schaden der Antragsteller geführt haben. Folglich richtet sich im Verhältnis zwischen Ersteigerer und gerichtlich bestelltem privaten Sachverständigen dessen Haftung weiterhin allein nach der allgemeinen
Deliktsnorm des § 826 BGB (zu allem eingehend Wagner und
Thole, VersR 2004, 275 ff.). Dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB gegeben sein könnten, behaupten
aber auch die Antragsteller nicht.«
6.3. OLG Frankfurt a.M. (Urteil vom 15. Juli 2004,
Az.: 1 U 78/01): Ausschluss des Sachverständigen
nach Streitverkündung
Leitsatz der Entscheidung:
Mit Beitritt als Streitgehilfe ist der Sachverständige entsprechend der für Richter geltenden Bestimmung des § 41
ZPO kraft Gesetzes von einer weiteren Mitwirkung als
Sachverständiger ausgeschlossen.
Aus den Gründen:
»Der wesentliche Verfahrensmangel ist darin zu sehen, dass das
erstinstanzliche Verfahren nach dem Beitritt des Sachverständigen S als Streithelfer der Kläger unter dessen weiterer Beteiligung als Sachverständiger fortgesetzt wurde und dass mit dessen sachverständiger Beratung das angefochtene Urteil ergangen ist. Denn seit seinem Beitritt als Streitgehilfe der Kl. war
der Sachverständige S entsprechend der für Richter geltenden
Bestimmung des § 41 ZPO kraft Gesetzes von einer weiteren
Mitwirkung als Sachverständiger ausgeschlossen (Zöller, ZPO,
24. Aufl. § 41 Rdnr. 6; MünchKomm, ZPO, 2000, § 41, Rdnr. 16;
Stein-Jonas, 1993, § 41 Rdnr. 7). Das Vordergericht war daher
von Gesetzes wegen verpflichtet, das weitere Verfahren ohne
den Streithelfer S als Sachverständigen durchzuführen. Wegen
dieses wesentlichen Verfahrensfehlers, der auf Grund der weiteren sachverständigen Beratung des LG durch den Streithelfer S
das angefochtene Urteil betrifft, war die Zurückverweisung des
Rechtsstreits geboten.
Der Senat weist ferner darauf hin, dass das angefochtene Urteil auch insoweit an einem erheblichen Mangel leidet, als es
nicht hinreichend nachvollziehbar macht, woraus sich der zugesprochene Gesamtbetrag im Einzelnen ergibt. Die bloße Bezeichnung einzelner Mangelpunke macht dies wegen fehlender
Benennung der dazu jeweils zu Grunde gelegten Beträge nicht
hinlänglich nachvollziehbar, sodass es der Entscheidung an der
zu Gebote stehenden Klarheit fehlt. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der unter Ziffern 38 ff. genannten Mangelpunkte sowie
in Anbetracht dessen, dass die gegebene, sehr pauschal auf den
Sachverständigen Bezug nehmende Begründung eine hinreichende Auseinandersetzung mit den dagegen erhobenen Parteieinwänden vermissen lässt. Eine nähere, ins Einzelne gehende
Begründung war auch in Anbetracht dessen erforderlich, dass
der Gutachter teilweise von Parteivorgaben und von Schätzungen ausgegangen ist.
Das Vordergericht wird gehalten sein, derartige Mängel bei
der erneuten Verhandlung und Entscheidung des Rechtsstreits
zu vermeiden.«
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Festschrift BauSV 1/2015
6.4. BGH (Beschluss vom 16. September 2004,
Az.: III ZB 33/04): Rechtliches Interesse an
Feststellung im selbstständigen Beweisverfahren
Leitsätze der Entscheidung:
1. In dem selbstständigen Beweisverfahren auf Begutachtung durch einen Sachverständigen (§ 485 Absatz II ZPO)
ist der Sachvortrag des Antragstellers hinsichtlich des
Hauptanspruchs, zu dessen Geltendmachung die Begutachtung dienen soll, grundsätzlich nicht auf seine Schlüssigkeit oder Erheblichkeit zu prüfen.
2. Ausnahmen können etwa gelten, wenn von vornherein
ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder
ein Anspruch nicht erkennbar ist.
Aus den Gründen:
»Eine ganz offensichtliche Aussichtslosigkeit des Rechtsschutzbegehrens, zu dessen Vorbereitung das hier in Rede stehende
selbstständige Beweisverfahren dienen soll, kann hier nicht festgestellt werden.
a) Die Ast. berühmen sich eines Anspruchs gegen den Ag.,
weil dieser als gerichtlich bestellter Sachverständiger in einem
Zwangsversteigerungsverfahren grob fahrlässig ein Wertgutachten falsch erstellt habe. Es seien gröbste Mängel des Hauses
übersehen worden, sodass ein Wert von 248.000 € statt richtigerweise von allenfalls 190.000 € ermittelt worden sei. Das AG
habe den Verkehrswert auf der Basis des falschen Gutachtens
mit 248.000 € festgesetzt, woraufhin sie, die Ast., das Grundstück für 195.500 € ersteigert hätten. Wäre der Verkehrswert
auf Grund eines zutreffenden Wertgutachtens mit etwa 190.000
€ festgesetzt worden, hätten sie das Grundstück für einen beträchtlich niedrigeren Betrag als 195.000 € ersteigert.
b) Auf der Grundlage dieses Vorbringens hat das BeschwGer.
einen Schadensersatzanspruch der Ast. gegen den Ag. nach §
839a BGB in Betracht gezogen. Diese Bestimmung ist durch das
Zweite Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.07.2002 (BGBl. I, 2674) in das BGB eingefügt
worden und schafft eine systematisch im Umfeld der Amtshaftung angesiedelte Haftung des gerichtlichen Sachverständigen
für solche Schäden, die einem Verfahrensbeteiligten durch eine
gerichtliche Entscheidung entstehen, die auf einem vorsätzlich
oder grob fahrlässig unrichtigen Gutachten beruht. Das BeschwGer. geht auch zutreffend davon aus, dass das hier in Rede
stehende Schadensereignis – die Ersteigerung des Grundstücks
– zeitlich in den Geltungsbereich dieser Bestimmung fallen
kann, da es nach dem 31.07.2002 eingetreten ist (Artikel 229 §
8 Absatz I EGBGB).
c) Das BeschwGer. meint, eine Haftung des Ag. wegen des behaupteten Fehlers nach § 839a BGB scheide schon deshalb aus,
weil die gerichtliche Entscheidung, nämlich der Zuschlag vom
30.08.2002, nicht auf dem angeblich falschen Wertgutachten
beruhe. Das Wertfestsetzungsverfahren nach dem Gesetz über
die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung sei als selbstständiges Nebenverfahren ausgestaltet. Der Zuschlagsbeschluss
werde nicht dadurch materiell unrichtig, dass zuvor der Wert des
Grundstücks falsch festgesetzt worden sei. § 74a Absatz V 4 ZVG
schließe eine Anfechtung des Zuschlags wegen einer unrichtigen,
aber rechtskräftigen Wertfestsetzung ausdrücklich aus. Folglich
beruhe lediglich der rechtskräftige Wertfestsetzungsbeschluss,
nicht aber der Zuschlagsbeschluss auf dem angeblich falschen
Wertgutachten des Ag. Erst der Zuschlagsbeschluss könne aber
zu einem Schaden der Ast. geführt haben.
d) Mit dieser Argumentation verläßt das BeschwGer. die ihm
im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens zustehende
eingeschränkte Prüfungskompetenz, ob ein rechtliches Interesse
der Ast. an der begehrten Tatsachenfeststellung anzunehmen
ist. Die vom BerGer. erörterten Gesichtspunkte betreffen rechtsgrundsätzliche Fragen zum Umfang der Haftung des gerichtlichen Sachverständigen nach § 839a BGB. Dementsprechend
hat auch der BGH in zwei noch zum früheren Recht ergangenen
Entscheidungen für vergleichbare Fallkonstellationen in Betracht
gezogen, dass nach neuem Recht eine Haftung des gerichtlichen Sachverständigen nach § 839a BGB eintreten könne (Senat, NVwZ-RR 2003, Seite 401 = NZM 2003, Seite 411 = VersR
2003, Seite 1535 f.; Urt. des VI. Zivilsenats, NJW 2003, Seite
2825 f. = VersR 2003, Seite 1049 f.). Das selbstständige Beweisverfahren ist – wie die Rechtsbeschwerde mit Recht rügt – nicht
dazu geeignet, diese Fragen abschließend zu entscheiden; vielmehr nimmt der angefochtene Beschluss in unzulässiger Weise
die Hauptsache vorweg.«
6.5. OLG Celle (Beschluss vom 24. August 2005,
Az.: 7 W 86/05): Unzulässige Streitverkündung
gegen den bestellten Gerichtssachverständigen
Leitsätze der Entscheidung:
1. Es spricht einiges dafür, dass die Streitverkündung an
den im laufenden Verfahren gerichtlich beauftragten
Sachverständigen unzulässig ist.
2. Die (sofortige) Beschwerde des Gerichtsgutachters gegen einen Beschluss, in dem der Antrag die Zustellung der
Streitverkündungsschrift, für unwirksam zu erklären, zurückgewiesen wurde, ist unzulässig. Insbesondere fehlt es
an einer greifbaren Gesetzwidrigkeit.
Aus den Gründen:
»3. Die Beschwerde des Streitverkündeten ist schließlich nicht
als außerordentliche Beschwerde statthaft.
Nach allgemeiner Ansicht ist eine an sich nicht eröffnete Beschwerde unter dem Gesichtspunkt der »greifbaren Gesetzeswidrigkeit” als außerordentliche Beschwerde zuzulassen, wenn
sich die Entscheidung des Ausgangsgerichts als grob fehlerhaft
erweist (Zöller, ZPO, 23. Aufl., zu § 567 Rz. 18 ff.; Baumbach/
Lauterbach, ZPO, 60. Aufl., zu § 567 Rz. 6 ff.). Vorliegend stellt
sich die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den
Sachverständigen indes nicht als greifbar gesetzeswidrig dar.
Von dem Streitverkündeten wird in seiner Beschwerdeschrift
darauf hingewiesen, dass die ihm ggü. erfolgte Streitverkündung unzulässig sei, weil er in dem Verfahren als gerichtlich beauftragter Sachverständiger tätig sei und er deshalb kein Dritter
i.S.d. § 72 ZPO sei. Es spricht einiges dafür, dass dieser Einwand
zutreffend ist (so auch: Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., 2005,
§ 72 Rz. 1). Aus der bloßen Unzulässigkeit einer Streitverkündung folgt aber nicht, dass das Gericht die Zustellung des
Schriftsatzes hätte ablehnen müssen. Vielmehr gilt, dass das Gericht auch in einem selbstständigen Beweisverfahren den Streitverkündungsschriftsatz dem Betroffenen zuzustellen hat, ohne
die Zulässigkeit der Streitverkündung hiervon abhängig zu machen. Enthält ein Schriftsatz eine Streitverkündungserklärung
und entspricht den Anforderungen eines bestimmenden Schriftsatzes, muss dieser ohne weitergehende Prüfung gem. § 73 S. 2
ZPO dem Streitverkündeten zugestellt werden (vgl. OLG München v. 28.5.1993 - 28 W 1601/93, OLGReport München 1993,
200 = NJW 1993, 2756; OLG Celle v. 28.5.1993 - 6 W 17/93,
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Festschrift BauSV 1/2015
OLGReport Celle 1994, 44; OLG Frankfurt BauR 2001, 677).
Denn das Gericht hat nur Zustellungshilfe für die Partei zu
leisten, die den Schriftsatz eingereicht hat (vgl. Stein/Jonas, ZPO,
22. Aufl., zu § 73 Rz. 2, a.E.). Dem steht nicht entgegen, dass
die Streitverkündung im Falle ihrer Zulässigkeit prozessual und
materiell-rechtliche Wirkungen auslöst. Denn die bloße Zustellung des Schriftsatzes als solche hat keine Auswirkung in Bezug
auf die Beurteilung der Zulässigkeit der Streitverkündung, die
regelmäßig erst in einem Folgeprozess geprüft wird.
In seiner Beschwerdeschrift hat der Streitverkündete weiter
eingewandt, da die Streitverkündung an einen Gerichtsgutachter eine nicht hinnehmbare Einflussnahme auf das Gerichtsverfahren sei und die für die Gerichtsgutachtertätigkeit unverzichtbare Unparteilichkeit des Sachverständigen untergrabe, sei das
LG gehindert gewesen, die Streitverkündungsschrift zuzustellen. Allgemein anerkannt ist auch, dass bei rechtsmissbräuchlichen Anträgen kein Anspruch des Antragstellers auf Bearbeitung und Entscheidung besteht (Zöller, ZPO, 23. Aufl., Einl. Rz.
48a). Für den Missbrauch prozessualer Befugnisse müssen aber
klare und eindeutige Anhaltspunkte vorliegen (Stein/Jonas, ZPO,
22. Aufl., vor § 3 Rz. 232). Diese lassen sich hier nicht feststellen.
Zwar erweckt die von der Antragsgegnerin beantragte Streitverkündung objektiv den Eindruck, dass sie hierdurch Einfluss
auf den Sachverständigen und damit auf das Beweisverfahren
nehmen will. Hieraus lässt sich aber nicht zwingend herleiten,
dass die Antragsgegnerin von der Möglichkeit der Streitverkündung in rechtsmissbräuchlicher Weise Gebrauch machen wollte,
was für eine Ablehnung der Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes Voraussetzung gewesen wäre. Der Umstand, dass
eine Streitverkündung ggü. dem gerichtlich bestellten Sachverständigen, der zur Unparteilichkeit verpflichtet ist, für diesen
eine Belastung ist, reicht allein nicht aus, um die beantragte Zustellung als rechtsmissbräuchliches Vorgehen zu werten. Ein besonnener Sachverständiger, der von einem Beitritt absehen wird,
wird die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes ebenso
wie ein unbegründetes Ablehnungsgesuch ohnehin nur als untauglichen Versuch werten, ihn an der Ausführung des gerichtlich erteilten Auftrags zu behindern.
Die Antragsgegnerin selbst hat die Streitverkündung ggü.
dem Sachverständigen damit begründet, dass sie in Bezug auf
die vorliegenden Gutachten vom 20.11.2004 und 13.04.2005
Schadensersatzansprüche im Rahmen des § 839a BGB absichern wolle. Hierfür hätte es der Streitverkündung (bei unterstellter Zulässigkeit) an sich nicht bedurft. Eine zulässige Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren hat zur Folge,
dass dem Streitverkündeten das Ergebnis der Beweisaufnahme
entsprechend § 68 ZPO in einem nachfolgenden Prozess entgegengehalten werden kann (BGH v. 05.12.1996 – VII ZR 108/95,
MDR 1997, 390 = BauR 1997, 347). Vorliegend ergibt sich das
Ergebnis der Beweisaufnahme ausschließlich aus den Gutachten
des Streitverkündeten, an die er sich unabhängig von einer etwaigen Streitverkündung festhalten lassen muss. Dass der Antragsgegnerin dies bewusst war und sie den Verweis auf § 839a
BGB nur vorgeschoben hat, um die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Sachverständigen in der Hoffnung zu
erreichen, dass dieser die vorgelegten Fragen unter dem Druck
der Streitverkündung nicht mehr unparteiisch beantworten
wird, kann indes ohne dahingehende greifbare Anhaltspunkte
nicht angenommen werden. Hiergegen spricht vielmehr, dass
die Antragsgegnerin in ihrem Schriftsatz vom 13.06.2005 vorsorglich zugleich einen Ablehnungsantrag gegen den Sachver-
ständigen gestellt hat. Dies deutet darauf hin, dass sie den Sachverständigen aus dem Verfahren drängen will mit dem Ziel, dass
von dem Gericht ein weiteres Gutachten eingeholt wird, und sie
vor diesem Hintergrund die Streitverkündung veranlasst hat. Da
die Streitverkündung allein für eine Stattgabe des Befangenheitsantrags nicht ausreichend ist, weil die bloße Zustellung des
Streitverkündungsschriftsatzes Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen nicht rechtfertigen kann, hat die
Antragsgegnerin, die dies wohl erkannt hat, ergänzend vorgebracht, dass sie am 07.06.2006 vermeintliche Informationen erhalten habe, die Anlass zur Besorgnis der Befangenheit seitens
des Sachverständigen geben würden.«
6.6. OLG Koblenz (Beschluss vom 28. September
2005, Az.: 12 U 251/05): Streitverkündung und
Zustellung an den Gutachter sind unzulässig!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Die Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten
Sachverständigen ist unzulässig.
2. Die Zustellung der Streitverkündungsschrift an diesen
Sachverständigen ist rechtswidrig.
Aus den Gründen:
»Die Streitverkündung, die einem Sachverständigen in dem
Rechtsstreit erklärt wird, in dem er mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt wurde, ist nach Auffassung des Senats unzulässig, was sich aus mehreren Überlegungen ergibt.
Gemäß § 72 ff. ZPO ist die Streitverkündung zunächst die Benachrichtigung eines Dritten von einem anhängigen Prozess, die
auf dem Hintergrund erfolgt, dass eine der Prozessparteien geltend macht, im Falle des Prozessverlustes einen Anspruch gegen
diesen Dritten erheben zu können oder einem Anspruch seitens
dieses Dritten ausgesetzt zu sein. Die mit der Streitverkündung
verbundene, unabhängig vom Beitritt oder Nichtbeitritt des Dritten eintretende Nebeninterventionswirkung (§ 74 Abs. 3 ZPO)
verfolgt zu Gunsten des Streitverkünders den Zweck, dem Dritten in einem seinerseits mit dem Streitverkünder geführten Folgerechtsstreit den Einwand abzuschneiden, der Ursprungsprozess sei unrichtig entschieden oder schlecht geführt worden.
Dabei liegt der Sinn des Instituts der Streitverkündung vorrangig
darin, die streitverkündende Partei vor einem doppelten Prozessverlust zu bewahren, obwohl sie gemäß der sich im Erstprozess darstellenden Rechtslage infolge der materiellrechtlichen
gegenseitigen Abhängigkeit der in beiden Prozessen geltend zu
machenden Ansprüche den Folgeprozess gewinnen müsste
(Zöl­ler, ZPO, 25. Aufl., § 72 Rn. 1; § 74 Rn. 7). Da die Nebeninterventionswirkung auch ohne Zutun des Streitverkündeten eintritt, greift sie gemäß § 68 2.Hs. ZPO dann nicht ein, wenn er
durch die dort aufgeführten Umstände gehindert war, Angriffsoder Verteidigungsmittel geltend zu machen.
Im Gegensatz zu diesem Regelungszweck der Streitverkündung ist für den Fall der Streitverkündung an einen im Erstprozess tätigen Sachverständigen bezeichnenderweise festzustellen, dass die oben dargestellten, für den Streitverkünder als Hilfe
gedachten Wirkungen der Streitverkündung im Regelfall gar
nicht erreicht werden können. Behauptet nämlich eine Partei,
sie werde den Prozess verlieren, weil der Sachverständige ein
falsches (ihr nachteiliges) Gutachten erstattet, so würde ihr die
Streitverkündung gegen den Sachverständigen nur dann helfen
können, wenn durch sie dem Sachverständigen verwehrt wäre,
in einem Folgeprozess noch vorzubringen, sein Gutachten sei
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
richtig gewesen. Gerade dies ist aber nicht der Fall, denn der
Prozessverlust der streitverkündenden Partei kann nur auf der
gerichtlichen Feststellung beruhen, dass das Gutachten richtig
sei. Dann ist der Sachverständige aber trotz der Streitverkündung gerade nicht gehindert, dies auch im Folgeprozess zu behaupten (vgl. Rickert/König in NJW 2005, 1829).
Zwar ist auch eine andere Fallgestaltung als die eben erörterte denkbar, nämlich beispielsweise die, dass eine Partei durch
ein ihr günstiges gerichtliches Gutachten zu einer erheblichen
Klageerweiterung bestimmt wird, gleichzeitig aber die nicht unbegründete Besorgnis hegt, das Gericht könne aufgrund eines
Parteigutachtens der Gegenseite oder eines Obergutachtens
dennoch zu einem dem Erstgutachten nicht entsprechenden Ergebnis kommen. Erklärt unter solchen Umständen der Kläger
dem Gutachter wegen befürchteter Kostennachteile den Streit,
so kann dies sinnvoll erscheinen, um ihm in einem nachfolgenden Schadensersatzprozess die Behauptung abzuschneiden,
sein Gutachten sei doch richtig gewesen. Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass bei einem solchen Sachverhalt der
nicht beigetretene Sachverständige im Folgeprozess nach dem
Sinn des § 68 2. Hs ZPO mit dem Einwand gehört werden
müsste, ihm sei aufgrund seiner Sachverständigenstellung im
Erstprozess ein Beitritt nicht zumutbar gewesen. Folgt man dieser Auffassung, würde sogar auch in einem solchen Fall die
Streitverkündung gegen den Willen der Sachverständigen nicht
zum Ziel führen.
Ein weiteres Indiz für die Ungeeignetheit der Streitverkündung in einem Fall wie dem vorliegenden ist die Überlegung,
dass diejenigen Sachverhalte, für die das Gesetz die Streitverkündung vorsieht, in der Regel nicht einen Sachverhalt erfassen,
in dem – wie hier – das bei Prozessverlust zum Regressanspruch
führende Geschehen (Erstattung eines falschen Gutachtens)
sich überhaupt erst während des Erstprozesses vollzieht.
Das vom Gesetzgeber vorgestellte Alternativverhältnis der
Ansprüche (Zöller, a.a.O., § 72 Rn. 5) ist regelmäßig schon vollständig in dem Streitstoff enthalten, der als bereits abgeschlossener Lebenssachverhalt der Klageerhebung im Erstprozess zugrunde liegt.
Führen die oben stehenden Erwägungen – unter der Voraussetzung, dass auch die Ausführungen zur einschränkenden Auslegung des § 68 ZPO gebilligt werden – zu der Erkenntnis, dass
eine Streitverkündung gegenüber einem gerichtlich bestellten
Sachverständigen die Nebeninterventionswirkung gar nicht entfalten kann, so könnte dies allerdings ohne Weiteres zu dem
Schluss führen, dass im Erstprozess eine solche Streitverkündung den Sachverständigen nicht zu berühren braucht, sodass
ohne Schaden für das Erstgericht und den Gutachter selbst die
Streitverkündung zugestellt werden und die Prüfung ihrer Zulässigkeit sowie des Eingreifens ihrer Nebeninterventionswirkung
dem Folgeprozess überlassen bleiben könnte.
Nach Meinung des Senats ist eine solche Sichtweise jedoch
unzutreffend und erschöpft die Problematik nicht.
Im Hinblick auf den Erstprozess stellt sich nämlich die Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen als Eingriff
in die ordnungsgemäße Funktion der Rechtsprechungsorgane
(Art. 20 Abs. 3 GG) und somit als rechtsmissbräuchlich dar.
Dies zeigt sich bereits an den eingangs erörterten Überlegungen, wonach in einem solchen Fall das Ziel der Streitverkündung von vornherein nicht erreicht werden kann und sie zudem
auf einen Sachverhalt angewendet wird, für den sie nicht geschaffen wurde. Dass eine Streitverkündung unter solchen Umständen zulässig sein sollte, erscheint schon fraglich.
Zudem bedeutet die Streitverkündung während des laufenden Erstprozesses einen Angriff gegen den Sachverständigen sowohl in persönlicher Hinsicht als auch bezüglich seiner
Stellung als Gehilfe des Gerichts. Daran ändert es nichts, dass
die Streitverkündung, wie dargelegt, in den meisten Fällen
nachteilige Wirkungen für den Sachverständigen nicht entfalten
kann. Diese Erkenntnis kann er jedoch nicht selbst gewinnen,
sondern nur nach gründlicher juristischer Beratung unter Einbeziehung aller Umstände des einzelnen Falles. Sich zur Durchführung seiner Sachverständigenaufgabe einer Rechtsberatung zu
bedienen, ist ihm jedoch nicht zumutbar. Will der Sachverständige sich angesichts des ihm angedrohten Regressprozesses
frühzeitig verteidigen, so wird er demnach (evtl. auch auf Aufforderung seiner Haftpflichtversicherung) dem Rechtsstreit beitreten und verliert auf diese Weise seine unbefangene Stellung.
Das Gericht ist in diesem Fall auf die erneute Einholung eines
Gutachtens angewiesen, und der Sachverständige verliert seinen Vergütungsanspruch. Tritt er hingegen nicht bei, bietet er
zwar den Parteien keinen Anlass, seine Neutralität zu bezweifeln; jedoch muss er nunmehr persönliche Nachteile aus der Nebeninterventionswirkung befürchten und mag (unwillkürlich)
veranlasst sein, sein Gutachten mit ungebührlicher Vorsicht und
Rücksichtnahme auf die Interessen des Streitverkünders zu erstatten. In beiden Fällen ist im Ergebnis die ungestörte Rechtsprechungsfunktion des Gerichts beeinträchtigt, und zwar als
unmittelbare Wirkung der Streitverkündung selbst, die sich auch
nicht erst im Folgeprozess zeigt, sondern bereits im Erstprozess.
Zwar ist ein Sachverständiger grundsätzlich vor einer späteren
Inanspruchnahme infolge der Erstellung eines Gerichtsgutachtens nicht geschützt, wie § 839a ZPO zeigt. Es ist aber nicht hinnehmbar, dass er im Zusammenhang mit seiner Ernennung als
Gerichtsgutachter bereits in demjenigen Rechtsstreit Nachteile
befürchten muss, in dem er bestellt ist und als unabhängiger
Helfer des Gerichts tätig werden soll. Auch er muss vor unberechtigter Einflussnahme auf seine Tätigkeit geschützt werden.
Diese Überlegungen führen ohne Weiteres dazu, die Meinung derjenigen Autoren für richtig zu halten, die den gerichtlich bestellten Sachverständigen schon nicht als »Dritten« im
Sinne des § 72 ZPO ansehen (Böckermann in MDR 2002, 1348
und im Anschluss hieran ebenso (ohne nähere Kommentierung)
Zöller, a.a.O., § 72 Rn.1; Baumbach/Lautermann/Albers/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 72 Rn. 5; Stein-Jonas, ZPO, 22. Aufl., §
72 Rn. 3; Rickert/König, a.a.O.). So wie bei genauer Betrachtung
der zur Streitentscheidung berufene Richter nicht Dritter im
Sinne der Vorschrift sein kann, muss dies auch für den gerichtlichen Sachverständigen gelten, dessen Aufgabe es ist, den
Richter bei der Ermittlung des richtigen Sachverhalts und also im
Kernbereich seiner Rechtsprechungsaufgabe zu unterstützen.
Die herausragende Bedeutung seiner Stellung im Rahmen der
Rechtsfindung zeigt sich allein schon daran, dass das Neutralitätsgebot für den Sachverständigen in gleicher Weise gilt wie
für das Gericht.
Nach allem liegt für den Senat die Unzulässigkeit der Streitverkündung gegen den gerichtlichen Sachverständigen auf
Grund vielfältiger Überlegungen gewonnenes Endergebnis auf
der Hand.«
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
6.7. OLG Celle (Beschluss vom 14. November 2005,
Az.: 7 W 117/05): Zustellung ungeprüfter
Streitverkündung an gerichtlich bestellten
Sachverständigen
Leitsätze der Entscheidung:
1. Das Gericht hat den Streitverkündungsschriftsatz dem
Betroffenen grundsätzlich ohne Prüfung der Zulässigkeit
der Streitverkündung zuzustellen.
2. Dies gilt nicht, wenn die Streitverkündung gegenüber
dem im Rechtsstreit tätigen Sachverständigen in der Absicht einer rechtsmissbräuchlichen Einflussnahme auf die
Gutachtertätigkeit erfolgt.
3. Gegen einen Beschluss, mit dem der Antrag des Sachverständigen, die Zustellung der Streitverkündungsschrift
für unzulässig zu erklären, zurückgewiesen wird, steht
ihm das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Aus den Gründen:
»2. Der Sachverständige beanstandet jedoch zu Unrecht die Zulässigkeit der Zustellung der Streitverkündungsschrift an ihn.
a) Von dem Bf. wird unter anderem darauf verwiesen, die
ihm gegenüber erfolgte Streitverkündung sei schon deshalb unzulässig, weil er in dem Verfahren als gerichtlich beauftragter
Sachverständiger tätig und deshalb kein Dritter i.S. des § 72 ZPO
sei (BGH, BeckRS 2005, BECKRS Jahr 04008; so auch Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. [2005], § 72 Rdnr. 1; Rickert/König,
NJW 2005, Seite 1829). Es kann dahin stehen, ob dieser Einwand zutreffend ist.
Aus der möglichen Unzulässigkeit einer Streitverkündung
folgt nämlich nicht, dass das Gericht die Zustellung des Schriftsatzes hätte ablehnen müssen. Vielmehr gilt, dass das Gericht
den Streitverkündungsschriftsatz dem Betroffenen zuzustellen
hat, ohne die Zulässigkeit der Streitverkündung zu prüfen. Enthält ein Schriftsatz eine Streitverkündungserklärung und entspricht er den Anforderungen eines bestimmenden Schriftsatzes, muss dieser ohne weitergehende Prüfung gem. § 73 S. 2
ZPO dem Streitverkündeten zugestellt werden (vgl. OLG München, NJW 1993, Seite 2756; OLG Celle, OLG-Report 1994, Seite
44; OLG Frankfurt a.M., BauR 2001, Seite 677). Denn das Gericht hat nur Zustellungshilfe für die Partei zu leisten, die den
Schriftsatz eingereicht hat (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl.,
§ 73 Rdnr. 2 a.E.).
Dem steht auch nicht entgegen, dass die Streitverkündung
im Falle ihrer Zulässigkeit prozessual und materiell-rechtliche
Wirkungen auslöst. Denn die bloße Zustellung des Schriftsatzes
als solche hat keine Auswirkung in Bezug auf die Beurteilung
der Zulässigkeit der Streitverkündung, die regelmäßig erst in
einem Folgeprozess geprüft wird. Die ZPO bürdet die Ungewissheit über die Wirksamkeit der Streitverkündung im Übrigen dem
Dritten als Streitverkündungsempfänger auf (vgl. auch Senat,
Beschl. v. 24.08.2005 - Aktenzeichen 7 W 86/05).
b) In seiner Beschwerdeschrift hat der Streitverkündete weiter eingewandt, die Streitverkündung an einen Gerichtsgutachter stelle eine nicht hinnehmbare, letztlich rechtsmissbräuchliche Einflussnahme auf das Gerichtsverfahren dar und untergrabe die für die Gerichtsgutachtertätigkeit unverzichtbare Unparteilichkeit des Sachverständigen (so auch Rickert/König, NJW
2005, Seite 1829; Kamphausen, IBR 2005, Seite 270; Böckermann, MDR 2002, Seite 1348).
Es ist allgemein anerkannt, dass bei rechtsmissbräuchlichen
Anträgen kein Anspruch des Ast. auf Bearbeitung und Entschei-
dung besteht (Zöller/Vollkommer, Einl. Rdnr. 48a). Für den Missbrauch prozessualer Befugnisse müssen aber klare und eindeutige Anhaltspunkte vorliegen (Stein/Jonas/Roth, Vorb. § 3 Rdnr.
232). Diese lassen sich hier nicht feststellen, auch wenn sich die
Kl. durch ihre Vorgehen mit der Streitverkündung einem negativen Eindruck aussetzt.
Zwar erweckt die von der Kl. vorgenommene Streitverkündung objektiv den Eindruck, dass sie hierdurch Einfluss auf den
Sachverständigen und damit auf das Verfahren nehmen will.
Hieraus lässt sich aber nicht zwingend herleiten, dass sie von der
Möglichkeit der Streitverkündung in rechtsmissbräuchlicher
Weise Gebrauch machen wollte, was für eine Ablehnung der
Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes Voraussetzung
gewesen wäre. Der Umstand, dass eine Streitverkündung gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen, der zur
Unparteilichkeit verpflichtet ist, für diesen eine Belastung ist,
reicht allein nicht aus, um die beantragte Zustellung als rechtsmissbräuchliches Vorgehen zu werten. Ein besonnener Sachverständiger, der von einem Beitritt absehen wird, wird die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes ebenso wie ein unbegründetes Ablehnungsgesuch ohnehin nur als untauglichen
Versuch werten, ihn an der Ausführung des gerichtlich erteilten
Auftrags zu behindern. Deshalb ist auch der weitere Hinweis
des Sachverständigen, das Gericht habe ihm gegenüber als seinem Gehilfen eine Schutzpflicht, ohne Belang.
Die Kl. hat die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen damit begründet, dass sie in Bezug auf das vorliegende Gutachten möglicherweise Schadensersatzansprüche im
Rahmen des § 839a BGB absichern wolle. Hierfür hätte es der
Streitverkündung (bei unterstellter Zulässigkeit) nicht bedurft.
Eine zulässige Streitverkündung hat zur Folge, dass dem
Streitverkündeten das Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend § 68 ZPO in einem nachfolgenden Prozess entgegengehalten werden kann (BGHZ 134, Seite 190 = NJW 1997, Seite
859 = BauR 1997, Seite 347). Vorliegend ergibt sich das Ergebnis der Beweisaufnahme ausschließlich nach dem derzeitigen
Stand des Verfahrens aus den Gutachten des Streitverkündeten
selbst, an dem er sich unabhängig von einer etwaigen Streitverkündung festhalten lassen muss. Dass der Ag. dies bewusst war
und sie den Verweis auf § 839a BGB nur vorgeschoben hat, um
die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Sachverständigen in der Hoffnung zu erreichen, dass dieser die vorgelegten Fragen unter dem Druck der Streitverkündung nicht
mehr unparteiisch beantworten wird, kann indes ohne dahin
gehende greifbare Anhaltspunkte nicht angenommen werden,
zumal eine Streitverkündung allein für eine Stattgabe eines etwaigen Befangenheitsantrags nicht ausreichend ist, weil die
bloße Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes nach allgemeiner Auffassung Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des
Sachverständigen nicht rechtfertigen kann.«
| 102
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
6.8. OLG Bamberg (Beschluss vom 28. Dezember
2005, Az.: 8 W 37/05): Kein selbstständiges
Beweisverfahren parallel zum
Hauptsacheverfahren
Leitsatz der Entscheidung:
Ein rechtliches Interesse für ein selbstständiges Beweisverfahren gegen den gerichtlichen Sachverständigen ergibt sich erst nach Beendigung desjenigen Verfahrens, in
dem dieser gerichtliche Sachverständige Beweismittel
war.
Aus den Gründen:
»Das zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet.
Das Landgericht hat ein rechtliches Interesse der Antragsteller an erneuter Feststellung der von ihnen behaupteten Bauwerksmängel (§ 485 Abs. 2 ZPO) verneint, weil der Antrag auf
Begutachtung rechtsmissbräuchlich sei. Die Antragsteller seien
als beklagte Partei im Ausgangsverfahren 32 O 607/03 LG Bayreuth, das noch nicht abgeschlossen sei, vorrangig aufgefordert, die ihrer Auffassung nach den Gutachten anhaftenden
Mängel aufzuzeigen, d.h. Feststellungen und Stellungnahmen
der Antragsgegner in Zweifel zu ziehen oder Umstände vorzutragen, die die bisherigen Gutachten ungenügend im Sinne des
§ 412 Abs. 1 ZPO erscheinen ließen. Selbst unter der Prämisse
einer Entscheidung des Landgerichts Bayreuth im Verfahren 32
O 607/03, die sich auf ein grob fehlerhaftes Gutachten stützen
würde, seien die Antragsteller nicht daran gehindert, vielmehr
gemäß §§ 839 Abs. 3, 839a Abs. 2 BGB sogar verpflichtet, solche Mängel mit dem Rechtsmittel der Berufung geltend zu machen.
Mit dem vorliegenden Antrag auf weitere Begutachtung im
selbstständigen Beweisverfahren werde diese Obliegenheit von
den Antragstellern in ein anderes Verfahren verlagert, obwohl
die Klärung möglicher Mängel der gerichtlich in Auftrag gegebenen Gutachten im streitigen Verfahren zu erfolgen hätte. Mit
der Zulassung des Antrags der Antragsteller könne überdies die
Vorschrift des § 412 ZPO unterlaufen werden, nach der ein
neues Gutachten im streitigen Verfahren erst nach Ausschöpfung der gebotenen Aufklärungsmöglichkeiten in Betracht
komme. Schließlich sei die Durchführung des selbstständigen
Beweisverfahrens geeignet, einen Ablehnungsgrund gegenüber
den Antragsgegnern als gerichtlichen Sachverständigen des
Rechtsstreits 32 O 607/03 zu provozieren, weil sich die Antragsgegner nunmehr als Parteien gegenüber den Antragstellern im
selbstständigen Beweisverfahren zu verteidigen hätten. Diese
Parteistellung trete in Konflikt mit der Unabhängigkeit des gerichtlich bestellten Sachverständigen, der sein Gutachten unparteiisch zu erstatten habe (§ 410 Abs. 1 ZPO). Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller für die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens sei daher ausnahmsweise nicht gegeben.
Der Senat teilt diese Auffassung des Erstgerichts und tritt den
Gründen der angefochtenen Entscheidung bei. In der Beschwerdebegründung ist nicht vorgetragen, was diese Gründe entkräften könnte.
Nach Beendigung des Verfahrens 32 O 607/03 LG Bayreuth
wird ein rechtliches Interesse der Antragsteller an der begehrten
Feststellung, sollten sie sie dann noch für erforderlich halten,
nicht mehr zu verneinen sein.
Das Verfahren 32 O 607/03 LG Bayreuth ist noch nicht entscheidungsreif. Das Landgericht beabsichtigt weitere Beweiser-
hebungen. Dies ist seinem Hinweisbeschluss vom 25.11.2005
zu entnehmen. Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung ist noch nicht bestimmt worden. Den Verfahrensstand
hat der Senat der ihm im Beschwerdeverfahren 8 W 34/05 vorliegenden Akte des Landgerichts Bayreuth 32 O 607/03 entnommen.«
6.9. OLG Bamberg (Beschluss vom 9. Januar 2006,
Az.: 4 U 186/05): Unzulässigkeit der
Streitverkündung an den vom Gericht
beauftragten Sachverständigen!
Leitsätze der Entscheidung:
1. Eine Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen ist unzulässig.
2. Wird die Streitverkündungsschrift dem Sachverständigen zugestellt und tritt dieser einer Partei bei, führt das
Ablehnungsgesuch der anderen Partei dazu, dass der
Sachverständige von der weiteren Mitwirkung an dem
Verfahren ausgeschlossen ist.
3. Die vom Sachverständigen bisher erstatteten Gutachten bleiben verwertbar, wenn die den Sachverständigen
ablehnende Partei seinen Beitritt selbst provoziert hat
und ihr darauf gestützter Befangenheitsantrag infolgedessen rechtsmissbräuchlich ist.
Aus den Gründen:
»1. Bereits die Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen ist unzulässig (OLG Koblenz, Beschluss
vom 28.09.2005, Az: 12 W 251/05; Zöller-Vollkommer, a.a.O.,
Rdnr. 6 zu § 41 ZPO; Böckermann, MDR 2002, 1348, 1350; Rickert/König, NJW, S. 1830 f.).
a) Die Streitverkündung gegenüber dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen ist schon deshalb unzulässig, weil dieser kein Dritter i.S.d. § 72 ZPO ist (Zöller-Vollkommer, a.a.O.,
Rdnr. 1 zu § 72 ZPO; Böckermann, a.a.O., S. 1350; Rickert/König, a.a.O., S. 1831; offengelassen von OLG Celle, Beschluss
vom 14.11.2005, Az: 7 W 117/05).
Für den Sachverständigen gilt hier das Gleiche wie für den
Richter. Dieser kann, da der Kläger des Verfahrens Erster und der
Beklagte Zweiter ist, rein numerisch auch Dritter sein. Er ist aber
»notwendiger Dritter«, da es ohne ihn kein Verfahren zwischen
Erstem und Zweitem gibt. Den Richter haben die zivilprozessualen Regelungen über die Streitverkündung nicht als Dritten im
Auge. Ebenso verhält es sich bei dem vom Gericht beauftragten
Sachverständigen. Er ist als Helfer des Gerichts ebenfalls notwendiger Teil des Verfahrens und nicht außen stehender Dritter.
Zudem ist der Beitritt, auf den die Streitverkündung abzielt,
mit Stellung und Aufgabe des vom Gericht bestellten Sachverständigen nicht vereinbar. Diesen trifft eine Neutralitätspflicht.
Unparteilichkeit ist sein oberstes Gebot. Ein rechtliches Interesse
am Obsiegen einer der beiden Parteien darf er »von Amts wegen« nicht haben (Rickert/König, a.a.O., S. 1831). Hat er es ausnahmsweise dennoch, ist er – wiederum ebenso wie der Richter
– vom Verfahren ausgeschlossen.
b) Der vom Gesetz vorgesehene Zweck der Streitverkündung,
die Nebeninterventionswirkung herbeizuführen (§§ 74, 68
ZPO), kann bei dem vom Gericht beauftragten Sachverständigen ohnehin nicht verwirklicht werden. Die Beklagte hat die
Streitverkündung damit begründet, wegen möglicher Fehler in
den bislang erstatteten Gutachten könnten ihr Regressansprüche gegen den Streitverkündungsempfänger zustehen (Bl. 285
| 103
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
d.A.). Mit diesem Argument werden Streitverkündungen gegenüber dem Sachverständigen regelmäßig begründet (Rickert/
König, a.a.O., S. 1830). Dem vorgegebenen Ziel, einen Ersatzanspruch gemäß § 839a BGB in einem Folgeprozess gegen den
Sachverständigen leichter durchsetzen zu können, dient die
Streitverkündung jedoch objektiv nicht.
Bezüglich des Ausgangs des (ersten) Prozesses gibt es nämlich zwei Möglichkeiten: Entweder legt das Gericht im Ausgangsverfahren seiner Entscheidung das Gutachten des Sachverständigen zugrunde und bringt damit zum Ausdruck, dass es
dieses für richtig hält. Die Nebeninterventionswirkung gemäß §
68 ZPO besteht dann darin, dass der Sachverständige gegenüber der unterlegenen Partei mit der Behauptung nicht gehört
wird, dass der Ausgangsprozess unrichtig entschieden worden
sei. Darauf wird er sich aber, wenn das Gericht seinem Gutachten gefolgt ist, ohnehin nicht berufen. Die zweite Möglichkeit
besteht darin, dass das Gericht des Ausgangsverfahrens dem
Gutachten des Sachverständigen nicht folgt, weil es dieses als
unrichtig bewertet. Dann fließt das Gutachten ohnehin nicht in
die das Urteil tragenden tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des Ausgangsgerichts ein, an die das Gericht im Folgeprozess gemäß § 68 ZPO gebunden wäre. In beiden Fällen nützt
die Interventionswirkung dem Streitverkünder somit nichts.
c) Die Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen ist zudem rechtsmissbräuchlich. Da der Streitverkündung,
wie unter b) dargelegt wurde, kein schützenswertes Interesse
zugrunde liegt, kann ihr Ziel nur sein, den Sachverständigen
über die Androhung einer Schadensersatzklage zu einer für den
Streitverkünder günstigeren Begutachtung anzuhalten oder ihn
aus dem Verfahren zu drängen (Rickert/König, a.a.O., 1830).
Die Streitverkündung bedeutet somit einen Angriff gegen den
Sachverständigen sowohl in persönlicher Hinsicht als auch bezüglich seiner Stellung als Gehilfe des Gerichts. Der Sachverständige wird als juristischer Laie häufig nicht wissen, dass die Streitverkündung für ihn regelmäßig keine nachteiligen Wirkungen
entfalten kann. Häufig wird er, wie hier, von seiner Haftpflichtversicherung zu einem Beitritt gedrängt (Rickert/König, a.a.O. S.
1829). Sich zur Durchführung seiner Sachverständigenaufgabe
einer Rechtsberatung zu bedienen, ist ihm nicht zumutbar und
nicht immer hilfreich. Will der Sachverständige sich angesichts
des ihm angedrohten Regressprozesses frühzeitig verteidigen
und tritt er infolgedessen dem Rechtsstreit bei, verliert er seine
unbefangene Stellung und muss infolgedessen aus dem Prozess
ausscheiden. Tritt er hingegen nicht bei, befindet er sich subjektiv unter dem Damoklesschwert der Nebeninterventionswirkung
und mag (unwillkürlich) veranlasst sein, sein Gutachten mit ungebührlicher Vorsicht und Rücksichtnahme auf die Interessen
des Streitverkünders zu erstatten. In beiden Fällen wird die ungestörte Rechtsprechungsfunktion des Gerichts als unmittelbare
Wirkung der Streitverkündung selbst beeinträchtigt (OLG
Koblenz, a.a.O.).
Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen stellt infolge dessen – ebenso wie die gegenüber
dem erkennenden Richter – den Versuch eines rechtsstaatswidrigen Eingriffs in die Rechtspflege dar. Aufgabe der Justiz ist es,
diesen Versuch eines unzulässigen Eingriffs in das Verfahren abzuwehren (Böckermann, a.a.O., S. 1351; Rickert/König, a.a.O.,
S. 1830).
Hierzu wird deshalb weitgehend empfohlen, den die unzulässige Streitverkündung enthaltenden Schriftsatz dem Sachverständigen gar nicht erst zuzustellen (Böckermann, a.a.O., S.
1352; Rickert/König, a.a.O., S. 1831). Das OLG Koblenz erach-
tet die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen sogar für rechtswidrig (OLG Koblenz a.a.O.). Nach
dem Beschluss des OLG Celle vom 14.11.2005 ist das Gericht,
wenn die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen
in der Absicht einer rechtsmissbräuchlichen Einflussnahme auf
die Gutachtertätigkeit erfolgt, zur Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes zumindest nicht verpflichtet. Dabei beurteilte
das OLG Celle allerdings die von der Klägerin vorgenommene
Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen trotz des
»objektiven Eindrucks«, dass sie hierdurch Einfluss auf den Sachverständigen und damit auf das Verfahren nehmen wolle, nicht
als rechtsmissbräuchlich.
2. Für den Fall, dass die Streitverkündungsschrift doch zugestellt wird und der Sachverständige einer Partei beitritt, werden
sein vollständiger Ausschluss aus dem Verfahren und die Unverwertbarkeit seiner bisher erstatteten Gutachten als kaum vermeidbare (Böckermann, a.a.O., 1352) bzw. zwangsläufige (Rickert/König, a.a.O., S. 1829, OLG Koblenz, a.a.O.) Folge angesehen. Wenn die Gutachten unverwertbar sind, gerät der Sachverständige auch in Gefahr, seinen Vergütungsanspruch zu
verlieren (vgl. Franzki in: Bayerlein, Praxishandbuch Sachverständigenrecht, 3. Aufl., 2002, § 9 Rdnr. 25 ff.; die Rspr. nimmt einen Verlust des Vergütungsanspruchs an, wenn der Sachverständige die Ablehnung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, s. BGH, NJW 1976, 1154). Darüber hinaus kann
z.B. bei Insolvenz einer Partei der Gegenseite durch das Ausscheiden des Sachverständigen und die dadurch bedingte Verzögerung des Verfahrens ein erheblicher Schaden entstehen, für
den sie den Sachverständigen in Regress nehmen will.
Derart gravierende Folgen an die – häufig aus Unachtsamkeit
des Gerichts erfolgte – Zustellung der Streitverkündungsschrift
und den – regelmäßig in Unkenntnis der Unzulässigkeit der
Streitverkündung – erfolgten Beitritt des Sachverständigen zu
knüpfen, dürfte mit rechtsstaatlichen Grundsätzen generell
nicht vereinbar sein. Die Aufgabe des Gerichts, den unzulässigen Versuch eines Eingriffs in das Verfahren abzuwehren, besteht nämlich fort.«
6.10. BGH (Urteil vom 12. Januar 2006,
Az.: VII ZR 207/04): Beitritt des Sachverständigen
nach Streitverkündung kein gesetzlicher
Ausschließungsgrund!
Leitzsatz der Entscheidung:
Tritt ein Sachverständiger dem Rechtsstreit bei, nachdem
ihm der Streit verkündet worden ist, ist er nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen.
Aus den Gründen:
»Wie das Berufungsgericht als Beschwerdegericht in demselben
Verfahren vor dem Urteil des Einzelrichters richtig entschieden
hat, ist der Beitritt des Sachverständigen auf der Seite der Kläger
kein gesetzlicher Ausschließungsgrund. Es bestehen erhebliche
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen S. und dessen Beitritt (vgl. dazu Böckermann, MDR 2002, 1349). Darauf kommt es jedoch nicht
an. Jedenfalls ist der Sachverständige durch den Beitritt nicht
nach § 41 ZPO ausgeschlossen (RG JR Rspr. Nr. 1265; Musielak/
Huber, ZPO, 4. Aufl., § 406 Rdn. 3; MünchKommZPO-Damrau,
2. Aufl., § 406 Rdn. 2). Diese Regelung betrifft den Ausschluss
eines Richters von der Ausübung des Richteramtes. Eine vergleichbare Regelung für den Ausschluss eines Sachverständigen
| 104
10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
von der Ausübung der Tätigkeit eines gerichtlich bestellten
Sachverständigen enthält das Gesetz nicht.
Der Sachverständige kann nach § 406 Abs. 1 ZPO wegen der
Gründe, die den Ausschluss eines Richters von der Ausübung
des Richteramtes vorsehen, abgelehnt werden. Das folgt daraus, dass ein Sachverständiger aus denselben Gründen – sieht
man von den in § 41 Nr. 5 ZPO benannten Gründen ab – abgelehnt werden kann, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Die Gründe für den Ausschluss vom Richteramt sind
gleichzeitig Gründe, den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, § 42 Abs. 1 ZPO.
Ausweislich der Entscheidung des Berufungsgerichts im Beschwerdeverfahren über das Ablehnungsgesuch hat der Beklagte den Sachverständigen S. nicht wegen des Beitritts auf der
Seite der Kläger abgelehnt. Dieser Ablehnungsgrund könnte, so
er überhaupt bestünde, auch nicht mehr geltend gemacht werden, § 43 Abs. 2 ZPO. Dann ist es nicht mehr möglich, die Hinzuziehung des Sachverständigen als Verfahrensfehler zu rügen
oder zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1958 - III
ZR 147/57, BGHZ 28, 303, 305 f.).«
6.11. OLG Stuttgart (Beschluss vom 22. März 2006,
Az.: 6 W 7/06): Streitverkündung an den
gerichtlich bestellten Sachverständigen
unzulässig!
Leitsätze der Entscheidung:
1.) Die Zulässigkeit der Streitverkündung an einen gerichtlich bestellten Sachverständigen ist nicht erst im Folgeprozess, sondern schon im laufenden Prozess zu prüfen.
2.) Die Streitverkündung an den gerichtlich bestellten
Sachverständigen ist unzulässig.
Aus den Gründen:
»Die Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen
des laufenden Prozesses ist unzulässig, weil der Sachverständige
nicht Dritter im Sinne von § 72 ZPO ist (Zöller/Vollkommer, 25.
Aufl. § 72 ZPO Rn. 1; Stein/Jonas/Bork, 22. Aufl. § 72 ZPO Rn.
3; Musielak/Weth, 4. Aufl. § 72 ZPO Rn. 6a).
Tauglicher Streitverkündungsempfänger und damit Dritter im
Sinne von § 72 ZPO kann nur derjenige sein, der gemäß §§ 66,
67 ZPO als Streitgehilfe einer Prozesspartei auftreten kann
(Stein/Jonas/Bork, a.a.O.).
Der vom Gericht bestellte Sachverständige kann nicht als
Streithelfer auftreten, weil dies mit dem System des Zivilprozesses nicht vereinbar ist: Der Sachverständige ist Helfer des Gerichts und damit – wie der Richter selbst – notwendiger Verfahrensbeteiligter. Aufgrund dieser Funktion und der mit ihr verknüpften Verpflichtung zur Unparteilichkeit darf er naturgemäß
kein rechtliches Interesse daran haben, dass eine der Prozessparteien obsiegt.
2. Bei unzulässiger Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen ist schon die Zustellung der Streitverkündungsschrift unzulässig (vgl. OLG Koblenz, BauR 2006, 144,
das zu dem Ergebnis kommt, dass die Zustellung rechtswidrig
ist), weil sie in jedem Fall zu einer untragbaren prozessualen Situation führen würde:
Tritt der Sachverständige dem Rechtsstreit auf Seiten einer
Partei bei, so ist er entweder in entsprechender Anwendung von
§ 41 Nr. 1 ZPO von Gesetzes wegen von der Ausübung der Gutachtertätigkeit ausgeschlossen (vgl. OLG Frankfurt am Main 1 U
78/01 v. 15.7.2004, zitiert nach Volze in IBR 2005, 124), jeden-
falls aber auf den Ablehnungsantrag der anderen Partei gemäß
§§ 406 Abs. 1, 41 Nr. 1 ZPO oder gemäß §§ 406 Abs. 1, 42 ZPO,
wegen Besorgnis der Befangenheit, vom Prozess auszuschließen; bei einem Ausschluss des Sachverständigen besteht die
Gefahr, dass sein Honoraranspruch in Frage gestellt wird. Tritt er
nicht bei, muss er unter dem »Damoklesschwert« der Streitverkündungswirkung, §§ 68, 74 ZPO, weiterarbeiten. Beides steht
in unlösbarem Widerspruch zur prozessualen Stellung des Sachverständigen als neutralem Entscheidungshelfer des Gerichts.
3. Über die Zulässigkeit der Zustellung der Streitverkündungsschrift ist schon im laufenden Rechtsstreit und nicht erst im Regressprozess zu entscheiden.
Zwar ist nach allgemeiner Meinung aus § 74 Abs. 2 ZPO abzuleiten, dass Zulässigkeit und Begründetheit der Streitverkündung in der Regel erst vom Gericht des Folgeprozesses zu prüfen sind (Zöller/Vollkommer, 25. Aufl. § 72 ZPO Rn. 1, § 73 ZPO
Rn. 1, § 74 ZPO Rn. 5). Weil die den gerichtlichen Sachverständigen sowie den Prozess unzumutbar belastenden Auswirkungen der Streitverkündung bereits mit Zustellung der Streitverkündungsschrift im laufenden Prozess eintreten, ist es jedoch
unerlässlich, von der Regel abzuweichen und über Zulässigkeit
der Streitverkündung und Zustellung der Streitverkündungsschrift schon im laufenden Prozess zu entscheiden.«
6.12. LG Stuttgart (Beschluss vom 10. Juli 2006,
Az.: 10 T 126/06): Unzulässigkeit der
Streitverkündung an den gerichtlich bestellten
Sachverständigen!
Leitsatz der Entscheidung:
1.) Die Streitverkündung an einen vom Gericht bestellten
Sachverständigen ist unzulässig.
2.) Die Streitverkündungsschrift darf ihm nicht zugestellt
werden.
Aus den Gründen:
» In Rechtsprechung und Literatur herrscht bislang Uneinigkeit
darüber, ob die Zustellung einer Streitverkündungsschrift an einen Sachverständigen vom Gericht abgelehnt werden darf oder
nicht. Teilweise wird vertreten, dass die Zulässigkeit der Streitverkündung erst vom Folgegericht geprüft werden dürfe; das
Gericht der Hauptsache fungiere lediglich als Zustellungsgehilfe
und müsse von Amts wegen die Zustellung dieses bestimmenden Schriftsatzes gemäß §§ 73 Satz 2, 166 Abs. 2 ZPO
ohne weitere Prüfung einer Zulässigkeit der Streitverkündung
veranlassen (so OLG Celle, Beschluss vom 24.08.2005, BauR
2006, 140 ff.; zustimmend Ulrich, BauR 2006, S. 724, 726 f.).
Die Gegenauffassung hält jedenfalls dann die Verweigerung des
Hauptsachegerichts, die Streitverkündungsschrift zuzustellen,
für berechtigt, wenn ausnahmsweise ein rechtsmissbräuchliches
Vorgehen des Antragstellers auf der Hand liege (in dieser Weise
einschränkend OLG Celle, Beschluss vom 14.11.2005, BauR
2006, 722 ff.). Vertreten wird aber auch die Auffassung, dass
eine Streitverkündung an den vom Gericht beauftragten Sachverständigen generell unzulässig sei, als rechtsmissbräuchlich
angesehen werden müsse und deshalb die Streitverkündungsschrift nicht zuzustellen sei. Ihre Zustellung ist hiernach sogar
rechtswidrig (so OLG Stuttgart, Beschluss v. 22.03.2006, Az. 6
W 7/06, IBR 2006, 305; OLG Koblenz, Beschluss vom
28.09.2005, BauR 2006, 144 ff.; in der Sache ebenso OLG München, Beschluss vom 29.07.2005, IBR 2006, 239; eine Streitverkündung ebenfalls ablehnend OLG Bamberg, Beschluss vom
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10 Jahre – Der Bausachverständige
Zurück zum Inhalt
Festschrift BauSV 1/2015
09.01.2006, Az. 4 U 186/05, IBR 2006, 306; zustimmend
Kamphausen, BauR 2006, S. 142 ff.; ders. IBR-Online 2006, 121
– Anmerkung; ders. IBR 2006, 239 – Anmerkung; mit ausführlicher dogmatischer Begründung Böckermann, MDR 2002,
1348 ff., 1351).
Im vorliegenden Fall erfolgte die Streitverkündung nach Ansicht der Kammer rechtsmissbräuchlich. Denn nach dem bisherigen Verfahrensverlauf hatte der Antragsgegnervertreter bislang zweimal vergeblich versucht, den Sachverständigen durch
Befangenheitsanträge vom Verfahren auszuschließen. Als sich
die Fortsetzung des Verfahrens mit demselben Sachverständigen abzeichnete, erklärte der Antragsgegnervertreter die Streitverkündung an den Sachverständigen. Zu diesem Zeitpunkt war
das Verfahren nicht abgeschlossen; ganz im Gegenteil sollten
weitere Ausführungen des Sachverständigen folgen. Nach Ansicht der Kammer zeigt sich an dem bisherigen Verfahrensverlauf, dass der Antragsgegnervertreter mit seiner Streitverkündung kein sachliches Ziel verfolgte. Er wollte vielmehr – gleichsam über die Hintertür der Streitverkündung – seinen bislang
erfolglosen Versuchen, den Sachverständigen vom Verfahren
auszuschließen, endlich zum Erfolg verhelfen. Schon aufgrund
dieser besonderen Umstände war das Amtsgericht nicht dazu
verpflichtet, die Streitverkündungsschrift zustellen zu lassen,
sondern durfte die Zustellung wegen Rechtsmissbrauchs verweigern.
Die Kammer ist weiterhin – unabhängig von der im vorliegenden Verfahren gewonnenen Überzeugung konkret rechtsmissbräuchlichen Verhaltens – der Ansicht, dass eine Streitverkündungsschrift an einen Sachverständigen auch generell nicht
zuzustellen ist, weil eine solche Zustellung rechtswidrig wäre.
Denn eine Streitverkündung gegenüber einem gerichtlich bestellten Sachverständigen ist ebenso wie eine Streitverkündung
gegenüber einem erkennenden Richter nach Ansicht der Kammer unzulässig und widerspricht den elementaren Grundsätzen
der Zivilprozessordnung (»Systemwiderspruch« nach OLG Stuttgart, a.a.O.). Mit der Streitverkündung benachrichtigt eine verfahrensbeteiligte Partei einen »Dritten« vom Schweben des Prozesses, um auf diese Weise ihre Position gegenüber dem »Dritten« zu verbessern, als nunmehr die gesetzlichen Vorschriften
über die Nebeninterventionswirkung eingreifen. Als Ausgleich
hierfür wird dem »Dritten« die Möglichkeit eröffnet, sich an
dem schwebenden Prozess aktiv zu beteiligen, um darauf in seinem Sinne und damit parteilich Einfluss zu nehmen (zum
Ganzen Stein/Jonas/Bork, 22. Auflage 2004, § 72 Rn. 1). Eine
solche Position eines »Dritten« wird aber weder der erkennende
Richter noch ein Sachverständiger einnehmen können. Denn
dieser einseitigen Interessenvertretung widerspricht die zwingend auf Unparteilichkeit angelegte Funktion des erkennenden
Richters ebenso wie des Sachverständigen. Mag zwar Letzterer
nach der Zivilprozessordnung als »Beweismittel« vorgesehen
sein. Mit ihm hilft sich das Gericht aber seinerseits über die fehlende eigene Sachkunde hinweg und er wird – trotz Beweismittel – zugleich »Gehilfe des Gerichts« (dazu Damrau, in: Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Auflage 2000, §
402 Rn. 2). Seine Unparteilichkeit leitet sich damit aus seiner
Stellung im Rahmen des Prozesses ab und wird durch § 406
ZPO, der die Ablehnung des Sachverständigen bei Zweifeln an
dieser Unabhängigkeit vorsieht, ausdrücklich manifestiert. Mit
dieser Vorgabe unvereinbar ist demgegenüber die Interessenvertretung im Rahmen der Streitverkündung, die aber im Sinne
einer Waffengleichheit gegenüber der einseitig, durch bloße Zustellung der Streitverkündungsschrift hergestellten Nebeninter-
ventionswirkung, notwendig ist. Der Sachverständige ist deshalb nicht »Dritter« im Sinne von § 72 ZPO. Dieser offensichtliche und elementare Widerspruch führt aber, auch zur Sicherung des weiteren Verfahrensablaufs, dazu, dass eine Zustellung
der Streitverkündungsschrift ausnahmsweise rechtswidrig wäre
(zur weiteren dogmatischen Begründung ausführlich Böckermann, a.a.O.) und deshalb vom Amtsgericht zu Recht verweigert wurde.«
6.13. LG München (Beschluss vom 21. Juli 2006,
Az.: 1 U 3851/06): Streitverkündung gegenüber
dem gerichtlich bestellten Sachverständigen
Leitsätze der Entscheidung:
1. Eine Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen
Sachverständigen ist unzulässig. Dies folgt bereits daraus,
dass der Sachverständige nicht Dritter im Sinne des § 72
ZPO ist.
2. Der Sachverständige ist Hilfsperson des Gerichts und
damit notwendiger Verfahrensbeteiligter.
3. Die Unzulässigkeit der Streitverkündung zieht es nach
sich, dass bereits die Streitverkündungsschrift nicht zuzustellen ist.
Aus den Gründen:
»Die Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen ist unzulässig .
1. Dies folgt bereits daraus, dass der Sachverständige nicht
Dritter im Sinne des § 72 ZPO ist.
Eine Definition des Begriffs »Dritter« im Sinne dieser Vorschrift enthält die ZPO nicht. Nach dem Sinn und Zweck von §
72 ZPO können als Dritte jedoch nur außenstehende Dritte gemeint sein, welche bisher in keiner Weise in das Verfahren einbezogen sind.
Hierzu gehören das Gericht als Entscheidungsträger und seine die Entscheidungsfindung unterstützenden Gehilfen nicht.
Sie sind keine außenstehenden, in das Verfahren nicht involvierten Dritten sondern notwendige Verfahrensbeteiligte (so
auch Rickert/König, NJW 2005, 1829/1831, Böckermann, MDR
2002, 1348/1352; OLG Bamberg vom 09.01.2006, 4 U 186/05
= OLGR Bamberg 2006, 448/451).
Dies gilt insbesondere für den gerichtlichen Sachverständigen. Er vermittelt dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von
Tatsachen und die Erkenntnis von abstrakten Erfahrungssätzen
und zieht in Anwendung seines Fachwissens im Wege der Wertung aus den zugrunde liegenden Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen. Der Sachverständige ist damit Gehilfe des Gerichts, auf den das Gericht in entsprechenden Fällen auch angewiesen ist, und als solcher zur Unparteilichkeit verpflichtet (vgl.
§ 410 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Allein die Stellung des Sachverständigen auf der Seite des
Gerichts schließt eine Streitverkündung ihm gegenüber aus. Für
ihn gilt hier das Gleiche wie für den Richter.
Bei gegenteiliger Auffassung wäre sonst die mögliche Streitverkündung an einen der entscheidenden Richter – etwa wegen
verzögerter Sachbearbeitung – als logische Konsequenz nicht
ausgeschlossen. Zwar wäre der Richter sozusagen »notwendiger« Dritter im Verfahren, da ohne ihn kein Urteil ergehen kann;
eine Unterscheidung zwischen einem notwendigen und einem
nicht notwendigen Dritten enthält § 72 ZPO jedoch nicht.
Dass der Sachverständige ggf. austauschbar ist, ändert an
dieser Bewertung nichts. Hat das Gericht einen bestimmten
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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Festschrift BauSV 1/2015
Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt, ist und
bleibt er die das Gericht unterstützende Hilfsperson.
Diese kann ihre Hilfsfunktion lediglich in den vom Gesetz
normierten Ausnahmefällen verlieren (vgl. §§ 406, 412 ZPO).
Die ZPO hat vorgesehen, dass der Sachverständige als Gehilfe
des Gerichts nur unter denselben Bedingungen wie ein Richter
aus dem Verfahren entfernt werden kann, dann nämlich, wenn
Gründe für seine Ablehnung vorliegen, die gleichfalls zur Ablehnung eines Richters berechtigen würden.
Damit zeigt die Prozessordnung selbst, dass andere Wege
nicht eingeschlagen werden sollen. Dies ist auch sinnvoll: die
Parteien sollen sich weder ihren Richter noch ihren Sachverständigen als dessen Gehilfen aussuchen oder in seiner Überzeugungsbildung beeinflussen können. Dies wäre jedoch die Konsequenz, ließe man die Streitverkündung an den Sachverständigen zu.«
6.14. BGH (Beschluss vom 27. Juli 2006, Az.: VII ZB
16/06): Streitverkündung gegenüber dem im
selben Rechtsstreit bestellten gerichtlichen
Sachverständigen
Leitsätze der Entscheidung:
1. Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen
Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben
Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist unzulässig.
2. Der Streitverkündungsschriftsatz ist nicht zuzustellen.
Aus den Gründen:
»3. Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass die
Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen unzulässig und die Zustellung der Streitverkündungsschriftsätze als
rechtsmissbräuchlich zu verweigern ist.
a) In Rechtsprechung (OLG Koblenz, Beschluss vom 28. September 2005 - 12 W 251/05, BauR 2006, 144) und Literatur
(Böckermann MDR 2002, 1348; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25.
Aufl., § 72 Rdn. 1; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann,
ZPO, 64. Aufl., § 72 Rdn. 5; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., §
72 Rdn. 3; Rickert/König NJW 2005, 1829; Kamphausen, BauR
2006, 142; differenzierend: Ulrich, BauR 2006, 724; Weise,
NJW-Spezial 2006, 165) wird teilweise angenommen, eine
Streitverkündung an den gerichtlichen Sachverständigen
komme während eines anhängigen Rechtsstreits nicht in Betracht. Der gerichtliche Sachverständige sei als zur Unparteilichkeit verpflichteter Helfer des Gerichts kein außenstehender Dritter im Sinne des § 72 ZPO, sondern – wie der Richter – selbst
Prozessbeteiligter. Die Streitverkündung an den gerichtlichen
Sachverständigen sei damit generell unzulässig.
b) Der Senat hat diese Frage bisher offengelassen (vgl. auch
BGH, Beschluss vom 10. Februar 2005 - VII ZB 22/04, BauR
2005, 899 = ZfBR 2005, 449), jedoch bereits im Urteil vom 12.
Januar 2006 (VII ZR 207/04, BauR 2006, 716 = NZBau 2006,
239 = ZfBR 2006, 341) auf erhebliche Bedenken gegen die
Wirksamkeit der Streitverkündung gegenüber einem Sachverständigen in einem derartigen Fall hingewiesen. Er schließt sich
nunmehr der oben a) dargestellten Rechtsauffassung an.
Die Streitverkündung gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen
diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen ist bereits deshalb allgemein un-
zulässig, weil der Sachverständige in diesem Verfahren nicht als
Dritter im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO behandelt werden kann. Er
steht als neutraler, vom Gericht bestellter »Gehilfe des Richters«
ähnlich dem Richter nicht außerhalb des Prozesses. Wie dieser
ist er, um in Erfüllung seiner prozessrechtlichen Aufgabe dem
Richter die notwendige Sachkunde für die Entscheidung des
Rechtsstreits zu vermitteln, zur Unparteilichkeit verpflichtet und
unterliegt gemäß § 406 ZPO einer vergleichbaren Regelung
über die Ablehnung wegen Befangenheit.
Mit dieser verfahrensrechtlichen Stellung des Sachverständigen, insbesondere der unabdingbaren Gewährleistung seiner
Unabhängigkeit und Unparteilichkeit, wäre es unvereinbar, ihn
als Dritten im Sinne des § 72 Abs. 1 ZPO zu behandeln und ihn
aus Gründen in die Rolle eines Streitverkündungsempfängers zu
versetzen, die ihren Ursprung gerade in seiner Aufgabenerfüllung im Rahmen desselben Rechtsstreits haben. Ein Beitritt nach
§ 74 ZPO, der ihm dann nicht verwehrt werden dürfte, müsste
ihn zwangsläufig an die Seite einer Prozesspartei stellen und damit seine verfahrensrechtliche Position entgegen der im Prozessrecht vorgesehenen Aufgabenverteilung völlig verändern. Er
wäre nunmehr der Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach § 406 ZPO ausgesetzt und könnte auf diese Weise von
einer Prozesspartei nach Belieben aus dem Rechtsstreit entfernt
werden. Damit wäre die Entscheidung, ob ein Sachverständiger
weiter im Verfahren verbleiben soll, in die Hand der Partei gegeben und das Recht des Gerichts beeinträchtigt, den Sachverständigen pflichtgemäß auszuwählen.
Diesem aus der verfahrensrechtlichen Stellung des Sachverständigen folgenden Verständnis des § 72 Abs. 1 ZPO dahin,
dass er nicht als Dritter im Sinne dieser Regelung anzusehen ist,
stehen auch keine höherrangigen schutzwürdigen Interessen der
Prozesspartei entgegen, die eine andere Auslegung gebieten
könnten. Soweit sie in besonderen Fallkonstellationen möglicherweise ein Interesse an einer Interventionswirkung nach § 68
ZPO haben sollte, das jedenfalls nicht den Hauptstreitpunkt über
Richtigkeit oder Unrichtigkeit des Sachverständigengutachtens
betreffen kann (vgl. dazu Rickert/König, NJW 2005, 1829), kann
dies nicht dazu führen, entgegen den dargestellten verfahrensrechtlichen Grundregeln den Rechtsstreit den Gefahren auszusetzen, die aus einer faktischen Parteidisposition über den Sachverständigen resultieren würden. Vielmehr stellt sich eine Streitverkündung an den Sachverständigen regelmäßig als rechtsmissbräuchlicher Versuch dar, einen Sachverständigen, mit dessen
Begutachtung die Partei nicht einverstanden ist, aus dem Rechtsstreit zu entfernen, statt die Bedenken, die gegen die gutachterliche Stellungnahme bestehen mögen, mit den insoweit vorgesehenen prozessualen Mitteln zur Geltung zu bringen.
c) Die Zustellung einer Streitverkündungsschrift, die eine aus
den dargelegten Gründen generell unzulässige Streitverkündung an den Sachverständigen bewirken soll, ist vom Gericht zu
verweigern. Dies folgt daraus, dass eine Zustellung der Streitverkündungsschrift in derartigen Fällen bereits die Gefahren für einen ordnungsgemäßen Fortgang des Rechtsstreits heraufbeschwören würde, derentwegen die Streitverkündung selbst als
unzulässig zu erachten ist. Im Falle einer Zustellung würde der
Sachverständige, auch wenn die Streitverkündung als solche
unzulässig ist, sich veranlasst sehen können, den Beitritt zum
Rechtsstreit zu erklären und damit seine Befangenheit herbeizuführen. Damit wäre der Erfolg des regelmäßig rechtsmissbräuchlichen Vorgehens der Partei erreicht. Dem muss dadurch begegnet werden, dass es schon nicht zur Zustellung der Streitverkündungsschrift kommt.«
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Festschrift BauSV 1/2015
6.15. BGH (Beschluss vom 28. Juli 2006, Az.: III ZB
14/06): Rechtliches Interesse für Beweisantrag im
selbstständigen Beweisverfahren zur Vorbereitung eines Sachverständigenhaftpflichtprozesses?
Leitsatz der Entscheidung:
Ein Antrag auf Begutachtung durch einen Sachverständigen im selbstständigen Beweisverfahren nach § 485 Abs.
2 ZPO, der der Vorbereitung eines Sachverständigenhaftpflichtprozesses nach § 839a BGB dienen soll, ist mangels
eines rechtlichen Interesses grundsätzlich unzulässig, solange der Vorprozess noch nicht abgeschlossen ist und der
Partei dort Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, mit denen sie eine Korrektur des ihrer Meinung nach grob fehlerhaften Gutachtens erwirken kann.
Aus den Gründen:
»Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet. Die
Vorinstanzen haben den Antrag zu Recht zurückgewiesen.
1. Grundlage für den Antrag auf Begutachtung durch einen
Sachverständigen ist hier § 485 Abs. 2 ZPO. Eine Beweissicherung nach Absatz 1 dieser Vorschrift kommt hingegen nicht in
Betracht, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Sie werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht.
2. Die durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.
Dezember 1990 (BGBl. I S. 2847) mit Wirkung vom 1. April
1991 neu gestalteten Bestimmungen über das selbstständige
Beweisverfahren ermöglichen in § 485 Abs. 2 ZPO eine von
einem Beweissicherungsbedürfnis, wie es etwa § 485 Abs. 1
ZPO voraussetzt, unabhängige Erhebung des Sachverständigenbeweises. Voraussetzung ist lediglich, dass der Antragsteller ein
rechtliches Interesse an der zu treffenden Feststellung hat; ein
solches ist insbesondere (aber nicht nur) dann anzunehmen,
wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des »rechtlichen Interesses« ist weit zu
fassen. Insbesondere ist es dem Gericht grundsätzlich verwehrt,
bereits im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens eine
Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen. Dementsprechend kann ein rechtliches Interesse etwa dann verneint
werden, wenn ein Rechtsverhältnis, ein möglicher Prozessgegner oder ein Anspruch nicht ersichtlich ist. Dabei kann es sich
nur um völlig eindeutige Fälle handeln, in denen evident ist,
dass der behauptete Anspruch keineswegs bestehen kann (Senatsbeschluss vom 16. September 2004 - III ZB 33/04 = NJW
2004, 3488 m.w.N.).
3. Ein derartiges Interesse leiten die Antragsteller hier aus der
von ihnen behaupteten groben Fehlerhaftigkeit des im Vorprozess eingeholten, ihnen ungünstigen Sachverständigengutachtens her. Die Begutachtung im selbstständigen Beweisverfahren
soll daher der Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs gegen die Sachverständigen nach § 839a BGB dienen.
a) Aufgrund dieser Bestimmung ist ein vom Gericht ernannter Sachverständiger, der vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstattet, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem Verfahrensbeteiligten durch die gerichtliche
Entscheidung entsteht, die auf diesem Gutachten beruht. §
839a BGB erfordert somit einen zweiaktigen Geschehensablauf,
nämlich ein unrichtiges Gutachten, das Eingang in eine unrichtige gerichtliche Entscheidung gefunden hat, die ihrerseits den
Schaden herbeiführt (Senatsurteil vom 9. März 2006 - III ZR
143/05 = NJW 2006, 1733, für BGHZ vorgesehen; Rn. 5 m.w.N.).
b) Dementsprechend kann der Schadensersatzanspruch der
Antragsteller gegen die Sachverständigen derzeit noch nicht bestehen. Da der Vorprozess noch nicht abgeschlossen ist, kann
das Gutachten noch nicht in die gerichtliche Entscheidung eingeflossen sein und den Schaden verursacht haben.
4. Dies hat die Folge, dass die Antragsteller aufgrund des
auch bei der Sachverständigenhaftung geltenden Vorrangs des
Primärrechtsschutzes (§ 839a Abs. 2 i.V.m. § 839 Abs. 3 BGB)
gehalten sind, durch Einlegung von Rechtsmitteln auf eine Korrektur des ihrer Meinung nach unrichtigen Sachverständigengutachtens oder der darauf beruhenden gerichtlichen Entscheidung hinzuwirken. Als »Rechtsmittel« kommen zum einen solche Behelfe in Betracht, die sich unmittelbar gegen das fehlerhafte Gutachten selbst richten und die bestimmt und geeignet
sind, eine auf das Gutachten gestützte instanzbeendende gerichtliche Entscheidung zu verhindern. Zu denken ist insoweit
etwa an Gegenvorstellungen und Hinweise auf die Unrichtigkeit
des Gutachtens (vgl. § 411 Abs. 4 ZPO), Anträge, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, formelle Beweisanträge auf Einholung eines neuen (Ober-)
Gutachtens (§ 412 ZPO). Zum anderen fallen nach Sinn und
Zweck der Neuregelung unter die Rechtsmittel auch solche gegen die gerichtliche Entscheidung, die deren Korrektur im
Rechtsmittelzug erstreben (Staudinger/Wurm, BGB 13. Bearb.
[2002] § 839a Rn. 6).
5. Diese mögliche Korrektur des nach Meinung der Antragsteller grob fehlerhaften Sachverständigengutachtens schon im
Vorprozess selbst ist in noch höherem Maße als die nunmehr
beantragte Begutachtung im selbstständigen Beweisverfahren
bestimmt und geeignet, schon im Vorfeld einer streitigen Auseinandersetzung Rechtsfrieden zu stiften. Durch die erfolgreiche
Einlegung eines Rechtsmittels kann und soll nämlich bewirkt
werden, dass es erst gar nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt, die auf dem Gutachten beruht. Damit wird dann
der Eintritt eines Schadens verhindert, ohne dass es dann noch
zu einem Haftpflichtprozess gegen den Sachverständigen zu
kommen braucht. Deswegen ist, solange und soweit die Möglichkeit erfolgversprechenden Primärrechtsschutzes besteht, ein
rechtliches Interesse an der Begutachtung im selbstständigen
Beweisverfahren, wie § 485 Abs. 2 ZPO es fordert, zu verneinen
(a.A. wohl OLG Frankfurt am Main, IBR 2003, 585).
6. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Vorprozess und der in Aussicht genommene Haftpflichtprozess gegen
die Sachverständigen zwei verschiedene Streitgegenstände mit
unterschiedlichen Parteien betreffen. Die Beweisfragen sind
nämlich gleichwohl identisch. Ziel des selbstständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO ist die Entlastung der Gerichte von Prozessen, deren Streitfragen weniger rechtlicher als
tatsächlicher Art sind und für deren Entscheidung daher das
Fachgutachten eines Sachverständigen eine maßgebliche (oft
sogar allein ausschlaggebende) Bedeutung hat, so insbesondere
bei Gewährleistungs- oder Schadensersatzprozessen (Zöller/Herget, ZPO 25. Aufl. 2005 § 485 Rn. 6 m.w.N.). Dieses gesetzgeberische Ziel der Prozessökonomie würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn man zur Vorbereitung eines Haftpflichtprozesses
gegen den gerichtlichen Sachverständigen eine erneute Begutachtung über dieselben Beweisfragen zulassen würde, die im
Vorprozess noch gar keiner streitentscheidenden Klärung zugeführt sind.«
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Festschrift BauSV 1/2015
6.16. OLG Brandenburg (Beschluss vom 6.
September 2006, Az.: 11 W 36/06): Zulässigkeit
der Streitverkündung gegenüber dem gerichtlich
bestellten Sachverständigen in einem
selbstständigen Beweisverfahren
Leitsätze der Entscheidung:
1. Der Streithelfer kann in einem selbstständigen Beweisverfahren der Verwertung eines Sachverständigengutachtens grundsätzlich nicht widersprechen, wenn die
Hauptpartei der Verwertung nicht widersprochen und
auch eine Befangenheit des Sachverständigen nicht gerügt hat. Insoweit kann auch eine konkludente Billigung
dadurch erfolgen, dass sich die Hauptpartei zum Gutachten nicht äußert.
2. Eine Streitverkündung gegenüber dem gerichtlich bestellten Sachverständigen in einem selbstständigen Beweisverfahren mit dem Ziel, den Sachverständigen aus
dem Verfahren zu drängen und damit Einfluss auf das Beweisverfahren zu nehmen, ist grundsätzlich rechtsmissbräuchlich. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass
vorgetragen wird, dass die Streitverkündung der Absicherung etwaiger Schadensersatzansprüche nach § 839a BGB
dienen soll.
3. Das Interesse an einem ordnungsgemäß erstellten und
inhaltlich richtigen Sachverständigengutachten stellt kein
schutzwürdiges Interesse dar, weshalb eine Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen in einem selbstständigen Beweisverfahren grundsätzlich rechtsmissbräuchlich ist.
4. Das Gericht muss von Amts wegen dem Streitverkündeten grundsätzlich den Streitverkündungsschriftsatz zustellen, ohne vorher eine Zulässigkeitsprüfung vorzunehmen. Etwas anderes gilt, wenn die Streitverkündung eine
rechtsmissbräuchliche Prozesshandlung einer Partei darstellt.
Aus den Gründen:
»1. Die von der Beschwerdeführerin in dem hier vorliegenden
selbstständigen Beweisverfahren erklärte Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen W. ist rechtsmissbräuchlich und
daher unzulässig.
Es kann dahinstehen, ob der Sachverständige, der Gehilfe
des Gerichts ist, schon nicht als »Dritter« im Sinne des § 72 ZPO
anzusehen ist, wozu der Senat neigt. Jedenfalls ist im vorliegenden Fall die Streitverkündung als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten liegt vor, wenn das
Recht allein zu Zwecken missbraucht wird, die zu schützen unter
keinem Gesichtspunkt gerechtfertigt ist (BGH, NJW 1987,
1946), was nicht der Fall wäre, wenn (darüber hinaus) noch ein
schutzwürdiges Interesse erkennbar ist (BGH, NJW 1995, 1223).
Aufgrund des bisherigen Verfahrensverlaufs ist der Senat davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren Interessen verfolgt, sondern damit nur bezweckt, den Sachverständigen aus dem Verfahren herauszudrängen und damit Einfluss auf das Beweisverfahren zu nehmen. Zwar ist die Verfolgung vorrangig prozesstaktischer Ziele für sich genommen noch
nicht rechtsmissbräuchlich (BGH, NJW 1987, 3138). Aber hier
stellt die Streitverkündung eine über das bloße prozesstaktische
Verhalten hinausgehende rechtsmissbräuchliche Handlung dar,
da ein schutzwürdiges Interesse der Beschwerdeführerin an der
Streitverkündung nicht erkennbar ist, vielmehr ausschließlich ein
Ziel verfolgt wird, für das die Streitverkündung nicht gedacht ist.
Die Beschwerdeführerin hat zwar die Streitverkündung gegenüber dem Sachverständigen damit begründet, dass sie in Bezug
auf das vorliegende Gutachten vom 31. Januar 2006 Schadensersatzansprüche wegen unzutreffender und über die Beweisbeschlüsse hinausgehender Feststellungen des Gutachters im Rahmen des § 839a BGB absichern wolle. Dem kann die Streitverkündung im selbstständigen Beweisverfahren jedoch nicht dienen. Eine zulässige Streitverkündung im selbstständigen
Beweisverfahren hat zur Folge, dass dem Streitverkündeten das
Ergebnis der Beweisaufnahme entsprechend § 68 ZPO in einem
nachfolgenden Prozess entgegengehalten werden kann (BGH,
BauR 1997, 347). Das bisher erzielte Ergebnis der Beweisaufnahme ergibt sich vorliegend ausschließlich aus dem Gutachten
des Sachverständigen W. vom 31. Januar 2006, an das er sich
auch unabhängig von einer etwaigen Streitverkündung festhalten lassen muss. Anders als in einem ordentlichen Rechtsstreit
wird im selbstständigen Beweisverfahren über Rechtsfolgen
nicht entschieden; vielmehr geht es den Parteien im Vorgriff auf
ein ordentliches Verfahren nur um die schnellstmögliche Feststellung von Tatsachen. Mithin kann es nicht um das – in einem
ordentlichen Rechtsstreit möglicherweise vorliegende – objektiv
schutzwürdige Interesse der Beschwerdeführerin gehen, sich
nur mittels der Streitverkündung vor dem Einwand des Sachverständigen im Folgeprozess zu schützen, die Entscheidung im
Vorprozess sei aus einem anderen, von der Unrichtigkeit des
Gutachtens unabhängigen Grund richtig (vgl. Bockholdt, NJW
2006, 122).
Es ist auch davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin
die Wirkungslosigkeit der Streitverkündung bewusst war und
sie den Verweis auf § 839a BGB nur vorgeschoben hat, um die
Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes an den Sachverständigen in der Hoffnung zu erreichen, dass dieser letztendlich
vom Verfahren ausgeschlossen wird. Die Beschwerdeführerin
hat bereits am 15. Juni 2004 den Sachverständigen W. wegen
der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Diesem Ablehnungsgesuch blieb jedoch auch in der Beschwerdeinstanz vor dem
Brandenburgischen Oberlandesgericht (Beschluss vom 30. Dezember 2004, Az.: 11 W 93/04) der Erfolg versagt. Nunmehr
hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 17. März 2006
beantragt, den Sachverständigen erneut wegen Besorgnis der
Befangenheit abzulehnen. Da sie auch in diesem Fall damit rechnen musste, dass ihr Befangenheitsgesuch erfolglos bleibt, hat
sie im selben Schriftsatz die Streitverkündung gegenüber dem
Sachverständigen erklärt. Ihre Begehren hat sie jeweils damit
begründet, dass der Sachverständige unrichtige bzw. über die
Beweisbeschlüsse hinausgehende Feststellungen getroffen hat.
Obwohl die Beschwerdeführerin durch den mit zahlreichen
Zitaten versehenen angefochtenen Beschluss auf den in Rechtsprechung und Literatur überzeugend vertretenen Standpunkt
der Unzulässigkeit einer gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen erklärten Streitverkündung hingewiesen wurde, hat
sie ihr Begehren weiterverfolgt, ohne auf die dagegen sprechenden Argumente einzugehen und ihr besonderes Interesse
an der Streitverkündung zu verdeutlichen, was nochmals den
Schluss auf einen rechtsmissbräuchlichen Zweck nahelegt.
Soweit zugunsten der Beschwerdeführerin ein Interesse an
einem ordnungsgemäß erstellten und inhaltlich richtigen Gutachten zu unterstellen ist, ist dies kein den Rechtsmissbrauch
ausschließendes schutzwürdiges Interesse. Die Zivilprozessordnung sieht dafür andere, unmittelbarere Hilfsmittel vor. So steht
der durch sachverständige Feststellungen belasteten Partei vor
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Festschrift BauSV 1/2015
allem das sich aus § 411 Abs. 4 ZPO ergebende Recht zu, die
Begutachtung betreffende Anträge und Ergänzungsfragen zu
dem schriftlichen Gutachten mitzuteilen, was zu einer ergänzenden Befragung des Sachverständigen führt. Darüber hinaus
kann sie gem. § 411 Abs. 3 ZPO die mündliche Erläuterung des
schriftlichen Gutachtens durch den Sachverständigen beantragen, woraufhin das Gericht verpflichtet ist, den Sachverständigen zur Erläuterung des Gutachtens zu laden (Zöller/Greger,
ZPO, 24. Aufl., § 411 Rn. 5a). Weiterhin bleibt der Partei in begründeten Fällen die Möglichkeit, den Sachverständigen wegen
der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, 406 ZPO.
2. Da die gegenüber dem Sachverständigen erklärte Streitverkündung rechtsmissbräuchlich ist, war das Landgericht Neuruppin auch dazu berechtigt, die Zustellung der Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen W. zu verweigern.
Gemäß § 73 S. 2 ZPO hat das Gericht üblicherweise den
Streitverkündungsschriftsatz dem Betroffenen zuzustellen, ohne
die Zulässigkeit der Streitverkündung zu prüfen, denn das Gericht hat nur Zustellungshilfe für die Partei zu leisten, die den
Schriftsatz eingereicht hat (OLG Celle, IBR 2006, 61). Die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Streitverkündung
ist in der Regel dann erst vom Gericht des Folgeprozesses zu
prüfen (Zöller/Vollkommer, § 72 Rn. 1). Dies gilt aber dann nicht,
wenn sich, wie in diesem Fall, die Streitverkündung als Eingriff
in die ordnungsgemäße Funktion der Rechtsprechung und somit als rechtsmissbräuchliche Prozesshandlung einer Partei darstellt (OLG Celle, BauR 2006, 140). Bei rechtsmissbräuchlichen
Anträgen besteht kein Anspruch des Antragstellers auf Bearbeitung und Entscheidung (Zöller/Vollkommer, Einl. Rn. 48 a). Vielmehr hat das Landgericht es zu Recht abgelehnt, den Rechtsmissbrauch durch Zustellung der Streitsverkündung zu unterstützen.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Landgericht dabei insbesondere auch die Interessen aller Beteiligten an
der ungestörten Fortsetzung des Beweisverfahrens, das eine
schnelle Beweissicherung ermöglichen soll, beachtet. Dieses
Fortsetzungsinteresse wäre aber im Falle einer Zustellung der
Streitverkündungsschrift an den Sachverständigen gefährdet:
Will der Sachverständige sich angesichts des ihm angedrohten
Regressprozesses frühzeitig verteidigen und tritt er dem Verfahren bei, ist er auf den Ablehnungsantrag einer Partei gemäß §§
406 Abs. 1, 42 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit vom
Prozess auszuschließen. Das Gericht verliert seinen Sachverständigen und ist auf eine erneute Begutachtung angewiesen (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 413 Rn. 4, § 460 Rn. 15). Einem
solchen Risiko sollte das vorliegende Verfahren, das bereits seit
dem 29. Juli 1999 anhängig ist, jedoch nicht ohne beachtlichen
Grund ausgesetzt werden. Der Sachverständige hat am 31. Januar 2006 ein sehr umfangreiches Gutachten über Rissbildungen an einer Vielzahl von Wohnobjekten vorgelegt, dem Beweis- und Ergänzungsbeschlüsse aus den Jahren 1999, 2000,
2001 und 2005 zugrunde lagen. Im Anschluss daran wird der
Sachverständige nunmehr, wie von den Verfahrensbeteiligten
beantragt, noch offene Fragen schriftsätzlich bzw. in einem Verhandlungstermin beantworten müssen. In diesem Verfahrensstadium muss das Interesse der Beschwerdeführerin an der Zustellung einer rechtsmissbräuchlichen Streitverkündungsschrift
durch das Gericht gegenüber den Interessen der weiteren Beteiligten an der ungestörten Fortsetzung des selbstständigen Beweisverfahrens zurücktreten.«
6.17. BGH (Beschluss vom 19. Dezember 2006, Az.:
VIII ZB 49/06): Mietrechtsstreit: Zulässigkeit der
Streitverkündung gegenüber dem gerichtlichen
Sachverständigen
Leitsatz der Entscheidung:
Auch in Mietsachen ist die von einer Partei gegenüber
einem gerichtlichen Sachverständigen erklärte Streitverkündung zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen aufgrund im Rechtsstreit erbrachter, angeblich fehlerhafter
Gutachterleistungen unzulässig; eine gleichwohl erfolgte
Zustellung der Streitverkündungsschrift ist rechtswidrig.
Aus den Gründen:
»1. Das Landgericht hat mit Recht angenommen, dass die von
den Beklagten gegenüber dem Sachverständigen erklärte Streitverkündung unzulässig ist und dass die Zustellung der Streitverkündungsschrift rechtswidrig erfolgt ist. Die Streitverkündung
gegenüber einem gerichtlichen Sachverständigen zur Vorbereitung von Haftungsansprüchen gegen diesen aus angeblich fehlerhafter, im selben Rechtsstreit erbrachter Gutachterleistungen
ist, wie der Bundesgerichtshof nach Erlass des angefochtenen
Beschlusses entschieden hat, generell unzulässig; aus diesem
Grund ist die Zustellung des Streitverkündungsschriftsatzes als
rechtsmissbräuchlich zu verweigern (BGH, Beschluss vom 27.
Juli 2006 - VII ZB 16/06, NJW 2006, 3214 unter II 3 b und c; vgl.
auch bereits BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - VII ZR 207/04,
BauR 2006, 716 unter II 1; OLG Koblenz, BauR 2006, 144; OLG
München, IBR 2006, 239; OLG Celle, BauR 2006, 140; Böckermann, MDR 2002, 1348, 1350 f.).«
6.18. AG Hagen/Westfalen (Urteil vom 5. Juli
2007, Az.: 10 C 84/07): Unzulässigkeit der
Zustellung einer auf Änderung gutachterlicher
Äußerungen in einem rechtshängigen Verfahren
gerichteten Klage
Leitsatz der Entscheidung:
Die Zustellung einer Unterlassungs-/Widerrufsklage an einen in einem anderen Verfahren tätigen gerichtlich bestellten Sachverständigen ist unzulässig.
Aus den Gründen:
»Der Bundesgerichtshof hat zurecht bereits die Zustellung der
Streitverkündungsschrift für rechtswidrig erklärt, was der Gesetzgeber nunmehr aufgegriffen hat. Gleiche Erwägungen gelten für die Erhebung einer Unterlassungsklage gegen einen im
Gerichtsverfahren eingeschalteten und noch tätigen Sachverständigen.
Würden Klagen gegen Gerichtsbeteiligte in dieser Weise zugelassen, wäre kein Einhalt zu gebieten, etwa einen gegnerischen Prozessbevollmächtigten durch eine anderweitig erhobene Unterlassungsklage sogar seinen Vortrag untersagen zu
lassen, einem Zeugen seine Aussage zu widerrufen, auf die Spitze gebracht, sogar einem Gericht zu untersagen, eine vorläufige
Einschätzung der Sach- und Rechtslage etwa bei Vergleichsverhandlungen weiterhin vorzunehmen, indem Klage gegen eine
Gerichtsperson erhoben wird. Das dies nicht erlaubt sein kann,
liegt auf der Hand.
Die Rechtsmissbräuchlichkeit des Begehrens des »Klägers«
offenbart sich zudem in der Schlussbemerkung der Beschwerdebegründung, es ging lediglich um eine unzutreffende Zitier-
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Festschrift BauSV 1/2015
weise des in den Verfahren vor dem Amtsgericht – Familiengerichts – tätigen Gutachters, des hier als beklagte Person von der
Klägerseite betrachteten Gegners.«
6.19. OVG Münster (Beschluss vom 26. Mai 2006,
Az.: 4 B 310/06): Widerruf der öffentlichen
Bestellung eines Sachverständigen wegen
mangelhaften Gutachten
Leitsätze der Entscheidung:
1. Schwerwiegende Mängel bei der Erstellung von Gutachten rechtfertigen auch unter Berücksichtigung von
Art. 12 Abs. 1 GG den Widerruf der Bestellung.
2. Bedenken gegen die Eignung als Sachverständiger reichen für den Widerruf aus, ohne dass das Fehlen der Eignung feststehen muss.
Aus den Gründen:
»Soweit der Antragsteller die Frage aufwirft, ob es für einen Widerruf der öffentlichen Bestellung ausreiche, dass lediglich Bedenken gegen die Eignung beständen, oder ob ein Widerruf
erst bei fehlender Eignung zulässig sei, ist auf den eindeutigen
Wortlaut des § 36 Abs. 1 Satz 1 GewO zu verweisen, der für die
Bestellung – und damit auch deren Fortdauer – verlangt, dass
keine Bedenken gegen die Eignung bestehen. Aus welchen
Gründen mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG ein anderes Verständnis der Vorschrift geboten sein könnte, legt die Beschwerde
nicht dar.
Nicht berechtigt sind die Einwendungen, die der Antragsteller gegen die auf Umstände des Bestellungsverfahrens abhebenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts (BA Seite 4/5)
geltend macht. Das Verwaltungsgericht hat den Widerruf nicht
etwa auf Tatsachen gestützt, die schon bei der Bestellung vorlagen. Es hat die damaligen Vorgänge vielmehr lediglich als Beleg
dafür angeführt, dass der Antragsteller sich der bei ihm vorliegenden Defizite bewusst sein musste und deshalb die neuerlich
zu Tage getretenen Nachlässigkeiten besonders schwer wögen.
Gegen diese Wertung ist nichts zu erinnern.
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Antragstellers,
dass die Bewertung seines Verhaltens als uneinsichtig (BA Seite
5 Mitte) mit dem Rechtsstaatsprinzip nicht zu vereinbaren sei. Es
bleibt dem Antragsteller sicherlich unbenommen, sich gegen
aus seiner Sicht unberechtigte Beanstandungen der Antragsgegnerin zur Wehr zu setzen. Räumt er die gerügten Mängel
aber ein, wie dies weitgehend in seinem Schreiben vom 12. Oktober 2005 geschehen ist, und macht er dennoch gleichzeitig
geltend, seine Gutachten seien brauchbar und im Ergebnis nicht
falsch, so spricht dies in der Tat dafür, dass er die Notwendigkeit
einer sorgfältigen Gutachtenerstattung im Grunde nicht recht
einsieht.
Der Antragsteller meint weiter, die vom Gutachter Dr. U. beanstandeten Mängel seien nicht so gravierend, dass daraus auf
seine fehlende persönliche Eignung geschlossen werden könne.
Nach der gesetzlichen Regelung kommt es aber nicht auf das
Fehlen der Eignung, sondern nur darauf an, ob Tatsachen vorliegen, die Bedenken gegen seine Eignung begründen. Dass Letzteres der Fall ist, ergibt sich aus der Stellungnahme des Gutachters Dr. U., die das Verwaltungsgericht auszugsweise zitiert hat
(BA Seite 4). Soweit der Antragsteller vorträgt, es handele sich
nicht um schwerwiegende Pflichtverletzungen, ist dies angesichts der Ausführungen des Dr. U. für den Senat nicht nachvollziehbar. Ob andere Auftraggeber mit der Arbeit des Antragstel-
lers zufrieden waren und ob bisher Beschwerden über seine Tätigkeit ausgeblieben sind, ist rechtlich unerheblich, weil die dargelegten Zweifel an seiner persönlichen Eignung dadurch nicht
ausgeräumt werden. Unerheblich ist auch, dass die Antragsgegnerin das vom Antragsteller vorgelegte vierte Gutachten nicht in
die Eignungsüberprüfung einbezogen hat. Auch wenn aufgrund dieses Gutachtens Bedenken gegen die persönliche Eignung nicht bestehen sollten, werden die sich aus der Durchsicht
der ersten drei Gutachten ergebenden Bedenken nicht ausgeräumt. Außerdem kann dem vierten vom Antragsteller vorgelegten Gutachten (Gutachten S.) im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb keine maßgebliche Bedeutung zukommen,
weil es erst am 7. November 2005 und damit während des laufenden Widerrufsverfahrens erstellt worden ist. Es liegt nahe,
dass der Antragsteller unter dem Druck des Widerrufsverfahrens
bei der Erstellung seines Gutachtens besondere Sorgfalt hat
walten lassen. Dass dies im »normalen Tagesgeschäft« in gleicher Weise geschieht, ist damit nicht belegt.
Der weitere Einwand des Antragstellers, in der Gestaltung
seines Briefkopfes und seiner Visitenkarte seien jedenfalls keine
schwerwiegenden Verstöße im Sinne des § 23 Abs. 2 Nr. 1 SVO
zu sehen, greift schon deshalb nicht durch, weil das Verwaltungsgericht nicht von schwerwiegenden Verstößen ausgegangen ist. Es hat lediglich ausgeführt, die aufgezeigten Gründe für
die Zweifel an der erforderlichen Sorgfalt des Antragstellers
würden auch bestärkt durch den Umgang mit seiner Visitenkarte, seinem Briefbogen und seiner Homepage im Internet. Die
Wertung im angefochtenen Beschluss, dass das Verhalten des
Antragstellers für ein erhebliches Maß an Nachlässigkeit spreche, ist nicht zu beanstanden. Weshalb sich das Verwaltungsgericht insoweit nicht innerhalb des verfassungsrechtlich vorgegebenen Rahmens bewegt haben soll, legt die Beschwerde nicht
dar.
Dem Antragsteller ist schließlich auch nicht zu folgen, soweit
er vorträgt, das Verwaltungsgericht habe außer Acht gelassen,
dass er 60 % seines Umsatzes im Rahmen der Tätigkeit als bestellter Sachverständiger erziele. Für das Verwaltungsgericht
war rechtlich entscheidend, ob und in welchem Umfang der Antragsteller zur Sicherung seiner wirtschaftlichen Existenz auf die
Tätigkeit als öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger wirklich angewiesen ist. Dass die Ausführungen des Antragstellers zu seinen prozentualen Umsätzen ungeeignet sind,
eine Existenzgefährdung zu belegen, liegt auf der Hand.«
Kontakt/Information
Dr. Felix Lehmann
Vorsitzender Richter am Landgericht
Landgericht Kiel
Schützenwall 31–35
24114 Kiel
Tel.: 0431-604-1005
Fax.: 0431-604-1830
[email protected]
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10 Jahre – Der Bausachverständige
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