2. Entstehung des Satanismus Augrund der Weitläufigkeit des von

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2. Entstehung des Satanismus Augrund der Weitläufigkeit des von
2.
Entstehung des Satanismus
Augrund der Weitläufigkeit des von uns gewählten Themengebietes lässt sich der Begriff
Satanismus aufgrund der Tatsache, dass sich im Laufe der Zeit viele unterschiedliche
Strömungen herausgebildet haben, unserem angeeigneten Wissen zu Folge, nicht allgemein
gültig definieren. Satanismus könnte daher allenfalls als Sammelbegriff für verschiedene,
gegen Gott gerichtete Strömungen*1 verstanden werden, welche die Figur Satans als Vorbild
der Selbstverwirklichung besitzen. Individuelle Meinungsbilder, Philosophien und auch
Weltanschauungen werden hier vereint. Ganz deutlich möchten wir noch darauf hinweisen,
dass Satanismus definitiv kein abgeschlossenes Gebilde ist.
Des Weiteren ist dieser keine neuartige Erfindung unserer Zeit, sondern hat eine lange
Existenzhistorie vorzuweisen. Über Jahrtausende erstreckt sich die Entstehungsgeschichte, die
auch durchaus Wissenswertes über die eigentlichen Hintergründe deutlich werden lässt.
Von den Wurzeln, welche in dem Dämonenglauben der frühen Menschheitsgeschichte liegen,
über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit hat sich der Satanismus weiterentwickelt, gewandelt
und herausgebildet.
2.1
Wurzeln des Handelns und Glaubens
Es wird davon ausgegangen, dass die Wurzeln des Satanismus, welcher kein Phänomen ist,
welches erst zu späterer Zeit entstand, bis in die Anfänge der Religionsgeschichte zu
verfolgen sind, in der sich viele verschiedene Glaubensformen mit unterschiedlichen finsteren
Gottesvorstellungen entwickelt haben. Er existiert somit im übertragenen Sinne, seitdem die
Menschen dem Guten etwas Böses entgegenzusetzen versuchten, was in allen Kulturen und
Religionen Ausdruck fand, auch wenn man zu diesem Zeitpunkt noch nicht von einer
ausgebildeten Satansvorstellung ausgehen kann. Bereits in der Antike waren die Phantasien
von bösen Mächten verbreitet, eine mit Satan zu vergleichende Gestalt soll wiederum nicht
existiert haben, stattdessen wurde zu dieser Zeit von Dämonologie gesprochen. Der Begriff
Satanismus war zu dieser Zeit noch nicht gebräuchlich. Die westliche Welt ließ sich nach
einem langsamen Zerfall ihrer Gottesvorstellungen stark von östlichen Glaubensrichtungen
beeinflussen, in denen erste Ideen für den späteren Satanismus entstanden. Als besonders
prägend hat sich der iranische Dualismus2 herausgestellt, der sich zu einer Hauptquelle der
Gnosis3 entwickelte und Vorlagen für heutige Satansanschauungen liefert. Im weiteren
*
Alle mit Zahlen versehenen Begriffe werden im Anhang unter Punkt 10.1 näher erläutert
Verlauf entstand im Christentum, durch dessen gegensätzlich geprägte Einstellung vom
„guten Gott“ und seinem Widersacher, ein klares Bild des Satans4. Dieser steht für ein
gefallenes Geschöpf Gottes5, welches zwar als sein Gegenspieler agiert und als Ankläger der
Menschen auftritt, aber trotzdem nicht auf die gleiche Ebene mit ihm zu setzten ist und keinen
Einfluss auf das menschliche Geschick hat. Gründe für den Verstoß aus dem Reich Gottes
sind einerseits die Anmaßung und der Hochmut gegenüber Gott und andererseits der Neid auf
dessen übergeordnete Machtposition. Ein Fortschritt der Entwicklung des Satanskultes ist in
der Gnosis zu verzeichnen, eine Bewegung in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt,
in der unterschiedliche engere Gruppierungen entstanden, welche sich ausschweifenden
Praktiken hingaben. So zum Beispiel der Priapus Kult, dessen Symbol das erregierte
männliche Glied war und der den Gott der Fruchtbarkeit verehrte. Oder die Albigenser,
welche verkehrte Messen zu Ehren des Zweiköpfigen hielten, der sowohl Gott als auch Satan
verkörperte. Bereits im Alten Testament sind erste Hinweise auf den Teufel zu finden,
welcher sich allmählich zu einem negativen Charakter herausbildet, jedoch noch nicht den
Gegensatz Gottes darstellt, da das bisherige „monotheistische Prinzip“6 noch überwiegt. Erst
gegen Ende des Alten Testamentes kristallisiert sich Satan als eine Art Gegenspieler Gottes
und selbstständiges Wesen heraus. Eine richtige Teufelslehre entstand erst durch das
Christentum. Im Laufe der Zeit entstand allmählich eine satanische religiöse Subkultur mit
gebräuchlichen Ritualen und einer größeren Ausbreitung, sodass sie einen festen Platz in der
Kulturgeschichte einnahm. Besonders in den monotheistischen Religionen wie dem
Christentum und dem Islam entstanden ausgeprägte Satanslehren, auch wenn in den heiligen
Schriften nur wenige Hinweise auf Satan als Widersacher Gottes zu finden sind. Theologen
trugen ebenso zu der Entwicklung der Satansvorstellung im Laufe der Geschichte bei, da sie
besonders die volkstümlichen Bilder des Teufels verarbeiteten. Es entwickelte sich die
Vorstellung von unterschiedlichen Wesen des Bösen, die aus gefallenen Engeln Gottes
hervorgingen und eine feste Rangordnung einhielten.
Die ausgeprägtesten Dämonenlehren entwickelten sich schließlich im mittelalterlichen und
frühzeitlichen Christentum, also zwischen dem zehnten und dem sechzehnten Jahrhundert. In
diesem Zeitraum kam auch die Vorstellung der Hölle als Herrschaftsraum Satans und Ort der
Strafe auf und gewann immer mehr an Bedeutung.
Für Satanistengruppen der heutigen Zeit sind die christlichen Anschauungen über Satan kaum
noch relevant, da nur noch hinsichtlich der Kritik an der christlichen Weltanschauung darauf
Bezug genommen wird.
2.2
Übergang von den Wurzeln bis zum Mittelalter
Von dem Zeitpunkt an, von welchem Kirchenväter, das heißt Theologen durchaus an der
Herausbildung von kirchlichen Lehren mitwirkten, kann man sagen, dass die mittelalterliche
Weiterentwicklung ihren Ursprung fand. In dieser, von Augustinus nachhaltig beeinflussten,
Epoche kamen immer mannigfaltigere Ausgestaltungen der Satansvorstellungen zum
Vorschein. Diese Entwicklung brachte für die junge Kirche eine Reihe von Problemen mit
sich. Nicht nur innerkirchliche Meinungsverschiedenheiten über die Autorität der bestehenden
Kirchenführer prägten die Struktur dieser Konfession, sondern auch der Kontakt mit
fremdländischen Religionsauffassungen und Kulturen, welche Fragen, die Grundlagen des
christlichen Glaubens sowie die Auseinandersetzung des Christentums mit zu dieser Zeit
öffentlich bekannten mystischen Kulten und der Gnosis betreffend, aufwarfen. Ebenso
unterschiedliche Meinungen über Jesus überschatteten die kirchlichen Diskussionen, wobei in
diesem Zusammenhang die These aufkam, dass die Welt verdorben sei und durch Askese, zu
Deutsch Enthaltsamkeit, überwunden werden müsse. Die sich verselbstständigende
Satansvorstellung unterband das unmittelbar bevorstehende Reich Gottes, auf welches
Montanus7 die Menschen vorbereiten sollte und solang Satans Macht nicht von den Gläubigen
durchbrochen wird, kann dieses Gottesreich auf Erden nicht entstehen. Daraufhin wurde eine
Einigung auf den unabdingbaren Glaubensbestand und die Verteidigung des Resultats zur
Aufgabe der jungen Kirche, damit alle Gläubigen einheitlich und gezielt gegen Satan
vorgehen konnten. Die Ursache des Aufbegehrens Satans sahen ein Teil der Theologen in
seinem Neid auf den Menschen, sowie in seinem eigenem Stolz. In dieser Zeit bildete sich
auch das wohl bekannteste Synonym für den Gegenspieler Gottes heraus: Luzifer8. Prägend
für das sich damals entwickelnde Satansverständnis war Augustinus, der von 354 – 430 lebte
und während dieser Zeit eine neue Theologie aus allen zusammengetragenen Eigenheiten
seiner Epoche formulierte. In „De civiate Dei“, zu Deutsch „Vom Gottesstaat“, seinem
Hauptwerk, beschreibt Augustinus den geschichtlichen Ablauf als Kampf zwischen den
Mächten des Bösen und des Guten. Dies bildete die Basis für den Machtanspruch der
mittelalterlichen Kirche und befähigte diese dazu die Behauptung aufzustellen, dass Satan mit
all seinen Anhängern bekämpft werden müsse. Jedoch war eine Bekämpfung nicht unbedingt
sinnvoll, denn mit der Entwicklung des Bösen, also Satans, ergaben sich auch gewisse
Vorteile für die Kirche. Alles Böse, wie Leid, Ungläubigkeit, Chaos, Lüge, Tod, Verführung,
abweichende Meinungen und andere Todsünden konnte die Kirche nun mittels Satan erklären
und so die Schuld von sich weisen. Doch genau diese Todsünden der Kirche waren Satans
Rebellion gegen Gott und mit Hilfe dieser wollte er die Menschen in seine Arme treiben.
Seinen Neid auf Adam und den Stolz auf seine eigene Stärke nahm er zur Berechtigung, sich
an Gottes Stelle setzen zu können. Die durch die Gnostiker geprägte ablehnende Haltung
gegenüber der Sexualität, welche der altgriechische Hirtengott Pan9 verkörperte, wurde im
Mittelalter von der Kirche, die sich vom elften bis dreizehnten Jahrhundert auf dem
Höhepunkt ihrer Macht befand, wieder aufgegriffen. Mitte des zwölften Jahrhunderts gab es
in Südfrankreich (Oberitalien) eine neugnostische Bewegung, die Katharer10, nach deren
Lehre Satan die Welt erschaffen hat, um die Seelen in ihr gefangen zu halten. Jedoch wollten
sie auch die Erlösung erreichen, die nur im Verlassen der Welt erreichbar ist. Mit Hilfe dieser
Lehre rebellierten sie gegen die Kirche. Die Bedeutung der Satansvorstellungen nahm Ende
des ersten Jahrtausends aufgrund einer angeblich bevorstehenden Apokalypse sehr stark zu.
Herausragende Personen, die das Bild der Dämonenvorstellung weiter ausbauten, waren auf
dem Gebiet der Theologie Thomas von Aquin11 und in der Literatur Dante Alighieri12.
Erkenntnisfortschritte über Mensch und Natur sowie innerkirchliche Konflikte führten zu
Verunsicherungen im Volk, da viele bis dahin von der Kirche festgelegten gültigen
Gewissheiten erschüttert wurden. Im Mittelalter war die Auffassung weit verbreitet, dass
meist Frauen vom Teufel besessen gewesen seien, weshalb diese von der Inquisition13 verfolgt
wurden. Ketzer folterte14 man solange, bis sie das Geständnis abgaben, vom Teufel besessen
zu sein. Im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert erreichte die Inquisition ihren
Höhepunkt und zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts fielen Hunderttausende Menschen,
größtenteils Frauen, der Inquisition zum Opfer. Danach gab es nur noch vereinzelte Fälle. Die
christliche Institution wies jegliche Verantwortung von sich, als es darum ging Schuld zu
bekennen, denn sie leitete „nur“ die Untersuchungen, die Verbrennungen vollzog der Staat.
Dieser Sachverhalt hat insofern einen Zusammenhang mit dem Satansglauben, dass
christliche Würdenträger hierfür den Teufel wieder verantwortlich machen konnten, um ihre
konservative Haltung, vor allem in Punkto Verhütung, Abtreibung und Medizin, nicht
zugeben zu müssen. Die Inquisition kam im weiteren Verlauf unter anderem durch die
Reformation zum Ende, welche die Vormachtstellung der katholischen Kirche einschränkte,
denn sie führte zur zweiten großen Kirchenspaltung, die ein wankendes Weltbild zur Folge
hatte. Diese Erscheinung wurde von den astronomischen Entdeckungen von Nikolaus
Kopernikus, Johannes Kepler und Galileo Galilei unterstützt. Durch diese Umstände der
Aufklärung war den Menschen die Möglichkeit gegeben, sich mit Hilfe des eigenen
Verstandes ohne Beeinflussung durch die Kirche, mit der Welt zu befassen und diese selbst zu
entdecken. Erst zu diesem Zeitpunkt konnte sich eine allgemeine Gegenbewegung bilden, die
stark genug war dem Treiben der Hexenverfolgung ein Ende zu setzen. Die Herausbildung
reformierter Gruppierungen war somit möglich. Im achtzehnten Jahrhundert, nachdem die
letzte Hexe verbrannt war (in Deutschland im Jahre 1775), gab es immer noch theologische
Satanslehren, in welchen allerdings das Bild Satans in weitaus größerer Ambivalenz
schimmerte. Erst nachdem die Figur Satans an Wert gewonnen hatte, konnte der moderne
Satanismus seinen Anfang nehmen. Als schließlich die christlichen Dogmen nicht mehr allein
definierten, was Satan angeblich ist und was nicht, war der Weg für die Entwicklung einer
unabhängigen Satansvorstellung geebnet.
2.3
Entwicklung in der Neuzeit
Aleister Crowley, geboren am 12.Oktober 1875, ist im strengen Sinne, aber das ist eher
umstritten, kein Satanist, kann aber durchaus als Vater des modernen Satanismus bezeichnet
werden. Er beeinflusste größtenteils den europäischen Raum, während LaVey, auf den wir im
weiteren Verlauf noch zu sprechen kommen, den modernen Satanismus in den USA um 1960
salonfähig machte. Crowleys Lehre wurde von vielen diversen Gruppen und Organisationen
aufgegriffen. Sie erneuerte die okkultistische Szene – oder wenn man so will die Satanistische
– durch die, teilweise schon stark abweichenden, neuen Deutungen von geistlichen
Sachverhalten. Der schon als Kind eigenwillige Crowley, dessen Geburtsname Edward
Alexander war, wurde zu jener Zeit von seiner Mutter als „Beast“ betitelt. Diesen, aus der
Johannesapokalypse stammenden Titel, welcher mit der Zahl 666 versehen war, behielt
Crowley bis zu seinem Tode. In der von Crowley geprägten Periode, kam es dazu, dass die,
aus dem französischen Raum stammende, Satansvorstellung des 17. Jahrhunderts bis zum
literarischen Satanismus des 19. Jahrhunderts reichend, zunehmend, wenn nicht sogar
endgültig, seine Bedeutung verlor.
Grundlegend ist von großer Wichtigkeit, dass Crowleys Lehre sehr stark antichristlich geprägt
ist und er somit gegen jegliche christliche Konventionen verstößt. Auf seiner tiefen
Abneigung gegenüber dem Christentum basierend, stellt sich seine Absicht dar, einen Kampf
gegen eben dieses zu führen. Die Verehrung Satans spielt bei seiner Lehre eher eine
sekundäre Rolle. Nach eigenen Ausführungen kam es 1904 zu einer Offenbarung der ganz
besonderen Art von einem Engelswesen Namens „Aiwaz“. Dieser offenbarte ihm das „Liber
Al vel Legis“, zu Deutsch „Buch des Gesetzes“. Nachfolgend leitete er daraus seine
thelemische Lehre ab. Diese Lehre stellt eine wesentliche Grundlage für den neuzeitlichen
Satanismus dar. Satan ist nicht länger der unterlegene Rebell, er steigt zum eigenmächtig
handelnden Wesen auf. Ein christlicher Gott findet im „Liber Al vel Legis“ keine Beachtung.
Crowley verbreitet den Satanismus als Religion des Willens und der Stärke, die die
bürgerlichen Normen und Moralvorstellungen überwindet, sowie ein freies Leben nach
eigenen Maßstäben symbolisiert.
Im Jahre 1907 gründet Aleister Crowley seinen eigenen Orden mit dem Namen Astrum
Argentum, was übersetzt Silberner Stern bedeutet, um seine Anschauungen an junge Magier
weiterzugeben. Der Individualismus stellte dabei das höchste Prinzip seiner Betrachtungen
dar. Das Bewusstsein sollte gestärkt und am Ich unweigerlich festgehalten werden. Dies
findet seinen Ausdruck in einem oft zitierten Ausschnitt aus dem „Buch des Gesetzes“: „Tue
was du willst, dies sei das ganze Gesetz.“. Es klingt zu Beginn sehr egoistisch geprägt, aber
eigentlich wollte Crowley damit den wahren Willen des Menschen herausfiltern und diesen
vom bewussten beziehungsweise unbewussten Willen differenzieren.
Am 1. Dezember 1947 starb Aleister Crowley, der, gewollt oder ungewollt, wichtige Anstöße
zu den Grundlagen des modernen Satanismus gab.1
1
Verfasst von Melanie Röhmhildt, Christin Höhn, Carolin Hoffmann und Tobias Born