Die Anatomia Plastica als Ausdruck sich wandelnder Körperkonzepti

Transcrição

Die Anatomia Plastica als Ausdruck sich wandelnder Körperkonzepti
Die Anatomia Plastica als Ausdruck sich wandelnder Körperkonzeptionen zwischen Natur-Nachahmung (imitatio simia) und NaturÜberwindung (imitatio sapiens)
Ende des 17. Jahrhunderts tauchten in Europa plötzlich anatomische Wachsmodelle (Anatomia
Plastica) als neuer Typ von didaktischen Medien auf, die den aktuellsten Diskurs über den menschlichen Körper repräsentierten (Fig. 1).1
Eine bestimmte historische Konstellation hat kurz vor 1700
zur Innovation dieses neuen Mediums im Spannungsfeld von
Politik, Bildung und Gesellschaft, Kunst, Wissenschaft und
Medizin, Technologie, Ökonomie und Religion geführt.
Fig. 1: Das Modell Zumbo II aus der
Sammlung von König Ludwig XIV,
1700, Kupferstich, in: Buffon u.a.
1750
Am Beispiel der berühmten keroplastischen Anatomiemodelle von Giulio Gaetano Zumbo (1656-1701) und unter Verwendung der theoretischen Äusserungen zum klassizistischen Kunstideal von Giovanni Pietro Bellori (1613-1696)2
sowie klassischer Definitionen des Barocks (Wölfflin, Panofsky)3, soll die Anatomia Plastica im Spannungsfeld zwischen Naturnachahmung und Naturüberwindung, historisch
und ästhetisch verordnet werden, unter Beizug von anatomischen Illustrationen und Angaben zum Werkprozess (Fig. 2).
Fig. 2: Allegorie "Imitatio Sapiens", Kupferstich, in:
Bellori 1672
Grundlage für diesen Vortrag bildet meine Dissertation, die ich Anfangs November 2010 bei der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich einreichen werde. Der Titel der Forschungsarbeit lautet:
„Projektionen in Wachs. Zu den Anfängen eines neuen bildgeben Verfahrens in der Medizin des 18.
Jahrhunderts“. Die betreuenden Professoren sind: Prof. Dr. Philipp Sarasin (Historisches Seminar der
Universität Zürich) u. Prof. Dr. Christoph Zollikofer (Anthropologisches Institut und Museum der Universität Zürich). Zurzeit bin ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Anthropologisches Institut und
Museum der Universität Zürich angestellt, mit Schwerpunkt Wissenschaftsgeschichte. Meine Studien
in Kunstgeschichte, Architektur und Denkmalpflege habe ich am Kunsthistorischen Institut der Uni-
1
versität Bern absolviert (Prof. E. Hüttinger, Prof. O. Bätschmann, Prof. N. Grammacini und Prof. L.
Mojon).
Bibliografie
Bellori, G. P. (1672). Le vite de' pittori, scultori et architetti moderni. Roma, Per il successore al
Mascardi.
Buffon, G.-L. L. d. (1749). Histoire naturelle, générale et particulière, avec la description du Cabinet
du Roi. Paris, de l'Imprimerie Royale.
Panofsky, E. (1919). Die Scala Regia im Vatikan und die Kunstanschauungen Berninis. Jahrbuch der
Preussischen Kunstsammlungen. Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preussischer
Kulturbesitz. 40: 241-278.
Panofsky, E. (1985). Idea ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie. Berlin,
Wissenschaftsverlag Volker Spiess.
Wölfflin, H. (1888). Renaissance und Barock : Eine Untersuchung über Wesen und Entwicklung des
Barockstils in Italien. München,.
1
Der Syrakuser Wachsplastiker Giulio Gaetano Zumbo (1656-1701) fertigte nachweislich drei anatomische
Wachsmodelle an. Alle drei Modelle stellen menschliche Köpfe dar, die teilweise seziert sind. Das Modell Zumbo I gelangte als Geschenk in die Sammlung von Cosimo III und befindet sich heute im Museo di Storia Naturale
[La Specola] der Universität von Florenz. Das zweite Modelle (Zumbo II) erwarb Gui Crescent Fagon (16381718) für die Naturalienkammer von Ludwig XIV (1638-1715). Vgl. Buffon, G.-L. L. d. (1749). Histoire naturelle,
générale et particulière, avec la description du Cabinet du Roi. Paris, de l'Imprimerie Royale. Das Modell Zumbo
III aus dem Nachlass des Künstlers wurde vor einigen Jahren wiederentdecket und wird heute in der Sammlung
des Musée National d‘ Historie Naturelle in Paris aufbewahrt.
2
Vgl. Bellori, G. P. (1672). Le vite de' pittori, scultori et architetti moderni. Roma, Per il successore al Mascardi.
3
Vgl. Wölfflin, H. (1888). Renaissance und Barock : Eine Untersuchung über Wesen und Entwicklung des
Barockstils in Italien. München,, Panofsky, E. (1919). Die Scala Regia im Vatikan und die Kunstanschauungen
Berninis. Jahrbuch der Preussischen Kunstsammlungen. Berlin, Staatliche Museen zu Berlin - Preussischer
Kulturbesitz. 40: 241-278, Panofsky, E. (1985). Idea ein Beitrag zur Begriffsgeschichte der älteren Kunsttheorie.
Berlin, Wissenschaftsverlag Volker Spiess.
2