Bibliotheken in Irland 2013 – Erfahrungsbericht eines Fachaufenthalts

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Bibliotheken in Irland 2013 – Erfahrungsbericht eines Fachaufenthalts
Bibliotheken in Irland 2013 – Erfahrungsbericht
eines Fachaufenthalts
Simone Waidmann
Referendarin an der Badischen Landesbibliothek
Auch dank der finanziellen Unterstützung von BI International hatte ich die
Möglichkeit im Rahmen eines Fachaufenthalts vom 25. Juli bis 2. August 2013
verschiedene Bibliotheken in Irland zu besuchen. Dies war zum einen die Dublin City Central Public Library, wo ich je einen Tag im Open Learning Centre
und im Business Information Centre verbracht habe, zum anderen die Bibliothek des University College Cork. Bei einem bibliothekarischen Aufenthalt in
Irland durfte natürlich auch das Trinity College Dublin mit seiner historischen
Bibliothek nicht fehlen, was für diesen Bericht aber keine Rolle spielt.
Dublin City Public Libraries
Die Dublin City Public Libraries formen ein Netzwerk aus 21 Zweigbibliotheken
und drei Bücherbussen. Die Central Library besitzt ca. 120.000 Medieneinheiten.
Sie befindet sich seit 1986 im Ilac Shopping Centre, welches bei seiner Eröffnung
1981 das erste Einkaufszentrum im Herzen Dublins war. In dieser Zeit wurden
in Irland mehrere Bibliotheken in Einkaufszentren eröffnet, man wollte damit
seinen Benutzern näher kommen. Die Idee war, dass die Menschen ohnehin dort
einkaufen gehen und quasi nebenher auch gleich noch die Bibliothek besuchen.
Diese Haltung hat sich inzwischen geändert. Nicht nur in Dublin, auch in anderen großen Städten haben zwischenzeitlich viele große Einkaufszentren eröffnet,
das Ilac hat damit längst nicht mehr die Bedeutung und zentrale Funktion, die es
unmittelbar nach seiner Eröffnung hatte. Die Vorstellung, dass die Leute ja „sowieso“ dorthin kommen, hat sich als Trugschluss herausgestellt. Für die Central
Library in Dublin gibt es Pläne, wonach die Bibliothek in zwei bis drei Jahren
in einen renovierten gregorianischen Gebäudekomplex umziehen soll, endgültige
Gewissheit darüber gibt es aber nicht.
Die Central Library ist auch mehr die Zweigstelle im Zentrum als eine echte
Zentralbibliothek. Zentrale Aufgaben wie Erwerbung und Katalogisierung finden in der Filiale in Cabra statt, die Personal- und Finanzverwaltung wird im
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Abbildung 1: Aufgang zur Dublin Central Library, Foto: Simone Waidmann
Hauptquartier in der Pearse Street erledigt, wo sich auch das Stadtarchiv befindet.
Obwohl die Lage also nicht so ideal ist, wie anfangs erhofft, das Gebäude inzwischen in die Jahre gekommen ist und es keinerlei Erweiterungsmöglichkeiten
bietet, wird die Central Library rege genutzt, was auch an zwei Besonderheiten liegt: Öffentliche Bibliotheken in Irland verfügen üblicherweise über eine
Leihbücherei für Erwachsene und eine Kinderbibliothek, meist auch noch eine
Musikbibliothek. Zur Dublin Central Library kommen noch das Open Learning
Centre und das Business Information Centre hinzu, die ich jeweils einen Tag
lang besuchen durfte.
Das Open Learning Centre
Das Open Learning Centre (OLC) war seit seiner Eröffnung im Jahr 1986 als
Selbstlerneinrichtung konzipiert. Angeboten werden Computerkurse, Kurse zur
Nutzung des Internets, zum Umgang mit Textverarbeitungs- und Tabellenkalkulationsprogrammen, Schreibmaschinenkurse, Theoriekurse zur Vorbereitung
auf die Führerscheinprüfung und Kurse zur Erlangung des Europäischen Computer Führerscheins. Für letzteren bezahlt man an einem College etwa 1.000
Euro, die Vorbereitung im Open Learning Centre ist kostenlos und für die Anmeldung zur Prüfung bezahlt man gerade einmal 10 Euro. Für die Vermittlung
hat man in der Vergangenheit vor allem Lernprogramme auf CD-ROM und die
zugehörigen Lern- und Übungsbücher genutzt. Doch die Ressourcen des Open
Learning Centre sind stark begrenzt. Der Bibliotheksbereich, der die Lernmaterialen beherbergt, ist kaum größer als ein geräumiges Wohnzimmer, für tausende Lernende stehen gerade einmal 24 Computer zur Verfügung und mit nur
vier Mitarbeitern ist die Personalausstattung alles andere als üppig. Um die
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vorhandenen Mittel möglichst effizient zu nutzen und möglichst viele Lernende
zu erreichen, setzt man daher zunehmend auf Onlinekurse. Das Open Learning
Centre ist nach eigener Aussage die zweite Bibliothek weltweit, die der Microsoft
Academy beigetreten ist. Da Microsoft den Kauf von mindestens 700 Lizenzen
verlangt, ist man eine Partnerschaft mit dem Dublin Institut of Technology eingegangen, mit dem man sich die Lizenzen teilt. 300 Lizenzen kann das OLC
nun an seine Nutzer vergeben, die auch das Zertifikat eines Microsoft Office
Specialist erwerben können.
Die aber bei Weitem meistgenutzten Angebote des OLC liegen im Bereich
des Fremdsprachenerwerbs. Zur Zeit der Gründung des Open Learning Centres war seine wichtigste Aufgabe noch die Vermittlung von Fremdsprachen an
Iren. Inzwischen liegt die Hauptaufgabe darin, Migranten Englischkenntnisse zu
vermitteln und zwar auf einem Niveau, das sie für den irischen Arbeitsmarkt
qualifiziert. Auch hier geht man seit Ende 2008 mit einem Onlineprogramm
erfolgreich neue Wege.
R – Online Sprachen lernen
TELL ME MORE
CD-ROMs waren lange Zeit das Mittel der Wahl für Selbstlernsprachkurse. 2006
hatte man Audio- und Videoformate für 78 Sprachen im Angebot. Zur Präsenznutzung im Haus wurden damals unter anderem fünf CD-ROM Pakete des
R Programms zur Verfügung gestellt. Dieses erwies sich als
TELL ME MORE
geeignet sowohl für Beginner als auch Fortgeschrittene und für spezielle Ansprüche in spezifischen Berufsfeldern. Schon bald war das Programm so beliebt,
dass alle fünf Computer permanent ausgebucht waren und das Programm auf
jedem Rechner zehn Stunden pro Tag lief. Aufgrund dieser starken Beanspruchung überhitzten CD-ROMs und Rechner und regelmäßige Programmabstürze
waren die Folge. Da die Nachfrage aber immer weiter stieg, begann man 2008
sich nach Onlinelösungen umzusehen. So sollten mehr Nutzer simultan lernen
können, während gleichzeitig der Wartungsaufwand gesenkt werden sollte.
Man verglich mehrere Anbieter und entschied sich schließlich für das OnR TELL ME MORE
R ist im Gegensatz zu
lineangebot von TELL ME MORE.
Rosetta Stone, dem stärksten Konkurrenten, eine europäische Entwicklung, die
vom Europarat unterstützt wird und nach europäischen Standards akkreditiert
ist. Das Programm richtet sich vornehmlich an Unternehmen und Hochschulen,
das Open Learning Centre der Dublin Public Library war die erste öffentliche
Bibliothek, die es ihren Nutzern anbot und ist bis heute europaweit die einzige. Genaue Zahlen wurden nicht genannt, aber da es sich um ein Pilotprojekt
handelte, konnte das OLC das Produkt für einen Bruchteil der üblichen Kosten erwerben. Man startete Ende 2008 mit 1.000 Lizenzen. Angeboten wurden
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die Zielsprachen Englisch, Französisch, Spanisch, Deutsch, Italienisch und Niederländisch. Für die Vermittlung standen 13 Interfacesprachen zur Verfügung,
was besonders für Migranten ohne jegliche Englischkenntnisse für schnelles und
erfolgreiches Lernen wichtig ist. Die Bibliothek bemüht sich fortwährend die
Zahl der Interfacesprachen zu erweitern (inzwischen sind es 19) und arbeitet
hierfür mit ausländischen Botschaften zusammen. Mehrere tausend Lernende
R genutzt.
haben seitdem TELL ME MORE
Das Open Learning Centre hat in den letzten sieben Jahren – nicht nur, aber
auch, im Bereich Sprachenlernen – jährlich Auszeichnungen erhalten. Besonders
stolz ist man auch auf die Auszeichnung eines Studenten mit dem Student of the
Year Award: Ein 65jähriger Rentner suchte eine neue Herausforderung, er studierte im Open Learning Centre Japanisch und erreichte eine so hohes Sprachniveau, dass er ein Jobangebot erhielt und inzwischen eine zweite Karriere in
Japan begonnen hat.
Das Business Information Centre
Die zweite Besonderheit der Central Library in Dublin ist das Business Information Centre. Es bietet sehr umfangreiche Informationen zur irischen Industrie und Wirtschaft, zu irischen und internationalen Firmen, zur persönlichen Aus- und Weiterbildung, zur Jobsuche, Karriereplanung und Existenzgründung. Neben wirtschaftswissenschaftlichen Referenzwerken gehören dazu auch
die Kurspläne aller irischen Colleges, die Jahresberichte irischer Unternehmen,
die alle sechs Jahre aktualisierten County Development Plans, sämtliche irische
Telefonbücher, Firmenverzeichnisse, Zeitungsarchive auf Mikrofilm und Mikrofiche, über 200 aktuelle Zeitschriftenabonnements und auch Zugang zu sechs
lizenzierten Datenbanken (Business.ie, Vision-Net, Mintel, Euromonitor Passport Markets, Emerald Journals Online und European Business ASAP Online).
Diese bieten Zugang zu Volltextartikeln, Marktanalysen, Unternehmensdaten,
Länderberichten und vielem mehr. Das Business Information Centre füllt hier
insofern eine Lücke, als diese Datenbanken an Universitätsbibliotheken zwar
selbstverständlich zur Verfügung stehen, diese externe Benutzer aber meist nicht
zulassen. Wissenschaftliche Bibliotheken, wie unsere deutschen Staats- und Landesbibliotheken, die der Allgemeinheit offen stehen, gibt es in dieser Form nicht,
weshalb deren Funktionen, je nach den regionalen Gegebenheiten, von anderen
Bibliotheken übernommen werden. Für die Datenbanken wurden nur Einzelplatzlizenzen erworben, sodass sie an drei Rechnern innerhalb der Bibliothek
zugänglich sind, ein Remote Access ist nicht möglich.
Ein besonderer Service sind außerdem auch die Irish Personalities, Irish
Companies und Subject Files. 9.114 irische Persönlichkeiten, 382 Firmen und
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717 businessrelevante Themen werden in der Presse verfolgt, passende Artikel
ausgeschnitten und abgelegt. Natürlich lässt sich argumentieren, dass diese Informationen mehrheitlich auch online zu finden sind, hier stellt sich schon wieder
eher das Problem, die wirklich relevanten Informationen aus der diffusen Massen
der im Internet vorhandenen Informationen herauszufiltern. Man mag den Sinn
dieses Pressespiegels in Frage stellen und auch, ob der Aufwand gerechtfertigt
ist, aber es handelt sich in jedem Fall um ein besonderes Serviceangebot, dass
eine Menge an andernfalls verstreuten Informationen bündelt.
Ein weiteres gut genutztes Angebot des Business Information Centre sind
regelmäßig stattfindende Vorträge und Workshops zu Themen wie Jobsuche,
Bewerbung und Selbständigkeit.
University College Cork und Boole Library
Das University College Cork (UCC) wurde 1845 neben Galway und Belfast als
eines von drei Queen’s Colleges gegründet. Der Lehrbetrieb begann allerdingst
erst 1849 mit 115 Studenten.1 Heute studieren dort über 20.000 Studenten, für
welche die Bibliothek 735.000 Titel (davon ca. 220.000 E-Books), 2.194 Abonnements gedruckter Zeitschriften, 81.000 E-Journals und über 180 Datenbanken bereithält.2 Erster Mathematikprofessor der neugegründeten Universität
war George Boole (1815-1864), der allen Bibliothekaren durch die nach ihm
benannten Booleschen Operatoren bekannt ist. Nach ihm ist heute auch die
Universitätsbibliothek auf dem zentralen Campus benannt. Daneben existiert
noch die Boston Scientific Health Sciences Library.
Die Ausleihbestände der Boole Library erstrecken sich über drei Stockwerke:
Im ersten Stock sind die Natur- und Ingenieurwissenschaften untergebracht, im
zweiten Stock Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sowie Jura und im dritten Stock befinden sich die Kunst, Geistes- und Medienwissenschaften. Jedes
Stockwerk funktioniert wie eine eigene kleine Bibliothek, mit eigenem Eingang
und eigener Infotheke (im zweiten Stock gibt es sogar getrennte Theken für
Wirtschafts- und Sozialwissenschaften einerseits und Rechtswissenschaft andererseits). Die Aufstellung erfolgt, wie in den meisten irischen Bibliotheken, nach
DDC. Ein Fachreferent ist mit seinem Team jeweils für „sein“ Stockwerk verantwortlich, also für Auskünfte, das Zurückstellen von Büchern, die Vergabe von
Gruppenarbeitsräumen auf dem jeweiligen Stockwerk (die übrigens für maximal zwei Stunden gebucht werden können), Bestandspflege, Aussonderung und
eben alle auf einem Stockwerk anfallenden Aufgaben. Dies ist natürlich ein eher
umständliches und unökonomisches System, es ist auch nicht typisch für andere
1 http://www.ucc.ie/en/about/history/history/[05.09.2013]
2 http://booleweb.ucc.ie/index.php?pageID=7
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[05.09.2013]
Abbildung 2: UCC Campus, Foto: Simone Waidmann
irische Bibliotheken, wird auch in Cork als veraltet angesehen und wird wohl
in naher Zukunft in dieser Form abgeschafft werden. Dennoch hat es auch einige Vorteile, da sich ein Team stark für „seine“ Bestände verantwortlich fühlt,
man auch als Fachreferent ständig präsent und nahe an den Nutzern mit ihren
Bedürfnissen dran ist und die Arbeit am Bestand durch die räumliche Nähe
erleichtert wird.
Das Fachreferat in Cork
Vor meinem Besuch in Cork hatte ich mich gewundert, wie nur ein Fachreferent
(subject librarian) für alle Geisteswissenschaften zuständig sein kann. Dies wird
verständlich, wenn man weiß, dass die Literaturauswahl zum größten Teil von
den Professoren und Dozenten selbst getroffen wird. Die Universität legt den
Etat für die Literaturerwerbung fest, davon gehen ca. 80% direkt an die Institute, der Rest steht den Fachreferenten zur Verfügung, die ihre Mittel hauptsächlich dazu nutzen, um systematisch Lücken zu schließen. Jedes Institut hat
einen Bibliotheksverantwortlichen (library representative), der einerseits darauf
achtet, dass sich die Bestellungen einigermaßen gleichmäßig auf die Institutsmitarbeiter verteilen, andererseits ständig Kontakt zum Fachreferenten hält und das
wichtigste Bindeglied zwischen Wissenschaftlern und Bibliothek darstellt. Die
Mittel werden jeweils im Oktober, zu Beginn des akademischen Jahres zugewiesen. Die Institute haben dann bis Ende Juni des Folgejahres Zeit, das Geld
auszugeben. Was dann noch übrig ist, fällt den Fachreferenten zu. Für Bestellungen muss jeder Titel vom Fachreferenten oder von den Wissenschaftlern in
ein Onlineformular eingegeben werden, die Daten werden dann per E-Mail an
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die Erwerbungsabteilung weitergeleitet; im Gegensatz zu vielen anderen irischen
Bibliotheken, hat das UCC die Erwerbung noch nicht ausgelagert. Andere Bestellwege, wie Listen oder Papierausdrucke, werden nicht akzeptiert.
Die Literaturauswahl spielt im Fachreferat also eine untergeordnete, Sacherschließung praktisch gar keine Rolle, da Schlagworte und DDC-Notationen von
OCLC eingekauft werden. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, Kontakt zu den
Fachbereichen zu halten (liaising), deren Bedürfnisse abzufragen und sie umgekehrt permanent über die Angebote der Bibliothek zu informieren. Ein weiterer großer Arbeitsbereich stellt die Vermittlung von Informationskompetenz
dar. Die Hauptlast fällt dabei naturgemäß zu Semesterbeginn an, dann werden
massenhaft Bibliotheksführungen und Workshops in Katalog-, Datenbank- und
Webrecherche sowie Literaturverwaltung gegeben. Diese finden teilweise in der
Bibliothek statt, teilweise gehen die Bibliothekare auch direkt in kleinere Seminare oder große Massenvorlesungen – je nachdem, was von den Fachbereichen
oder einzelnen Dozenten gewünscht wird. Manche der Angebote erstrecken sich
auf nur eine, andere auf mehrere Sitzungen, einige laufen als reguläre Lehrveranstaltungen über ein ganzes Semester. Die allermeisten Informationskompetenzkurse sind in irgendeiner Form in Lehrveranstaltungen eingebunden und es
können Credit Points erworben werden. Für Doktoranden gibt es einen eigenen
akkreditierten Kurs. Neben solchen Präsenzveranstaltungen werden auch online
Lernmaterialien und Videotutorials bereitgestellt, welche die Fachreferenten erarbeiten. Während der vorlesungsfreien Zeit werden dann vor allem Projekte
durchgeführt, für die sonst wenig Zeit bleibt, wie Aussonderungen, Bestandsrevisionen oder Reinigungsaktionen.
Exkurs: Die bibliothekarische Ausbildung in Irland
Für Aufgaben, die in Deutschland vorwiegend vom mittleren, teilweise auch
dem gehobenen Dienst ausgeführt werden, gibt es keine eigene Ausbildung. Das
Personal wird durch training on the job angelernt. Diese library assistants übernehmen durchaus auch qualifizierte Aufgaben in der Erwerbung und Katalogisierung. Bibliothekar (librarian) wird man, indem man direkt nach dem Schulabschluss Bibliothekswesen (Library and Information Science) studieren oder
man erwirbt zunächst einen ersten Abschluss (in der Regel Bachelor) in einer
beliebigen Disziplin, gefolgt von einem bibliothekarischen Fachstudium (Master). In Irland kann man einen Master in Library and Information Science am
University College Dublin erwerben oder berufsbegleitend in einem mehrjährigen Fernstudium an der University of Wales in Aberystwyth. In beiden Fällen
ist es üblich, dass man davor bereits einige Zeit im Bibliothekswesen gearbeitet
hat. Fachreferenten (subject librarians) haben alle einen ersten Abschluss in ei7
nem beliebigen Fach, das allerdings für den späteren Aufgabenbereich praktisch
keine Rolle spielt. So hat der Fachreferent für Kunst und Geisteswissenschaften
des UCC einen Bachelor in Wirtschaftswissenschaften und Finanzwesen. Außerdem ist es üblich, die Stelle regelmäßig zu wechseln, um in möglichst vielen
Bereichen Erfahrungen zu sammeln. Beispielsweise hat die Special Collections
Bibliothekarin des UCC in den letzten sechs Jahren auch in der Benutzung, der
Fernleihe und in einer Medizinbibliothek gearbeitet.
Special Collections
Die Special Collections des University College Cork beherbergen Handschriften und Inkunabeln, alte und wertvolle Drucke, historische Zeitschriften und
Karten, Pamphlete und Einblattdrucke sowie spezielle Sammlungen (vor allem
Nachlassbibliotheken). Darüber hinaus natürlich einen umfangreichen Referenzbestand, um die historischen Quellen sinnvoll nutzen zu können. Inhaltlich beziehen sich große Teile der Bestände auf Stadt und Landkreis Cork sowie die
Provinz Munster. Die Special Collections des University College Cork übernehmen damit Sammlungsaufgaben, die in Deutschland klassischerweise an Landesbibliotheken angesiedelt sind. Auch die Special Collections werden regelmäßig
in Lehrveranstaltungen der Universität integriert. So müssen beispielsweise alle
Archäologiestudenten an einer Feldstudie teilnehmen, in deren Rahmen sie auch
die historischen Bestände, beispielsweise altes Kartenmaterial, nutzen müssen.
Die Studenten werden dabei an die Hand genommen und bekommen Schritt für
Schritt die für sie relevanten Arbeitsmittel und Arbeitsschritte erklärt: welche
Quellen für sie relevant sind, wie man die zugehörigen Findbücher benutzt, sich
in den verschiedenen Signaturensystemen zurechtfindet oder ein Mikrofilmlesegerät bedient. Neben den Archäologen kommen auch regelmäßig Anglistik- oder
Geschichtskurse in die Special Collections. So werden Hemmungen gegenüber
diesem speziellen Bereich der Bibliothek abgebaut und das wissenschaftliche
Arbeiten mit authentischen Quellen befördert.
Einige allgemeine Beobachtungen zum irischen
Bibliothekswesen
Allgemein lässt sich zu irischen Bibliotheken noch festhalten, dass die Ausleihe
sehr viel stärker beschränkt ist als in Deutschland. Die normale Leihfrist beträgt
zwei Wochen, Doktoranden dürfen am UCC vier Wochen ausleihen, Universitätsbeschäftigte bis zu sechs Wochen. Die Anzahl der gleichzeitig ausleihbaren
Medien reicht von vier Medien für externe Leser bis zu 25 Medien für Uni-
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versitätsmitarbeiter. Studenten im Grundstudium dürfen sechs, Doktoranden
immerhin 12 Medien ausleihen. Fernleihen sind deutlich teurer als in Deutschland, eine Aufsatzkopie kostet vier Euro, die Fernleihe eines normalen Buches
stolze acht Euro.
Die Selbstverbuchung ist natürlich auch in Irland angekommen; in der Dublin Central Library arbeitet man mit RFID, in Cork noch herkömmlich mit
Barcodes, die vorne auf dem Einbanddeckel angebracht sind.
Irland wurde von der europäischen Finanzkrise bekanntlich schwer getroffen,
was in der Folge zu harten Einsparungen im öffentlichen Sektor geführt hat. Jede
einzelne Person, mit der ich mich in den verschiedenen Bibliotheken unterhalten
habe, erzählte mir, dass Kollegen, die in Ruhestand gehen, konsequent nicht ersetzt werden, weshalb manche Abteilungen am Rande ihrer Funktionsfähigkeit
angelangt sind. Obwohl mir jeder davon berichtete, hat sich interessanterweise
nie jemand darüber beklagt. Am University College Cork wird zudem der Erwerbungsetat seit 2009 jährlich um 10-20% gekürzt, Zeitschriften werden aus
Kostengründen schon seit 2003 nicht mehr gebunden.
Fazit und Dank
Ein ausländisches Bibliothekswesen kennenzulernen, war eine ausgesprochen
wertvolle Erfahrung. Ich sah nichts wirklich Revolutionäres, manches war anders
als in Deutschland, ohne dass man sagen könnte, was davon besser oder schlechter ist, vieles war aber auch ähnlich. So haben wir alle die gleichen Probleme,
wenn es um Einsparungen geht, wir versuchen alle, unseren Studenten Informationskompetenz beizubringen und stellen dabei alle die gleichen Schwierigkeiten
fest, und auch der technische Fortschritt verläuft hier wie dort in ähnlichen
Bahnen. Positiv fiel mir die größere Flexibilität irischer Bibliothekare auf, die
im Laufe ihres Berufslebens häufiger ihren Arbeitsbereich wechseln. Beeindruckend ist auch die irische Bereitschaft, Gegebenheiten anzunehmen und aus den
vorhandenen Mitteln das Bestmögliche herauszuholen.
Mein herzlicher Dank geht an Geraldine O’Brien vom Open Learning Centre,
an Gemma Daly vom Business Information Centre und an Ronan Madden sowie
Elaine Harrington vom University College Cork, die mich in ihre jeweiligen
Bibliotheken eingeladen und vorbildlich betreut haben.
Simone Waidmann, 6. September 2013
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