Alela Diane – To be still Fargo, 2009 Eine Frau

Transcrição

Alela Diane – To be still Fargo, 2009 Eine Frau
Alela Diane – To be still
Fargo, 2009
Eine Frau steht am Fluss und lässt ein Schilfschiffchen ziehen, darin sind
geschriebene Worte, eine Botschaft. Wasser, Fluss, Schwelle; das Schiffchen legt
einen Weg zurück, auch die Frau ist unterwegs, durch Wald und Wiese. Immer
wieder begegnet sie dem Schiffchen, erneuert es, steuert neue Worte dazu bei. Am
Schluss des Videos zum Song „White as Diamonds“ hat die Botschaft des
Schilfschiffchen eine Frau gefunden, welche am Rande des Flusses im Schnee kniet.
Die erste Frau läuft über den Schnee und begegnet der zweiten – es ist ein und
dieselbe Person, ein halbes Jahr Lebenszeit auseinander.
Alela Diane steht mittendrin – in ihrem Microkosmos, ihrer Microgalaxie, inmitten der
Schöpfung und erzählt von sich selbst. Sie arbeiten mit Metaphern um ihre
Verfassung zu umsingen, sie bedient sich starker Bilder um ihre Befindlichkeit in
diesem Sein zu umschreiben.
Es geht ihr in ihren Songs immer um das Sein, um den Morgen, den Tag, die Nacht,
welche Begleiter des Lebens werden. So beschreibt sie im Song „White as Diamonds“
wie der Morgen weiss wie Diamanten aufsteigt, im Schweigen und in der Stille dem
Tag Platz macht:
I’ve known morning white as diamonds
Silent from a night so cold
Such a stillness;
Calm as the owl glides
Our lives are buried in snow
Still und ruhig ist die Musik. Neben der akustischen Gitarre sind Banjo, Mandoline
und Fidel zu hören. Sie besingt den einfachen Zauber der vertrauten kalifornischen
Landschaft: Steppen, Berge, Bäume, von denen „helicopter seeds“ zu sanfter
Landung herabtrudeln, Wälder, in denen man Skelette von Blättern sammeln kann.
Die Texte sind eingespannt zwischen Heimat und Natur. Die Schöpfung ist lebendig,
Mikrokosmos und Makrokosmos verbinden sich. Gott ist im Jetzt. Die Bilder der
Schöpfung werden zu hoffnungsvollen Traumbildern, welche sich ein wenig in den
Tag hinein retten, bevor wieder bewusst wird, dass dürres Gras und Schatten (Dry
Grass and Shadows) die Welt von heute ausmachen.
Es gibt Dinge, die ich in meinem Kopf gesehen habe während ich im Bett
lag und schlief
Und die im Morgenlicht nicht vergehen
Man hat mich zurückgeholt, Oh, man hat mich zurückgeholt
Zum dürren Gras und den Schatten
Und ich denke: Wie gerne würde ich deine Zähne sehen
Aufgereiht in perfekter Linie
Ein Durcheinander von Kinderfüssen im Baumgarten
Wo das flache Land sich in deinem Mund ausdehnt
Und wenn du lachst, stolpern alle Sterndisteln darüber
Die scharfen Hügelspitzen unseres Tales
Sind alle in Gold getaucht
Schauen sanfter aus als eine Spule alten Goldfadens
Aber wenn wir barfuss darüber gingen
Zog ich Stacheln und Haken und Fuchsschwänze aus deiner Haut
Es gibt Dinge, dich ich in meinem Kopf gesehen habe während ich im Bett
lag und schlief
Die im Morgenlicht nicht vergehen
Man hat mich zurückgeholt, Oh! Man hat mich zurückgeholt
Zum dürren Gras und den Schatten
Die Natur beinhaltet ständiges Werden und Vergehen. Alela Diane singt nicht von der
Entwurzelung des heutigen Menschen, welche eben auch keine Antwort auf das
Sinnverlangen in einer zu Tode aufgeklärten, metaphysisch unbehausten Welt ist. Sie
haucht der Natur, wie sie sich präsentiert, hier und jetzt Sinnhaftigkeit und
Göttlichkeit ein. Die Banalität des Alltags wird zum Nährboden des Lebens, der
Träume und der Wünsche. Sie singt von der Sehnsucht der jungen Frau, die zum
Meer hin will und ihn liebt, der in den Bergen lebt. So ist der Abschied vom Liebhaber
eine Zuwendung zum Ort der Sehnsucht.
The Ocean – Das Meer
Sie war immer unterwegs, singend bei jedem Schritt
Schmutzige Hohlwege und Tannzapfen
Glasflaschen ausgrabend, rostige Federn von Federbetten
Alte Radkappen am Wachzaun
Sie pflanzte Beete voller Blumen und blieb draussen für Stunden
Im Geist ging sie weiter bis zum Meer
All jene Jahre sehnte sie sich nach dem Wasser
Sie betrachtete die langen Gezeiten-Schatten, die sie riefen
Aber dieser Sonnenuntergang im Meer ist in der Erinnerung geblieben
Immer hoffte sie, eines Tages die Berge zu verlassen
Häusliche Pflichten und Kinder, die Dunkelheit des Winters
Um dann all diese Meerjungfrauen zu malen, am Ufer des Meeres zu
wandern.
Sie wünschte, dass er ihr folge, aber sein Herz gehört den Hügeln.
Im Geist ist sie gegangen bis zum Meer
All jene Jahre sehnte sie sich nach dem Wasser
Sie betrachtete die langen Gezeiten-Schatten, die sie riefen
Aber dieser Sonnenuntergang im Meer ist in der Erinnerung geblieben.
In diesen Tagen findest du sie unterwegs, singend zur tiefen See
Aber sie wird ihn immer lieben, verloren in den Bergen
Der Sonnenuntergang am Meer, Muscheln und Strandgut sammelnd
Und tanzend mit den anrollenden Wellen,
Dies alles gibt ihr inneren Frieden,
Aber sie wird ihn immer lieben, verloren in den Bergen.
Abschied nehmen und Neubeginn sind Themen in den Songs von Alela Diane – die
Natur macht es so schön vor; zyklisch, wiederkehrend, verlierend und sich wieder
gewinnend.
Den Frieden findet Alela Diane im Alltag, in der Schöpfung, im Leben. „To be still“ ist
ein Album, das ein wenig musikalisch und poetisch in diese Befindlichkeit
hineinführen kann. Das Album endet mit dem traurig-optimistischen „Lady Divine“
“At the end of my time, I call to the dark, take the bones of my back“, singt
Alela Diane hier. Soweit ist es hoffentlich lange noch nicht.
Patrik Böhler
Übersetzungen: Marianne Peter