Leistungsschutz: Wird Google zahlen?

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Leistungsschutz: Wird Google zahlen?
P.b.b., GZ 02Z031577 W, Manstein ZeitschriftenverlagsgesmbH, Brunner Feldstraße 45, 2380 Perchtoldsdorf
Retouren an Postfach 100, 1350 Wien
WWW.HORIZONT.AT
12. Juni 2015
o 24
N
3,30 Euro
Die österreichische Wochenzeitung
für Werbung, Medien & Marketing
Matchmaker
Martin Roy, CEO Reed
Österreich, über Messen
und Digitalisierung
Unternehmen Seite 6
Trendforscher
Nils Müller alias
,Dr. Futura‘ erklärt Welt
und Marketing 2025
Unternehmen Seite 8
Great Brother
Auf Spurensuche in der
Innovations- und Startup-Metropole London
Trending Topics Seite 14
HORIZONT
WEIL DIE WELT EIN DORF IST
WELTWEIT INSERATE BUCHEN
[email protected]
www.proxymedia.at
Leistungsschutz:
Wird Google zahlen?
Über eine Verwertungsgesellschaft sollen Verlage die Suchmaschine
zur Kasse bitten können. Der Erfolg des Gesetzes ist aber zweifelhaft
Nach Spanien und Deutschland soll
auch hierzulande und noch vor der
Sommerpause des Parlaments eine
Novelle des Urheberrechts den Ge­
setzgeber passieren und damit ab
Oktober rechtsgültig sein. Diese No­
velle enthält ein Leistungsschutz­
recht für die Hersteller von Zeitun­
gen und Zeitschriften und will Such­
maschinen, die Inhalte von Verlagen
verwenden und ihren Nutzern zur
Verfügung stellen, zur Kasse bitten.
Dass dies wohl nicht ganz einfach
wird, zeigte sich bereits in anderen
europäischen Ländern. Der weltweit
größte Suchmaschinenbetreiber
Google hat bisher noch keinen Cent
an ein Medium oder einen Nachrich­
tenautor entrichtet. Auch mussten
einige Verlage, etwa Axel Springer in
Deutschland, die Erfahrung machen,
dass ein Auskommen ohne Google
wiederum zu starken Einbrüchen im
Traffic führt, was langfristig nicht
zielführend ist. Was nun konkret in
Österreich geplant ist und welche Ef­
fekte das Gesetz für Verlage haben
wird, bleibt abzuwarten. HORIZONT
bietet einen Leitfaden zu Inhalten
des neuen Leistungsschutzrechts, in­
formiert über Sichtweisen von Öster­
reichs Medien, dem Verband Öster­
reichischer Kaufzeitungen (VÖZ),
der das Gesetz aktiv vorangetrieben
hat, und analysiert den Blickwinkel
von Google.
Welche Effekte erwartet sich der
Gesetzgeber?
In den Begleittexten des Gesetzesent­
wurfs wird festgehalten, dass Such­
maschinen und News-Aggregatoren
„durch die kommerzielle (Zweit-)
Verwertung der Webauftritte der
Zeitungen beträchtliche Einnah­
men“ lukrieren, „an denen die Ver­
leger selbst nicht teilhaben“. Ohne
Leistungsschutzrecht, so argumen­
tiert das Justizministerium unter Mi­
nister Wolfgang Brandstetter (VP),
das den Ministerialentwurf im Par­
lament zur Begutachtung einge­
bracht hat, würde es zu einem „wei­
teren Rückgang der Werbeeinnah­
men der Pressever­leger“ kommen.
Dieser Einnahmenrückgang würde
zu einer Schwächung des Presses­
tandorts ­Österreich und zu einer Re­
duktion der ­Meinungsvielfalt füh­
ren, so der Begleittext.
Welche Verlagsinhalte sind nun
von der Gesetzesnovelle konkret
betroffen?
Es geht um sämtliche Inhalte, die die
Verlage online publizieren. Der Ge­
setzesentwurf spricht den Verlagen
das „ausschließliche Recht“ zu, „die
Zeitung, die Zeitschrift oder Teile da­
von zu gewerblichen Zwecken zu ver­
vielfältigen, verbreiten und der Öf­
fentlichkeit zur Verfügung zu stellen“.
Auch Snippets beinhaltet der Ent­
wurf, also kurze Text-Teaser. Rechts­
anwalt Harald Karl, der sich auf die
Bereiche Urheberrecht und Medien­
recht spezialisiert hat, sagt: „Das LSR
geht weiter als das bisherige Urheber­
recht. Bislang wurde das Werk als
Ganzes geschützt, das geplante LSR
umfasst auch kürzeste Texte.“ Google
müsste dann wohl ab dem ersten
Wort für die Nutzung der Verlags­
inhalte zahlen. Andere Experten kriti­
sieren das geplante LSR scharf: Der
österreichische Rechtswissenschaft­
ler Nikolaus Forgó sagte zur APA, dass
das Gesetz den Medienmarkt kom­
plizierter mache und Google stärken
werde. Forgó weiter: „Das ist der Ver­
such einer Förderung der Old Eco­
In eigener Sache
Zeiler, Rafati,
und Keen in Wien
© K.-U. Häßler/Fotolia
nomy im Medienwesen. Niemand
zwingt Presseverleger, ihre Inhalte ins
Internet zu stellen und für Suchma­
schinenbetreiber auffindbar zu ma­
chen. Man kann das mit einem trivia­
len Befehl auf der Website abstellen.“
Er glaubt nicht, dass das LSR funktio­
nieren werde. Forgó, der das Institut
für Rechtsinformatik an der Leibniz
Universität in Hannover leitet, hatte
bereits im Vorjahr ein Gutachten zum
LSR erstellt – im Auftrag von Google.
Das Ergebnis damals deckt sich mit
seinen aktuellen Aussagen. Der VÖZ
kritisierte damals bereits angebliche
„Schutzbehauptungen des Netz-­
Giganten im akademischen Gewand“.
Wie reagieren Verlagsmanager auf
den Gesetzesentwurf?
Die wenigsten Verlage waren bereit,
zum Thema Leistungsschutzrecht
ein Statement abzugeben – „die Rah­
menbedingungen seien zu unausge­
goren für konkrete Aussagen“, war
eine Antwort – oder sie verwiesen wie
Standard-Geschäftsführer Wolfgang
Bergmann auf das Sprachrohr VÖZ.
Eugen A. Russ, Inhaber wie Geschäfts­
führer → Fortsetzung auf Seite 2
Die 22. Österreichischen Medien­
tage nehmen Gestalt an, einige High­
lights dürfen wir hier bereits anprei­
sen: Österreichs erfolgreichster
Exportartikel im Medienmanage­
ment, Gerhard Zeiler, Präsident von
Turner Broadcasting System Inter­
national, wird den Eröffnungsvor­
trag halten. Von weither zu uns in
den Campus der WU Wien kommt
Shahrzad Rafati, Gründerin und
CEO von BroadbandTV. Sie stammt
aus dem Iran, kam als Teenager nach
Kanada und gründete das Unterneh­
men 2005. Heute betreibt und ver­
marktet BroadbandTV ein Netzwerk
an Videoproduzenten auf YouTube.
2013 ging die RTL Group eine strate­
gische Partnerschaft mit Broad­
bandTV ein. Von Google beehrt uns
Madhav Chinnappa. Seine Funktion:
Head of Stra­tegic Relations, News &
Publishers, Google EMEA, und als
solcher Mastermind der viel disku­
tierten „Digital News Initiative“, die
der Suchmaschinenriese mit euro­
päischen Verlagshäusern eingegan­
gen ist. Kontroverse steht auch auf
dem Programm: Der britische Autor
­Andrew Keen sorgt mit seiner poin­
tierten Kritik an der Digitalisierung
und ihren Folgen für heftige Diskus­
sionen – bestimmt auch am 22. und
23. September bei den Österreichi­
schen Medientagen. Details und Ti­
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Aktuell
02
In dieser Ausgabe
Aktuell
Medien
1 Leistungsschutz: Wird
Google zahlen?
Per Verwertungsgesellschaft
sollen Verlage die Suchmaschine
zur Kasse bitten. Der Erfolg des
Gesetzes ist aber zweifelhaft
9 Top-Partner für Topmodels
‚Austria’s Next Topmodel Boys &
Girls‘ ist ein Highlight für Puls 4
und für seine Partner
3 ‚Krone‘-Sommerfest
Mehr als 1.000 Gäste beim Fest
der größten Tageszeitung
5 Mehr Expertise, bitte
FH St. Pölten lud zu Symposium
über Finanz- und Wirtschaftskommunikation und plant
Studiengang dazu
Kommentar
4 Stiller Zusammenhalt
Einer kommt, der andere geht.
Ist das der Lauf der Dinge?
Unternehmen
6 Matchmaker Messe
Trotz und mit Digitalisierung:
Reed-CEO Martin Roy im
Interview
7 FMP Talk
Targeting und Big Data als
Themen beim Forum
Mediaplanung
Real-time
und smart
9 Was Kinder wünschen
IP Österreich präsentiert Studie
zu Super RTL und zur
Werbeakzeptanz von Kindern
Profis für
E-Commerce
gefragt
10
Nils Oberschelp, Geschäftsführer
des Deutschen Pressevertriebs,
über Digitalisierungversuche
Agenturen
11Netze knüpfen für das globale
Agentur-Network
Helga Tomaschtik übernimmt
Spitzenfunktionen bei
internationalem PR-Netzwerk
12,Furchtbare Wehleidigkeit‘
Daniel Gantner und Markus
Enzi über Konflikte mit
Kundenberatern, Werbepreise
und die Agenturszene
← Fortsetzung von Seite 1
Russmedia, hielt aber fest: „Der
Vorstoß ist wichtig, auch im europäischen Kontext. Google nutzt die Inhalte von Medienunternehmen,
ohne dafür einen Beitrag zu leisten.
Das könnte sich mit diesem Gesetz
ändern.“ So ist aus seiner Sicht das
Gesetz auch nicht „innovationsfeindlich“, wie etwa Neos-Sprecher
Niko Alm konstatierte, sondern es
würde Innovationen durch zusätzliche Mittel viel eher „klar fördern“.
Interessant ist der Aspekt, dass einige Verlage mit Google im Rahmen
der aktuellen Digital News Initiative
kooperieren und gleichzeitig das
LSR befürworten. Somit hält man
gleich zweimal die Hand auf. Doch
dazu meint VÖZ-Präsident Thomas
Kra­linger: „Die Teilnahme an einer
Google-Initiative heißt nicht im Umkehrschluss, dass Google im Hinblick auf die Verwendung publizistischer Inhalte alles erlaubt ist.“
Trending Topics
8
Nils Müller performte bei der
Jahreskonferenz M2M Forum
CEE über das Marketing für das
Jahr 2025
Leistungsschutz:
Wird Google
zahlen?
14Great Brother
Großbritannien gilt bei der
Innovationspolitik als EUVorbild. Auch die öster­
reichische Regierung holt sich
hier Inspiration für die eigenen
Start-up-Initiativen
Um welche Google-Dienste geht
es konkret?
Es geht nicht nur um Google News,
sondern auch um die Google-Suche.
Wer dort etwa nach „Leistungsschutzrecht“ sucht, findet nicht nur
Verweise zu Wikipedia, Google+ oder
Infor­mationsseiten, sondern eben
auch Schlagzeilen von österreichi-
Wäre HEROLD MDOnline ein Auto,
würde es so aussehen.
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HORIZONT No 24
schen Onlinemedien wie derstandard.at, futurezone.at (Kurier) oder
diepresse.com. Gerade bei aktuellen Themen zeigt Google in den
Suchergebnissen oft Inhalte wie
Headlines, Vorschaubilder und
Teaser von Verlagswebseiten
an. An dem Gesetzesentwurf
bemängelt werden könnte, dass
durch eine Beschränkung in
dieser Hinsicht ein wichtiges
Recherchewerkzeug für Journalisten wegfallen würde,
wenn diese Inhalte von Google
entfernt würden.
wie Yahoo oder Bing darunter, sondern auch Webdienste, die OnlineArtikel auf ihren Webseiten auto­
matisch sammeln und anzeigen. Das
Linzer Start-up Storyclash etwa aggregiert Schlagzeilen und Vorschaubilder von österreichischen OnlineMedien und zeigt sie, gewichtet nach
der Interaktionsrate auf Facebook,
auf seiner eigenen Webseite an.
„Sollte in Österreich das LSR auch Titel und Thumbnails beinhalten, werden wir mit den großen Medienhäusern entsprechende Vereinbarungen
treffen sowie für kleinere Medienseiten und Blogs Opt-in-Formulare zur
Verfügung stellen. Wir werden aber
nicht für die Auflistung von Headlines
bezahlen“, so Storyclash-Gründer
Andreas Gutzelnig zu HORIZONT.
Wird Google zahlen?
Die relevante Frage. Aber davon sollte
man auf keinen Fall ausgehen. Weder
in Deutschland noch in Spanien haben die dortigen, 2013 beziehungsweise 2014 eingeführten Leistungsschutzrechte dazu geführt, dass
Google an die Verlage gezahlt hat.
„Die österreichischen Verlage haben
die volle Kontrolle darüber, ob sie in
Google News oder in der Google Suche angezeigt werden wollen. Das
Anzeigen von Textausrissen („Snippets“) in der Google Suche und in
Google News stellt einen erheblichen
Wert für Verlage jeglicher Größe dar,
indem ­Leserinnen und Leser von
Google zu den Verlags-Webseiten geleitet werden“, so Google-ÖsterreichSprecher Wolfgang Fasching-Kapfenberger zu HORIZONT. „Zu unserem
großen Bedauern mussten wir
Google News in Spanien einstellen,
aber unsere Haltung war immer, dass
wir nicht für das Anzeigen von Suchergebnissen zahlen werden. Das ist
auch heute noch der Fall.“
Was passiert, wenn Google auf
­Verlagsinhalte verzichtet?
Würde Google bei seiner Position
bleiben, nicht für Verlagsinhalte in
seiner Suche und bei Google News zu
zahlen, dann müssten diese Inhalte
von dort zur Gänze entfernt werden.
Doch würde das Google schwer treffen? Eine Studie für Deutschland aus
dem Jahr 2012, durchgeführt von The
Reach Group (TRG), kam zu dem
Schluss, dass Google den „überwältigenden Teil seines Geschäfts ohne
die Nutzung von Inhalten der Presseverleger“ realisiert. Die Analyse von
1,5 Milliarden Suchergebnissen von
google.de zeigte, dass nur 1,1 Prozent
der Google-AdWords-Werbung auf
Seiten ausgespielt wird, auf denen
Verlagsinhalte dominieren (mindestens fünf ­Ergebnisse von News-Publishern, Anm.), und dass 92,5 Prozent
der Suchergebnisse nicht einem
News-Publisher zuzurechnen seien.
Würde Google auf die Anzeige von
Links zu Verlagsinhalten verzichten,
sind die Folgen für die Webseiten der
Verleger ganz unterschiedlich. In
Deutschland wollte Axel Springer
nicht auf den Traffic von Google verzichten, in einem Testversuch gingen
die Nutzerzahlen stark zurück. In
Spanien ­verzeichneten andererseits
große spanische Zeitungen und
News-Portale laut einer Analyse von
„Search Engine Journal“ nach der
Schließung von Google News nur
Traffic-Rückgänge zwischen zwei
und drei Prozent. Gleichzeitig – ein
Bereich der von der Gesetzesnovelle
nicht betroffen ist – wachsen bei vielen Onlinemedien die Zugriffe, die
von Facebook, Twitter oder WhatsApp kommen.
Betrifft das LSR auch kleine
Start-ups?
Ja. Da das Gesetz auch News-Aggregatoren betrifft, fallen nicht nur
Google und andere Suchmaschinen
Ist der VÖZ zufrieden mit dem
Gesetzesentwurf?
Grundsätzlich spricht sich der Verband Österreichischer Zeitungen
schon lange für eine Überarbeitung
von Urheber und Leistungsschutzrecht aus, „da es Grundwerte gibt, die
offensichtlich durch die bisherige
Formulierung nicht ausreichend geschützt werden“, so VÖZ-Präsident
Thomas Kralinger. „Entscheidend ist,
dass nicht fremde Geschäftsmodelle
von der kreativen Kraft österreichischer Autoren und Werkschaffenden
profitieren.“ Interessant ist, dass im
Zuge einer Recherche des VÖZ festgestellt wurde, dass über Google
News sehr wenig Traffic auf den
jeweiligen Nachrichtenseiten an­
komme. „Ob der Dienst in Österreich
aufrechterhalten werde oder nicht,
sei daher wenig relevant“, so Kralinger. Google Suche scheint eine wichtigere Rolle zu spielen. So informiert
etwa Krone-Geschäftsführer Gerhard
Riedler, dass über beide Dienste rund
30 Prozent des Traffics Nutzer auf
Krone-Websites bringen – ein relevanter Anteil, der in anderen Verlagshäusern ähnlich aussehen könnte.
Das Gesetz konnte bis 12. Juni begutachtet werden, Nachschärfungsbedarf erkannte Kralinger in der Begrifflichkeit der „freien Nutzung“, die
auch Medienbeobachter und deren
Tätigkeit betreffen könnte, was ausgeschlossen werden sollte.
Wird jetzt eine eigene Verwertungsgesellschaft gegründet?
Einerseits gibt es etwa mit Literar Mechana, Austro Mechana, Bildrecht,
AKM oder VG Rundfunk bereits bestehende Gesellschaften, die erweitert werden könnten. Aber Kralinger
hält fest, dass „wir so wie der ORF
eine eigene Verwertungsgesellschaft
möchten. Damit halten wir auch die
Verwaltungskosten und die Ausschüttungen an unsere Mitglieder
transparent.“ Man hätte natürlich bereits die Möglichkeit, Verwertungsgesellschaften zusammenzuschließen,
aus gutem Grund sei dies aber auch
bei den bereits bestehenden Gesellschaften nicht geschehen. Es gehe vor
allem auch um die Möglichkeit einer
gemeinsamen und damit stärkeren
Durchgriffsmöglichkeit. Teilnehmen
können an dieser Kauf- wie Gratis­
medien, da alle von dem Thema
­Leistungsschutz betroffen sind.
Wann soll das LSR in Kraft treten?
Bis 12. Juni war der Gesetzesentwurf
in Begutachtung, noch vor dem Sommer soll er von Ministerrat und Parlament beschlossen werden. Der VÖZ
fordert zwar noch einige Nachbesserungen, große Verzögerung wird es
aber wohl nicht geben. Wenn das LSR
beschlossen ist, tritt es bereits am
1. Oktober in Kraft. bis, cat, jak, tn
12. Juni 2015
Aktuell
Marketing · Werbung · Medien
03
Sommerliches
‚Krone‘-Fest
Mehr als 1.000 Gäste begrüßte die Führungscrew von Österreichs
reichweitenstärkster Tageszeitung. Das Programm reichte von Musik, Kulinarik,
Karikaturzeichungen und Carrera-Bahn-Wettbewerben bis zum Kabarett
An einem lauen Abend lud Österreichs größte Zeitung Kunden und
Partner zum traditionellen Sommerfest ins Wiener Palais Auersperg.
Mehr als 1.000 Gäste aus Werbewirtschaft und Medienbranche begleiteten Mediaprint-Geschäftsführer Gerhard Riedler und Krone-Herausgeber
Christoph Dichand teilweise bis in
die frühen Morgenstunden. Gerhard
Riedler betonte im Gespräch mit Moderatorin Claudia Hölzl Highlights
des Jahres vom Launch des neuen
Sportportals über die Kooperation
mit Servus TV bis zu Reichweitensteigerungen im Web. Das neue
Print­produkt zum Formel-1-Event in
Spielberg wurde angekündigt und
das Magazin Iss dich gesund! fand
sich in den Give-away-Taschen zum
Daheim-Schmökern und Nachkochen.„Unser Ziel ist es, die enorme
Power der Medienmarke und ihre
Kernkompetenzen in die digitale
Welt über­zuführen. Daran arbeiten
wir mit g­roßem Engagement“, so
Riedler. Musikalisches Highlight des
Sommerfestes war die junge Band
„Bull’s Eyes“, das neue Programm von
Eric Papilaya, und die musikalische
Zeitreise mit Arcangelo Vigneri, The
Original Blues Brothers, Julie Leonheart und Lia Weller. Die Lacher auf
ihrer Seite hatten die beiden Comedy
Hirten P
­ eter Moizi und Rolf Lehmann, und schließlich sorgte Kronehit-DJ Chris Antonio zu später
Stunde für Clubsound. red
Geschäftsführer Gerhard
Riedler im Gespräch mit
Moderatorin Claudia Hölzl
(links) und Krone-Chefredakteur Christoph Dichand
flankiert von Vera Russwurm und Christiane
Wenckheim, Vorstand Ottakringer ­Brauerei. © P. Tomschi
Die kleinen Freuden
des Alltags werden
immer teurer.
Kurz und bündig
Agenturgründung
Thomas Niederdorfer, einer der meistausgezeichneten Kreativen mit mehr
als 170 Awards, bis März Executive CD
bei Jung von Matt/365, gründet „We
Make“ als Full-Service-Agentur für
Markenkommunikation, Produktion
und Innovation. Erste Kunden sind
Bene AG, NÖ Tourismus, magdas
Hotel und magdas Kantine sowie die
Architekten AllesWirdGut. Außerdem
betreut We Make mit Designpartner
studio VIE auch Zalando Österreich.
Wer bei Partnern
mit der BankCard
zahlt, bekommt
bares Geld zurück.
Magazingeburtstag
Zum zehnten Geburtstag erscheint das
Magazin Seitenblicke in einer Jubiläumsausgabe mit 198 Seiten. Unter der
Leitung von CD Michael Scheufler
wurde das Heft relauncht. Leser-Mar­
keting­aktivitäten und eine Bewerbung
über alle Kanäle kommen. Die Ausgabe ist zum Jubiläumspreis „wie vor
zehn Jahren“ um einen Euro erhältlich.
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Donauinselfest im TV
Beim Donauinselfest von 26. bis 28.
Juni berichtet W24 insgesamt 60 Stunden. Gerhard Koller und Nadine Friedrich reden mit Künstlern, Organisa­
toren und Prominenten. Die Moderatoren Jenny Posch und Peter Schreiber
fangen die Stimmung ein.
Hartl: Neue Werbeleitung
Philipp Müller übernimmt mit sofortiger Wirkung die Werbeleitung bei
Hartl Haus, dem österreichischen
Fertighausunternehmen. Müller studierte Medientechnik an der FH St.
Pölten und war zuletzt Medientechniker bei Remo Werbemittlung.
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Ein Service der Bank Austria bis (vorläufig) 31. 12. 2016.
04
Kommentar
Meinungen & Standpunkte
Wir waren
immer eine
Branche der
Halbgebildeten,
die zu viel
verdienen.
Jenseits des HORIZONT
Kommt bald
die RoboterRegierung?
Beim Besuch des NestaBüros in London, wo über
die digitale Zukunft nachge­
dacht wird (Reportage auf
den Seiten 14 und 15), stieß
Staatssekretär Harald Mah­
rer auf dieses Plakat. „Like“,
sagt sein erhobener Dau­
men – nun ja, wo wenn nicht
im Bundesministerium für
Wissenschaft und Forschung
sollte der Startschuss für der­
artige Innovationen fallen?
Dahingesagt von Markus Enzi im
Interview auf Seite 12.
Beängstigend und
ziemlich cool
© www.christophergunson.com
Kommentar von
Claudia Tschabuschnig
Langes, wallendes Haar, ein wilder
Blick, dazu energische Gesten. Nils
Müller alias „Dr. Futura“ weiß, wie er
sich seinem Publikum präsentieren
will. Beim Jahresforum des M2M
CEE im Tech Gate Vienna, drehen
die CEOs darum auch brav ihre
leuchtenden Kugelschreiber in der
Luft, um die imaginäre Zeitmaschine
anzukurbeln und sich zu Müller ins
Jahr 2025 zu beamen. Für ihren
­Einsatz werden sie mit einer Tech­
nologieschau – von fliegenden Droh­
nen aus dem 3D-Drucker über
­Hologramme und implantierte Sen­
soren bis zu emotionalen Robotern
und intelligenten Küchen – belohnt.
In Zukunft kann mit allem kommu­
niziert ­werden, macht Trendforscher
Nils Müller unmissverständlich klar.
Wer dann noch nicht in der Zukunft
angekommen ist, dem wird kurzer­
hand eine Oculus-Rift-Brille auf­
gesetzt.
„Irgendwie beängstigend, aber
doch ziemlich cool“, so lautete die
Rückmeldung des Publikums. Auf
der Multimedia-Bühne läuft die per­
fekte Show und wird Eindruck ge­
macht. Dass die Gadgets dabei nicht
bloße Spielerei sind, darüber und
über ihren sinnvollen Einsatz oder
gar Businessmodelle wird nicht ge­
sprochen. Und auch nicht darüber,
wo die Menschen in dieser Zukunfts­
vision, die nun komplett automati­
siert und technisch gesteuert wird,
vorkommen werden.
Fragen, die wohl erst
die Zukunft beant­
worten wird.
Claudia
Tschabuschnig ist
Redakteurin bei
Horizont. © privat
PR-Denglisch
at its best
Kommentar von
Timo Niemeier
Kennen Sie das? Sie haben ein Inter­
view transkribiert, mit Mühe alle Hasp­
ler und „Ääääh“s herausgefiltert, das
Wichtigste auf wenige Zeilen he­
runtergebrochen, und dann der bange
Moment: Gleich schicken Sie den Text
an die Pressestelle zum Autorisieren.
Sie wissen, dass Sie das Interview so
nie wieder zurückbekommen. So ist es
ja irgendwie immer, auch bei mir.
HORIZONT No 24
Stiller
Zusammenhalt
Editorial von Birgit Schaller,
stellvertretende Chefredakteurin
© K. Michalski
S
ie könnte von der Medienbranche als
Etappenerfolg verbucht werden, die
Novelle zum Urhebergesetz inklusive
Leistungsschutzrecht für Verleger. Bis 12. Juni
wurde begutachtet, dann soll sie vor der Som­
merpause des Parlaments beschlossen wer­
den. Doch die Reaktionen der Medienhäuser
lassen auf sich warten. Von HORIZONT für
die Titelgeschichte befragt, wird lieber ge­
schwiegen oder auf den Verlegerverband VÖZ
verwiesen. Selbst dieser hat bis dato keine of­
fizielle Aussendung verfasst und reagierte nur
auf Nachfrage. Einzig Verleger Eugen A. Russ,
der wie andere Medienmacher in vielerlei
Hinsicht und geschäftlich erfolgreich mit
Google kooperiert, findet „den Vorstoß wich­
tig, auch im europäischen Kontext“. Es geht
also vor allem um das Zusammenhalten ge­
gen die amerikanischen Konzerne. Es ist
sichtlich nicht leicht mit so einem „Frenemy“.
Google macht indessen deutlich, dass auch in
Österreich, wie in anderen europäischen Län­
dern, kein Geld für das Anzeigen von Sucher­
gebnissen fließen werde und lässt Rechtswis­
senschafter Nikolaus Forgó aufmarschieren,
der bereits im Vorjahr ein Gutachten für
Google erstellt hat. Seine Aussage: Das Gesetz
sei ein Versuch der Old Economy, der den Me­
dienmarkt komplizierter mache und Google
stärken werde. Man wird sehen. Aufgeregt ist
die Branche jedenfalls, wenn auch meist hin­
ter vorgehaltener Hand. Die ehemalige der­
standard.at-Redakteurin Anita Zielina, nun
Meistens sind die Änderungen, die
die Pressestelle wünscht, auch okay.
Manchmal aber muss ich schon stau­
nen, welche abstrusen Formulierun­
gen die PR-Verantwortlichen dann
hinzufügen. Schon lustig zu sehen,
wie sie sich verzweifelt abstrampeln,
durch die eine oder andere Formulie­
rung besser dazustehen. Sie unter­
streichen dann gerne ihren Unique
Selling Point (USP) oder ihre Advan­
tages. Oder noch besser: ihren Home­
turf. Genau. Hometurf. Und nein, das
ist nichts zu Essen. Das soll so etwas
bedeuten wie Heimvorteil. Das sollte
man kennen, schauen ja genug Men­
Chef-Redaktorin Neue Produkte der Schwei­
zer NZZ, twitterte mit Blick von außen: „Die Ö.
­Urheberrechtsnovelle/LSR ist einer der dilet­
tantischsten Gesetzesentwürfe, die ich seit
­langem gesehen habe.“ (sic) Worauf VÖZ-­
Pressesprecher Andreas Csar
sichtlich aufgebracht re­
Einer kommt
agierte: „Beeindruckend. Da
der andere
gibt’s Juristen, die analysieren
seitenlang für und wider der geht. Ist das der
komplizierten Materie. Ihnen
Lauf der Dinge?
reichen 140 Zeichen.“ (sic)
Ob der Vorstoß in Sachen
LSR an der digitalen Marktdominanz von
Google etwas verändern wird, ist fraglich.
Rechtens wäre es jedenfalls, wenn kreative In­
halte, deren Urheber und Verwertung ge­
schützt würden. Die Umsetzung in einer digi­
talen Welt scheint schwierig. Der in den USA
tätige Werber Amir Kassaei, der es mag zu po­
larisieren, merkte kürzlich zu HORIZONT an
(das Interview erscheint in HORIZONT 25):
„Die neuen Technologieunternehmen werden
die Medienindustrie plattmachen und die
Werbeindustrie ebenso. Das ist der Lauf der
Dinge in der Geschichte der industriellen Re­
volutionen. Einer kommt, der andere geht.“ Für
die Branche bleibt zu hoffen, dass das Näher­
rücken der österreichischen und europäischen
Verlagshäuser ein gemeinsames Vorgehen er­
möglicht. Nicht, um die alte Welt zu erhalten,
sondern um gesetzlich Klarheit und in Zukunft
mehr Raum für Innovationen zu schaffen.
schen Fußball. Aber nein, es muss
Hometurf sein.
Nur damit es alle Männer und
Frauen in der PR wissen: Das will au­
ßer euch niemand lesen. Niemand
kann etwas mit abgehobenen PR-Be­
griffen anfangen, die man nach dem
Lesen erst einmal nachschlagen muss.
Und die Leser? Die kugeln sich ver­
mutlich vor Lachen auf dem Boden,
wenn sie sehen, welchen englischen
Begriff die PR-Fachleute nun wieder
ins Deutsche überführen.
Nein, das tut niemandem gut. We­
der den Unternehmen, die sich mit
den gestelzten Formulierungen nur
selbst lächerlich machen, und auch
nicht den Journalisten, denen da­
durch ein guter Text verloren geht. Die
Leser haben ohnehin keinen Home­
turf von denglischen Möchtegern-­
Begriffen: Sie wollen verstehen, was
sie lesen.
Timo Niemeier ist
Redakteur bei Horizont und muss
das ein oder andere
Mal seine Interviews „changen“
lassen. © privat
Aufständische und
Gamsbartträger
Medienwelten sind anders: schöner,
hässlicher, bedeutsamer, nicht ganz so
banal wie das täglich haptisch Erleb­
bare. Sie berühren nicht, sie rühren.
Die Aufständischen, best organi­
sierte Kleinbürger mit Gulaschküchen
und mobilen Toiletten, haben sich
nach Bayern begeben, um gegen den
Gipfel der G7 zu protestieren, der im
klassisch-idyllischem Schloss Elmau
tagte, mit allen Requisiten, die die
­bayrische Folklore zu bieten hat. Alp­
hörner, Gamsbarthüte, Blaskapellen,
Biergarten, Weißwürste und – angeb­
lich – alkoholfreies Weizenbier.
Beschlossen wurden Zynismen und
geboren wurde ein neues Schlagwort,
das rasch Mode machen wird: Entcar­
bonisierung der Energieproduktion
bis Ende des 21. Jahrhunderts. Wenn
Politiker, deren Horizont normaler­
weise über vier bis fünf Jahre nicht hi­
nausgeht, Beschlüsse bis ins Jahr 2100
fassen, glaubt man, dass sie endgültig
die räumlichen und zeitlichen Dimen­
sionen verloren haben, oder nichts
mehr erst nehmen. Entcarbonisierung
klingt gut. Die Medien berichteten un­
kritisch wie lange nicht, mit Ironie bis­
weilen, es gab die üblichen Vorwürfe,
300 Millionen Euro würden sinnlos
beim Fenster hinausgeworfen.
Das eigentliche Beeindruckende
war die Begegnung der bayrischen Be­
völkerung mit den Demonstranten,
die sich mit Topografie und Wetter
konfrontiert sahen. Sich durch eine
Polizeiarmada verirrten, die gelernt
hat und Scheinoffenheit zeigte. Dazu
kam ein gewaltsames Gewitter.
Dafür: keine Gewalt, sondern Be­
wunderung durch die Bevölkerung,
die die „Herren und Damen Demons­
tranten“ wie Exoten betrachtete –
wundersam bekleidete, tätowierte, ei­
gentlich anständige Menschen, die
fröstelten, gesittet und gut erzogen.
Man versorgte sie mit Decken und
hätte sie – wären die meisten nicht ve­
gan – wohl auf Krauthaxn oder Weiß­
wurst eingeladen.
Die Abschlussdemo wurde abge­
sagt. 500 Aufrechte waren doch zu we­
nig. Der Gipfel der G 7 ist vorbei, es gab
Tausende Bilder mit Obama und Mer­
kel vor Postkartenkulisse. Reklame für
das Urlaubsparadies. Sogar Demoteil­
nehmer haben für das kommende Jahr
gebucht. Als Touristen und LOHAS.
Es gab 20.000 Polizisten, die Geld in
den Hotels ließen, Demonstranten,
die weder verwüstete Landschaften
noch zerstörte Autos und Schaufens­
ter hinterließen, ihre Klos brav wieder
mitnahmen, die Suppenküchen ein­
packten und resümieren konnten,
dass sie erfolgreich gegen den globa­
len Kapitalismus agiert hatten.
Die Medien hatten Stoff – vom Bou­
levard bis zu den Qualitätszeitungen,
die herrliche Feuilletons schreiben
konnten. Und die TV-Stationen, die
fröhliche Bilder ausstrahlten.
Und die Geschichte zeigte ihre
Fratze: Die Selbstzähmung der Auf­
ständischen. Die Demonstration des
Kleinbürgertums, das sich in seiner
ideologischen Bravheit demaskierte.
Wir waren da. Die Systemgegner als
Exoten. Mittlerweile sind sie liebevoll
aufgenommen. Der Kapitalismus
saugt sie alle auf: manchmal auch lie­
bevoll. Jetzt wird entcarbonisiert. Auf
Deutsch traut sich das kein Politiker zu
sagen: Keine Kohle mehr. Das würde
vielleicht falsch aufgenommen. So ist
Politik. Entideologisiert.
12. Juni 2015
Aktuell
Marketing · Werbung · Medien
05
Wirtschafts-Expertise
für Kommunikatoren
Symposium an der FH St. Pölten zu Wirtschafts- und Finanzkommunikation war
Vorbote eines künftigen Studiums dazu und thematisierte auch ,Financial Literacy‘
© B. Covarrubias Venegas
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Wirtschaftliche Analphabeten
Das Symposium zum Thema und
seine Fortsetzungen sind Vorboten
des Studiengangs und eine Plattform
für aktuelle Forschung zu vielen Themen dieses Bereichs wie z.B. des aktuellen Forschungsprojekts der FH St.
Pölten mit der Hochschule Luzern
über financial literacy. Es fehle ja nicht
nur manchen Medien-Experten die
Fähigkeit, Geschäftsberichte und Jahresabschlüsse zu verstehen. Kovarova-
Erwartungshaltung“ aufkommen: „Finanz- und Wirtschaftsjournalismus
wird auch künftige Krisen nicht verhindern können – genauso wie man
nicht verlangen kann, dass Politikjournalismus Kriege verhindert.“
•
6
6
Von der Causa Hypo bis zur Griechenland-Schuldenkrise: Wirtschaftsthemen sind medial dauerpräsent. Doch
verstehen Konsumenten, worum es
dabei im Kern geht? Und wenn nicht,
liegt das vielleicht auch etwas an den
damit befassten Journalisten? Dass
Wirtschaft in jüngerer Zeit medial
mehr Raum einnimmt, kann Monika
Kovarova-Simecek bestätigen. Die Dozentin am Department Medien und
Wirtschaft der FH St. Pölten war auch
Leiterin des hochkarätigen Symposiums
„Wirtschaftsund
­Finanzkommunikation“ in St. Pölten,
das am 11. Juni e­ rstmals stattfand.
Eine Neuauflage 2016 ist schon
­fixiert. Denn, so Kovarova-Simecek:
„Wirtschafts- und Finanzkommunikation hat immer stärkere gesellschaftliche Implikationen. Das sieht man
nicht zuletzt daran, dass jeder Wirtschafts- und Finanzkrise eine Diskussion über die Rolle genau jener Akteure folgt, die für die Kommunikation
verantwortlich sind, nämlich der Journalisten, der PR-Experten und RatingAgenturen.“ An der Schnittstelle
­obliegt den Kommunikatoren das Informieren und Orientieren wie auch
das Aufdecken. „Es besteht aber eine
gewisse Lücke zwischen dem Interesse an Finanznachrichten, den Fähigkeiten, die Zusammenhänge zu verstehen und sie darzustellen“, konstatiert die Wirtschaftswissenschaftlerin,
die auch Geschichte und Kommunikationswissenschaften studiert hat:
„Börsenberichterstattung, die sich
oberflächlicher meteorologischer Metaphern bedient, trägt nur wenig zur
Aufklärung bei.“
In diese Lücke wird die FH St. Pölten im Jahr 2017 mit einem neuen Ausbildungsangebot stoßen: Dann (die
Genehmigung eines Studienganges
vorausgesetzt) werden sich dort erstmals in Österreich 24 Studierende vier
Semester lang in Finanz- und Wirtschaftskommunikation ausbilden lassen können. Das Master-Studium ist
berufsbegleitend angelegt und man
will dual starten. Das heißt, dass zwei
Monaten Theorie ebenso viele Monate
Praxis folgen, in einer Redaktion oder
in der Kommunikationsabteilung einer Institution oder eines Unternehmens. Die Zielgruppen des geplante n
Studiengangs: Wirtschaftsexperten,
die ihre Medien- und Kommunikationskompetenz vertiefen wollen sowie
Journalisten und Praktiker aus PR und
Unternehmenskommunikation, die
sich auf Wirtschafts- und Finanzkommunikation spezialisieren wollen.
Simecek: „Wir stellen fest, dass auch
die jüngere Generation kaum über
grundlegendes wirtschaftliches Allgemeinwissen verfügt.“ Trotz mittelfristig besserer Ausbildung lässt Kovarova-Simecek aber keine „überzogene
Pe
rs
Text von
Harald Klöckl
Monika KovarovaSimecek, Dozentin
an der FH St. Pölten: Journalisten
fehle es oft an
der Fähigkeit,
wirtschaftliche
Zu­sammenhänge
darstellen zu
­können.
1 26 7 5 3
.at
06
Unternehmen
Interview von
Harald Klöckl
Marken · Märkte · Marketing
HORIZONT: Sie wollen kleine Unternehmer als Aussteller gewinnen. Angesichts vieler Events, wo sich etwa Startups präsentieren, wie gehen Sie das an?
Martin Roy ist seit 1. Jänner
Chairman und CEO von Reed
Exhibitions in Österreich.
HORIZONT: Herr Roy, Sie sind in der
Messestadt Dornbirn geboren und seit
2002 bei Reed Exhibitions. War es also
absehbar, dass Sie per Anfang 2015
CEO wurden?
Roy: Wir können uns erfolgreich der
Realität anpassen: Zum einen gibt es
in Österreich derzeit gerade einen
Wechsel in der Unternehmergene­
ration bei den KMU. Den Vätern muss
man das Tool Messe nicht erklären –
und die Jungen gewinnen wir mit
neuen Formaten oder genauen Messungen von Kontakten und mit speziellen Starter-Paketen. Reed unterstützt die Unternehmer ja sehr
umfassend, in Sachen PR, Marketing,
Standbau und vielem mehr. Bei jüngeren Themen sprechen wir etwa mit der
neuen Vienna Comic Con eine Community an, die mit ebenso viel Herzblut dabei ist wie die Modellbauer, für
die wir schon lange eine Messe haben.
Martin Roy: Nein, absolut nicht. Ich
bin sozusagen ein spät berufenes
­Messekind, war zuvor in ganz anderen Bereichen beruflich tätig, die
nichts mit Messen zu tun haben.
HORIZONT: Eine Ihrer bisherigen
Verantwortungen bei Reed war jene
für IT. Welche Rolle spielt diese, spielt
speziell die Digitalisierung für das traditionelle Messe-Business?
Roy: Sie ist Herausforderung und
auch die große Chance. Als ich 2002
zu Reed wechselte, meinten manche
HORIZONT: Wie vermarktet man das
Produkt Reed Exhibitions angesichts
­einer derartigen Vielfalt von Themen?
Im Netz allein funktionieren Messen nicht,
digitale Tools helfen
beim Matchmaking.
in ­meinem Umfeld, dass so etwas wie
Messen angesichts der damaligen
­Internet-Begeisterung keine Zukunft
haben, dass derartige Marktplätze
bald überholt sein würden.
HORIZONT: Was muss man tun,
­ amit das langfristig nicht passiert?
d
Roy: Die Digitalisierung betrifft das
Produkt Messe nicht wesentlich mehr
oder weniger als fast jedes andere
Produkt oder jede andere Branche.
Der Geschäftserfolg basiert immer
noch stark auf persönlichem Kontakt,
analog sozusagen. Es ist natürlich
nicht mehr so, dass der Messebesucher immer noch mit ein paar Sackerln nach Hause geht. Heute kann
man, speziell bei Fachmessen, wo
sich der Besucher vorab registriert,
diesem lange vor, während und nach
dem Messebesuch ein umfassendes
Service anbieten.
HORIZONT: Wie sieht das im Idealfall aus Sicht des Veranstalters aus?
Roy: Etwa, dass man ihn zu jenen Anbietern, die für ihn besonders interessant sind, vermitteln und auch einen
Termin mit einem Aussteller vereinbaren, ihn beim Flanieren auf der
Messe mit einem Routenplan unterstützen und ihm währenddessen digital Infos zukommen lassen oder
auch nach dem Messebesuch mit Informationen zu seinen Interessen
versorgen kann.
HORIZONT No 24
Messe matcht
Anbieter und
Nachfrager
Martin Roy über die Rolle von Messen als
Marketinginstrument in Zeiten der Digitalisierung
und über die Diversifizierung bei Reed Österreich
HORIZONT: Wie haben sich Publikumsmessen gewandelt, welche Rolle
spielt die Digitalisierung da?
Roy: Jeder kann sich, weil er sich ja
nicht registrieren muss, im Vorhinein
umfassend über die Messe schlau machen, einen Newsletter abonnieren
oder ganzjährig Infos beziehen. Im
Grunde geht es immer darum,
­Angebot und Nachfrage optimal zu
verbinden, Matchmaker zu sein. Die
Tools der digitalen Welt erleichtern
das. Eine reine Messe im Netz würde
nicht erfolgreich sein, denn da fehlt
der unmittelbare Benefit, das Per­
sönliche.
HORIZONT: Ist diese Sammlung von
Daten und deren Nutzung nicht für
manche Kunden auch problematisch?
Reed Exhibitions,
mit Sitz im United
Kingdom, veran­
staltet jährlich rund
500 Events in 42
Ländern und quer
über alle Branchen
der Wirtschaft. Der
neue ÖsterreichCEO Martin Roy ist
seit 2002 bei Reed
und war unter an­
derem beim Markt­
eintritt in Russland
führend tätig.
© K. Michalski (2)
Roy: Wir haben in Österreich, und
ich kann das durchaus sagen, denn
der Reed-Konzern ist auf der ganzen
Welt präsent, eines der strengsten
Datenschutzgesetze überhaupt. Außerdem gibt der Kunde seine Zustimmung und ein Opt-out ist jederzeit möglich. Unternehmer stellen
meist gerne ihre Daten zur Verfügung, denn sie verstehen den Benefit
aus unseren Dienstleistungen sehr
gut. Aber auch Private haben meist
kein Problem damit. Wir betreiben ja
erstens kein Geschäft mit der Information und zweitens geben viele
Menschen im Privatleben etwa auf
Social Media oder auf Amazon längst
bewusst Informationen zu ihren
Konsumgewohnheiten preis.
HORIZONT: Reed Exhibitions ist ein
globales Unternehmen, Österreich ein
kleiner Markt. Welche Entwicklungen
oder Tools werden zu uns kommen, die
anderswo Alltag sind?
Roy: Österreich ist bei Reed viel wichtiger, als man glauben mag. Unter den
43 Ländern liegen wir vom Umsatz
her auf Rang sechs, entsprechend ist
auch das Standing im Konzern. Wir
können daher mitbestimmen, wohin
der Kurs geht. Ein weiterer Riesenvorteil, ein gewichtiger Teil dieses Kon-
Österreich hat
im gesamten
Reed-Konzern einen
sehr hohen
Stellenwert.
zerns zu sein, ist es, dass Investitionen für Forschung, die oft im
zweistelligen Millionenbereich liegen, schnell nach Österreich durchschlagen, dass also dem Kunden Leistungen angeboten werden können,
die andere kommunale Veranstalter
rein vom Aufwand her nicht bieten
können.
Roy: Wir haben unsere eigene Marktforschung und eine New-BusinessAbteilung im Haus, um neue Themen
und Konzeptionen zu finden. Man
muss ja der Zeit voraus sein, wenn
man eine Messe veranstaltet, die Entwicklungen in der Bloggerszene und
in Social Media beobachten, die klassischen Medien sowieso. Wir haben
rund 250 Printmedien abonniert,
großteils Fachmedien aus den rund
40 Branchen, wo wir tätig sind. Mit
diesen Branchen, mit den Innungen,
den Fachverbänden und den Journalisten sind wir in intensivem Kontakt.
Unser größtes Asset ist dabei sicher
die Firmendatenbank, die wohl eine
der umfassendsten in Österreich ist.
Reed als Marke selbst wird nicht primär vermarktet. Im Fokus stehen die
jeweiligen Messe-Brands.
HORIZONT: Wie abhängig ist das
Messegeschäft von der Konjunktur?
Roy: Wir sind sicher ein Spiegelbild
der Konjunktur, unsere Leistungen
werden ja von den Marketingbudgets
der Unternehmen bestritten. Andererseits ist in vielen Branchen Österreichs
Wirtschaft von kleinen und mittleren
Unternhemen dominiert, deren wichtigster und oft einziger Absatzkanal
Messen sind. Daher ist unser Messegeschäft auch in turbulenteren Zeiten
gut abgefedert. Ein weiterer Vorteil im
Messegeschäft ist, dass wir standortgebunden agieren können, nicht nur
in Wien oder Salzburg aktiv sind, Das
Publikum selbst kommt meist aus einem Radius von 150 bis 200 Kilometern. In Salzburg, der Fachmessehauptstadt Österreichs, sind wir bis
weit nach Bayern oder nach Südtirol
relevant; in Wien in den Nachbarländern. Wir bieten über die Eigenveranstaltungen auch umfassende Dienstleistungen an und betreiben auch die
Messe Wien selbst, servicieren dort
Kongresse mit 20.000 und mehr Besuchern. Letzteres stabilisiert und ist
auch eine große Wachstumschance.
HORIZONT: Wie geht das am Standort
Österreich, der laut Rankings, etwa zu
Wettbewerbsfähigkeit, eher verliert?
Roy: Wir sind Unternehmer, daher
mit neuen Steuern naturgemäß nicht
glücklich. Aber ich war bei Reed lange
für unser Schwesterunternehmen in
Russland tätig, dort ist die Konjunktur
wirklich massiv weggebrochen, ähnliches passierte in Spanien oder Brasilien. Da jammert man bei uns vergleichsweise auf hohem Niveau. •
12. Juni 2015
Unternehmen
Marken · Märkte · Marketing
07
,Arbeitslos gemeldet,
arbeitet aber schwarz‘
FMP Talk: ‚Wem gehören die gesammelten Daten und wie funktioniert Targeting?‘:
Mancher wünschte sich ‚mehr Liebe und Investment in Kreation‘
Text von
Herwig Stindl
Der Handel mit Daten, formuliert
Moderator und FMP-Vorstandsmitglied Stephan Kreissler, ist das „neue
Gold“. Kreissler muss das wissen, er
war bis September 2014 Digital Director bei der MediaCom und ist
seither für Partner Management
beim Targeting- und PerformanceSpezialisten twyn group zuständig.
Er hat für die Keynote zum FMP-Talk
über „Wie funktioniert Targeting“
gleich seinen Nachfolger geladen:
Thomas Urban leitet seit August 2014
die Interaction, die digitale Strategie-Unit der MediaCom.
Urban erläutert Targeting (das Teil
und Voraussetzung von „Programmatic“ respektive RTA und RTB ist): Targeting summiert mit Datensammeln
und Auswertung und Hochrechnen ist
die Grundlage der „Profilierung“ der
Internetnutzer, um ihnen gezielt (und
womöglich in Echtzeit) möglichst exakt auf sie abgestimmte (Werbe-)Botschaften zuzuspielen. Urban: „Wir
sind weg von der Schrotflinte – wir
sind Scharfschützen.“ D
­ aten zu Usern
(richtiger: deren IP-Adresse) kommen einmal vom Adserver, zum zweiten von der – das ist personenbezogen – Registrierung von Usern etwa
bei E
­ -Mail-Anbietern, Newslettern
oder im E-Commerce und drittens
einfach durch Beobachten (etwa
Widgets auf Facebook oder Browsereinstellungen und immer beim Surfverhalten im ­E-Commerce-Bereich).
Urban unterscheidet zwischen User
und Audience Targeting, Look-alikeTargeting (Bildung von statistischen
Zwillingen) und Behavioral Targeting
– allesamt qua Datensammeln des
Users generiert – und Publisher- und
Kampagnen-Daten. Damit sei eine
gezieltere, individuellere Ansprache
möglich. Aber, unterstreicht Urban
eine Voraussetzung: „Ich als Mediaagentur würde mir mehr Liebe und
Investment in Kreation wünschen“ –
wenn die nicht mit den TargetingMöglichkeiten mitvariiert, funktioniert die „Conversion“ nicht.
Targeting und Selbstbestimmung
Kreissler hatte auf das Podium gebeten: Martin Hubert, CEO des Targetingspezialisten nugg.ad, Alexander
Gänsdorfer, Senior Brand Manager
New Business der T-Mobile Austria
und verantwortlich für Big Data, Media Sales und Cooperations, Niko Alm
(Super-Fi und Neos-Mediensprecher)
sowie den Schweizer Facebook-Beratungsspezialisten Thomas Hutter. Hubert weiß: „Wir sind beim Thema Daten noch in einem frühen Stadium!“
Berater Hutter fordert, in Anlehnung
an Urban, dass gerade beim Targeting
„die Kreativität an die Zielgruppe angepasst sein muss“ und diese daher
exakt zu beschreiben sei. T-MobileGänsdorfer hat gerade für Mobil­
geräte ein Targeting-Tool vorgestellt,
das – der große nächste Schritt –
„Cross-Device Targeting“ weitertreiben soll. „Informationelle Selbst­
bestimmung“ mahnt Niko Alm ein.
Hutter fordert eine „Opt-out-, nicht
Opt-in-Regelung“ – der User müsse
eigenverantwortlich handeln. Auf
Gänsdorfers Feststellung „Daten haben einen wirtschaftlichen Wert“ sagt
Hutter den Satz des Abends: „Adblock-User sparen zwar Datenmen-
gen, zerstören aber die Wirtschaftsgrundlage – das ist ein Verhalten wie
sich arbeitslos zu melden und da­
neben schwarz zu arbeiten!“ •
Videos zur Veranstaltung gibt es auf
www.forummediaplanung.at.
Ananas — so wurde die neue Trophäe des
Medien-Zukunftspreises schon oft genannt. Diese Betitelung stellt aber keinesfalls eine Verleumdung dar, legte
doch auch die Ananas — anfangs in Europa noch völlig unbekannt — nach ihrer
Entdeckung durch Christoph Columbus
eine beispielhafte Erfolgsgeschichte hin.
Ob die Frucht nun als Vorbild für die
Schöpfer des Preises fungierte, sei dahingestellt. Fest steht nur, dass er seit
2014 an die innovativsten Projekte und
Personen der Medienbranche verliehen
wird. So weit zum Preis. Fehlen uns nur
noch die Preisträger.
JETZT
EINREICHEN!
medienzukunftspreis.submit.to
BIS 22. JUNI
FMP-Podium „Wem gehören die Daten?“: Thomas Hutter (Hutter Consult
GmbH), Niko Alm (Neos/Super-Fi), Thomas Urban (MediaCom), Stephan
Kreissler (twyn group), Thomas Hubert (nugg.ad), Alexander Gänsdorfer
(T-Mobile). © C. Breneis
08
Unternehmen
Marken · Märkte · Marketing
HORIZONT No 24
Werbung 2025:
real-time, smart
und als Service
Mit seiner multimedialen Präsentation und futuristischen
Gadgets hat Nils Müller das Publikum der Jahreskonferenz
M2M Forum CEE direkt in die Zukunft katapultiert
Interview von
Claudia Tschabuschnig
Wummernder Bass. Lichtblitze auf
der Bühne erhellen den abgedunkelten Raum im Tech Gate Vienna. Ein
Countdown im Stil von „Zurück in die
Zukunft“ zählt zum Datum 9. Juni
2025. Von dort kommt Nils Müller, der
nun in der Gegenwart gelandet ist.
Komplett in Schwarz gekleidet läuft er
zur Bühne und entführt das Publikum
in seine Zukunft. Mit Oculus-RiftBrillen, Face Detection und Augmented Reality. Im Interview mit HORIZONT erklärt „Dr. Futura“, wie neue
Technologien die Zukunft des Marketings verändern, und nimmt uns mit
ins Jahr 2025, in dem neben synchronisierten Drohnen und smarten Häusern besonders der Kunde eine entscheidende Rolle spielt.
HORIZONT: Stichwort Big Data und
Data-driven Marketing: Wo sehen Sie
Chancen und Schwächen für die Zukunft des Marketings?
Nils Müller: Durch das Internet der
Dinge und Sensorik hat man jetzt alle
möglichen Daten überall drin. Am
Beispiel des Interactive Retail bedeutet das: Du kannst die Leute tracken,
ihre Devices tracken, und der Point of
Sale weiß, wer das ist. So haben wir in
der physischen Welt dasselbe Tracking wie in der digitalen. Das ist ein
großer Shift. Bisher ist die physische
Welt eher analog und entkoppelt von
der digitalen Welt. Das heißt, ein Werbeplakat weiß bisher nicht, wer davor
steht, weiß momentan noch nicht,
wie viele Leute da vorbeigehen. Das
wird sich jetzt alles ändern. Die phy­
sische Welt ist in Zukunft genauso
messbar wie die digitale.
Wer ist Dr. Futura?
Nils Müller ist Trendforscher und Geschäftsführer von Trendone. Im IBM
Innovation Center gestartet, führte
ihn sein Masterstudium nach Berlin,
New York und Mailand. Trendone hat
er 2002 gegründet. Eine Firma, die Micro-Trends identifiziert und analysiert. Dafür sind 80 Trendscouts im
Einsatz, die monatlich 1.500 Trends
aufspüren. In seinen multimedialen
Präsentationen zeigt der selbst getaufte „Dr. Futura“ einen Blick in die
Zukunft, macht seine technologischen Funde erlebbar und präsentiert
dabei Technologien, die selbst ihn
zum Staunen bringen. Am M2M Forum war das zum Beispiel ein Video
von einem Roboter, der durch YouTube-Videos kochen lernt.
HORIZONT: Technologische Entwicklung verknüpft mit Verhaltens­
daten der Kunden – was bedeutet das
für die Werbung der Zukunft?
Müller: Man kann genau messen, wer
der Kunde ist und wofür er sich inte­
Wir haben in
der physischen
Welt dasselbe Tracking wie in der
digitalen Welt.
ressiert. Dadurch haben wir „Predictable Intelligence“. Das heißt, wir können genau sehen, wer ist das, was das
Richtige für ihn ist und was er als
nächstes machen wird. Dadurch wird
Real Time Advertising sehr wichtig.
Dass die Intelligenz aus den Daten sofort in das Verhalten einfließt, haben
wir dann auch in der physischen
Welt. Ich gehe also hier in Zukunft an
dem digitalen Plakat vorbei und das
weiß, wer ich bin, welche Leute da
noch so sind, in welchem Kontext ich
bin – und es kann mich personalisiert
in Echtzeit mit den richtigen Botschaften ansprechen. Was sich dann
für Werbung ändert, ist, dass sie zum
Service wird. Denn wenn ich weiß,
wer das ist, dann spreche ich ihn
nicht irgendwie an – im Sinne von
„one to many“ – sondern spreche ihn
personalisiert an. Im Onlinebereich
findet das bereits statt. Das Retargeting ist aber noch sehr fehlerhaft. Ich
kaufe zum Beispiel Schuhe von Hugo
Boss, und tagelang später werde ich
noch mit den Rabatten verfolgt und
ärgere mich die ganze Zeit, dass die
dann plötzlich günstiger werden. Das
positive Real Time Advertising ist profile- und context-based und das ist in
der realen Welt natürlich total spannend, da man den Kontext kennt,
weiß, wer das ist, in den Kalender
schauen kann, was er vorhat, weiß,
mit wem er gerade unterwegs ist, wo
er gerade ist, wie die ganzen Kontextfaktoren sind, und kann dann natürlich Informationen, Daten und Werbung individuell aussteuern. Dann
wird sie zu Service.
HORIZONT: Wenn meine Marke zum
Trend werden soll, worauf muss ich
dann achten?
Müller: Auf eine konsequente Ausrichtung an die Kundenbedürfnisse.
Man muss sehr genau hinschauen,
wie sich die Menschen verhalten.
Durch die gewonnenen Insights finde
ich heraus, wo die Bedürfnisse der
Menschen liegen und nutze dann die
neueste Technologie, um das möglich
zu machen.
HORIZONT: Ist die Bereitschaft der
Menschen da, ihre Daten zu teilen?
Müller: Ja natürlich! Das sieht man ja
an WhatsApp, wo Millionen von
Usern dabei sind, weil es erstens umsonst ist und zweitens es ihnen doch
irgendwie egal ist, was mit ihren Daten passiert. Ich finde, das Verhalten
zählt. Die Leute sagen zwar, dass ihnen ihre Daten wichtig sind, aber sie
verhalten sich komplett anders.
HORIZONT: Gerade im Marketing
der Zukunft werden Data Analysts
­immer wichtiger. Wie werden sich die
Strukturen im Marketing verändern?
Müller: Im Marketing ist natürlich
Mediaplanung ein Riesenthema. Da
geht es darum, dass die Mediaagenturen an einer Schlüsselposition in
Richtung Real Time Advertising sitzen. Sie kommen aus ihrer alten Welt
mit Excel-Tabellen und Milliarden im
Media-Budgetplan, und jetzt ist die
neue Welt schon da, wo es um Echtzeit, kleine und smarte Placements
geht. Da müssen sich die Mediaagenturen neu erfinden und haben dann
natürlich eine Riesenchance, im
Smart Targeting zu dominieren und
dann auch die Kreativagenturen zu
dominieren, denn die Kreativagenturen müssen ja dann die richtige Idee
zur richtigen Person, zum richtigen
Moment liefern.
HORIZONT: Sie kommen aus dem
starken Kreativ- und Medienstandort
Hamburg. Wie schätzen sie die Innovationsfähigkeit in Österreich ein?
Müller: Ich finde Österreich im Bereich der Innovation schon ganz gut.
Einerseits gibt’s die Start-up-Szene
wie mit den Pioneers. Das ist schon so
eine Art europäischer Hub von Startups und ergibt somit eine super Positionierung allein durch diese Sache.
Dann aber auch Konzerne und mittelständische Unternehmen, die sich
auch innovationsmäßig aufstellen.
Wenn diese beiden Welten noch stärker zusammenfinden, wird das
glaube ich sehr gut sein. Erstens für
die Konzerne, weil die von den Startups das Disruptions-Thema lernen
können. Konzerne sind zwar gut bei
kontinuierlichen Verbesserungen.
Eine Bank Austria oder UniCredit
Austria hat jahrelang gelernt, ihr Portfolio Schritt für Schritt zu verbessern,
aber dann kommt halt ein Start-up
mit Mobile Payment und dreht den
ganzen Markt um. Das müssen die
Konzerne von den Start-ups lernen.
Und Start-ups können umgekehrt
von den Konzernen lernen, wie sie zu
Geld kommen, zu Kunden. Sie können schon gut zusammenarbeiten.
Trendforscher Nils Müller versteht es, sich und sein Thema zu
präsentieren. Im 19. Stock des Tech Gate Vienna erklärte er
anschaulich, wie Marketing 2025 aussehen wird. © P. Faschingleitner
eHORIZONT: Dafür ist auch Offenheit notwendig. Was ist das Hauptproblem in diesem Zusammenhang?
HORIZONT: Was ist dann innovationsstrategisch sinnvoll? Mit Externen
in bestehende Strukturen eingreifen?
Müller: Die Unternehmenskultur
und die „Erfolgsfalle“. Wir hatten in
allen möglichen Industrien in den
letzten 50 Jahren erfolgreiche UnterUnternehmen, wie Banken, Automobilkonzerne und Medienhäuser.
Wenn man als Unternehmen 50 Jahre
erfolgreich ist, wird man „fett“, baut
riesige Headquarters. Wenn nun
Konzerne, egal welcher Branche,
ewig lange erfolgreich sind und sich
dann plötzlich das Konsumentenverhalten ändert und zum Beispiel keiner Papierzeitungen mehr liest, dann
sind sie zu langsam, um sich zu
­ändern und anzupassen.
Müller: Ja, auch. Einerseits Externe
reinzubringen, die Innovation machen, aber das ist oft schwierig. Deswegen muss man die Innovation
rausnehmen und in einen Inkubator
stecken, wo es freien Raum gibt und
Start-ups mit Programmieren innovieren können. Wenn das Ergebnis
dann passt, kann man das zurück in
das Unternehmensportfolio integrieren oder eine neue GmbH gründen,
die dann vielleicht auch zum Unternehmen gehört. In uralte Konzerne
Inkubatoren einzusetzen, ist eine Innovationsstrategie, die dann auch
funktioniert. •
Medien
Print · TV · Hörfunk · Plakat
12. Juni 2015
,Wenn Werbung,
dann Mittelpunkt‘
Boys & Girls ziehen
in das Model-Loft
im DC Tower ein,
mit dem Ziel, ihrem
Traum vom Top­
model-Dasein ein
Stück näher­
zukommen.
IP Österreich präsentiert bei Kinderwelten Studie zu
Super RTL und Werbeakzeptanz von Kindern
Er hat bereits einen Vertrag
mit Versace in der Tasche:
„ANTM“-Oliver Stummvoll.
© R. Boehm
© Versace
Top-Partner für
Topmodel-Show
Am 15. September startet ‚Austria’s Next Topmodel Boys & Girls‘. Das Format ist
im TV, für die Puls 4-Website und die Puls4-Kooperationspartnern ein Highlight
Die Sendung ist inzwischen einer der
Top-Quotenbringer von Puls 4. Der
österreichische Sender der Pro­
SiebenSat.1-Puls 4-Gruppe setzt daher ab 15. September bereits zum
siebten Mal auf „Austria’s Next Topmodel“ und zum zweiten Mal auf
männliche wie weibliche Kandi­daten.
Das Format, vom amerika­nischen
Model Tyra Banks 2004 ­gegründet
und von Heidi Klum erfolgreich nach
Deutschland exportiert, sorgt auch
auf Puls 4 für verlässliche Quoten um
die 120.000 Zuseher je Sendung,
Marktanteilen in der Zielgruppe 12
bis 49 von rund zehn Prozent und
brachte mit rund 1,8 Millionen Video
Views allein bei der letzten Staffel viel
Traffic auf die Puls 4-Website. Das
Format lockte auch eine Reihe starker
Werbe- und Kooperationspartner für
den österreichischen Privatsender
an. Nach Larissa Marolt, die 2009 die
erste österreichische Staffel der
­Model-Show für sich entscheiden
konnte, vor allem aber als Zicke in
RTLs „Ich bin ein Star – Holt mich hier
raus!“ für Aufsehen sorgte, freut sich
die Führungscrew von Puls 4, Markus
Breitenecker und Michael Stix, seit
Kurzem über den diesjährigen Sieger
Oliver Stummvoll, der kürzlich von
Donatella Versace entdeckt wurde. So
startet die Show Mitte September
diesmal mit 19 Folgen, die letzte findet live statt, mit je zehn weiblichen
und männlichen Models. Kennenlernen kann man sie bereits seit 4. Juni
09
auf puls4.com. Bereits jetzt können
Fans für Ihre liebsten Models und Favorites zu jedem neuen Shooting, also
alle drei Tage, voten und so bis zum
Start der Staffel schon mitbestimmen.
Zum Start flimmert auch in der
­gleichen Woche das erste Match der
Europa League, die die auslaufende
Champions League als reichweitenstärkstes Format auf Puls 4 ersetzen
wird, über den Bildschirm. Während
der Ausstrahlung der „ANTM“-Sendungen können sich Österreicher
auch wie die „ANTM“-Kandidaten
digitalen Challenges stellen und
Preise gewinnen. Dass „ANTM“
auch auf Instagram und Facebook
­soziale Interessen nährt, versteht
sich von selbst. Neben Web-exklusiven Geschichten, wie dem aktuellen
Voting, wird auch Blogging zum
Thema werden, „um einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen“.
DC Tower mit Model-Loft
Das spannende an ANTM sind aber
die vielfältigen Möglichkeiten der
Einbindung für Unternehmen. So
wird etwa das Model-Loft im neuen
DC Tower 1 an der Donau als
­„höchstes Gebäude mit Weitblick“
die schönsten Mädels und Burschen
des Landes beherbergen. Für das Interior-Design zeichnet Andi Lackner
verantwortlich. Jury und Team wohnen im Mélia Vienna Hotel, ebenso
im DC Tower und im Pentahotel im
fünften Bezirk. „Ein Gebäude muss
authentisch und souverän wirken –
ich denke, das Gleiche gilt auch für
ein Model, das nach einer Weltkarriere strebt“, findet Thomas Jakoubek,
Vorstand der WED AG, Eigentümer
des auffallenden, schwarz gewellten
Wohn- und Geschäftsturmes. Der
Sieger oder die Siegerin wird als Cover-Model diesmal für Men’s beziehungsweise Women’s Health fotografiert. Wolfgang Melcher, Verlag Rodale-Motor-Presse, freut sich über die
Kooperation mit dem österreichischen TV-Format. Zu den weltweiten
Fashion Shows und Shootings fliegt
Partner Fly Niki die angehenden
Schönheiten. Auffallend im Bild sein
wird außerdem die sportliche RedEdition des Ford Fiesta, der in der
Sendung verlost wird. Zu weiteren
Partnern – es ist die höchste Sponsorendichte bisher – zählen Coca-Cola,
Römerquelle, Nespresso wie auch die
Kleidungsmarke Tezenis aus dem
Calzedonia-Konzern. Alle lassen gutes Geld bei Puls 4. Michael Stix, Mitglied der Geschäftsführung, möchte
keine konkreten Zahlen nennen; dass
die neue Staffel aber finanziell gut dasteht und der hohe Produktionsaufwand lohnt, scheint ­Realität zu sein.
„Durch ‚Boys & Girls‘ konnten wir die
Einbindungsmöglichkeiten erweitern“, informiert Stix. „Die Nachfrage
ist enorm gestiegen“. Der Vorteil der
Sendergruppe: Es gibt kaum Werbebeschränkungen wie im öffentlichrechtlichen Rundfunk.
bis
Das größte Außenwerbenetz Österreichs:
Das Universum ist
UNENDLICH!
Unsere Formate auch!
Ohne UNS ist es nur ein Plakat!
www.epamedia.at
TEL: +43/1/534 07-5260
IP-Österreich-Geschäftsführer Walter
Zinggl verbrachte am 2. Juni sehr gut
gelaunt einen lauschig-sonnigen Vormittag in der „Strandbar Hermann“:
Gründungsgeschäftsführer Claude
Schmit und Programmdirektor
­Carsten Göttel waren gemeinsam mit
Marktforscherin Birgit Guth aus Köln
angereist, um Highlights aus der alljährlichen „Kinderwelten“-Fachveranstaltung von Super RTL zu präsentieren. Die Gäste streuten den österreichischen Vermarktern Rosen: Wiewohl durch den Markteintritt von
Disney in Form des Disney Channel
Super RTL vor eineinhalb Jahren einen
Content-Partner verlor, sind in Österreich die Marktverhältnisse, wenn es
um TV für Kinder geht (drei bis elf
Jahre), stabil für den Marktführer Super RTL: Von Jänner bis Mai hält der
Kölner Sender 20,5 Prozent Marktanteil (6:00 bis 20:15 Uhr) vor KiKA, ARD
(17 Prozent), Nickelodeon Austria (8,2
Prozent) und Disney Channel (6,3 Prozent Marktanteil). Die Top Ten der
meistgesehenen Sendungen dominieren ausschließlich Super-RTL-Sendungen – allesamt Argumente für IPVerkaufsleiterin Simone Ratasich, bei
Werbung für unter Zwölfjährige auf
Super RTL zu setzen. Und die mögen
„ihr“ Programm, hat Christian Sattler,
Leitung Research der IP Österreich, in
einer eigenen „Kinderstudie 2015“
zum Fernsehverhalten von Kindern
erforschen lassen. Die Befragung fand
in Fokusgruppen von Kindern und Eltern im März 2015 in Kooperation mit
meinungsraum.at statt. „Fernsehen
zählt nach wie vor zu den beliebtesten
Freizeitaktivitäten von Kindern“, analysiert Sattler. Bei den Sechs- bis Zwölfjährigen spiele bereits die Onlinenutzung eine Rolle. Laut der Studie besitzen einige Kinder einen eigenen Computer oder ein Tablet beziehungsweise
nutzen die Geräte der Eltern. Zur Akzeptanz von Super RTL zitiert Sattler
eine Siebenjährige: „Dort läuft vieles,
was ich anschauen will, und nicht viel,
das ich nicht anschauen darf.“ 70 Prozent der Kinder seien zu Werbung positiv bis neutral eingestellt, „je älter,
desto höher ist die Werbeakzeptanz“,
sagt Sattler. Kinder wünschen neue,
abwechslungsreiche Spots und weniger Werbung für Erwachsene in ihrem
Programm – besonders beliebt sind
Spots für Spielzeuge, Filme, Computerspiele, Autos und für Lebensmittel.
Zur Rezeption erkennt Sattler: „Wenn
Werbung läuft, dann steht sie meistens
im Mittelpunkt.“ hs
Die Vorträge der Kinderwelten-Fach­
tagung sind auf www.ip-oesterreich.at/
unternehmen/events/kinderwelten2015 zum Download abrufbar.
Carsten Göttel (Super RTL), Simone Ratasich und Walter Zinggl
(IP Österreich), Birgit Guth und Claude Schmit (Super RTL),
Christian Sattler (IP Österreich). © K. Schiffl
10
Medien
Print · TV · Hörfunk · Plakat
Nils Oberschelp,
Geschäftsführer der
Gruner + Jahr-Tochter DPV, hielt auf
der ÖZV-Konferenz
in Wien zum Thema
„Neue Erlöse, stabiles Kerngeschäft“
einen Vortrag. Sein
Thema: „Wie werden Zeitschriftenverlage zu digitalen
Medienhäusern?“
© DPV/ Dirk Uhlenbrock
‚Verlage brauchen
E-Commerce-Profis‘
Nils Oberschelp ist Geschäftsführer des Deutschen Pressevertriebs und
spricht mit HORIZONT über österreichische Digitalisierungsbemühungen
Interview von
Timo Niemeier
horizont: Herr Oberschelp. Sie sind
zur ÖZV-Konferenz nach Wien gekommen, früher haben Sie bei der VG News
gearbeitet. Beobachten Sie das österreichische Branchengeschehen?
Nils Oberschelp: Den Blick habe ich
nie aufgegeben. Die VG News ist jetzt
unser größter österreichischer Kunde,
wir arbeiten auch für Red Bull. Mit unserer Kollegin Angela Schuh-Haunold
haben wir jetzt aber vor allem auch
eine Ansprechpartnerin für österreichische Verlage direkt vor Ort. Persönliche Erreichbarkeit ist aus unserer
Sicht ein wichtiger Punkt, um Verlagskunden einen guten Service zu bieten.
Horizont: Jetzt haben Sie mit dem
DPV die Abo-Betreuung der VG News
übernommen. Was genau machen Sie
für den Verlag?
Oberschelp: Die VG News hat uns mit
der Betreuung und dem Customer Relationship Marketing für ihr gesamtes
Titelportfolio beauftragt. Wir stellen
mit dem DPV die Systemlandschaft für
titelindividuelles Kampagnenmanagement, CRM und Webshops und erle­
digen die komplette Logistik mit
­Kundenkommunikation und Kundenservice für die Abonnements. Das bedeutet, dass wir den Kollegen die Systeme zur Verfügung stellen, auf denen
sie ihr titelindividuelles Abomarketing
fahren. Der gesamte Rücklauf wird
dann über das CRM-System des DPV
verwaltet, ebenso die Vorbereitung für
den Postversand der Abonnements.
Darüber hinaus hat der DPV den Webshop der Verlagsgruppe News neu aufgestellt. Unser Ziel ist, unseren Verlagskunden genau die Leistungen anzubieten, die sie benötigen. Dazu gehört
für die VG News zum Beispiel, dass die
Lager-Logistik an das Lager angebunden ist, das sich in Österreich befindet,
und dass wir für den Kundenservice
österreichische Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter engagiert haben.
Horizont: Ist der spezielle österreichische Markt nicht schwierig für ein
Unternehmen aus Hamburg?
Oberschelp: Wir arbeiten schon langjährig für österreichische Verlagskunden; insofern kennen wir uns schon
Google und
Facebook werden vorerst keinen
eigenen Content
produzieren.
ein bisschen aus. Jetzt haben wir aber
unsere kompletten Systeme an die
­Gegebenheiten des österreichischen
Markts angepasst, etwa bei Mehrwertsteuer und Angebotsformen aus dem
Abo-Bereich.
weise ihre eigenen Onlineshops unterschätzen. Wie meinen Sie das?
Oberschelp: Die verlagseigenen Onlineshops sind in der Vergangenheit
vernachlässigt worden. Stattdessen
muss man sie pushen, denn das Geschäft geht nicht nur über die großen
Plattformen. Mit einem optimierten
Shop kommen die Leute auch auf die
Seite des Shops, bleiben und schließen ein Abo ab, egal welcher Angebotsform. In diesem Weg, vom Erstkontakt bis hin zum Abschluss,
steckt viel Potenzial. Und um den
Onlineshop zu verbessern, braucht
man in erster Linie keinen Verlagsoder Vertriebsfachmann. Dafür
braucht man E-Commerce-Spezialisten.
HORIZONT: Diese Experten haben
wohl die wenigsten Verlage.
Oberschelp: Richtig, aber sie haben
die Daten. Sie können sehen und analysieren, wie sich die User im OnlineShop verhalten. Mit diesen Daten
müssen laufend Tests gemacht werden. Steht der „Kaufen“-Button zum
Beispiel oben rechts oder unten
rechts – und wie sieht das Design aus?
Es geht schlicht um die Usability des
Shops. Das alles kann die ConversionRate schon entscheidend beeinflussen – und dafür braucht es Experten.
Die großen Vorreiter auf diesem Gebiet sind Amazon, Zalando und Co.
Die Leute, die das dort machen – die
brauchen die Verlage auch. Deshalb
haben wir im DPV diese Expertise in
unser Team geholt und bieten sie den
Verlagen an. Viele Verleger argumentieren, dass sie der Onlineshop zu viel
Geld kostet. Aber es lohnt sich der
Blick auf die Vertriebserlöse. Bis zu 60
Prozent der Neubestellungen gehen
über den Onlineshop – und da ist das
Geld für die tägliche Pflege und Verbesserung des Angebots gut investiert.
horizont: Wie sehen Sie die Digitalisierungsbemühungen der österreichischen Medienbranche generell?
Oberschelp: Es gibt viele tolle Ansätze, Dinge auszuprobieren. Man
merkt, dass die Branche hier wie überall vor allem eines will: lernen. Dabei
können wir sie mit unserem externen
Vertriebs-Know-how zumindest in einem Teilbereich unterstützen, damit
Verlage auf ihren Kern, auf ihre Marken und Produkte fokussieren können. Das ist aber eine individuelle unternehmerische Entscheidung, bei der
natürlich auch die Größe des jewei­
ligen Verlags eine Rolle spielt.
horizont: Ein wichtiger Teil sind
junge Mitarbeiter. Was sind eigentlich
die größten Hürden in Führungsetagen, wenn es um frischen Wind geht?
Oberschelp: Die Digitalisierung ist für
das Management jedes Unternehmens eine Herausforderung. Sie müssen das Kerngeschäft stabil halten und
gleichzeitig neuen Ideen Raum geben.
Sie müssen viel über das Geschäft lernen und sich von Digital Natives beraten lassen, aus den eigenen Reihen
oder extern. Dabei sind Offenheit und
Transparenz wichtig. Wenn eine Idee
nicht durchkommt, ist das auch okay,
weil wir auch aus Misserfolgen lernen.
Bei der DPV halten wir das genau so.
HORIZONT No 24
Wir haben seit 2013 eine eigene Digital-Unit mit 15 Digitalexperten aufgebaut, die alle zur Generation der Digital Natives gehören. Wir haben sie entweder aus dem eigenen Unternehmen
entwickelt oder von extern zu uns
­geholt, aber eben aus unterschiedlichsten Digitaldisziplinen. Trendund Produkt­-Scouts, ein Team zur
­Erschließung von digitalen Marketplaces, Technikfreaks und MarketingProfessionals. Das sind junge und engagierte Leute, in die wir investieren,
die wir zum Beispiel in die Start-upSzene ins Silicon Valley oder ins UK
schicken, damit sie lernen, frisches
Wissen mitbringen und das Digitalgeschäft unserer Verlagskunden bestmöglich voranbringen können.
horizont: Viele Verlage investieren
in journalismusfremde Produkte. Wird
der Journalismus damit zwangsläufig
zum Auslaufmodell?
Oberschelp: Da spreche ich für Gruner + Jahr: Bei uns nicht. Wir haben
eine klare Content-Strategie und Produktstrategie und investieren stark in
unsere Marken und Inhalte. Natürlich
kaufen wir auch bei E-Commerceoder Technologie-Anbietern ein, aber
an den Stellen, an denen sie das Geschäft unserer Magazine und Digitalmarken unterstützen. Andere Verlage
agieren anders, aber für uns ist das der
richtige Weg.
Horizont: Warum machen Sie das
so?
Google und Facebook können sofort
in jede Technologie einbrechen. Aber
Content werden sie vorerst nicht produzieren. Wir fühlen mit dieser Position auch wohl, News und Storys sind
unser Heimvorteil, und in diesem Bereich suchen die großen Digitalunternehmen eher Kooperationen, als
selbst einzusteigen. Und damit können wir mit Facebook und Co. interessante Geschäftsmodelle entwickeln,
um unsere Inhalte zu verbreiten.
horizont: Wird der DPV weitere
­ sterreichische Verlage neben der VG
ö
News betreuen?
Oberschelp: Die DPV-Infrastruktur
für Österreich steht, und wir würden
uns freuen, weitere österreichische
Verlage in ihrem Vertriebsgeschäft zu
unterstützen.
•
horizont: Ganz grundsätzlich:
Was bieten Sie den Verlagen, was andere Unternehmen nicht machen?
Oberschelp: Wir schaffen Lösungen
für alle Vertriebsfragen rund um Print
und Digital. Unser Vertriebsteam
bringt viel Erfahrung mit, sowohl in
verschiedenen Segmenten wie auch
für alle Titelgrößen, seien es hoch­
auflagige General-Interest-Magazine
oder Special-Interest-Titel mit kleinen,
feinen Zielgruppen. Wir betreuen rund
500 Zeitschriften und stellen unseren
Verlagskunden ein Leistungsangebot
mit verschiedenen Modulen bereit,
das den richtigen Leistungsumfang für
Großverlage über mittelständische bis
zu kleinen Verlagen mit ihren Titeln
und individuellen Vertriebsbudgets
bietet. Deswegen sind wir der richtige
Ansprechpartner für die vertriebliche
Komplettbetreuung bis hin zur Buchung einzelner Systeme – für den
Heftverkauf wie für den Vertrieb von
digitalen Medien über Webshops oder
die großen Plattformen wie Apple,
Google, Facebook oder Amazon.
horizont: Sie sagten während ihres
Vortrags, dass viele Verleger beispiels-
Lehrstunde im Eiltempo
ÖZV lädt Mitglieder zur Digitalkonferenz: Die Vortragenden bestätigen zwar,
dass das Digitalgeschäft immer wichtiger wird, aber auch Print hat seinen Platz
Insgesamt fünf Referenten aus
Deutschland (siehe Foto) hat der
­Österreichische Zeitschriften- und
Fachmedienverband (ÖZV) nach
Wien eingeladen, um seinen Mitgliedern die Digitalisierung näherzubringen. Von neun bis 13 Uhr trugen diese
vor, was es in ihren Unternehmen
Neues zum Thema Digitalstrategie zu
berichten gibt. Eine Digital-Lehrstunde im Eiltempo quasi. Das Wichtigste vorab: Auch 2020 wird Print
noch deutlich stärker sein als das
Digitalgeschäft, glaubt zumindest
­
­Niklas Wilke von PwC.
Einig waren sich Claudia Michalski
(Handelsblatt Fachmedien) und
Marco Olavarria (Kirchner + Rob-
Marco Olavarria,
Ulrich Hermann, Niklas Wilke, Claudia
Michalski und Nils
Oberschelp. Als
Dank gab es von
ÖZV-Präsident Wolfgang Pichler (rechts)
Sachertorten. © K. Schiffl
recht management consultants) in
dem Punkt PDFs: Oft sei es besser,
den Kunden ein schlichtes PDF anzubieten als ein aufgemotztes E-Paper.
„Manchmal ist es besser, simple
Dinge zu machen“, sagt Michalski.
Die Geschäftsführerin wünscht sich
zudem eine buntere Branche: „Wir
brauchen mehr Migranten. Es ist
noch alles zu weiß und männlich“,
sagt Michalski, übrigens die einzige
Frau auf dem Podium.
tn
12. Juni 2015
Agenturen
Etats · Kampagnen · Konzeptionen
11
Netze knüpfen für das
globale PR-Network
Helga Tomaschtik (Lang & Tomaschtik Communications) übernimmt für drei
Jahre operative und strategische Agenden bei internationalem Agenturnetzwerk
Text von
Harald Klöckl
Iprex, 1983 in den USA gegründet, ist
gemessen am Umsatz das achtgrößte
PR-Netzwerk der Welt. Seit 2012 ist
Lang & Tomaschtik Communications
exklusiver Österreich-Partner unter
den 70 Agenturen mit etwa 1.500
­Mitarbeitern und rund 200 Millionen
Dollar Umsatz. Vor wenigen Tagen ist
nun Helga Tomaschtik, neben Christian Lang geschäftsführende Gesellschafterin, zum Mitglied des Executive
Committee dieses Netzwerks von ausschließlich eigentümergeführten PRAgenturen aufgerückt. Zudem übernimmt sie den Vorsitz im Partner
Relations Committee.
Dem Executive Committee obliegt
die Leitung und die strategische Steuerung von Iprex; das Partner Relations
Committee ist für die Zusammen­
arbeit der Mitgliedsagenturen zuständig. Beides Aufgaben, über welche
sich Tomaschtik naturgemäß persönlich freut, die aber auch die Qualität
von Kommunikation made in Austria
bestätigen: „Es ist schön zu erleben,
dass auch kleine Länder wie Österreich global positiv wahrgenommen
werden und eine Rolle spielen“, kommentiert sie die zusätzlichen Funktionen, die sie für drei Jahre übertragen
bekommen hat.
Das von New York aus gestartete
Netzwerk ging erst in den 00er-Jahren
über die USA hinaus, und nun will
man in internationalen Wachstumsmärkten die Maschen enger knüpfen,
die Dienstleistungen des Netzwerkes
weiterentwickeln und die Kooperationen der Mitglieder untereinander verstärken. Iprex bietet die gesamte Breite
an PR-Services und dazu SpezialKnow-how. Das reicht von einer auf
Automotive spezialisierten Agentur in
Detroit, einem Partner, der aufseiten
der US-Demokraten in den Wahlkämpfen tätig war, und einer Lob­
bying-Agentur in Brüssel bis hin zu
­einem Partner aus Barcelona, der für
den FC Barcelona kommuniziert. Jede
Agentur soll entsprechend der geforderten Kompetenzen binnen kürzester Zeit mit dem richtigen Partner aus
dem Netzwerk gematcht werden. Tomaschtiks Rolle ist somit die einer
Netzwerkerin im Netzwerk der Netzwerker, um globalen Know-how-Austausch und gemeinsame Projekte zu
optimieren. „Weil alle Partneragen­
turen in ihrem lokalen Markt bestens
verankert und auch eigentümergeführt sind, haben alle sehr kurze Entscheidungswege“, erklärt Tomaschtik
ein weiteres Asset von Iprex.
Neue Märkte, neues Know-how
Regional betrachtet hat Iprex in
­Lateinamerika oder im arabischen
Raum ein paar weiße Flecken. Ein derartiges Manko sei oft auch Folge von
mitunter turbulenten und sich rasch
ändernden politischen Rahmen­
bedingungen in diesen Ländern, etwa
in Syrien oder Venezuela. In stabileren
und entwickelteren Märkten gilt die
Konzentration von Tomaschtik in ihrer neuen Rolle der Überwindung
geografischer Distanzen wie nach
Shanghai oder Sydney, wo kulturelle
Unterschiede zur USA oder zu Europa
auf der Hand liegen. „Aber auch zwischen Wien und Hamburg kann es haken, wenn auf das kulturelle Umfeld
vergessen wird“, weiß Tomaschtik. Sie
hat sich schon seit Beginn der Mitgliedschaft bei Iprex erfolgreich eingebracht – die Betreuung der Kunden in
Wien und darüber hinaus wird wegen
der weiteren Aufgaben nicht leiden:
„Ich werde noch etwas öfter bei Mee-
tings sein, aber die sind ohnehin immer am Wochenende. Den Vorteil von
‚Think global and act local‘, den unsere
Kunden aus der Iprex-Netzwerkanbindung ziehen, werden wir weiter
ausbauen können“, verspricht sie. •
Spannende neue Aufgaben für Helga
Tomaschtik. © Lang & Tomaschtik Communications
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012
12
Agenturen
Etats · Kampagnen · Konzeptionen
HORIZONT No 24
‚Wehleidigkeit
in der Branche
ist furchtbar‘
Daniel Gantner und Markus Enzi, Gründer
von gantnerundenzi, im Gespräch über
Konflikte mit Kundenberatern, Werbepreise
und die Agenturszene
Interview von
Gerlinde Giesinger
HORIZONT: Wie hat sich gantner­
undenzi in den letzten zehn Jahren
entwickelt?
Markus Enzi: Wir sind nach wie vor
eine klassische Werbeagentur und
decken alle Disziplinen ab – so, wie
das heute ohnehin vom Markt verlangt wird. Als wir die Agentur gegründet haben, war Online im Aufbruch, viele Online-Agenturen oder
-Units wurden gegründet, wir haben
allerdings von Anfang an alles unter
einem Dach vereint, denn Kommunikation kennt keine medialen Grenzen. Was sich allerdings verändert
hat, ist unsere Größe – wir haben uns
von einer kleinen Agentur mit vier
Leuten zu einer mittelgroßen Agentur
entwickelt, die durch den Wegfall der
Kontakter sicherlich mit weniger
L euten arbeitet als herkömmlich
­
strukturierte Agenturen. Vom Kundenvolumen her sind wir allerdings
vergleichbar mit einer 20-MannAgentur.
HORIZONT: Die Geschäftsidee der
kontakterlosen Agentur hat sich also
bis heute gehalten. Wie kam es
­ursprünglich dazu, Kreative auch als
Berater einzusetzen?
Enzi: Wir kommen beide aus großen
Agenturen und hatten viel mit Kontaktern zu tun – das war nicht immer einfach, und so habe ich die Idee der kontakterlosen Werbeagentur ge­boren.
Bei der BBDO bestand, wie auch in anderen Agenturen, großer Budgetdruck. Um dem entgegen­zutreten, hat
man nur zwei Möglichkeiten: man
kündigt Mitarbeiter oder gewinnt viele
Etats, Letzteres ist schwierig. Somit
wusste ich, dass man, wenn man eine
neue Agentur gründet, substanziell
anders vorgehen muss, in unserem
Fall eben ganz ohne Kundenberater.
Hinzu kam meine persönliche Erfahrung als Werbetexter, in der ich mich
immer schon über die Kontakter är-
gern musste. Wenn es Schwierigkeiten
gab, wollten die Kunden sowieso immer mit einem Kreativen sprechen –
wieso dann also nicht ganz auf Be­rater
verzichten? Daniel Gantner war von
dieser Idee begeistert, und so kam es
zur Gründung von gantner­undenzi.
Daniel Gantner: Unsere Gründung
war damals ein Frontalangriff auf die
Branche. Man warf uns vor, einen
ganzen Berufsstand zu diskreditieren
und war der Meinung, dass wir ohne
Berater auch nur kleine Kunden an
Land ziehen können. Heute haben
wir Kunden jeglicher Größe aus allen
Bereichen.
HORIZONT: Welche Vorteile haben
die Kunden durch den Wegfall der
­Berater?
Enzi: Wie gesagt – die Kunden haben
einen direkten Ansprechpartner und
zwar der Kreative, der die Arbeit
macht – und das lieben sie. Damit
verbunden ist auch ein klarer Zeit­
vorteil, und das macht Sinn, nachdem wir – anders als früher – manchmal nur einen Tag Zeit haben, einen
Job zu erledigen. Ich glaube, dass sich
die Agenturen darauf noch nicht eingestellt haben und sich oft nicht bewusst sind, dass Agenturen Dienst-
Unsere Gründung vor zehn
Jahren war ein Frontalangriff auf die
Branche.
Daniel Gantner
leister sind. Früher haben wir uns in
einer Welt zwischen Kunst, Dienstleistung, Kommerz und Überheblichkeit befunden, doch diese Zeiten sind
vorbei.
HORIZONT: Wie leicht oder schwer
ist es, Kreative zu finden die auch be­
raten können?
Enzi: Junge Menschen, die sich bei
uns bewerben, kennen nur die heutigen Strukturen – das ist also kein Problem für sie. Sie müssen es umgekehrt sehen: Arbeite ich als Kreativer,
ist es doch viel frustrierender, wenn
ich mich mit Beratern ärgern muss,
statt direkt mit dem Kunden kommunizieren zu können. Die Arbeit ohne
Kontakter ist auf Dauer für jeden Kreativen eine Erleichterung.
Gantner: Für Kreative ist es furchtbar,
wenn man sein Baby aus der Hand
gibt und jemand anderer geht damit
hausieren.
HORIZONT: Müssen Sie dann nicht
ab und zu auf Freelancer zurück­
greifen?
Enzi: Wir arbeiten nicht mit Freelancern, dafür bestand auch nie Bedarf.
Wenn wir die Arbeit nicht mehr
­bewältigen könnten, würden wir uns
jemanden dazuholen. Momentan
sind wir mit unseren zehn Mitar­
beitern für den Markt jedenfalls groß
genug.
HORIZONT: Welche Kunden be­
treuen Sie derzeit?
Gantner: Wir haben Kunden aus fast
allen Branchen. Darunter die Hotelkette Falkensteiner, Tele2, bet-athome.com, Villacher Bier, die BKS
Bank, die Helvetia Versicherungen
oder Adler Lacke, um nur einige zu
nennen. Tele2 wurde zuvor von einer
großen Agentur betreut, bei uns von
einem Zwei-Mann-Team, und sie haben uns gesagt, dass sie sich noch nie
so gut aufgehoben gefühlt haben. Da
frage ich mich dann doch, was wir
richtig machen oder die anderen
falsch.
Enzi: In Marketingabteilungen sitzen
heute ja teilweise auch nur mehr
zwei, drei Leute – wenn man als Agentur dann mit sechs Mitarbeitern ankommt, verschreckt man den Kunden
und wird fast als Bedrohung wahrge-
Daniel Gantner und
Markus Enzi gründeten Österreichs
erste kontakterlose
Agentur – bis heute
hat ihnen das
­niemand nachgemacht. © Vyhnalek
nommen. Ein guter Beweis, dass unser Konzept funktioniert, ist auch die
Tatsache, dass die Kunden bei uns
bleiben – bis heute hat uns jedenfalls
noch keiner verlassen. Dazu muss
man auch sagen: Den Kunden sind
Verlässlichkeit, Termintreue und
Schnelligkeit das Wichtigste. Krea­
tivität steht erst an sechster, siebter
Stelle, wie man aus der Markt­
forschung weiß.
HORIZONT: Stichwort Kreativität –
Werbepreise sind bei Ihnen kein
Thema, richtig?
Enzi: Wir haben das bei BBDO und
Lowe GGK bis zum Exzess gemacht
und gesehen, wie irrelevant Werbepreise sind. 90 Prozent von dem, das
Sie bei Werbepreisen sehen, hat die
Öffentlichkeit nie wahrgenommen.
In Agenturen wird viel Zeit dafür aufgewandt, künstliche Arbeiten für Einreichungen zu produzieren, die auf
eigene Kosten einmal geschaltet
­werden, um die Einreichbedingungen zu erfüllen.
Gantner: Das ist an Lächerlichkeit
kaum zu überbieten – welcher Arzt
wird für die gelungenste Herz-Transplantation ausgezeichnet oder
­welcher Jurist für das beste Plädoyer?
Da fragt sich doch auch der Kunde:
­Arbeiten die für sich selbst oder für
mich? Dieses Risiko wollen wir völlig
ausschließen, indem wir prinzipiell
nicht einreichen. Jeder ist eitel und
freut sich über Anerkennung – aber
viel geiler ist es, eine echte Arbeit zu
kreieren, die – wie zum Beispiel im
Falle der bet-at-home.com-TVSpots – halb Europa gesehen hat und
von der der Kunde tatsächlich profi-
tiert. Hier nehme ich aber auch die
Medien in die Mangel, wenn Sie wieder einmal zehn Seiten über einen
provinziellen Wettbewerb wie den
CCA drucken.
Enzi: Einreichungen kosten auch
­einen Haufen Geld, zusätzlich zu der
Arbeitszeit, die man investiert.
­Welche Agentur hat 60.000 Euro pro
Jahr – und so viel kann das schon kosten – einfach so über? Mir kommt vor,
dass Werbepreise, abgesehen von
Cannes, an Bedeutung verloren haben – das kann man bedauern, weil
die Branche dadurch an Glanz verliert, aber wie gesagt: Im Endeffekt
sind wir Dienstleister.
HORIZONT: Welche weiteren Ent­
wicklungen in der Branche haben Sie
in den letzten Jahren beobachtet?
Enzi: Die Wehleidigkeit in unserer
Branche ist etwas Furchtbares – aber
wir waren immer schon eine Branche
der Halbgebildeten und haben viel zu
viel Geld für viel zu wenig Hirn verdient. Man muss sich oft schämen.
Gantner: So sehen viele Kreationen
aber auch aus – man sieht, dass viele
Werber keine geraden Sätze mehr
schreiben können, ungebildet sind,
nur mehr aufs Handy starren, keine
Bücher mehr lesen, nicht mehr ins
Theater gehen. Ich möchte einmal
­einen österreichischen Werbespot
s ehen, der mich umhaut, mich
­
­inspiriert und nicht aussieht wie von
Bedenkenträgern weichgespülte
Dutzendware. Man kann hier von
­einer Dumpfheit sprechen, die um
sich greift und alle infiziert – und das
ist der Grund, warum wir als Branche
jeglichen Rang verloren haben.
Wenn man also jemanden findet, der
etwas in der Birne hat, dann sollte
man den tunlichst hegen und
­pflegen.
Enzi: Es gibt durchaus intelligente
und tolle Leute in der Werbung, aber
viel zu wenige. •
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014
14
Trending Topics
Social Media · Mobile · Start-ups · Netzpolitik
HORIZONT No 24
auch Wien eine der wichtigsten Reisedestinationen für Jungunternehmer.
Kein Wunder: An der Themse floriert
nicht nur die Start-up-Szene (zum Beispiel: TransferWise, SwiftKey, Shazam
oder busuu), auch Google oder Facebook betreiben hier große Büros; und
London als eines der Finanzzentren
der Welt bietet Gründern auf der Suche nach Risikokapital viele Chancen.
Allein zwischen Jänner und März wurden einer Analyse von der Stadtagentur London and Partners zufolge 647
Millionen US-Dollar in Start-ups aus
der Metropole investiert – 2015 soll die
Zwei-Milliarden-Grenze locker gesprengt werden.
Dass die Innovationsbranche in
Großbritannien floriert, hat auch viel
mit staatlicher Unterstützung zu tun,
die eine lange Tradition hat. Gerne
wird vor Ort die Geschichte erzählt,
dass im Land bereits 1714 das erste
­I nnovationsprogramm gestartet
wurde. Damals wurden nämlich die
Longitude Rewards von der Regierung
ausgeschrieben, um Forscher mit einem satten Preisgeld anzuspornen,
eine simple Methode zur Bestimmung
des geografischen Längengrads bei
Schiffspositionen zu finden. Den Longitude Prize hat die Nationale Stiftung
für Wissenschaft, Technik und Kunst
im Vereinigten Königreich (Nesta) aktuell noch ausgeschrieben – zehn Millionen Pfund winken demjenigen, der
das Problem der Antibiotikaresistenz
löst. Der Medienpartner BBC sorgt für
Aufmerksamkeit. Nesta vergibt außerdem Zuschüsse an Individuen oder
Institutionen von bis zu mehreren
Hunderttausend Pfund, die Innovationsprojekte umsetzen. Eines dieser
Projekte etwa hat zum Ziel, Demenzpatienten mit Wearables (am Körper
tragbaren Mini-Computern) auszustatten, ihnen so die Navigation durch
den Alltag zu erleichtern und parallel
der Forschung Echtzeitdaten über das
Patientenverhalten zu liefern. Damit
die Innovationsbegeisterung beziehungsweise die Auseinandersetzung
mit der Digitalisierung auch bei der
breiten Masse ankommt, hat Nesta im
März 2015 das FutureFest abgehalten,
auf dem unter anderem NSA-Whistle­
blower Edward Snowden per LiveSchaltung zum Publikum sprach. Laut
Nesta-CEO Geoff Mulgan würden
etwa 15 bis 20 Prozent der Briten Angst
vor Globalisierung und Digitalisierung
haben, doch vor einigen Jahren waren
es noch 40 Prozent.
Zahl der Woche
10.000
Abonnenten zählt derstandard.at mittlerweile
für seinen NachrichtenDienst via WhatsApp.
Nutzer, die sich für den
Service anmelden, bekommen täglich in der
Früh eine News-Übersicht mit Links zu Artikeln
und Eilmeldungen in die
App, die Facebook gehört.
App der Woche
Apple News Der iPhoneKonzern hat auf seiner
Hauskonferenz WWDC
diese Woche eine App für
iPhone und iPad präsentiert, in der Nutzer Artikel
zu einer Million Themen
finden und teilweise kostenpflichtig lesen können.
Die App soll dazulernen
und spannende Inhalte
vorschlagen können, im
Herbst wird sie in den
USA, Großbritannien und
Australien starten.
© Apple
Great
Brother
Großbritannien und speziell London
gelten punkto Innovationspolitik als
EU-Vorbild. Auch die österreichische
Regierung holt sich hier Inspiration für
die eigenen Start-up-Initiativen
Kopf der Woche
Reportage von
Jakob Steinschaden
Theresa Thalhammer
Die Oberösterreicherin,
Marketing-Managerin
beim Autohaus Sonnleitner (Renault, Dacia, Nissan), will im August mit
einer besonderen Aktion
das Thema Elektromobilität pushen: Gemeinsam
mit Markus Luger wird sie
mit einem E-Auto 3.500
Kilometer – von Linz
nach Barcelona und retour – fahren und auf der
Strecke nur sauberen
Strom tanken. Die Fahrt
soll beweisen, das Fernreisen im E-Auto möglich
sind.
© T. Thalhammer
Einrichtungen des Innovations-Hubs
aus nächster Nähe anzusehen –
­HORIZONT war mit dabei.
Der Ruf von London als innovativer
Start-up-Hub hat mittlerweile auch
Cupertino, Kalifornien, erreicht.
Denn von dort ist 2014 ein hochrangiger Apple-Ingenieur, der für die in
der Apple Watch verbauten Technologien zuständig ist, aufgebrochen,
um sich in der britischen Hauptstadt
mit einem Start-up zu treffen, das an
Gesundheits-Wea­rables arbeitet – für
Apple offenbar ein interessanter Gesprächspartner, um sich über neue
Möglichkeiten bei Körpersensoren zu
informieren.
So wie Apple und viele andere
Technologiefirmen, Start-up-Gründer oder Investoren zuvor, ist vergangene Woche auch eine Delegation
rund um Staatssekretär Harald
­Mahrer (VP) in die Metropole an der
Themse aufgebrochen, um sich die
zugrunde liegenden Strukturen und
Magnet an der Themse
Einer Analyse der Webseite startup­
travels.com zufolge ist London n
­ eben
San Francisco, New York, Berlin und
Staatssekretär Mahrer erfuhr in
London, wie Innovation seinen Job
verändert. © www.christophergunson.com (2)
David Halpern von
der Nudge Unit
berät UK-Premierminister Cameron.
Katapulte für Innovation
Mit der Digitalisierung ist man auch –
was auch sonst – im freundlich-offenen Digital Catapult Centre nahe den
Londoner Büros von Google und
Face­book beschäftigt. Die Einrichtung gehört zu einem staatlich geförderten Netzwerk aus derzeit sieben
Zentren, in denen an Stammzelltherapien, Smart Cities oder erneuerbaren
Energiequellen gearbeitet wird. Im
Digital Catapult, wo junge Techniker
neue Gadgets wie einen fiebermes-
Impressum
HORIZONT
Medieninhaber und Verleger
Manstein Zeit­schrif­ten­verlagsges.m.b.H.
DVR-Nr. GZ 02Z031577 W,
Brunner Feldstraße 45, 2380 Perchtoldsdorf
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Fax +43/1/866 48-100
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Herausgeber
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Ständige freie Mitarbeiter
Dr. Walter Braun (br)
Mag. Wolfgang Kühnelt (wk)
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Verlagsleitung Sebastian Loudon
Anzeigenleitung Martina Hofmann
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Anzeigen-Sekretariat
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Vertrieb Katharina Artner (DW 511)
Lektorat
Rocco Prumer
James Walker
Firma des Herstellers
Friedrich VDV
Vereinigte Druckereien- und
Verlags-GmbH & Co KG
4020 Linz, Zamenhofstraße 43–45
Erscheinungsweise
wöchentlich
mindestens 46 Mal im Jahr
Einzelpreis € 3,30
Jahresabo Inland € 109,– (exkl. MwSt.)
Jahresabo Ausland € 171,50 (exkl. MwSt.)
Studentenermäßigung 50 %
Grafisches Konzept section.d/Albert
Exergian
Aboservice
Katharina Artner (DW 511),
[email protected]
Elektronische Produktion
DTP-Abteilung Manstein Verlag
Die Offenlegung gemäß § 25 MedG ist unter
www.horizont.at/offenlegung abrufbar.
12. Juni 2015
Trending Topics
Social Media · Mobile · Start-ups · Netzpolitik
Europas Start-upHauptstadt lockt
nicht nur Gründer
und Investoren an,
sondern auch Politiker, die Inspiration
in der britischen
Hauptstadt suchen.
15
Start Up Campus: Zehn Firmen,
drei Jahre, zehn Prozent
A1 hat am Dienstagabend seine Einrichtung für junge Unternehmen eröffnet, die
für Gratisbüro sowie Sach- und Dienstleistungen Anteile an A1 abgeben
© peresanz/Fotolia
senden Schnuller für Babys entwickeln, geht es derzeit stark um das
Thema „Personal Data Stores“, also
darum, wie Bürger im Big-Data-Zeitalter die Kontrolle über ihre derzeit oft
in der ominösen Internet-Cloud (das
heißt die Server von Facebook, Google
und Co.) gespeicherten Daten zurückgewinnen können. Die Vision: Menschen sollen ihre Daten (zum Beispiel
die Krankenakte) vertrauensvoll und
einfach mit Behörden und Unternehmen teilen können, ohne dass diese
außerhalb ihres Einflussbereichs gespeichert werden. Die öffentliche Einrichtung Innovate UK, die vom Wirtschafts- und Innovationsministerium
finanziert wird, will die Zahl der Catapult-Zentren bis 2030 auf 25 erhöhen –
ihr Budget von rund 500 Millionen
Euro pro Jahr könnte unter der alten
neuen Regierung von Cameron schon
bald verdoppelt werden.
Auch der Internetkonzern Google
sieht sich als Katapult für die TechBranche. Im lebendigen HipsterStadtteil Shoreditch hat man den London Campus eingerichtet, der gerne
als „Starbucks für Start-ups“ bezeichnet wird. Hier bekommen Entwickler,
junge Einzelunternehmer oder kleine
Teams Gratis-Internet und -Arbeitsplätze – inklusive angeschlossenen
Café, Tischfußball und eines Testlabors mit zahlreichen Smartphones
und Tablets, auf denen neue Apps
ausprobiert werden können. Für
Google ist die Einrichtung eine Art
Seismograf der Szene: Jeden Tag sollen sich hier rund 200 Vertreter von
Start-ups aufhalten, insgesamt haben
sich hier seit dem Start vor drei Jahren
Tausende Start-ups angemeldet.
Google wäre nicht Google, wenn es
nicht Daten wie E-Mail-Adresse, Firmenname, Alter des Start-ups, Branche und Webseite sammeln würde.
Regieren mit Schubsern
Eine Herausforderung, vor der man
wie in Österreich auch in den Catapult-Zentren steht, ist, die Forscher
unternehmerisch denken zu lassen –
schließlich ticken die Welt der Wissenschaft und die des Business anders. Für Forscher ist es wichtig, ihre
Ergebnisse schnell zu publizieren, um
in der Scientific Community Anerkennung zu finden. Die Krux: Was einmal
publiziert ist, kann später nicht mehr
patentiert werden, um ein konkurrenzfähiges Produkt auf den Markt zu
bringen – „patent first, publish later“
ist eine simple, aber wichtige Devise,
die den Wissenschaftlern gerne und
oft vorgebetet wird. Die britische
­Regierung will aber nicht nur Wissenschaftler zum Umdenken bewegen,
sondern auch die Bevölkerung. Die
sogenannte „Nudge Unit“ („Nudging“
bedeutet Stups oder Schubs) wird seit
2010 vom Behavioural Insights Team
(BIT) rund um den Psychologen David Halpern geführt, der Premier Cameron berät. „Nudging“ ist eine Methode, die darauf abzielt, mit positiven
Anreizen statt mit Verboten und
neuen Regeln das Verhalten von Menschen zu beeinflussen – also Anstoß
statt Anordnung. Die „Nudge Unit“ in
Großbritannien etwa hat an säumige
Steuerzahler den Hinweis „Pay your
tax or lose your car“ in einem personalisierten Brief adressiert. Das Ergebnis: Die Zahl der Zahlenden konnte
verdoppelt werden, wenn ein Foto
vom betroffenen Auto gezeigt wurde,
ergab das sogar eine Verdreifachung.
Auch in den USA, Deutschland oder
Dänemark gibt es bereits NudgingTeams, die auf verschiedenste Art eine
Verhaltensänderung der Bevölkerung
etwa in Bereichen wie Energiesparen,
Pensionen oder Verkehr herbeiführen
wollen. Kritiker sprechen allerdings
von poli­
tischen Psychotricks und
Manipu­lation.
Österreich will lernen
„Ich fühle mich in unserer Entscheidung bestätigt, das Thema Innovation
in den Mittelpunkt zu stellen. Egal wo
man hingeht, man sieht: Die Welt ist
im Umbruch“, sagte Staatssekretär
Mahrer im Rahmen der LondonReise. Er will neben einer Gründerland-Strategie 2015 auch seine OpenInnovation-Strategie vorantreiben
und Grundlagenforschung oder Risikokapitalmarkt stärken – auch einer
Nudge Unit in Österreich wäre er
nicht abgeneigt, auch wenn deren Erfolg nicht garantiert wäre. „Man muss
den Mut haben, Dinge zu machen,
ohne zu wissen, was herauskommt.
Das fällt der Politik schwer, aber wir
müssen uns auch erlauben, einmal zu
scheitern. Wenn man nichts macht
und die Komfortzone nicht verlässt,
dann wird man auf alle Fälle scheitern“, so Mahrer, dessen nächste Arbeitsreise nach Asien führt. „Ich sehe
China nicht als Gefahr, sondern als
unfassbare Chance. Innerhalb der
nächsten sieben Jahre wird China sein
gesamtes Innovationsbudget mehr als
verdoppeln. Die Digitalisierung betrifft alle Lebens- und Industriebe­
reiche, und China hilft uns, das zu erkennen. Wir müssen uns auf unseren
Content- und Kreativ-Reichtum, den
wir in Europa haben, konzentrieren,
und diese kreative Power kommt aus
der Start-up-Szene. Wenn die Flut
kommt, dann dürfen wir keine Mauern, sondern müssen Boote bauen.“ •
In der Wiener Treustraße 22–24 nahe
der Friedensbrücke wird man künftig
viele Jungunternehmer ein- und ausgehen sehen. Denn hier hat A1 Telekom Austria unter Mitwirkung von
Generaldirektor Hannes Ametsreiter
am Dienstagabend offiziell seinen
Start Up Campus eröffnet. Bereits
zum Start residieren hier bereits vier
österreichische Jungfirmen, die von
A1 nicht nur Bürofläche für bis zu drei
Jahre erhalten, sondern auch mit
Sach- und Dienstleistungen (zum
Beispiel Hardware, Beratung durch
etwa 40 A1-Mitarbeiter, Medienarbeit, Infrastruktur wie die A1 Cloud)
bedacht werden, um schnell wachsen
zu können. Die Telekom Austria will
mit der Einrichtung, die sich in einer
Vermittlungsstelle mit 20.000 Wiener
Anschlüssen befindet, die österreichische Start-up-Szene beflügeln und
erwartet sich selbst laut Ametsreiter
„Impulse für das eigene Unternehmen“. Start-ups werden nach einer
Bewerbungsphase von einem Ad-
Für kleine Teams:
Die Büros im Start­
Up Campus sind
zwischen 21 und 27
Quadrat­meter groß.
© A1 Telekom Austria
visory Board ausgewählt – in der Regel passen ihre Produkte und Services
zum Kerngeschäft. Gratis ist der Campus nicht: Mindestens zehn Prozent
Firmenanteile müssen die Jung­
firmen (je nach Vereinbarung) an das
Telekomunternehmen abtreten.
Möglich ist auch in individuellen Abmachungen, dass die Start-up-Produkte über das Vertriebsnetz von A1
mitverkauft werden. Auch die Chance
auf internationale Expansion gibt es
über den mexikanischen Mehrheitseigentümer América Movil mit rund
290 Millionen Mobilfunk-Kunden.
Sollte ein Start-up einen Exit schaffen
und an ein anderes Unternehmen
verkauft werden, würde A1 über seine
Beteiligung Geld machen. In der
Büro­etage haben etwa zehn Start-ups
Platz, zu den bestehenden vier könnten bald drei weitere dazukommen,
mit denen gerade verhandelt wird.
Derzeit an Bord: Flatout Technologies
ist auf Smart-Home-Anwendungen
spezialisiert, Keynto arbeitet an einem Passwort-Manager, DefectRadar
bietet ein Mängel-Management-System, und Parkbob will freie Parkplätze
für seine App-User finden.
jak
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+ Learning Day am zweiten Tag mit Praxis-Workshops
Veranstalter:
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International
Marketing · Werbung · Medien
Grünberger avanciert global
Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, in Washington zum Vorsitzenden
des Executive Committee des Weltverbands der Zeitungsverbände gewählt
Spitzenposition bei WANIFRA: Gerald Grünberger,
in Österreich Chef des Verlegerverbandes. © J. Brunnbauer
Hohe Anerkennung für Gerald Grünberger, Geschäftsführer des Verlegerverbands VÖZ: Beim Treffen des
Weltverbands der Zeitungsverbände
WAN-IFRA in Washington wurde er
zum Vorsitzenden aller Direktoren
(Executive Committee) der Mitgliedsverbände und als Präsidiumsmitglied
gewählt. Weitere Österreicher im
WAN-IFRA-Vorstand sind Markus
Mair (Styria Media Group) und Eugen
A. Russ (Russmedia). Österreichs
­ räsenz in den höchsten Gremien hat
P
Tradition: VGN-Herausgeber Horst
Pirker ist „Honorary Mitglied“ im
­Vorstand; 2011 sollte Pirker zum Präsidenten des Weltverbands gewählt
werden, doch seine Ablösung als
­Styria-Vorstand verhinderte dies.
WAN-IFRA, die „World Association
of Newspapers and News Publishers“,
ist die globale Organisation der Weltpresse und Nachrichtenmedien. Sie
vertritt mehr als 18.000 Publika­
tionen, 15.000 Online-Sites und über
3.000 Unternehmen in mehr als 120
Ländern. Hauptaufgaben sind Verteidigung und Förderung von Pressefreiheit, Qualitätsjournalismus und
redaktioneller Integrität. Das jüngste
Treffen widmete sich vor allem den
wirtschaftlichen Perspektiven: Die
globalen Erlöse der Zeitungen aus
dem Auflagenverkauf sind erstmals in
diesem Jahrhundert höher als die Erlöse aus dem Anzeigengeschäft. hs
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HORIZONT No 24
AdBlocker
und die Folgen
Kolumne von
Walter Braun
Vor rund einem Monat sind die Die
Zeit und das Handelsblatt in Hamburg in den Ring gestiegen. Als nächstes probierten es RTL and ProSiebenSat.1 in München: Alle haben sie verloren. Demnächst wird Springer in
Köln vor Gericht ziehen.
Die deutschen Medienriesen wie
Goliath gegen einen David, der erst
seit vier Jahren auf der Welt ist, nämlich die Firma Eyeo. Anlass der Beschwerde: ein Plug-in. Es geht um AdBlock, das den deutschen Medien­
riesen ein Dorn im Auge ist. Die Argumentation der Klagsführer war ein
wenig an den Haaren herbeigezogen:
Die werbeunterdrückende Software
sei wettbewerbsverhindernd.
Es steht aber viel auf dem Spiel:
Gratis angebotene Medieninhalte,
die sich ausschließlich durch Werbung finanzieren, sind das Standardmodell im Web. Das hängt nun in der
Luft. Nach dem juristischen Sieg versprach ein Eyeo-Vertreter, mit den
Medienanbietern zusammenzuarbeiten, um weniger aufdringliche
Werbung zu fördern. Eyeo führt eine
‚Positivliste‘, die gewisse Werbung
durchlässt. Unter den Kriterien: keine
Animation, keine Pop-ups, keinerlei
Ton. Um auf diese weißgewaschene
Liste zu kommen, ist allerdings eine
‚Unterstützungsgebühr‘ bei den Werbetreibenden fällig.
Klingt wie Schutzzoll-Piraterie.
Dort liegt aber nicht das Problem. AdBlock wurde angeblich bereits 400
Millionen Mal heruntergeladen. Es
kommt schlimmer: Einer unveröffentlichten Erhebung zufolge steigt
der Einsatz von werbeunterdrückender Software exponentiell an. Besonders in Holland und in Deutschland,
wo 40 Prozent das werbeverhindernde Knöpfchen installiert haben.
In den USA sind bloß 15 bis 17 Prozent der Webnutzer werberesistent.
Besonders alarmierend: Von den Millennials (geboren zwischen 1980 und
2000) werden Werbeblocker doppelt
so häufig eingesetzt.
AdBlock Plus ist nicht die einzige
Werbeunterdrückungs-Software; der
Firefox-Browser von Mozilla lässt
ebenfalls eine „Tracking Protection“
aktivieren. Die wird sogar positiv ausgelobt (Websites laden dann um über
40 Prozent schneller). Aus Kanada
kommt das elegante uBlock. Angeblich planen auch Telekoms, Werbeunterbrecher einzusetzen. Argument:
Werbung frisst viel Bandbreite, und
bloß Google & Co. verdienen daran.
Keiner traut sich’s zu sagen, aber
anonymer Gratiskonsum von anspruchsvollen Inhalten geht seinem
Ende zu – entweder weil die Anbieter
das Handtuch werfen oder unbezahlte Zugriffe erschweren werden.
Die Werbewirtschaft ist aufgerufen,
sich von ihrer Programmatic-Besessenheit zu befreien – automatisierter
Werbemüll ist nicht die Zukunft …
Lesetipp: How Music Got Free:
What Happens When an Entire Generation Commits the Same Crime, von
Stephen Witt
HORIZONTKorrespondent
Walter Braun
berichtet jede
Woche aus dem UK
über inter­nationale
Kom­muni­kations­
trends.

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