aus der Zappa-Welt

Transcrição

aus der Zappa-Welt
C H A R LOT T E R O C H E & A H M E T Z A P PA
Monster
Die
aus der Zappa-Welt
Charlotte Roche (28) ist die verrückteste Interviewerin im deutschen Fernsehen. Ahmet
Zappa (32) hat das durchgeknallteste Kinderbuch des Jahres geschrieben: »Die fabelhaften Monsterakten der furchtlosen Minerva McFearlesss«, die Geschichte der Monsterjägerfamilie McFearless, ihres Erzfeindes Zarmaglorg und des klügsten, gefährlichsten
weil bissigsten Buchs der Welt. Gaga? »Wunderbar, skurril und mit einem einmalig
schwarzen Humor geschrieben, den auch Kinder verstehen«, schwärmt Charlotte Roche.
Exklusiv für bücher interviewt sie Ahmet Zappa, Frank Zappas Sohn.
INTERVIEW: CHARLOTTE ROCHE FOTOS: CHRISTOPH OTTO
Roche: Hattest du als Kind Angst vor
Monstern?
Zappa: Und wie. Als ich klein war, musste
meine Mutter immer das Kopfkissen unter
meinem Kopf wegnehmen, damit ich ganz
flach im Bett liegen konnte. Die Bettdecke
musste sie ganz flach um mich herum legen.
Ich dachte, wenn die Monster in der Nacht
kämen, würden sie glauben es sei ein perfekt
84
gemachtes Bett und mich nicht finden. Und
mich nicht auffressen.
Wie konntest du denn dann atmen?
Es gab ein ganz klitzekleines Loch, durch das
ich atmen konnte, aber es war etwas gefährlich – sie hätten meinen Atem und mein
rasendes Herz hören können.
Und dass die Bettdecke sich bewegt, wenn
du atmest, hätten sie auch sehen können.
Ich habe meiner Mutter vertraut, dass sie das
richtig gut gemacht hat, und mich daher sehr
sicher gefühlt.
Vor was hattest du noch Angst?
Bienen. Ich bin allergisch auf Bienen, deshalb
hatte ich tierisch Angst vor ihnen. Ich mag
Die deutsch-britische
Interviewerin Charlotte
Roche (28, l.) trifft
Ahmet Zappa (32), den
Schöpfer des gruseligsten, lustigsten, verrücktesten Kinderbuchs des
Jahres, im Kaminzimmer
des Berliner Münzsalons, einem Berliner
Club nach englischem
Vorbild.
C H A R LOT T E R O C H E & A H M E T Z A P PA
AHMET ZAPPA
Ahmet Zappa (32) ist das dritte von vier Kindern des Musikers Frank Zappa.
Er wurde am 15. Mai 1974 in Los Angeles geboren. Ahmet Zappa hat als Musiker
gearbeitet und einige Alben mit seinem Bruder Dweezil Zappa veröffentlicht. Er
trat auch als Fernsehmoderator und Darsteller in TV-Filmen auf. Im Juli 2006
erschien in den Vereinigten Staaten sein erstes Kinderbuch, »Die fabelhaften
Monsterakten der furchtlosen Minerva McFearless«. Die Verfilmung plant Disney für 2008. Derzeit arbeitet Zappa an einem Drehbuch für einen Kinofilm mit
den Figuren der in den achtziger Jahren populären Fernsehshow »Die Fraggles«.
tern zu nehmen und sie durch einen speziellen Humor aufzufangen. Es ist unheimlich –
und sehr witzig.
Du hast gesagt, dass es wunderbar ist,
dass man Bücher schreiben kann. Was
meinst du damit?
Ich finde, es ist großartig, dass man Buchstaben auf ein Blatt Papier schreiben kann
und diese Buchstaben, diese Wörter dann
den Lesern etwas bedeuten. Ich hoffe, dass
mein Buch den Kindern Spaß macht und
dass es ihnen darüber hinaus noch etwas
anderes gibt.
Charlotte Roche (l.) und Ahmet Zappa vorm deckenhohen Kamin im Berliner Münzsalon (steht unter Denkmalschutz).
sie immer noch nicht. Vor der Dunkelheit
hatte ich auch Angst.
Wegen der Monster?
Nein – wir hatten zuhause einen ganz langen,
unheimlichen Flur, und in der Mitte des Flures war die Tür zum Wohnzimmer. Im Wohnzimmer stand das Piano, unter dem sich böse Wesen super gut hätten verstecken
können. Und das Licht ging nur bis zum
Wohnzimmer, weiter nicht. Das war schrecklich. Ich rannte so schnell ich konnte von der
Küche durch den Flur zu meinem Schlafzimmer, das hinter dem Flur lag. Sehr unheimlich.
Glaubst du, dass die Ängste, die du als
Kind hattest, in dir als Erwachsenem
stecken? Hast du manchmal immer
CHARLOTTE ROCHE
Die deutsch-britische Fernsehmoderatorin (28) kam am 18. März 1978 in
London auf die Welt, wuchs am Niederrhein auf. Sie hat lange Zeit beim Kölner Musiksender VIVA ZWEI, später dann bei VIVA die Alternativmusiksendung
»Fast Forward« moderiert. Bekannt war die Sendung für Roches sehr direkte,
sehr persönliche Interviews mit Musikern. Ende 2004 wurde die Sendung abgesetzt. Danach moderierte Roche eine eigene Interviewsendung auf Prosieben,
später die Musiksendung »Tracks« für Arte. Legendär ist Roches Auftriff bei
Harald Schmidt: »Mir fehlt vorne ein Schneidezahn, ich kann das ja mal zeigen«, sagte sie, nahm den Kunstzahn raus, warf ihn in die Luft, fing ihn mit dem
Mund auf und steckte ihn vor einer Million Zuschauern wieder an die richtige
Stelle. Ende November ist der Film »Eden« angelaufen, in dem Charlotte Roche
die Hauptrolle spielt. Ihr Filmdebüt. Mehr: www.charlotteroche.de
86
noch solche Attacken?
Ja klar, ich bin immer noch dabei, sie abzuschütteln. Ich bin immer wieder erstaunt,
auf welche tollen Ideen Kinder kommen, um
mit ihren Ängsten fertig zu werden. Das ist
auch der Grund, warum ich diese ganzen
Rezepte gegen Monster in mein Buch
gepackt habe. Auf der einen Seite ist es sehr
lustig für Kinder, Angst vor Monstern zu
haben. Sie brauchen aber auch eine Möglichkeit, um mit diesen Ängsten umzugehen.
Sie mögen beides.
Das ist ja auch das Besondere an deinem
Buch »Die fabelhaften Monsterakten der
furchtlosen Minerva McFearless«. Du
zeigst, wie Kinder sich fürchten, gleichzeitig gibst du ihnen Rezepte an die Hand,
mit denen sie sich gegen die Ungetüme
wehren können. Ist das für dich sehr wichtig, Kindern Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten zu geben?
Ja, das möchte ich mit meiner Arbeit erreichen. Ich versuche durch den Stil des
Buches den Kindern ihre Angst vor Mons-
Du hattest als Kind zu Beginn Schwierigkeiten mit Büchern.
Ja, man hat bei mir Legasthenie festgestellt
und ich konnte erst mit zwölf lesen. Schule
war für mich sehr schwierig, ich habe mich
immer geschämt, weil ich nicht richtig
schreiben und lesen konnte.
Und wie bist du dann zum Lesen gekommen? Wie hast du gemerkt, dass Lesen
Spaß machen kann?
Mit elf haben meine Eltern mich von der
Schule genommen und zuhause haben sie
eine Art Privatschule für mich eingerichtet,
haben mir gesagt, dass ich ein Genie sei und
mich dann in Ruhe gelassen. Das hat den
Druck von mir genommen und ich habe
angefangen, Comics zu lesen. Die Geschichten werden über die Bilder erzählt und das
hat mir Vertrauen gegeben, eine Story zu
lesen und sie auch zu verstehen. Das konnte ich vorher nicht. Ich habe Hunderte von
Comics und ich kann mich an jeden Held
erinnern. Und so habe ich meine Lust für
das Lesen entdeckt.
Kommt von diesen Comics auch deine Vorliebe für die Monster, die in deinen Büchern auftauchen?
Ich habe vor allem Superhelden-Comics gelesen, da gab es nicht so viele Monster – es
gibt immer einen Bösen, und der ist auch so
etwas wie ein Monster. Ja klar, das hat mich
sehr beeinflusst bei der Entwicklung meiner
Monster. Und dann heiße ich ja auch noch
wie ein Monster: Mein Vater hat mich Ahmet
Emuukah Rodan genannt. Und Rodan ist eines der Monster in den Godzilla-Filmen.
Wenn das keine guten Voraussetzungen für
ein Dasein als Monsterexperte sind.
Haben deine Eltern dir erlaubt, ein wildes
Kind zu sein?
Ich war sicher ein wildes Kind – ich habe meine Eltern oft an den Rand ihrer Geduld getrieben. Aber sie waren großartig.
Glaubst du, dein Vater Frank Zappa hätte
das Buch gemocht, das du jetzt geschrieben hast?
Ahmet (grinst): Er hätte es geliebt.
Kannst du dich daran erinnern, dass er dir
Gutenachtgeschichten erzählt hat?
Das hat eher meine Mutter gemacht. Er hat
die Stimmen und Geräusche zu den einzelnen Figuren gemacht und ich mochte das
sehr. Mein Vater hat immer viel gearbeitet,
aber er hat in seiner Musik großartige Geschichten geschrieben. Ein Song, »Cheapless« handelt von einem riesigen Pudel, der
eine Stadt zerstört. Das Lied ist voller Hot
dogs und schräger Dinge – lauter so Sachen
eben, die Kinder lieben. In seiner Musik war
er ein Geschichtenerzähler.
Die Geschichte in deinem Buch ist aus der
Perspektive eines elfjährigen Mädchens
geschrieben, das von der Arbeit ihres Vaters fasziniert ist. Wann hast du gemerkt,
dass du besondere Eltern, einen außergewöhnlichen Vater hast?
Wahrscheinlich, als ich das erste Mal mit im
C H A R LOT T E R O C H E & A H M E T Z A P PA
Auf unserer gemeinsamen Lesereise haben wir dein Kinderbuch dem deutschen
Publikum vorgestellt. Bist du mit der Reaktion zufrieden?
Ich bin absolut begeistert – das Publikum war
einfach großartig. Die Frau, die übersetzt hat,
war etwas merkwürdig (grinst), aber ich habe mich großartig amüsiert.
Dafür hast du Wörter benutzt, die man absolut nicht übersetzen kann (grinst zurück).
Ja. Es war super spannend, die Gesichter der
Kinder zu beobachten, während du gelesen
hast. Die haben dir ganz genau zugehört, haben gelacht und waren ganz in der Geschichte versunken. Das ist für mich als Autor faszinierend zu beobachten.
Man hat mich vor unserem Treffen gewarnt, dass du ziemlich anstrengend sein
kannst – super witzig, aber doch etwas
durchgeknallt.
Und?
Es stimmt (beide lachen). Meine Theorie
ist, dass alle Comedians, die als Erwachsene richtig gut werden, eine etwas komplizierte Kindheit gehabt haben. Du bist
auf der Bühne ja ein unglaublicher Showman. Meinst du, meine Theorie trifft auch
auf dich zu?
Nicht ganz. In der »Nahrungskette« unserer
Familie kam ich an fünfter Stelle – erst meine Eltern und dann meine Geschwister. Ich
musste mich immer gegen meinen Bruder
Dweezel durchsetzen, der mich für seine kleinen fiesen Geschwisterspiele benutzt hat, um
Aufmerksamkeit zu bekommen. Und deshalb
habe ich mich öfter mal zum Affen gemacht.
Bevor jemand anderes über mich lacht, bringe ich ihn zum Lachen. Daher macht es mir
nichts aus, wenn die anderen mit und über
mich lachen.
Was hat dein Vater dir beigebracht, das dir
niemand anderes hätte beibringen können?
Ich werde immer gefragt, ob es nicht schwierig ist, in seinem Schatten zu leben. Er hat mir
beigebracht, dass ich mich nicht so fühlen
muss. Das hätte kein anderer gekonnt. Er wäre enttäuscht gewesen, wenn ich nicht meinen eigenen Wünschen gefolgt wäre.
AHMET ZAPPA: DIE FABELHAFTEN MONSTERAKTEN DER
FURCHTLOSEN MINERVA MCFEARLESS, RAVENSBURGER,
224 SEITEN, 14,95 €, AB 10 JAHREN
Links die Gründerzeitkacheln des Berliner Club Münzsalon, rechts Autor Ahmet Zappa (32) mit Interviewerin Charlotte Roche (28).
Studio war. Ein Musikstudio ist einem Laboratorium sehr ähnlich – man kann an tierisch vielen Knöpfen drehen und drücken und Leute
kommen mit unterschiedlichen Instrumenten
rein, und das ist sehr aufregend. Ich war total
fasziniert von dem, was mein Vater gemacht
hat. Er war der verrückte Wissenschaftler.
»Ich schüttelte immer noch meine
Ängste ab. Kinder haben tolle Ideen,
wie man damit umgeht.« Ahmet Zappa
Wie hast du in der Pubertät gegen diesen
berühmten Vater rebelliert, der für jede
Art von kreativer und spiritueller Freiheit
stand?
Meine Eltern wären wirklich geschockt gewesen, wenn ich Anwalt oder Buchhalter geworden wäre. Das hätte sie wirklich enttäuscht. Sie haben uns immer ermutigt,
unseren Einfallsreichtum und unsere Kreativität zu nutzen. Und weil es diese Freiheit bei
uns gab, hatte ich keinen Grund zu rebellieren. Wir haben unsere Eltern sehr respektiert. Im Gegensatz zu Eltern mit »normalen«
Berufen konnte meinem Vater sein Geld mit
seiner Fantasie und Kreativität verdienen.
Das fand ich großartig, denn er mochte sehr,
was er getan hat.
Ist das ein Vorbild für dein eigenes Leben?
Das zu tun, was dich glücklich macht?
Absolut. Ich fühlte mich immer als Geschichtenerzähler und ich habe mich noch
nie so glücklich gefühlt wie während der Arbeit an diesem Buch. Ich habe es für mich
geschrieben, für den kleinen Jungen in mir,
der sich immer wünschte, dass es ein Buch
mit Rezepten gegen die Monster gibt. Wenn
es so ein Buch schon in meiner Kindheit gegeben hätte, hätte ich es verschlungen und
alle Rezepte nachgekocht.
88
Die Filmrechte sind schon an Disney verkauft. Wie wird der Film aussehen? Hast
du da schon eine Idee?
Es wird ein Spielfilm werden, keine Anima-
tion. Wir warten jetzt auf das Drehbuch, und
ich bin sehr gespannt, wie es geworden ist.
Jerry Bruckheimer, der auch »Fluch der Karibik« produziert hat, wird den Film herausbringen. Es ist noch alles in den Anfängen,
aber der Film soll im Frühjahr 2008 herauskommen.
Ist es nicht komisch, sein Buch in die Hände von anderen zu geben, abhängig zu
sein, was sie daraus machen?
Nein, gar nicht. Ich schreibe das Kinderbuch und die Film-Experten machen sich an
die Drehbücher. Natürlich will ich, dass der
Film so nah am Buch ist wie nur möglich,
aber ich habe absolutes Vertrauen in die
Filmleute.
✍
Max und ich glaubten, unseren Augen
nicht trauen zu können. Wir befanden uns
in einer Art Museum voller Dinge, die es
eigentlich nicht geben konnte. Ringsherum an den Wänden waren Kanister angebracht, die mit einer grünlich leuchtenden
Flüssigkeit gefüllt waren. Ein Fenster aus
buntem Glas, das mit einem farbenprächtigen, Feuer spuckenden Drachen bemalt
war, tauchte den Raum vor uns in ein
unnatürliches Licht. Wir erkannten Sarkophage voller Skelette und Vitrinen, in
denen irgendwelche anderen tierischen
Überreste vor sich hin gammelten. Einige
der Skelette hatten Flügel oder stachlige
Schwänze. Andere besaßen rasiermesserscharfe Geweihe oder große, spitze Hörner. Es gab Schädel, die nur eine Augenhöhle hatten, andere dagegen hatten drei
oder noch mehr. Von der Decke hing ein
Kiefer, der so riesig war, dass Max und ich
nach Luft schnappten und fast selbst zu
Leseprobe
Stein erstarrten, als wir die versteinerten
spitzen Zähne sahen. Es gab auch einen
ungewöhnlich langen Untersuchungstisch, auf dem eine Ansammlung merkwürdiger Utensilien in wildem Wirrwarr
verstreut war. Neben dem Mikroskop
lagen Glasplättchen mit Blutproben, die
vermutlich von verschiedenen Gattungen
Fleisch fressender Kreaturen stammten.
Es gab schmutzige Flaschen mit Proben
von absonderlichen Pflanzen und Behälter
voll flockiger Flüssigkeiten, in denen
lebende Organismen schwammen. Alles,
was ich um mich herum sah, erweckte in
mir das dringende Bedürfnis, mir sofort
die Hände zu waschen, um mich nicht mit
irgendwelchen Krankheitserregern zu infizieren.
AUS: AHMET ZAPPA: DIE FABELHAFTEN MONSTERAKTEN
DER FURCHTLOSEN MINERVA MCFEARLESS. RAVENSBURGER BUCHVERLAG, 14,95 €