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Transportmechanismen radioaktiver Substanzen im Arktischen Ozean Numerische und experimentelle Studien am Beispiel der Barents- und Karasee Hartmut Nies (Projektleiter) Michael Karcher Christian Bahe Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie Jan Backhaus Ingo Harms IfM, Universität Hamburg mit Beiträgen von Dirk Dethleff GEOMAR, Kiel Das in diesem Bericht zugrundeliegende Vorhaben wurde mit Mitteln des Bundesministeriums für Wissenschaft, Bildung, Forschung und Technologie unter dem Förderkennzeichen 02-E-87054 gefördert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren. 2 Inhaltsverzeichnis Kurzfassung Abstract 9 Zusammenfassende Darstellung des Projekts 13 Einführung 13 Problemstellung 13 Vorgehensweise und Methodik 14 11 Kurzbeschreibung des Teilprojekts A Kurzbeschreibung des Teilprojekts B 14 15 Ergebnisse 16 Fazit 17 3 Teilprojekt A Beobachtungen und Messungen 19 I Die Hydrographie der Region 20 I.1 Der Arktische Ozean 20 20 21 23 23 24 24 24 25 25 I.1.1 Die Topographie I.1.2 Die Zirkulation I.2 Die arktischen Schelfmeere I.2.1 Die Barentssee I.2.2 Die Karasee I.2.2.1 Bathymetrie I.2.2.2 Eisbildung I.2.2.3 Flußeintrag, Temperatur und Salzgehalt I.2.2.4 Die Strömungsverhältnisse II Radioaktivität im Wasser, Meereis und Sediment II.1 Quellen anthropogener Radioaktivität in der Arktis II.1.1 Atmosphärischer 'fallout' aus Kernwaffenversuchen II.1.2 Der Tschernobyl-Unfall II.1.3 Europäische Wiederaufbereitungsanlagen II.1.4 Das Atom-U-Boot ”Komsomolets” II.1.5 Versenkung radioaktive Abfälle in Kara- und Barentssee II.1.6 Die nukleare Nordmeerflotte Rußlands II.1.7 Weitere Quellen für Radioaktivität in der Arktis II.2 Daten II.2.1 FS ”GAUSS”-Reise Nr. 261 des BSH II.2.2 GEOMAR/MMBI-Expedition in die Karasee II.2.3 Proben vom Atom-U-Boot-Wrack ”Komsomolets” II.2.4 Proben aus arktischen Gewässern II.3 Die aktuelle radioaktive Belastung II.3.1 Nordsee II.3.2 Europäisches Nordmeer und Barents See II.3.3 Das Wrack des Atom-U-Bootes "Komsomolets" II.3.4 Karasee II.3.5 Die Murmansk – Region II.4 Zusammenfassung 27 27 28 28 29 29 30 30 31 31 32 32 32 33 33 35 45 47 49 49 4 Teilprojekt B Numerische Modellierung 51 I Ausbreitung von Radioaktivität im Wasser 52 I.1 Die Zirkulationsmodelle 52 53 54 56 I.1.1 Das LS-Modell (lokale Skala): I.1.2 Das RS1- und RS2-Modell (regionale Skala) I.1.3 Das GS-Modell (globale Skala) I.2 Die Ausbreitungsszenarien 58 I.3 Das Szenario A 59 59 59 60 62 62 64 64 67 67 67 I.3.1 Szenario A: lokale Auswirkungen I.3.1.1 Austauschzeiten der Buchten I.3.1.2 Radionuklid-Konzentrationen innerhalb der Buchten I.3.2 Szenario A: regionale Auswirkungen I.3.2.1 Ausbreitungswege I.3.2.2 Austauschzeiten I.3.2.3 Radionuklid-Konzentrationen I.3.3 Szenario A: globale Auswirkungen I.3.3.1 Ausbreitungswege und –zeiten I.3.3.2 Radionuklid-Konzentrationen I. 4 Das Szenario B I.4.1 Szenario B: lokale Auswirkungen I.4.1.1 Anwendung stationärer Windfelder I.4.1.1.1 Ausbreitungswege I.4.1.1.2 Radionuklid-Konzentrationen I.4.1.2 Anwendung realistischer Windfelder I.4.1.2.1 Ausbreitungswege I.4.1.2.2 Radionuklid-Konzentrationen I.4.2 Szenario B: regionale Auswirkungen I.4.2.1 Radionuklid-Konzentrationen I.4.2.2 Ausbreitungswege I.4.3 Szenario B: globale Auswirkungen I.4.3.1 Ausbreitungswege I.4.3.2 Radionuklid-Konzentrationen 5 69 70 70 70 70 74 74 75 79 79 82 84 84 84 I.5 Das Szenario C I.5.1 Ausbreitungswege und Radionuklid-Konzentrationen 86 86 I.6 Das Szenario D 89 I.7 Das Szenario E 90 91 91 93 96 I.7.1 Szenario E: globale Auswirkungen I.7.1.1 Beobachtungen I.7.1.2 Simulationen I.7.2 Szenario E: regionale Auswirkungen in der Karasee I.8 Zusammenfassung der Modellergebnisse I.8.1 Ausbreitung und Radionuklidkonzentrationen I.8.2 Sensitivitätsanalyse 97 97 98 II Ausbreitung von Radioaktivität durch Meereis 100 II.1 Empirische Studien 100 100 102 II.1.1 Stand der Forschung II.1.2 Aktuelle Messungen und Beobachtungen in der Karasee II.2 Numerische Simulationen zur Eisdrift II.2.1 Eisdrift in der Karasee II.2.1 Eisdrift im Arktischen Ozean 104 104 105 II.3 Quantifizierung des Exports radioaktiver Sedimente 108 II.4 Zusammenfassung der Ergebnisse 109 Tabellen 111 6 Anhang I Meßverfahren für Radioaktivität 113 I.1 Radioaktivität im Sediment 113 113 113 I.1.1 Probenentnahme und Probenvorbereitung I.1.2 Messung der Aktivität I.2 Radioaktivität im Meerwasser I.2.1 Radiocaesium I.2.1.1 Probenahme und radiochemische Trennung I.2.1.2 Messung der Radioaktivität I.2.2 Plutonium und Americium I.2.2.1 Probenahme und radiochemische Trennung I.2.2.2 Messung der Radioaktivität I.2.3 Strontium-90 I.2.4 Tritium 115 115 115 115 116 116 116 117 117 II Die numerischen Zirkulationsmodelle 118 II.1 Das Hamburg Schelf-Ozean-Modell (HAMSOM) II.2 Das isopyknische Ozeanmodell (OPYC) 118 Liste der verwendeten Literatur 121 Liste der Veröffentlichungen des BMBF-Projekts "Karasee" in Büchern, Journalen und Zeitschriften 128 Liste der Beiträge des BMBF-Projekts "Karasee" zu internationalen Symposien und Konferenzen 130 Danksagung 133 7 119 8 Kurzfassung In den letzten Jahren wurde bekannt, daß die ehemalige UdSSR ab etwa 1959 große Mengen an radioaktiven Abfällen in flüssiger und fester Form versenkt hat. Das Material wurde überwiegend in der Kara- und Barentssee eingebracht. Hierzu gehörten Behälter und Container mit schwach radioaktiven Abfällen, aber auch ganze Atomreaktoren, teilweise mit dem dazugehörigen Kernbrennstoff. Die Versenkung erfolgte in Widerspruch zu den internationalen Regeln, insbesondere was die Art des Abfalls, den Abstand zur Küste und die Versenkungstiefe betrifft. So wurden beispielsweise abgewrackte und beschädigte atomgetriebene U-Boote in Nähe der Küste von Novaya Semlya in weniger als 50 m Wassertiefe versenkt. Internationale Arbeitsgruppen insbesondere im Rahmen der IAEO und des Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP) unternahmen zahlreiche Untersuchungen der betroffenen Gebiete und führten auch mithilfe von Modellrechnungen Bewertungen der zuküftigen Situation durch. Der vorliegende Bericht stellt damit einen deutschen Beitrag für diese internationale Bewertung dar. Im Rahmen des Vorhabens wurden zahlreiche Proben aus arktischen Meeresgebieten auf Radioaktivität untersucht. Hierbei eingeschlossen waren auch Sediment- und Wasserproben aus der Karasee und Proben in der Umgebung des 1989 gesunkenen Atom-U-Bootes Komsomolets. Mithilfe von numerischen Modellen in lokaler, regionaler und globaler Skala wurde die mögliche Verdriftung freigesetzter Radionuklide aus den Abfallbehältern. Die experimentellen Untersuchungen zeigten, daß ein Großteil der nachweisbaren künstlichen Radionuklide entweder aus dem globalen Fallout der oberirdischen Kernwaffentests der 50er und 60er Jahre oder aus den früheren hohen Ableitungen der europäischen Wiederaufbereitungsanlagen überwiegend aus Sellafield (Großbritannien) stammen. Eine großräumige Kontamination infolge der Freisetzung aus den Abfällen war nicht nachzuweisen. Auch in der Umgebung der Komsomolets konnte keine außergwöhnliche Belastung des Wassers oder der Sediments durch Spalt-, Aktivierungsprodukte nachgewiesen werden. In die Untersuchungen sind auch Plutoniumisotope eingeschlossen. Ausbreitungsrechnungen mit den inzwischen bekannten Inventaren unter der Annahme verschiedener Szenarien lassen aber auch in Zukunft keine hohe Kontamination der Meeresgebiete erwarten. Unter der Annahme selbst ungünstigster Freisetzungen innerhalb kurzer Zeit führen die Simulationsergebnisse im Bereich des europäischen Nordmeeres zu Konzentrationen, die unterhalb der bereits jetzt bestehenden Konzentrationen liegen, die größtenteils durch die Anlage Sellafield hervorgerufen wurden. An den Versenkungsorten in den Buchten der Insel Novaya Semlya können erheblich höhere Konzentrationen erwartet werden. Der Transport von an Sediment adsorbierten Radionukliden mit dem Meereis führt zwar zu einem schnellen Transport innerhalb weniger Jahre in die Framstraße, insgesamt spielt die hierdurch transportierte Gesamtaktivität aber geringere Rolle gegenüber dem Transport durch das Wasser. Die Ergebnisse des Vorhabens lassen den Schluß zu, daß durch die versenkten Abfälle außerhalb der Karasee keine Schäden für die Umwelt oder den Menschen zu erwarten sind. 9 10 Abstract Transport Mechanisms of Radioactive Substances in the Arctic Ocean Modelling and Experimental Studies in the Kara and Barents Seas In 1992, it became known to the public that the former Soviet Union had dumped large amounts of radioactive waste in the Arctic Ocean since about 1959. The waste was dumped into the Kara and Barents Seas in liquid and solid form, sealed in barrels or containers, as reactor parts but also as complete ship reactors including spent fuel. Wrecks of nuclear submarines were dumped near the coast of Novaya Semlya, in depths less than 50 m. The dumping took place in strong contradiction to international rules and conventions. After some confusion and overestimation of the total radioactive inventory, the amount of the waste and the dump site locations are well known, meanwhile. International pressure and the more open information policy of Russia helped to improve the situation. Various international fora primarily within the IAEA and the Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP) investigated the potential consequences from these dumping practices. This report is the German contribution to these international assessments. The dumped objects in the Kara Sea encompass 17 nuclear ship reactors, seven of them still carrying spent fuel. Four dump sites are located in small and shallow fjords at the east coast of Novaya Semlya, and in the Novaya Semlya Trough, in max. depth of 420 m. The total radioactive inventory was, at the time of dumping, 37 PBq. During the project numerous samples from seawater and sediment were analysed on artificial radionuclides in Arctic waters. This included samples from the Kara Sea but also samples around the Russian nuclear submarine Komsomolets sunken in the Norwegian Sea at a depth of about 1700 m in 1989. Numerical hydrodynamic models in local, regional and global scale were used to predict the potential dispersion of released radionuclides from the dumped wastes and reactors in the Kara Sea. It could be shown that most of the detected artificial radionuclides originate both, from the global fallout during the 50s and 60s from atmospheric weapon tests, and from former discharges from the nuclear reprocessing plants in western Europe, primarily the Sellafield plant in the UK. A large scale contamination from the dumped wastes or reactors in the Kara Sea could not be ascertained. This was also the case for water and sediments close of the sunken Komsomolets. The investigations included fission and activation products and plutonium isotopes. Dispersion simulations based on the inventories under the assumption of various scenarios showed no long range contamination of adjacent sea areas. Even under the conditions of unlikely “worst case releases” the predicted activity concentrations in the European Northern Seas will stay below present or previous levels originating from global fallout and the Sellafield discharges. In direct vicinity of the wastes in the bays of Novaya Semlya the expected levels are significantly higher. 11 The total activity transported by sea ice in potentially contaminated sediments is much lower than the transport of activity in dissolved form in water. However, this type of transport will be within a few years to the Fram Strait. It can be concluded from the project that the dumped radioactive waste in the Kara and Barents Seas will cause no harm to the marine environment or man in the future. 12 Zusammenfassende Darstellung des Projekts Einführung Der vorliegende Abschlußbericht stellt eine Bewertung der Risiken dar, die von versenkten, radioaktiven Abfällen in der Arktis ausgehen können. Das Projekt ist ferner als deutscher Beitrag für mehrere internationale Vorhaben anzusehen, mit denen die Problematik der Versenkung radioaktiver Abfälle durch die ehemalige UdSSR bewertet wird. Derartige internationale Projekte wurden z.B. durch die IAEA (Wien und Monaco), durch die Arktikanrainerstaaten mit ihrem Arctic Monitoring and Assessment Programme (AMAP), die NATO (CCMS) und durch die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Norwegen und Rußland durchgeführt. Finanziert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) unter dem Förderkennzeichen 02-E-8705. Das Projekt, im weiteren Verlauf kurz ‚Karasee-Projekt‘ genannt, wurde in enger Kooperation zwischen dem Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, Hamburg (BSH) und dem Institut für Meereskunde der Universität Hamburg (IfM-HH) realisiert. Projektleiter war Dir & Prof Dr. H. Nies, BSH. Vorläufige Ergebnisse eines weiteren Projektes, mit dem der Transport von Radionukliden aus der Karasee durch Meereis untersucht wird, gehen kurz in diesen Abschlußbericht ein. Dieses Projekt wird am GEOMAR-Forschungszentrum in Kiel durchgeführt. Es wird durch den BMU über das Bundesamt für Strahlenschutz im Rahmen seiner Radioökologieforschung finanziert (Förderkennzeichen StSch 4101). Darüber hinaus kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit mit russischen Partnerinstituten, vor allem im Bereich der Messung und Beobachtung. Hier sind zu nennen das Khlopin Radium Institut in St. Petersburg und das Murmansk Marine Biological Institute. Das Projekt lieferte Ergebnisse für das International Arctic Seas Assessment Program (IASAP) der Internationalen Atomenergie Organisation (IAEA). In diesem Zusammenhang gab es eine Zusammenarbeit mit dem Marine Environmental Laboratory (MEL) der IAEO in Monaco (Povinec et al., 1997). Problemstellung Vor einigen Jahren wurde bekannt, daß die ehemalige Sowjetunion ab etwa 1959 große Mengen fester und flüssiger radioaktiver Abfälle in der Arktis, vor allem in der Karasee versenkt hat. Hierzu zählten neben Behältern mit schwach radioaktiven Abfällen auch ganze Atomreaktoren, teilweise mit dem dazugehörigen Kernbrennstoff. Die Versenkung und Verklappung erfolgte in krassem Widerspruch zu den internationalen Regeln, insbesondere was den Ort der Versenkung, den Abstand zur Küste und die Versenkungstiefe betrifft. So wurden beispielsweise abgewrackte und beschädigte atomgetriebene U-Boote in relativ kleinen Fjorden entlang der Ostküste von Novaya Semlya, in weniger als 50 m Wassertiefe versenkt. Nach Bekanntwerden dieser Versenkungen wurde das Gesamtinventar an Radioaktivität zunächst erheblich überschätzt. Durch den enstandenen internationalen Druck und die offenere Informationspolitik Rußlands liegen inzwischen aber recht genaue Daten bezüglich der Versenkungen vor. 13 In zahlreichen internationalen Projekten wurde und wird der Versuch unternommen, das Risiko dieser Versenkungen für Mensch und Umwelt zu bewerten. Es stellt sich vor allem die Frage, ob außer den Folgen für die unmittelbare Umgebung der Arktis auch überregionale Konsequenzen für das Europäische Nordmeer und den Atlantischen Ozean zu erwarten sind. In diesen Seegebieten wird ein Großteil des in Deutschland und Europa angelandeten Fisches gefangen. Messungen haben bisher im Bereich der zentralen Karasee keine erhöhten radioaktiven Konzentrationen im Wasser oder Sediment gezeigt. Nachweisbar sind nur der Chernobyl-'fallout' sowie die Ableitungen von radioaktiven Abwässern aus den europäischen Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield (Großbritannien) und La Hague (Frankreich). Tatsächlich ist die radioaktive Belastung der Barents- und Karasee derzeit sogar erheblich geringer als beispielsweise die der Ostsee oder der Nordsee. Langfristig besteht aber die Gefahr, daß radioaktive Substanzen aus versenkten korrodierten oder beschädigten Behältern entweichen und über die Eis- und Meeresdynamik über große Distanzen vertrieben werden. Das Karasee-Projekt stellt einen deutschen Beitrag zur internationalen Bewertung der Risiken dar, hervorgerufen durch die Versenkung radioaktiver Abfälle in der Arktis. Vorgehensweise und Methodik Ziel des Kara See-Projekts ist die Erfassung und Bewertung der aktuellen radioaktiven Belastung arktischer und subarktischer Gewässer sowie die Vorhersage und Bewertung möglicher Ausbreitungswege radioaktiver Kontaminationen aus unkontrollierten Freisetzungen. Zu diesem Zweck wurde das Kara See - Projekt in einen experimentellen Schwerpunkt ‚Beobachtungen und Messungen‘ und einen theoretischen Schwerpunkt ‚numerische Modellierung‘ aufgeteilt. Die detaillierten Ergebnisse des Teilprojekts Beobachtungen und Messungen sind in Teil A des Abschlußberichts dargestellt, die Ergebnisse des Teilprojekts numerische Modellierung werden in Teil B beschrieben. Kurzbeschreibung des Teilprojekts A (Beobachtungen und Messungen) Das Teilprojekt A ‚Beobachtungen und Messungen‘ umfaßt eigene Messungen und deren Analyse sowie die Hinzuziehung und Analyse anderer zugänglicher Proben oder Datensätze. Hauptaufgabe dieses Teilprojekts ist die Bewertung der aktuellen radiologischen Situation in der Nordsee, im europäischen Nordmeer und im Arktischen Ozean. Die Arbeiten in diesem Teilprojekt wurden ausschließlich am BSH-Laboratorium Sülldorf durchgeführt Während des Projektes wurde ein intensives Meßprogramm absolviert, um die gegenwärtige Belastung durch anthropogene Radioaktivität in den Arktischen Meeren zu ermitteln. Eine Expedition vom 15. Juni bis zum 27. Juli 1995 mit dem BSH Forschungsschiff 'GAUSS' führte in die Nordsee, Norwegische See, Barentssee und in die Grönlandsee. Mehrere Dienstreisen nach Moskau, St. Petersburg und Murmansk dienten der Sichtung und Beschaffung potentiell nutzbarer Datensätze: Aus der direkten Umgebung des Atom-U-Boot-Wracks ”Komsomolets” wurden 85 Sedimentproben aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 analysiert. Eine landgestützte Expedition des GEOMAR in Zusammenarbeit mit dem Murmansk Marine Biological Institute (MMBI) im April 1997 führte direkt in die Karasee. Für das Karasee-Projekt konnten acht Sedimentproben und drei Wasserproben analysiert werden. 14 Das V.G.Khlopin Radium Institute, St. Petersburg, und das MMBI, Murmansk, stellten insgesamt 38 Sedimentproben (0 - 3 cm Oberfläche) aus der Karasee aus den Jahren 1993 und 1994 zur Verfügung. Das MMBI lieferte Sediment- und Wasserproben aus den Fjorden in der direkten Umgebung der russischen Stadt Murmansk, wo die Militärbasen der Atomflotte liegen. Aus der Vielzahl dieser Proben konnte ein Gesamtbild der aktuellen Belastung durch Radionuklide der relevanten Seegebiete gewonnen werden. Kurzbeschreibung des Teilprojekts B (numerische Modellierung) Das Teilprojekt B ‚numerische Modellierung‘ befaßte sich mit der möglichen Kontamination durch Freisetzungen aus den obengenannten Quellen. Um die Ausbreitung von Radioaktivität im Ozean über einen möglichst weiten Bereich zeitlicher und räumlicher Skalen zu berücksichtigen, kamen Computermodelle zum Einsatz, wie sie derzeit in der Grundlagenund Klimaforschung innerhalb der Ozeanographie betrieben werden. Diese Arbeiten wurden, getrennt nach den räumlichen Skalen, am IfM-HH in lokaler und regionaler, am BSH in globaler Skala durchgeführt. Um mögliche Ausbreitungswege von Radioaktivität im Meer zu simulieren, muß zunächst die dreidimensionale Zirkulation der betreffenden Seegebiete bestimmt werden. Dies geschieht mit Hilfe numerischer, hydrodynamischer Zirkulationsmodelle, sogenannten GCMs (general circulation models), die sich innerhalb des Karasee-Projekts vor allem durch die geographische Ausdehnung der Modellmatrix und der Größe des Modellgitters unterschieden. Zur Anwendung kamen Modelle: der lokalen Skala (lokale Umgebung der Versenkungsgebiete, Buchten und Fjorde) (IfMHH), der regionalen Skala (Barents- und Karasee) (IfM-HH) und der globalen Skala (Arktischer Ozean, europäisches Nordmeer und Nordatlantik) (BSH) Der Modell-Antrieb bildete eine Synthese aus Wind, Gezeiten und der Dichte des Meerwassers, die sich im Ozean aus der dreidimensionalen Verteilung von Temperatur und Salz ergibt. Alle Modelle berücksichtigten die dynamischen und thermodynamischen Prozesse an der Grenzschicht Ozean-Eis-Atmosphäre, die sich aus meteorologischen Daten wie Lufttemperatur, Wind, relative Luftfeuchte, Bewölkung und Niederschlag berechnen lassen. Außerdem fand der Frischwassereinstrom der großen sibirischen Flüsse Eingang. Die Ausbreitung von Schadstoffen im Rahmen der Eis-Ozean-Zirkulation in der Arktis unterliegt einer Kette von sehr unterschiedlichen physikalischen Prozessen. Die zwei wesentlichen Ausbreitungswege betreffen zum einen die Verdriftung oder Dispersion von Radionukliden innerhalb der Wassersäule und zum anderen den Transport von radioaktiven Substanzen durch das treibende Meereis. Beide Ausbreitungswege werden im Teilprojekt B behandelt. 15 Ergebnisse Die Ergebnisse des Teilprojekts A ‚Beobachtungen und Messungen‘ bestätigten im wesentlichen die bekannte Belastungssituation infolge der früheren und aktuellen Einleitungen durch die nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield, UK und La Hague, Frankreich. Hierbei wird aber seit etlichen Jahren ein deutlicher Rückgang der Konzentration der meisten Radionuklide beobachtet, da die Einleitungen insbesondere der Anlage Sellafield sehr stark zurückgingen. Die Wasserproben in der Nordsee zeigen derzeit eine geringe Belastung an dem Leitnuklid 137 Cs, die nur im Bereich des Skagerrak etwas erhöht ist. Hier gelangt kontaminiertes Wasser aus der Ostsee, die auch heute noch durch den Chernobyl-Unfall belastet ist, in die Nordsee. Die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield stellt die dominante Quelle für Radioaktivität in der Nordsee dar. Der Ausbreitungsweg folgt der vorherrschenden, durch den Nordatlantischen Strom (Golfstrom) induzierten Strömung bis in das Europäische Nordmeer. Als zusätzliche Quelle ist nach wie vor der ‘fallout’ aus den oberirdischen Kernwaffenversuchen bis Anfang der sechziger Jahre im Oberflächenwasser der Ozeane durch die Radionuklide Tritium (3H), 137 Cs, 90Sr, 239,240Pu, 238Pu und 241Am nachzuweisen. In direkter Nähe des Atom-U-Boot-Wracks ‘Komsomolets‘ sowie in der Karasee sind keine außergewöhnlichen Belastungen gemessen worden. In unmittelbarer Nähe der russischen Atomflotte, die in dem Fjord-Gebiet um Murmansk liegt, ließen sich, relativ zum umgebenden Seegebiet, leicht erhöhte Aktivitäten feststellen, die vermutlich von geringfügigen Freisetzungen aus nuklearen Anlagen stammen. Die im Teilprojekt B, numerische Modellierung angewendeten, als realistisch anzusehenden Freisetzungsraten führten generell zu sehr niedrigen Kontaminationsniveaus. Aufgrund der starken Verdünnung, die ihre Ursache in dem großen Wasservolumen der Arktis hat, waren die berechneten Konzentrationen teilweise so gering, daß sie das in der Realität bereits bestehende Hintergrundsignal aufgrund der oberirdischen Kernwaffentests um zwei bis drei Größenordnungen unterschreiten. Auch die Annahme von sehr unrealistischen KatastrophenSzenarien ('worst case'), d.h. die Simulation einer plötzliche Freisetzung der gesamten in der Karasee versenkten Radioaktivität, führte im Bereich des europäischen Nordmeeres zu maximalen Konzentrationen unterhalb der bereits bestehenden Aktivität, die größtenteils von der WAA Sellafield bestimmt wird. Dies bestätigte u.a. ein Vergleich, bei dem die Ausbreitung des Sellafield-Signals 'nachsimuliert' wurde. Diese Simulation diente gleichzeitig als Methode zur Validierung der verwandten Zirkulationsmodelle. Lediglich in der direkten Umgebung der Versenkungsgebiete, insbesondere in den Buchten und Fjorden, kann es bei einer plötzlichen Freisetzung von Radioaktivität zu sehr hohen Konzentrationen kommen, die eine Gefährdung von Mensch und Umwelt darstellen. Der Transport von Radioaktivität durch Meereis ist prinzipiell möglich, im vorliegenden Fall sogar wahrscheinlich. Verglichen mit den simulierten Transportzeiten im freien Wasser stellt der Transport von belastetem Sediment durch die transpolare Eisdrift zumindest die schnellste Form des Schadstoffexports aus der Arktis in Richtung Nordatlantik dar. Die Quantität des Transportes von Radioaktivität durch Meereis ist dagegen außerordentlich schwierig abzuschätzen, solange keine verläßlichen Zahlen über den Eisexport und die Sedimentbelastung vorliegen. Bei Verwendung der bisher bekannten Daten ergäben sich Konzentrationen, die die Schwelle der relativ geringen Hintergrundradioaktivität in der Arktis und im europäischen Nordmeer nicht überschreiten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann eine flächenhafte, signifikante Kontamination des europäischen Nordmeeres bzw. des Nordatlantik durch Eisexport aus Versenkungsgebieten ausgeschlossen werden. 16 Fazit Die Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield und La Hague bilden zusammen mit dem Chernobyl-Unfall und dem radioaktiven ‚fallout‘ der atmospherischen Atomwaffentests in den 60er Jahren, die Hauptquelle für anthropogene Radioaktivität im Arktischen Ozean und im europäischen Nordmeer. Im Vergleich zu diesen Einträgen liegt das Gesamtinventar aus versenktem russischen Atommüll um mindestens eine Größenordnung niedriger. Die aktuelle Belastung der Nordsee und der Arktischen Meere durch anthropogene Radioaktivität ist seit den achtziger Jahren drastisch zurückgegangen. Eine Gefährdung der Ökosysteme oder des Menschen (indirekt, z.B. durch Fischverzehr), kann ausgeschlossen werden. Eine Freisetzung von Radioaktivität aus den Versenkungsgebieten in der Karasee ist bisher nicht feststellbar. Der versenkte nukleare Abfall in der Karasee spielt für die radiologische Gesamtsituation des Arktischen Ozeans und des europäischen Nordmeers eine untergeordnete Rolle. Eine flächenhafte, signifikante Kontamination des europäischen Nordmeeres durch Meeresströmungen oder Eisexport aus Versenkungsgebieten kann ausgeschlossen werden. Eine durch die Versenkung von Atommüll in der Karasee bedingte Gefährdung von Menschen oder Meeres-Ökosystemen in den subarktischen und gemäßigten Zonen der Nordhemisphäre ist derzeit und in Zukunft nicht zu befürchten. Eine Gefährdung aus dem nuklearen Potential der militärischen Aktivitäten bei Murmansk und auf der Kolahalbinsel kann bisher nicht abgeschätzt werden. Diese Quellen könnten ein vergleichsweise höheres Risiko darstellen als die versenkten atomaren Abfälle in der Karasee, zumal ein Entsorgungskonzept für die dort zahlreich vorhandenen Reaktoren noch nicht vorhanden ist und die Sicherheitsmöglichkeiten auf nuklear betriebenen Schiffen vergleichsweise geringer sind als an Kernreaktoren an Land. 17 18 Teilprojekt A Beobachtungen und Messungen Das Teilprojekt A ‚Beobachtungen und Messungen‘ umfaßt eigene Messungen und deren Analyse sowie die Hinzuziehung und Analyse anderer zugänglicher Proben oder Datensätze. Hauptaufgabe dieses Teilprojekts ist die Bewertung der aktuellen radiologischen Situation in der Nordsee, im europäischen Nordmeer und im Arktischen Ozean. Die Arbeiten in diesem Teilprojekt wurden ausschließlich am BSH-Laboratorium Sülldorf, durchgeführt. In Kapitel I wird zunächst eine übersichtsartige Beschreibung der arktischen Seegebiete gegeben. Diese Beschreibung bezieht sich außschließlich auf beobachtete ozeanographische Parameter, die sog. Hydrographie (Temperatur, Salzgehalt, Eisverhältnisse, Strömungen) und dient dem Verständnis der physikalischen Zusammenhänge. Es werden die ozeanographischen Besonderheiten der Region sowie die grundlegenden Strömungssysteme erläutert. Das Kapitel II befaßt sich mit der Beobachtung und Messung von Radioaktivität im Meerwasser, im Sediment und im Meereis. Es werden die Quellen anthropogener Radioaktivität aufgezeigt und die aktuelle radioaktive Belastung arktischer und subarktischer Seegebiete anhand eigener und zur Verfügung gestellter Daten dargelegt und bewertet. 19 I Die Hydrographie der Region Eine detaillierte Beschreibung der arktischen Seegebiete aus ozeanographischer Sicht würde den Rahmen dieses Abschlußberichtes überschreiten. Diesbezüglich wird auf die verwendete Literatur verwiesen, die eine Vertiefung der Thematik erlaubt. Im folgenden wird, getrennt für die Tiefseebecken des Arktischen Ozeans und den relativ flachen Schelfmeeren Barentssee und Karasee, eine kurze Beschreibung der Hydrographie gegeben um dem Leser die Anwendung der Methoden und die erzielten Ergebnisse, insbesondere die der Modellierung, verständlich zu machen. I.1 Der Arktische Ozean Der Arktische Ozean ist aufgrund der thermohalinen Zirkulation des Weltozean ein sehr wichtiges Teilgebiet. Sehr bedeutsam für die Hydrographie des Arktischen Ozeans ist die vertikale Schichtung der Wassersäule. Sie wird von der sogenannten 'Halokline' dominiert, einer Übergangszone zwischen salzarmem und kaltem Oberflächenwasser (0 - 60 m) und salzhaltigeren und wärmeren Zwischenwassermassen (200 - 1000 m) (siehe etwa Rudels, 1995). Die stockwerkartige Verteilung der Wassermassen prägt nicht nur die Hydrographie der Region sondern auch die vertikale Struktur der Zirkulation. Eine ebenfalls wichtige Rolle hierbei spielt die Topographie des Arktischen Ozeans. I.1.1 Die Topographie Die Topographie des Arktischen Ozeans unterteilt sich in die flachen Schelfgebiete, sowie das Kanadische und das Eurasische Becken. Letztere werden vom Lomonossovrücken getrennt, und sind jeweils in weitere Becken untergliedert (Abb. 1.1). Die einzige tiefe Verbindung zu den übrigen Weltmeeren besteht durch die Framstraße mit einer Silltiefe von etwa 2800 m. Hier findet ein bedeutender Teil des Volumenaustausches der Arktis mit dem Europäischen Nordmeer statt. In der westlichen Framstraße verläßt kaltes und salzarmes polares Wasser die Arktis und strömt mit dem Ostgrönlandstrom südwärts. Auf der östlichen Seite der Framstraße dringt warmes und salzreiches Wasser atlantischen Ursprunges als Verlängerung des Norwegischen Atlantischen Stromes mit dem Westspitzbergenstrom in die Arktis ein. Unterhalb des polaren Wassers führt der Ostgrönlandstrom Arktisches Zwischenwasser südwärts, welches aus Wasser der Atlantischen Schicht im Arktischen Ozean und aus südlich der Framstraße rezirkulierendem Wasser des Norwegischen Atlantischen Stromes gebildet wird (Quadfasel et al., 1987). Ein Teil des Ostgrönlandstromes strömt dann nördlich von Island ostwärts, der restliche Teil verläßt das Europäische Nordmeer durch die Dänemarkstraße. 20 Abb. 1.1 : Die Bathymetrie des Arktischen Ozeans I.1.2 Die Zirkulation Die Zirkulation an der Oberfläche des Arktischen Ozeans ist nur unzureichend direkt vermessen. Man geht allerdings davon aus, daß sie der Zirkulation des Meereises sehr ähnlich ist. Die wesentlichsten Strukturen der Zirkulation von Meereis und Oberflächenwasser sind der Beaufort Wirbel und die Transpolare Drift (TPD). Während letztere Wasser und Eis aus den sibirischen Schelfgebieten der Ostsibirischen See, der Laptevsee und der Karasee über die polare Kappe hinweg zur Framstraße transportiert, ist der Beaufortwirbel ein antizyklonal drehender Wirbel im Kanadischen Becken, der letztlich sowohl in den Kanadischen Archipel, als auch in die TPD Wasser und Eis einspeist (Coachman and Barnes, 1961). Die Lage und Intensität dieser beiden Strukturen sind sowohl saisonal, als auch von Jahr zu Jahr Schwankungen unterworfen. So wechselt das Zirkulationsschema auf einer Zeitskala von 5 10 Jahren zwischen einem kleinen, weit westlich gelegenen Beaufortwirbel und einer weit im kanadischen Teil der Arktis gelegenen TPD zu einem großen Beaufortwirbel, der fast das 21 gesamte Kanadische Becken einnehmen kann sowie einer weit auf der sibirischen Seite gelegenen TPD (Abb. 1.2) (Proshutinsky und Johnson, 1997). Diese Verhältnisse lassen erwarten, daß die TPD die wesentliche Transportroute für gelöste Schadstoffe von den Schelfen zur Framstraße darstellt (Schlosser et al., 1995). Abb. 1.2 : Zwei Regime der Oberflächenzirkulation und Eisdrift im Arktischen Ozean (Proshutinsky und Johnson, 1997). Typ A korrespondiert mit Arktischer Hochdrucksituation a) und Typ B mit vorherrschendem Tiefdruck bei Island b). Die markierten Regionen sind: 1) Beaufort Wirbel, 2) Transpolardrift, 3) zyklonale Zirkulation in der Laptevsee, 4) Strömungen der Barentssee, 5) Zirkulation in der Ostsibirischen See und 6) Küstenströmungen der Karasee Die atlantischen Wassermassen des Westspitzbergenstromes folgen nach ihrem Eindringen in die Arktis dem sibirischen Schelfabhang ostwärts. Sie werden im östlichen Eurasischen Becken durch Polares Oberflächenwasser und Haloklinenwasser überschichtet (Rudels et al., 1996). Ersteres wird durch Schmelzwasser und die starken Flußwassereinträge von den Schelfen gebildet. Die eingedrungenen Wassermassen bilden den Kern der Atlantischen Schicht des Arktischen Ozeans, die zwischen 200 - 1000m Tiefe in allen Becken des Arktischen Ozeans zu finden ist. Sie zirkuliert in mehreren zyklonalen Schleifen entlang der Rückensysteme und des Schelfabhanges im Kanadischen und im Eurasischen Becken und verläßt den Arktischen Ozean durch die Framstraße (Rudels et al., 1994). Ein zweiter Zweig atlantischen Wassers gelangt über den Barentsschelf zusammen mit salzarmem Wasser aus dem Norwegischen Küstenstrom in die Arktis. Hier unterliegt er starken Wärmeverlusten, Eisbildung und -schmelze, vertikaler Vermischung und Süßwasserzufuhr von den Kontinenten. Dies führt zur Bildung von dichten Wasserkörpern, die über dem „Sankt Anna Trog“ zwischen Franz-Josef-Land und Svernaja Semlja in die mittleren und großen Tiefen des Eurasischen Beckens absinken, ganz entsprechend ihrer jeweils gewonnenen Dichte (Rudels, 1995). Hier stoßen sie auf den durch die Framstraße eingedrungenen Zweig Atlantischen Wassers. Schauer et al. (1997) schlußfolgern, daß auf diese Weise zumeist nur Wasser gebildet wird, welches die mittleren Tiefen des Arktischen Ozeanes erreicht. Sehr dichtes 22 Wasser, welches die Wassertiefen unterhalb der Atlantischen Schicht erreichen könnte, werde nur in wenigen kleinen Gebieten gebildet. I.2 Die arktischen Schelfmeere Die wesentlichen Zirkulationsmuster der eurasischen Schelfmeere sind trotz der teilweise schlechten Datenlage recht gut bekannt. Eine vereinfachte Darstellung der Oberflächenzirkulation ist in Abb. 1.3 zu sehen. Die gemeinsame Betrachtung von Barentsund Karasee macht deutlich, daß die beiden Schelfgebiete vor allem bezüglich der Wechselwirkung Eis-Ozean differenziert gesehen werden müssen. Abb. 1.3 : Schematische Oberflächenzirkulation der Arktischen Schelfmeere Barentssee und Karasee. I.2.1 Die Barentssee Der Schelfsockel der Barentssee weist einige tiefe Einschnitte wie den Bäreninselgraben und den Svyataya Anna Trog auf, in denen Tiefen von mehr als 400 m vorkommen. Flache Schelfgebiete, mit weniger als 200 m Tiefe, sind nur in der Nähe der Landmassen oder in Form einiger Plateaus zu finden (Zentral Bank, Svalbard Bank und Storbank). Durch diese topographische Struktur gibt es Verbindungswege zwischen der Norwegischen See und dem Arktischen Ozean, die trotz des vorhandenen Schelfsockels deutlich tiefer als 200 m sind. Diese Tatsache ist für die Ausbreitung von atlantischen Wassermassen im Arktischen Ozean von erheblicher Bedeutung. 23 Die Barentssee unterliegt einem starken, ganzjährig vorhandenen, nordatlantischen Einfluß, wodurch Zirkulation und Hydrographie, saisonal gesehen, relativ stabil bleiben. Die Durchströmung von warmen und salzreichen Wassermassen nordatlantischen Ursprungs läßt die Barentssee auch im Winter nie vollständig zufrieren (Loeng, 1991). In eisfreien Gebieten bewirkt die Anwesenheit von relativ warmem Wasser bei gleichzeitig sehr geringen Lufttemperaturen großflächig sehr hohe Wärmeverluste (Harms, 1994; Harms, 1997a). Bei fortschreitender Kühlung führt die einsetzende Eisbildung und das Austreten von Salzlake während des Gefriervorgangs schließlich zu haliner Konvektion. Durch diese Umformung werden Wassermassen nordatlantischen Ursprungs von der Oberfläche in die Tiefe gebracht und verlassen die Schelfgebiete als salzreiches Bodenwasser (Blindheim, 1987; Midttun, 1985; Quadfasel et al., 1988; Schauer, 1995). Die direkte Frischwasserzufuhr ist gering und beschränkt sich hauptsächlich auf Schmelzwasserabfluß vom skandinavischen und russischen Festland, von Spitzbergen und von Novaya Semlya. Ein direkter Flußeintrag findet nur durch den Fluß Pechora (129 km3/Jahr Frischwasserabfluß) statt. Indirekt gelangt Frischwasser bzw. salzärmeres Wasser durch den Norwegischen Küstenstrom und über das Weiße Meer in die Barentssee. Die Gezeiten spielen für die Transportvorgänge in der Barentssee eine untergeordnete Rolle. I.2.2 Die Karasee Da die Karasee lange Zeit das Hauptversenkungsgebiet für russischen Atommüll darstellte, wird dieses Seegebiet etwas ausführlicher beschrieben. I.2.2.1 Bathymetrie Die Karasee ist durch die Halbinsel Novaya Semlya von der Barentssee getrennt und daher nur sehr schwach dem nordatlantischen Einfluß ausgesetzt. Sie ist deutlich flacher als die Barentssee, hat einen wesentlich geringeren advektiven Wärmeimport und friert im Winter vollständig zu. Eine topographische Besonderheit ist ein tiefer Graben östlich von Novaya Semlya. Hier werden maximale Tiefen von 400 m in der ansonsten sehr flachen Karasee erreicht. Der Graben ist nördlich durch einen Sill vom Svyataya (St.) Anna Trog und damit von einer Verbindung zum Arktischen Ozean getrennt. I.2.2.2 Eisbildung Die Karasee ist im Winter vollständig eisbedeckt und im Sommer zu großen Teilen eisfrei. Lediglich im Nordosten und in der zentralen Karasee können auch im Sommer Eisreste verbleiben. Im allgemeinen ist mehrjähriges Eis aber selten anzutreffen. Die mittleren Eisdicken liegen im Winter bei 180 - 240 cm. Die Eisdrift bewegt sich überwiegend aus der Karasee heraus in Richtung Arktischer Ozean. Die Karasee ist mit 150 km3/Jahr Eistransport in den Arktischen Ozean die zweitgrößte Eisexportregion nach der Laptevsee (Pavlov, Kulakov and Stanovoy, 1993). Eine Besonderheit der Eisbildung in der Karasee sind häufig auftretende, offene Wasserflächen, sog. ‘Polynyas’ oder ‘flaw leads’ im Übergangsbereich zwischen Festeis und Drifteis (Dethleff, 1995). Treten diese offenen Flächen im Winter auf, fehlt die isolierende Eisschicht und das Meer ist an dieser Stelle einer intensiven Kühlung durch die Atmosphäre ausgesetzt. Die Folgen für den Ozean sind hohe Wärmeverluste und eine damit verbundene starke thermodynamische Eisbildung. Eine nennenswerte Produktion von Bodenwasser ist aus der Karasee aber nicht bekannt (Pavlov und Pfirman, 1995). 24 I.2.2.3 Flußeintrag, Temperatur und Salzgehalt Hydrographie und Zirkulation sind saisonal schwankend, bedingt durch das jahreszeitliche Windfeld und den sehr bedeutenden Frischwassereintrag (Harms und Karcher, 1998a). Die Karasee stellt das Mündungsgebiet der sibirischen Flüsse Ob und Yenisei dar, die zusammen ein Einzugsgebiet von 5.5 Mio km2 aufweisen. Der jährliche Flußwassereintrag beträgt 1290 km3, etwa 55 % des gesamten Frischwassereintrages in die Arktis. Mehr als 80% der Abflußmenge von Ob und Yenisey gelangen in den Monaten Juni bis September in die Karasee (Pavlov and Pfirman, 1995). Die maximalen Abflußraten des Yenisei im Frühjahr liegen in extrem trockenen Jahren bei etwa 60.000 m3/s. In extrem feuchten Jahren können sich die Abflußraten dagegen auf über 130.000 m3/s verdoppeln. Die Temperatur- und Salzgehaltsverteilungen in der Kara See zeigen eine ausgeprägte saisonale Variation. Die Wintersituation ist durch hohe Salzgehalte an der Oberfläche gekennzeichnet, die Oberflächentemperaturen liegen am Gefrierpunkt und die See ist vollständig mit Eis bedeckt. Die Vertikalverteilung von Temperatur und Salzgehalt ist nahezu homogen, woduch eine Schichtung nur schwach bis gar nicht vorhanden ist. Im Sommer sind die Salzgehalte an der Oberfläche wesentlich geringer durch Schmelzprozesse und den starken Frischwassereintrag aus den Flüssen. Die Oberflächentemperaturen in der südlichen Kara See steigen auf bis zu 8° C und das Eis ist weitgehend abgeschmolzen. Das warme, salzarme Oberflächenwasser bildet eine leichte Deckschicht, was zu einer starken vertikalen Schichtung führt (Milligan, 1969) (Pavlov, Kulakov and Stanovoy, 1993), (Pavlov and Pfirman, 1995). I.2.2.4 Die Strömungsverhältnisse In der Karastraße, der Verbindung zur Barentssee, dominiert ein ostwärts gerichteter Oberflächenstrom von der Barentssee in die Karasee. Allerdings kann es in den Sommermonaten auch zu einer leicht westwärts gerichteten Strömung kommen. Generell ist der Einstrom durch die Karastraße im Sommer schwächer und im Winter stärker ausgeprägt, was in erster Linie die saisonale Schwankung des Windfeldes wiederspiegelt. Aber auch die saisonale Varianz des Atlantik-Einstromes in die Barents See ist hierfür von Bedeutung. Besonders starke Strömungen werden in den nordöstlichen Teilen, entlang der sibirischen Küste beobachtet, die durch die hohen Flußeinträge bewirkt werden. Die Geschwindikeiten des frischwasserinduzierten Küstenstromes betragen im Sommer mehr als 80 cm/s mit einer starken topographischen Führung. Im Winter ist die Strömung deutlich geringer, doch das Frischwassersignal entlang der Küste bleibt stark genug, um zumindest einen mäßigen nordostwärts gerichteten Küstenstrom anzutreiben. Die südliche und zentrale Kara See wird von einem breitgefächerten Durchfluß von Südwest nach Nordost dominiert. Im Vergleich zu diesem beständigen und kräftigen Strömungsregime, sind die Stromgeschwindigkeiten entlang der Ostküste von Novaya Semlya, wo die Versenkungsgebiete liegen, generell schwächer (< 5 cm/s) und auch variabler. Mit Hilfe der numerischen Zirkulationsmodelle wurde auch die Rolle der Gezeit (M2Partialtide) bezüglich der Transportvorgänge in der Karasee untersucht. Hierbei zeigte sich, daß die M2-Partialtide hauptsächlich zur Vermischung (Diffusion) beiträgt. Gezeitenströme von mehr als 10 cm/s wurden in den Flußästuarien, nördlich der Yamal-Halbinsel und entlang der sibirischen Küste beobachtet. Dies läßt eine stärkere Diffusion erwarten. Die Restströme dagegen, die den advektiven Transport von radioaktiven Substanzen beeinflussen könnten, spielen für die Transportvorgänge in der Karasee eine untergeordnete Rolle. 25 26 II Radioaktivität im Wasser, Meereis und Sediment Im folgenden werden zunächst die Quellen anthropogener Radioaktivität aufgelistet (II.1). Die Reihenfolge stellt hierbei keine Rangordnung dar. Bezüglich der Belastung arktischer und subarktischer Gewässer werden dann die innerhalb des Projekts verwendeten Datensätze sowie die Probennahme und Analyse erläutert (II.2.). Im dritten Abschnitt (II.3) folgt eine nach Seegebieten geordnete Beschreibung der derzeitigen radioaktiven Belastung. Die Angaben über Radioaktivität erfolgen generell in Bq (Becquerel = Zerfälle pro Sekunde). Weiterhin werden verwendet PBq = PetaBecquerel = 1015 Becquerel und TBq = TeraBecquerel = 1012 Becquerel. Die Radionuklid-Konzentrationen werden in Bq/m3 Seewasser bzw. in Bq/kg Sediment angegeben. II.1 Quellen anthropogener Radioaktivität in der Arktis Eine Reihe von früheren und auch heute noch bestehenden Quellen anthropogener Radioaktivität belasten das Ökosystem der Arktischen Meere. Das dominierende Radionuklid ist hierbei das 137Cs mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren. Tabelle 1.1 gibt eine Übersicht der wichtigsten Quellen und deren Beiträge. II.1.1 Atmosphärischer 'fallout' aus oberirdischen Kernwaffenversuchen Im Zusammenhang mit Radioaktivität wird als 'fallout' der Eintrag an Radioaktivität auf die Erdoberfläche bezeichnet, der durch die oberirdischen Kernwaffenversuche zwischen 1955 und 1966 entstanden ist. Insgesamt wurden in dieser Zeit durch die Atommächte etwa 520 Atombombentests durchgeführt. Der Eintrag des globalen 'fallout' stellt in der Arktis die größte Quelle für anthropogene Radioaktivität dar. Die Gesamtmenge an Radioaktivität, die durch den 'fallout' direkt in die arktischen Meere eingetragen wurde, beläuft sich zeitkorrigiert für das Jahr 1993 auf 4,2 PBq an 90Sr und 6,7 PBq an 137Cs (Aarkrog, 1994). Das Aktivitätsverhältnis 137Cs/90Sr im Waffen'fallout' beträgt etwa 1,5. Zusätzlich müssen diesem Inventar noch etwa 1,5 PBq an 90Sr und 0,5 PBq an 137Cs durch Abschwämmung von den Landmassen hinzugerechnet werden. Zu diesem direkt deponiertem 'fallout' in die Arktischen Meere kam noch ein erheblicher Anteil hinzu, der durch den Wassermassentransport aus gemäßigteren Breiten mit höheren Depositionen eingetragen wurde. Die Kernwaffenversuche, die in der Arktis selbst durchgeführt wurden, fanden vornehmlich auf der sibirischen Insel Novaya Zemlya durch die frühere UdSSR statt. Hier wurden von 1955 bis 1962 insgesamt 87 oberirdische Kernwaffenversuche durchgeführt. Aarkrog (1994) schätzt den Anteil an lokalem 'fallout' in Barents und Kara See auf etwa 5 % der hier freigesetzten Menge und damit auf etwa 20 PBq an 90Sr und 30 PBq 137Cs. Die Aktivitätskonzentrationen an 137Cs, die aus dem 'fallout' resultieren, werden im Oberflächenwasser der Meere auf der Nordhalbkugel gegenwärtig auf ein Niveau zwischen 2 27 und 3 Bq/m3 geschätzt. Diese Aktivitätskonzentrationen werden als überwiegend einheitlicher „Hintergrund“ - Wert eingestuft. Zur Charakterisierung dieser Radioaktivitäts-Quelle kann das Verhältnis der Nuklide 137Cs zu 90Sr herangezogen werden, das einen Wert von ca. 1,5 aufweist (UNSCEAR, 1982). II.1.2 Der Tschernobyl-Unfall Durch den Kernreaktor-Unfall in Tschernobyl im April 1986 wurden schätzungsweise 100 PBq an 137Cs in die Atmosphäre freigesetzt. Der 'fallout' an Radioaktivität beschränkte sich überwiegend auf die Nordhalbkugel. In die Arktis (zwischen 70° und 90° nördlicher Breite) wurden schätzungsweise 1 PBq Radioaktivität an direktem 'fallout' eingebracht. Durch Meeresströmungen wurden schätzungsweise weitere 5 PBq aus der Ostsee sowie der Nordsee durch den Nordatlantischen Küstenstromes in die Arktis transportiert (MacDonald and Bewers, 1996). Die Kontamination aus der Tschernobyl-Katastrophe ist unter anderem durch ein charakteristisches Verhältnis von 134Cs zu 137Cs nachzuweisen, das im Mai 1986 0,54 betrug. Dieses Verhältnis nahm bis 1995 aufgrund der unterschiedlichen Halbwertszeiten auf einen Wert von 0,05 ab. II.1.3 Europäische Wiederaufbereitungsanlagen Aus den nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen (WAA) Sellafield (GB) und La Hague (F) sind in der Vergangenheit und auch heute noch Einleitungen von radioaktiven Abfällen in die Meere vorgenommen worden, die sich als Kontamination bis in die arktischen Gewässer ausgewirkt haben. Der Ausbreitungsweg der Kontaminationen ist bei beiden Anlagen gleich. Die Radioaktivität, die in die Nordsee gelangt (bei Sellafield aus der Irischen See um die Nordspitze Schottlands herum, bei La Hague durch den Ärmelkanal), wird anschließend mit dem Norwegischen Küstenstrom und mit Teilen des Nordatlantischen Stromes nordwärts in die Arktis transportiert. Die Ausbreitung in die Barentssee und bis in die Karasee ist eindeutig nachweisbar. In Hinsicht auf die Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme stellen die Freisetzungen aus den WAA eine bedeutende Quelle dar, die nur noch durch den Atomwaffen-'fallout' übertroffen wird. Aus der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield wurden insbesondere seit Beginn der siebziger bis Mitte der achtziger Jahre große Mengen radioaktiver Abwässer in die Irische See geleitet. Das Maximum der Einleitung erfolgte in Sellafield 1975 mit 5,2 PBq an 137Cs und 0,47 PBq an 90Sr. Die gesamte freigesetzte Radioaktivität aus Sellafield summiert sich über den historischen Freisetzungszeitraum zerfallkorrigiert für das Jahr 1992 auf 28 PBq für 137 Cs und 4,1 PBq für 90Sr (Kershaw and Baxter, 1995). Davon sind schätzungsweise 14 PBq in die arktischen Regionen exportiert worden (Aarkrog, 1994). Seit 1975 wurden die Freisetzungen von 137Cs aus Sellafield durch den Druck der Öffentlichkeit kontinuierlich reduziert und liegen heute in der Größenordnung von 10 TBq pro Jahr (MacDonald and Bewers, 1996). Ein weiterer Grund für den Rückgang ist, daß die Zusammensetzung der radioaktiven Ableitungen stark verändert wurde und 137Cs heute nicht mehr zu den dominierenden Radionukliden gehört. 28 Auch die französische Wiederaufbereitungsanlage La Hague an der Kanalküste entsorgte und entsorgt ihre schwach-radioaktiven Abwässer im Ärmelkanal. Dies geschah früher allerdings in erheblich geringerer Menge als bei Sellafield. Die Einleitungen lagen immer um mindestens eine Größenordnung niedriger als die aus Sellafield und summieren sich, zerfallskorrigiert auf das Jahr 1985, auf 0,76 PBq an 137Cs. Langjährige Meßrogramme in den betroffenen Meeresgebieten bis in den Arktischen Ozean zeigen, daß die Hauptquelle der radioaktiven Kontamination die Anlage Sellafield mit ihren Einleitungen hauptsächlich in den siebziger Jahren war (MacDonald and Bewers, 1996). Zur Feststellung der Quellen für Kontaminationen können Aktivitätsverhältnisse der verschiedenen Radionuklide herangezogen werden. Das typische Verhältnis früherer SellafieldEinleitungen für 137Cs/90Sr lag vor 1985 über 5,9 und im Jahre 1976 sogar bei 11,3. Während der Jahre 1989 bis 1992 lag dieses Verhältnis ebenfalls deutlich über 3,0 (OSPARCOM, 1997; MAFF, 1995). Das Verhältnis im Kernwaffen-'fallout' liegt in den offenen Ozeanen dagegen bei 1,5 (siehe oben). Das Aktivitätsverhältnis 137Cs/90Sr lag bei den Einleitungen aus La Hague früher unter 0,8 und meistens sogar unter 0,2. Das kumulative Aktivitätsverhältnis von 238Pu/239,240Pu für Sellafield wird von Pentreath, 1986 auf 0,17 in der Mitte der Achtziger Jahre beziffert. Dieser Wert wird durch frühere Messungen des BSH in Wasserproben um Schottland bestätigt. Das 'fallout'-Verhältnis wird mit etwa 0,04 angegeben (UNSCEAR, 1982). II.1.4 Das Atom-U-Boot „Komsomolets“ Im April 1989 sank in der Norwegischen See das nuklear getriebene und mit zwei Nukleartorpedos bestückte U-Boot „Komsomolets“. Es liegt in etwa 1700 Metern Tiefe südwestlich der Bäreninsel auf der Position 73°43,4’N 13°15,8’E. Das radioaktive Inventar des Reaktors wird auf etwa 1,5 PBq 90Sr und 2,0 PBq 137Cs geschätzt. Die beiden Torpedos mit Nuklearsprengköpfen enthalten etwa 6,9 kg 239Pu, das entspricht 16 TBq (Yablokov et al., 1993; Joint Norwegian-Russian Expert Group, 1996; Høibråten et al., 1997). II.1.5 Versenkung radioaktiver Abfälle in Kara-und Barentsee Vor einigen Jahren wurde bekannt, daß die ehemalige Sowjetunion ab etwa 1959 große Mengen fester und flüssiger radioaktiver Abfälle in der Arktis, vor allem in der Karasee versenkt hat (Yablokov et al., 1993). Hierzu zählten neben Behältern und Containern mit schwach radioaktiven Abfällen auch ganze Atomreaktoren, teilweise mit dem dazugehörigen Kernbrennstoff. Bei den versenkten Objekten handelt es sich im wesentlichen um 17 atomgetriebene Schiffsreaktoren, wovon 7 den Kernbrennstoff noch in sich tragen. Die Hauptversenkungsgebiete sind drei Buchten entlang der Ostküste Novaya Semlyas (Abrosimov Bucht, Stepovogo Bucht und Tzivolky Bucht) sowie der Novaya Semlya Graben mit einer maximalen Tiefe von 420 m (siehe dazu auch Abb. 1.1, 2.1, 2.2 u. 2.3) Das radioaktive Gesamtinventar betrug zum Zeitpunkt der Versenkungen etwa 37 PBq. Es ist aufgrund der radioaktiven Zerfallsraten derzeit (1994) auf ca. 4.7 PBq gesunken. Die wesentlichen Bestandteile sind 90Sr, 137Cs, 63Ni, und 241Pu. Die Menge an 137Cs wird mit etwa 1 PBq (zerfallskorrigiert auf 1994) beziffert (IAEA, 1997). Bis heute wurden in der Kara See 29 keinerlei Hinweise einer signifikanten Freisetzung von Radioaktivität aus den versenkten Objekten beobachtet (Salbu et al., 1997). In einigen Sedimentproben aus unmittelbarer Nähe von versenkten Objekten wurden dennoch erhöhte Radioaktivitätswerte gemessen, die auf geringfügige Leckagen schließen lassen (Joint Norwegian Russian Expert Group, 1996). II.1.6 Die nukleare Nordmeerflotte Rußlands Der größte Teil der russischen Nuklearflotte, die überwiegend aus Atom-U-Booten besteht, ist in der Umgebung von Murmansk stationiert. Im Jahr 1996 waren hier schätzungsweise 67 Atom-U-Boote im Einsatz und eine Anzahl weiterer Atom-U-Boote außer Betrieb. Hinzu kommt eine große Anzahl von strategischen Atomraketen, die im Rahmen des START-IIAbrüstungsabkommens bis zum Jahr 2003 auf eine Anzahl von 1750 reduziert wird (Nilsen et al., 1996). Das Gebiet um Murmank besteht aus einer Reihe von Fjorden, in denen die Flotte auf Werften und Anlegestellen verteilt ist. Die Verklappung flüssiger radioaktiver Abfälle in die Barentssee aus der U-Boot-Basis besteht überwiegend aus schwach radioaktiven Abfällen. Die bis in jüngste Zeit eingebrachten Abfälle werden hier im Meerwasser schnell auf unschädliche Konzentrationen verdünnt und konnten bisher meßtechnisch nicht nachgewiesen werden. II.1. 7 Weitere Quellen für Radioaktivität in der Arktis Neben der Versenkung von Radioaktivität in der Karasee und der stationierten russischen Nuklearflotte bei Murmansk gibt es noch andere Quellen für Radioaktivität in der Arktis. Insbesondere ist der Eintag radioaktiver Substanzen aus den russischen Nuklearkomplexen durch die Flußsysteme des Ob und Yenisey in die Karasee zu nennen. Die erste Kontamination der arktischen Meeresgebiete erfolgte vermutlich in den Jahren 1949 bis 1951, als infolge der Nuklearwaffenproduktion bei Chelyabinsk etwa 100 PBq radioaktive Abwässer in das Flußsystem Techa - Iset - Tobol - Irtysh - Ob geleitet wurden, wobei 90Sr etwa 11,6 % und 137Cs etwa 12,2 % der Aktivität ausmachte (Aarkrog, 1994). Der Eintrag beider Radionuklide wurde mit etwa 0,8 PBq auf 1993 zerfallskorrigiert geschätzt. Daher ist diese Quelle in Hinsicht auf die gegenwärtige Situation von geringerer Wichtigkeit. Trotzdem ist die Dichte von Nuklearanlagen und die große Menge von Radioaktivität, die in der Arktischen Region konzentriert ist, beachtenswert und birgt potentielle Risiken für die Umwelt und den Menschen. Daher liegt ein internationales Augenmerk auch auf dem zukünftigen Freisetzungspotential und der Möglichkeit von radiologischen Konsequenzen aus diesen Quellen. 30 II.2 Daten II.2.1 FS „GAUSS“-Reise Nr. 261 vom 15. Juni bis 27. Juli 1995 des BSH Das BSH unternahm im Rahmen des Projektes in der Zeit vom 15. Juni bis 27. Juli 1995 eine Forschungsreise mit dem Forschungsschiff „GAUSS“. Diese Reise führte in die Nordsee, Norwegische See, Barentssee und in die Grönlandsee. Während der Seereise wurden 97 Stationen angelaufen, an denen Seewasser- und Sedimentproben genommen wurden. Insgesamt wurden 254 Wasserproben an allen 97 Stationen und 171 Sedimentproben an 20 Stationen entnommen. An allen Stationen wurden Proben von Oberflächenwasser entweder mit dem schiffseigenen Pumpensystem oder mit einem Kranzwasserschöpfer entnommen. Der Kranzwasserschöpfer besteht aus einem Kranz von zwölf Niskin-Einzelschöpfern, die jeweils 30 Liter Volumen haben und von Bord des Schiffes aus einzeln elektronisch ausgelöst (verschlossen) werden können. Dieser Kranzwasserschöpfer wurde für Wassertiefen bis 500 m bevorzugt, in denen aufgrund höherer Aktivitätskonzentrationen geringere Probenvolumina ausreichten. In der Regel wurde für eine Wasserprobe der gewonnene Inhalt von vier Einzelschöpfern zu einer Probe zusammengeführt. Für große Wassertiefen wurden außerdem eine Anzahl von Einzelschöpfern mit einem Einzelvolumen von bis zu 500 Litern genutzt. Diese Einzelschöpfer wurden an einem Seriendraht bis in große Wassertiefen von über 3000 Metern gefahren und mit einem Fallgewicht ausgelöst. Da die Aktivitätskonzentration künstlicher Radionuklide in großen Wassertiefen sehr gering ist, wurden zur Gewinnung von Daten mit ausreichender Genauigkeit Proben mit derart großen Volumina benötigt. Mit dieser Ausrüstung konnten an diversen Stationen Wasserprofile in engen Tiefenschritten beprobt werden. Pro Station konnten maximal elf Tiefen beprobt werden. Die Wassertiefen wurden dabei einheitlich auf folgende Tiefen festgelegt: Oberfläche, 50 m, 100 m, 250 m, 500 m, 750 m, 1000 m, 1250 m, 1500 m, 2000 m, bodennah (bis zu 3280 m). Dieser große Beprobungsumfang erlaubt eine Beurteilung der Konzentrationen repräsentativ in den angefahrenen Meeresgebieten in allen Tiefenbereichen. Die Wasserproben wurden an Bord aufbereitet und später im Labor auf 137Cs und 134Cs, auf Transurane (238Pu, 239/240Pu und 241 Am, insgesamt 190 Proben), sowie teilweise auf 90Sr und 3H hin analysiert. An 20 Stationen wurden mit einem großen Kastengreifer Sedimentkerne entnommen. Die Sedimentkerne wurden an Bord des Schiffes in 2 cm dicke Schichten zerschnitten, um gegebenenfalls den zeitlichen Eintrag zurückverfolgen zu können. Die Länge der Kerne beträgt zwischen 14 und 20 cm. Diese Sedimente wurden auf 137Cs, 134Cs, 60Co, 241Am und natürliche Radionuklide hin analysiert. 31 II.2.2 GEOMAR/MMBI-Expedition im April 1997 in die Karasee Eine landgestützte Expedition des GEOMAR in Zusammenarbeit mit dem Murmansk Marine Biological Institute (MMBI) im April 1997 führte direkt in die Karasee. Der Stützpunkt der Expedition lag auf der Halbinsel Yugorskiy südlich der Insel Novaya Zemlya. Von dort aus wurden Hubschrauberflüge auf das Eis sowie Eisbegehungen vom Land aus unternommen. Für das Karaseeprojekt konnten acht Sedimentproben (Oberfläche 0 - 3 cm) und drei Wasserproben (Wasseroberfläche) an acht durch Eisbegehungen erreichte Stationen gewonnen werden. Die Positionen der Stationen lagen daher sehr nahe beieinander: die westlichste Station lag bei 69°53,4’N 60°38,6’E und die östlichste bei 69°44,0’N 62°42,4’E. Die Sedimentproben wurden auf alle gamma-spektrometrisch erfaßbaren Nuklide untersucht. Die Wasserproben wurden ausschließlich auf 137Cs hin untersucht, da der Probenumfang und die Ausrüstung für die notwendige Aufbereitung für andere Radionuklide den Umfang der geologischen Expedition gesprengt hätte. II.2.3 Proben vom Atom-U-Boot-Wrack „Komsomolets“ Die Verbindungen zu russischen Wissenschaftlern am V. G. Khlopin Radium Institute, St. Petersburg konnten genutzt werden, um Sedimentproben aus zahlreichen Expeditionen, die von diesem Institut begleitet wurden, zu erhalten. Aus der direkten Umgebung des Atom-U-Boot-Wracks „Komsomolets“ wurden 85 Sedimentproben aus den Jahren 1993, 1994 und 1995 analysiert. Diese Proben stammen von regelmäßigen Expeditionen des russischen Forschungsschiffes „KELDYSH“, das mit zwei spezialisierten Tauch-U-Booten ausgerüstet ist, mit denen in den großen Wassertiefen (1684 m) unter anderem diese Proben entnommen wurden. II.2.4 Proben aus arktischen Gewässern Als Indikator für Umweltverschmutzungen werden häufig Sedimentproben herangezogen. Daher wurden im Verlaufe des Forschungsprojektes eine große Anzahl von Oberflächensedimenten aus der Kara See von russischen Instituten beschafft, um diese auf Gammastrahler hin zu untersuchen. Das V.G.Khlopin Radium Institute, St. Petersburg, und das MMBI, Murmansk, stellten insgesamt 38 Sedimentproben (0 - 3 cm Oberfläche) aus der Karasee aus den Jahren 1993 und 1994 zur Verfügung. Die 38 Entnahmeorte sind statistisch gut über das Seegebiet verteilt, so daß ein umfassendes Gesamtbild erstellt werden kann. Das MMBI lieferte darüber hinaus Sediment- und Wasserproben aus den Fjorden in der direkten Umgebung der russischen Stadt Murmansk. Die Militärbasen der Atomflotte sind in diesem Fjordsystem verteilt. Es handelt sich bei den im Jahr 1996 gewonnenen Proben um fünf Sedimente (0 - 3 cm Oberfläche) aus fünf Fjorden sowie drei Wasserproben von drei Stationen. Aus diesen Proben kann die radioaktive Belastung des Gebietes mit allen wichtigen Standorten beurteilt werden. 32 II.3 Die aktuelle radioaktive Belastung II.3.1 Nordsee Die Wasserproben, die in der Nordsee während der Reise mit dem FS „GAUSS“ in 1995 gewonnen wurden, zeigten eine Aktivität im Bereich zwischen 2,5 und 25,5 Bq/m3 für 137Cs. In der flachen Nordsee (Wassertiefen um 40 Meter) wurden keine Wasserprofile beprobt, sondern ausschließlich Oberflächenwasser analysiert, da kaum ein vertikaler Konzentrationsgradient existiert. Die Hauptquelle für Radioaktivität in der Nordsee ist der Auslaß der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield (UK). Die Anlage liegt an der Küste der Irischen See, aus welcher das kontaminierte Wasser im Wesentlichen um die Nordspitze Schottlands herum in die Nordsee strömt. Hinzu kommen Freisetzungen von Radioaktivität durch die Wiederaufbereitungsanlage La Hague in Frankreich, von wo aus das Meerwasser durch den Kanal in die Nordsee einfließt und sich dort mit den Kontaminationen von Sellafield mischt. Diese Kontaminationen spiegeln sich deutlich in den Probenergebnissen wieder (Abb. 1.4). Die maximale Aktivität, die aus dem Auslaß von Sellafield resultiert, findet sich nahe der Orkney Inseln mit einem Wert von 13,1 Bq/m3 an 137Cs. Der Strom durch die Nordsee entlang der britischen, französischen und schließlich friesischen Küste bewirkt eine Verdünnung und somit Abnahme der Radioaktivität. Die Kontamination nimmt entlang dieses Verbreitungsweges auf Werte nahe 6 Bq/m3 am Skagerrak ab. In den vergangenen Jahren wurden die Einleitungen aus Sellafield und La Hague signifikant abgesenkt. Zu Zeiten maximaler Freisetzungen wurden Radioaktivitätswerte gemessen, die um ein Vielfaches höher lagen. Im Jahr 1978 wurden durch das DHI/BSH in der Nordsee Aktivitäten von über 400 Bq/m3 nahe der schottischen Küste ermittelt. Die Konzentrationen in der Region des Skagerrak sind durch den Ausstrom von Wasser aus der Ostsee erhöht; hier wurden Werte bis zu 25,5 Bq/m3 gemessen. In der Ostsee ist die durch die Tschernobyl-Katastrophe verteilte Radioaktivität die dominierende Quelle. Den Ursprung der Radioaktivität aus Tschernobyl läßt sich durch die gemessenen 134Cs - Aktivitäten überprüfen: das Aktivitätsverhältnis 134Cs/137Cs lag zwischen 0,024 und 0,040; der theoretische Wert lag 1995 bei einem Verhältnis von 0,05. Der Einfluß von Tschernobylkontaminiertem Seewasser ist lediglich regional, bereits vor der Norwegischen Küste läßt sich durch das Verhältnis von 137Cs zu 90Sr (Abb. 1.5) die eindeutige Herkunft der Radioaktivität aus Sellafield nachweisen. Im Skagerrak wurde außerdem ein Sedimentkern von 20 cm Länge genommen. Die höchste Aktivitätskonzentrationen mit 31,4 Bq/kg für 137Cs zeigte sich hier in der Schicht von 10 - 12 cm, während in den oberen zwei Zentimetern mit 14,3 Bq/kg eine geringere Aktivität gemessen wurde (Abb. 1.6). In den Schichten unter 12 cm nimmt die Aktivität dann wieder ab. Diese Verteilung spiegelt im wesentlichen die zeitlichen Änderungen der Einleitungen von Sellafield wieder, die 1975 ihr Maximum hatten und heute wesentlich geringer sind. Durch die vergleichsweise hohe Sedimentationsrate baute sich hier eine sehr aussagefähige Schichtung auf. In den oberen 6 Zentimetern wurde außerdem 60Co nachgewiesen (0 - 2 cm: 1,9 Bq/kg), das vermutlich aus den ehemaligen Einleitungen dieses Nuklids aus der Anlage La Hague oder dem ehemaligen Schwerwasserreaktor in Winfrith (UK) stammt. Andere bedeutende Quellen in Einzugsbereich der Nordsee sind nicht bekannt. 33 Abb. 1.4: 1995. 137 Cs [Bq/m3] im Oberflächenwasser. FS Gauss-Reise 261; 15. Juni bis 27. Juli Abb. 1.5: Aktivitätsverhältnisse von 137Cs/90Sr (rot) und Aktivitätskonzentration von Tritium (grün) [kBq/m3] im Oberflächenwasser. FS Gauss-Reise 261. 34 Abb. 1.6: Vertikalprofile (2 cm Schichten) von 137Cs [Bq/kg] im Sediment. FS 'Gauss'-Reise 261. II.3.2 Europäisches Nordmeer und Barentssee Durch die globale Verteilung von Radioaktivität durch den Kernwaffen-'fallout' liegt heute in den Meeren der nördlichen Welthalbkugel eine Aktivitätskonzentration vor, die gewissermaßen wie eine „Hintergrund“ - Aktivität erscheint (siehe oben). Diese Aktivität liegt derzeit etwa zwischen 2 und 2,5 Bq/m3 an 137Cs. Dies ergaben Messungen des BSH im Jahre 1997 im Wasser des Nordostatlantiks. Die während des Sommers 1995 ermittelten Aktivitätskonzentrationen von 137Cs geben keinen Hinweis mehr auf die hohen Einleitungen von Sellafield vor 1985. Es gibt auch keine Anzeichen auf weitverteilte Kontaminationen aus irgendwelchen lokalen Quellen, wie z. B. dem versenkten Atommüll in den Aktischen Schelfmeeren. Die gemessenen Werte waren signifikant niedriger als die von Wedekind et al. (1997) aus dem Jahre 1985. Die Aktivitätskonzentrationen von 137Cs im Oberflächenwasser der Grönlandsee und der Norwegischen See waren durchgängig niedrig (2,2 - 4,9 Bq/m3, Abb. 1.7 und 1.8). Die Werte in den Tiefenbecken nahmen in den tieferen Schichten unter 1000 Metern stark ab (2,5 - 0,8 Bq/m3). 35 Abb. 1.7: Vertikalprofile von 137Cs [Bq/m3] im Meerwasser der nördlichen Nordsee und der Norwegischen See. FS 'Gauss'-Reise 261. Die ermittelten Aktiviäten im zentralen Teil des Europäischen Nordmeeres lagen im Oberflächenwasser erwartungsgemäß sogar nur bei 2,3 bis 2,8 Bq/m3 von 137Cs (6 Stationen, Abb. 1.8). Das an zwei Stationen ermittelte Aktivitätsverhältnis 137Cs/90Sr lag dabei mit 1,7 und 1,8 unter dem Wert von 2. Aus diesen Werten läßt sich der Schluß ziehen, daß in diesem Teil des Beobachtungsgebietes keine Kontaminationen außer der Belastung aus dem Kernwaffen'fallout' mehr vorliegen. Die Profile an diesen Stationen zeigten bis zu einer Tiefe von etwa 750 bis 1000 Metern eine gute Durchmischung. Mit zunehmender Tiefe nehmen dann die Aktivitäten deutlich ab (Abb. 1.8). An einer Station im Lofoten-Becken (70°00,0’N 01°00,0’E) wurde an der Oberfläche ein Wert von 2,7 Bq/m3, in 750 Metern Tiefe 3,0 und in 1000 Metern Tiefe 2,4 gemessen. Bodennah (3280 m) lag die Aktivität bei 0,9 Bq/m3. Messungen, die zehn Jahre früher (1985) ebenfalls im Lofoten-Becken vorgenommen wurden, zeigten eine stärkere Belastung der Region durch die Sellafield-Einträge und ein deutlich weniger durchmischtes Profil: Oberfläche 6,1 Bq/m3, kontinuierliche Abnahme der Aktivität mit der Tiefe und bodennah nur 0,4 Bq/m3 (Wedekind et al. , 1997). 36 Abb. 1.8: Vertikalprofile von 137Cs [Bq/m3] im Meerwasser der Grönlandsee. FS 'Gauss'Reise 261. Die Vergleiche einiger ausgewählter Profile von 137Cs von 1995 mit denen von 1985 im BoreasBecken, im Grönland-Becken und im Lofotenbecken sind in der Abbildung 1.14 dargestellt. Auffällig ist in allen drei Gebieten, daß die Aktivitäten in den Oberen Horizonten durch die Abnahme der Einleitungen stark zurückgegangen sind und in den unteren Horizonten durch Konvektion auf ein höheres Niveau gestiegen sind als zehn Jahre zuvor. Der starke Gradient auf niedrigere Werte mit zunehmender Tiefe hat sich in dem Zeitraum deutlich abgeschwächt. Die Wasserproben nahe der Norwegischen Küste zeigten hingegen gegenüber dem Hintergrund-'fallout'-Niveau leicht erhöhte 137Cs-Werte, die in nördlicher Richtung entsprechend dem Wassermassen-Transport im Verlauf des norwegischen Küstenstromes abnahmen (9,6 - 3,8 Bq/m3, Abb. 1.7). Die Quellen für diese Aktivitäten sind die Ableitungen aus Sellafield und - in geringerem Maße - kontaminiertes Seewasser aus der Ostsee. Dieses läßt sich aus dem Aktivitätsverhältnis von 137Cs/90Sr entlang der Norwegischen Küste erkennen, das zwischen 2,1 und 2,3 lag. In der zentralen Barents See lagen die ermittelten Aktivitäten auf dem Niveau des erwarteten Hintergrundes oder sehr geringfügig darüber (2,1 - 3,8 Bq/m3 an 137Cs, Abb. 1.9). Dabei traten im vertikalen Verlauf des Profiles (maximale Beprobungstiefe der nicht so tiefen Barents See war 350 m) keine signifikanten Unterschiede auf. Etwas höhere Werte (4,2 - 4,5 Bq/m3) wurden in der Barents See im Oberflächenwasser des Norwegischen Küstenstromes gemessen. Diese Beprobungsorte lagen etwas nördlich von Nordnorwegen und in der Nähe der Kola Halbinsel. Diese gegenüber dem 'fallout'-Wert leicht erhöhten Werte sind auf die Freisetzungen aus Sellafield zurückzuführen, wie die Aktiviätsverhältnisse 137Cs/90Sr um 2,2 zeigen. Im Vergleich 37 zu früheren Daten ist das Signal von Sellafield auch in diesem Seegebiet deutlich zurückgegangen (Kershaw et al., 1997; Guegueniat et al., 1997). Abb. 1.9: Vertikalprofile von 137Cs [Bq/m3] im Meerwasser der Barentssee. FS 'Gauss'-Reise 261. In der westlichen Grönland See, nahe der Treibeisgrenze im Juli / August 1995, lagen die Werte zwischen 3,5 und 4,9 Bq/m3 an 137Cs, also ebenfalls gegenüber dem 'fallout'-Hintergrund geringfügig erhöht. Die hier ermittelten 137Cs/90Sr - Aktivitätsverhältnisse lagen über 2,3 und lassen somit vermuten, daß hier Rückströmungen aus nördlicher Richtung mit Kontaminationen aus früheren Sellafield-Einleitungen stattfinden. Die Probenergebnisse der Transuran-Nuklide 238Pu, 239,240Pu und 241Am im Seewasser spiegeln die Abnahme der Aktivitäten durch die Reduzierung der Einleitungen aus Sellafield zwischen 1980 und 1990 ebenfalls deutlich wieder. Kontaminationen durch die Versenkungen der früheren UdSSR oder aus der "Komsomolets" wurden nicht erkannt. Zur besseren Übersicht über die Probenergebnisse für die Transuran-Nuklide wurde das Seegebiet in Boxen eingeteilt, die in der Abbildung 1.10 dargestellt sind (Herrmann et al., 1998). Für diese Nuklide liegen Ergebnisse aus insgesamt 190 Proben vor. Die mittlere Aktivitätskonzentration von 239,240Pu im Oberflächenwasser betrug für das Gesamtgebiet 8,3 ± 0,7 mBq/m3 in einer Spanne von 3 bis 38 mBq/m3. Im Vergleich zu früheren Ergebnissen aus 1989 (Kershaw et al., 1997) und aus 1985 (Wedekind et al., 1997) sind diese Werte etwa um den Faktor 3 - 4 zurückgegangen. 38 Abb. 1.10: Stationsplan der FS 'Gauss'-Reise 261 mit Einteilung in Boxen Abb. 1.11: Beispiele für Vertikalprofile von 239,240Pu-Aktivitätskonzentrationen [mBq/m3] im Meerwasser der Norwegischen See und der Grönlandsee. 39 Im vertikalen Profil wurde allerdings ein signifikanter Anstieg der 239,240Pu - Konzentrationen in tieferen Schichten gegenüber der Oberfläche beobachtet. In dem Seegebiet liegt die mittlere Aktivitätskonzentration in der Schicht zwischen 100 und 750 Metern bei 14,2 ± 1,0 mBq/m3 in einer Spanne von 6 - 46 mBq/m3. Diese Aktivitätsverteilung ist aus dem Nordatlantik bekannt, wo höhere Aktivitäten in Schichten von 500 bis 1000 Metern gefunden werden und als 'fallout'Plutonium aus den oberirdischen Kernwaffenversuchen identifiziert werden können. Die Abbildung 1.11 zeigt Beispiele für zwei Profile von 239,240Pu - Aktivitätskonzentrationen aus der Norwegischen See und der Grönlandsee. Am auffälligsten ist hier die signifikante Konzentrationsspitze in der Schicht von 100 bis 250 Metern Tiefe. Die Spitzenwerte liegen bei 46 mBq/m3 in einer Tiefe von 100 Metern in der Norwegischen See und 18 mBq/m3 in 250 Metern Tiefe in der Grönlandsee. An Stationen entlang der norwegischen Küste wurde auch ein zweiter Peak mit Werten bis zu 26 mBq/m3 registriert, der in Tiefen von 1200 bis 1500 Metern auftritt. Da die Profile der oberen 500 Meter eine interessante Aktivitätsverteilung darzustellen scheinen, wurden mittleren Konzentrationen in den Boxen (Abb. 1.10) für 238Pu, 239,240Pu und 241 Am an der Oberfläche, in 100m, 250m und 500m errechnet und in Abb. 1.12 dargestellt (Herrmann et al., 1998). Die Abbildungen starten mit der Box 7 und zeigen die Verteilung im Gegenuhrzeigersinn entlang dem Norwegischen Küstenstrom, dem West-Spitzbergen-Strom und dem Ost-Grönland-Strom. Es zeigt sich als vorherrschende Tendenz, daß die Aktivitätskonzentrationen entlang dieser Transportroute kontinuierlich abnahmen und somit ebenfalls die Verteilung der Einleitungen aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield wiederspiegeln. Diese Aussage wird durch die signifikante Abnahme des mittleren Aktivitätsverhältnisses 238Pu/239,240Pu entlang dieses Verteilungsweges untermauert. Das 'fallout'-Verhältnis von 0,04 wird allerdings im gesamten Gebiet überschritten, mit Ausnahme der 2000 Meter Schicht entlang der Grönländischen Küste, so daß der Schluß naheliegt, daß das gesamte Gebiet mit Plutonium aus den Anlagen Sellafield und La Hague kontaminiert ist. In nahezu allen Gebieten sind die mittleren Oberflächenkonzentrationen niedriger als die in der Schicht zwischen 100 und 500 Metern Tiefe. Dies gilt besonders für das dominierende Radionuklid 239,240Pu. Eine Ausnahme zu diesem Verteilungsmuster bilden die Boxen 13 und 14, wo die mittleren Oberflächenkonzentrationen von 241Am vergleichbar mit der in tieferen Schichten sind. Da die Salinität im Oberflächenwasser hier auf Werte bis 32,1 PSU (Practical Salinity Units) fällt, liegt die Vermutung nahe, daß das Abschmelzen großer Mengen an Polareis die darin konservierten 'fallout'-Nuklide freisetzt und eine Erhöhung der Aktivitäten im Oberflächenwasser bewirkt. Die unterschiedliche vertikale Verteilung der Transurane in der Norwegischen See (Boxen 7 bis 9) und in der Grönlandsee (Boxen 12 bis 14) ist außergewöhnlich. In der Grönlandsee können Konvektionsprozesse als Ursache für das Verteilungsmuster zugrunde gelegt werden. Der Konzentrationspeak in der Norwegischen See in 1200 - 1500 Metern kann mit Konvektionseffekten allerdings nicht erklärt werden. Unter der Annahme, daß in früheren Jahren ein horizontaler Transport von Sellafield-kontaminatiertem Wasser in tiefere Schichten der Grönlandsee stattgefunden hat, könnten Konvektionsereignisse und ein anschließender horizontaler Transport mit Grönlandsee-Tiefenwasser diese relativ hohen Aktivitäten erklären. Als ein anderer möglicher Weg kommt auch ein vertikaler, an Teilchen gebundener Transport in Frage. 40 10 0m 100m 250m 500m 9 8 7 mBq/m3 238 Pu 6 5 4 3 2 1 0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 30 0m 100m 250m 500m 25 239,240 Pu mBq/m3 20 15 10 5 0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 10 0m 100m 250m 500m 9 8 mBq/m3 7 241 Am 6 5 4 3 2 1 0 7 8 9 10 11 12 13 14 15 Abb. 1.12: Gemittelte Aktivitätskonzentrationen von Transuran-Nukliden [mBq/m3] im Europäischen Nordmeer. Numerierung gemäß der Einteilung des Seegebietes in Boxen (s. Abb. 1.10). Das Tritium zeigt im europäischen Nordmeer und in der Barentssee eine weitgehend homogene Verteilung (Abb. 1.5). Im Gegensatz zu den übrigen Nukliden stammt anthropogenes 3H in den Weltmeeren überwiegend aus dem 'fallout' der oberirdischen Kernwaffenversuche und nur zu einem kleineren Anteil aus Einleitungen der europäischen Wiederaufbereitungsanlagen. Das Niveau ist gegenüber den Messungen aus 1985 (Wedekind et al., 1997) deutlich zurückgegangen. 41 Für die Grönlandsee und das zentrale Europäische Nordmeer errechnet sich aus acht Proben ein mittlerer Wert von 0,26 ± 0,04 kBq/m3 im Oberflächenwasser (0,20 bis 0,32 kBq/m3). Es kann vorausgesetzt werden, daß sich dieses Niveau ausschließlich aus der Verteilung des Kernwaffen-'fallout' ergeben hat. Entlang der norwegischen Küste wurden höhere Werte, die in nördlicher Richtung sehr rasch abnehmen, gemessen. Das Maximum liegt hier bei einem Wert von 1,38 kBq/m3 (Oberfläche) in der südlichen Norwegischen See. Die Ursache liegt im Ausstrom aus der Ostsee, die 'fallout'Tritium über die Jahrzehnte konserviert hat, sowie in geringerem Maße in Einleitungen der europäischen Wiederaufbereitungsanlagen. In der Barentssee schließlich wurden an vier Stationen Werte zwischen 0,24 und 0,28 kBq/m3 ermittelt und liegen somit nahe dem ermittelten 'fallout'-Niveau. Das im Gesamtgebiet ermittelte, im wesentlichen einheitliche Niveau zeigt aufgrund der geringen Bandbreite der Aktivitätskonzentrationen keine dominante Abhängigkeit vom Salzgehalt (Abb. 1.13). Dem Maximum von 1,38 kBq/m3 ist ein erwartungsgemäß geringerer Salzgehalt zuzuordnen, da es durch ausströmendes Ostseewasser verursacht wurde, ansonsten sind die Stationen mit geringeren Salzgehalten im Tritiumgehalt nicht erhöht. Die Profile der Stationen 34 ("Komsomolets"), 58 (77°00,0’N 00°01,6’E, Grönland-Becken) und 62 (70°00,2’N 15°03,5’E, Grönlandsee) zeigen eine kontinuierliche Abnahme des Tritium mit zunehmender Tiefe (Abb. 1.13). Diese Verteilung wurde durch Konvektion verursacht. Dies wird auch durch einen Vergleich von Tritiumprofilen aus 1995 und 1985 im Boreas-Becken deutlich (Abb. 1.14), die eine gleichmäßige Abnahme des Tritium über zehn Jahre in allen Tiefenhorizonten durch Verteilungseffekte aufzeigen. Im Europäischen Nordmeer wurden an insgesamt 15 Stationen Sedimentkerne gewonnen (Abb. 1.6). Die Aktivität im Oberflächensediment (0 - 2 cm) liegt dabei generell im Bereich zwischen 3,6 und 15,8 Bq/kg für 137Cs. Die Aktivitäten nehmen aufgrund der vergleichsweise niedrigen Sedimentationsrate in Richtung tieferer Schichten sehr schnell ab und liegen im allgemeinen ab 10 Zentimetern schon unterhalb der Nachweisgrenze. Andere anthropogene Radionuklide als 137Cs konnten nicht nachgewiesen werden. Eine Ausnahme zu diesen Werten bildeten zwei Kerne, die in der Nähe der Norwegischen Küste gewonnen wurden. Hier liegt die Aktivität von 137Cs in den oberen zwei Zentimetern bei 47,5 bzw. 48,7 Bq/kg. In tieferen Schichten nahmen hier die Aktivitäten ebenfalls schnell ab. Diese Werte spiegeln mit hoher Wahrscheinlichkeit die Kontamination durch die SellafieldEinleitungen wieder, da diese Stationen auf dem Ausbreitungsweg des kontaminierten Seewassers aus dieser Quelle liegen. An der Station, die näher der Küste liegt, wurde auch ein 134 Cs - Wert (1,6 Bq/kg) ermittelt. Aufgrund des Verhältnisses zu 137Cs läßt sich aber nicht mit Bestimmtheit ein Nachweis führen, ob oder zu welchem Teil Tschernobyl-Kontaminationen hier eine Rolle spielen. In der Barentssee wurden an fünf Stationen Sedimentproben genommen. Hier waren die Aktivitätskonzentrationen an der Sedimentoberfläche vergleichsweise sehr gering (4,4 bis 5,8 Bq/kg). An einer Station betrug die Aktivität an der Sedimentoberfläche sogar nur 1,5 Bq/kg. In der Sedimentschicht von 2 bis 4 cm lagen die Aktivitäten dann in der Regel etwas höher, was auf ältere Kontaminationen aus Sellafield zurückzuführen ist. 42 Abb. 1.13: Tritium [kBq/m3] in Abhängigkeit von der Salinität im Meerwasser des Europäischen Nordmeeres. FS 'Gauss'-Reise 261. 43 Abb. 1.14: Die Verteilung von 137Cs und Tritium in Profilen des Europäischen Nordmeeres im Vergleich der Jahre 1985 und 1995. Auf allen Positionen nahmen die Konzentrationen bis 1995 deutlich ab. 44 II.3.3 Das Wrack des Atom-U-Bootes „Komsomolets“ Die Meßprogramme um das U-Boot-Wrack „Komsomolets“, an denen das BSH zum Teil durch eine intensive Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus russischen Partnerinstituten beteiligt war, konnten sowohl in der Wassersäule als auch im Sediment keinen Nachweis für eine großräumige Kontamination aus dieser Quelle erbringen. Zwar wurden durch Wissenschaftler des V. G. Khlopin Radium Institute direkt im „Lüftungsrohr“ aus dem Reaktor hohe Konzentrationen an 137Cs und 134Cs nachgewiesen, die hohen Konzentrationen gehen aber sehr schnell durch Verdünnung auf niedrige Werte im Bereich des Bugs und des Hecks zurück. Das Aktivitätsverhältnis 134Cs/137Cs lag bei 0,52 (zerfallskorrigiert auf April 1989), das ist ein ähnliches Verhältnis, wie der Tschernobyl-'fallout' aufweist. Die spezifische Aktivität der analysierten Sedimentproben ist typisch für dieses Seegebiet. Dies spiegeln die Werte aus den Jahren 1993, 1994 und 1995, die zwischen 1,8 und 15 Bq/kg in der Oberfläche lagen, wieder. Die Abb. 1.15 zeigt Messungen aus dem Jahr 1995 mit Werten zwischen 4,8 und 9,8 Bq/kg. Das Inventar liegt dann zwischen 50 und 100 Bq/m2. Auch die zahlreichen Transurananalysen ergaben Werte, die im Sediment unter 1 Bq/kg für 239Pu und 241 Am liegen. Die Aktivitätsverhältnisse 238Pu/239Pu und 241Am/239Pu sind typisch für den globalen 'fallout' und lassen keinen Rückschluß auf eine Freisetzung aus dem U-Boot erkennen. Während der FS „GAUSS“-Reise 261 wurden in der Nähe des Wracks an fünf Positionen Wasserproben und Sedimentproben gewonnen (zentral, nördlich, südlich, westlich und östlich des Wracks). Auch hier sind keinerlei Anzeichen einer Kontamination der Umgebung aus dem Reaktor erkennbar. Die Wasserproben stammen von der Oberfläche und aus Bodennähe. An der Oberfläche schwankt die Aktivität zwischen 2,5 und 2,8 Bq/m3 für 137Cs. Dieser Wert stimmt gut mit den anderen, in diesem Seegebiet vorliegenden Ergebnissen überein. In Bodennähe (zwischen 1615 und 1680 Meter Tiefe) lagen die Werte zwischen 0,7 und 0,8 Bq/m3. Dies ist ebenfalls ein erwarteter Wert in Wassertiefen zwischen 1500 und 2000 Metern dieser Region. Andere Radionuklide anthropogener Herkunft konnten nicht nachgewiesen werden. Die gamma-spektrometrischen Analysen wurden auf eine NWG von ca. 0,5 Bq/kg bezogen auf 60 Co ausgerichtet. Auch die Sedimentanalysen dieser Reise zeigten ein typisches und statistisch ausgewogenes Bild: in der Oberflächenschicht (0 - 2 cm) lagen die Werte für 137Cs zwischen 11,8 und 15,8 Bq/kg und - um ein Beispiel zu nennen - in der Schicht von 6 bis 8 Zentimetern zwischen 1,2 und 1,9 Bq/kg. Diese Messungen decken sich mit den Ergebnissen aus vergleichbaren Seegebieten. Auch im Sediment wurden keine anderen Radionuklide gefunden, die auf eine etwaige Leckage schließen ließen. Infolge der Erfahrungen aus anderen gesunkenen Atom-U-Booten wird in dieser Quelle keine große Gefahr für die Meeresumwelt oder die Konzentration in Fisch gesehen. Modellrechnungen zeigen, daß austretende Radionuklide nach Norden in der Tiefe transportiert würden. Eine Verfrachtung in die euphotische Deckschicht des Meeres und eine dortige Anreicherung in der Nahrungskette des Meeres ist dann nur über sehr große Zeiträume möglich. Die Gefahren insbesondere für das Plutonium aus den Waffen sind noch geringer, da erwartet wird, daß es nach einer möglichen Freisetzung überwiegend im Sediment gebunden würde. Plutonium weist ferner auch nur einen relativ kleinen Konzentrationsfaktor im Meeresfisch auf. 45 30' 40' 50' 13° 10' 20' 30' 40' 50' 14° 74° 74° 5,3 5,8 8,0 6,3 50' 6,7 5,5 6,3 5,8 6,0 50' 5,4 4,6 6,5 40' 40' 5,3 9,4 6,2 4,8 9,8 30' 30' Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie, Hamburg 30' 40' 50' 13° 10' 20' 30' 40' 50' 14° Abb. 1.15: Spezifische Aktivität 137Cs [Bq/kg] im Oberflächensediment (0-3 cm) 1995 in der Umgebung des Atom-U-Boot-Wracks 'Komsomolets'. 46 II.3.4 Karasee Die während der Expedition des GEOMAR und des MMBI gewonnenen Proben zeigen die Belastungssituation in der Kara See nahe der Karastraße auf. Die Wasserproben wurden auf 137 Cs analysiert und zeigten ein Niveau zwischen 4,9 und 5,3 Bq/m3. Diese Werte spiegeln den weiteren Verteilungsweg der Kontaminationen aus Sellafield nach dem Passieren der südlichen Barents See wieder. Die Aktivitäten waren ebenso wie dort gegenüber dem 'fallout'Niveau nur unwesentlich erhöht. Weitere Informationen über die Radioaktivität im Oberflächenwasser der Karasee können aus den Ergebnissen einer norwegisch/russischen Expedition 1992 entnommen werden (Joint Norwegian Russian Expert Group, 1996). Die ermittelte Verteilung von 137Cs zeigt auf, daß höhere Aktivitäten (6 - 8 Bq/m3) in stärker salzhaltigem Seewasser in der Nähe der Karastraße und entlang der Küste von Novaya Semlya auftraten. Niedrigere Werte (3 -4 Bq/m3) in weniger salzhaltigem Wasser wurden dagegen in der Nähe der Flußmündungen registriert. Sehr ähnlich Ergebnisse wurden auch von King et al. (1997) und Krosshavn et al. (1998) veröffentlicht. Die Aktivitätskonzentrationen im Seewasser der Karasee können als sehr niedrig angesehen werden. Die Radioaktivitätsmessungen an Sedimenten, die aus dieser Expedition stammen, zeigten ebenfalls nur geringe Kontaminationen. Die Variabilität der gemessenen 137Cs - Werte ist hoch, diese lagen in einem Bereich zwischen nur 0,33 und 20,2 Bq/kg (Dethleff et al., 1998b). Der Mittelwert, der aufgrund der - statistisch gesehen - geringen Anzahl von Proben mit einer hohen Standardabweichung behaftet ist, lag bei 6,7 Bq/kg für 137Cs. Die Aktivitätskonzentrationen in den Oberflächensedimenten (0 - 3 cm) in der Karasee (Abb. 1.16) lagen in einer Spanne zwischen 1,0 und 22,1 Bq/kg an 137Cs. Diese Ergebnisse wurden an Sedimenten ermittelt, die von russischen Partnerinstituten in den Jahren 1993 und 1994 gewonnen wurden. Die Probenahmeorte sind statistisch gut über das Seegebiet verteilt. Es ist auffällig, daß auch diese Ergebnisse eine hohe Streuung aufwiesen, wobei sich keine örtliche, zeitliche oder sonstige Zuweisung erkennen läßt. Die inhomogene Verteilung läßt sich eventuell mit dem Umstand erklären, daß die Karasee ein viel variableres Strömungsregime aufweist als beispielsweise die Barents See, und zwar insbesondere im saisonalen Bereich. Der Mittelwert der Ergebnisse lag bei 9,3 Bq/kg (137Cs) mit einer Standardabweichung von ± 58 %. Diese Werte waren vergleichsweise niedrig, vor allem wenn man vergleichsweise die Kontaminationen in der Irischen See oder der Ostsee herangezogen werden (BSH, 1990 and 1996; HELCOM, 1995). An der Ostküste von Novaya Semlya, dem Versenkungsort der russischen Nuklearabfälle, wurden keine gegenüber dem allgemeinen Niveau signifikant erhöhten Werte ermittelt. Eine Freisetzung von Radioaktivität aus den Versenkungsgebieten war somit nicht zu erkennen. In der Nähe der Flußmündungen der Flüsse Ob und Yenisei lagen die Ergebnisse im oberen Bereich, was in Austrägen von kontaminierten Flußsedimenten begründet sein könnte. Die Flußsedimente sind durch Freisetzungen aus sibirischen Wiederaufbereitungsanlagen belastet. In einer Probe im Ästuar des Yenisei wurde eine 60Co-Aktivität von 1,5 Bq/kg nachgewiesen. Diese Beobachtungen stimmen mit anderen Untersuchungen an den Flußmündungen von Ob und Yenisei überein (Panteleyev, 1995). 47 Abb. 1.16: Spezifische Aktivität von 137Cs [Bq/kg] (und Oberflächensediment (0-3 cm) der Karasee. 60 Co, sofern >0,5 Bq/kg) im Abb. 1.17: Radioaktivität in der Murmansk Region: 137Cs, 60Co und 241Am im Meerwasser [Bq/m3] und im Oberflächensediment [Bq/kg]. 48 II.3.5 Die Murmansk Region Die Ergebnisse der Radioaktivitätsanalysen in der Murmansk Region (Abb. 1.17) lassen eine eingehende Beurteilung der aktuellen Situation in direkter Nähe der russischen Nuklearflotte zu. Wie die Wasserproben wurden in den Küstengewässern der Andreeva- und Ara - Bucht sowie an der Mündung des Murmansk Fjordes auf den 137Cs - Gehalt analysiert. Die Aktivitäten liegen bei 4,9 / 4,7 / 8,0 Bq/m3 und somit in dem Bereich, der an dieser Stelle durch die anderen Analysen im Rahmen des Projektes als erwartungsgemäß oder leicht darüberliegend bewertet werden kann. Eine geringe Freisetzung aus den Nuklearbasen kann aufgrund der leicht erhöhten Werte nicht ganz ausgeschlossen werden. Daß aus den Militärbasen dieser Region in der Vergangenheit Freisetzungen von Radioaktivität stattgefunden haben, läßt sich aus den Sedimentanalysen erkennen. In allen fünf Buchten, in denen Standorte der Atomflotte zu finden sind, wurden Sedimentproben (0 - 3 cm) analysiert. Die 137Cs - Werte sind hier teilweise etwas erhöht, aber nicht alarmierend. Außerdem ließen sich teilweise 60Co - Aktivitäten und in der Olenaya Bucht sogar eine Kontamination mit 241Am (3,1 Bq/kg) nachweisen, die eindeutig auf geringfügige Freisetzungen aus Nuklearanlagen schließen lassen. Die stimmt mit Beobachtungen von Rissanen et al. (1998) überein. Die Ura Bucht zeigt keine gegenüber dem Niveau in der übrigen Barentssee erhöhten Aktivitätskonzentrationen (6,5 Bq/kg 137Cs, weder 60Co noch 241Am). In allen anderen Buchten wurden jedoch erhöhte Werte registriert: 137Cs zwischen 12,3 bis 37,5 Bq/kg und 60Co zwischen 2,7 und 22,7 Bq/kg. II.4 Zusammenfassung Folgende Quellen kommen für die anthropogene Radioaktivität im Nordmeer sowie im Arktischen Ozean in Betracht: Der globale 'fallout' aus atmosphärischen Atomwaffentests der 50er und 60er Jahre. Die Einleitungen aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield in England in die Irische See. Die Atomflotte der Russischen Republik mit ihren Stützpunkten in Murmansk. Das Wrack des Atom-U-Boots ‘"Komsomolets"‘. Die Versenkung von radioaktiven Abfällen durch die frühere UdSSR in der Karasee. Anfang der 90er Jahre wurde bekannt, daß die ehemalige Sowjetunion ab etwa 1959 große Mengen fester und flüssiger radioaktiver Abfälle in der Arktis, vor allem in der Karasee versenkt hat. Bei den versenkten Objekten handelt es sich im wesentlichen um 17 atomgetriebene Schiffsreaktoren, wovon sieben den Kernbrennstoff noch in sich tragen. Die Hauptversenkungsgebiete sind drei Buchten entlang der Ostküste Novaya Semlyas sowie der Novaya Semlya Graben mit einer maximalen Tiefe von 420 m. Das radioaktive Gesamtinventar betrug zum Zeitpunkt der Versenkungen etwa 37 PBq. Es ist aufgrund der radioaktiven Zerfallszeit bis 1994 auf ca. 4.7 PBq gesunken. Die wesentlichen Bestandteile sind 90Sr, 137Cs, 63Ni und 241Pu. Während des Projektes wurde ein intensives Meßprogramm durchgeführt, um die gegenwärtige Belastung durch anthropogene Radioaktivität in den Arktischen Meeren zu 49 ermitteln. Die Ergebnisse bestätigen die aktuelle Belastungssituation infolge der früheren und aktuellen Einleitungen durch die WAA Sellafield und La Hague. Die Wasserproben in der Nordsee zeigen derzeit eine Belastung zwischen 3,1 und 25,5 Bq/m3 137 Cs, wobei die hohen Aktivitäten über 20 Bq/m3 im Bereich des Skagerrak gefunden wurden. Hier gelangt kontaminiertes Wasser aus der Ostsee, die auch heute noch durch den Tschernobyl-Unfall belastet ist, in die Nordsee. Die Wiederaufbereitungsanlage Sellafield stellt ansonsten die dominante Quelle für Radioaktivität in der Nordsee dar. Das Europäische Nordmeer spiegelt ebenso wie die Barentssee den Einfluß des radioaktiven ‘fallout‘ aus den Kernwaffenversuchen wieder. Das großflächige Niveau beträgt hier etwa 2 bis 2,5 Bq/m3. Entlang der Norwegischen Küste, am Nordkap und bis in die südliche Karasee sind erhöhte Aktivitäten (bis 8.6 Bq/m3) zu finden, die aus den Freisetzungen von Sellafield stammen. Dieser Ausbreitungsweg folgt der vorherrschenden, durch den Nordatlantischen Strom (Golfstrom) induzierten Strömung. In direkter Nähe des Atom-U-Boot-Wracks 'Komsomolets' sowie in der Karasee sind keine außergewöhnlichen Belastungen gemessen worden. In unmittelbarer Nähe der russischen Atomflotte, die in dem Fjord-Gebiet um Murmansk liegt, ließen sich nahe der Küste leicht erhöhte Aktivitäten (8 Bq/m3) feststellen, die vermutlich von Freisetzungen aus diesen nuklearen Anlagen stammen. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Belastung der Nordsee und der Arktischen Meere durch Radioaktivität seit den achtziger Jahren drastisch zurückgegangen ist. Eine Gefährdung der Ökosysteme oder des Menschen (indirekt, z.B. durch Fischverzehr), kann ausgeschlossen werden. Eine Freisetzung von Radioaktivität aus den Versenkungsgebieten in der Karasee ist bisher nicht feststellbar. 50 Teilprojekt B Numerische Modellierung Das Teilprojekt B ‚numerische Modellierung‘ befaßt sich mit der Ausbreitung von Radionukliden und der möglichen Kontamination bestimmter Seegebiete durch Freisetzungen aus den obengenannten Quellen. Um die Ausbreitung von Radioaktivität im Ozean über einen möglichst weiten Bereich zeitlicher und räumlicher Skalen zu berücksichtigen, kommen Computermodelle zum Einsatz, wie sie derzeit in der Grundlagen- und Klimaforschung innerhalb der Ozeanographie eingesetzt werden. Diese Arbeiten wurden, getrennt nach den räumlichen Skalen, sowohl am BSH als auch am IfM-HH durchgeführt. Die Ausbreitung von Schadstoffen im Rahmen der Eis-Ozean-Zirkulation in der Arktis unterliegt einer Kette von sehr unterschiedlichen physikalischen Prozessen. Die zwei wesentlichen Ausbreitungswege betreffen zum einen die Verdriftung oder Dispersion von Radionukliden innerhalb der Wassersäule (Kapitel 1) und zum anderen den Transport von radioaktiven Substanzen durch das treibende Meereis (Kapitel 2). Die physikalischen Prozesse, die beiden Ausbreitungsarten zugrunde liegen sind grundsätzlich verschieden. Während driftende Substanzen im Wasser eine kontinuierliche Verdünnung von der Quelle ‚stromabwärts‘ erfahren, werden eingefrorene Substanzen im Eis nahezu unverdünnt transportiert. Der Transport durch treibendes Meereis kann prinzipiell als zweidimensional (horizontal) angesehen werden, wobei der Hauptantrieb der Wind ist. Häufig sind die Driftgeschwindigkeiten im Verhältnis zum Wasser sehr hoch, wodurch treibendes Meereis eine nicht unwesentliche Transportmöglichkeit für die weiträumige Verteilung von Schadstoffen in der Arktis darstellt. Im Wasser dagegen muß die Ausbreitung grundsätzlich dreidimensional (horizontal und vertikal) betrachtet werden, wobei die Antriebsmechanismen sehr vielfältig sind. Beide Transportarten unterscheiden sich deshalb vor allem durch unterschiedliche Ausbreitungsrichtungen und Verweilzeiten. 51 I Die Ausbreitung von Radioaktivität im Wasser Bei den vorliegenden Modelluntersuchungen wurden hydrodynamische Modelle verwendet, die in erster Linie die Zirkulation des betreffenden Seegebietes ermitteln. Das Zirkulationsfeld wiederum dient als Antrieb für Transportmodule, die eine Ausbreitung von gelösten, sich „konservativ“ verhaltenden Substanzen beschreiben. Diese Substanzen stehen stellvertretend für im Wasser gelöste Radioaktivität. Im vorliegenden Fall ist dies vor allem 137Cs, da dieses Radionuklid weitgehend in gelöster Form vorliegt und bei fast allen versenkten Objekten einen Hauptanteil des Gesamtinventars bildet. Es stellt für den Meeresbereich auch das dosisrelevanteste Radionuklid dar. Bestimmte Radionuklide können allerdings nicht vollständig als im Wasser gelöst betrachtet werden. Hierzu zählt vor allem 239Pu welches die starke Tendenz hat, sich an Schwebstoffe oder an das Sediment anzulagern. Da 239Pu sehr toxisch ist und ebenfalls einen nicht unwesentlichen Teil des versenkten Gesamtinventars ausmacht, werden im Rahmen der Modelluntersuchungen auch Ausbreitungssimulationen für dieses Radionuklid durchgeführt. Diese Modelluntersuchungen beziehen sich aber ausschließlich auf die lokale und regionale Skala, da eine 'globale' Verdriftung von 239Pu innerhalb der Wassersäule nicht zu erwarten ist. Ziel des Projektes ist eine Bewertung der ozeanischen Ausbreitung von Radioaktivität in der Arktis innerhalb der kommenden Jahre oder Jahrzehnte. Die simulierten Zeiträume der Modelle liegen deshalb, abhängig von der räumlichen Auflösung, im Bereich von Tagen oder Monaten (lokale Auswirkungen), einigen Jahren (regionale Auswirkungen) bis hin zu einigen Jahrzehnten (globale Auswirkungen). Diese Perioden sind im Vergleich zu nichthydrodynamischen Simulationen für radiologische Abschätzungen (Box-Modelle), die mehrere tausend Jahre betragen (Scott et al., 1995) aber auch im Vergleich zu Klimasimulationen, die mehrere hundert Jahre prognostizieren, recht kurz. Das liegt vor allem daran, daß hochauflösende, hydrodynamische Berechnungen inklusive der Transportmodellierung im Vergleich zu den anderen genannten Simulationen erheblich mehr Rechenzeit (Computerzeit) benötigen. Die ermittelten Zirkulationsfelder repräsentieren aus geologischer und klimatologischer Sicht den heutigen Zustand der Arktis. Sie sind u.U. nicht repräsentativ für zukünftige Perioden, die angesicht sehr langer Halbwertzeiten bestimmter Radionuklide (z.B. 24000 Jahren für 239Pu) aber auch angesicht globaler Veränderungen (Treibhauseffekt, globale Eisschmelze) durchaus in Betracht kommen können. Die Ergebnisse aus den Computer-Simulationen betreffen ausschließlich die Ausbreitungswege und das zeitlich und räumlich variable Kontaminationsniveau im Wasser bzw. im Sediment. Die Modelluntersuchungen stellen keine Gefahren- oder Risikoabschätzung, z.B. bezüglich einer zu erwartenden Strahlenexposition für Mensch und Umwelt dar. I.1 Die Zirkulationsmodelle Um die Ausbreitungswege von Schadstoffen im Meer zu simulieren, muß zunächst die dreidimensionale Zirkulation in dem betreffenden Seegebiet bestimmt werden. Dies geschieht mit Hilfe von numerischen Zirkulationsmodellen, sogenannten GCMs (general circulation models), die sich vor allem durch die geographische Ausdehnung der Modelldomäne und der Größe des Rechengitters unterscheiden. Folgende Modelle kommen zu Einsatz: 52 1. Ein kleinskaliges Modell (LS) für die unmittelbare Umgebung der Versenkungsgebiete (Buchten und Fjorde), 2. ein regional-skaliges Modell (RS1) der Karasee, 3. ein regional-skaliges Modell (RS2) der Karasee, Barentssee und Norwegen See sowie 4. ein großskaliges Modell (GS) des Arktischen Ozeans und Teilen des Nordatlantiks. Die Verwendung einer solchen Modellhierarchie hat den Vorteil, daß die Ausbreitung der Schadstoffe in der jeweils geeignetsten räumlichen Gitterauflösung studiert werden kann. Dies betrifft vor allem die Verweilzeiten der Schadstoffe aber auch die Höhe der Konzentrationen, falls sie die betreffende Modellregion verlassen. Die Hauptantriebsmechanismen für die Modelle sind der Wind, die Gezeiten und die Dichte des Meerwassers, die sich aus der dreidimensionalen Verteilung von Temperatur und Salzgehalt ergibt. Alle Modelle berücksichtigen die dynamischen und thermodynamischen Prozesse an der Grenzschicht Ozean-Eis-Atmosphäre, die sich aus meteorologischen Daten wie Lufttemperatur, Wind, relative Luftfeuchte, Bewölkung und Niederschlag berechnen lassen. Außerdem findet der Frischwassereinstrom der großen sibirischen Flüsse Eingang. Im folgenden wird ein kurzer Überblick über die Modellkonfiguration gegeben. Eine genaue Beschreibung der Modelle und deren numerische Methoden findet sich im Anhang. I.1.1 Das LS-Modell (lokale Skala): Die Versenkung von radioaktiven Abfällen in der Arktis durch die frühere UdSSR wurde teilweise in kleinen Buchten entlang der Ostküste von Novaya Semlya durchgeführt (siehe Teilprojekt A). Im Falle einer Freisetzung von Radioaktivität aus einem dieser Versenkungsgebiete wäre in erster Linie die nähere Umgebung, also das Umfeld der jeweiligen Bucht, betroffen. Die im Rahmen des Projektes durchgeführten LS-Modellstudien sollen detaillierte Aussagen über die räumliche und zeitliche Variabilität möglicher radioaktiver Freisetzungen aus den Buchten möglich machen. Das LS-Modell wird auf die Stepovogo Bucht und auf die Abrosimov Bucht angewendet (Harms and Povinec, 1998, Harms, 1997b, Povinec et al., 1995). Leider sind nur spärliche oder unzuverlässige Informationen über die realistische Topographie der Region erhältlich. Die Topographie der Stepovogo Bucht kann nur stark vereinfacht vorgegeben werden, wodurch in diesem Fall nur Prinzipstudien möglich sind. Etwas anders ist die Situation bei der Topographie der Abrosimov Bucht, die aufgrund einiger Expeditionen relativ gut bekannt ist. Das LS-Modell für diese Bucht hat eine räumliche Gitterauflösung von einem Zehntel einer nautischen Meile (185,2 m). Die vertikale Skala wird in sieben Schichten mit je 5 m Dicke aufgelöst (Abb. 2.1). Das LS-Modell wird sowohl mit stationären, idealisierten Windfeldern als auch mit realistischen, klimatologischen Monatsmitteln des Windes und der Lufttemperatur angetrieben (ECMWF). Die Wassertemperatur wird als prognostische Größe in Abhängigkeit der Oberflächen-Wärmeflüsse und der dreidimensionalen Transportvorgänge innerhalb der Wassersäule berechnet. Der Salzgehalt wird dagegen als diagnostische Größe behandelt. Hierzu werden 10-Tages-Mittelwerte der vertikalen Schichtung in Abrosimov Bucht aus typischen Sommer- und Wintersituationen abgeleitet. Die Daten über die Sommerschichtung werden aus dem Joint Russian Norwegian Expert Group, (1994) und Føyn and Nikitin (1994) entnommen. Für den Spätwinter wird ein homogenes Salinitätsprofil zugrundegelegt, da Ver53 Abb. 2.1: Modellgröße und Bathymetrie des LS-Modells für die Abrosimov Bucht. mischung und Konvektion, hervorgerufen durch Abkühlung und Eisbildung, eine vertikale Homogenisierung der Wassersäule bewirken. Aufgrund des Mangels an Informationen über die räumlichen und zeitlichen Verteilungen der Temperatur- und Salzgehaltsverhältnisse werden horizontale Gradienten des Salzgehaltes außer Acht gelassen. Die Vorgehensweise bzgl. der Temperatur und des Salzgehalts im Modell stellt einen Kompromiß zwischen der Notwendigkeit einer vertikalen Schichtung und dem geringen Kenntnisstand über die Hydrographie der Buchten dar. Das Modell berücksichtigt die vorherrschende M2-Partialtide. Die Amplituden und Phasen an den offenen Rändern des Buchtmodells werden dem RS1-Modell entnommen. I.1.2 Das RS1- und RS2-Modell (regionale Skala) Um den Export von radioaktiv kontaminierten Wassermassen aus der Karasee in anliegende Meeresgebiete hinein abzuschätzen und um eine genaue Abschätzung der radioaktiven Kontamination von sibirischen Küstengewässern möglich zu machen, werden zwei Modelle für die regionale Skala entwickelt: RS1 und RS2. Beide Modelle unterscheiden sich nur durch die Auswahl der Modellgebiete und der Auflösung. Das RS1-Modell ist ausschließlich auf die Karasee beschränkt, mit einem äquidistanten horizontalen Gitterabstand von 9.4 km (Abb. 2.2) (Harms und Karcher, 1998a). Das RS2-Modell umfaßt Teile der Norwegischen See, der Barents- und der Karasee (Abb. 2.3) (Harms, 1992, Harms, 1997b). Es benutzt ein stereographisches Gitter mit einem mittleren Gitterabstand von etwa 18 km. In der vertikalen Richtung haben die Modelle 12 (RS1) bzw. 10 (RS2) Schichten mit einer relativ hohen Auflösung in den oberen 100 m. 54 Abb. 2.2: Modellgröße und Bathymetrie des RS1-Modells für die Barents und Karasee. Um eine möglichst repräsentative Zirkulation zu erhalten, werden die Modelle mit klimatologischen Mittelwerten angetrieben. Folgende Modellantriebe finden Eingang: Der Windstreß, abgeleitet aus globalen klimatologischen Oberflächenwinden (Hellerman and Rosenstein, 1983) (RS2) bzw. ECMWF (RS1). Die monatlichen Mittelwerte werden zwischen jedem Zeitschritt interpoliert, um einen glatten Übergang zwischen den verschiedenen Monaten zu erzielen. Die M2-Partialtide durch Vorgabe der Amplituden und Phasen an den offenen Modellrändern. Diese Daten entstammen großskaligen arktischen Tidenmodellen (Gjevik and Straume, 1989) (RS2) und (Kowalik und Proshutinsky, 1995)(RS1). Der Frischwassereintrag aus den Flüssen Pechora, Ob, Yenisey und Pyasina. Für RS1 werden 10-Tages-Mittel verwendet, für RS2 Monatsmittel. Die Frischwasserabflußdaten wurden einem unveröffentlichten Report entnommen (Vasiliev), der im Rahmen deutschrussischer Zusammenarbeit aus Projektmitteln finanziert wurde. Für die Karasee (RS1-Modell) sind bisher keine hochauflösenden Temperatur- und Salinitätsdatensätze aus kontinuierlichen Beobachtungen erhältlich. Um dennoch realistische und repräsentative Temperatur- und Salinitätsfelder für einen diagnostischen Antrieb zu erstellen, wird das Zirkulationsmodell an ein Eis-Modell gekoppelt und mit Hilfe von prognostischen Simulationen die dreidimensionale Verteilung von Temperatur und Salzgehalt in Abhängigkeit von Advektion und Oberflächenströmungen berechnet. Es werden zwei prognostische Simulationen mit jeweils einem idealisierten und stationären Sommer- oder Winterantrieb (Lufttemperatur, Wind, Flußeinträge) durchgeführt. Beide Läufe werden mit über das Jahr gemittelten Temperatur- und Salinitätsfeldern initialisiert, die aus dem 55 klimatologischen Atlas der Weltozeane (Levitus, 1982) abgeleitet wurden. Nachdem eine Annäherung an möglichst repräsentative mittlere Sommer- und Wintersituationen erreicht wird (3 bzw. 4 Monate), werden die Simulationen abgebrochen. Die resultierenden Temperatur- und Salinitätsfelder werden gespeichert und in den folgenden Verteilungsszenarien als diagnostische Antriebsfelder eingesetzt. 3000 80°N 2500 F ra n z-J o sef L and K a ra S ea S v a lb a rd 2000 1500 N o va ya S e m lya 75°N 1000 T sivo lky B a y B a ren ts S ea T a ym yr N o v a y a Se m lya T ro ug h D ickson S te p o vo v o B a y 600 400 Yam al A b ra sim o v Bay 800 S ib eria 70°N 200 100 0 S can d in avia d ep th [m ] 25°E 50°E 75°E Abb. 2.3: Modellgröße und Bathymetrie des RS2-Modells für die Karasee. Die roten Dreiecke markieren die Hauptversenkungsgebiete in der Karasee. I.1.3 Das GS-Modell (globale Skala) Für die globale Skala findet ein gekoppeltes Eis-Ozean Model (OPYC - Ocean Isopycnal Model) Verwendung, welches in früheren Versionen bereits erfolgreich für die Modellierung der Hydrographie der Arktis und des europäischen Nordmeeres angewendet wurde (Holland und Oberhuber, 1996a,b; Aukrust and Oberhuber, 1995). Das Modellgebiet umfaßt die arktischen Meeresgebiete und das Europäische Nordmeer sowie den nördlichen Nordatlantik (Abb. 2.4). In der Vertikalen besitzt es 15 Schichten konstanter potentieller Dichte, deren Dicke, Temperatur und Salzgehalt veränderlich sind und vom Modell prognostiziert werden. Die Wahl der potentiellen Dichten der einzelnen Schichten wird so vorgenommen, daß eine optimale Auflösung der oberen mehreren hundert Meter der Wassersäule in der Arktis resultiert. Die Grenzflächen der Schichten sind durchlässig für 'Entrainment', 'Detrainment', Konvektion und Vermischungsprozesse. Die horizontale Gitterauflösung beträgt etwa 50 km auf einem rotierten sphärischen Gitter. Die Beringstraße und der südliche Rand bei 50° N sind offen. Salz und Temperatur werden hier als Monatsmittel vorgeschrieben (Levitus , 1982). Die Auslenkung der Meeresoberfläche 56 stammt von einer globalen Version des OPYC-Modells (Kauker and Oberhuber, 1997). An der Oberfläche wird der Salzgehalt mittels eines 'restoring'-Algorithmus an beobachtete Salzgehalte angeglichen. Diese Daten bestehen aus Sommer- und Winterwerten von Gorshkov (1980) für die Arktis und Monatsmitteln von Levitus (1982) für den restlichen Teil des Modellgebietes. Die Wärmeflüsse an der Meeresoberfläche werden durch Parameterisierungen (Kauker and Oberhuber, 1997) aus beobachteten Lufttemperaturen gewonnen, die aus einer Analyse des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersage aus dem Zeitraum 1985-1990 stammen (ECMWF, 1988; Aukrust and Oberhuber, 1995). Ferner arbeitet das Modell mit Monatsmitteln des Windstresses, der Bewölkung, des Niederschlages und der Luftfeuchtigkeit aus dem Zeitraum von 1980-1989 des ECMWF (Trenberth et al., 1989). Abb. 2.4: Modellgröße und Bathymetrie des GS-Modells für den Arktischen Ozean. Die Modelltopographie stammt aus ETOPO5-Daten, die von einer 5’ x 5’ Auflösung auf das Modellgitter interpoliert wurden. Bering-, Vilkitsky-, Kara- and Framstraße wurden von Hand korrigiert um den Beobachtungen besser zu entsprechen. In ähnlicher Weise wird die Höhe des Lomonossov-Rückens modifiziert. Die Meeresoberfläche am offenen Rand in der Beringstraße wird um 20 cm gegenüber dem Nordatlantik erhöht um einen mittleren Durchfluß von 0.8 Sv1 zu gewährleisten, wie er dort beobachtet wird (Roach et al., 1995). Der Zeitschritt des Modells beträgt einen halben Tag. 1 1 Sverdrup = 106 m³/s 57 Für die hier durchgeführten Experimente wird das Modell über 35 Jahre eingeschwungen. In einer solchen Zeit kann das Modell nicht einen thermodynamischen Gleichgewichtszustand erreichen, aber die Zirkulationssysteme der Oberfläche und der mittleren Tiefe haben sich adjustiert. Der Jahresgang der Zirkulation von Wassere und Eis des 36. Jahres weden dann als Antrieb für die 'tracer'-Ausbreitung genutzt. Diese basiert auf einer Advektions/Diffusionsgleichung wie sie im Ozeanmodell für Salzgehalt und Temperatur verwendet wird. I.2 Die Ausbreitungsszenarien Die Ausbreitung von Substanzen in einem numerischen Modell wird mit Hilfe sogenannter 'Tracer' simuliert, die durch die Anwendung einer Transportgleichung eine räumliche und zeitliche Veränderung erfahren. Zusätzlich können die Tracer bestimmte Eigenschaften erhalten, wodurch sie einen Schadstoff repräsentieren. Für die Simulation von Punktquellen, muß eine Freisetzungsrate festgelegt werden, die entweder instantan oder graduell ist. Instantane Freisetzungen beschreiben den einmaligen, plötzlichen Eintrag einer bestimmten Anzahl von 'Tracern', die sich danach in Form einer 'Wolke' im Modellgebiet bewegen. Graduelle Freisetzungen bedürfen einer 'tracer'-Eintragsfunktion, die im einfachsten Fall kontinuierlich sein kann. Eine genauere Beschreibung der verwendeten Transportmodule für Radioaktivität findet sich im Anhang. Alle durchgeführten Simulationen werden in Szenario-Gruppen zusammengefaßt, wobei jedes Szenario mehrere Simulationen auf unterschiedlicher Raumskala (LS, RS, GS) beinhaltet: 1. Szenario A behandelt den sog. 'worst case', die plötzliche Freisetzung des gesamten radioaktiven Inventars aus allen bekannten Versenkungsgebieten in der Karasee. 2. Szenario B beschreibt die als realistisch anzunehmende, kontinuierliche Freisetzung von Radioaktivität aus einem der Versenkungsgebiete. 3. Szenario C behandelt den Eintrag von Radioaktivität aus dem gesunkenen Atom-U-Boot "Komsomolets". 4. Szenario D behandelt den Eintrag von Radioaktivität aus der Region um Murmansk, Kola Halbinsel. 5. Szenario E behandelt den Eintrag von Radioaktivität aus der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield und dessen Transport in die arktischen Gewässer. Die in den Ausbreitungsszenarien verwendeten Freisetzungsraten von Radioaktivität sind aufgrund bestimmter Annahmen gewählt. Sie sind für Szenario A-D hypothetisch, denn es gibt bisher keine detaillierten Informationen über Freisetzungen aus den genannten Gebieten. Auch zukünftige Freisetzungen sind bezüglich Zeitpunkt und Umfang nur sehr vage bzw. nicht vorhersagbar. Um dennoch eine Abschätzung des Gefahrenpotentials vornehmen zu können, wird für den versenkten Atommüll (Szenario A und B) zunächst der sogenannte Katastrophenfall angenommen, in dem das gesamte versenkte Inventar an 137Cs (etwa 1015 Bq = 1 PBq) instantan an allen Versenkungsorten in der Karasee freigesetzt wird. Weitere Simulationen behandeln die wesentlich realistischere, graduelle Freisetzung von im Wasser gelösten Radionukliden aus den Versenkungsgebieten. Wie bei den Freisetzungsraten muß auch der Startzeitpunkt der Freisetzungen in Szenario A 58 festgelegt werden. Da bisherige oder zukünftige Freisetzungen weder beobachtet noch detailliert vorhergesagt werden konnten, wird das Datum für eine instantane oder graduelle Freisetzung, sofern nicht anders erwähnt, auf den 1. Januar festgelegt. Es handelt sich dabei um kein spezielles Jahr, da die Simulationen einen klimatologischen Antrieb haben d.h. das Modell simuliert ein sich wiederholendes, zyklisches Jahr. Die Sellafield-Simulationen (Szenario E) dienen in erster Linie dem Vergleich mit vorangegangenen Ergebnissen und der Bestimmung der „Hintergrundaktivität“ d.h. der Vorbelastung, die bereits vor einer möglichen Freisetzung aus den versenkten Abfällen vorhanden ist. Dieses Szenario ist nicht hypothetisch, sondern entspricht den tatsächlichen Einleitungen der Wiederaufbereitungsanlage von 1965-1995 und dient damit gleichzeitig als Hilfsmittel zur Validierung des eingesetzten Modelles. I. 3 Das Szenario A In diesem sogenannten 'worst case' Szenario wird die instantane Freisetzung des gesamten 137 Cs Inventars an vier Versenkungsorten in der Karasee simuliert. Bei den betreffenden Versenkungsorten handelt es sich um die Abrosimov Bucht, die Stepovogo Bucht, die Tzivolky Bucht und der Novaya Semlya Graben mit einem für 1995 geschätzten Gesamtinventar von 1 PBq 137Cs (Yefimov, 1994), (Sivintsev, 1993), (Sivintsev, 1994). I.3.1 Szenario A: lokale Auswirkungen Die Untersuchungen der lokalen Auswirkungen des Szenarios A betreffen ausschließlich die Abrosimov Bucht und die Stepovogo Bucht, da nur hierfür ausreichend Informationen über die Topographie vorlagen. Es werden zunächst die sog. Austauschzeiten der Buchten bestimmt. Hierbei handelt es sich um den Zeitraum, in dem das Wasservolumen einer Bucht ausgetauscht wird. Die Austauschzeit ist ein Maß für die Ventilation und bestimmt die Verweildauer einer plötzlichen Kontamination innerhalb der Bucht. Sie ist eine wichtige Eingangsinformation für die weiterführenden regionalen und globalen Simulationen, da in diesen Modellen die kleinen Buchten räumlich nicht aufgelöst werden können. Ferner werden die Größenordnung der radioaktiven Kontamination innerhalb der Buchten mithilfe einfacher Abschätzungen bestimmt. I.3.1.1 Austauschzeiten der Buchten Zur Bestimmung der Austauschzeiten werden relativ einfache Simulationen durchgeführt, die in erster Linie die Topographie der Bucht und die vorherrschenden Windrichtungen berücksichtigen. Diese beiden Faktoren bestimmen in erster Näherung die Zirkulation der Buchten. Weitere Faktoren wie die horizontale und vertikale Dichteverteilung, Eisverteilung oder die Gezeiten werden aufgrund mangelnder Informationen zunächst ausgelassen. Stellvertretend für eine instantane, radioaktive Kontamination werden die Buchten mit einer willkürlichen Konzentration von 100 Tracern/m3 initialisiert, während die angrenzende 59 Karasee als nicht kontaminiert, mit 0 tracern/m3 initialisiert wird. Für die Abrosimov Bucht werden vier Windrichtungen (NE,SE,NW,SW) angewandt, da diese Bucht relativ großflächig ist und nicht von hohen Bergen eingerahmt ist. Es kann daher angenommen werden, daß die unterschiedlichsten Windrichtungen auf die Wasseroberfläche wirken können. Die Stepovogo Bucht dagegen ist lang, schmal und von relativ hohen Bergen eingerahmt. Sie weist von daher eine eher Fjord-ähnliche Topographie auf, was auch durch den Sill am Eingang der Bucht bestätigt wird. Es ist in diesem Fall davon auszugehen, daß der Wind, wie typisch in Fjorden, stark topographisch geführt wird und deshalb nur zwei Hauptrichtungen, nämlich auflandig und ablandig zeigt. Die durchgeführten Simulationen für die Abrosimov und die Stepovogo Bucht ergeben, daß die Austauschzeiten, je nach Windgeschwindigkeit und vor allem je nach Windrichtung, in einer Spanne von einigen Tagen bis Monaten liegen. Abbildung 2.5 zeigt die Menge des ausgetauschten Wasservolumens als Funktion der Zeit, für die Abrosimov Bucht und die Stepovogo Bucht. Die Linien zeigen einen typischen exponentiellen Verlauf mit einem schnellen Austausch zu Beginn und einer langsamen, asymptotischen Annäherung an den vollständigen Austausch bei 100 %. Dies ist bedingt durch topographische Hindernisse, die eine Ventilation behindern und auch nach sehr langer Simulationszeit Tracer in der Bucht festhalten. Allgemein läßt sich sagen, daß die Austauschzeiten relativ kurz sind. Bereits nach einem Monat sind in der Abrosimov Bucht mehr als 50% des Wasservolumens ausgetauscht, in der Stepovogo Bucht mehr als 80%. Dies liegt an den ‘günstigeren’ auf- und ablandigen Winden, die eine lebhaftere Zirkulation bewirken. Es muß erwähnt werden, daß eine Festeisdecke im Winter aufgrund des geringeren oder nicht vorhandenen Impulseintrages die Austauschzeit verlängern kann. Gleiches gilt für eine starke vertikale Schichtung, die eine Vermischung und damit den gleichmäßigen Austausch behindert. Allerdings können die Gezeiten, die im vorliegenden Fall auch keine Berücksichtigung finden, den Austausch verkürzen, da sie einen permanenten, meteorologisch unabhängigen Zirkulationsantrieb darstellen. Die Ergebnisse lassen den Schluß zu, daß die Austauschzeiten der Buchten im Bereich von etwa einem bis drei Monaten liegen. In Bezug auf die Zeitskalen der regionalen und globalen Simulationen, die sich im Bereich von Jahren oder Jahrzehnten bewegen, haben die Buchten keine nenneswerte Verteilungs- oder Rückhaltefunktion. Eine plötzliche Freisetzung von Radioaktivität in einer der Buchten muß daher auf regionaler und globaler Skala auch als instantan angesehen werden. I.3.1.2 Radionuklid Konzentrationen innerhalb der Buchten Für die Abschätzung der radioaktiven Konzentrationen wird vorausgesetzt, daß sich das versenkte radioaktive Potential vollständig und gleichförmig in der Bucht verteilt. Angesichts der geringen Größe der Buchten (ca. 2 x 5 km) ist diese Vorgehensweise gerechtfertigt. Von hydrodynamischen Simulationen wird in diesem Fall abgesehen, da die Größenordnung der Kontamination in erster Linie von dem Wasservolumen der Bucht und dem versenkten radioaktiven Potential abhängt. Simulationen mit unterschiedlichen Windrichtungen würden allenfalls Schwankungen innerhalb der geschätzten Gößenordnung bewirken. Wie zu erwarten ist die Höhe der Kontaminationen in den Buchten im Falle einer plötzlichen Freisetzung erheblich. So werden beispielsweise bei einem Wasservolumen der Abrosimov Bucht von etwa 4*108 m3 bei einer plötzlichen Freisetzung von 1 PBq, Konzentrationen von 60 mehr als 2*106 Bq/m3 (2 mill. Bq/m3) erreicht. Ähnlich hohe Konzentrationen wären in den anderen Buchten zu erwarten. Abrosimov Bay % NE SE NW SW % off shore on shore Abb. 2.5: Szenario A: Austauschzeiten der Abrosimov und der Stepovogo Bucht. Auf der yAchse ist das ausgetauschte Wasservolumen in % dargestellt, auf der x-Achse die Zeit. 61 I.3.2 Szenario A: regionale Auswirkungen Die regionalen Auswirkungen des Szenarios A werden sowohl mit dem RS1- als auch mit dem RS2-Modell simuliert. Das hochauflösendere RS1-Modell wird zunächst dazu verwendet, die genauen Ausbreitungswege der Kontamination in verschiedenen Tiefenhorizonten zu ermitteln. Die Höhe der Kontamination spielt dabei noch keine Rolle. Hierzu wird dem Modell am Ort der Freisetzung (Abrosimov Bucht) eine Punktwolke in Form von mehreren tausend Teilchen vorgegeben. Anschließend wird die Ausbreitung dieser Teilchen mit Hilfe eines Lagrange‘schen Verdriftungsprogramms (s. Anhang) über zwei Jahre simuliert. Die Austauschzeiten der Karasee und das damit zusammenhängende Niveau der RadionuklidKonzentration wird mit dem RS2-Modell untersucht (Baxter et al., 1998). Die gesamte Modellregion ist hierbei bezüglich der Radionuklid-Konzentrationen mit Null initialisiert (d.h. keine Hintergrundkontamination) und die Versenkungsorte stellen Punktquellen dar. Um zu starke Gradienten während der Initialisierungsphase zu vermeiden, wurde im RS2-Modell die Zeitspanne für die Freisetzung auf drei Tage ausgeweitet. Hierbei wird das freizusetzende Gesamtinventar gleichförmig auf die angewendete Freisetzungszeit verteilt (1PBq 137Cs in 3 Tagen). Die Ausbreitung der Kontaminationswolke erfolgt mit einem Euler‘schen Verdriftungsprogramm (s. Anhang). I.3.2.1 Ausbreitungswege Die instantane Freisetzung von Radioaktivität wird durch eine Teilchenwolke dargestellt, die im vorliegenden Fall in der Abrosimov Bucht freigesetzt wird. Der Start der Ausbreitung ist im Mai, da zu dieser Jahreszeit das Eis schmilzt und die dynamischen Vorgänge in der Bucht stärker werden. Als Beispiel werden die Ausbreitung an der Oberfläche (0-5 m) und in der 4. Schicht (15-25 m) gezeigt (Abb. 2.6). Beide Abbildungen haben gemeinsam eine Ausbreitung zunächst in Richtung zentrale Karasee und anschließend nach Nordosten in Richtung Arktischer Ozean. Insbesondere die nordwärtige Drift der Teilchen entlang der Küste Novaya Semlyas ist in guter Übereinstimmung mit jüngsten Beobachtungen. Unterschiede in der Ausbreitung auf den beiden Tiefenhorizonten ergeben sich aber für die Verweildauer und auch für die Ausbreitungsrichtungen in der südlichen Karasee. Während an der Oberfläche die Teilchen innerhalb von etwa 9 Monaten die Karasee in nordöstlicher Richtung verlassen, verweilen die tieferen Teilchen wesentlich länger in der Karasee und breiten sich auch weiter nach Süden aus. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Teilung der Punktwolke, wobei ein nördlicher Anteil, ähnlich wie an der Oberfläche, die Karasee verläßt, während der südliche Teil die Flußästuarien aber auch die Küsten Sibiriens und die TaymyrHalbinsel erreicht. Aufgrund der vertikalen Schichtungsverhältnisse in den arktischen Schelfmeeren ist die Ausbreitung auf den einzelnen Tiefenhorizonten stark voneinander entkoppelt. Das gilt insbesondere für den Sommer, wenn die vertikale Schichtung besonders ausgeprägt ist. In der windgetriebenen Oberflächenschicht treibt eine instantan eingebrachten Punktwolke relativ schnell und zusammenhängend von der Küste Novaya Semlyas in Richtung Arktischer Ozean. In größeren Tiefen ist die Ausbreitung dagegen um 1/3 langsamer und wesentlich gestreuter, wodurch eine diffusere Ausbreitung zustande kommt. 62 Abb. 2.6: Szenario A: Ausbreitung einer in der Abrosimov Bucht freigesetzten Teilchenwolke in der Karasee. Das obere Bild (a) zeigt den räumlichen und zeitlichen Verlauf der Ausbreitung an der Oberfläche, das untere Bild (b) in einer Tiefe von 15-25m. 63 I.3.2.2 Austauschzeiten Wie bei den Simulationen auf der lokalen Skala, ermöglicht das Szenario A auch auf der regionalen Skala eine Abschätzung der Austauschzeiten für die Karasee. Eine Sequenz von sechs Bildern (Abb. 2.7) zeigt die Entwicklung der „Kontaminationsfahne“ in der Karasee in Jahresintervallen. Die Abbildung macht deutlich, daß die durchschnittlichen Konzentrationen in der zentralen Karasee innerhalb einer Zeitspanne von fünf bis sechs Jahren auf weniger als 10 % ihrer erstjährigen Werte zurückgehen. Die Austauschzeit der Karasee kann damit auf etwa sieben Jahre geschätzt werden. Abb. 2.7: Szenario A: Räumliche und zeitliche Entwicklung der radioaktiven Konzentrationen [Bq/m3] in der Karasee aufgrund einer instantanen Freisetzung von 1 PBq 137Cs in der Abrosimov Bucht. Dargestellt sind vertikal integrierte Jahresmittelwerte der ersten sechs Jahre nach Freisetzung. I.3.2.3 Radionuklid-Konzentrationen Die höchsten Konzentrationen werden östlich von Novaya Semlya, nahe der Versenkungsgebiete ermittelt. Sie liegen zwischen 300 und 500 Bq/m3 während der ersten fünf Jahre nach der Freisetzung. Maximale Konzentrationen können sogar 1 kBq/m3 erreichen, wenn man Punkte nahe der Versenkungsorte betrachtet. Innerhalb der ersten drei Jahre der Verteilung gehen diese Werte aber auf weniger als ein Drittel ihrer Initialwerte zurück. Trotzdem sind sogar noch nach sechs Jahren leichte Kontaminationen ( 5-10 Bq/m3 ) der Küstenregionen Novaya Semlyas und nahe der Taymyr-Halbinsel zu verzeichnen (Abb. 2.8). Im Gegensatz dazu ist die zentrale Karasee nach dieser Zeit nahezu vollständig von Kontaminationen frei (<< 2 Bq/m3 ). 64 Abb. 2.8: Szenario A: Vertikal integrierte Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] in der Karasee, sechs Jahre nach instantaner Freisetzung von 1 PBq 137Cs in der Abrosimov Bucht. Zwei Jahre nach der instantanen Freisetzung erreicht die Ausbreitungsfahne die Küstengewässer von Sibirien, die Yamal-Halbinsel und die Küste von Taymyr. Trotz der Tatsache, daß die Küste von Yamal wesentlich näher bei den Versenkungsgebieten liegt als die Küste von Taymyr, werden die höchsten Konzentrationen üblicherweise nahe Taymyr gefunden. Eine Zeitserie der radioaktiven Monatsmittel (Abb. 2.9) zeigt, daß die Konzentrationen in beiden Regionen (Yamal und Taymyr) im Winter normalerweise höher als im Sommer liegen, da (unkontaminierte) Flußeinträge eine starke Verdünnung bewirken. Dieses gilt teilweise auch für Dickson, ein sibirischer Hafen nahe der Yenisey-Mündung (Abb.2.9), wo die Aktivitätskonzentrationen ihr Maximum vier Jahre nach Freisetzung erreichen. Die Ausbreitungsmuster zeigen generell eine nordostwärts gerichtete Kontaminations-Fahne mit abnehmendem Konzentrationsniveau von Südwest nach Nordost. Mit Ausnahme der Küstenregionen östlich von Novaya Semlya, wo Spitzenwerte von bis zu 1 kBq/m3 erreicht werden, treten in der zentralen Karasee kaum Konzentrationen über 50 Bq/m3 auf. Der größte Anteil der Kontamination verläßt die Karasee in Richtung Arktischen Ozean und Laptevsee. Die Konzentrationen im exportierten Wasser überschreiten aber nicht 20 Bq/m3. 65 Taymyr [Bq/m**3] 10 5 Yamal 0 months 10 20 30 40 50 60 7 6 [Bq/m**3] 5 4 3 Dickson 2 1 0 months 10 20 30 40 50 60 70 Abb. 2.9: Szenario A: Zeitserien der Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] entlang der Yamal- und der Taymyr-Küste (oben) und in der Nähe von Dickson, Sibirien (unten). Dargestellt sind die vertikal integrierten Monatsmittelwerte in Monaten nach der Freisetzung. 66 I.3.3 Szenario A: globale Auswirkungen Für dieses Szenario wird ein Gesamtinventar in der Höhe von 1 PBq 137Cs , verteilt über einen Zeitraum von 3 Monaten, an der Ostseite der Insel Novaya Semlya in die Deckschicht freigesetzt. I.3.3.1 Ausbreitungswege und -zeiten An der Oberfläche breitet sich das Radionuklid in zwei Richtungen aus: nach Osten durch die Vilkitskystraße in die Laptevsee, und nach Norden in das östliche Eurasische Becken hinein. Der Hauptteil der Verteilung hat bereits nach 2-3 Jahren die Karasee verlassen und befindet sich nördlich der Neusibirischen Inseln (Abb. 2.10 oben). Die weitere Ausbreitung erfolgt mit der Transpolardrift, wobei die Radionuklide durchaus Teile des Kanadischen Beckens jenseits des Lomonossov-Rückens erreichen. Sechs Jahre nach Start erstreckt sich die Kontaminationswolke an der Oberfläche von der Schelfkante der Laptevsee entlang des Verlaufs der Transpolardrift bis zum Nordpol (Abb. 2.10 unten). Nach dem Erreichen der Framstraße (Jahr 6-10) breitet sich das kontaminierte Oberfächenwassers im Ostgrönlandstrom nach Süden zur Dänemarkstraße aus. Die vorherrschende Zirkulation läßt eine Ausbreitung durch das Meeresgebiet zwischen Novaya Semlya und Franz-Josef-Land in die Barentssee nicht erwarten. Im Gegensatz zur inneren (südlichen) Karasee ist der nördlich gelegene Teil über dem Sankt Anna Trog und dem Voronin Trog von atlantischem Wasser dominiert, welches aus der Barentssee einströmt. Hier wird durch Konvektion und vertikale Vermischung oberflächennahes Wasser in größere Tiefen vermischt (s. Teil 1, Kapitel 1). Das schwerere, tiefer gelegene Wasser wird auf diese Weise ebenfalls mit den radioaktiven Spurenstoffen kontaminiert. Es strömt durch die beiden Tröge den Schelfhang hinab in das östliche Eurasische Becken hinein und breitet sich entlang des sibirischen Kontinentalabhanges weiter nach Osten aus. Die Tiefe des Kerns ist in den Modellsimulationen etwa 200-600 m, was Beobachtungen entspricht (Karcher and Oberhuber, 1999). Das sogenannte Barentssee Branch Water, welches hier als Transportmedium für die Radionuklide in mittleren Tiefen fungiert, rezirkuliert zum Teil mit seiner Fracht entlang des Lomonossov-Rückens und erreicht die Framstraße nach etwa 10-15 Jahren. Der zweite Teil überquert den LomonossovRücken nördlich der Neusibirischen Inseln und dringt dem Kontinentalabhang weiter nach Osten folgend ins Makarov- und ins Kanadische Becken vor. Auf dieser Route braucht es erheblich länger und erreicht nach 30 Jahren die Gebiete nördlich des Kanadischen Archipels. I.3.3.2 Radionuklid-Konzentrationen Wenn sich der Schwerpunkt der kontaminierten Wolke nach 2-3 Jahren nördlich der Neusibirischen Inseln befindet weist der Tracer Oberfächenkonzentrationen bis zu 35 Bq/m3 auf (Abb. 2.10). Sechs Jahre nach dem Start sind die maximalen Konzentrationen auf ca. 15 Bq/m3 gesunken und befinden sich über dem östlichen Lomonossovrücken in der zentralen Arktis. Beim Erreichen der Framstraße treten maximal an der Oberfäche noch Konzentrationen von 5 Bq/m3 auf und weiter südlich in der Dänemarkstraße liegen sie immer unter 5 Bq/m3. 67 Abb. 2.10: Szenario A: Oberflächenkonzentration von 137Cs in Bq/m3, 3 Jahre (oben) und 6 Jahre (unten) nach instantaner Freisetzung von 1 PBq in der Karasee. 68 Im westlichen Eurasischen Becken ist die Halokline kaum ausgeprägt. Die Dichtehorizonte, die der Atlantischen Schicht zuzuordnen sind, stehen dort in direktem Kontakt mit der 'mixedlayer'. Hier können an der Oberfläche mit der Transpolardrift herantransportierte Radionuklide in die tieferen Dichteschichten hineingemischt werden. Durch diesen Effekt ist bereits nach 6-7 Jahren die Kontaminationsfahne mit 10-1 - 10-2 Bq/m3 auch unterhalb des Ostgrönlandstromes nachzuweisen. Das vom nördlichen Karasee-Schelf in die Atlantische Schicht der Arktis (200-600m) abgesunkene kontaminierte Wasser braucht hierfür längere Zeit. Es gelangt entlang des Kontinentalabhanges und des Lomonossov-Rückens erst im Jahr 10-15 zur Framstraße und führt ebenfalls zu Konzentrationen von 10-1 - 10-2 Bq/m3 unterhalb des Ostgrönlandstromes. I. 4 Das Szenario B Diese Szenarien beschreiben eine kontinuierlich Radionuklidfreisetzung während des gesamten Simulationszeitraums. Das Hauptziel dieser Simulationen ist die Bestimmung der Ausbreitungswege und die Höhe der Radionuklid-Konzentrationen. Im Vergleich zur instantanen Freisetzung in Szenario A erscheint die Anwendung einer kontinuierlichen Freisetzungsrate realistischer. Es kann vorausgesetzt werden, daß die Behälter- oder Reaktorwände, welche den Kontakt der nuklearen Substanzen zu dem umgebenden Seewasser verhindern, nur langsam korrodieren. Somit wird die Radioaktivität eher auf gradueller Basis als schlagartig (instantan) freigesetzt. Die folgenden Simulationen beziehen sich hauptächlich auf versenkte (U-Boot) Reaktoren, die teilweise von der IASAP ‘source term task group’ (Lynn et. al, 1995) diskutiert wurden. Die berechneten Quellfunktionen der versenkten Reaktoren legen eine langsame Freisetzung der Radioaktivität über viele Jahrhunderte nahe, die in einer Größenordnung von weniger als 1 TBq/a liegt. Die Quellfunktion könnte allerdings kurzfristig auch Spitzenwerte von etlichen TBq/a durch das Auseinanderbrechen der Hüllen aufweisen (Timms et al., 1994), (Lynn et. al, 1995). Da die simulierten Zeitspannen der hydrodynamischen Modelle wesentlich kürzer sind als die angegebenen Quellfunktionen, wird im Szenario B eine kontinuierliche Freisetzungsrate von 1 TBq/a angenommen. Die Ausbreitung wird auf allen drei Raumskalen bis zu einem zyklisch-stationären Zustand gerechnet und dann abgebrochen. Die stationären Ergebnisse dienen als Standard-Verteilungsmuster, die zur Abschätzung höherer oder niedrigerer kontinuierlicher Freisetzungsraten skaliert werden können. Für das Szenario B werden auf lokaler und regionaler Skala neben 137Cs auch für 239Pu Abschätzungen durchgeführt, da beide Radionuklide große Anteile des versenkten Inventares bilden. Die unterschiedlichen Werte der Kd-Faktoren führt bei den beiden Nukliden zu unterschiedlichem Verteilungsverhalten. Das 137Cs tendiert dazu, lange im gelösten Zustand zu verbleiben und kann daher im Wasser über große Gebiete verteilt werden. Das 239Pu hingegen hat eine starke Neigung, sich an Schwebstoff oder Sediment zu binden. Die Konzentrationen im Sediment werden abgeschätzt, indem basierend auf den Verteilungsmustern des stationären Zustandes der Anteil an Aktivität im Schwebstoff aus der 69 Gesamtaktivität in der Wassersäule berechnet wird (siehe auch Abb. 2.7). Die Gehalte im Sediment werden für die obersten 5 cm Sediment angegeben, wobei sie mit Kd-Faktoren von 102 m3/kg für 239Pu und 3,0 m3/kg für 137Cs und einem Schwebstoffgehalt von 0,003 kg/m3 im Wasser berechnet werden. I.4.1 Szenario B: lokale Auswirkungen Die lokalen Auswirkungen werden zunächst unter vereinfachten Bedingungen, mit stationärem (zeitlich unveränderlichem) Windantrieb, ohne Gezeiten und Dichteverteilung untersucht. Daran anschließend folgen die realistischen Simulationen, die transiente (zeitlich veränderliche) Windfelder, horizontale und vertikale Dichteverteilung und die Gezeit beinhalten. I.4.1.1 Anwendung stationärer Windfelder Die Modelle der Abrosimov Bucht und der Stepovogo Bucht werden wie in Szenario A mit stationären Winden, ohne Gezeiten und Dichteverteilung betrieben. Im inneren Teil der Buchten in etwa 25 m Tiefe wird eine kontinuierlich emittierende Radioaktivitäts-Quelle definiert (Povinec et al., 1995). I.4.1.1.1 Ausbreitungswege Ein erstes Ergebnis bezieht sich auf die räumliche Struktur des Austausches der Buchten mit der angrenzenden Karasee. Bei Anwendung einer willkürlichen ‘Tracer’-Quelle und idealisierten auf- und ablandigen Windfeldern auf die Stepovogo Bucht (Abb. 2.11) entfalten sich zwei grundlegende Zirkulationsmuster, die einen Ausfluß aus der Bucht entweder an der Wasseroberfläche oder bodennah bewirken. Die ausgeprägte Vertikalstruktur findet sich auch in der Abrosimov Bucht bei Vorgabe von stationären südöstlichen und südwestlichen Winden von 5 m/s. Diese beiden Fälle repräsentieren die vorherrschenden Windrichtungen in der südlichen Karasee und werden deshalb für die Abrosimov Bucht übernommen. Die Anwendung dieser beiden stationären Windfelder sowie die Vorgabe einer RadionuklidQuelle machen deutlich, daß der Ausstrom von kontaminiertem Wasser im Falle von Südwestwind an der Oberfläche stattfindet und im Falle von Südostwind eher in Bodennähe. I.4.1.1.2 Radionuklid-Konzentrationen Die Angaben zu den Radionuklid-Konzentrationen beziehen sich auf den stationären Zustand der Ausbreitung, der nach etwa 3 Monaten erreicht wird. Die maximalen Konzentrationen bei Vorgabe einer 137Cs-Quelle von 1 TBq/Jahr können in stark belasteten Schichten 4 kBq/m3 überschreiten, liegen aber tiefengemittelt bei etwa 2 kBq/m3 (Abb. 2.12). Ähnliche Vertikalstrukturen wie oben beschrieben finden sich auch bei Vorgabe einer 239Pu-Quelle, die ebenfalls mit 1 TBq/Jahr emittiert (Abb. 2.13). Allerdings ist in diesem Fall das Radioaktivitätsniveau im Wasser deutlich niedriger als bei 137Cs. Es liegt maximal bei etwa 2 kBq/m3 in stark belasteten Schichten und tiefengemittelt bei 1 kBq/m3. Die deutlich niedrigeren Werte im Wasser sind das Ergebnis des geänderten Transportverhaltens von 239 Pu, das sich wesentlich intensiver an Schwebstoffe und Sedimente anlagert als 137Cs. Aus diesem Grund sind die berechneten Radionuklidkonzentrationen im Sediment der Abrosimov Bucht (Abb. 2.12 und 2.13, unten) bei 239Pu auch deutlich höher als bei 137Cs. Die maximalen 70 Konzentrationen im Sediment werden bei südöstlichen Winden erreicht, da in diesem Fall der Ausstrom aus der Bucht und damit die höchste Belastung in den untersten Wasserschichten stattfindet. Abb. 2.11: Szenario B: Prinzipstudie zur Ausbreitung von Radioaktivität in der Stepovogo Bucht bei Vorgabe von auf- und ablandigem Wind und einer kontinuierlich emittierenden Quelle am Boden, im inneren Teil der Bucht. 71 sou th -e a st w ind sou th -w e st w in d concen tra tions in w a ter su rfa ce laye r 0 - 1 0 m concentrations in w a ter surface laye r 0 - 10 m co ncen tra tions in w ater bottom layer 15 - 2 0 m co ncen tra tions in w ater bottom layer 15 - 2 0 m [B q /m **3] 500 1000 1500 2000 2500 3000 [B q /m **3 ] 0 3500 500 1000 1500 2000 2500 3000 co ncen tra tions in se dim e nt 0 - 5 cm co ncen tra tions in se dim e nt 0 - 5 cm [B q /kg ] [B q /kg ] 0 10 0 20 0 30 0 40 0 50 0 60 0 3500 0 70 0 100 200 300 400 500 600 700 Abb. 2.12: Szenario B: Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] in der Abrosimov Bucht bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1 TBq/Jahr 137Cs im inneren Teil der Bucht. Dargestellt sind die stationären Verteilungsmuster an der Oberfläche (oben), am Boden (Mitte) und im Sediment (unten), bei Anwendung von Südwest- (links) und Südostwind (rechts). 72 so uth-w est w ind so uth-east w ind concentrations in w ater surface layer 0 - 10 m concentrations in w ater surface layer 0 - 10 m concentrations in w ater bottom laye r 15 - 20 m concentrations in w ater bottom layer 15 - 20 m [B q /m **3] 500 1000 1500 2000 2500 3000 [B q/m **3] 3500 500 1 00 0 1500 2000 2500 3000 concentrations in sedim ent 0 - 5 cm 3 50 0 concentrations in sedim ent 0 - 5 cm [B q/kg ] 100 2 00 3 00 400 5 00 6 00 [B q/kg ] 700 100 200 300 400 500 600 700 Abb. 2.13: Szenario B: Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] in der Abrosimov Bucht bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 239Pu im inneren Teil der Bucht. Dargestellt sind die stationären Verteilungsmuster an der Oberfläche (oben), am Boden (mitte) und im Sediment (unten), bei Anwendung von Südwest- (links) und Südostwind (rechts). 73 I.4.1.2 Anwendung realistischer Windfelder Die Simulationen mit realistischen Windfeldern, die auch die Eisbedeckung und die Gezeiten mit einschließen, erlauben eine detailliertere Berechnung der möglichen Zirkulationen und Ausbreitungsmuster (Harms and Povinec, 1998). Das Modell der Abrosimov Bucht wird im Ruhezustand ohne Eis gestartet und benötigte eine Anlaufzeit von einem Jahr. Nachdem sich eine stationäre Zirkulation ausgebildet hat, läuft das Modell für weitere zwei Jahre, wobei die radioaktive Quelle (1 TBq/Jahr 137Cs) hinzukommt. Die Resultate aus dem zweiten und dritten Jahr bestätigen, daß die zeitabhängige Variationen der Windfelder und der Eisbedeckung eine deutliche Saisonalität der Zirkulation in der Bucht bewirkt. Diese Variationen spiegeln sich in erster Linie in den Oberflächenschichten wider, wo Wind und Eis die Zirkulation direkt beeinflussen. I.4.1.2.1 Ausbreitungswege Während der überwiegenden Zeit im Jahr hat der Wind eine ablandige Komponente, wobei südliche bis südwestliche Windrichtungen vorherrschen. Das führt dazu, daß die Oberflächenströmungen vor allem im Herbst und im Winter aus der Bucht hinaus gerichtet sind, und zwar mit den höchsten Geschwindigkeiten im September und Oktober. Aufgrund der Massenerhaltung ergibt sich bei diesen Situationen eine Kompensation durch einen Einstrom in den unteren Schichten (Abb. 2.14). Im November und Dezember bildet sich eine Eisdecke, die den Einfluß des Windes auf die Oberflächenzirkulation verringert. Obwohl während dieser Zeit die Windgeschwindigkeiten höher sind, reduzieren sich die Oberflächengeschwindigkeiten. 5m 10 m 15 m 20 m X II XI X IX V III V II VI V IV III II I 1 0 cm /s Abb. 2.14: Zeitliche und räumliche Verteilung der Strömungsvektoren am Ausgang der Abrosimov Bucht (siehe Karte) bei Anwendung von transienten Windfeldern. 74 Im Winter kommt die Eisdrift in der Bucht vollständig zum Erliegen und die Antriebskräfte im Wasser reduzieren sich auf externe und interne Druckgradienten, die auf das Dichtefeld und die Gezeiten zurückzuführen sind. Sobald sich das Eis nicht mehr bewegt, führt die Reibung unter dem Eis zu einem Abbau der kinetischen Energie. Daher sind die Oberflächengeschwindigkeiten im späten Winter trotz hoher Windgeschwindigkeit gering. Im Frühjahr (April, Mai, Juni) werden die ablandigen Winde von auflandigen Winden mit viel geringeren Geschwindigkeiten abgelöst. Dies führt zu einer Umkehr der Zirkulation in der Bucht mit erheblich niedrigeren Strömungsgeschwindigkeiten. I.4.1.2.2 Radionuklid-Konzentrationen d e p th [m ] Die Vertikalverteilung der Aktivitätskonzentrationen für eine Zeitspanne von zwei Jahren ist in Abbildung 2.15 dargestellt. Diese Werte geben räumliche Mittelwerte für jede Schicht im inneren Teil der Bucht wieder. Erwartungsgemäß tritt ein saisonales Signal bei der Intensität der Durchströmung auf: die höchsten Aktivitätskonzentrationen werden im Frühjahr und im Sommer beobachtet, wenn durch schwache Winde und Festeis der Impulstransfer aus der Atmosphäre in den Ozean verhindert wird. Starke Strömungen und somit niedrigere Konzentrationen treten im Herbst auf, wenn der Wind stärker wird und keine Eisbedeckung mehr vorhanden ist. Die niedrigsten Konzentration treten daher im November und Dezember auf. 10 20 [B q /m **3 ] 5 00 1 00 0 1 50 0 2 000 2 50 0 Abb. 2.15: Szenario B: Zeitliche Entwicklung der Vertikalverteilung von RadioaktivitätsKonzentrationen [Bq/m3] im inneren Teil der Abrosimov Bucht bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 137Cs. Die x-Achse bezeichnet die Zeit (2 Jahre), die y-Achse die Vertikalverteilung (Tiefe). Auffällig ist, daß die Aktivitäten in den oberen Schichten überwiegend höher sind als in den unteren. Eine Ausnahme bildet der Monat Mai, Juni und Juli, wenn die sommerlichen Windverhältnisse überwiegen. Dann dominiert an der Oberfläche der Einstrom unkontaminierten Wassers aus der Karasee und die Tracer akkumulieren in den bodennahen Schichten. 75 In den folgenen Abbildungen sind Beispiele für zwei Zirkulationstypen zusammen mit den Aktivitätskonzentrationen dargestellt. Das Zirkulationsmuster, das während der meisten Zeit im Jahr überwiegt, ist in der Abbildung 2.16 gezeigt. Hier finden wir die höchsten Aktivitäten zusammen mit dem Ausfluß an der Oberfläche, wohingegen die unteren Schichten von den offen Grenzen her ausgetauscht werden. Die Frühlings- und Sommersituation, wenn die Austauschrate gering ist und die Tracer bodennah akkumulieren, ist in Abbildung 2.17 zu sehen. Abb. 2.16: Szenario B: Momentaufnahme der Zirkulation und der RadioaktivitätsKonzentrationen [Bq/m3] in vier verschiedenen Tiefenhorizonten im Herbst, bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1 TBq/Jahr 137Cs und realistischen Winden. 76 Die vertikale Schichtung der Radionuklidkonzentrationen wird nicht nur durch die windgetriebene Zirkulation verursacht, sondern auch durch die vertikale Dichteverteilung. Die Schichtung in der Wassersäule kontrolliert den Impulstransfer und die vertikale Diffusion zwischen den verschiedenen Tiefenhorizonten. Insbesondere im Sommer, wenn die Windgeschwindigkeiten niedrig sind, wird die Radionuklidverteilung stark von der Dichteschichtung beeinflußt. Die Aufwärmung der Atmosphäre und das Abschmelzen des Eises erzeugen eine dünne, warme und salzarme Oberflächenschicht über viel kälterem und salzhaltigerem „Tiefenwasser“. Die Grenzschicht reduziert den vertikalen Austausch und ermöglicht die Akkumulation von radioaktivenn ‘Tracern’ in Bodennähe. Im Herbst und Winter wird die Schichtung dann durch windinduzierte Vermischung aber auch durch Konvektion - hervorgerufen durch Abkühlung und Eisbildung - aufgelöst. Diese Auflösung bewirkt auch eine Vermischung der Radionuklidkonzentrationen, wodurch das Konzentrationsniveau in stark belasteten Schichten abnimmt. 77 Abb. 2.17: Szenario B: Momentaufnahme der Zirkulation und der RadioaktivitätsKonzentrationen [Bq/m3] in vier verschiedenen Tiefenhorizonten im Sommer, bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 137Cs und realistischen Winden. 78 I.4.2 Szenario B: regionale Auswirkungen Die Simulationen auf der regionalen Skala erstrecken sich alle über mindestens sechs Jahre. Sie werden abgebrochen, nachdem die Verteilung einen stationären bzw. zyklischen Status erreicht hat. Zunächst werden mit dem etwas großskaligeren RS2-Modell drei Simulationen durchgeführt, um die kontinuierliche Ausbreitung in der Barents- und Karasee zu untersuchen. Jeweils eine Simulation gilt der Abrosimov Bucht (vier U-Boot-Reaktoren) bzw. der Tsivolky Bucht (Reaktoren des Atomeisbrechers „Lenin“) wobei in jeder Bucht eine konstante Freisetzungsrate von 1 TBq/a 137Cs angesetzt wird. Zusätzlich wird eine dritte Simulation für eine kombinierte Freisetzung in der Abrosimov, Stepovogo und Tsivolky Bucht mit zusammen 3 TBq/a 137Cs gerechnet. I.4.2.1 Radionuklid-Konzentrationen Die Resultate dieser drei Simulationen nach Erreichen eines stationären Zustandes sind in Abbildung 2.18 dargestellt. Außer in den Regionen, die sehr nahe bei den Versenkungsorten liegen, bleiben bei allen drei Szenarien die Aktivitätskonzentrationen unter dem Wert von 1 Bq/m3. Bei einer kontinuierlichen Freisetzung von 1 TBq/a in der Abrosimov Bucht liegt der saisonal variierende Export von Radioaktivität in Richtung Laptevsee zwischen 0,1 - 2,0 TBq/a. Insbsondere das oberste Bild zeigt, daß die Küstenregion von Taymyr stärker belastet wird als die Küstenregion von Yamal, da letztere von „nicht kontaminiertem“ Wasser aus der Barentssee bzw. Karastraße beeinflußt wird. Die Simulationen erreichen nach sechs Jahren einen nahezu zyklischen stationären Zustand. Das bedeutet, daß saisonale Schwankungen der Konzentrationen sich auf gleichbleibendem Niveau jedes Jahr wiederholen. Die saisonale Variabilität der Ausbreitungsfahne ist für drei ausgewählte Punkte in der Karasee (Abb. 2.18) mit einer Zeitreihe in Abbildung 2.19 dargestellt. Die stärksten saisonalen Variationen liegen nahe der Karastraße (Punkt 1), wo der im Sommer abnehmende Einstrom nichtkontaminierten Wassers aus der Barentssee eine Zunahme der Konzentrationen bewirkt. Die Zeitserien an Punkt 2 verhalten sich genau entgegengesetzt. Trotz der Entfernung zu den Ästuarien von Ob und Yenisey spielt hier die Verdünnung durch den unkontaminierten Flußeintrag im Sommer eine große Rolle. Am Punkt 3 zeigt sich analog zu Punkt 1 eine schwache Verdünnung im Winter aufgrund der stärkeren Winde und der damit zusammenhängenden vermehrten Advektion unkontaminierten Flußwassers. Um die Auswirkungen einer konstanten Freisetzungsrate, die höher als 1 TBq/a liegt, zu untersuchen, können die errechneten Konzentrationen aus Abbildung 2.18 mit einem entsprechenden Faktor (z. B. 102 für 100 TBq/a) skaliert werden. Es ist offensichtlich, daß selbst mit einer maximalen realistischen Freisetzungrate von 400 TBq/a die Resultate aus dem Szenario A nicht überschritten würden. Wenn nur ein einzelner Freisetzungsort zugrunde gelegt wird, ergeben sich in der zentralen und östlichen Karasee Konzentrationen unter 10 Bq/m3, und für die ziemlich unrealistische Situation, daß Freisetzungen an allen drei Orten stattfinden, Konzentrationen unter 50 Bq/m3. Diese Werte wären etwa eine Größenordnung höher als gegenwärtig gemessene Hintergrundaktivitäten (Joint Russian Norwegian Expert Group, 1993). 79 T sivo lky B a y A b ra sim o v B a y S te p ovo vo B a y [B q/m ³] 1 P3 P2 e -1 P1 A brasim ov B ay e -2 e -3 T sivolky B ay Abb. 2.18: Szenario B: Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] in der Karasee bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 137Cs in der Abrosimov, Stepovogo und Tsivloky Bucht (oben), nur in der Abrosimov Bucht (mitte) und nur in der Tsivolky Bucht (unten). Dargestellt sind die stationären Verteilungsmuster nach sechs Jahren. Taymyr [Bq/m**3] 10 5 Yamal 0 months 10 20 30 40 50 60 Abb. 2.19: Szenario B: Zeitserie der Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/m3] an drei Punkten in der Karasee (s.Abb. 2.18), bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 137Cs in der Abrosimov Bucht. Dargestellt sind die vertikal integrierten Monatsmittelwerte während des sechsten Jahres nach der Freisetzung. 80 Für die regionalen Untersuchungen werden neben 137Cs auch Abschätzungen für 239Pu durchgeführt, da beide Radionuklide große Anteile des versenkten Inventares bilden. Die in Abbildung 2.20 gezeigte Gegenüberstellung macht deutlich, daß die Konzentrationen für beide Radionuklide im Sediment unterhalb von 1 Bq/kg bleiben. Die Aktivitätskonzentrationen von 239Pu in der zentralen Karasee liegen im Bereich von 0,1 Bq/kg und somit etwa eine Größenordnung höher als die entsprechenden 137Cs - Werte. 1 37 -C s 2 39 -P u 1E-004 1E-003 1E-002 1E-001 Abb. 2.20: Szenario B: Radioaktivitäts-Konzentrationen [Bq/kg] im Sediment der Karasee bei Vorgabe einer kontinuierlich emittierenden Quelle von 1TBq/Jahr 137Cs (oben) bzw. 239Pu (unten) in der Abrosimov Bucht. Dargestellt sind die Verteilungsmuster nach sechs Jahren in den oberen 5 cm des Sediments. 81 I.4.2.2 Ausbreitungswege Ebenso wie in Szenario A, das auf instantaner Freisetzung beruht, geschieht die Ausbreitung in Szenario B hauptsächlich in nordöstliche Richtung. Wie bereits in Abb. 2.19 diskutiert, bewirken die Wechselwirkungen von saisonal variierenden Winden, der Einstrom aus der Barentssee und die Flußeinträgen einen pulsierenden Charakter der Ausbreitungsfahne in der Karasee, auch wenn die Emissionsquelle kontinuierlich ist (Harms and Backhaus, 1992). Diese Tatsache läßt sich auch in dem Zeitraum vor Erreichen des stationären Zustandes, also in den ersten sechs Jahren nach der Freisetzung, in den Oberflächenkonzentrationen erkennen (Abb. 2.21). Die Ausbreitungsfahne schreitet im Winter wesentlich schneller nach Osten und Norden voran als im Sommer, der diesbezüglich eher einer Stagnation gleichkommt. Dies wird besonders im zweiten Jahr deutlich. Verantwortlich hierfür ist das sommerliche Windfeld, das mit nordöstlichen Winden der Ausbreitung entgegenwirkt. Im Winter dagegen sind starke südwestliche Winde vorherrschend, die eine intensive Ausbreitung in Richtung Nordosten bewirken. Abb. 2.21: Szenario B: Zeitliche und räumliche Entwicklung der oberflächennahen Ausbreitungsfahne in der Karasee während der ersten sechs Jahre kontinuierlicher Freisetzung von 1 TBq/Jahr 137Cs. Dargestellt sind die Tagesmittelwerte am Ende des jeweiligen Monats. 82 Die Ergebnisse des RS1-Modells deuten darauf hin, daß keine signifikante Ausbreitung von Radioaktivität aus der Karasee in die Barentssee stattfindet, weder im Süden durch die Karastraße noch im Norden zwischen Franz-Josef-Land und Novaya Semlya. Dies ist ein sehr wichtiges Ergebnis im Hinblick auf die stark befischte Barentssee. Es muß deshalb kritisch untersucht werden, ob für das Ergebnis evtl. auch Schwächen des Modells verantwortlich sein können. Mögliche Gründe für das Fehlen einer westwärts gerichteten Strömung können sein (i) eine nicht ausreichende Auflösung der Karastraße (2 Gitterpunkte), was die Entwicklung von horizontalen Dichtegradienten verhindert oder (ii) die Unterschätzung der windgetriebenen Oberflächenströmung aufgrund von zu geringen klimatologischen Windstresswerten. Diesbezüglich durchgeführte, genauere Untersuchungen ergeben aber, daß auch bei Berücksichtigung der genannten möglichen Fehlerquellen eine signifikante Kontamination der Barentssee durch den Einfluß aus der Karastraße ausgeschlossen werden kann. Die zentralen Teile der Barentssee werden von einem starken Einstrom von Wassermassen aus dem Nordatlantik und der Norwegischen See dominiert (Loeng, Ozhigin, Ådlansdvik and Sagen, 1993). Der Volumentransport durch die Barentssee wird mit 2 bis 3 Sv angegeben (Loeng et al., 1995), was Durchflußzeiten in der Größenordnung von 2 Jahren bewirkt (Harms, 1994). Die gegenwärtige radiologische Situation der Barentssee ist großflächig dominiert von den Freisetzungen der nuklearen Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield (UK) und La Hague (F) (Dahlgaard, 1995), (Føyn and Sværen, 1995), (Kershaw and Baxter, 1995). Hieraus ist die Bedeutung der einströmenden nordatlantischen Wassermassen besonders erkennbar. Im Vergleich zu dem starken nordatlantischen Einstrom ist ein westwärts gerichteter Volumentransport von 0,1 Sv durch die Karastraße mehr als eine Größenordnung niedriger. Basierend auf den errechneten Konzentrationen im Seewasser östlich der Karastraße könnte der Eintrag von Radioaktivität in die Barentssee bei Freisetzung von 1 TBq/a in der Abrosimov Bucht in der Größenordnung von 104 Bq/s liegen. Vorausgesetzt, daß diese Strömung nur im Sommer auftritt, beträgt der Eintrag an Radioaktivität durch die Karastraße in die Barentssee knapp 0,1 TBq/a. Eine einfache Volumenschätzung ergibt, daß innerhalb der Pechorasee südlich von Novaya Semlya (300 x 300 km, Tiefe 50 m, Durchflußzeit 1 Jahr) mittlere Konzentrationen unter 1 Bq/m3 zu erwarten sind. Diese Werte lägen unterhalb der bestehenden Hintergrundaktivität. 83 I.4.3 Szenario B: globale Auswirkungen Wie bei der Auswertung der lokalen und regionalen Experimente zu erwarten, sind die Konzentrationen sehr gering, die großflächig in der Arktis aus der kontinuierlichen Freisetzung resultieren. Dies gilt relativ zu der instantanen Freisetzung ('worst case' Szenario A), und in noch stärkerem Maße im Vergleich zu dem Szenario C. Die Einbringung des Radionuklides 137Cs erfolgt wiederum an der Ostküste Novaya Semlyas, hier mit einer konstanten Rate von 1 TBq/Jahr. I.4.3.1 Ausbreitungswege Der Ausbreitungsweg entspricht demjenigen der instantanen Freisetzung im Szenario A. Die kontaminierten Wassermassen verlassen die Karasee wiederum nach Nordosten in das Eurasische Becken, sowie mit dem Küstenstrom in die Laptevsee. Im östlichen Eurasischen Becken vereinigen sich die zwei Äste und das kontaminierte Oberflächenwasser wird mit der Transpolardrift in 7 - 8 Jahren zur Framstraße transportiert (Abb. 2.22). Nach weiteren 4 Jahren erreicht die "Front" die Dänemarkstraße östlich von Grönland. Der Ostgrönlandstrom transportiert rezirkuliertes Atlantisches Wasser aus dem äußeren Bereich des Ostgrönlandstromes ostwärts, nördlich an Island vorbei. Da die Radionuklide aus der Karasee mit dem polaren Wasser fast ausschließlich im inneren Teil des Ostgrönlandstromes ausgebreitet werden, gelangen sie nur in sehr geringem Umfang Richtung Osten in den südlichen Teil des Europäischen Nordmeeres (Abb. 2.23). Ein geringer Anteil der eingebrachten Radionuklide verläßt die Arktis durch das Kanadische Archipel, um sich dann mit dem Hauptteil der Kontaminationsfahne nach mehr als 20 Jahren in der nördlichen Labradorsee zu vereinigen. Auch bei diesem Szenario gelangen Radionuklide aus der Karasee in die Atlantische Schicht in mittleren Tiefen des Arktischen Ozean. Die Ausbreitungswege entsprechen wiederum denen aus Szenario A. I.4.3.2 Radionuklid-Konzentrationen Nach 3 Jahrzehnten der Ausbreitung, ausgehend von der konstanten Quelle in der Karasee, hat sich in der Deckschicht der Arktis und in der östlichen Grönlandsee ein Gleichgewicht zwischen Advektion und Diffusion eingestellt und die Konzentrationen ändern sich zeitlich nur noch geringfügig. In der Arktis erreichen die Oberfächenkonzentrationen bereits nach etwa 15 Jahren eine stationäre Verteilung. Auf dem Weg von der Karasee, wo die Konzentrationen in der Deckschicht zwischen 1.0 - 0.1 Bq/m3 liegen, in den Ostgrönlandstrom verringert sich die Konzentration in den kontaminierten Wassermassen bis auf 0.01 Bq/m3. Nach etwa 30 Jahren hat die Kontaminationsfahne große Teile des Kanadischen Beckens mit der Strömung der Atlantischen Schicht in mittleren Tiefen erreicht. Hier liegen die Konzentrationen in 200 - 400 m Tiefe bei 10-2 - 10-3 Bq/m3 . 84 Abb. 2.22: Szenario B: Oberflächenkonzentration von 137Cs kontinuierlicher Freisetzung von 1 TBq/Jahr in der Karasee. in Bq/m3 nach 3 Jahren Abb. 2.23: Szenario B: Oberflächenkonzentration von 137Cs in Bq/m3 nach 31 Jahren kontinuierlicher Freisetzung von 1 TBq/Jahr in der Karasee. 85 I. 5 Szenario C Das folgende Szenario stellt eine Simulation des Austrittes von Radioaktivität aus dem im April 1989 gesunkenen, in etwa 1700 m Tiefe südwestlich der Bäreninsel gelegenen, atomar getriebenen Unterseebootes "Komsomolets" dar. Das Inventar des Reaktors wird auf u.a. 2.0 PBq 137Cs (zerfallskorrigiert für 1995) geschätzt (Høibraten et al., 1997). Wiederum werden für die Freisetzung ein 'worst case' Szenario, sowie eines mit kontinuierlicher Freisetzung gerechnet. Die Radionukklide werden in die 13. Modellschicht am Unglücksort eingespeist. Diese überdeckt den Tiefenbereich von 1700 m am Schelfhang vor der Bäreninsel. Wie in den vorhergehenden Szenarien so wird auch hier die Verdriftung der Kontamination über einen Zeitraum von 30 Jahren verfolgt. Da die Geschwindigkeiten in diesen großen Tiefen erheblich geringer als in oberen oder mittleren Tiefen sind, überdeckt die Kontamination nach 3 Jahrzehnten ein erheblich kleineres Gebiet. I.5.1 Ausbreitungswege und Radionuklid-Konzentrationen Abbildung 2.24 zeigt die Konzentration des freigesetzten Radionuklides im Fall einer kontinuierlichen Freisetzung von 137Cs mit einer Rate von 1 TBq/Jahr im Jahr 31 nach Start, in einer Tiefe von 1000 m. Die maximalen Konzentrationen folgen der Strömung entlang des Kontinentalhanges nach Norden und dringen in die Framstraße vor. Hier findet jedoch kein relevanter Eintrag in die Arktis statt, da die nordwärts strömenden Wassermassen in dieser Tiefe fast vollständig innerhalb der Framstraße rezirkulieren. Die weitere Ausbreitung folgt der zyklonalen Zirkulation im Europäischen Nordmeer. Die Konzentrationen liegen um 10 bis 1 Bq/m3 in der Umgebung der Quelle und klingen auf unter 10 bis 2 Bq/m3 im südlichen Europäischen Nordmeer ab. Abbildung 2.25 hingegen zeigt das 31. Jahr nach einer instantanen Freisetzung des gesamten Inventars an 137Cs in 1000 m Tiefe. Die gesamte Fläche des Europäischen Nordmeeres ist hier mit Konzentrationen zwischen 1 und 0.1 Bq/m3 kontaminiert. Ein kleiner Teil der Radionuklide ist in das tiefe Eurasische Becken der Arktis eingedrungen und weist dort Konzentrationen von 10 bis 2 Bq/m3 am sibirischen Schelfhang auf. Einen Eindruck von der vertikalen Verteilung erhält man durch Abbildung 2.26. Sie zeigt die Konzentrationen in den einzelnen Schichten des Modells auf einem Schnitt durch das Europäische Nordmeer von der Nordostecke Grönlands bis zum Nordkap. Deutlich ist das Aufwölben der maximalen Konzentration zur Beckenmitte hin zu erkennen, welches mit der Form der Flächen konstanter potentieller Dichte konform geht. Dies ist eine Folge der zyklonalen Zirkulation im tiefen Europäischen Nordmeer und macht Wassermassen, und damit hier auch kontaminiertes Wasser, einer Vermischung in geringere Wassertiefen verfügbar. So werden hier nach 3 Jahrzehnten der Ausbreitung in 500 m Wassertiefe Konzentrationen von 10 bis 2 Bq/m3 erreicht. Es ist zu erwarten, daß über längere Zeiträume hinweg auf diesem Wege Radionuklide aus der "Komsomolets" an die Oberfläche gelangen. Allerdings sind die hierbei zu erwartenden Konzentrationen im Vergleich etwa zu der durch Sellafield oder den globalen 'fallout' verursachten Belastung äußerst gering. 86 Abb. 2.24: Szenario C: Konzentration von 137Cs in Bq/m3 in 1000 m Tiefe nach 31 Jahren kontinuierlicher Freisetzung von 1TBq/Jahr von Bord der "Komsomolets". Abb. 2.25: Szenario C: Konzentration von 137Cs in Bq/m3 in 1000 m Tiefe 31 Jahre nach instantaner Freisetzung des Inventars von Bord der "Komsomolets". 87 Abb. 2.26: Szenario C: Konzentration von 137Cs in Bq/m3 auf einem Vertikalschnitt durch das Europäische Nordmeer 31 Jahre nach instantaner Freisetzung des Inventars von Bord der "Komsomolets". 88 I. 6 Szenario D An einer Reihe von Orten an der Küste der Kola-Halbinsel findet eine oberirdische Lagerung von radioaktiven Abfällen und ausrangierten atomar getriebenen Unterseebooten statt (s. Kapitel II.1.6). Im folgenden Szenario soll mittels einer hypothetischen Freisetzung von 1 TBq/Jahr 137Cs der Ausbreitungspfad einer durch Leckage verursachten Freisetzung untersucht werden. Abbildung 2.27 zeigt die Verteilung der Konzentration im Oberflächenwasser nach vier Jahren. Wie zu erwarten ist der Ausbreitungspfad dem Szenario E (Sellafield) sehr ähnlich., denn die Sellafield Ausbreitungsfahne passiert auf ihrem Weg in die zentrale Arktis den Einbringungsort für die Kontamination im vorliegenden Szenario. Für den weiteren Weg, sowie die Ausbreitungszeiten der Konataminationsfahne sei deshalb auf das folgende Szenario E verwiesen. Die Zeitdauer für das Überqueren des Barentsschelfes und die Durchquerung der Karasee beträgt etwa 1 bis 2 Jahre. e1 e0 e -1 e -2 Abb. 2.27: Szenario D: Oberflächenkonzentration von 137Cs in Bq/m3 nach vier Jahren kontinuierlicher Freisetzung von 1 TBq/Jahr an der Kola Halbinselin der Barentssee. 89 I. 7 Das Szenario E Im folgenden wird eine Simulation der großräumigen Ausbreitung des Radionuklides 137Cs beschrieben. Dieses wird seit den 50er Jahren von der nuklearen Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield (GB) mit den Abwässern in die Irische See eingeleitet. Von hier aus nimmt es seinen Weg mit den vorherrschenden Meeresströmungen in die Nordsee und anschließend mit dem Norwegischen Küstenstrom entlang der norwegischen Küste nach Norden. Hier dringt es bis weit in die zentrale Arktis vor. Aufgrund dieser Ausbreitungswege und der großen Einleitungsmengen stellt die Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield seit den 70er Jahren eine der größten Quellen für Radioaktivität in der Arktis dar (Strand et al., 1996). Die Simulation im Rahmen dieses Projektes wird vorgenommen, weil sie einerseits einen Vergleich der radioaktiven Belastungen durch dies Quelle mit den hypothetischen Belastungen durch die versenkten radioaktiven Abfälle in der Karasee erlaubt, und weil zum anderen ein Vergleich der Modellergebnisse mit den recht umfangreichen Meßdaten sehr gut zur Validation geeignet ist. Für das Experiment werden dem Modell die tatsächlichen 137Cs Einleitungen in die Irische See im Zeitraum von 1965 bis 1995 (Kershaw, pers.comm.) als Quelle am Nordausgang der Irischen See vorgeschrieben (Abb. 2.28). Die Einleitungen werden über diese 3 Jahrzehnte hinweg mit den vom GS-Modell errechneten Meeresströmungen verdriftet. Daraufhin werden die vom GS-Modell in der Karastraße berechneten Konzentrationen und Transporte als Randwerte an das Modell der Karasee (RS1) übergeben. Lokale Auswirkungen in den Buchten und Fjorden der Karasee sind für dieses Simulationsszenario ohne Bedeutung und entsprechende Berechnungen entfallen. Vor der Darstellung der Modellergebnisse wird jedoch zum Vergleich auf die durch Messungen in seit den 70er Jahren gewonnenen Daten im betrachteten Gebiet eingegangen. Einleitungen ausgewählter Radionuklide der WAA Sellafield (BNFL) seit 1952 6000 TBq/Jahr 5000 4000 3000 2000 1000 1996 1994 1992 1990 1988 1986 1984 1982 1980 1978 1976 1974 1972 1970 1968 1966 1964 1962 1960 1958 1956 1954 Cs137 1952 0 Abb. 2.28: Szenario E: Reale Freisetzungsraten von 137Cs der Wiederaufbereitungsanlage in Sellafield.Die höchsten Aktivitäten mit über 5200 TBq wurden 1975 eingeleitet. 90 I.7.1 Szenario E: globale Auswirkungen I.7.1.1 Beobachtungen Nach ihrer Freisetzung breiten sich die Radionuklide mit der vorherrschenden Meeresströmung in der Nordsee entgegen dem Uhrzeigersinn aus, folgen der norwegischen Küstenlinie mit dem Norwegischen Küstenstrom und gelangen so in die Barents- und Karasee (Dahlgard, 1995; Kershaw and Baxter, 1995). Die höchsten Konzentrationen in der Irischen See, der Nordsee und in der Norwegischen See werden in den späten 70er Jahren gemessen, als die Freisetzungsraten für 137Cs ihr Maximum mit 3-5 PBq/Jahr (absolutes Maximum 1975) erreichten. Diese führten zu 137Cs Aktivitätskonzentrationen von über 300 Bq/m3 in der Nordsee. Abbildung 2.29 zeigt die gemessenen Oberfächenkonzentrationen in der Nordsee. Das Maximum dieser Konzentrationsfahne erreichte den Arktischen Ozean als sie die Barentssee durchquerte. Dies geschah etwa 6 Jahre nach dem Verlassen der Gewässer vor Sellafield und führte in der südlichen Barentssee zu Oberfächenkonzentrationen von bis zu 50 Bq/m3 (Kershaw and Baxter, 1995). In den frühen 80er Jahren erreichten die Maxima der Konzentrationen die Karasee mit immer noch bis zu 40 Bq/m3 (Povinec, pers.comm.; Crane, 1997). Hiernach ist der Weg der Ausbreitungsfahne aus den vorliegenden Messungen weniger klar. In der ersten Hälfte der 90er Jahre wurden die höchsten 137Cs Konzentrationen in der zentralen Arktis durch Holm et al. (1996) gefunden (14-19 Bq/m3). Sie schreiben diese Werte den Freisetzungen der Jahre 1974 bis 1979 zu. Dies würde allerdings bedeuten, daß die advektive Zeitskala von der Irischen See bis in die zentrale Arktis mindestens 15 Jahre betrüge. 91 Activity concentration 137 ofCs [Bq/m3] in Sea water Sept/Oct. 1979 0-10 10-20 20-30 30-40 40-50 50-60 60-70 70-80 80-90 90-100 100-110 110-120 120-130 140-150 >150 1979 Activity concentration 137 ofCs [Bq/m3] in Sea water Juni/Aug. 1985 0-10 10-20 20-30 30-40 40-50 50-60 60-70 70-80 80-90 90-100 100-110 110-120 120-130 140-150 >150 1985 Abb. 2.29: Szenario E: Gemessene Oberflächenkonzentrationen von und 1985. 92 137 Cs in Bq/m3, 1979 I.7.1.2 Simulationen Verglichen mit diesen Messungen werden vom Ausbreitungsmodell sowohl der Weg, als auch die Konzentrationen der freigesetzen Radionuklide sehr gut wiedergegeben. Dies trifft selbst auf die im großskaligen Modell räumlich recht grob aufgelöste Nordsee zu (Vergl. hierzu Abb. 2.29 und 2.30a und b). Kleinere Abweichungen zwischen Beobachtung und Simulation lassen sich der nicht vorhandenen zwischenjährlichen Variabilität des (klimatologischen) atmosphärischen Antriebes, und damit der ozeanischen Zirkulation, zuschreiben. Die dennoch gute Übereinstimmung läßt darauf schließen, daß die wesentlichen Ausbreitungswege zwischenjährlich nicht stark schwanken, sondern allenfalls in ihrer Intensität veränderlich sind. Ein passiver Tracer wie das Radionuklid 137Cs stellt einen Integrator der Verhältnisse der Vergangenheit dar. Eine weitere Quelle für Differenzen stellt der im Modell nicht berechnete Hintergrundwert der Kontamination durch den Bomben-'fallout', sowie die nicht betrachteten Einträge von 137Cs durch den Tschernobyl-Unfall dar. Ersterer führt zu einem homogenen Fehler von etwa 2-5 Bq/m3 in den 90er Jahren (Smith et al., 1998a), während letzterer durch Eintrag aus der Ostsee in die Nordsee zu ca. 50 Bq/m3 zusätzlicher Konzentration im Norwegischen Küstenstrom im Jahr 1986 führt, der bis 1995 auf etwa 20 Bq/m3 abklingt (Nies and Wedekind, 1988). Im Modell erreichen die maximalen durch Sellafield verursachten Konzentrationen an 137Cs nach 6 Jahren die Barentssee mit 30-60 Bq/m3 in den südlichen und östlichen Bereichen, die am meisten von den einströmenden atlantischen und Küstenwassern des NCC beeinflußt werden. Der Hauptteil des kontaminierten Wassers breitet sich zwischen Franz-Josef-Land und Novaya Semlya in die nördliche Karasee hinein aus, ein kleinerer Anteil durchströmt die Karasee von Südwesten, nachdem er durch die Karstraße eingedrungen ist. Hier ist die maximale Konzentration im Jahre 1983 zu verzeichnen. In der östlich Barentssee und einem Teil der nördlichen Karasee führt intensive vertikale Vermischung zu einem Eintrag von 137Cs in dichtere und damit schwerere Wasserschichten, die in die atlantische Schicht in mittleren Tiefen des zentralen Arktischen Ozeans speisen. An der Oberfläche der zentralen Arktis werden vom Modell die maximalen Konzentrationen zwischen 1985 und 1990 mit etwa 40 Bq/m3 berechnet. Sie reduzieren sich bis auf 15 Bq/m3 Mitte der neunziger Jahre, vergleichbar mit den Messungen von Holm et al. (1996). Im Gegensatz zu seiner Einschätzung zeigt das Modell eine Transportzeitskala von etwa 10 Jahren für die Strecke von der Irischen See bis in die zentrale Arktis. Die Mitte der neunziger Jahre dort gefundenen Werte muß man also eher den bereits abklingenden Freisetzungsraten zuschreiben, als den maximalen Freisetzungsraten der späten 70er Jahre. In der Nordsee und der Norwegischen See klingen die durch Sellafield verursachten Konzentrationen Mitte der neunziger Jahre bis auf unter 5 Bq/m3 ab. Die maximalen Konzentrationen im Tiefenbereich von 100-400 m der Arktis liegen zu dieser Zeit bei 10-20 Bq/m3. Diese der unteren Halokline und dem Atlantischen Wasser zugehörigen Wasserkörper zirkulieren in weiten Teilen des Eurasischen Beckens und erreichen am Kontinentalabhang entlang die geographische Länge der Chukchisee im Kanadischen Becken (Karcher et al., 1999) (Abb. 2.31). Dies wurde auch von Smith et al., (1998b) bei einer der wenigen Messungen, die aus dem Kanadischen Becken durchgeführt wurden vorgefunden. Die Modellergebnisse unterstützen die Annahme von Smith et al. (1997), daß das Vorkommen von hohen 129I Konzentrationen an den selben Orten eine Folge von Emissionen dieses Radionuklides durch die Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague darstellt. 93 Source: Sellafield 1979 Source: Sellafield 1985 Abb. 2.30: Szenario E: Modellierte Oberflächenkonzentrationen von Jahren 1979 und 1985. 94 137 Cs in Bq/m3 in den In der westlichen Grönlandsee sind Spuren der simulierten 137Cs Kontamination ab 1978 mit einem Maximum in etwa 150 m Tiefe an der östlichen Flanke des Ostgrönlandstromes zu finden. Dieses tiefe Maximum hält bis 1985 mit Konzentrationen von 15-20 Bq/m3 an. Tatsächlich ist dieses Tiefenmaximum im Jahr 1982 gemessen worden (Aarkrog et al., 1983). Die Modellsimulation zeigt, daß es durch kontaminiertes Atlantisches Wasser aus dem Norwegischen Atlantischen Strom hervorgerufen wurde, welches südlich der Framstraße nach Süden rezirkuliert. Nach 1986 wird dieses Maximum durch ein flacheres (ca. 100 m) gelegenes Maximum an der Westseite des Ostgrönlandstromes abgelöst. Dieses resultiert durch den Ausstrom von kontaminiertem Polarem Wasser welches den langen Weg über die Schelfgebiete und die inneres Arktis zurückgelegt hat. Dies spätere Maximum wurde von Dahlgaard (1994) beobachtet. Die heutigen Werte im Ostgrönlandstrom liegen bei etwa 10 Bq/m3. Abb. 2.31: Szenario E: Modellierte Konzentrationen von 137Cs in Bq/m3 im Jahr 1995 auf einem Vertikalschnitt durch die Arktis von Kanada bis in die Karasee. 95 I.7.2 Szenario E: regionale Auswirkungen in der Karasee Die Auswirkungen des Sellafield-Signals werden auch in der Karasee nachsimuliert, um ein möglichst genauen Vergleich mit den Atommüll-Szenarien A und B durchführen zu können. Zur Anwendung kommt das hochauflösende RS1-Modell, das am Eingang der Karastrasse mit Kontaminationsrandwerten aus dem GS-Modell versorgt wird. Simuliert wird der Zeitraum 1978 – 1985, da in dieser Zeitspanne die Spitzenbelastung für die Barents- und Karasee lag (Abb. 2.32). Die für diese Simulation nötigen Randwerte in der Karastrasse entstammen dem großskaligen GS-Modell (s.o.). F ebruary S eptem ber 1978 1979 1980 1981 1982 1983 10 30 50 70 90 110 13 0 150 Abb. 2.32: Szenario E: Simulierte Verteilung der oberflächennahen 137Cs Konzentrationen (Bq/m3) in der Karasee als Folge der Einleitungen der Wiederaufbereitungsanlage Sellafield. 96 Das Sellafield-Signal breitet sich in der Karasee entsprechend der vorherrschenden Zirkulation vor allem nordostwärts aus. Die Spitzenbelastung wird etwa im Jahr 1983 erreicht, wobei die maximalen Werte mit etwa 40 Bq/m3 entlang der Ostküste Novaya Semlyas und an der Westküste der Yamal Halbinsel zu finden sind. Relativ unbelasted (< 20 Bq/m3) verbleiben die Ästuarien und die sibirische Küste entlang der Taymyr Halbinsel, wo unkontaminiertes Flußwasser dominiert. Ein Vergleich zwischen Abb. 2.32 und 2.7 zeigt, daß die Sellafield-Simulation für 1983, vom Radioaktivitätsniveau her, in etwa der ‘worst case’-Simulation aus Szenario A entspricht (2. Jahr nach der Freisetzung). I.8 Zusammenfassung der Modellergebnisse Die Ergebnisse der durchgeführten Szenarien zeigen, daß der versenkte Atomabfall in der Karasee für die radiologische Gesamtsituation des Arktischen Ozeans und des europäischen Nordmeers nur eine untergeordnete Rolle spielt. Die zu erwartenden RadionuklidKonzentrationen aus versenktem Atommüll lägen, global gesehen, deutlich unterhalb der bereits vorhandenen künstlichen Radioaktivität, die in der Arktis hauptsächlich von den westeuropäischen Wiederaufbereitungsanlagen Sellafield und La Hague sowie von dem Tschernobyl-Unfall bestimmt wird. I.8.1 Ausbreitungswege und Radionuklid-Konzentrationen Das Szenario A ('worst case') zeigt, daß in den lokalen Quellregionen (Fjorde, Buchten etc.) die Radionuklid-Konzentrationen extrem hohe Werte von mehr als 106 Bq/m3 annehmen können. Allerdings sind die Austauschzeiten der Buchten mit 3 – 5 Monaten relativ kurz, was zu einer raschen Abnahme der Werte führt. Auch bei den graduellen Freisetzungen (Szenario B) sind die Werte auf der lokalen Skala am höchsten und erreichen bis zu 5000 Bq/m3. Der Ausstrom von Radioaktivität aus der Abrosimov Bucht unterliegt einer deutlichen Saisonalität, die sich auf die zeitliche und räumliche Verteilung der Maximalkonzentrationen auswirkt. Die Ausbreitung auf der regionalen Skala ist generell nach Nordosten gerichtet wobei der Hauptteil der Kontamination aus der Karasee in den Arktischen Ozean und die Laptevsee gelangt. Diesbezüglich gibt es keine Unterschiede zwischen Szenario A und B. Eine direkte Ausbreitung in Richtung Barentssee, durch die Karastraße, kann weitestgehend ausgeschlossen werden. Die zeitlich und räumlich gemittelten Radionuklid-Konzentrationen im Wasser der Karasee steigen in Szenario A kaum über 50 Bq/m3 an. Entsprechende Werte aus Szenario B bleiben sogar unterhalb von 1 Bq/m3. Die großskaligen Simulationen in Szenario A und B zeigen, daß die oberflächnenahe Kontamination die Karasee generell polwärts verläßt, teilweise auf einem Umweg über die Laptevsee. Die Kontamination erreicht nach 2-3 Jahren den Bereich der Transpolardrift mit deren Hilfe nach 7-8 Jahren die Framstraße erreicht wird. Weitere 4 Jahre werden benötigt, um die Dänemarkstraße östlich von Grönland zu erreichen. Radioaktivität in größeren Tiefen 97 (> 200 m) verläßt den Schelfsockel der Karasee ostwärts und folgt den Tiefenkontouren des Kontinentalabhangs im Arktischen Ozean. Diese radioaktiven ‘Tracer’ rezirkulieren entlang des Lomonossov Rücken im Eurasischen Becken und erreichen die Framstraße erst nach etwa 18 Jahren. Teilweise erreichen sie auch, nach etwa 30 Jahren, das Kanadische Archipel. In Szenario A betragen die Radionuklid-Konzentrationen in der östlichen Karasee etwa 60 Bq/m3, nehmen in der Transpolardrift aber auf 10-20 Bq/m3 ab. Im europäischen Nordmeer werden dagegen kaum höhere Werte als 1 Bq/m3 erreicht. Noch wesentlich niedriger sind die Werte aus Szenario B in dem das Radioaktivitätsniveau von 1.0 - 0.1 Bq/m3 in der Karasee auf 0.01 Bq/m3 im Ost-Grönlandstrom abfällt. Die als Vergleich zu den Atommüll-Szenarien herangezogene Ausbreitung des SellafieldSignals (Szenario E) zeigt dagegen Spitzenbelastungen an der Oberfläche der Nordsee, Norwegischen See und Barentssee zwischen 50 und 150 Bq/m3 Seewasser, vor allem um 1980. Die Gegenüberstellung der mittleren Konzentrationen aus Szenario A, B, C und E (Tab. 2.1) macht deutlich, daß die radioaktive Belastung im Oberflächenwasser der stark befischten Nordsee, Norwegischen See und Barentssee aufgrund der WAA Sellafield zwischen 1975 und 1985 etwa dasselbe oder sogar ein höheres Niveau hat als in der kaum befischten Karasee, bei Annahme des simulierten ‘Katastrophenszenarios’. Vergleichbare Werte ergaben sich übrigens auch im Oberflächenwasser der Ostsee als Folge des Tschernobyl Unglücks 1986 (100-300 Bq/m3). Die Ursache für die vergleichsweise niedrigen Konzentrationen aus den Atommüll-Szenarien liegt in den deutlich geringeren Freisetzungsraten (Tab. 2.2). Während in Sellafield und Tschernobyl zwischen 0.5 und 5 PBq/a freigesetzt wurden, überschreiten die Freisetzungen aus den Atommüll-Szenarien 0.001 PBq/a nicht. Auch das Gesamtinventar des Atommülls ist mit etwa 1 PBq 137Cs gegenüber den Tschernobyl-Freisetzungen und den SellafieldEinleitungen erheblich niedriger. I.8.2 Sensitivitätsanalyse Aufgrund der Datenlage zum Zeitpunkt der vorliegenden Untersuchung wird für den Antrieb der Modelle ein klimatologischer atmosphärischer Datensatz verwendet. Dieser besteht aus Monatsmitteln der wesentlichen atmosphärischen Parameter eines "mittleren" Jahres der achtziger Jahre. Dies bedeutet, daß die Zirkulation des Ozeans, die vor allem in oberen Teilen der Wassersäule ganz wesentlich vom Windstress bestimmt wird, zwischen den einzelnen Jahren unveränderlich ist. Eine zwischenjährliche Veränderlichkeit ist unseren Modelluntersuchungen also nicht enthalten. Allerdings zeigen Beobachtungen, daß zwar die Intensität, nicht aber die grundsätzliche Struktur der Zirkulation im Europäischen Nordmeer und der Arktis, veränderlich ist. Zwar wird bezüglich der Oberflächenzirkulation der Arktis von Schwankungen der Lage der Transpolardrift und der Größe des Beaufortwirbels im Kanadischen Becken auf Zeitskalen von 5 - 10 Jahren berichtet (Proshutinsky und Johnson, 1997) doch wäre die Folge für die hier untersuchten Ausbreitungen abschätzbar. Das großskalige Modell zeigt eine Transpolardrift weit im Kanadischen Becken und einen sehr kleinen Beaufortwirbel. Dies entspricht dem Typ B in Abbildung 1.2. Eine Zirkulation vom Typ A würde zu einer leichten Verkürzung der Transportzeiten von den Schelfgebieten in die zentrale Arktis und zur Framstraße, sowie ein weniger weites Eindringen in das Kanadische Becken an der Oberfläche bewirken. Die zu erwartenden Konzentrationen wären aufgrund des kleineren durch Kontamination überdeckten Gebietes leicht erhöht. An der grundsätzlichen 98 Aussage der Szenarien wären jedoch keine Veränderungen zu erwarten. Hierfür spricht auch das sehr gute Ergebnis von Szenario E, dem Verdriften der Sellafield Einleitungen über einen Zeitraum von 3 Jahrzehnten mit dem klimatologisch angetriebenen Ozean, im Vergleich zu Messungen (Nies et al., 1998). Eine weitere Auswirkung zwischenjährlicher Veränderlichkeit betrifft die von Jahr zu Jahr schwankende Intensität der Produktion dichter Wassermassen auf den sibirischen Schelfen. Diese beeinflußt die Aufteilung von im Wasser vorhandenen Spurenstoffen auf die im Oberflächenbereich verbleibenden und die in größere Tiefen absinkenden Anteile. Hier ist zu erwarten, daß ein klimatologischer Antrieb auf der Basis von Monatsmitteln, durch das Fehlen der Spitzen des Wärmeverlustes über den Schelfgebieten, die Produktion des dichten Wassers unterschätzt. Dennoch zeigt ein Vergleich von Messungen des Radionuklides 129I, welches von den Wiederaufbereitungsanlagen in Sellafield und La Hague eingebracht wird, mit einem entsprechenden Modellszenario eine gute Übereinstimmung auch in den dichteren Wasserkörpern der Atlantischen Schicht im Kanadischen Becken (Karcher et al., 1999). Neben der relativen Stabilität der Zirkulationssysteme trägt hierzu sicherlich auch die Tatsache bei, daß die Verteilung der sich im Ozean ausbreitenden Spurenstoffe immer ein integrales Resultat der von ihnen erfahrenen zeitlichen und räumlichen Veränderlichkeit darstellen. 99 II Die Ausbreitung von Radioaktivität durch Meereis Untersuchungen von Schadstoffen im Meereis haben gezeigt, daß die gemessenen Schadstoffkonzentrationen im Eis selbst meist sehr gering sind aufgrund des Abreicherungsprozesses während der Eisbildung. Gelöste Substanzen verbleiben mit dem Meersalz zusammen im Wasser, wodurch Meereis für gewöhnlich erheblich ‚sauberer‘ ist als das Wasser aus dem es gebildet wurde. Eine große Anzahl von Schadstoffen in der marinen Umwelt werden aber nicht als im Wasser gelöste Substanzen verdriftet sondern mit Hilfe von partikulären Trägersubstanzen, wobei sich der betreffende Schadstoff an im Wasser schwebende Partikel oder Sedimente anlagert. Tatsächlich sind die kritischen Schadstoffe in der marinen Umwelt eher ‘particle reactive’ wie beispielsweise bestimmte Schwermetalle (Blei, Eisen, Kupfer und Kadmium). Aber auch Radioaktivität wird nicht direkt im Meereis transportiert sondern mit Hilfe von Sedimentpartikeln, die im Meereis eingefroren sind und an die bestimmte Radionuklide gebunden sein können. II.1 Empirische Studien In den letzten Jahren beschäftigten sich zahlreiche Expeditionen und Beobachtungen mit dem Vorkommen von Sedimenten und partikulären Substanzen im arktischen Meereis. Hierbei wird deutlich, daß ganz erhebliche Anteile von Sediment und partikulärem Material in das Eis ‘eingefroren’ werden. II.1.1 Stand der Forschung Die höchsten Konzentrationen werden bisher auf der Oberfläche von mehrjährigem ‘altem’ Eis in der zentralen Arktis gemessen. Durch die fleckenhafte Struktur variieren die gemessenen Werte allerdings erheblich von 10 mg/l bis zu 56000 mg/l. Eine Eisfläche von 40000 km2, was etwa einem Zehntel der Fläche der Karasee entspricht, würde bei einer mittleren Sedimentfracht von 125 mg/l (etwa 240 t/km2) 9.6 Millionen Tonnen Sediment transportieren. Die Aufnahme von Sediment in das Eis kann durch sehr unterschiedliche Prozesse stattfinden. In den flachen Schelfmeeren besteht prinzipiell die Möglichkeit des direkten Kontaktes mit dem Sediment durch Strandung von Eisbergen, Presseisrücken oder großen Eisschollen. Auch das Anfrieren der Eisdecke am Boden ist möglich. Bezüglich der beobachteten Sedimentmengen können diese Prozesse zwar beitragen, sind aber nicht effektiv genug, um ein flächenhaftes Sedimentvorkommen im arktischen Packeis zu erklären. Derzeit erscheint der Prozeß der Eisbildung in offenem Wasser als am wahrscheinlichsten geeignet die beobachteten Sedimentmengen zu erklären. Offenes Wasser ist selbst im Winter keine ungewöhnliche Erscheinung in der Arktis. Vor allem in den flachen Schelfregionen entlang von Küsten treten offene Flächen und breite Rinnen im Eis häufig auf. Die Hauptversenkungsgebiete der Nuklearabfälle liegen im Bereich einer Grenzlinie zwischen Festeis und Drifteis, östlich von Novaya Semlya in der Karasee. An dieser Nahtstelle öffnet sich das Eis häufig in Form von kleineren, lokalen Gebieten, den sogenannten ‘Polynyas’ oder in Form von langgestreckten, offenen Rinnen, den ‘flaw leads’. 100 Das durch den Wind getriebene, dünnere Drifteis reißt dabei von dem an Land angefrorenen, dickeren Festeisrand ab. Über dem offenen Wasser fehlt nun die isolierende Eisschicht und das Meer ist an dieser Stelle einer intensiven Abkühlung durch die Atmosphäre ausgesetzt (Abb. 2.33). Hohe Wärmeverluste und eine damit verbundene starke Eisbildung führen zu vertikalen Konvektionsströmen und bewirken zusammen mit dem Impulseintrag durch den Wind eine turbulent durchmischte Wassersäule. Partikel und aufgewirbeltes Sediment werden während dieser initialen Phase der Eisbildung, der sog. ‘frazil ice formation’ eingefroren, wobei die zunächst im freien Wasser treibenden Partikel in einem sich zunehmend verfestigenden Eisbrei gefangen werden. Sind Sedimente und andere Partikel im Eis eingefroren, kommt es meist zu einer Anreicherung an der Eisoberfläche. Diese Akkumulation ergibt sich aus der Tatsache, daß Meereis an der Oberfläche schmilzt und an der Unterseite anwächst. Dadurch ‘wandern’ die eingeschlossenen Partikel bzw. Sedimente während eines Jahreszyklus von der Unterseite oder dem Eisinneren an die Eisoberfläche. Kara Sea Flaw Lead W E Offshore Winds Clouds Transpolar Drift Fog Flaw lead Thermal energy release Fast Ice Frazil Ice Drift Ice Langmuir cells Re-suspension Suspension Freezing Thermohaline convection Cold Brines Halocline Deep water inflow? Shelf Shallows Slope Abb. 2.33: Schematische Darstellung der physikalischen Prozesse in einem 'flaw lead', einer offenen Wasserfläche innerhalb der geschlossenen Eisdecke des Arktischen Ozeans. 101 II.1.2 Aktuelle Messungen und Beobachtungen in der Karasee Im April 1997 wurde in Kooperation zwischen dem Murmansk Marine Biological Institute (MMBI, Murmansk, Rußland), dem GEOMAR Forschungszentrum für marine Geowissenschaften (Kiel) sowie dem Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie (Hamburg) die Land/Luft-gestützte KaBaEx '97 Expedition in die Eisbildungsgebiete der südwestlichen Karasee durchgeführt. Ziel dieser Geländestudie war es, den möglichen Eintrag potentiell radioaktiv kontaminierter Sedimente vom Schelfboden der Karasee in das lokal neu gebildete Eis zu untersuchen sowie deren Ausbreitung in Richtung Europäisches Nordmeer zu quantifizieren. Die wiederkehrenden 'flaw leads' in der SW Karasee befinden sich entlang eines sehr schmalen Küsten-Festeisaumes (Abb. 2.34). Die Wassersäule im 'lead' und unterhalb des Festeises, in der Nähe der offenen Wasserrinnen, ist turbulent durchmischt (keine signifikanten Salinitäts- und Temperaturgradienten). Dies deutet auf einen möglichen konvektiven Eintrag von Schelfbodensedimenten in das lokal gebildete Meereis hin. Abb. 2.34: NOAA-12 Satellitenbild vom 10. April 1993, das sog. 'coastal flaw leads' in der eisbedeckten, westlichen Karasee zeigt. Die Boxen A-C bezeichnen die 'lead' Sektionen östlich von Novaya Semlya (Martin & Cavalieri 1989). Box D bezeichnet das Amderma/Vaygach 'flaw lead', das während der Feldexpedition im April 1997 beprobt wurde. 102 Das Meereis in der Beprobungsregion der KaBaEx '97-Expedition enthält bis zu etwa 140 mg/l feinkörnige, weit überwiegend klastische Einschlüsse (Abb. 2.35). Somit kann der Sedimentinhalt des Meereises - zumindest in Teilgebieten der Karasee - erstmals quantifiziert und qualifiziert werden. Die Meereissedimente der SW Karasee (und der zentralen Arktis) sind überwiegend feinkörniger ausgeprägt als die Schelfbodensedimente und enthalten zwischen 60 und fast 100 % Feinfraktion mit <63 m Durchmesser. Die Korngrößenverteilung der Schelfbodensedimente variiert dagegen zwischen sandiger und siltig-toniger Ausprägung. Hieraus ist abzulesen, daß es zu einer relativen Anreicherung der Feinfraktion in den Meereissedimenten gegenüber dem Schelfboden kommt. Die Oberflächensedimente aus den Buchten entlang der Ostküste Novaya Semlyas zeigen ebenfalls sehr hohe (bis 99 %) Anteile in der Silt und Tonfraktion. Particle content (mg/l) 0 10 20 30 40 F É H JÇBÑ 0 Ç F HÉ J ÑB F ÇJ É ÑB H F É ÑJ HB Ç 50 F H B F HÇ J F J no data J H H Core depth (cm) F Ñ É HB J Ç 100 B J H H 150 H F Ç Ñ É 200 #1 #2 #3 #4 #5 #6 #7 0 40 80 120 160 Particle content (mg/l; #5) Abb. 2.35: Vertikalverteilung von partikulärem Material in den sieben Eiskernen (#1 bis #7) nahe der Amderma/Vaygach 'flaw lead' Region 103 Die Expeditionsergebnisse zeigen, daß in der südwestlichen Kara Sea quantifizierbare Mengen feinkörniger Schelfbodensedimente in das lokal gebildete Meereis inkorporiert werden. Die detaillierten sedimentologischen Untersuchungen zeigen, daß die Erkenntnisse aus der südwestlichen Karasee auf die Buchten entlang der Ostküste Novaya Semlyas übertragbar sind. Ausgehend von den ozeanographisch-sedimentologischen Erkenntnissen der KaBaEx '97 läßt sich das Eintragsszenario für potentiell radioaktiv belastete Schelfsedimente in neugebildetes 'lead'-Eis der westlichen Karasee entwerfen. Langmuir Zirkulation und thermohaline Konvektion können demnach als vornehmlichste Prozesse für die Durchmischung der Wassersäule und zur Resuspension von Schelfbodensedimenten während der turbulenten 'lead'-Eisbildung auf den arktischen Schelfen angesehen werden. Die erhöhten Partikelkonzentrationen in den oberen 60-70 cm der Eiskerne nahe des Amderma/Vaygach 'flaw leads' sowie die große Ähnlichkeit zwischen Meereis- und Schelfbodensedimenten im Untersuchungsgebiet deuten auf einen intensiven Eintrag durch Suspensionsgefrieren und Filtration während der initialen Eisbildungsphase über offenem Wasser ('lead') hin. Die hydrodynamischen Prozesse aktivieren vornehmlich feinkörnige Substrate vom Schelfboden und tragen diese in das Meereis ein, so daß die Meereissedimente eine deutlich feinere Sortierung aufweisen als die darunterliegenden Schelfbodenablagerungen. Dies wurde bereits in der Laptev- und Beringsee nachgewiesen sowie in Tankversuchen belegt. II.2 Numerische Simulationen zur Eisdrift Die Karasee bildet nach der Laptevsee die größte Exportregion für Meereis. Etwa 150 km3 Eis verlassen pro Jahr die Karasee und driften in den zentralen Arktischen Ozean. Die Eismassen treiben mit der sogenannten transpolaren Eisdrift in Richtung Framstraße, der Meerenge zwischen Grönland und Spitzbergen. Hier verläßt das Eis mit dem Ost-Grönlandstrom den Arktischen Ozean und gelangt weiter nach Süden in das Europäische Nordmeer und den nördlichen Nordatlantik wo das eingefrorene Sediment durch die Eisschmelze wieder freigesetzt wird. Da es sich hierbei meist um Regionen mit erhöhter biologischer Produktion handelt, werden die durch Eisschmelze freigesetzten Schadstoffe teilweise direkt in die Nahrungskette eingeführt. Darüber hinaus fällt die Eisschmelze für gewöhnlich in die Zeit der biologischen Frühjahrsblüte was die Möglichkeit der Aufnahme in die Nahrungskette weiter erhöht. Modellrechnungen und die Driftbahnen von satellitengeorteten Bojen haben bestätigt, daß die transpolare Eisdrift der dominierende Bewegungsvorgang innerhalb der Arktis ist. Diese Tatsache war bereits Fritjof Nansen bekannt, und er nutzte sie für die geplante TransNordpol-Drift seines Schiffes ‘Fram’. Auch wenn er den Pol verfehlte, so brauchte sein Schiff doch kaum mehr als zwei Jahre vom Zeitpunkt des Einfrierens in der Laptevsee bis zum Freikommen bei Spitzbergen. Jüngere Drift-Experimente haben gezeigt, daß Bojen sogar in weniger als einem Jahr von der Karasee bis in die Grönlandsee gelangen können. 104 II.2.1 Eisdrift in der Karasee (regionale Skala) Beobachtungen (Pavlov et al., 1993) zeigen, daß der Volumenstrom von Meereis aus der Karasee in den Arktischen Ozean oder die Barentssee auch berücksichtigt werden muß. Um den möglichen Radionuklidexport durch Meereis abzuschätzen, kann man einen Volumenstrom aus der Karasee in den Arktischen Ozean in der Höhe von 150 km3/a (Pavlov et al., 1993) mit einer Sedimentbeladung von 3 mg/l (IAEA, 1994) und einer Radionuklidkonzentration im Meereis-Sediment von 70 Bq/kg (Meese et al., 1995) annehmen. Die Transportrate von Radionukliden in Richtung Arktischer Ozean liegt dann in der Höhe von 0,03 TBq/a. Ein sehr ähnlicher Wert ergibt eine Schätzung für die Transportrate durch Meereis aus der Karasee in die Barentssee. II.2.2 Eisdrift im Arktischen Ozean (globale Skala) Grundlage der Eisdrift-Trajektorien ist der Jahresgang der Zirkulation und Eisbedeckung (Dicke und Konzentration) des auch für die ozeanischen Ausbreitungsexperimente benutzten Modelllaufes des 36. Jahres. Zu dieser Zeit sind Zirkulation und Eisbedeckung bereits über zwei Jahrzehnte zyklisch stationär. Auf der Grundlage dieser Daten (als Monatsmittel) werden mittels eines Lagrange‘schen Verfahrens die Trajektorien von einem beliebigen Startfeld aus über jeweils 3 Jahre zeitlich vorwärts integriert. Abbildung 2.36 zeigt die Drift-Trajektorien 3 Jahre nach einem Start entlang einer Linie von Alaska über den Nordpol hinweg bis in die südliche Karasee hinein. Sollte eine Trajektorie vor Ablauf der 3 Jahre sich in vollständig abgeschmolzenem Eis befinden, so wird sie gestoppt und die Zahl am Ende der Trajektorie stellt den Monat des Abschmelzens dar. Abb. 2.36: Modellierte Trajektorien der Eisdrift, 3 Jahre nach Start auf einer Linie vom Kanadischen Archipel bis nach Sibirien 105 Die Abbildung macht die großräumige Zirkulation des Eises in der Arktis deutlich. Der Bereich des Kanadischen Beckens wird von einem großflächigen Beaufort Wirbel dominiert. Dieser mündet im Eurasischen Teil der Arktis, ebenso wie die in der Karasee gestarteten Trajektorien in die Transpolardrift, die sehr schnell Eis zum Ostgrönlandstrom und damit zum Teil bis in die südwestliche Grönlandsee verdriftet. Ein Teil des Eises gelangt von der nordwestlichen Karasee in die Barentssee und schmilzt dort. Die Driftzeit beträgt 0-1 Jahr in die Barentssee und 1-2 Jahre bis in den Ostgrönlandstrom. Diese Werte stimmen gut mit Auswertungen von Satellitenbeobachtungen überein (Abb. 2.37). Abb. 2.37: Mittlere Eisdrift und Driftzeiten bis zum Erreichen der Framstrasse, gewonnen aus Bojendaten der Jahre 1979-1993 (International Arctic Buoy Program, Polar Science Center, University of Washington) 106 Eine differenziertere Aussage über die Eisdrift potentiell kontamierten Materials aus der Karasee läßt das in Abbildung 2.38 dargestellte Experiment zu. Hierfür werden EisdriftTrajektorien in der südlichen, mittleren und nördlichen Karasee jeweils im Oktober gestartet. Wiederum wird die Drift über 3 Jahre oder bis zur vollständigen Abschmelzung verfolgt. Es wird deutlich, daß im vorliegenden Experiment die in der südlichen Karasee gestarteten Eistrajektorien innerhalb des folgenden Winters nicht aus der Karasee hinaus gelangen und dort im September abschmelzen. Hingegen ist ein großer Prozentsatz der in der mittleren Karasee gestarteten Trajektorien in der Lage, die Barentsee zu erreichen und dort im folgenden Sommer zu schmelzen. In der nördlichen Karasee gestartete Trajektorien gelangen zu einem Drittel gar bis in die Transpolardrift, die übrigen zwei Drittel treiben in die Barentssee. Abb. 2.38: Eisdrift-Trajektorien 3 Jahre nach Start in (a) der südlichen (b) der mittleren und (c) der nödlichen Karasee. Startmonat ist jeweils Oktober. Die unterschiedlichen Farben sind zur besseren Unterscheidbarkeit der verschiedenen Trajektorien verwendet. 107 II.3 Quantifizierung des Exports radioaktiv belasteter Sedimente Die flachen, küstennahen Gebiete der Karasee sind während des arktischen Winters von turbulenter Neueisbildung in Zonen offenen Wassers, den sog. 'flaw leads', charakterisiert (s. Abb. 2.34). Hydrodynamische Prozesse in den 'leads' ermöglichen die Mobilisierung feinkörniger, potentiell radioaktiv kontaminierter Schelfbodensedimente und begünstigen deren Inkorporation in das neu gebildete Meereis. Für die quantitative Abschätzung des Sedimenteintrages und des damit verbundenen Radionuklidtransportes durch 'lead'-Eis im Untersuchungsgebiet werden nur die Partikelgehalte in den oberen 60-70 cm der Eiskerne berücksichtigt. Der resultierende Mittelwert von 11mg/l wird mit den Eisvolumina kombiniert, welche in den 'lead'-Sektionen A, B, C und D (eigene Schätzung: 7 km3) jährlich produziert werden. Da für die 'lead'Abschnitte entlang der Ostküste Novaya Semlyas keine Meereissediment-Daten vorliegen, werden die Konzentrationen aus Sektion D auch für die Sektoren A-C angenommen. Nach den Berechnungen kann jährlich eine Gesamtmenge von ca. 500.000 t Sediment in das 'lead'Eis der Sektionen A-D eingetragen werden. Die Sediment-Exportraten der Sektionen C und D differieren signifikant von den potentiellen Eintragsraten, da das hier gebildete Eis aufgrund der Driftverhältnisse nur eine etwa 10 %ige Wahrscheinlichkeit (pers. Mitt. I. Rigor, Seattle, USA) besitzt, die Karasee vor der Sommerschmelze zu verlassen. Somit kann nur eine Gesamtmenge von ca. 300.000 t Meereissediment die westliche Karasee saisonal in Richtung zentrale Arktis und Europäisches Nordmeer verlassen. Die Abschätzungen des Sedimenteintrags und -exportes werden mit gemessenen und modellierten 137Cs und 239,240Pu-Daten (Bq/kg) aus Schelfboden-Ablagerungen nahe bzw. direkt unterhalb der 'flaw leads' kombiniert. Die maximalen Oberflächen-Kontaminationen (3000 Bq/kg 137Cs bzw. 750 Bq/kg 239,240Pu) werden nach modellierten OberflächenwasserKonzentrationen von 1000 Bq/m3 137Cs und 7.5 Bq/m3 239,240Pu infolge einer "augenblicklichen" Freisetzung der gesamten Radioaktivitäts-Inventare der westlichen Karasee (1 PBq 137Cs und 10 TBq 239,240Pu) berechnet. Demnach liegen die maximalen Eintragsraten von partikelgebundenem 137Cs und 239,240Pu in das 'lead'-Eis der westlichen Karasee etwa bei 0.58 bzw. 0.17 TBq. Die maximalen Exportraten übersteigen jedoch nicht 0.40 bzw. 0.12 TBq (aufgrund der Eisdriftbedingungen). Diese Exportraten repräsentieren lediglich ca. 0.0004 bzw. 1.2 % des gesamten 137Cs- und 239,240 Pu-Inventars der Karasee. 108 II.4 Zusammenfassung der Ergebnisse Die Ergebnisse zeigen, daß erhebliche Mengen feinkörniger - potentiell radioaktiv belasteter Sedimente vom Meeresboden in das Eis der südwestlichen Karasee eingetragen werden. Numerisch simulierte Eisdriftwege belegen, daß das mit Sedimenten beladene Meereis aus seinen Bildungsgebieten entlang der Küste Novaya Semlyas innerhalb eines Winters die Karasee in Richtung zentraler arktischer Ozean verlassen kann. Obwohl die MeeresbodenSedimente im Untersuchungsgebiet der KaBaEx '97 nicht signifikant radioaktiv belastet sind, kann jedoch ein schneller Export radioaktiv kontaminierter Sedimente mit dem Meereis aus der Nähe von NZ angenommen werden. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Transport von Radionukliden durch Meereis prinzipiell möglich, im vorliegenden Fall sogar wahrscheinlich ist. Verglichen mit den simulierten Transportzeiten im freien Wasser stellt der Transport von belastetem Sediment durch die transpolare Eisdrift zumindest die schnellste Form des Schadstoffexports aus der Arktis in Richtung Nordatlantik dar. Die Quantität des Transportes von Radioaktivität durch Meereis ist dagegen außerordentlich schwierig abzuschätzen, solange keine verläßlichen Zahlen über den Eisexport und die Sedimentbelastung vorliegen. Bei Verwendung der bisher bekannten Daten ergäben sich Konzentrationen, die die Schwelle der relativ geringen Vorbelastung durch globalen 'fallout' und Sellafield-Einleitungen in der Arktis und im europäischen Nordmeer sicher nicht überschreiten. Dennoch sollte der Transport von Radionukliden durch Meereis weiter Gegenstand der Untersuchung bleiben, auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt eine flächenhafte, signifikante Kontamination des europäischen Nordmeeres bzw. des Nordatlantik durch Eisexport aus Versenkungsgebieten ausgeschlossen werden kann. 109 110 Tabellen Ehemalige Quellen atmospärische Kernwaffentests (global fallout) A reprocessing plants (Sellafield und La Hague) M Aktuelle Quellen nukleare Wiederaufarbeitungsanlagen (Sellafield, La Hague, Mayak, Tomsk, Seversk, Krasnojarsk) M und T Kernkraftwerke (Unfälle und Störfälle) A und (T) nuklear betriebene Schiffe (Unfälle auf See und Störfälle während des nuklear betriebene Schiffe Abwrackens) M (Gebiet um Murmansk und (T) und auf See während des Einsatzes und nach WiederaufbereitungsAußerdienststellung/Abanlagen wrackung) (Unfälle und Störfälle) M und (T) T Kernkraftwerke auf der Kola-Halbinsel T Tschernobyl Unfall A und T Potentielle Quellen Kernwaffen (Unfälle beim Umgang, bei Lagerung und Transport) T und A versenkte radioaktive versenkte radioaktive Abfälle (Karasee) Abfälle (Leckage) M M nukleare Test Gebiete (unterirdische nukleare Explosionen in Siberien und auf Novaya Semlya) T M = Quellen in der Meeresumwelt A = Atmosphärische Quellen bzw. atmosphärischer Transport T = Terrestrische Quellen Tab. 1.1: Quellen für anthropogene Radioaktivität in der Arktis nach J.M. Bewers, 1997 . 111 Regionen \ Szenarien 'dump sites' in der Karasee Szenario A Szenario B (‘worst case’) (1 TBq/Jahr) > 1.000.000 Abrosimov Bucht ‘Komsomolets’ ‘Sellafield’ Szenario C Szenario E (‘worst case’) (1965 – 1995) 1000 - 5000 < 0.001 < 40 (1983) [4 - 9 (1995) ] Barentssee und Karasee < 100 0.1 - 0.5 < 0.001 40 - 80 (1983) [3 - 8 (1995) ] Arktischer Ozean (Eurasisches Becken) 10 - 20 < 0.1 0.01 – 0.1 20 - 40 (1985) [< 10 (1994) ] < 0.1 < 0.01 <1 (500 – 1000 m) 50 - 100 (1980) [3 - 8 (1995) ] < 0.001 < 0.001 < 0.001 100 - 200 (1975) [3 - 25 (1995) ] Europ. Nordmeer (Grönlandsee, Norw. See) Nordsee Tab. 2.1: Vergleich der simulierten 137Cs-Konzentration (Bq/m3) der Szenarien A,B,C und E, aus verschiedenen Meeresgebieten. Als Vergleich sind für Szenario E aktuelle Messungen in Klammer [ ....] aufgeführt. Gesamt Inventar [1015 Bq ] Freisetzungsraten 15 [10 Bq/Jahr] maximale Konzentrationen [Bq/m3] gegenwärtige (1994 - ) Konzentrationen [Bq/m3] 26.47 * 1-5+ 5000 - 50000 100 - 1000 4 - 5 ** ( 0.4 ) 300 50 - 100 1* 0.001 0.1 - 1 1 - 10 Sellafield Irische See Tschernobyl Ostsee Versenkungsgebiete Karasee * zerfallskorrigiert auf 1994 Freisetzung + (1975 - 1984) ** Aktivität zum Zeitpunkt der Tab. 2.2: Beispiele für den Eintrag anthropogener Radioaktivität ( 137Cs) in die Meeresumwelt und die daraus folgenden Konzentrationen in den betroffenen Meeresgebieten. 112 Anhang I Meßverfahren für Radioaktivität I.1 Radioaktivität im Sediment Die mit einem Kastengreifer gewonnenen und in Schichten zerschnittenen Sedimentproben werden in einer Gefriertrocknungsanlage getrocknet. Nach Homogenisierung und Zerkleinerung in einer Kugelmühle werden die Proben in ein zylindrisches Gefäß definierter Geometrie eingefüllt und die Aktivität mit einem Reinstgermanium (HPGe)-Detektor gemessen. Die Nuklidgehalte werden immer auf die Trockenmasse (TM) bezogen. I.1.1 Probenentnahme und Probenvorbereitung Die Sedimentproben werden mit einem Kastengreifer aus dem Meeresboden entnommen. Der Kasten der Sedimentgreifers hat eine Kantenlänge von 50 cm und kann einen Kern mit einer Höhe von maximal 40 cm entnehmen. In den Kasten werden an Bord des Forschungsschiffes Stechrohre mit einem Innendurchmesser von 11 cm eingestochen. Die so gewonnenen Kerne werden in Schichten von standardmäßig 2 cm Dicke geschnitten, also 0 - 2 cm, 2 - 4 cm usw. Aus jeweils zwei verschiedenen Stechrohren werden Schichtlagen mit gleichen Niveaus (z. B. 0 - 2 cm) zu einer einzigen Probe vereinigt und in einen Probenbehälter gefüllt. An Bord des Schiffes werden die Proben sofort nach dem Schneiden und zusammenführen bei -18° C eingefroren und gelagert. Im Labor werden die Proben in dem Probenbehälter ausgewogen und in einer Gefriertrocknungsanlage getrocknet. Die an den Proben ermittelte Temperatur in der Gefriertrocknungsanlage muß über mehrere Stunden einen konstanten Wert einnehmen, der deutlich über 0° Celsius liegt. In diesem Fall ist eine Gewichtskonstanz gewährleistet. Aus den Proben werden anschließend Steine und andere Partikel ab einer Korngröße von 2 mm ausgesiebt. Die Proben werden anschließend in einer Kugelmühle staubfein zermahlen. Hierdurch wird eine Homogenität der Probe erzielt und eine gleichmäßige Porosität des Probenmaterials im Probenbehälter gewährleistet. Die getrockneten und gemahlenen Proben werden in zylindrische Gefäße bis zu einer Füllhöhe von maximal 50 mm eingefüllt. Das Probengefäß besteht aus PVC und hat einen Innendurchmesser von 72 mm. Bei maximaler Füllhöhe von 50 mm ergibt sich somit ein Volumen von 200 ml. Von Proben mit größerem Volumen wird eine Teilmenge verwendet. Die Probengefäße werden mit Deckeln verschlossen, um eine Feuchtigkeitsaufnahme bis zur Messung und während der Messung zu unterdrücken. Anschließend werden die Proben in einer kalibrierten Meßgeometrie gemessen. I.1.2 Messung der Aktivität Zur Radioaktivitätsmessung wird eine Halbleitersonde aus Reinstgermanium (n-Typ) verwendet . Diese Sonde ist zur Messung von Gamma-Strahlung mit Energien zwischen ca. 30 und 2000 keV geeignet. Der verwendete Detektor verfügt über einen Reinstgermanium-Kristall mit einem Volumen von 157 cm³ und einer relativen Zählausbeute von 35,8 % im Vergleich zu einer 3 * 3 " NaI(Tl)-Sonde. Die Energieauflösung beträgt 1,80 keV bei 1,33 MeV (60Co). Die 113 Aufzeichnung der Spektren erfolgt in 8192 Kanälen. Zur Reduzierung der Hintergrundstrahlung und der sekundären Streu-und Fluoreszenzstrahlung des Blei, die eine Bestimmung von Gamma-Strahlung stören, ist die Sonde in einer abgestuften Abschirmung (Pb 10 cm, Cu 0,5 cm) angeordnet. Somit können praktisch alle relevanten Spalt- und Aktivierungsprodukte aus Nuklearprozessen meßtechnisch erfaßt werden. Die Energiekalibrierung der Meßanordnung erfolgt anhand der Radionuklidlinien, die in den gemessenen Spektren bestimmt werden. Zur Kalibrierung werden Linien langlebiger Radionuklide herangezogen. Drei Gamma-Energien, die über den gesamten Energiebereich verteilt sind, werden stets verwendet: 46,5 keV (210Pb), 661,6 keV (137Cs) und 1460,8 keV (40K). Aufgrund der hohen Linearität des verwendeten Analog-Digital-Wandlers ist eine Dreipunktkalibrierung ausreichend. Darüber hinaus werden aber je nach Einzelfall auch weitere Linien zur Energiekalibrierung herangezogen. Zur Auswertung von Peak-Multipletts mittels Peakentfaltung wird eine für das Einzelspektrum erstellte Halbwertsbreitenkalibrierung herangezogen. Diese Kalibrierung erfolgt automatisch im Zusammenhang mit der Energiekalibrierung anhand derselben Linien. Die Bestimmung der Peakzählausbeute als Funktion der Gamma-Energie erfolgt individuell für die verwendete Zählanordnung mit Standardproben bekannter Nuklidgehalte. Die Kalibrierung der Meßanordnung erfolgt energiespezifisch. Es werden Standardlösungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig (PTB), verwendet. Dabei werden Strahler mit nicht koinzidenten Übergängen eingesetzt: 210Pb, 241Am, 57Co, 85Sr, 137Cs, 139Ce, 54 Mn, 65Zn. Die Ermittlung der Peakzählausbeute erfolgt bei gleichen Meßbedingungen hinsichtlich der Meßgeometrie, bei denen die Proben gemessen wurden. Durch Kalibrierung anhand verschiedener Volumina im Meßgefäß (zwischen 10 mg und 200 mg) wird sichergestellt, daß Sedimentproben mit verschiedenen Volumina gemessen werden können. Dies ist notwendig, da das Probenvolumen von getrockneten Schichten der Sedimentoberfläche (0-2 cm) oft erheblich von denen in tieferen Schichten abweicht. Die Berechnung des Analysenergebnisses erfolgt automatisiert mit einer kommerziellen Computersoftware der Firma EG&G ORTEC: Gamma Vision Version 2.25. Zur Berechnung werden folgende Größen verwendet: Peakzählrate, Peakzählausbeute, Emissionshäufigkeit des Radionuklides, Meßzeit der Probe, Trockenmasse der Probe. Anhand der nuklidspezifischen Zerfallskonstanten wird die endgültige Aktivität der Probe in [Bq/kg TM] zum Zeitpunkt der Probennahme bestimmt. Die bei der Einzelnuklidbestimmung erreichbaren Erkennungsgrenzen sind von festliegenden Parametern abhängig. Dazu zählen der Spektrumsuntergrund, die Peakzählausbeute, die Halbwertsbreite, sowie die Probenmasse, die Meßzeit und die Zusammensetzung der Meßprobe. Die Nachweisgrenzen werden nuklidspezifisch nach der EG&G ORTEC-Methode ermittelt. 114 I.2 Radioaktivität im Meerwasser I.2.1 Radiocaesium 1.2.1.1 Probenentnahme und radiochemische Trennung Die Proben werden aus verschiedenen Tiefen entnommen. Die Entnahme erfolgt mit dem schiffseigenen Pumpensystem (Wasseroberfläche), Kranzwasserschöpfern (bis 500 m) oder mit Wasserschöpfern von 50, 270 oder 500 Liter Volumen (je nach zu erwartender Konzentration. Das 137Cs und 134Cs (Radiocaesium) in den Wasserproben wird an Bord des Forschungsschiffes auf See in einem Ionenaustauschprozeß selektiv angereichert. Das Ionenaustauschermaterial wird in ein Meßgefäß definierter Geometrie eingefüllt und die Radioaktivität im Labor mit einem -Spektrometer gemessen. Die Proben werden aus den Schöpfern in Behälter aus Polyethylen umgefüllt und mit 1 ml Salzsäure(konz.) je 1 Liter Probe versetzt. Das Volumen der Probe wird mit der Volumeneinteilung am Behälter bestimmt, wenn es 100 Liter nicht überschreitet. Bei größeren Volumina werden Durchsatzmeter zur Volumenbestimmung eingesetzt. Zur selektiven Anreicherung von 137Cs und 134Cs wird der Ionenaustauschprozeß an Kaliumhexacyanokobaltat-II-ferrat-II (KCFC), K2[CoFe(CN)6], angewendet. Das angesäuerte Wasser wird durch eine mit 20 Gramm KCFC (bis 100 Liter Probenvolumen) beziehungsweise 60 Gramm KCFC (größere Volumina) beschickte Austauschersäule geleitet. Unter diesen Bedingungen ist die Adsorption von Caesium am Ionenaustauscher zu nahezu 100 % gewährleistet. Dieser Prozeß wird auf See durchgeführt. Das KCFC wird an Bord des Forschungsschiffes mit etwas destilliertem Wasser in ein durchsichtiges zylindrisches Gefäß überführt. Die anschließende Lagerung an Bord und im Labor geschieht bei Umgebungstemperatur. Die zylindrischen Gefäße dienen gleichzeitig als kalibriertes Probengefäß für die Messung. Nachdem sich das wasserunlösliche KCFC als Niederschlag abgesetzt hat, wird das überstehende Wasser abdekantiert und das Volumen der Probe anhand der Füllhöhe bestimmt. I.2.1.2 Messung der Radioaktivität Zur Radioaktivitätsmessung wird eine Halbleitersonde aus Reinstgermanium (p-Typ) verwendet . Diese Sonde entspricht in ihren Eigenschaften der Sonde, die für die Messung der Radioaktivität im Sediment verwendet wird. Allerdings sind Sonden des p-Typs zur Messung von Gamma-Strahlung erst ab Energien von ca. 100 keV bis 2000 keV geeignet. Die zu ermittelnden Gamma-Linien von 137Cs und 134Cs liegen in diesem Bereich. Die Energiekalibrierung sowie die Halbwertsbreitenkalibrierung der Meßanordnung erfolgt auf die gleiche Weise wie für die Messungen der Radioaktivität im Sediment. Die Errechnung der Analysenergebnissse sowie die Ermittlung der Nachweisgrenzen erfolgt ebenfalls analog zu den Radioaktivitätsbestimmungen im Sediment. Die Peakzählausbeute als Funktion der Gamma-Energie wird auf die gleiche Weise wie bei der Messung der Radioaktivität im Sediment bestimmt. Die Volumina des KCFC im Meßbehälter variierten zwischen 28 und 34 ml bei einer Einwaage von 20 g und zwischen 83 und 96 ml bei einer Einwaage von 60 g. Daher geschieht die Kalibrierung anhand verschiedener Volumina in diesen Bereichen. 115 I.2.2 Plutonium und Americium I.2.2.1 Probenentnahme und radiochemische Trennung Die Probenentnahme an Bord des Forschungsschiffes erfolgt analog zu der Vorgehensweise bei der Radiocaesiumbestimmung. Plutonium und Americium werden anschließend in einem chemischen Trennungsgang ausgefällt, in mehreren chemischen Trennungsstufen voneinander isoliert und elektrolytisch abgeschieden. Anschließend wird die Radioaktivität mit einem Alpha-Spektrometer bestimmt. Die Wasserproben mit einem Volumen von jeweils 100 Litern werden an Bord des Forschungsschiffes aus speziellen Wasserschöpfern in Vorratsbehälter aus Polyethylen gepumpt, die soviel Salzsäure enthalten, daß nach dem Einfüllen ein pH-Wert von 1,5 eingestellt wird. Das Ansäuern der Proben verhindert die Adsorption von Transuranen an den Behälterwänden. Die Proben werden mit 242Pu- und 243Am-Lösungen bekannter Aktivität versetzt, um eine Ausbeutebestimmung vornehmen zu können. Die zugegebene Aktivität (innerer Standard) beträgt etwa 17 mBq. Das Plutonium und Americium werden zusammen mit den inneren Standards an Eisenhydroxid mitgefällt, in mehreren Trennungs- und Reinigungsstufen nuklidspezifisch isoliert, auf Edelstahlplättchen elektrolytisch abgeschieden und anschließend mit einem Oberflächen-Sperrschicht-Detektor -spektrometrisch bestimmt. I.2.2.2 Messung der Radioaktivität Zur Radioaktivitätsmessung wird ein -Spektrometer mit 12 OberflächensperrschichtDetektoren verwendet. Die PIPS-Detektoren mit integriertem Vorverstärker haben eine Fläche von 300 mm2 und eine Schichtdicke von 100 m. Die Halbwertsbreite beträgt 20 keV. Zur Messung der Radioaktivität wird ein Vakuum von 13,3 - 133 Pa aufgebaut. Um den Untergrund in den Peakbereichen zu erfassen, müssen außer den Analysen auch Blindproben untersucht werden. Diese weisen meist Impulsraten auf, die sich vom Nulleffekt nur geringfügig unterscheiden. Zur Detektorkalibrierung werden die Zählausbeuten mit einem Standardpräparat der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, Braunschweig, (PTB) bestimmt. Das Standardpräparat hat eine von der PTB zertifizierte Aktivität und vernachlässigbare Schichtdicke. Die Zählausbeuten können im interessierenden Energiebereich als konstant angesehen werden. Die Energiekalibrierung des Spektrenbereiches wird mit Präparaten, deren Nuklidzusammensetzung bekannt ist, durchgeführt. Die Aktivitätskonzentration wird anhand folgender Größen ermittelt: Aktivität des zugesetzten Tracers, Bruttoimpulszahl des Tracers, Nulleffektimpulszahl des Tracers, Bruttoimpulszahl des Probenpeaks, Nulleffektimpulszahl des Probenpeaks und Volumen der Probe. Die Auswertung erfolgt mit einer Spezial-Auswertesoftware, geschrieben und zur Verfügung gestellt von Dr. G. Kanisch, BFA-IFÖ, Hamburg. Die Nachweisgrenze hängt von folgenden Größen ab: Zählausbeute, chemische Ausbeute, Volumen, Faktor für die statistische Sicherheit (hier k = 4,645), Nulleffektzählrate, Meßzeit des Nulleffektes und Meßzeit der Probe. 116 I.2.3 Strontium-90 Die Aktivitätskonzentration von 90Sr wird über das Tochternuklid 90Y bestimmt. Dabei muß ein radiochemisches Gleichgewicht zwischen diesen beiden Radionukliden herrschen, was bei Meerwasserproben vorausgesetzt werden kann. Das 90Y wird nach einer chemischen Reinigungsextraktion als Yttriumoxid (Y2O3) in einem -Zähler gemessen. Die Meerwasserproben werden auf die gleiche Weise gewonnen wie die Proben zur Bestimmung von Radiocaesium. Es ist auch möglich, nach einer Abtrennung des Caesiums mit KCFC anschließend an derselben Probe eine Strontiumbestimmung durchzuführen. Es werden pro Probe 45 Liter benötigt, die auf See mit 1ml konz. Salzsäure je Liter Probe angesäuert wurden. Im Labor wird das 90Y mit Di-iso-octyl-hydrogen-phosphat (DEHP) extrahiert, nach einigen Reinigungsgängen in eine salzarme Lösung überführt und als Hydroxid gefällt. Nach der Umfällung in das Oxalat und Glühen des Oxalates wird das 90Y als Yttriumoxid (Y2O3) gemessen. Der Aktivitätsabfall des 90Y - Präparates wird in einem Low-Level--Zähler durch acht Einzelmessungen von jeweils 360 min gemessen. I.2.4 Tritium Die Seewasserproben werden ohne Zusätze in Glasflaschen abgefüllt und bei Umgebungstemperatur gelagert. Im Labor werden die Probe in Zellen, die ähnlich der von Östlund aufgebaut sind, elektolytisch angereichert. Die Zellen bestehen aus einer Anode aus Edelstahl und einer Kathode aus phosphatisiertem Eisen. Anschließend werden die Proben in einem Autoklaven zersetzt und das gewonnene Gas in dem Tritium-Energiefenster eines Interngas-Proportionalzählrohres gemessen. Bei einer Zählzeit von 800 min. wird eine Nachweisgrenze von 0,02 Bq/l erreicht. 117 II Die numerischen Zirkulationsmodelle II.1 Das Hamburg Schelf-Ozean-Modell (HAMSOM) Das hydrodynamische LS-, RS1- und RS2-Modell basiert auf dem 'Hamburg Shelf Ocean Model' (HAMSOM). Es ist ein dreidimensionales, baroklines Zirkulationsmodell, das am Institut für Meereskunde der Universität Hamburg für Untersuchungen an Schelfmeerprozessen entwickelt worden ist (Backhaus, 1985). HAMSOM wird seit Anfang der 80er Jahre auf die Zirkulation und Schadstoffausbreitung in Schelfmeeren, vor allem in der Nord- und Ostsee angewendet. Das Modell unterliegt kontinuierlicher Pflege und Verbesserung und leistete bisher wesentliche Beiträge zum Verständnis der Nordsee- und Schelfmeerdynamik. Ab 1989 wurde das Modell im Rahmen des DFGSonderforschungsbereiches 3181) auf die Arktischen Schelfe angewendet (Harms, 1992; Harms, 1994). Diese Arbeiten machten die Kopplung mit einem Eismodell notwendig, um die Umformung von Wassermassen und die Produktion von schwerem Bodenwasser in der Barentssee zu simulieren (Harms, 1997a). Seit 1994 wird die HAMSOM-Arktisversion am IfM im Rahmen des BMBF-Projektes zur Ausbreitung von Radioaktivität in der Arktis auf die Barents-, Karasee und die näheren Versenkungsgebiete angewendet. Das Modell beruht auf den vereinfachten Flachwassergleichungen für den hydrostatischen Zustand bei freier Oberfläche. Horizontaler und vertikaler turbulenter Austausch sind parametrisiert, letzterer über die Richardson Zahl. Die Bewegungsgleichungen werden in semi-impliziter Form auf einem finite Differenzen-, Arakawa C-Gitter gelöst. Eine genaue Beschreibung der numerischen Verfahren des Modells mit Anwendung auf die Küstengewässer von Vancouver Island, Kanada, findet sich in Stronach, Backhaus and Murty (1993). Das Zirkulationsmodell ist mit einem dynamisch-, thermodynamischen Eismodell gekoppelt, wobei der dynamische Anteil dem Eismodell von Hibler (1979) folgt, während die Thermodynamik entsprechend den Ausführungen von Maykut und Untersteiner (1971), Semtner (1976) und Parkinson and Washington (1979) formuliert ist. Das Eismodell berechnet die raum- und zeitabhängigen Variationen der Eisdicke und Eiskompaktheit. Die Wärmeflüsse in der Ozean-Eis-Atmosphären-Grenzschicht werden auf der Basis von Lufttemperaturen mit sog. 'standard bulk' Formeln berechnet (Maykut, 1986). Diese Wärmeflüsse umfassen den latenten und den sensiblen Wärmefluß, die Wärmeleitung durch das Eis, den turbulenten Wärmeaustausch unter dem Eis sowie die langwelligen und kurzwelligen Strahlungsflüsse. Die berechneten Wärmeflüsse bestimmen die Oberflächentemperaturen und damit die Eisbildung. Ein dreidimensionaler Transportalgorithmus auf der Grundlage der Eulerschen Advektions/Diffusionsgleichung ermöglicht es, Temperatur und Salzgehalt als prognostische Variable zu behandeln. Das Zirkulationsmodell schließt einen Transportalgorithmus für RadioaktivitätsKonzentrationen ein, der ebenfalls auf der Eulerschen Advektions-Diffusions-gleichung beruht. Der vertikale Diffusionskoeffizient hängt wie bei der Advektion von Temperatur und Salzgehalt von der Richardson Zahl, also von der Schichtung und von der vertikalen StromScherung ab. Die numerische Approximation geschieht mithilfe eines massenerhaltenden 'Komponenten-upstream' Verfahrens. Aufgrund der numerischen Diffusion, die mit diesem Advektionsschema verbunden ist, wurde eine explizite horizontale Diffusion nicht in die Transportgleichung miteinbezogen. 1) SFB-318: „Klimarelevante Prozesse im System Ozean-Atmosphäre-Kryosphäre“ 118 Desweiteren wird ein 'particle tracking' Algorithmus verwendet, der es ermöglicht passive Teilchen, sog. 'tracer', auf der Grundlage der Langrangschen Transportgleichung zu verfolgen. Die horizontale Diffusion wird bei diesem Verfahren mit dem sog. 'Monte-Carlo-Verfahren' parametrisiert. Dieses Verfahren beinhaltet eine räumlich begrenzte, mit der Gittergröße skalierte Teilchenwanderung auf der Grundlage von Zufallszahlen. Das Lagrangsche Transportmodul wird sowohl für die Verdriftung von Teilchenwolken als auch zur Berechnung von Trajektorien, z.B. im Eis, verwendet. II.2 Das isopyknische Ozeanmodell (OPYC) Das Modell basiert auf den Entwicklungen von Oberhuber (1993). Das Ozeanmodell besteht in der vertikalen Richtung aus einer Anzahl von Schichten konstanter potentieller Dichte, deren Mächtigkeit zeitlich veränderlich ist und vom Modell prognostiziert wird. Die einzelnen Schichten erhalten ihre potentielle Dichte a priori, d.h. ein Dichteprofil, welches dem gemessenen Profil des entsprechenden Meeresgebietes möglist ähnlich sein sollte, wird dem Modell vorgeschrieben. Die Anfangsbedingungen für Salzgehalt und Temperatur werden dann in eine Anfangsverteilung der Schichten konstanter potentieller Dichten im Modellgebiet übertragen. Volumenflüsse, Salzgehalt, Temperatur, und Schichtdicken sind prognostische Größen. Die Erhaltung der potentiellen Dichte in den jeweiligen Schichten geschieht dann mittels eines Ansatzes, mit dem Wasser aus den angrenzenden Schichten eingemischt wird. Die Intensität der Vermischung ist hierbei abhängig von der verfügbaren kinetischen Energie. Die horizontale Diffusion für Salz, Temperatur, Tracer und Impuls wird mit einem harmonischen Ansatz parametrisiert. Der Diffusionskoeffizient für Salz, Temperatur und Tracer hat eine Größe von 250 m2/s. Der Diffusionskoeffizient für den Impuls ist abhängig von der Gittergröße und dem Rossby-Deformationsradius. An der Oberfläche ist ein sogenanntes 'mixed layer' Modell angekoppelt. Es repräsentieret die Physik der durchmischten Oberflächenschicht und leistet die Ankopplung des Ozeans an die Atmosphäre und das Meereis. Die Mächtigkeit, die Temperatur, der Salzgehalt und die Dichte der 'mixed layer' werden vom Modell als Folge der jeweiligen Grenzflächenflüsse von Wärme, Salz und Impuls berechnet. Im Gegensatz zu den tiefer gelegenen Schichten konstanter potentieller Dichte wird die potentielle Dichte der 'mixed layer' vom Modell frei berechnet. Die Mächtigkeit der 'mixed layer' beträgt in der vorliegenden Konfiguration mindestens 20m. In Abhängigkeit von der Schichtung können sowohl die Sonneneinstrahlung, als auch das bei der Eisbildung freigesetzte Salz in Schichten unterhalb der 'mixed layer' vordringen. Ein dynamisch-thermodynamisches Schnee-Eismodell ist die dritte Komponente des Modellsystems. Es ist vollständig an das 'mixed-layer' Modell angekoppelt. Es basiert auf einer viskos-plastischen Rheologie (Hibler, 1979) die von Oberhuber (1993) zu einer Flußform modifiziert wurde. Es prognostiziert Eisdicke und -konzentration, sowie die Schmelz- und Gefrierraten. 119 120 Liste der verwendeten Literatur (in alphabetischer Reihenfolge) Aarkrog, A., H.Dahlgaard, L.Hallstadius, H.Hansen and E.Holm (1983): Radiocaesium from Sellafield effluents in Greenland waters. Nature, London, 304, 49-51. Aarkrog, A. (1994): Radioactivity in Polar Regions - main Sources. J. Environ. Radioactivity, 25, 21-35 Aukrust, T., and J. M. 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Z., zur Veröffentlichung angemommen Eingereicht: Dethleff D., H. Nies, I.H. Harms I.H. and M. J. Karcher (1998): Dispersal of particle-bond and dissolved radionuclides through flaw lead produced sea-ice and dense water in the western Kara Sea. (eingereicht bei Journal of Marine Systems) Harms I.H. and M. J. Karcher (1998b): Modelling Siberian river runoff -implications for contaminant transport in the Arctic Ocean(eingereicht bei Journal of Marine Systems) In Vorbereitung: Karcher M.J., und J.M.Oberhuber: Ventilation of the interior Arctic Ocean in a regional isopycnal model, (in Vorbereitung für JGR) Karcher M.J., I.H. Harms and J.M. Smith: Long-range transport of 129I and 137Cs in the Nordic Seas and the Arctic Ocean (in Vorbereitung für JGR) 129 Liste der Beiträge des BMBF-Projekts "Karasee" zu Symposien und Konferenzen (in chronologischer Reihenfolge) Harms I.H. and J.O. 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ASLO meeting, June 7.12. 1998, St, Louis, Missouri, USA Karcher M.J., I.H. Harms and J.M. Smith (1998): Long-range transport of 129 I and 137 Cs in the Nordic Seas and the Arctic Ocean. The International Symposium on Marine Pollution, Monaco, 5.-9. October 1998. 131 Nies H., I. H. Harms, M. Karcher, D. Dethleff, C. Bahe, N. Theobald, V. Weigelt, D.G. Matishov and Y.V. Kuznetsov (1998): Anthropogenic radioactivity in the Arctic Ocean Results from the joint German project. The International Symposium on Marine Pollution, Monaco, 5.-9. October 1998. Dethleff D., H. Nies I.H. Harms and M.J. Karcher (1998): Transport budgets of potentially radioactively contaminated particulate material in the Kara Sea. The International Symposium on Marine Pollution, Monaco, 5.-9. October 1998. Harms I.H., M.J. Karcher, H. Nies and D. Dethleff (1998): Modelling transport and dispersion of anthropogenic radioactivity in the Arctic Ocean. The International Symposium on Marine Pollution, Monaco, 5.-9. 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August 1998, Lisbon, Portugal. 132 Danksagung Der erfolgreiche Abschluß des Projektes wäre ohne die Unterstützung zahlreicher Kollegen nicht möglich gewesen. Wir möchten daher folgenden Personen sehr herzlich für Ihre Hilfe danken. Herrn Dr. J. Oberhuber vom Deutschen Klima Rechenzentrum in Hamburg danken wir, daß er das von ihm entwickelte großskalige Zirkulationsmodell OPYC zur Verfügung stellte und das Projekt intensiv unterstützte. Wir danken Herrn Kapitän Fietz und Mannschaft des FS GAUSS für die tatkräftige Zusammenarbeit während der GAUSS-Reise 261 im Sommer 1995. Den Herrn Dr. E. Kleine, P. Löwe, Dr. J. Herrmann und Dr. Huber, BSH, danken wir für ihre Unterstützung und zahlreiche wissenschaftliche Diskussionen während des Projektes. Den Mitarbeitern im Sachgebiet „Radioaktivität des Meeres“ I. Goroncy, A. Gottschalk, A. Meyer, und K. Becker sei besonders für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Gauss-Reise 261 und der Aufarbeitung und Analyse der zahlreichen Proben gedankt sowie Herrn Köppinger aus dem Sachgebiet „Sedimentchemie“ für seine Mithilfe bei der Probenahme. Für ihren Einsatz bei der Aufarbeitung der gewonnen Proben danken wir weiter den Herren H. Gabriel, G. Främcke und C. Wedekind. Ferner danken wir G. Stelter und H. Giese für ihre Mitarbeit bei der Messung hydrographischer Parameter während der GAUSS Reise 261. Wir möchten uns sehr herzlich bei unserem Projektträger Herrn Dr. Closs (Projektträger des BMWi und BMBF für Entsorgung) vom Forschungszentrum Karlsruhe für die gute Projektbegleitung bedanken und für die manchmal unbürokratische schnelle Hilfe bei notwendigen Änderungen während der Projektdurchführung. Dies gilt auch für die Unterstützung und Förderung durch die Herren Dr. Lauterborn-Gielow, Dr. Köster und Dr. Lummerzheim sowie die unkomplizierte Hilfe in manchmal komplizierten Verwaltungsfragen durch Herrn Beck vom BMBF. Wir danken den Kollegen Prof. G. Matishov, Dr. D. Matishov und Dr. G. Tarasov vom Murmansk Marine Biological Institute (MMBI) in Murmansk für die Überlassung von Proben aus der Karasee und den Küstengewässern an der Kolahalbinsel und für die Hilfe bei der Durchführung der Expedition in die Karasee 1997. Unser Dank gilt ebenfalls den Kollegen Dr. A. Stepanov und Dr. Y. Kusnetsov vom Khlopin Radium Institut in St. Petersburg, die uns zahlreiche Sedimentproben aus der Umgebung der „Komsomolets“ und aus der Karasee zur Verfügung stellten und mit denen wir einen intensiven wissenschaftlichen Austausch pflegen konnten. Wir danken Dr. P. Strand vom Statens Strålevern (Norwegian Radiological Protection Authority, NRPA), für die Überlassung von Sediment- und Meereisproben aus der Karasee, sowie S. Gröttheim und M. Sickel für die erfolgreiche Zusammenarbeit auf FS GAUSS im Sommer 1995. Wir danken ferner für die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Kollegen Prof. Dr. M. Baxter und Prof. Dr. P. Povinec vom MEL/IAEO in Monaco und Frau Dr. K.L. Sjöblom von der IAEO in Wien. Der Projektleiter dankt sehr herzlich für die Unterstützung, die er im BSH während der Laufzeit des Projektes durch den Präsidenten und Professor Dr. P. Ehlers sowie durch den Vizepräsidenten und Prof. Rühl erfuhr. In diesem Zusammenhang muß aber auch allen Mitarbeitern der Verwaltung gedankt werden, ohne die das Projekt nicht durchzuführen gewesen wäre. Stellvertretend seien hier Frau Clemens und Herr Schott genannt. 133 134